RECORD: Ehrenberg, C. G. 1845. Über einen See-Infusorien haltenden weissen vulkanischen Aschen-Tuff (Pyrobioloth) als sehr grosse Gebirgsmasse in Patagonien. Bericht über die zur Bekanntmachung geeingneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, pp. 143-57.

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III Über einen See-Infusorien haltenden weifsen vulkanischen Aschen-Tuff (Pyrobiolith) als sehr grofse Gebirgsmasse in Patagonien.

Herr Dr. Hooker sandte mir von Herrn Charles Darwin im vorigen Jabre unter den mancherlei Materialien für die Untersuchung auch eine Probe des weifsen tuffartigen Gesteins, welches, der von Letzterem in seiner Reise pag. 201 ausgesprochenen Ansicht nach, die Tertiärbildung von Patagonien characterisirt, und unter welchem in einer besonderen Schicht viele Versteinerungen liegen: Man habe es fälschlich für Kreide gehalten, es scheine aber vielmehr ein zersetzter Feldspath zu sein. Die von mir untersuchte Probe ergab die mikroskopischen Charactere eines zerfallenen Bimsteins oder Tuffes mit einigen Fragmenten von Infusorien. Nachdem ich diefs Herrn Darwin gemeldet hatte, ersuchte mich derselbe, die Masse doch noch specieller zu prüfen. Proben der Masse von Port St. Julian, Port Desire und von New Bay waren zu meiner Disposition gebracht. Die letzten Correspondenz-Nachrichten des in seltenem Grade umsichtigen und aufmerksamen Reisenden lauten folgendermafsen:

"Ich danke Ihnen für Ihre Bemerkungen über die weifse Patagonische Felsart. Ich bin aus verschiedenen Gründen zu demselben Resultate mit Ihnen gekommen, dafs sie ursprünglich ein vulkanisches Gebilde ist. Unglücklicherweise melden Sie mir nicht, welche von den Proben des weifsen Gesteins Infusorien enthält, ich glaube, ich sandte mehrere mit Angabe ihrer Fundorte *). Die Formation ist eine grofsartige. Sie ist in Verbindung mit vielem Gyps (sulphate of lime), hat die Consistenz unserer Kreide (chalk), ist vielleicht etwas weicher, und hat eine ungeheure Ausdehnung. Zu Port St. Julian kann sie nicht weniger als 800 Fufs Mächtigkeit haben. Sie erstreckt sich im Zusammanhange 200 geographische Meilen weit (wahrscheinlich ist sie von grofser Breite), und ist, wie ich glaube, von noch weit gröfserer Ausdehnung, denn ich habe Proben aus den nördlichen Theilen von Patagonien und aus Lagern, welche genau

*) Ich hatte sie in allen Proben gefunden.

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dieselben äufseren Character haben vom Rio Negro, das giebt eine Ausdehnung von Norden nach Süden von wenigstens 550 Meilen."

Nach Eingang dieser Nachrichten habe ich mich sogleich veranlafst gefühlt, die Proben mit aller mir zu Gebote stehenden Sorgfalt weiter zu analysiren, und ich erlaube mir das Resultat, so weit es wissenschaftlich festgestellt ist, vorläufig mitzutheilen. Die Zahl der organischen Einschlüsse hat isch mit jeder neuen Untersuchung gemehrt und der vulkanische Character ist dabei deutlich geblieben.

Verzeichnifs der bestimmbar erhaltenen Formen.

Port St. Julian. Port Desire. New Bay.
A. POLYGASTRICA.
Actinocyclus Venus? - + -
Biddulphia - + -
Coscinodiscus Marginatus + + -
radiatus - + -
* spinulosus - + -
Diploneis didyma + - -
*Discoplea Mammilla + + -
Fragilaria rhabdosoma - + -
vulgaris - - +
*Gallionella coronata + + -
* plana + + -
sulcata + + -
Goniothecium hispidum + - -
*Hyalodiscus patagonicus + + -
*Mastogonia Discoplea α + + -
β + -
Pinnularia borealis + - -
synedra spectabilis - - +
B. PHYTOLITHARIA.
Lithasteriscus tuberculatus + - -
Lithosphaera stellata - + -
Lithostylidium Amphiodon + - -

