RECORD: Darwin, C. R. 1876. Insectenfressende Pflanzen. Translated by J. V. Carus. Stuttgart: Schweizerbart.

REVISION HISTORY: Scanned by Kurt Stüber and copied with permission from http://www.biolib.de/ OCRed by John van Wyhe 5.2008. RN2

NOTE: See record in the Freeman Bibliographical Database, enter its Identifier here. Text adapted from Deutsches Textarchiv.


[page break]

[page break]

[page break]

Charles Darwin,

Insectenfressende Pflanzen.

Aus dem Englischen

von

J. V. Carus.

 

[page break]  

In demselben Verlage erschienen früher:

Ch. Darwin, Reise eines Naturforschers um die Welt. Aus dem Englischen von J. V. Carus. Mit 14 Holzschnitten. 1875. Mark 10. — gebd. Mk. 11. —

— — Ueber die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. Aus dem Englischen von H. G. Bronn. Nach der sechsten englischen Auflage wiederholt durchgesehen und berichtigt von J. Victor Carus. Sechste Auflage. Mit dem Portrait des Verfassers. 8. 1876. Mark 10. — gebunden Mk. 11. —

— — Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl.

Aus dem Englischen von J. Victor Carus. Dritte gänzlich umgearbeitete

Auflage. 2 Bde. mit 78 Holzschn. gr. 8. 1875. Mark 18. — gebd. Mk. 20. —

— — Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.

Aus dem Englischen übersetzt von J. Victor Carus. 2 Bde. mit 43 Holzschnitten. Zweite Auflage. gr. 8. 1873. Mark 20. — gebd. Mk. 22. —

— — Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den

Thieren. Aus dem Englischen von J. V. Carus. Zweite Auflage. Mit

21 Holzschnitten und 7 heliographischen Tafeln. gr. 8. 1874. Mark 10. —

gebunden Mk. 11. —

— — Ueber die Einrichtungen zur Befruchtung britischer und ausländischer Orchideen durch Insecten und über die günstigen Erfolge der Wechselbefruchtung. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. H. G. Bronn. Mit

34 Holzschnitten. gr. 8. 1862. Mark 4. 40.

Jäger, Dr. Gustav, In Sachen Darwin's insbesondere contra Wigand. Ein Beitrag zur Rechtfertigung und Fortbildung der Umwandlungslehre. 1875.

Mark 5. —

Dub, Dr. Julius, Kurze Darstellung der Lehre Darwin's über die Entstehung der Arten der Organismen. Mit 38 Holzschnitten. gr. 8. 1870.

Mark 6. —

[page break]

Insectenfressende Pflanzen

von

Charles Darwin.

Aus dem Englischen übersetzt

von

J. Victor Carus.

Mit dreiszig Holzschnitten.

STUTTGART.

E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch).

1876.


 

[page break]  

[page break] Inhalt.

Erstes Capitel.

Drosera rotundifolia, oder der gemeine Sonnenthau.

Grosze Zahl Insecten gefangen. — Beschreibung der Blätter und ihrer Anhänge

oder Tentakeln. — Vorläufige Skizze der Functionen der verschiedenen Theile

und der Art, auf welche Insecten gefangen werden. — Dauer der Einbiegung

der Tentakeln. — Beschaffenheit der Absonderung. — Die Art, auf welche die

Insecten in die Mitte des Blattes geschafft werden. — Beweis, dasz die Drüsen

die Fähigkeit haben aufzusaugen. — Die geringe Grösze der Wurzeln S. 1

Zweites Capitel.

Die Bewegung der Tentakeln bei der Berührung mit festen Körpern.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der

Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung

mit ihnen gelassen werden. — Die Verschiedenheit in der Wirkung von Körpern, welche lösliche stickstoffhaltige Substanz geben, und solchen, welche

dergleichen nicht geben. — Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln direct

verursacht durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen in Berührung gelassen

werden. — Zeitliche Verhältnisse der beginnenden Einbiegung und der nachfolgenden Streckung. — Die auszerordentliche Kleinheit der Theilchen, welche

Einbiegung verursachen. — Wirkung unter Wasser. — Die Einbiegung der

äuszeren Tentakeln, wenn ihre Drüsen durch wiederholtes Berühren gereizt

werden. — Fallende Wassertropfen verursachen keine Einbiegung .. S. 17

Drittes Capitel.

Zusammenballung des Protoplasma in den Zellen der Tentakeln.

Beschaffenheit des Inhalts der Zellen vor der Zusammenballung. — Die verschiedenen Ursachen, welche eine Zusammenballung veranlassen. — Der Procesz fängt

in den Drüsen an, und geht die Tentakeln hinunter. — Beschreibung der zu

sammengeballten Massen und ihrer unwillkürlichen Bewegungen. — Ströme

von Protoplasma entlang den Wänden der Zellen. — Wirkung von kohlensaurem Ammoniak. — Die Körnchen in dem Protoplasma, welches den Wänden entlang flieszt, verschmelzen mit den centralen Massen. — Die äuszerst

geringe Quantität kohlensauren Ammoniaks, welche Zusammenballung verursacht. — Wirkungsart andrer Salze von Ammoniak, — andrer Substanzen,

organischer Flüssigkeiten etc., — des Wassers, — der Wärme. — Wiederauflösung der zusammengeballten Massen. — Nähere Ursachen der Zusammenballung von Protoplasma. — Zusammenfassung und Schluszbemerkungen. —

Supplementäre Beobachtungen über Zusammenballung in den Wurzeln der

Pflanzen S. 33

Viertes Capitel.

Die Wirkung der Wärme auf die Blätter.

Art der Versuche. — Wirkungen kochenden Wassers. — Warmes Wasser verursacht rapide Einbiegung. — Wasser auf höherer Temperatur verursacht nicht

sofortige Einbiegung, tödtet aber die Blätter nicht, wie ihr späteres Wieder

[page break] Inhalt.

ausbreiten und das Zusammenballen des Protoplasma zeigt. — Eine noch

höhere Temperatur tödtet die Blätter und coagulirt den eiweiszhaltigen Inhalt

der Drüsen S. 58

Fünftes Capitel.

Die Wirkungen nicht-stickstoffhaltiger und stickstoffhaltiger organischer

Flüssigkeiten auf die Blätter.

Nicht-stickstoffhaltige Flüssigkeiten. — Lösungen von arabischem Gummi. — Zucker.

— Stärke. — Verdünnter Alkohol. — Oliven-Oel. Aufgusz und Abkochung

von Thee. — Stickstoffhaltige Flüssigkeiten. — Milch. — Harn. — Flüssiges

Eiweisz. — Aufgusz von rohem Fleisch. — Unreiner Schleim. — Speichel. —

Lösung von Hausenblase. — Verschiedenheit in der Wirkung dieser beiden

Gruppen von Flüssigkeiten. — Abkochung von grünen Erbsen. — Abkochung

und Aufgusz von grünem Kohl. — Abkochung von Grasblättern S. 67

Sechstes Capitel.

Die Verdauungskraft des Secrets der Drosera.

Die Absonderung wird durch directe oder indirecte Reizung der Drüsen sauer. —

Natur der Säure. — Verdauliche Substanzen. — Eiweisz, seine Verdauung durch

Alkalien unterbrochen, durch Zusatz einer Säure wiederbegonnen. — Fleisch. —

Fibrin. — Syntonin. — Zellgewebe. — Knorpel. — Faserknorpel. — Knochen.

— Schmelz und Zahnbein. — Phosphorsaurer Kalk. — Fibröse Grundlage des

Knochens. — Gallerte. — Chondrin. — Milch, Casein und Käse. — Leim. —

Legumin. — Pollen. — Globulin. — Haematin. — Unverdauliche Substanzen. —

Epidermoide Bildungen. — Fibroelastisches Gewebe. — Mucin. — Pepsin. —

Harnstoff. — Chitin. — Cellulose. — Schieszbaumwolle. — Chlorophyll. —

Fett und Oel. — Stärke. — Wirkung des Secrets auf lebende Samen. — Zusammenfassung und Schluszbemerkungen S. 76

Siebentes Capitel.

Die Wirkungen von Ammoniaksalzen.

Art die Versuche auszuführen. — Wirkung destillirten Wassers im Vergleich mit

den Lösungen. — Kohlensaures Ammoniak, von den Wurzeln absorbirt. —

Der Dampf von den Drüsen absorbirt. — Tropfen auf den Blattscheiben. —

Minutiöse Tröpfchen auf einzelne Drüsen gebracht. — Blätter in schwache

Lösungen eingetaucht. — Auszerordentliche Kleinheit der Dosen, welche

Aggregation des Protoplasma herbeiführen. — Salpetersaures Ammoniak, analoge Versuche damit. — Phosphorsaures Ammoniak, analoge Versuche. —

Andre Ammoniaksalze. — Zusammenfassung und Schluszbemerkungen über

die Wirkung der Ammoniaksalze S. 120

Achtes Capitel.

Die Wirkungen verschiedener Salze und Säuren auf die Blätter.

Natron-, Kali- und andere alkalische, erdige und metallische Salze. — Zusammenfassung über die Wirkung dieser Salze. — Verschiedene Säuren. — Zusammenfassung über ihre Wirkungen S. 156

Neuntes Capitel.

Die Wirkungen gewisser alkoloider Gifte, andrer Substanzen und

Dämpfe.

Strychninsalze. — Schwefelsaures Chinin unterbricht nicht bald die Bewegung des

Protoplasma. — Andere Chininsalze. — Digitalin. — Nicotin. — Atropin. —

Veratrin. — Colchicin. — Theïn. — Curare. — Morphium. — Hyoscyamus.


 

[page break] Inhalt.

— Das Gift der Cobra beschleunigt dem Anscheine nach die Bewegungen des

Protoplasma. — Campher, ein kräftiges Reizmittel, seine Dämpfe narcotisch. —

Gewisse ätherische Oele erregen Bewegung. — Glycerin. — Wasser und gewisse Lösungen verzögern oder verhindern die spätere Wirkung des phosphorsauren Ammoniaks. — Alkohol unschädlich, sein Dampf narcotisch und giftig.

— Chloroform, Schwefel- und Salpeter-Äther, ihre reizenden, giftigen und narcotischen Eigenschaften. — Kohlensäure narcotisch, nicht schnell giftig. —

Schluszbemerkungen S. 179

Zehntes Capitel.

Über die Empfindlichkeit der Blätter und über die Übermittelungsbahnen des motorischen Impulses.

Die Drüsen und Spitzen der Tentakeln allein empfindlich. — Übermittelung des

motorischen Impulses die Stiele der Tentakeln hinab und quer durch die

Blattscheibe. — Zusammenballung des Protoplasma eine Reflexthätigkeit. —

Erste Entladung des motorischen Impulses plötzlich. — Richtung der Bewegungen der Tentakeln. — Motorischer Impuls durch das Zellengewebe übermittelt. — Mechanismus der Bewegungen. — Natur des motorischen Impulses. — Wiederausbreitung der Tentakeln S. 208

Elftes Capitel.

Recapitulation der hauptsächlichsten Beobachtungen an Drosera

rotundifolia S. 238

Zwölftes Capitel.

Über den Bau und die Bewegungen einiger anderen Arten von Drosera.

Drosera anglica. — Drosera intermedia. — Drosera capensis. — Drosera spathulata. — Drosera filiformis. — Drosera binata. — Schluszbemerkungen S. 252

Dreizehntes Capitel.

Dionaea museipula.

Structur der Blätter. — Empfindlichkeit der Filamente. — Rapide Bewegung der

Lappen, durch Reizung der Filamente verursacht. — Drüsen, ihr Absonderungsvermögen. — Langsame Bewegung durch Absorption animaler Substanz verursacht. — Beweis der Aufsaugung in dem zusammengeballten Zustand der

Drüsen. — Verdauende Kraft des Secrets. — Wirkung von Chloroform, Äther

und Blausäure. — Die Art und Weise, wie Insecten gefangen werden. —

Nutzen der randständigen Spitzen. — Arten der Insecten, die gefangen werden. — Die Übermittelung des motorischen Impulses und der Mechanismus

der Bewegungen. — Wiederausbreitung der Lappen S. 259

Fängt Krustenthiere. — Structur der Blätter im Vergleich mit denen der Dionaea.

— Aufsaugung der Drüsen, der viertheiligen Fortsätze und der Spitzen an

den nach innen gefalteten Rändern. — Aldrovanda vesiculosa, var. australis

— Fängt sich Beute. — Aufsaugung thierischer Substanz. — Aldrovanda

vesiculosa, var. verticillata. — Schluszbemerkungen S. 290

[page break] Inhalt.

Fünfzehntes Capitel.

Drosophyllum. — Roridula. — Byblis. — Drüsige Haare anderer

Pflanzen. — Schluszbemerkungen über die Droseraceen.

Drosophyllum. — Structur der Blätter. — Natur des Secrets. — Art und Weise,

Insecten zu fangen. — Vermögen der Absorption. — Verdauung animaler

Substanzen. — Zusammenfassung über Drosophyllum. — Roridula. — Byblis.

— Drüsige Haare anderer Pflanzen, ihr Absorptionsvermögen. — Saxifraga.

— Primula. — Pelargonium. — Erica. — Mirabilis. — Nicotiana. —

Zusammenfassung über drüsige Haare. — Schluszbemerkungen über die

Droseraceen S. 300

Sechszehntes Capitel.

Pinguicula.

Pinguicula vulgaris. — Bau der Blätter. — Grosze Zahl der gefangenen Insecten

und anderer Gegenstände. — Bewegung der Blattränder. — Nutzen dieser

Bewegung. — Absonderung, Verdanung und Aufsaugung. — Wirkung des

Secrets auf verschiedene animale und vegetabilische Substanzen. — Die Wirkungen von Substanzen, welche keine löslichen stickstoffhaltigen Substanzen

enthalten, auf die Drüsen. — Pinguicula grandiflora. — Pinguicula lusitanica,

fängt Insecten. — Bewegung der Blätter, Absonderung und Verdauung S. 332

Siebenzehntes Capitel.

Utricularia.

Utricularia neglecta. — Structur der Blase. — Der Gebrauch der verschiedenen

Theile. — Anzahl der gefangenen Thiere. — Art und Weise des Fanges. —

Die Blasen können animale Substanz nicht verdauen, aber absorbiren die Producte ihres Zerfalls — Versuche über die Aufsaugung gewisser Flüssigkeiten

durch die viertheiligen Fortsätze. — Aufsaugung durch die Drüsen. — Zusammenfassung der Beobachtungen über Aufsangung. — Entwickelung der

Blasen. — Utricularia vulgaris. — Utricularia minor. — Utricularia clandestina S. 357

Achtzehntes Capitel.

Utricularia (Fortsetzung).

Utricularia montana. — Beschreibung der Blasen an den unterirdischen Wurzelstöcken. — Beute, welche die Blasen bei Pflanzen im Culturzustande und im

Naturzustande fangen. — Absorption durch die viertheiligen Fortsätze und

durch die Drüsen. — Knollen, weiche als Wasserbehälter dienen. — Verschiedene andere Arten von Utricularia. — Polypompholyx. — Genlisea: verschiedene Natur der Falle zum Fangen von Beute. — Verschiedenartige Methode,

nach welcher Pflanzen ernährt werden S. 388

Ein "Minim‟, das kleinste Flüssigkeitsmasz der englischen Apothekermasze, ist

  Masz-Drachme, entspricht also etwa 1 Gran (0,91 Gran Wasser, Brit. Pharmacopaea, 1867, p. 402), dem Gewicht nach, oder einem "Tropfen‟. Da jedoch Verf.

halbe Minims, halbe-Minim-grosze und selbst   Minim-grosze Tropfen erwähnt,

schien es am sichersten, den Ausdruck einfach beizubehalten. Der Uebersetzer.


 

[page break] Erstes Capitel.

Drosera rotundifolia oder der gemeine Sonnenthau.

Grosze Zahl Insecten gefangen. — Beschreibung der Blätter und ihrer Anhänge

oder Tentakeln. — Vorläufige Skizze der Functionen der verschiedenen Theile

und der Art, auf welche Insecten gefangen werden. — Dauer der Einbiegung

der Tentakeln. — Beschaffenheit der Absonderung. — Die Art, auf welche die

Insecten in die Mitte des Blattes geschafft werden. — Beweis, dasz die Drüsen

die Fähigkeit haben aufzusaugen. — Die geringe Grösze der Wurzeln.

Ich war während des Sommers 1860 erstaunt zu finden, was für

eine grosze. Anzahl Insecten von den Blättern des gewöhnlichen Sonnenthaus (Drosera rotundifolia) auf einer Haide in Sussex gefangen wurden. Ich hatte wohl gehört, dasz Insecten so gefangen würden, wuszte

aber nichts weiteres über diesen Gegenstand 1. Ich sammelte zufällig

1 Da Dr. Nitschke die Bibliographie von Drosera gegeben hat (Botan.

Zeitung, 1860, p. 229), so brauche ich hier nicht in Details einzugehen. Die

meisten der vor 1860 erschienenen Notizen sind kurz und unbedeutend. Der älteste

Aufsatz scheint einer der werthvollsten gewesen zu sein, nämlich der von Dr. Roth

von 1782. Es findet sich auch eine interessante, wenngleich kurze Schilderung

der Lebensweise der Drosera von Dr. Milde in der Botan. Zeitung, 1852, p. 540.

Im Jahre 1855 publicirten Groenland und Trécul in den Annal. des Sciences

natur. Botan. Tom. III, p. 297 und 304 Aufsätze über die Structur der Blätter

mit Abbildungen; Trécul gieng aber so weit, sogar zu bezweifeln, ob sie überhaupt Bewegungsvermögen besäszen. Dr. Nitschke's Aufsätze in der Botan.

Zeitung, 1860 und 1861 sind bei weitem die wichtigsten, welche erschienen sind,

sowohl über die Lebensweise als über den Bau dieser Pflanze; ich werde häufig

Veranlassung haben, sie zu citiren. Seine Erörterungen über mehrere Punkte,

z. B. über die Uebertragung eines Reizes von einem Theile eines Blattes auf einen

andern, sind ausgezeichnet. Am 11. December 1862 las Mr. J. Scott einen Aufsatz vor der botanischen Gesellschaft in Edinburg, welcher in Gardener's Chronicle,

1863, p. 30 gedruckt wurde. Mr. Scott weist nach, dasz leise Reizung der Haare,

ebenso wie Insecten, die auf die Blattscheibe gelegt werden, die Haare zum Einwärtsbiegen veranlassen. Auch Mr. A. W. Bennett gab noch eine interessante

Schilderung der Bewegung der Blätter vor der British Association im Jahre 1873.

In diesem selben Jahre erschien eine Arbeit von Dr. Warming, in welcher er

Darwin, Insectenfressende Pdanzen. (VIII.) 1

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 1.

ein Dutzend Pflanzen, welche sechsundfünfzig ganz ausgebreitete Blätter trugen, und auf einunddreiszig derselben klebten todte Insecten

oder die Ueberreste solcher; und ohne Zweifel würden später noch

viel mehr Insecten von denselben Blättern, und sicherlich noch mehr

von den noch nicht entfalteten gefangen worden sein. An einer Pflanze

hatten alle 6 Blätter ihre Beute gefangen; und an mehreren Pflanzen

hatten sehr viele Blätter mehr als ein Insect gefangen. Auf einem

groszen Blatte fand ich die Reste von dreizehn verschiedenen Insecten.

Fliegen (Diptera) werden viel öfters gefangen als andere Insecten. Die

gröszte Art, welche ich habe fangen sehen, war ein kleiner Schmetterling (Caenonympha pamphilus); aber Mr. H. M. Wilkinson theilte mir

mit, dasz er einmal eine grosze noch lebende Libelle gefunden habe,

deren Körper von zwei Blättern festgehalten wurde. Da diese Pflanze

in einigen Gegenden äuszerst gemein ist, so musz die Anzahl von Insecten, die alljährlich auf diese Weise getödtet werden, ungeheuer sein.

Viele Pflanzen, zum Beispiel die klebrigen Knospen der Roszkastanien,

verursachen den Tod von Insecten, ohne daraus, so weit wir bemerken

können, selbst irgend welchen Vortheil zu ziehen. Es zeigte sich aber

bald deutlich, dasz die Drosera für den besondern Zweck, Insecten zu

fangen, ausgezeichnet geschickt war, so dasz es wohl der Mühe werth

schien, den Gegenstand zu untersuchen.

Die Resultate haben sich als sehr merkwürdig herausgestellt; die

bedeutungsvollsten derselben sind: — erstens, die auszerordentliche

Empfindlichkeit der Drüsen gegen leichten Druck und gegen sehr geringe Dosen gewisser stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, wie sich durch die

Bewegung der sogenannten Haare oder Tentakeln zeigt; zweitens, die

den Blättern innewohnende Fähigkeit, stickstoffhaltige Substanzen lös1

1 die Structur der sogenannten Haare beschreibt, unter dem Titel: "Sur la Différence entre les Trichomes‟ etc., ausgezogen aus den Verhandlungen der Naturhist.

Gesellschaft in Copenhagen. Ich werde auch später noch Veranlassung haben,

einen Aufsatz von Mrs. Treat, von New-Jersey, über einige americanische Arten

von Drosera zu citiren. Dr. Burdon Sanderson hielt vor der Royal Institution eine Vorlesung über Dionaea (erschienen in ‚Nature‛ 14. Juni 1874), in welcher ein kurzer Bericht über meine Beobachtungen über das Vermögen echter Verdauung, welches Drosera und Dionaea besitzen, zum erstenmale erschien. Prof.

Asa Gray hat sich dadurch verdient gemacht, dasz er die Aufmerksamkeit auf

Drosera und andere Pflanzen mit ähnlicher Lebensweise lenkte (The Nation, 1874,

p. 261 und 232 und in andern Schriften). Auch Dr. Hooker hat in seiner wichtigen Rede über fleischfressende Pflanzen (Brit. Assoc. Belfast, 1874) eine Geschichte

des Gegenstandes gegeben.


 

[page break] Cap. 1. Beschreibung der Pflanze.

lich zu machen oder zu verdauen und dieselben später aufzusaugen;

drittens, die Veränderungen, welche im Innern der Zellen der Tentakeln

stattfinden, wenn die Drüsen in verschiedener Weise gereizt werden.

An erster Stelle ist es nothwendig, die Pflanze zu beschreiben 2.

[Abbildung      Fig. 1. (Drosera rotundifolia) Blatt von oben gesehen; viormal vergröszert.]

Sie trägt von zwei oder drei bis zu fünf oder sechs Blätter, die gewöhnlich mehr oder weniger horizontal ausgestreckt sind, aber zuweilen

[Abbildung      Fig. 2. (Drosera rotundifolia.) Altes Blatt, von der Seite geschen; ungefähr viermal vergröszert.]

senkrecht aufrecht stehen. Die Form und allgemeine Erscheinung

eines Blattes ist von oben gesehen in Fig. 1 und von der Seite ge

2 Die in diesem Buche mitgetheilten Abbildungen von Drosera und Dionaea

hat mir mein Sohn George, die von Aldrocanda und von den verschiedenen

Arten von Utricularia mein Sohn Francis gezeichnet. Sie sind im Holzschnitt

von Mr. Cooper, 188, Strand, ausgezeichnet wiedergegeben worden.

1*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 1.

sehen in Fig. 2 dargestellt. Die Blätter sind gewöhnlich etwas breiter

als lang, aber dies war mit dem hier abgebildeten nicht der Fall. Die

ganze obere Fläche ist mit Drüsen-tragenden Filamenten oder Tentakeln,

wie ich sie der Art ihrer Thätigkeit wegen nennen werde, bedeckt.

Die Drüsen wurden an einunddreissig Blättern gezählt, aber viele der

letzteren waren von ungewöhnlicher Grösze und die durchschnittliche

Zahl betrug 192; die gröszte Zahl war 260 und die geringste 130.

Eine jede der Drüsen ist von groszen Tropfen einer äuszerst klebrigen

Absonderung umgeben, welche, in der Sonne glänzend, Veranlassung gewesen sind, der Pflanze den poetischen Namen des Sonnenthau's zu geben.

Die Fühler auf dem mittleren Theile des Blattes oder der Scheibe

sind kurz und stehen aufrecht und ihre Stengel sind grün. Nach dem

Rande zu werden sie länger und länger und biegen sich mehr nach auszen;

ihre Stengel werden dabei nach und nach purpurn. Die am äuszersten

Rande springen in derselben Ebene mit dem Blatt vor, oder sind, noch

gewöhnlicher, beträchtlich zurückgebogen. Einige wenige Tentakeln entspringen von der Basis des Stengels oder Blattstieles, und diese sind die

längsten von allen; manchmal erreichen sie beinahe die Länge von ¼ Zoll.

Auf einem Blatte, welches im Ganzen 252 Tentakeln trug, verhielten sich

die kurzen Fühler auf der Scheibe mit grünen Stielen der Zahl nach zu

den längeren in der Nähe des Randes stehenden und den ganz randständigen mit purpurnen Stielen wie neun zu sechszehn.

Ein Tentakel besteht aus einem dünnen geraden haarähnlichen Stiel,

der an der Spitze eine Drüse trägt. Der Stiel ist etwas abgeplattet und

wird von mehreren Reihen verlängerter Zellen gebildet, die mit einer purpurnen Flüssigkeit oder körnigen Substanz gefüllt sind 3. Jedoch findet

sich dicht unter den Drüsen der längeren Tentakeln eine schmale Zone

und nahe ihrer Basis eine breitere Zone von einer grünen Färbung.

Spiralgefäsze, von einfachem Gefäszgewebe begleitet, zweigen sich von den

Gefäszbündeln in der Scheibe des Blattes ab und laufen durch alle Tentakeln hinauf in die Drüsen.

Mehrere bedeutende Physiologen haben die homologe Natur dieser

Anhänge oder Tentakeln erörtert, das heiszt, ob sie als Haare (Trichome)

oder Verlängerungen des Blattes betrachtet werden sollten. Nitschke hat

bewiesen, dasz sie alle die Elemente, welche zu der Scheibe des Blattes

gehören, in sich schlieszen; und die Thatsache, dasz sie Gefäszgewebe

3 Der Angabe Nitschke's zufolge ist die purpurne Flüssigkeit das Resultat

einer Metamorphose des Chlorophylls. Mr. Sorby hat die färbende Substanz mit

dem Spectroscop untersucht; er theilt mir mit, dasz sie aus der gewöhnlichsten

Art Erythrophyll besteht, welche häufig in Blättern mit niederer Lebensfähigkeit

und in solchen Theilen, wie Blattstielen, gefunden wird, die die Functionen eines

Blattes in einer sehr unvollständigen Art ausführen. Alles, was daher hierüber

gesagt werden kann. ist, dasz die Haare (oder Tentakeln) so gefärbt sind wie

Theile eines Blattes, welche ihre gehörigen Verrichtungen nicht vollziehen.


 

[page break] Cap. 1. Bau der Tentakeln und Drüsen.

enthalten, ward früher für ein Beweis gehalten, dasz sie Verlängerungen

des Blattes wären; jetzt aber ist es bekannt, dasz Gefäsze zuweilen in

wahre Haare eintreten 4. Die Fähigkeit sich zu bewegen, welche sie besitzen, ist ein starkes Argument gegen die Ansicht, dasz sie Haare sind.

Die Folgerung, welche mir die wahrscheinlichste zu sein scheint, wird im

15. Kapitel gegeben werden, nämlich, dasz sie ursprünglich als drüsige

Haare oder blosze Epidermis-Bildungen existirten und dasz ihr oberer

Theil noch als eine solche zu betrachten ist; dasz aber ihr unterer Theil,

welcher allein der Bewegung fähig ist, aus einer Verlängerung des Blattes

besteht; von diesem Theil aus haben sich Spiralgefässe bis in den obersten Theil hinein erstreckt. Wir werden nachher sehen, dasz die endständigen Tentakeln der getheilten Blätter von Roridula sich noch in

einem intermediären Zustande befinden.

Die Drüsen, mit Ausnahme der von den äuszerston randständigen

Tentakeln getragnen, sind oval und von nahezu gleicher Grösze, nämlich

[Abbildung      Fig. 3. (Drosera rotundifolia). Längsschnitt einer Drüse; stark vergröszert. Nach Warming.]

ungefähr   Zoll Länge. Ihr Bau ist merkwürdig und ihre Functionen

sind complicirt, denn sie sondern ab, sangen auf und werden von ver

4 Dr. Nitschke hat diesen Gegenstand in der Botan. Zeitung, 1861, p. 241

u. folgende, erörtert, s. auch Dr. Warming (Sur la Différence entre les trichomes

etc. 1873), welcher Verweisungen auf mehrere Publicationen mittheilt; s. auch

Groenland und Trécul, Annal. Seiene. natur. Botan., 4. Sér. Tom. 3, 1855,

p. 297 und 303.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 1.

schiedenen Reizmitteln beeinfluszt. Sie bestehen aus einer äuszeren Schicht

von kleinen polygonalen Zellen, welche eine purpurne körnige Substanz

oder Flüssigkeit enthalten und dickere Wände als die Stielzellen besitzen.

Innerhalb dieser Zellenschicht liegt eine innere, aus anders geformten

Zellen bestehend, welche gleichfalls mit purpurner Flüssigkeit, aber von

einer unbedeutend verschiedenen Färbung gefüllt sind und sich auch gegen

Gold-Chlorid verschieden verhalten. Diese beiden Schichten sind zuweilen

gut zu sehen, wenn eine Drüse zerdrückt oder in Ätzkali gekocht worden

ist. Der Angabe Dr. Warming's zufolge ist noch eine andere Schicht von

viel verlängerteren Zellen vorhanden, wie in dem beistehenden, aus seinem

Werke copirten Durchschnitt (Fig. 3), dargestellt ist. Diese Zellen wurden weder von Dr. Nitschke noch von mir gesehen. In der Mitte ist

eine Gruppe verlängerter cylindrischer Zellen von ungleicher Länge, welche

stumpf zugespitzt an ihren oberen, und abgestutzt oder abgerundet an

ihren unteren Enden, dicht an einander gedrückt und dadurch merkwürdig sind, dasz sie von einer Spirallinie umgeben werden, welche als eine

besondere Faser abgetrennt werden kann.

Diese letzteren Zellen sind mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt, aus

welcher sich nach langem Eintauchen in Alkohol viel braune Substanz

niederschlägt. Ich vermuthe, dasz sie mit den Spiralgefässen, welche in

den Tentakeln hinauflaufen, factisch zusammenhängen; denn bei mehreren

Gelegenheiten wurde gesehen, wie die Letzteren sich in zwei oder drei

äuszerst dünne Zweige theilten, welche bis dicht an die spiralfadenhaltenden Zellen verfolgt werden konnten. Ihre Entwickelung ist von Dr.