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Port St Julian Port Desire New Bay
Luthostyhdium articulatum - + -
rostratum - - +
Spongohthis acicularis + + -
appendiculata + + -
aspera + - -
Caput serpentis + - -
Clavus - + -
Fustis + + -
* porosa - + -
Thylacium hirtum + - -

Diese 30 organischen Formen bilden mit einer zelligen glasartigen, zerkleinerten Bimstein-Fragmenten ganz ahnlichen, bei New Bay am meisten ausgebildeten Masse die ganze Patagonische Felsart auf solche Weise, dafs in jedem nadelkopfgrofsen Theilchen viele Fragmente oder ganze Schalen der Thierchen erkannt werden. Ebenso ist es vollig deutlich, dafs die Formen einen hohen Hitzegrad uberstanden haben, wodurch fast alle zersprengt, gebogen, geglattet und verandert sind Ja es wird sogar wahrscheinlich, dafs auch die glasartig zertrummerten Theile meist in dircetem genetischen Zusammenhang mit dergleichen organischen Dingen stehen. Daneben liegen hie und da grune augitartige Crystalle.

Dieses Lager enthalt meistens solche Formen, die ausschliefslich in Seewasser leben und von denen viele schon als weit uber don Ocean verbreitet fruher angezeigt worden sind.

Mehrere Formen sind neu und sehr eigenthumlich. Sie sind durch Sternchen bezeichnet.

Die Halfte der Formen sind Kieseltheile aus Seeschwammen von schon bekannter Gestaltung und zum Theil auch von bekanntem Ursprunge.

Die Patagonische Felsmasse ist daher offenbar ein vulkanisch verarbeiteter Meeresboden.

Auch hier konnen die Seeschwamm-Nadeln, welche stets emzeln und fragmentarisch vorkommen, nicht in die vulkanische

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Tuffmasse hineingekrochen sein, noch auch sich als Fragmenteund Einzeltheile darin entwickelt haben. Aber auch für die Formen der Infusorien zeigt sich eine solche Meinung in Beziehung auf diese als völlig unstatthaft. Ein blofs gehobener nicht verglühter Meeresboden Würde bei solcher Lebensfülle auch dort wie in Oran, Sicilien und Virginien nothwendig meist wohl erhaltene Formen zeigen, ganze Schwämme und Corallen, Polythalamien und Muscheln enthalten, aber nicht Bimstein-Fragmente und Infusorien-Kieselschalen-Fragmente als Haupthestandtheile zeigen.

Polythalamien und andere Kalktheile fehlen ganz, dienten daher wahrscheinlich nebst thonigen Theilen des Meeresbodens als Flufsmittel für die geschmolzenen Kieseltheile und für den Gyps.

Hieran schliefsen sich noch einige neuere Analysen von Stein- und Gebirgs-Arten, welche mit den so eben erörterten in naher Beziehung stehen.

A. BAHIA BLANGA.

Die fossilen urweltlichen Säugethier-Knochen aus den Dünenhügeln von Bahia Blanca in Patagonien beim Rio colorado, deren Herr Darwin pag. 95 seines Reisejournals erwähnt, und welche nach Herrn Owen den Familien der Gürtelthiere und Einhufer angehören, sind in eine gelbliche lehmartige Erde eingehüllt, wovon mir eine Probe zur Untersuchung eingesandt wurde. Es fanden sich darin:

A. POLYGASTRICA.

Gallionella sulcata Stauroptera aspera? fragm.

B. PHYTOLITHARIA.

Lithasteriscus tuberculatus Spongolithis acicularis
Lithostylidium Clepsammidium
quadratum
rude
unidentatum

Von diesen 8 Formen sind 5 entschieden Süfswasser- und Landgebilde, die beiden Polygastrica sind entschieden Seethierchen

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und der Lithasteriscus wahrscheinlich auch eine Seebildung aus der Rinde der Tethyen, das Ganze, obwohl am Meere, ist daher eine brakische Süfswasserbildung.