Warming beschrieben worden. Zellen derselben Art sind auch in andern

Pflanzen beobachtet worden, wie ich von Dr. Hooker höre, und wurden

von mir in den Rändern der Blätter der Pinguicula gesehen. Was auch

ihre Function sein mag, sie sind weder nothwendig für die Absonderung

der verdauenden Flüssigkeit, noch für die Aufsaugung, noch für die Mittheilung eines Bewegungsreizes an andere Theile des Blattes, wie wir aus

der Bauart der Drüsen bei einigen andern Gattungen der Droseraceen

schlieszen können.

Die äuszersten randständigen Tentakeln sind unbedeutend verschieden

von den andern. Ihre Basen sind breiter und auszer ihren eignen Gefäszen erhalten sie noch einen schönen Zweig von denen, welche auf jeder

Blatthälfte in die Tentakeln eintreten. Ihre Drüsen sind sehr verlängert

und liegen auf der oberen Fläche des Stengels eingebettet, anstatt an der

Spitze zu stehen. In andrer Hinsicht sind sie nicht wesentlich verschieden von den ovalen und in einem Exemplar fand ich jeden möglichen

Uebergang zwischen den beiden Formzuständen. In einem andern Exemplar waren keine langköpfigen Drüsen vorhanden. Diese randständigen

Tentakeln verlieren ihre Reizbarkeit eher als die andern, und wenn ein

Reiz auf die Mitte des Blattes gebracht wird, werden sie erst nach

den andern zur Thätigkeit erregt. Wenn abgeschnittene Blätter in Wasser

eingetaucht werden, werden sie oft allein gebogen.

Die purpurne Flüssigkeit oder körnige Substanz, welche die Zellen

der Drüsen erfüllt, ist bis zu einem gewissen Grade verschieden von der

in den Zellen der Stengel. Denn wenn ein Blatt in heiszes Wasser oder

gewisse Säuren gethan wird, werden die Drüsen ganz weisz und undurch


 

[page break] Cap. 1. Papillen der Blätter und Stiele.

sichtig, während die Zellen der Stengel hellroth werden, mit Ausnahme

derer dicht unter den Drüsen. Diese letzteren Zellen verlieren ihre blasze

rothe Färbung; und die grüne Substanz, welche sie ebensowohl wie die

basalen Zellen enthalten, wird heller grün. Die Stiele tragen viel vielzellige Haare, wovon, der Angabe Nitschke's zufolge, einige der Scheibe

nahe von einigen wenigen runden Zellen überragt werden, welche rudimentäre Drüsen zu sein scheinen. Beide Flächen des Blattes, die Stiele

der Tentakeln, besonders die untere Seite der äuszeren, und die Blattstiele

sind mit kleinen Papillen (Haare oder Trichome) besetzt, welche eine

conische Basis haben und an ihrer Spitze zwei und gelegentlich auch drei

oder selbst vier abgerundete Zellen tragen, die viel Protoplasma enthalten. Diese Papillen sind gewöhnlich farblos, aber manchmal enthalten sie

ein wenig purpurne Flüssigkeit. Sie sind verschieden in ihrer Entwicklung und gehen wie Nitschke 5 angibt und ich zu wiederholten Malen

beobachtet habe, allmälich in die langen vielzelligen Haare über; die letzteren sowohl als die Papillen sind wahrscheinlich die Rudimente von früher vorhanden gewesenen Tentakeln.

Um nicht noch einmal auf die Papillen zurückkommen zu müssen,

will ich hier hinzufügen, dasz sie nicht absondern, aber leicht von verschiednen Flüssigkeiten durchdrungen werden; so dasz, wenn lebende oder

todte Blätter in eine Auflösung von einem Theil Gold-Chlorid oder salpetersaurem Silber auf 437 Theile Wasser eingetaucht werden, sie schnell

schwarz werden und die Entfärbung sich bald bis in das umgebende Gewebe ausbreitet. Die langen vielzelligen Haare werden nicht so schnell

angegriffen. Nachdem ein Blatt zehn Stunden lang in einem schwachen

Aufgusse von rohem Fleisch liegen gelassen war, hatten die Zellen der

Papillen augenscheinlich thierische Substanz aufgesaugt; denn anstatt der

klaren Flüssigkeit enthielten sie nun kleine zusammengehäufte Massen von

Protoplasma, welche langsam und unaufhörlich ihre Form änderten. Ein

ähnliches Resultat ergab sich, nachdem ein Blatt nur 15 Minuten lang

in eine Lösung von einem Theil kohlensaurem Ammoniak in 218 Theilen

Wasser getaucht wurde; die benachbarten Zellen der Tentakeln, auf welchen die Papillen saszen, enthielten jetzt gleichfalls zusammengeballte

Massen von Protoplasma. Wir können daraus schlieszen, dasz, wenn ein

Blatt ein gefangenes Insect in der sofort zu beschreibenden Weise dicht

umfangen hält, die Papillen, welche von der oberen Fläche des Blattes

und der Tentakeln vorspringen, wahrscheinlich etwas von der thierischen

Substanz aufsaugen, welche in der Absonderung aufgelöst wird. Dies

kann aber mit den Papillen am Rücken der Blätter oder an den Blattstielen nicht der Fall sein.

Vorläufige Skizze der Function der verschiedenen Theile und der Art, auf

welche Insecten gefangen werden.

Wenn ein kleiner organischer oder unorganischer Gegenstand auf

die Drüsen in der Mitte des Blattes gelegt wird, so übertragen diese

5 Nitschke hat diese Papillen ausführlich beschrieben und abgebildet, in Botan. Zeitung, 1861, p. 1234, 253, 254.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 1.

einen motorischen Reiz auf die randständigen Tentakeln. Die nächststehenden werden zuerst afficirt und neigen sich langsam nach der

Mitte hin, dann die entfernteren, bis sie zuletzt alle über dem Gegenstand dicht zusammen gebogen sind. Dies findet in einer Stunde bis

zu vier oder fünf oder noch mehr Stunden statt. Die Verschiedenheit

in der hierzu erforderlichen Zeit hängt von vielen Umständen ab,

nämlich von der Grösze des Gegenstandes und dessen Beschaffenheit,

das heiszt, ob er auflösliche Substanz der richtigen Art enthält, von

der Lebenskraft und dem Alter des Blattes, ob es kürzlich in Thätigkeit gewesen ist, und der Angabe Nitschke's 6 zufolge von der Temperatur des Tages, was auch mir der Fall zu sein schien. Ein lebendes Insect ist ein wirksamerer Gegenstand als ein todtes, da es beim

Sichsträuben die Drüsen vieler Fühler drückt. Ein Insect, wie z. B.

eine Fliege, mit dünner Haut, durch welche die thierische Substanz

in Auflösung leicht in die umgebende dicke Absonderung dringen kann,

ist viel wirksamer, eine verlängerte Einbiegung zu verursachen, als ein

Insect mit einer dicken Haut wie ein Käfer. Die Einbiegung der Tentakeln findet ohne Unterschied im Licht und in der Dunkelheit statt,

und die Pflanze bietet keine nächtliche Bewegung eines sogenannten

Pflanzenschlafes dar.

Wenn die Drüsen auf der Blattscheibe wiederholt berührt oder

bestrichen werden, wenn auch kein Gegenstand auf ihnen liegen

gelassen wird, so biegen sich die randständigen Tentakeln doch

einwärts. Ferner, wenn Tropfen von verschiedenen Flüssigkeiten,

von Speichel oder einer Auflösung von irgend einem Ammoniaksalz

auf die mittelsten Drüsen gebracht werden, so tritt schnell dasselbe

Resultat ein, zuweilen in weniger als einer halben Stunde.

Die Tentakeln durchlaufen einen weiten Raum im Acte der Einbiegung; so bewegt sich ein randständiger Tentakel, welcher in einer

Ebene mit der Blattscheibe ausgestreckt war, durch einen Winkel von

180°; und ich habe die stark zurückgebognen Tentakeln eines Blattes,

welches aufrecht stand, sich durch einen Winkel von nicht weniger

als 270° bewegen sehen. Der sich biegende Theil ist beinahe gänzlich auf einen kurzen Raum in der Nähe der Basis beschränkt; aber

eine im Ganzen gröszere Partie der verlängerten äuszeren Tentakeln

wird unbedeutend gebogen; die der Spitze nähere Hälfte bleibt in allen

Fällen gerade. Die kurzen Tentakeln in der Mitte der Scheibe wer

6 Botan. Zeitung, 1860, p. 216.


 

[page break] Cap. 1. Einbiegung der Tentakeln.

den, wenn sie direct gereizt werden, nicht eingebogen, sind aber einer

Einbiegung fähig, wenn sie durch einen motorischen Reiz erregt werden, welchen sie von andern Drüsen in einer gewissen Entfernung erhalten. Wenn z. B. ein Blatt in einen Aufgusz von rohem Fleisch

oder in eine schwache Auflösung von Ammoniak (wenn die Auflösung

nur ein wenig stark ist, wird das Blatt paralysirt) eingetaucht wird,

so biegen sich alle die äuszeren Tentakeln nach innen (siehe Fig. 4),

ausgenommen die nahe der Mitte, welche gerade aufrecht stehen bleiben; es biegen sich aber dieselben nach irgend einem reizenden Gegenstand hin, der auf die eine Seite der Blattscheibe gelegt wird, wie in

Fig. 5 dargestellt ist. Die Drüsen in Fig. 4 bilden, wie man sehen

kann, einen dunkeln Ring um die Mitte herum, und dies ist eine Folge

[Abbildung      Fig. 4. (Drosera rotundifolia) Blatt (vergröszert) mit allen Tentakeln dicht eingebogen

nach Eintauchung in eine Lösung von phosphorsaurem Ammoniak (ein Theil auf 87500 Wasser).]

[Abbildung      Fig. 5. (Drosera rotundifolia) Blatt (vergröszert) mit den Tentakeln der einen Selte

über ein Stückchen auf die Scheibe gebrachten Fleisches eingebogen.]

davon, dasz die äuszern Tentakeln in einem richtigen Verhältnis an

Länge zunehmen, je nachdem sie dem Blattrande näher stehen.

Die Art der Biegung, welcher die Tentakeln unterliegen, zeigt

sich am Besten, wenn die Drüse eines der langen äuszeren Tentakeln

auf irgend eine Art gereizt wird; denn die umgebenden bleiben dabei

unberührt. In der beifolgenden Umriszzeichnung (Fig. 6) sehen wir

einen Tentakel, auf welchen ein Theilchen Fleisch gethan worden war,

dadurch nach der Mitte des Blattes zu gebogen, mit zwei anderen,

welche ihre gewöhnliche Stellung beibehalten. Eine Drüse kann einfach dadurch, dasz man sie drei- oder viermal berührt, gereizt werden,


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 1.

oder durch länger andauernde Berührung mit organischen oder unorganischen Gegenständen und verschiedenen Flüssigkeiten. Ich habe

durch die Loupe ganz deutlich gesehen, wie ein Tentakel anfieng, in

zehn Secunden sich zu biegen, nachdem ein Gegenstand auf seine Drüse

gebracht worden war, und ich habe oft eine deutlich ausgesprochene

Einbiegung in kürzerer Zeit als einer Minute eintreten sehen. Es ist

überraschend, was für kleine Theilchen irgend einer Substanz, solche

wie ein Stückchen Faden oder Haar oder ein Splitter Glas, wenn sie

in thatsächliche Berührung mit der Oberfläche der Drüse gebracht

werden, genügen, den Tentakel zum Biegen zu veranlassen. Wenn

der Gegenstand, welcher durch diese Bewegungen in die Mitte geschafft

worden ist, nicht sehr klein ist, oder wenn er auflösliche stickstoffhaltige Substanzen enthält, so wirkt er auf die mittleren Drüsen und

[Abbildung      Fig. 6. (Drosera rotundifolia.) Schematische Zeichnung, welche einen der äuszeren Tentakeln

stark umgebogen darstellt. die zwei benachbarten in der gewöhnlichen Stellung.]

diese theilen den äuszeren Tentakeln einen motorischen Impuls mit,

welcher sie veranlaszt, sich nach innen einzubiegen.

Nicht nur die Tentakeln, sondern oft auch die Scheibe des Blattes, aber durchaus nicht immer, wird stark eingebogen, wenn irgend

eine stark reizende Substanz oder Flüssigkeit auf die Scheibe gebracht

wird. Tropfen von Milch und von einer Auflösung von salpetersaurem

Ammoniak oder Natron sind besonders geneigt, diese Wirkung hervorzubringen. Die Scheibe wird so in eine kleine Schale verwandelt.

Die Art, auf welche sie sich biegt, variirt sehr. Manchmal wird blosz

die Spitze, manchmal die eine, manchmal beide Seiten eingebogen.

Ich that z. B. Stückchen eines hartgekochten Eies auf die Blätter;

eins hatte die Spitze nach der Basis zu gebogen, das zweite hatte beide

entgegengesetzte Ränder sehr eingebogen, so dasz es beinah dreieckig

im Umrisz wurde, und dieses ist vielleicht der gewöhnlichste Fall,


 

[page break] Cap. 1. Secret der Drüsen.

während die dritte Scheibe durchaus gar nicht afficirt wurde, obgleich

die Tentakeln genau so dicht eingebogen waren, wie in den beiden

vorhergehenden Fällen. Gewöhnlich erhebt sich auch oder biegt sich

die ganze Scheibe aufwärts und bildet so einen kleineren Winkel mit

dem Stiel als vorher. Dies erscheint auf den ersten Blick als eine

bestimmte Art von Bewegung, aber sie geht aus der Einbiegung des

Theils des Randes hervor, welcher an den Stiel befestigt ist, wodurch

die Scheibe als ein Ganzes sich zu krümmen oder nach oben zu bewegen veranlaszt wird.

Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln sowohl als

die Scheibe über einen auf der letztern liegenden Gegenstand zusammen gebogen bleiben, hängt von verschiedenen Umständen ab; nämlich

von der Lebenskraft und dem Alter des Blattes, und der Angabe

Dr. Nitschke's zufolge, von der Temperatur, denn während kaltem

Wetters, wenn die Blätter unthätig sind, strecken sie sich in einer

früheren Zeit wieder aus, als wenn das Wetter warm ist. Aber die

Beschaffenheit des fremden Körpers ist bei Weitem der wichtigste Umstand; ich habe wiederholt gefunden, dasz die Tentakeln eine durchschnittlich viel längere Zeit über Gegenständen zusammen geschlagen

bleiben, welche auflösliche, stickstoffhaltige Substanzen darbieten, als

über solchen, mögen es nun organische oder unorganische sein, welche

keine solche Substanz hergeben. Nach einer von einem bis zu sieben

Tagen variirenden Periode strecken sich die Tentakeln wieder aus und

sind dann bereit, von Neuem in Thätigkeit zu treten. Ich habe dasselbe Blatt sich drei aufeinander folgende Male über Insecten biegen

sehen, welche auf die Scheibe gelegt waren; und wahrscheinlich würde

es noch öfter so gehandelt haben.

Die Absonderung der Drüsen ist auszerordentlich klebrig, so dasz

sie in lange Fäden aufgezogen werden kann. Sie erscheint farblos,

aber färbt kleine Kugeln von Papier blasz rosa. Ein Gegenstand irgend

welcher Art verursacht, wie ich glaube, wenn er auf die Drüse gelegt

wird, eine noch reichlichere Absonderung; aber schon die blosze Anwesenheit des Körpers macht es schwierig, dies festzustellen. In einigen Fällen jedoch war die Wirkung deutlich bemerkbar, so wenn Theilchen von Zucker dazu gethan wurden; das Resultat ist aber in diesem

Falle wahrscheinlich eine Folge der Exosmose. Stückchen von kohlensaurem und phosphorsaurem Ammoniak und einigen andren Salzen,

z. B. schwefelsaurem Zink, vermehren gleichfalls die Absonderung.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 1.

Das Eintauchen in eine Lösung von einem Theil Gold-Chlorid oder

einigen andren Salzen auf 437 Theile Wasser reizt die Drüse zu einer

bedeutend verstärkten Absonderung an; auf der andern Seite bringt

weinsteinsaures Antimon keine solche Wirkung hervor. Das Eintauchen

in viele Säuren (ein Theil auf 437 Theile Wasser, stark) verursacht

ebenfalls eine wunderbare Menge Absonderung, so dasz, wenn die Blätter herausgenommen werden, lange Fäden von auszerordentlich zäher

Flüszigkeit von ihnen herabhängen. Andrerseits wirken einige Säuren

nicht auf diese Weise. Die verstärkte Absonderung hängt nicht nothwendigerweise von der Einbiegung der Tentakeln ab, denn Theilchen

von Zucker und schwefelsaurem Zink verursachen keine solche Bewegung.

Es ist eine viel merkwürdigere Thatsache, dasz wenn ein Gegenstand, wie ein Stückchen Fleisch oder ein Insect auf die Scheibe des

Blattes gelegt wird, sobald die umgebenden Tentakeln beträchtlich

eingebogen werden, ihre Drüsen eine verstärkte Menge von Absonderung ergieszen. Ich vergewisserte mich dieser Thatsache dadurch,

dasz ich Blätter mit gleich groszen Tropfen auf beiden Seiten auswählte und Stückchen Fleisch auf die eine Seite der Scheibe that;

sobald als die Tentakeln auf dieser Seite sehr eingebogen wurden, aber

noch ehe die Drüsen das Fleisch berührten, wurden die abgesonderten

Tropfen gröszer. Dies wurde wiederholt beobachtet, aber nur dreizehn

Fälle wurden protocollirt; in neun derselben wurde verstärkte Absonderung deutlich bemerkt; dasz vier Versuche mislangen, daran war

Schuld, entweder, dasz die Blätter im Ganzen torpid, oder dasz die

Stückchen Fleisch zu klein waren, um eine starke Einbiegung zu verursachen. Wir müssen daher schlieszen, dasz die mittleren Drüsen,

wenn sie stark gereizt werden, einen gewissen Einflusz auf die Drüsen

der randständigen Tentakeln äuszern, welcher dieselben veranlaszt,

reichlicher abzusondern.

Es ist eine noch bedeutungsvollere Thatsache (wie wir noch ausführlicher sehen werden, wenn wir die verdauende Kraft des Secrets

behandeln), dasz, wenn die Tentakeln eingebogen werden, in Folge davon, dasz die mittleren Drüsen mechanisch oder durch Berührung mit

thierischer Substanz gereizt worden sind, die Absonderung nicht nur

an Menge zunimmt, sondern auch ihre Beschaffenheit verändert und

sauer wird; und zwar findet dies statt, ehe die Drüsen den Gegenstand auf der Mitte des Blattes berührt haben. Diese Säure ist von


 

[page break] Cap. 1. Secret der Drüsen.

einer andern Art als die, welche in dem Gewebe der Blätter enthalten

ist. So lange die Tentakeln dicht zusammen gebogen bleiben, fahren

die Drüsen fort, abzusondern, und die Absonderung ist sauer, so dasz

sie, wenn sie durch kohlensaures Natron neutralisirt wird, nach wenigen Stunden wieder sauer wird. Ich habe beobachtet, dasz dasselbe

Blatt, mit den Tentakeln über ziemlich unverdauliche Substanzen, wie

chemisch präparirtes Casein, dicht eingebogen, acht aufeinander folgende

Tage lang saure Absonderung ergosz, und zehn aufeinander folgende

Tage lang über Stückchen Knochen.

Die Absonderung scheint, wie der Magensaft der höheren Thiere,

antiseptische Kraft zu besitzen. Ich brachte während sehr warmen

Wetters zwei gleich grosze Stückchen rohen Fleisches dicht neben

einander, eins auf ein Blatt der Drosera, das andere in feuchtes Moos

eingewickelt. Sie wurden 48 Stunden so gelassen und dann untersucht. In dem Stück im Moos schwärmten zahllose Infusorien; es

war so verwest, dasz die queren Streifen der Muskelfasern nicht mehr

deutlich unterschieden werden konnten; während das Stück auf dem

Blatt, welches in die Absonderung eingetaucht war, von Infusorien

frei war und seine Querstreifen in dem mittleren unverdautem Theil

völlig deutlich erkennen liesz. In gleicher Weise wurden kleine würfelförmige Stückchen Eiweisz und Käse in feuchtem Moos von Schimmelfäden überzogen, und ihre Oberfläche wurde leicht entfärbt und zersetzt, während die auf den Blättern der Drosera rein blieben, wobei

gleichzeitig das Eiweisz in durchsichtige Flüssigkeit verwandelt wurde.

Sobald Tentakeln, welche mehrere Tage über einem Gegenstand

dicht eingebogen gewesen sind, anfangen, sich wieder auszustrecken,

sondern ihre Drüsen weniger reichlich ab, oder hören ganz auf, abzusondern und bleiben trocken: in diesem Stadium werden sie von einem

Häutchen von weiszlicher halbfasriger Substanz überzogen, welches

durch die Absonderung in Auflösung erhalten worden war. Das Trocknen der Drüsen während des Actes des Ausstreckens ist von einem

kleinen Nutzen für die Pflanze; denn ich habe oft beobachtet, dasz

Gegenstände, die an den Blättern klebten, dann mit einem Luftzug

fortgeblasen werden konnten; auf diese Weise bleiben die Blätter unbelästigt und frei für künftige Functionirung. Demohngeachtet geschieht es oft, dasz sämmtliche Drüsen nicht vollständig trocken werden und in diesem Falle werden oft zarte Gegenstände, wie zerbrechliche Insecten, durch das Ausstrecken der Tentakeln in Stückchen zer


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 1.

rissen, die dann über das ganze Blatt verstreut liegen bleiben. Nach

vollständigem Wiederausstrecken fangen die Drüsen schnell wieder an

abzusondern, und sobald Tropfen von gehöriger Grösze gebildet sind,

sind die Tentakeln fähig, einen neuen Gegenstand zu umfassen.

Wenn ein Insect sich auf der mittleren Scheibe niederläszt, so

wird es augenblicklich von der klebrigen Absonderung verwickelt und

die umgebenden Tentakeln fangen nach einiger Zeit an, sich zu biegen

und umschlingen es endlich von allen Seiten. Gewöhnlich werden Insecten, wie Dr. Nitschke angibt, in einer Viertelstunde getödtet und

zwar in Folge davon, dasz ihre Tracheen durch die Absonderung verschlossen werden. Wenn ein Insect nur einigen Drüsen der äuszeren

Tentakeln anklebt, so werden diese bald eingebogen und bringen ihre

Beute zu den Tentakeln, die ihnen am Nächsten nach innen folgen;

diese biegen sich dann einwärts und so geht es fort, bis das Insect

endlich durch eine sonderbare Art von rollender Bewegung in die Mitte

des Blattes geschafft worden ist. Dann werden nach Verlauf einiger

Zeit die Tentakeln von allen Seiten eingebogen und tauchen die Beute

in ihre Absonderung ein, in derselben Art, als ob das Insect sich gleich

zuerst auf der mittleren Scheibe niedergelassen hätte. Es ist überraschend, ein wie kleines Insect schon genügend ist, diese Handlung

zu verursachen; z. B. habe ich eine der kleinsten Arten Mücken

(Culex) gesehen, die sich gerade mit ihren auszerordentlich zarten

Füszchen auf die Drüsen der äuszersten Tentakeln gesetzt hatte; diese

fiengen schon an, sich nach innen zu biegen, obgleich noch keine einzige Drüse bis jetzt den Körper des Insects berührt hatte. Wäre ich

nicht dazwischen gekommen, so würde diese kleine Mücke ganz gewisz

in die Mitte des Blattes gebracht und von allen Seiten sicher umschlungen worden sein. Wir werden späterhin sehen, was für auszerordentlich kleine Dosen von gewissen organischen Flüssigkeiten und

salzigen Lösungen eine stark ausgesprochene Einbiegung verursachen.

Ob die Insecten sich nun durch bloszen Zufall auf den Blättern

niederlassen, als auf einem Ruheplatz, oder ob sie durch den Geruch

der Absonderung angezogen werden, weisz ich nicht. Ich vermuthe

wegen der groszen Anzahl Insecten, die von den englischen Species

der Drosera gefangen werden, und nachdem, was ich an tropischen

Species, die in meinem Gewächshaus gehalten wurden, beobachtet habe,

dasz der Geruch anziehend ist. In diesem letzten Fall können die

Blätter mit einer Köder enthaltenden Falle verglichen werden, in dem


 

[page break] Cap. 1. Aufsaugung der Drüsen.

ersten Fall mit einer Falle, die auf einen, vom Wild häufig besuchten

Weg gelegt ist, aber ohne Köder.

Dasz die Drüsen die Kraft der Aufsaugung besitzen, wird dadurch

bewiesen, dasz sie beinahe augenblicklich dunkelfarbig werden, wenn

man ihnen eine kleine Quantität kohlensaures Ammoniak gibt; die

Farbenveränderung ist hauptsächlich oder ausschlieszlich Folge der

rapiden Zusammenballung ihres Inhalts. Wenn gewisse andere Flüssigkeiten dazu gethan werden, so werden sie blasz gefärbt. Ihr Absorptionsvermögen zeigt sich jedoch am Besten in den verschiedenen Resultaten, welche sich ergeben, wenn man Tropfen verschiedener stickstoffhaltiger und nicht stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, von derselben Dichte

auf die Drüsen der Scheibe, oder auf eine einzige Drüse bringt; ebenso auch durch die sehr verschiedene Länge der Zeit, während welcher

die Tentakeln über den Gegenständen, welche lösliche stickstoff haltige

Substanzen darbieten, oder nicht enthalten, gebogen bleiben. Dieser

selbe Schlusz könnte in der That auch aus der Structur und den Bewegungen der Blätter, welche so bewunderungswürdig zum Fangen der

Insecten eingerichtet sind, gezogen werden.

Die Aufsaugung animaler Substanz aus den gefangenen Insecten

erklärt es, wie die Drosera in auszerordentlich armem torfigen Boden

gedeihen kann, in einigen Fällen da, wo nichts als Sphagnum-Moos

wächst; und Moose hängen überhaupt in Bezug auf ihre Nahrung nur

von der Atmosphäre ab. Obgleich die Blätter auf einen flüchtigen

Blick nicht grün erscheinen, was eine Folge der purpurnen Färbung

der Tentakeln ist, so enthalten doch die obere und untere Fläche der

Scheibe, die Stiele der mittleren Tentakeln und die Blattstiele Chlorophyll, so dasz die Pflanze ohne Zweifel von der Luft Kohlensäure

aufnimmt und assimilirt. Demohngeachtet würde, wenn man die Art

des Bodens bedenkt, worauf sie wächst, die Zufuhr von Stickstoff

auszerordentlich beschränkt, oder ganz ungenügend sein, wenn die

Pflanze nicht die Fähigkeit hätte, dieses wichtige Element aus den

gefangnen Insecten zu entnehmen. Wir können hiernach verstehen,

wie es kommt, dass die Wurzeln so dürftig entwickelt sind. Diese

bestehen gewöhnlich aus nur zwei oder drei leicht getheilten Zweigen,

von einem halben bis einen Zoll Länge, welche mit aufsaugenden Haaren

ausgestattet sind. Danach scheint es, als ob die Wurzeln nur zum

Aufsaugen von Wasser dienten; obgleich, wenn solche sich im Boden

fände, sie ohne Zweifel auch nährbare Substanz aufsaugen würden;


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 1.

denn wie wir später sehen werden, absorbiren sie eine schwache Lösung

von kohlensaurem Ammoniak. Von einer Drosera-Pflanze, an welcher

die Ränder der Blätter nach innen gerollt sind, so dasz sie einen zeitweiligen Magen bilden, und an welcher die Drüsen der dicht eingebognen Tentakeln ihre sauere Absonderung ergieszen, welche animale,

später zum Aufsaugen bestimmte Substanz auflöst, kann man sagen,

dasz sie sich wie ein Thier ernährt. Aber verschieden von einem Thier

trinkt sie mit ihren Wurzeln; und sie musz viel trinken, um die vielen

Tropfen der zähen Flüssigkeit, die um die Drüsen herum liegen, manchmal bis zu 260, und welche während des ganzen Tages der brennenden Sonne ausgesetzt sind, erhalten zu können.


 

[page break]  Zweites Capitel.

Die Bewegung der Tentakeln bei der Berührung mit festen

Körpern.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der

Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung

mit ihnen gelassen werden. — Die Verschiedenheit in der Wirkung von Körpern, welche lösliche stickstoff haltige Substanz geben, und solchen, welche

dergleichen nicht geben. — Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln direct

verursacht durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen in Berührung gelassen

werden. — Zeitliche Verhältnisse der beginnenden Einbiegung und der nachfolgenden Streckung. — Die auszerordentliche Kleinheit der Theilchen, welche

Einbiegung verursachen. — Wirkung unter Wasser. — Die Einbiegung der

äuszeren Tentakeln, wenn ihre Drüsen durch wiederholtes Berühren gereizt

werden. — Fallende Wassertropfen verursachen keine Einbiegung.

Ich werde in diesem und den folgenden Capiteln einige der vielen

von mir angestellten Experimente mittheilen, welche am Besten die

Art und die Schnelligkeit der Bewegungen der Tentakeln, wenn sie

verschiedenartig gereizt werden, illustriren. Nur die Drüsen allein

sind in allen gewöhnlichen Fällen für Reizung empfänglich. Wenn sie

gereizt werden, bewegen sie sich und verändern sie ihre Form nicht

selbst, sondern übermitteln einen motorischen Reiz dem sich biegenden

Theil ihrer eignen und der nahe stehenden Tentakeln, wodurch sie

nach der Mitte des Blattes gebracht werden. Genau gesprochen, sollten eigentlich die Drüsen reizbar genannt werden, da der Ausdruck

empfindlich gewöhnlich mit der Idee eines Bewusztseins verbunden

wird; aber Niemand vermuthet, dasz die empfindliche Pflanze (Sinnpflanze) bewuszt ist, und da ich den Ausdruck bequem gefunden habe,

so werde ich ihn ohne Bedenken benutzen. Ich will mit der Bewegung

der Tentakeln anfangen, wenn sie indirect durch Reizmittel, welche

auf die Drüsen der kurzen Tentakeln gebracht sind, gereizt werden.

Die äuszeren Tentakeln werden in diesem Falle, wie man sagen kann,

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 2

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 2.

indirect gereizt, weil nicht direct auf ihre eignen Drüsen eingewirkt

wird. Der Reiz, welcher von den Drüsen auf der Scheibe ausgeht,

wirkt auf den sich biegenden Theil der äuszeren Tentakeln in der Nähe

ihrer Basis und geht nicht erst (wie später bewiesen werden soll) die

Stiele hinauf zu den Drüsen, um von da nach der sich biegenden Stelle

zurück gesandt zu werden. Demohngeachtet geht doch ein gewisser

Einflusz hinauf zu den Drüsen, welcher dieselben veranlaszt, reichlicher

abzusondern, und welcher die Absonderung sauer macht. Diese letztere Thatsache ist, glaube ich, ganz neu in der Physiologie der Pflanzen; es ist in der That erst neuerdings ermittelt worden, dasz im

Thierreich den Nerven entlang ein Reiz Drüsen übermittelt werden

kann, welcher deren Kraft abzusondern unabhängig von dem Zustande

der Blutgefäsze modificirt.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der

Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung

mit ihnen gelassen werden.