B. MONTE HERMOSO.

Die Erde am Monte Hermoso in Patagonien, worin fossile Säugethier-Knochen liegen und welche Herr Darwin, als vom Knochen selbst entnommen, eingesendet, zeigte bei der mikroskopischen Untersuchung eine Beimischung von 9 verschiedenen Arten von Süfswasser-Formen, nämlich:

A. POLYGASTRICA.

Fragilaria rhabdosoma Pinnularia?
Gallionella distans

B. PHYTOLITHARIA.

Lithodontium Bursa Lithostylidium rude
furcatum Serra
*Lithostylidium exesum Spongolithis Fustis?

Bis auf die letztere Form sind alle Süfswasserbildungen; diese gehört dem Meere an, mithin ist das Lager eine brakische (nicht vulkanisch veränderte) Ablagerung und ganz verschieden von jenen Pyrobiolithgebilden.

C. LA PLATA.

Die Erde vom Parana-Ufer am La Plata, worin Mastodonten-Zähne liegen und welche diesen anhängt, sandte ebeufalls Herr Darwin. Darin fanden sich:

A. POLYGASTRICA.

Campylodiscus Clypeus Gallionella granulata
Coscinodiscus subtilis, Himantidium gracile
al. sp. Pinnularia borealis
Eunotia

B. PHYTOLITHARIA.

Lithasteriscus tuberculatus Lithodontium furcatum
Lithodontium Bursa rostratum

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Lithostylidium Amphiodon *Lithostylidium quadratum
Clepsammidium rude
* Hamus Serra
polyedrum unidentatum
Spongolithis Fustis

Auch diese Formen sind überwiegend Süfswasserbildungen des La Plata Gebiethes. Nur beweisen die Coscinodisci sammt den Spongolithen, dafs das Meer noch direct darauf eingewirkt hat, es sind mithin ebenfalls brakische Ablagerungen.

D. PHONOLITH VON WISTERSCHAN.

Über die Structur des mechanisch gemischten Phonoliths selbst ist, seiner Undurchsichtigkeit halber, bis jetzt noch nicht gelungen, ein klares Urtheil zu erlangen, allein in der ihm wesentlich zugehörigen weifslichen Rinde haben sich folgende organische Kiesel-Schalen-Formen des Süfswassers erkennen lassen:

A. POLYGASTRICA.

Arcella hyalina Pinnularia borealis
Discoplea comta viridis
Eunotia amphioxys

B. PHYTOLITHARIA.

Lithostylidium rude Spongolithis acicularis
? Thylacium Bursa

Es ist begrieflich, dafs die Phytolitharien (Pflanzentheile) nicht haben hineinkriechen oder darin sich entwickeln können, sondern mit der ursprünglichen Bildung des Phonoliths im Zusammenhang stehen müssen.

E. PHONOLITH VON CARLSBAD.

In der Rinde auch dieses Klingsteins fand sich ein Fragment einer Süfswasser-Eunotia.

F. TRASS VOM SIEBENGEBIRGE.

Im Bimstein-Einschlufs fand sich bisher einigemalc Discoplea comta bestimmbar erhalten.

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G. ASCHE, WELCHE POMPEJI VERSCHÜTTETE.

Nur eine, aber doch eine organische Form hat sich bisher in dieser auf dem K. Mineralien-Cabinet aufbewahrten historischen Asche kenntlich erhalten beobachten lassen. Discoplea comta, eine Süfswasserform, fand sich nesterweis in vielen Exemplaren vor. Diese Asche gleicht auch sonst sehr den Tuffen vom Hochsimmer.