Die mittleren Drüsen eines Blattes wurden vermittelst eines kleinen

steifen Pinsels von Kameelhaaren gereizt und in 70 Minuten waren

mehrere der äuszersten Tentakeln eingebogen; am nächsten Morgen

waren sie nach einer Zwischenzeit von 22 Stunden wieder vollständig

ausgestreckt. In allen folgenden Fällen wird die Periode von der Zeit

der ersten Reizung an gerechnet. Ein anderes Blatt, welches auf dieselbe Art behandelt wurde, hatte in 20 Minuten einige wenige Tentakeln eingebogen; in vier Stunden waren alle dem Rande nahe stehenden und einige der äuszersten randständigen Tentakeln sowohl als der

Rand des Blattes selbst eingebogen; in 17 Stunden hatten sie ihre

gewöhnliche gestreckte Stellung wieder erlangt. Ich legte dann eine

todte Fliege auf die Mitte des zuletzt erwähnten Blattes, und am

nächsten Morgen war sie dicht umfaszt. Fünf Tage später war das

Blatt wieder ausgebreitet und die Tentakeln mit ihren von Absonderung umgebenen Drüsen waren von Neuem zu handeln bereit.

Stückchen von Fleisch, todte Fliegen, Stückchen Papier, Holz,

getrocknetes Moos, Schwamm, Kohle, Glas u. s. f. wurden wiederholt

auf Blätter gelegt und alle diese Gegenstände waren in verschieden

langer Zeit, von 1 Stunde bis zu 24 Stunden, ordentlich umfaszt und

in einem oder zwei bis zu sieben oder selbst zehn Tagen, je nach der

Natur des Gegenstandes, wieder frei gelassen und das Blatt wieder

vollständig ausgebreitet. Ich legte auf ein Blatt, welches in natür


 

[page break] Cap. 2. Reizung der Drüsen.

licher Weise zwei Fliegen gefangen und sich daher schon ein oder

wahrscheinlicher zwei Mal geschlossen und wieder geöffnet hatte, eine

frische Fliege: in 7 Stunden war sie mäszig und in 21 Stunden durchaus fest umfaszt, wobei die Ränder des Blattes eingebogen waren.

In zwei und einem halben Tag hatte sich das Blatt beinahe ganz wieder ausgebreitet; da der reizende Gegenstand ein Insect war, so war

diese ungewöhnlich kurze Periode der Einbiegung ohne Zweifel Folge

davon, dasz das Blatt erst kürzlich in Thätigkeit gewesen war. Ich

gestattete diesem selben Blatt, nur einen Tag auszuruhen und that

dann eine andere Fliege darauf; es schlosz sich wieder, aber jetzt sehr

langsam; demohngeachtet gelang es ihm, in weniger als zwei Tagen

die Fliege vollkommen zu umfassen.

Wenn ein kleiner Gegenstand auf die Drüsen der Scheibe auf der

einen Seite des Blattes und so nahe wie möglich seiner Peripherie gebracht wird, so werden die Tentakeln auf dieser Seite zuerst afficirt,

die auf der andern Seite viel später oder gar nicht, wie es häufig vorkommt. Dies wurde wiederholt durch Versuche mit Stückchen Fleisch

bestätigt; aber ich will hier nur den Fall von einer kleinen Fliege anführen, die auf natürlichem Wege gefangen und noch lebendig war,

und die ich mit ihren zarten Füszen an den Drüsen auf der äuszersten

linken Seite der mittleren Scheibe ankleben fand. Die randständigen

Tentakeln auf dieser Seite schlossen sich nach innen und tödteten die

Fliege und nach einiger Zeit wurde sogar der Rand des Blattes auf

dieser Seite eingebogen und blieb mehrere Tage so, während weder

die Tentakeln, noch der Rand auf der entgegengesetzten Seite nur im

geringsten afficirt waren.

Wenn junge und lebendige Blätter ausgesucht werden, so verursachen zuweilen unorganische Theile, nicht gröszer wie ein Stecknadelkopf, wenn sie auf die mittleren Drüsen gethan werden, eine Biegung der äuszeren Tentakeln nach innen. Aber dies erfolgt viel sichrer und schneller, wenn der Gegenstand stickstoffhaltige Substanz enthält, welche durch die Absonderung aufgelöst werden kann. Bei einer

Gelegenheit beobachtete ich den folgenden ungewöhnlichen Umstand.

Kleine Stückchen rohen Fleisches (welches viel energischer wirkte als

irgend eine andere Substanz), Stückchen Papier, getrocknetes Moos

und Schnittchen von einem Federkiel wurden auf mehrere Blätter gelegt und sie waren sämmtlich in zwei Stunden gleich gut umfaszt.

Bei andern Gelegenheiten wurden die oben erwähnten Substanzen, oder

2*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 2.

noch gewöhnlicher Glastheilchen, Kohlenasche (aus dem Feuer genommen), Steine, Gold-Blättchen, getrocknetes Gras, Kork, Löschpapier,

Watte und Haar, welches in kleine Kugeln gedreht war, gebraucht,

und diese Substanzen, obgleich sie manchmal ganz gut umfaszt waren,

verursachten oft gar keine oder nur eine äuszerst unbedeutende und

langsame Bewegung in den äuszeren Tentakeln. Doch wurde nachgewiesen, dasz diese selben Blätter in thätigem Zustand waren, da sie

durch Substanzen, welche lösliche stickstoffhaltige Substanzen darboten,

zum Bewegen gereizt wurden, wie durch Stückchen rohen oder gebratenen Fleisches, durch Dotter oder das Weisze von gekochten Eiern,

Stückchen von Insecten aller Ordnungen, Spinnen u. s. w. Ich will

blosz zwei Beispiele anführen. Auf die Scheiben von mehreren Blättern wurden sehr kleine Fliegen gelegt, auf andere Papierkügelchen,

Stückchen Moos und Federkiel von ungefähr derselben Grösze wie die

Fliegen; diese Fliegen waren nun in wenigen Stunden fest umfaszt;

während nach 25 Stunden nur sehr wenige Tentakeln über die andern

Gegenstände eingebogen waren. Die Stückchen Papier, Moos und Kiel

wurden dann von diesen Blättern entfernt und Stückchen rohen Fleisches

darauf gelegt; und nun wurden bald alle Tentakeln energisch eingebogen.

Ferner wurden Theile von Kohlenasche (welche etwas mehr wogen

als die Fliegen, die im letzten Experiment angewandt worden waren)

auf die Mitte von drei Blättern gethan: nach Verlauf von 19 Stunden

war eines der Theilchen ziemlich fest umfaszt, das zweite von sehr

wenig Tentakeln und das dritte von gar keinem. Ich entfernte darauf

die Theilchen von den zwei letzten Blättern und that frisch getödtete

Fliegen darauf. Diese waren nach 7½ Stunden ziemlich fest umfaszt

und nach 20½ Stunden ganz ordentlich; die Tentakeln blieben viele

Tage lang eingebogen. Auf der andern Seite war das eine Blatt, welches in der Zeit von 19 Stunden das Stückchen Asche mäszig gut

umfaszt hatte und welchem keine Fliege gegeben worden war, nach

33 weiteren Stunden, (d. h. in 52 Stunden von der Zeit an, wo die

Asche aufgelegt worden war) vollständig wieder ausgebreitet und zu

neuer Thätigkeit bereit.

Aus diesen und zahlreichen anderen Experimenten, die des Erwähnens nicht werth sind, läszt sich als gewisz ableiten, dasz unorganische Substanzen oder solche organische Substanzen, die von der

Absonderung nicht angegriffen werden, viel weniger schnell und wirk


 

[page break] Cap. 2. Einbiegung der äuszern Tentakeln.

sam reizen als organische Substanzen, welche lösliche Substanz hergeben, die aufgesaugt wird. Auszerdem bin ich sehr wenigen Ausnahmen von der Regel begegnet, dasz die Tentakeln eine viel längere

Zeit über organischen Körpern von der eben erst angeführten Art geschlossen bleiben, als über denjenigen, auf welche die Absonderung

nicht wirkt oder über unorganischen Gegenständen, und diese Ausnahmen hiengen augenscheinlich davon ab, dasz das Blatt erst vor kurzer

Zeit in Thätigkeit gewesen war 1.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen

in Berührung gelassen werden, direct verursacht.

Ich machte eine ungeheure Menge Versuche, indem ich vermittelst einer feinen Nadel, die mit destillirtem Wasser angefeuchtet war,

und mit Hülfe einer Loupe Theilchen von verschiedenen Substanzen

auf die zähe Absonderung der Drüsen der äuszeren Tentakeln legte.

1 Wegen der auszerordentlichen, von Ziegler vorgebrachten Ansicht (Comptes rendus, Mai, 1872, p. 122), dasz eiweiszhaltige Substanzen die Eigenschaft,

die Tentakeln der Drosera zur Zusammenziehung zu bringen, dadurch erlangen,

dasz sie einen Moment lang zwischen den Fingern gehalten werden, während nicht

so gehaltene Substanzen diese Fähigkeit nicht besitzen sollen, stellte ich einige

Experimente mit groszer Sorgfalt an; die Resultate bestätigten aber diese Ansicht

nicht. Rothglühende Kohlenstückchen wurden aus dem Feuer genommen, Stückchen von Glas, baumwollenem Garne, Löschpapier und dünne Scheibchen Kork

wurden in kochendes Wasser getaucht; dann wurden solche Theilchen (und jedes

Instrument, womit sie berührt wurden, war vorher in kochendes Wasser getaucht

worden) auf die Drüsen von mehreren Blättern gelegt und sie wirkten in genau

derselben Weise wie andere Theilchen, welche absichtlich eine Zeit lang berührt

worden waren. Stückchen eines gekochten Eies, welche mit einem in kochendem

Wasser gewaschenen Messer geschnitten waren, wirkten gleichfalls so ein, wie

irgend welche andere animale Substanzen. Ich athmete länger als eine Minute

auf einige Blätter und wiederholte dies zwei oder drei Male, wobei ich meinen

Mund dicht an ihnen hielt, brachte aber keine Wirkung hervor. Ich will hier

noch als Beweis, dasz die Blätter nicht durch den Geruch stickstoffhaltiger Substanzen beeinfluszt werden, hinzufügen, dasz Stückchen rohen Fleisches auf Nadeln

so dicht als möglich an mehreren Blättern, aber ohne wirkliche Berührung befestigt wurden, dasz dies aber durchaus gar keine Wirkung hervorbrachte. Andrerseits verursachen, wie wir später sehen werden, die Dämpfe gewisser flüchtiger Substanzen und Flüssigkeiten, so z. B. kohlensaures Ammoniak, Chloroform, gewisse

ätherische Oele, Einbiegung. Ziegler macht in Bezug auf die Wirkung animaler

Substanzen, welche dicht an, aber nicht in Berührung mit schwefelsaurem Chinin

gelassen wurden, auf diese Substanz noch auszerordentlichere Angaben. Die Wirkung von Chininsalzen wird in einem spätern Capitel geschildert werden. Seit

dem Erscheinen des oben erwähnten Aufsatzes hat Ziegler ein Buch über denselben Gegenstand veröffentlicht unter dem Titel: "Atonicité et Zoicité‟, 1874.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 2.

Ich experimentirte sowohl an den ovalen als an den langköpfigen

Drüsen. Wenn ein Theilchen in dieser Weise auf eine einzige Drüse

gelegt wird, so ist die Bewegung des Tentakels im Gegensatz zu dem

stationären Zustand der umgebenden Tentakeln besonders gut zu sehen.

(Siehe die frühere Fig. 6.) In vier Fällen veranlaszten kleine Stückchen rohen Fleisches, dasz die Tentakeln in einer Zeit von 5 bis 6 Minuten stark eingebogen wurden. Ein anderer Tentakel, der ebenso behandelt und mit besonderer Sorgfalt beobachtet wurde, änderte in

10 Secunden zwar schwach aber deutlich seine Stellung; und dies ist

die schnellste Bewegung, die von mir gesehen wurde. In 2 Minuten

und 30 Secunden hatte er sich durch einen Winkel von ungefähr 45°

bewegt. Diese Bewegung glich, durch die Loupe gesehen, der des

Zeigers einer groszen Uhr. In 5 Minuten hatte er sich durch 90°

bewegt, und als ich nach 10 Minuten wieder hinsah, hatte das Stückchen die Mitte des Blattes erreicht, so dasz die ganze Bewegung in

weniger als 17 Minuten 30 Secunden vollendet war. Im Laufe einiger

Stunden wirkte dieses kleine Stück Fleisch in Folge davon, dasz es

mit einigen der Drüsen der mittleren Scheibe in Berührung gebracht

worden war, centrifugal auf die äuszeren Tentakeln, welche alle dicht

eingebogen wurden. Bruchstückchen von Fliegen wurden auf die Drüsen von vier der äuszeren Tentakeln gelegt, welche in derselben Ebene

wie die Blattscheibe ausgestreckt lagen, und drei dieser Stückchen

waren in 35 Minuten durch einen Winkel von 180° nach der Mitte

getragen worden. Das Stückchen auf dem vierten Tentakel war sehr

klein und wurde nicht eher, als bis 3 Stunden verflossen waren, nach

der Mitte gebracht. In drei andern Fällen wurden kleine Fliegen oder

Theilchen von gröszeren in 1 Stunde 30 Secunden nach der Mitte geschafft. In diesen sieben Fällen waren die Stückchen oder die kleinen

Fliegen, welche von einem einzigen Tentakel nach den mittleren Drüsen hin gebracht worden waren, nach einem Verlauf von 4 bis 10 Stunden fest umschlossen.

Ich legte auch in der oben beschriebenen Weise sechs kleine Kugeln von Schreibpapier (mit Hülfe von Pincetten zusammen gedreht,

so dasz sie nicht von meinen Fingern berührt worden waren) auf die

Drüsen von sechs äuszeren Tentakeln an verschiedenen Blättern; drei

derselben wurden in ungefähr 1 Stunde nach der Mitte gebracht und

die andern drei in etwas mehr als 4 Stunden; aber nach 24 Stunden

waren blosz zwei der sechs Kugeln fest von den andern Tentakeln


 

[page break] Cap. 2. Einbiegung der äuszern Tentakeln.

umschlossen. Es ist möglich, dasz das Secret eine Spur von Leim

oder animalisirter Substanz aus den Papierkugeln aufgelöst haben

könnte. Vier Theilchen Kohle wurden dann auf die Drüsen von vier

äuszeren Tentakeln gelegt; eins derselben erreichte die Mitte in 3 Stunden 40 Minuten, das zweite in 9 Stunden, das dritte innerhalb 24 Stunden, hatte sich aber in 9 Stunden nur durch einen Theil des Weges bewegt; während das vierte in 24 Stunden sich nur eine kurze Strecke

bewegt hatte und nachher gar nicht mehr weiter bewegte. Von den

oben erwähnten drei Stückchen Kohle, welche zuletzt nach der Mitte

geschafft wurden, war nur eins von vielen der andern Tentakeln gut

umfaszt. Wir sehen hier deutlich, dasz solche Körper, wie Stückchen

Kohle oder kleine Papierkugeln, nachdem sie von den Tentakeln zu

den mittleren Drüsen gebracht worden sind, in Bezug auf die Erregung

der umgebenden Tentakeln zur Bewegung sehr verschieden von Stückchen von Fliegen wirken.

Ich machte, ohne sorgfältig die Zeit in mein Journal einzutragen,

viele ähnliche Versuche mit andern Substanzen, so mit Splittern von

weiszem und blauen Glas, Theilchen von Kork, kleinen Stücken von

Gold-Blättchen u. s. w., und das Zahlenverhältnis der Fülle, in welchem die Tentakeln die Mitte erreichten oder sich nur leicht oder gar

nicht bewegten, variirte sehr. An einem Abend wurden Stückchen

Glas und Kork, eher etwas gröszer als die gewöhnlich angewendeten,

auf ungefähr ein Dutzend Drüsen gelegt, und am nächsten Morgen,

nach 13 Stunden, hatte jeder einzelne Tentakel seine kleine Ladung

nach der Mitte geschafft; aber die ungewöhnliche Grösze der Theilchen dürfte dieses Resultat erklären. In einem andern Fall wurden

  der auf separate Drüsen gelegten Theilchen von Asche, Glas und

Faden nach der Mitte zu oder factisch bis zur Mitte hingetragen; in

einem andern Fall wurden  , in einem andern  , in dem letzten

Fall nur   in dieser Weise nach innen gebracht; das geringe Verhältnis war hier wenigstens theilweise Folge davon, dasz die Blätter

ziemlich alt und unthätig waren. Gelegentlich konnte durch eine

starke Loupe gesehen werden, wie eine Drüse mit ihrer leichten Ladung sich eine auszerordentlich kurze Strecke fortbewegte und dann

inne hielt; dies kam dann besonders gern vor, wenn äuszerst kleine

Stückchen, viel kleiner als die, von denen das Masz sofort angegeben

werden wird, auf die Drüsen gelegt wurden, so dasz wir hier beinahe

die Grenze irgend einer Thätigkeit vor uns haben.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 2.

Ich war so sehr überrascht über die Kleinheit der Theilchen,

welche verursachten, dasz die Tentakeln stark eingebogen wurden, dasz

es mir der Mühe werth schien, sorgfältig zu ermitteln, ein wie kleines

Stückchen noch deutlich wirken würde. Gleichmäszig abgemessene

Längen von einem schmalen Streifen Löschpapier, einem feinen Baumwollenfaden und von einem Frauenhaar wurden demzufolge sorgfältig

von Mr. Trenham Reeks auf einer ausgezeichneten Waage in dem

Laboratorium in Jermyn Street für mich gewogen. Kurze Stückchen

von dem Papier, dem Faden und dem Haar wurden dann abgeschnitten

und mit einem Micrometer gemessen, so dasz ihr Gewicht leicht berechnet werden konnte. Die Stücke wurden auf die zähe Absonderung,

welche die Drüsen der äuszeren Tentakeln umgibt, mit der Vorsicht,

die ich bereits geschildert habe, gelegt, und ich bin darüber sicher, dasz

die Drüse selbst nie berührt wurde; auch würde in der That eine

einzige Berührung keinerlei Wirkung hervorgebracht haben. Ein Stück

des Löschpapiers, welches   Gran wog, wurde so gelegt, dasz es auf

drei Drüsen zusammen ruhte, und alle drei Tentakeln krümmten sich

langsam nach innen; jede Drüse konnte daher, vorausgesetzt, dasz das

Gewicht gleichmäszig vertheilt war, nur von   Gran oder von

0,0464 Milligramm gedrückt werden. Fünf nahezu gleiche Stücken

Baumwollenfaden wurden versucht und alle wirkten. Das kürzeste

derselben war   Zoll lang und wog   Gran. Der Tentakel war

in diesem Fall in 1 Stunde 30 Minuten beträchtlich eingebogen und

das Stück Faden war in 1 Stunde 40 Minuten nach der Mitte des

Blattes geschafft. Ferner wurden zwei Stückchen des dünneren Endes

eines Frauenhaars, eins davon   Zoll lang und   Gran schwer,

das andere   Zoll lang und natürlich etwas mehr wiegend, auf

zwei Drüsen auf entgegengesetzten Seiten desselben Blattes gelegt;

und diese beiden Tentakeln waren in 1 Stunde 10 Minuten halbwegs

nach der Mitte zu eingebogen; während alle die vielen Tentakeln um

dasselbe Blatt herum bewegungslos blieben. Das Ansehen dieses einen

Blattes bewies auf eine unzweideutige Art, dasz diese äuszerst kleinen

Theilchen genügten, die Tentakeln zum Biegen zu veranlassen. Alles

zusammen wurden zehn solche Stückchen Haar auf zehn Drüsen an

mehreren Blättern gelegt und sieben davon veranlaszten die Tentakeln,

sich in einer merkbaren Art zu bewegen. Das kleinste Theilchen,

welches versucht wurde und deutlich wirkte, war nur   Zoll

(0,203 Millimeter) lang und wog   Gran oder 0,000822 Milli


 

[page break] Cap. 2. Einbiegung der äuszern Tentakeln.

gramm. In diesen verschiedenen Fällen war nicht nur die Einbiegung

der Tentakeln sichtbar, sondern die purpurne Flüssigkeit in ihren

Zellen wurde zu kleinen Massen von Protoplasma zusammengeballt in

der Art und Weise, wie sie im nächsten Capitel beschrieben werden

soll. Und dies Zusammenballen war so deutlich, dasz ich durch diesen

Schlüssel allein leicht alle die Tentakeln unter dem Mikroskop hätte

herausfinden können, welche ihre leichte Bürde nach der Mitte zu getragen hatten, aus den hunderten von andern Tentakeln an denselben

Blättern heraus, die nicht so gehandelt hatten.

Mein Erstaunen wurde stark erregt nicht nur durch die äuszerste

Kleinheit der Theilchen, welche eine Bewegung verursachten, sondern

auch dadurch, wie sie möglicherweise auf die Drüsen wirken konnten;

denn man musz sich erinnern, dasz sie mit der gröszten Sorgfalt auf

die convexe Oberfläche des Secrets gelegt wurden. Zuerst dachte ich

— aber irriger Weise, wie ich jetzt weisz —, dasz Theilchen von solch

geringem specifischem Gewicht, wie Kork, Faden und Papier, nie mit

der Oberfläche der Drüsen in Berührung kommen würden. Die Theilchen können nicht einfach dadurch wirken, dasz ihr Gewicht dem des

Secrets zugefügt wird, denn kleine Wassertropfen, die viel Mal schwerer als die Theilchen waren, wurden wiederholt hinzugethan und brachten niemals irgend eine Wirkung hervor. Ebenso wenig bringt die

Störung der Absonderung irgend eine Wirkung hervor; denn mit einer

Nadel wurden lange Fäden herausgezogen und an einem sich in der

Nähe befindlichen Gegenstand befestigt und Stunden lang so gelassen;

aber die Tentakeln blieben bewegungslos.

Ich entfernte auch sorgfältig mit einem scharf zugespitztem Stück

Löschpapier das Secret von vier Drüsen, so dasz sie eine Zeit lang

nackt der Luft ausgesetzt waren; aber dies verursachte keine Bewegung,

und doch waren diese Tentakeln in einem functionsfähigen Zustand;

denn nachdem 24 Stunden vorüber waren, wurden sie mit Stückchen

Fleisch versucht und alle wurden schnell eingebogen. Es kam mir

dann der Gedanke, dasz Theilchen, welche auf der Absonderung schwämmen, Schatten auf die Drüsen werfen könnten, welche gegen den gehemmten Einflusz des Lichts empfindlich sein könnten. Obgleich dies

sehr unwahrscheinlich schien, da äuszerst kleine und dünne Splitter

von farblosem Glas mächtig wirkten, so that ich doch, nachdem es

dunkel war, beim Lichte eines einzigen Talglichts so schnell als möglich Theilchen Kork und Glas auf die Drüsen von einem Dutzend


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 2.

Tentakeln, ebenso wie Stückchen Fleisch auf andere Drüsen und bedeckte sie so, dasz kein Lichtstrahl eindringen konnte; aber am nächsten Morgen, nach Verlauf von 13 Stunden, waren alle Theilchen nach

dem Centrum der Blätter hingeschafft worden.

Die negativen Resultate führten mich dazu, noch viele andere

Experimente anzustellen, indem ich Theilchen auf die Oberfläche der

Tropfen der Absonderung legte und dabei so sorgfältig, als ich konnte,

beobachtete, ob sie durchdrangen und die Oberfläche der Drüsen berührten. Das Secret bildet in Folge seines Gewichts gewöhnlich eine

dickere Lage auf der unteren als auf der oberen Seite der Drüsen,

was auch immer die Stellung der Tentakeln sein mag. Kleine Stückchen trocknen Korks, Faden, Löschpapier und Kohle wurden versucht,

ähnlich den vorher angewendeten, und ich beobachtete nun, dasz sie

im Verlaufe weniger Minuten viel mehr von der Absonderung aufsaugten, als ich für möglich gehalten haben würde; da sie auf die

obere Fläche der Absonderung, wo sie am dünnsten ist, gelegt worden waren, so wurden sie oft nach einiger Zeit herunter gezogen und

mit wenigstens einem Theil der Drüse in Berührung gebracht. In

Bezug auf die kleinen Glassplitterchen und Haartheilchen beobachtete

ich, dasz die Absonderung sich langsam ein wenig über ihre Oberfläche ausbreitete, wodurch sie gleichfalls herunter oder seitwärts gezogen wurden; und so kam ein Ende oder irgend eine kleine Hervorragung dazu, die Drüse früher oder später zu berühren.

In den vorausgehenden und folgenden Fällen ist es wahrscheinlich, dasz die Schwingungen, welchen die Möbeln jedes Zimmers beständig ausgesetzt sind, dazu helfen, die Theilchen in Berührung mit

den Drüsen zu bringen. Aber da es manchmal in Folge der Strahlenbrechung der Absonderung schwer war, darüber sicher zu sein, ob

die Theilchen in Berührung waren, so stellte ich folgendes Experiment

an. Ungewöhnlich minutiöse Theilchen Glas, Haar und Kork wurden

sanft auf die Tropfen an mehreren Drüsen gelegt und sehr wenig

Tentakeln bewegten sich. Die, welche nicht afficirt waren, wurden eine

halbe Stunde ruhig gelassen; dann wurden die Theilchen gestört, oder

mit einer feinen Nadel unter dem Mikroskop mehrere Male umgedreht,

wobei die Drüsen nicht berührt wurden. Und nun fiengen im Laufe

von wenig Minuten alle bis dahin bewegungslosen Tentakeln an, sich

zu bewegen; und dies wurde ohne Zweifel dadurch verursacht, dasz

ein Ende oder irgend ein hervorragender Punkt der Theilchen in Be


 

[page break] Cap. 2. Einbiegung der änszern Tentakeln.

rührung mit der Oberfläche der Drüsen gekommen war. Aber da die

Theilchen gewöhnlich klein waren, so war auch die Bewegung gering.

Zuletzt wurde etwas dunkelblaues in feine Splitter gestosznes

Glas benutzt, damit die Spitzen der Theilchen, wenn sie in die Absonderung eingetaucht würden, besser unterschieden werden könnten;

und dreizehn solcher Theilchen wurden in Berührung mit dem unterhängenden und daher dickeren Theil der Tropfen von ebenso vielen

Drüsen gebracht. Fünf der Tentakeln fiengen nach Verlauf von wenigen Minuten an, sich zu bewegen, und in diesen Fällen sah ich deutlich, dasz die Theilchen die untere Oberfläche der Drüsen berührten.

Ein sechster Tentakel bewegte sich nach 1 Stunde 45 Minuten und

das Theilchen war nun in Berührung mit der Drüse, was zuerst nicht

der Fall war. So war es auch mit dem siebenten Tentakel, aber seine

Bewegung fieng nicht eher an, als bis 3 Stunden 45 Minuten verflossen

waren. Die übrigen sechs Tentakeln bewegten sich, so lange sie beobachtet wurden, gar nicht; die Theilchen kamen augenscheinlich niemals

mit der Oberfläche der Drüsen in Berührung.

Aus diesen Experimenten lernen wir, dasz Theilchen, die nichtlösliche Substanz enthalten, wenn sie auf die Drüsen gethan werden,

oft die Tentakeln veranlassen, im Laufe von einer bis zu fünf Minuten

anzufangen, sich zu biegen; und dasz in solchen Fällen die Theilchen

von Anfang an in Berührung mit der Oberfläche der Drüsen gewesen

sind. Wenn die Tentakeln erst nach einer viel längeren Zeit, nämlich von einer halben Stunde bis zu drei oder vier Stunden anfangen,

sich zu biegen, so sind die Theilchen langsam in Berührung mit den

Drüsen gekommen, entweder durch Aufsaugen der Absonderung durch

die Theilchen selbst, oder durch das allmähliche Ausbreiten des Secrets über sie, in Verbindung mit ihrer damit in Verbindung stehenden schnelleren Verdunstung. Wenn sich die Tentakeln gar nicht

bewegen, so sind die Theilchen nie mit den Drüsen in Berührung gekommen, oder in einigen Fällen mögen die Tentakeln nicht in einem

activen Zustand gewesen sein. Um Bewegung zu erregen, ist es unerläszlich, dasz die Theilchen thatsächlich auf den Drüsen ruhen, denn

eine Berührung mit einem harten Körper, ein, zwei oder selbst drei

Mal wiederholt, ist nicht genügend, Bewegung zu erregen.

Ein anderes Experiment, welches zeigt, dasz auszerordentlich kleine

Theilchen auf die Drüsen wirken, wenn sie unter Wasser getaucht

sind, soll hier angeführt werden. Ein Gran schwefelsaures Chinin


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 2.

wurde zu einer Unze Wasser gethan, welches nachher nicht filtrirt

wurde; als ich nun drei Blätter in 90 Tropfen der Flüssigkeit that,

war ich sehr überrascht zu finden, dasz in 15 Minuten alle drei

Blätter stark eingebogen waren; denn ich wuszte von früheren Versuchen her, dasz die Auflösung selbst nicht so schnell wirkt, wie hier

die Wirkung eintrat. Es kam mir sofort der Gedanke, dasz die

Theilchen des unaufgelösten Salzes, welche so leicht waren, dasz sie

umher schwammen, in Berührung mit den Drüsen gekommen sein

und diese schnelle Bewegung verursacht haben könnten. Demgemäsz

fügte ich zu etwas destillirtem Wasser eine Prise einer ganz unschuldigen Substanz, nämlich präcipitirten kohlensauren Kalk, welcher

ein unfühlbar feines Pulver bildet; ich schüttelte das Gemisch und

bekam so eine Flüssigkeit ähnlich dünner Milch. Zwei Blätter wurden darein getaucht und in 6 Minuten war beinahe jeder Tentakel

stark eingebogen. Ich that eins dieser Blätter unter das Mikroscop

und sah zahllose Atome von Kalk an der äusseren Fläche der Absonderung ankleben. Einige jedoch waren durchgedrungen und lagen

auf der Oberfläche der Drüsen; und es waren diese Theilchen ohne

Zweifel, welche die Tentakeln sich zu biegen veranlassten. Wenn ein

Blatt in Wasser getaucht wird, so schwillt das Secret augenblicklich

sehr auf, und ich vermuthe, dasz sie hier und da durchbrochen wird,

so dasz kleine Wasserströmchen hinein stürzen. Wenn dies der Fall

ist, so können wir verstehen, wie die Atome Kreide, welche auf der

Oberfläche der Drüsen lagen, die Absonderung durchdrungen hatten.