H. ANSCHEINEND ORGANISCHER EINSCHLUSS IM TRACHYT VON ZIMAPAN.

Schon seit 7 Jahren besiteze und betrachte ich zuweilen ein merkwürdiges Stück Feueropal, welches auf Trachyt ansitzt. Mein Bruder, Herr Carl Ehrenberg, hat es aus Mexico mit anderen, zum Theil sehr Schönen und wissenschaftlich belehrenden Feueropalen im Muttergestein selbst mitgebracht. Mitten in jenem Feueropal, welcher durchsichtig ist, befindet sich ein 9 Linien oder ¾ Zoll grofser, mithin schon dem blofsen Auge völlig deutlich zugänglicher Körper. Dieser Körper ist wie eine Serpula oder eine Vermetus gestalltet, unregelmäfsig (spiralartig) gewunden, an der Aufsenfläche seiner etwas eckigen Röhre fein canellirt und regelmäfsig zart gekörnt. Ein Theil davon ist angebrochen und zeigt nicht einen hohlen Raum, sondern eineinnere solide feine silbergraue Trachytmasse, der übrigen gleich; ein anderer Theil ist an der Oberfläche frei gemacht und läfst die fein gekörnte Canellirung deutlich betrachten. Das Ganze macht zumeist den Eindruck eines Steinkerns von einem Vermetus. Wollte man aus theoretischen Gründen den Körper für ein sogenanntes Naturspiel halten, so spricht dagegen die feine, sehr regelmäfsige Skulptur der Oberfläche und auch die sehr schnek-kenartige ganz solide Erscheinung. An einen zufällig in eine Trachyt-Spalte gerathenen und mit Opal überzogenen Körper kann hier wohl nicht gedacht werden, da die Natur des stützenden Trachyt-Fragmentes völlig der grofsen Masse von Zimapan gleicht, die mir durch jene Feueropale sehr mannigfach vergleichbar ist. Das fernere nur zurückhaltende Erwähnen dieser Ercheinung aus theoretischen Gründen scheint mir jetzt eben so fehlerhaft, als ihre weitere Benutzung zu Schlüssen, so lange sie einzeln

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ist, es sein mag. Ich begnüge mich und halte für zweckmäfsig, dieses Factum und diese Beobachtung hiermit deutlich im Schofse der Wissenschaft niederzulegen. Möge sie anregend weiter wirken. In denselben Opalen zeigt das Mikroskop, dafs die undurchsichtigen weifsen (Milchopale) oder leberfarbigen rothen Opale ihre Undurchsichtigkeit gewöhnlich zahllosen, porphyrartig von der Opal-Masse als einem Cäment umschlossenen kleinen Crystallstäbchen verdanken, die fast regelmäfsigen sechsseitigen Säulchen mit abgestumpften Endflächen gleichen.

Übersicht der allgemeineren Resultate.

1. Auch die neuesten vielseitigen und immer gründlicheren Nachforschungen haben ein überaus tief gehendes und ganz durchdringendes Wecheselverhältnifs des selbständigen Lebens im kleinsten Raume mit entschiedenen vulkanischen Thätigkeiten am Rheine bestätigt, und die Theilnahme unserer Staatsbehörden hat einen sehr dankenswerthen, gründlich aufklärenden Einflufs geübt. — Vulkanische, wahrscheinlich Pyroxen- (Augit-), Sodalit-und Leuzit-Krystalle, hilden daselbst wesentliche Mischungstheile von vulkanisch gefritteten Süfswasser-Infusorien-Massen bis zu 183 1/3 Fufs Mächtigkeit.

2. Auf der im höchsten Grade lebensarmen, ganz baumlosen und fast ganz wasserlosen vulkanischen Insel Ascension, mitten im atlantischen Ocean, giebt es eine grofse Ablagerung von vulkanischen Aschen, die, der mikroskopischen Analyse nach, deutlich ganz und gar aus organischen Theilen, meist aus Kieseltheilen von Pflanzen (vielen Randzähnen von Gräsern) mit Beimischung einiger Kiesel-Infusorien bestehen und nicht etwa Meeresformen, sondern ausschliefslich Süfswasser-Gebilde enthalten.

3. Wenn sich bei meinem ersten Vortrage das Resultat festgestellt hatte, dafs in allen bis dahin zur Kenntnifs gelangten zahlreichen Fällen aus Europa, Asien, Afrika und Amerika die mikroskopisch-organischen Verhältnisse, welche in directer oder naher Beziehung zu Vulkanen wirklich gestauden haben oder noch stehen, den Süfswasserbildungen ausschliefslich angehörten, und wenn auch in höchst auffallender Weise

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die Insel Ascension in diesen Character übergeht, so konnten die ähnlichen Meeresbildungen entweder noch unbeobachtet, noch erst aufzufinden sein, oder sie konnten durch die Eigenthümlichkeit des Meerwassers, oder der Mischung des Meeresbodens, leichter schmelzbar und dadurch der Auffassung unzugänglich sein. Jetzt ist durch die vulkanische Infusiorien-Tuffbildung (Pyrobiolithbildung) als grofse Gebirgsmasse in Patagonien mit entschiedenem Character der Meeresbildung diese auffallende Ausschliefslichkeit aufgehoben und die Meeresbildungen sind mächtig vertreten.

4. In Patagonien bildet das Pyrobiolith-Gestein, den Nachrichten zufolge, eine terrassenartige, bis 800 Fufs hohe Gebirgsmasse, welche der europäischen Kreide vergleichbar ist, und scheint, ohne Spur von kohlensaurem Kalk, hie und da viel Gyps haltend, eines der gröfsten, Länder bildenden ununterbrochen gleichartigen Massenverhältnisse der Erde zu sein, durchdrungen, vielleicht hauptsächlich bedingt, durch den Einflufs des Lebens im kleinsten Raume.

5. Der Patagonische weifse Tuff, vielleicht gebildet durch die unterseeische, auffallend gleichartige und grofse frühere Thätigkeit der Chilensischen und Patagonischen Cordilleren der Westseite der Südspitze Amerika's, kann, da das Pyrobiolith-Gestein über den conchylienhaltigen Tertiär-Schichten liegt, nur entweder zur Tertiär-Periode oder zu einer neueren Bildung, als diese ist, gehören.

Es wäre nicht unwichtig, bei vulkanischen Aschenregen der neuesten Zeit den unmittelbar fallenden Staub in Proben sorgfältig aufzufangen und mikroskopisch scharf zu prüfen.

6. Die Asche, welche Pompeji verschüttete, ist eine Süfswasserbildung gewesen. Meerwasser und Meeresboden scheinen dieser vom Vulkan ausgeworfenen historischen Asche ganz fremd geblieben zu sein. Sie ist im Wesentlichen dem Tuff am Hochsimmer auffallend vergleichbar.

7. Durch Beachtung der mikroskopischen Foremen hat sich nun feststellen lassen, dafs die Mastodonten-Lager am La Plata und die Knochen-Lager am Monte Hermoso, so wie die der Riesen-Gürtelthiere in den Dünenhügeln bei Bahia Blanca, beides in Patagonien, unveränderte brakische Süfswasserbildungen sind,

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die einst wohl sämmtlich zum obersten Fluthgebiethe des Meeres im tieferen Festlande gehörten.

8. Auch im Normal-Trachyt von Mexico, dem Muttergestein der Feuer-Opale, giebt es deutliche Erscheinungen, welche rechtfertigen und nöthigen, seiner Verbindung mit organischen Formen alle Aufmerksamkeit zu schenken. Dafs alle vom Trachyt abgeleitete Massen in gleichem Falle sind, liegt am Tage.

9. Nicht blofs die Existenz, sondern auch das früher vermuthete, nun rasch fortschreitende Wachsen der weiteren Erkenntnifs eines tieferen Einflusses des unsichtbar kleinen Lebens auf die festen und vulkanischen Gebilde der Erde hat sich bestätigt und dabei die Aussicht befestigt, dafs dieses Wachsthum, sowohl in Breite als Tiefe, einer ferneren Vergröfserung noch immer fähig sei.

10. Die, sich über das Gebieth des Erdfesten nun weit ausbreitende Kenntnifs des organischen Einflusses auf das Haupt-Material vieler Gestein-Formen läfst es, um Irrungen zu verhüten, wünschenswerth erscheinen, dieses Gebieth im Ausdruck künftig bezeichnend abzugrenzen. Die Namen: Kieselguhr, Bergmehl, Tripel, Polirschiefer, Blätterkohle, Kalk, Halb-Opal, Hornstein, Eisen u.s.w. verlangen jetzt, zwar nicht mineralogisch, aber geologisch, umbezeichnend zu sein, und nicht falsche, heterogene Dinge mischende Vorstellungen zu veranlassen, einen näher bestimmenden Zusatz und einen Gesammt-Namen, wie: organische oder Infusorien-Kieselguhre, Infusorien-Tripel und zwar vulkanisch veränderter oder vulkanisch unveräderter organischer Süfswasser-oder Infusorien-Tripel, ferner Polythalamien-Kalk, organisches oder Infusorien-Eisen u.s.w. Alle diese Zusätze sind aber unbequem. Eben so verhält es sich gegenwärtig mit den Namen von Tuff, vulkanischen Conglomeraten, Bimstein, Phonolith. Zunächst mögen daher Mineralien, welche nicht nachweislich in ihrer Substanz und in ihrem Aggregat-Zustande durch das organische Leben bedingt sind, künftig als Elementar-Tripel, Elementar-Kalk, Elementar-Bimstein u.s.w., zusammen aber als Stoechiolithe, Elementar-Gesteine, im Ge-