Jedermann, welcher präcipitirte Kreide zwischen seinen Fingern gerieben hat, wird bemerkt haben, wie auszerordentlich fein das Pulver

ist. Es musz ohne Zweifel eine Grenze da sein, über welche hinaus

die Theilchen zu klein sein würden, um auf die Drüse zu wirken;

aber welches diese Grenze ist, weisz ich nicht. Ich habe oft gesehen,

dasz Fasern und Staub, die aus der Luft auf die Drüsen der Pflanzen

gefallen waren, die in meinem Zimmer gehalten wurden, nie irgend

eine Bewegung hervorriefen; aber dann lagen solche Theilchen auf

der Oberfläche der Absonderung und erreichten nie die Drüse selbst.

Endlich ist es eine auszerordentliche Thatsache, dasz ein kleines

Stückchen weichen Fadens   Zoll lang und   Gran schwer, oder

von einem menschlichen Haar   Zoll lang und nur   Gran

schwer (0,000822 Milligr.) oder Theilchen präcipitirter Kreide, nachdem sie kurze Zeit auf einer Drüse geruht haben, eine Veränderung


 

[page break] Cap. 2. Einbiegung der äuszern Drüsen.

in ihren Zellen hervorbringen, diese dazu reizen, einen motorischen

Impuls durch die ganze Länge der Stiele, die aus ungefähr 20 Zellen

bestehen, bis nah an die Basis zu schicken, wo sie diesen Theil zu

biegen und den Tentakel durch einen Winkel von 180° zu schwingen

veranlassen. Dasz der Inhalt der Drüsenzellen und später auch der

der Stiele in einer deutlich sichtbaren Weise durch den Druck der

kleinsten Theilchen afficirt wird, dafür werden wir vollauf Beweise

erhalten, wenn wir die Zusammenballung des Protoplasma behandeln.

Aber der Fall ist viel merkwürdiger, als wie bis jetzt angegeben ist,

denn die Theilchen werden von der zähen und dichten Absonderung

getragen; trotzdem wirken auch selbst noch kleinere als die von welchen die Masze angegeben wurden, wenn sie mit einer unmerkbar

langsamen Bewegung auf die oben angeführte Weise mit der Oberfläche der Drüse in Berührung gebracht werden, auf dieselbe und der

Tentakel biegt sich. Der Druck, der von einem Haartheilchen ausgeht, welches nur   Gran wiegt und von einer dichten Flüssigkeit getragen wird, musz unfaszbar gering gewesen sein. Wir können

muthmaszen, dasz er kaum einem Milliontel eines Grans gleich gewesen sein kann, und wir werden später sehen, dasz weit weniger als

ein Milliontel eines Grans von phosphorsaurem Ammoniak in Auflösung, wenn es von einer Drüse aufgesaugt wird, auf dieselbe wirkt

und Bewegung verursacht. Ein Stückchen Haar   Zoll lang und

daher viel gröszer als diejenigen, die in den oben erwähnten Experimenten gebraucht wurden, wurde nicht gefühlt als es auf meiner

Zunge lag, und es ist auszerordentlich zweifelhaft, ob irgend welcher

Nerv in dem menschlichen Körper, selbst wenn derselbe in einem entzündeten Zustand ist, in irgend einer Weise durch solch ein Theilchen afficirt werden würde, welches von einer dichten Flüssigkeit getragen und langsam mit dem Nerv in Berührung gebracht würde.

Jedoch werden die Zellen der Drüsen der Drosera auf diese Weise

dazu gereizt, einen motorischen Impuls nach einem entfernten Punkt

hinzusenden und dort Bewegung zu veranlassen. Es scheint mir, als

ob kaum eine noch merkwürdigere Thatsache in dem Pflanzenreiche

beobachtet worden wäre.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln, wenn ihre Drüsen durch wiederholtes

Berühren gereizt werden.

Wir haben schon gesehen, dasz wenn die centralen Drüsen durch

sanftes Pinseln gereizt werden, sie einen motorischen Impuls zu den


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 2.

äuszeren Tentakeln schicken, welcher verursacht, dasz sich dieselben

biegen; und wir haben nun die Wirkungen zu betrachten, welche erfolgen, wenn die Drüsen der äuszeren Tentakeln selbst berührt werden. Bei mehreren Gelegenheiten wurde eine grosze Anzahl Drüsen

nur einmal mit einer Nadel oder einem feinen Pinsel berührt, der

stark genug war, um den ganzen biegsamen Tentakel zu biegen; und

obgleich dies einen tausendfach gröszeren Druck als das Gewicht der

oben beschriebenen Theilchen verursacht haben musz, so bewegte sich

nicht ein Tentakel. Bei einer andern Gelegenheit wurden fünf und

vierzig Drüsen an elf Blättern ein-, zwei- oder selbst dreimal mit

einer Nadel oder einen steifen Borste berührt. Dies wurde so schnell

wie möglich gethan, aber mit genügender Kraft um die Tentakeln zu

biegen; doch wurden nur sechs derselben gebogen, — drei deutlich und

drei in einem unbedeutenden Grade. Um mich zu versichern, dasz

sich diese Tentakeln, welche nicht afficirt waren, in einem lebenskräftigen Zustande befänden, wurden Stückchen Fleisch auf zehn von

ihnen gelegt, und bald waren alle stark eingebogen. Auf der andern

Seite wurde, wenn eine grosze Anzahl Drüsen vier-, fünf- oder sechsmal mit derselben Kraft wie vorher mit einer Nadel oder einem

scharfen Glassplitter berührt wurde, ein viel gröszeres Verhältnis der

Tentakeln gebogen; aber das Resultat war so unsicher, dasz es capriciös erschien. Zum Beispiel berührte ich in der obigen Manier

drei Drüsen, die zufälliger Weise sehr empfindlich waren, und alle

drei waren beinah so schnell gebogen als ob Stückchen Fleisch darauf gelegen hätten. Bei einer andern Gelegenheit gab ich einer beträchtlichen Anzahl Drüsen eine einzige kräftige Berührung und nicht

eine bewegte sich; aber als dieselben Drüsen nach einer mehrstündigen Pause mit einer Nadel vier- oder fünfmal berührt wurden, bogen

sich bald mehrere Tentakeln ein.

Die Thatsache, dasz eine einzige Berührung oder selbst zwei

oder drei Berührungen keine Einbiegung verursachen, musz der Pflanze

von Nutzen sein, da während stürmischen Wetters die Drüsen es

nicht vermeiden können, gelegentlich von hohen Grashalmen oder von

andern nahe wachsenden Pflanzen berührt zu werden; und es würde

ein groszer Schaden sein, wenn die Tentakeln auf diese Weise in

Thätigkeit gebracht würden, denn der Act der Wiederausstreckung

erfordert eine beträchtliche Zeit, und ehe die Tentakeln nicht wieder

ausgestreckt sind, können sie keine Beute fangen. Auf der andern


 

[page break] Cap. 2. Einbiegung der äuszern Tentakeln.

Seite ist die auszerordentliche Empfindlichkeit gegen leichten Druck

für die Pflanze von höchstem Nutzen. Denn wenn, wie wir gesehen

haben, die zarten Füsze eines kleinen sich wehrenden Insects, noch so

leicht auf die Oberfläche von zwei oder drei Drüsen drücken, so rollen

sich die Tentakeln, welche diese Drüsen tragen, bald nach innen und

tragen das Insect mit sich nach der Mitte zu, und verursachen, dass

nach einiger Zeit alle umgebenden Tentakeln es umschlingen. Demohngeachtet sind die Bewegungen der Pflanze ihren Bedürfnissen nicht

vollkommen angepaszt, denn wenn ein Stückchen trocknes Moos, Torf,

oder andrer Abfall auf die Scheibe geweht wird, wie es oft vorkommt,

so umschlingen es die Tentakeln unnöthiger Weise. Sie entdecken

jedoch bald ihren Irrthum und entlassen solche nicht nahrhafte Gegenstände.

Es ist auch eine merkwürdige Thatsache, dasz Wassertropfen,

die von einer Höhe fallen, gleichviel ob unter der Form von natürlichem oder künstlichem Regen, die Tentakeln nicht zu biegen verursachen; doch müssen die Tropfen auf die Drüsen mit beträchtlicher

Kraft aufschlagen um so mehr, wenn die Absonderung durch starken

Regen ganz weggewaschen ist; und dies kommt häufig vor, obgleich

die Absonderung so zähe ist, dasz sie durch Schwingen der Blätter

in Wasser blosz mit Mühe entfernt werden kann. Wenn die fallenden

Wassertropfen klein sind, so kleben sie an der Absonderung an, deren

Gewicht dadurch in viel höherem Grade vermehrt wird, wie schon

vorher bemerkt, als durch die Hinzufügung kleiner Theilchen von

solider Substanz; und doch verursachen die Tropfen niemals, dasz sich

die Tentakeln einbiegen. Es würde augenscheinlich ein groszer Schaden für die Pflanze gewesen sein (wie im Fall von gelegentlichen

Berührungen), wenn die Tentakeln durch jeden Regenschauer zum

Biegen erregt würden; aber dieser Schaden ist dadurch vermieden

worden, dasz die Drüsen, entweder durch die Gewohnheit fühllos gegen die Schläge und den Druck der Wassertropfen geworden sind,

oder von vorn herein nur empfindlich gegen die Berührung mit soliden Körpern gemacht waren. Wir werden später sehen, dasz die

Filamente auf den Blättern der Dionaea gleichfalls unempfindlich

sind gegen die Einwirkung von Flüssigkeiten, aber auszerordentlich

empfindlich gegen momentane Berührung von irgend einem soliden

Körper.

Wenn der Stiel eines Tentakels mit einer scharfen Scheere dicht


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 2.

unter der Drüse abgeschnitten wird, so wird der Tentakel gewöhnlich

gebogen. Ich versuchte wiederholt dieses Experiment, da mich die

Thatsache sehr in Erstaunen setzte; denn alle andern Theile der Stiele

sind unempfindlich gegen jedweden Reiz. Diese kopflosen Tentakeln

streckten sich nach einiger Zeit wieder aus; aber ich werde auf diesen Gegenstand später zurückkommen. Auf der andern Seite erreichte

ich es gelegentlich, eine Drüse zwischen einer Pincette zu zerdrücken,

aber dies verursachte keine Einbiegung. In diesem letzten Falle erschienen die Tentakeln paralysirt, wie es ebenfalls durch die Einwirkung von einer zu starken Auflösung gewisser Salze und durch zu

grosze Hitze geschieht, während schwächere Auflösungen derselben

Salze und eine geringere Wärme Bewegung verursachen. Wir werden

ebenso in späteren Capiteln sehen, dasz verschiedene andere Flüssigkeiten, einige Dämpfe und Sauerstoff (nachdem die Pflanze einige

Zeit seiner Einwirkung entzogen gewesen war) eine Einbiegung hervorbringen, und dies rührt ebenfalls von einem hervorgebrachten galvanischen Strome her 2.

2 Mein Sohn Francis findet, angeregt durch die Beobachtungen des Dr.

Burdon Sanderson an Dionaea, dasz, wenn zwei Nadeln in die Blattscheibe

einer Drosera gesteckt werden, die Tentakeln sich nicht bewegen; wenn aber zwei

ähnliche, mit der secundären Rolle eines Dubois'schen Inductions-Apparates in

Verbindung stehende Nadeln eingesteckt werden, so biegen sich die Tentakeln

im Laufe weniger Minuten nach innen. Mein Sohn hofft seine Beobachtungen

bald veröffentlichen zu können.


 

[page break]  Drittes Capitel.

Zusammenballen des Protoplasma in den Zellen der Tentakeln.

Beschaffenheit des Inhalts der Zellen vor der Zusammenballung. — Die verschiednen Ursachen, welche eine Zusammenballung veranlassen. — Der Procesz fängt

in den Drüsen an, und geht die Tentakeln hinunter. — Beschreibung der zusammengeballten Massen und ihrer unwillkürlichen Bewegungen. — Ströme

von Protoplasma entlang den Wänden der Zellen. — Wirkung von kohlensaurem Ammoniak. — Die Körnchen in dem Protoplasma, welches den Wänden entlang flieszt, verschmelzen mit den centralen Massen. — Die äuszerst

geringe Quantität kohlensauren Ammoniaks, welche Zusammenballung verursacht. — Wirkungsart andrer Salze von Ammoniak, — andrer Substanzen

organischer Flüssigkeiten etc., — des Wassers, — der Wärme. — Wiederauflösung der zusammengeballten Massen. — Nähere Ursachen der Zusammenballung von Protoplasma. — Zusammenfassung und Schluszbemerkungen. —

Supplementäre Beobachtungen über Zusammenballung in den Wurzeln der

Pflanzen.

Ich will hier meine Schilderung der Bewegungen der Blätter unterbrechen, und die Erscheinung der Zusammenballung beschreiben,

auf welchen Gegenstand ich schon hingedeutet habe. Wenn die Tentakeln eines jungen aber vollständig ausgewachsenen Blattes, welches

nie gereizt oder gebogen worden ist, untersucht werden, so sieht man,

dasz die Zellen, welche die Stiele bilden, mit einer homogenen purpurnen Flüssigkeit gefüllt sind. Die Wände sind mit einer Schicht

von farblosem, circulirendem Protoplasma ausgekleidet; doch kann dies

mit viel gröszerer Deutlichkeit als vorher gesehen werden, wenn der

Procesz der Zusammenballung theilweise eingetreten ist. Die purpurne Flüssigkeit, welche aus einem zerdrückten Tentakel austritt,

ist etwas zähe und vermischt sich nicht mit dem umgebenden Wasser;

sie enthält viel flockige oder körnige Substanz. Aber diese Substanz

kann dadurch entstanden sein, dasz die Zellen zerdrückt worden sind,

da ein gewisser Grad der Zusammenballung hierdurch beinahe augenblicklich verursacht worden ist.

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 3

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

Wenn ein Tentakel einige Stunden, nachdem die Drüse durch

wiederholtes Berühren, oder durch unorganische oder organische Theilchen, welche darauf lagen, oder durch die Aufsaugung von gewissen

Flüssigkeiten gereizt worden war, untersucht wird, so bietet er ein

gänzlich verändertes Ansehen dar. Die Zellen, anstatt mit homogener

purpurner Flüssigkeit angefüllt zu sein, enthalten nur verschiedentlich

geformte Massen von purpurner Substanz, in einer farblosen oder beinahe farblosen Flüssigkeit suspendirt. Die Veränderung ist so augenfällig, dasz sie durch eine schwache Loupe sichtbar ist, und manchmal sogar mit bloszem Auge; die Tentakeln haben nun ein geflecktes

Ansehn, so dasz ein in dieser Weise afficirter, mit Leichtigkeit von

den andern unterschieden werden kann. Dasselbe Resultat erfolgt,

wenn die Drüsen auf der Scheibe auf irgend eine Weise gereizt werden, so dasz die äuszeren Tentakeln gebogen werden; denn ihren Inhalt wird man dann in einem zusammengeballten Zustande finden,

obgleich ihre Drüsen noch keinen Gegenstand berührt haben. Aber

Zusammenballung kann unabhängig von Einbiegung vorkommen, wie

wir bald sehen werden. Durch welche Ursachen auch der Procesz

nur immer angeregt worden sein mag, er fängt innerhalb der Drüsen

an, und geht dann die Tentakeln hinunter. Er kann viel deutlicher

in den oberen Zellen der Stiele als in den Drüsen beobachtet werden,

da diese etwas undurchsichtig sind. Kurz nachdem die Tentakeln

sich wieder ausgestreckt haben, werden alle die kleinen Massen von

Protoplasma wieder aufgelöst, und die purpurne Flüssigkeit in den

Zellen wird wieder so homogen und durchsichtig wie sie vorher war.