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gensatz der Biolithe, organischen Gesteine, bezeichnet werden.

Die ächten Biolithe sind nicht die Versteinerungen führenden Gebirgsarten und Gesteine, sondern entwickeln sich und bestehen allein oder wesentlich aus gehäuften organischen Theilen (wie Mehl aus Amylum-Körnern, Heu aus Gräsern), welche Theile sich hie und da zum Unorganischen umändern, so: Infusorien-Polirschiefer,—Tripel, die ganze Polythalamien-Kreide, die Steinkohle u.s.w. Muscheln, Corallen und Knochen sind zuweilen auch massebildende, meist aber unwesentliche, wenn auch oft characteristische Einschlüsse. — Die ächten, scharf zu sondernden Elementar-Gesteine, Stoechiolithe, sind solche, die keine nachweislich genetische und nur vielleicht eine nachweislich zufällige Verbindung mit Organismen haben.

Für die nicht vulkanisch veränderten nachweislichen Gebilde des organischen Lebens scheint es der Präcision und Kürze des Ausdrucks halber zweckmäfsig, den specielleren Namen Hydrobiolith, und wenn sie vulkanisch verändert sind, den Namen Pyrobiolith, oder pyrobiolithisches Gestein, —Erde,—Gebirgs-Art zu benutzen. Findetman eine noch speciellere Gliederung angemessen, so würden z.B. Blätterkohle, Dysodil, sammt den Biliner Polirschiefern, Saugschiefern und ähnlichen Süfswasserbildungen Hydrozoolithe, Steinkohle(?) dagegen und Braunkohle würden Hydrophytolithe, Schreibkreide aber und sicilischer Kreide-Mergel sammt virginischem Infusorien-Mergel Halizoolithe (das ist thierisch-organische Meeresbildungen), genannt werden können.

Es ist zu hoffen, dafs auf diese Weise das Verhältnifs der Steinarten zu ihren organischen und unorganischen Elementen einen leichteren und übersichtlicheren Ausdruck finde und den fortrückenden Untersuchungen sowohl die Collision mit den bestehenden Theorieen, da wo es sich blofs um Worte handelt, vermieden und die genetische Vorstellung in Kürze klar erhalten werde.

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NOVARUM AUT ILLUSTRATARUM SPECIERUM DEFINITIONES.

A. POLYGASTRICA.

CAMPYLODISCUS hibernicus: C. testulae amplae suborbicularis tortuosae radiis continuis valde laxis in 1/96"'4, crista radiorum obtusa aspera, disco medio sensim laevi. Diameter —1/24"'. Ex Irlandia Angliae. Cfr. Monatsbericht 1842. p. 337.

—————norious: C. testulae amplae suborbicularis tortuosae radiis continuis densioribus in 1/96"'7, crista radiorum acuta crenulata, disco meio sensim laevi. Diam.—1/36—1/24"'. Prope montem Hochsimmer in topho pumicoso fossilis, ad Salisburgum vivus. Cfr. Monatsber. 1840. p. 205. Denuo Collatis formis nunc emendata species.

1. COSCINODISCUS spinulosus: C. testula complanata parum tumente, superficie subtiliter porosa, pororum marginibus spinulosis, spinis porisque fere 12 in 1/96"'. Diam.—1/48"'. Fossilis adlittus Port Desire nominatum Patagoniae. Fragmenta.

2. DISCOPLEA Mammilla: D. testula laevi nummiformi crassa, valvularum sutura tumida, disco singularum medio in mammam producto, annulo marginali solubili, sutura ejus utrinque denticulata. Diam.—1/72"'. Fossilis ad emporia Port St. Julian et Port Desire vocata Patagoniae.

ENTOMONEIS alata = Navicula alata. Monatsbericht 1840. p. 212. 1845. p. 71. In mari boreali et baltico Europae.

3. GALLIONELLA calligera: G. testula parva laevi, habitu G. distantis, duplo latiore quam alta (catenarum articulis duplo longioribus quam latis), sutura media singula, callo interno duplici inclusa (ad modum G. undulatae). Diam 1/144"'. Fossilis ex pumice Insulae Ascensionis. Aquae dulcis incola videtur.

4. GALLIONELLA? coronata: G. tastula habitu G. sulcatae, cylindro extus striato, margine disci crenato, disco leviter convexo laevi, medio granulorum corona simplici margaritarum instar elegantissime ornato. Diam. 1/72"'. Fossilis frequens ad emporia Port St. Julian et Port Desire vocata Patagoniae. Maritima videtur.

—————? plana: G. testula G. sulcatae habitu, sed valvularum disco laevi plano nec radiato, nec granulato. Diam. 1/96"'.

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Cfr. passim ab igne laevigata G. sulcata. Fossilis rarior in topho pumiceo ad locos Port St. Julian et Port Desire appellatos Patagoniae. Catenas harum trium specierum nonvidi, sed e G. sulcata et distante, simul ibidem in fragmentis obviis, characterem depromsi.

6. HYALODISCUS? patagonicus: H. testula ampliore laevissima complanata, valvularum sutura valde tumida, disci margine solubili, ejusque sutura leviter sulcata nec denticulata. Diam.—1/36"'.

In H. laevi valvularum sutura non tumida et discorum non margo solum, sed et media pars solubilis est. An igitur hae duae species genere vere conveniunt?

Fossilis cum formis maritimis in topho pumicoso Patagoniae frequens.

7. MASTOGONIA Discoplea: M. testulae parvae valvulis conicis truncatis, margine et area truncata apicis laevibus, radiis angulisque 18—20. Diam.—1/96"'. α radiis 18, in pumice Patagoniae frequentior, β radiis 20 ibidem rarior.

MONACTINUS simplex Corda, Almanac de Carlsbad 1839. cfr. Monatsber. 1845. p. 71.

8. STAURONEIS atlantica: St. testula parva, a dorso lanceolata apicibus obtusis, a latere lineari. St. amphileptae Chilensi affinis, obtusior. Longit.—1/96"'. E pumice insulae Ascensionis.

9. SURIRELLA? aspera: S. testula ampla, pinnis laxis eorumque cristis obtusis asperis, 4—5 in 1/96"'. Fragmentum vidi. An Campylodiscus? E tophis Montis Hochsimmer vulcanicis.

SYNDENDRIUM Diadema: S. testulae lanceolatae spinae in alterius valvulae parte media positae 5—6, apice furcatae aut penicillatae, longitudine testae crassitiem aequantes. Diam. testae—1/96"'. E Guano peruano. Cfr. Monatsber. 1845. p. 72.

B. PHYTOLITHARIA.

10. LITHODERMATIUM? paradoxum: L. corpusculo quadratooblongo plano lineis subparallelis inaequalibus saepeque undulatis perarata, eorumque interstitiis pororum seriebus occupatis. Lineae in 1/96"'6, pori 5. Diam. fere 1/36"'. Hochsimmer. Fragm.

11. —————polystigma: L. corpusculo difformi subquadrto

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plano superficie subtiliter porosa aut scabra, porulis in 1/96"' 12. Diam. 1/96"'. E pumice Insulae Ascensionis.

12. LITHOSTYLIDIUM constrictum: L. corpusculo laevi oblongo tereti medio constricto, uno fine in rostelli formam subito attenuato altero rotundato. Longit. 1/72"'. E pumice insulae Ascensionis.

13. —————Emblema: L. corpusculo laevi oblongo compresso turgido, uno fine paullo latiore obtuse trilobo aut quadrilobo altero parumper attenuato rotundato. Non sine affinitate cum Lithodontio nasuto est. Diam.—1/36"'. E pulvere aërem in mariatlantico replente et e pumice Insulae Ascensionis.

14. —————exesum: L. corpusculo laevi crasso stiliformi hyalino utroque fine truncato, foveolis rotundis undique contiguis reticulato, tanquam exeso. Longit. 1/36"'. Ad montem Hermosum Patagoniae fossile.

15. —————falcatum: L. corpusculo laevi difformi, oblongo, utroque fine truncato, uno latere concavo subfalcato. Longit.—1/30"'. E pumice Insulae Ascensionis.

16. ————— Formica: L. corpusculo laevi parvo complanato lineari bis constricto, hinc tribus nodis insigni, finibus obtusis aut subtruncatis. Formicae corpus fere refert. Longit.—1/80"'. Affine Clepsammidio est et e Gramineis oriundum videtur. Pumicem insulae Ascensionis cum reliquis format.

17. ————— Hamus: L. corpusculo oblongo laevi tereti, uno fine recto rotundato, altero uncinato subacuto. Longit.—1/96"'. E Mastodontium strato ad Paranam fluvium Americae australioris.

18. ————— Hirundo: L. corpusculo laevi styliformi uno fine obtuso aut subtruncato, altero ad caudae Hirundinis modum furcato. Longit.1/40"'. E pumice insulae Ascensionis.

19. ————— oligodon: L. corpusculo valido stiliformi laevi, urtinque obtuso, margine uno laxe sinuoso et laxe dentato. Longit.—1/20"'. E pumice insulae Ascensionis.

20. ————— ornatum: L. corpusculo parvo quadrato plano, lateribus leviter concavis duobus oppositis denticulo medio insignibus, augulis excisis. Diam—1/170"'. E pumice insulae Ascensionis.

21. ————— Pecten: L. corpusculo parvo compresso subqua-

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drato, uno latere profunde dentato s. pectinato, dentibus paucis crassis apice tumidis, altero latere levius dentato. Diam.—1/60"'. E pumice insulae Ascensionis. L. Amphiodonti affine, cujus dentes non apice tument.

22. LITHOSTYLIDIUM Piscis: L. corpusculo parvo, utroque fine furcato, medio tumido tumore aspero. Longit.—1/40"'. E pumice Insulae Ascensionis. L. Rajulae et Tauro affine.

23. —————Rajula: L. corpusculo parvo subquadrato, utroque oposito fine bicorni, uno latere distinctius crenato. Ova Rajarum fere aemulatur. Diam.—1/40"'. Ex aëris atlantici pulvere, ex insula Isle de France vocata et e pumice Insulae Ascensionis innotuit.

24. —————sinuosum: L. corpusculo parvo difformi oblongo utroque fine obtuso, uno latere rectiusculo, altero incisura irregulari unica sinuoso. Longit.—1/48"'. E pumice Insulae Ascensionis.

25. —————Taurus: L. corpusculo stiliformi tuberculoso, uno fine truncato, altero bicorni. Longit.—1/24"'. E pumice Insulae Ascensionis. L. Hirundo proximum, sed laeve est.

SPONGOLITHIS porosa: Sp. corpuseulo aciculari laevi tereti canali medio insigni, superficie poris sparsis magnis foveolata. Fragmentum vidi. Poris non cum canali medio conjunctis a Sp. fistulosa et similibus differt. An igne alterata forma.? E topho pumicoso Patagoniae.

 

Vorgelegt wurde ein Schreiben des hohen vorgeordneten Ministeriums vom 16. April, in welchem der Akademie angezeigt wird, des Königs Majestät habe auf den Antrag Sr. Excellenz des Herrn Geheimenraths v. Humboldt dem Herrn Prof. Agassiz auf zwei Jahre jährlich 8000 Livres zu einer Reise nach Nordamerika zu bewilligen geruht. Wegen des von Herrn Agassiz geäufserten Wunsches, von der Akademie eine Instruction über solche Gegenstände zu erhalten, auf deren Untersushung sie vorzüglich Werth legen möchte, wird das Schreiben an die physikalisch-mathematische Klasse gewiesen.

In einem zweiten Schreiben vom 19. April zeigt das hohe vorgeordnete Ministerium der Akademie an, dafs das schon ein-


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Citation: John van Wyhe, ed. 2002-. The Complete Work of Charles Darwin Online. (http://darwin-online.org.uk/)

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