Der Procesz der Wiederauflösung geht aufwärts von den Basen der

Tentakeln nach den Drüsen hin, und daher in entgegengesetzter Richtung zu der, welche die Zusammenballung einschlug. Es wurden im

zusammengeballten Zustande befindliche Tentakeln den Herren Prof.

Huxley, Dr. Hooker und Dr. Burdon Sanderson gezeigt, letzterer beobachtete die Veränderungen unter dem Mikroscop und war von dem

ganzen Phenomen sehr frappirt.

Die kleinen Massen von zusammengeballter Substanz sind von

den allerverschiedensten Formen, oft kuglig oder oval, manchmal sehr

verlängert, oder ganz unregelmäszig mit faden-, oder halsbandartigen

oder keulenförmigen Vorsprüngen. Sie bestehen aus dicker augenscheinlich zäher Substanz, welche in den äuszeren Tentakeln von einer

leicht purpurnen, und in den kurzen scheibenständigen Tentakeln von


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

einer grünlichen Färbung ist. Diese kleinen Massen verändern unaufhörlich ihre Form und Stellung, und ruhen niemals. Eine einzige

Masse theilt sich oft in zwei, welche sich nachher wieder vereinigen.

Ihre Bewegungen sind ziemlich langsam, und gleichen denen der

Amoeben oder der weiszen Blutkörperchen. Wir können daher folgern, dasz sie aus Protoplasma bestehen. Wenn ihre Formen in Pausen von wenigen Minuten skizzirt werden, so sieht man ausnahmslos,

dasz sie viele Veränderungen durchgemacht haben; und eine und die

[Abbildung      Fig. 7. (Drosera rotundifolia) Schematische Darstellung einer und derselben Zolle, die verschiedenen, auf einander folgenden, von den zusammengeballten Protoplasma-Massen angenommenen

Formen zeigend.]

selbe Zelle ist mehrere Stunden lang beobachtet worden. Acht rohe,

aber genaue Skizzen derselben Zelle in Pausen von 2 oder 3 Minuten

gemacht, werden hier gegeben (Fig. 7) und illustriren einige der einfacheren und häufigsten Veränderungen. Die Zelle A enthielt, als sie

zuerst gezeichnet wurde, zwei ovale Massen von purpurnem Protoplasma

die sich berührten. Diese wurden getrennt, wie B zeigt, und dann

wieder vereinigt, wie es C darstellt. Nach Verlauf der nächsten 2 — 3

Minuten zeigte sich eine sehr häufig zu sehende Erscheinung — D —,

nämlich die Bildung eines auszerordentlich kleinen Kügelchens an

einem Ende einer verlängerten Masse. Dieses nahm rapid an Umfang

zu, wie in E gezeigt wird, und wurde dann wieder aufgesaugt, wie

in F, in welcher Zeit sich ein anderes Kügelchen am entgegengesetzten Ende gebildet hatte.

Die oben abgebildete Zelle war von einem Tentakel eines dunkelrothen Blattes, welches eine kleine Motte gefangen hatte, und wurde

unter Wasser untersucht. Da ich zuerst dachte, dasz die Bewegungen

der Massen eine Folge der Aufsaugung von Wasser sein könnten,

that ich eine Fliege auf ein Blatt, und als nach 18 Stunden alle

Tentakeln gut eingebogen waren, wurden diese untersucht ohne in

Wasser getaucht zu werden. Die hier dargestellte Zelle (Fig. 8) war

von diesem Blatt, und wurde acht Mal im Lauf von 15 Minuten gezeichnet. Diese Skizzen zeigen einige von den bemerkenswertheren

Veränderungen, welche das Protoplasma durchmacht. Zuerst war an

3*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

der Basis der Zelle 1 eine kleine Masse auf einem kurzen Stiel und

eine gröszere Masse nahe dem oberen Ende vorhanden, und diese bei

[Abbildung      Fig. 8. (Drosera rotundifolia) Schematische Darstellung einer und derselben Zolle, die verschiedenen, auf einander folgenden, von den zusammengeballten Protoplasma-Massen angenommenen

Formen zeigend.]

den schienen ganz getrennt zu sein. Demohngeachtet könnten sie

durch einen feinen und unsichtbaren Faden von Protoplasma verbunden gewesen sein; denn bei zwei andern Gelegenheiten war ich im

Stande, während die eine Masse schnell wuchs und eine andere Masse

in derselben Zelle schnell abnahm, durch Veränderung des Lichtes

und den Gebrauch einer starken Vergröszerung einen verbindenden

Faden von äuszerster Zartheit zu entdecken, welcher augenscheinlich

als Verkehrscanal zwischen den Beiden diente. Auf der andern Seite

sieht man manchmal, dasz solche verbindenden Fäden reiszen und ihre

Enden werden dann schnell keulenförmig. Die andern Skizzen in Fig. S

zeigen die Formen, welche das Protoplasma nach einander annahm.

Bald nachdem die purpurne Flüssigkeit in den Zellen zusammengeballt worden ist, schwimmen die kleinen Massen in einer farblosen

oder beinahe farblosen Flüssigkeit umher und die Schicht weiszen

körnigen Protoplasmas, welche entlang den Wänden flieszt, kann nun

viel deutlicher gesehen werden. Der Strom flieszt mit unregelmäsziger

Schnelligkeit die eine Wand hinauf und die andere wieder hinunter,

gewöhnlich in langsamerem Tempo über die schmalen Enden der verlängerten Zellen, und so immer fort rund um. Aber der Strom hört

manchmal auf. Die Bewegung ist oft in Wellen und ihre Gipfel

strecken sich manchmal beinahe über die ganze Breite der Zelle, und

sinken dann wieder nieder. Kleine Kugeln von Protoplasma, augenscheinlich ganz frei, werden oft durch den Strom in den Zellen umher

getrieben; an die centralen Massen geheftete Filamente werden hin

und her geschwungen, als ob sie zu entfliehen suchten. Alles zusammen genommen bietet eine dieser Zellen, mit den sich immer verändernden centralen Massen und mit der den Wänden entlang flieszenden Schicht von Protoplasma, ein wunderbares Bild einer lebendigen Thätigkeit dar.


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

Viele Beobachtungen wurden an dem Inhalt der Zellen angestellt,

während sie den Procesz der Zusammenballung durchmachten; ich werde

aber nur einige wenige Fälle unter verschiedenen Gesichtspunkten einzeln

ausführen. Ein kleiner Theil wurde von einem Blatt abgeschnitten, unter

starke Vergröszerung gebracht und die Drüse sehr sanft unter einem

Compressorium gedrückt. In 15 Minuten sah ich deutlich, wie kleine

Kügelchen von Protoplasma sich in der purpurnen Flüssigkeit zusammenballten; diese nahmen zusehends an Umfang zu, sowohl in den Zellen der

Drüsen als in denen der oberen Enden der Stiele. Theilchen von Glas,

Kork und Kohle wurden auch auf die Drüsen von vielen Tentakeln gelegt;

in 1 Stunde waren mehrere derselben gebogen; aber nach 1 Stunde 35

Minuten war noch keine Zusammenballung eingetreten. Andere Tentakeln

mit diesen Theilchen wurden nach 8 Stunden untersucht, und nun war

in allen ihren Zellen Zusammenballung eingetreten. Dasselbe war in den

Zellen der äuszeren Tentakeln der Fall, welche durch den, von den Drüsen der Scheibe, auf welchen die dorthin transportirten Theilchen ruhten,

auf sie übermittelten Reiz eingebogen worden waren. Dieses war gleichfalls der Fall mit den kurzen Tentakeln rings um den Rand der Scheibe

herum, welche noch nicht eingebogen worden waren. Diese letztere Thatsache zeigt, dasz der Procesz der Zusammenballung unabhängig von der

Einbiegung der Tentakeln ist, wofür wir in der That noch andere und

reichliche Beweise haben. Ferner wurden die äuszeren Tentakeln an drei

Blättern sorgfältig untersucht und dabei gefunden, dasz sie nur eine homogene purpurne Flüssigkeit enthielten; kleine Stückchen Faden wurden dann auf die Drüsen von drei derselben gelegt, und nach 22 Stunden war die purpurne Flüssigkeit in ihren Zellen, beinahe bis herunter

zu ihren Basen, zu unzähligen kugligen, verlängerten oder fadigen Massen

von Protoplasma zusammengeballt. Die Stückchen Faden waren einige

Zeit vorher nach der mittleren Scheibe geschafft worden, und dies hatte

verursacht, dasz alle die andern Tentakeln etwas eingebogen worden waren; auch war das Protoplasma ihrer Zellen gleichfalls zusammengeballt,

jedoch, und dies ist zu beachten, noch nicht hinunter bis zu ihren Basen,

es war vielmehr die Zusammenballung nur auf die Zellen dicht unter den

Drüsen beschränkt. Nicht nur verursacht wiederholtes Berühren der Drüsen 1 und der Contact mit kleinen Theilchen Zusammenballung, sondern

es bringt auch, wenn Drüsen ohne selbst verletzt zu sein von den Gipfeln

der Stiele abgeschnitten werden, dies einen mäszigen Betrag von Zusammenballung in den kopflosen Tentakeln hervor, nachdem sie eingebogen

worden sind. Auf der andern Seite scheinen die Tentakeln, wenn die

Drüsen plötzlich zwischen einer Pincette zerdrückt worden, wie in sechs

Fällen versucht wurde, durch solch einen heftigen Eingriff paralysirt zu

werden; denn sie werden weder eingebogen, noch bieten sie irgend welche

Zeichen der Zusammenballung dar.

1 Nach einer Schilderung der Beobachtungen Heckel's zu urtheilen, welche

ich so eben erst in dem "Gardener's Chronicle, Oct. 10., 1874, citirt gefunden

habe, scheint er eine ähnliche Erscheinung in den Staubfäden der Berberis beobachtet zu haben, nachdem sie durch eine Berührung gereizt worden waren und

sich bewegt hatten; er sagt nämlich, dasz der Inhalt einer jeden individuellen

Zelle sich im Centrum ihrer Höhle angesammelt habe.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

Kohlensaures Ammoniak. — Von allen den Ursachen, welche

Zusammenballung hervorbringen ist die, welche, so weit ich gesehen habe,

am schnellsten wirkt und die kräftigste ist, eine Auflösung von kohlensaurem Ammoniak. Was auch ihre Stärke sein mag, die Drüsen werden

immer zuerst gereizt, und werden bald ganz undurchsichtig, so dasz sie

schwarz erscheinen. Ich that z. B. ein Blatt in wenige Tropfen einer

starken Auflösung, nämlich von einem Theil auf 146 Theile Wasser (oder

3 Gran auf 1 Unze) und beobachtete es unter starker Vergröszerung.

Alle Drüsen fiengen in 10 Secunden an dunkel zu werden, und in 13

Secunden waren sie merklich dunkler. In einer Minute konnte man auszerordentlich kleine kuglige Massen von Protoplasma in den Zellen der Stiele

dicht unter den Drüsen entstehen sehen, ebenso wie in den Kissen, auf

welchen die langköpfigen randständigen Drüsen ruhen. In mehreren Fällen

verbreitete sich in ungefähr 10 Minuten der Procesz die Stiele hinunter

eine Strecke weit, die zwei- oder drei mal so lang war wie die Drüsen.

Es war sehr interessant zu beobachten, wie der Procesz momentan bei

jeder queren Scheidewand zwischen zwei Zellen aufgehalten wurde, und

dann zu sehen, wie der durchsichtige Inhalt der nächst darunter liegenden Zelle in eine wolkige Masse gewissermaszen aufflammte. In den unteren Theilen der Stiele gieng die Erscheinung langsamer vorwärts, so

dasz es ungefähr 20 Minuten dauerte, ehe die Zellen halbwegs die langen

randständigen und dem Rande nahe stehenden Tentakeln hinab zusammengeballt wurden.

Wir können annehmen, dasz das kohlensaure Ammoniak von den

Drüsen aufgesaugt wird, nicht nur weil seine Wirkung so geschwind ist,

sondern weil sie etwas verschieden ist von der andrer Salze. Da die Drüsen, wenn sie gereizt werden, eine Säure, welche zu der Essigreihe gehört,

absondern, so wird das kohlensaure Salz wahrscheinlich sofort in ein Salz

dieser Reihe verwandelt, und wir werden sogleich sehen, dasz das essigsaure Ammoniak Zusammenballung beinahe oder ganz so energisch verursacht wie das kohlensaure Salz. Wenn ein paar Tropfen einer Auflösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 437 Theile Wasser

(oder 1 Gran auf 1 Unze) zu der purpurnen Flüssigkeit, welche aus zerdrückten Tentakeln ausflieszt, oder auf Papier gebracht wird, welches dadurch, dasz es mit Tentakeln gerieben wurde, gefärbt worden ist, so wird

die Flüssigkeit ebenso wie das Papier blosz schmutzig grün. Demohngeachtet konnte nach 1 Stunde 30 Minuten etwas purpurne Farbe in den

Drüsen eines Blattes, welches in einer Auflösung von der doppelten Stärke

der oben erwähnten (nämlich 2 Gran auf 1 Unze) liegen gelassen worden war, entdeckt werden; und nach 24 Stunden enthielten die Zellen

der Stiele dicht unter den Drüsen noch Kugeln von Protoplasma von

einer schönen purpurnen Färbung. Diese Thatsachen beweisen, dasz das

Ammoniak nicht als. kohlensaures eingetreten war, denn sonst würde die

Farbe wohl verdrängt worden sein. Ich habe jedoch manchmal, besonders bei den in eine Lösung eingetauchten langköpfigen Tentakeln auf

den Rändern sehr blasser Blätter beobachtet, dasz die Drüsen sowohl als

die oberen Zellen der Stiele sich entfärbten; und in diesen Fällen vermuthe ich, dasz das unveränderte kohlensaure Salz aufgesaugt worden

war. Die oben beschriebene Erscheinung, dasz der Procesz der Zusammen


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

ballung auf kurze Zeit bei jeder queren Scheidewand aufgehalten wird,

macht den Eindruck, als ob eine Substanz von Zelle zu Zelle abwärts

gehe. Aber da die Zellen eine unter der anderen einer Zusammenballung

des Inhalts unterliegen, wenn unorganische und unauflösliche Theilchen

auf die Drüsen gelegt werden, so musz der Procesz wenigstens in diesen

Fällen in einer von den Drüsen übermittelten molecularen Veränderung,

unabhängig von der Aufsaugung irgend welcher Substanz, bestehen. Dasselbe kann auch möglicher Weise bei der Wirkung des kohlensauren

Ammoniaks der Fall sein. Da jedoch die durch dieses Salz verursachte

Zusammenballung die Tentakeln in viel schnellerem Tempo hinunterläuft,

als wenn unauflösliche Theilchen auf die Drüsen gelegt werden, so wird

wahrscheinlich das Ammoniak in irgend einer Form nicht nur von den

Drüsen aufgesaugt, sondern geht auch die Tentakeln hinunter.

Nachdem ich ein Blatt in Wasser untersucht und den Inhalt der

Zellen homogen gefunden hatte, that ich es in ein paar Tropfen einer Auflösung von einem Theil des kohlensauren Salzes auf 437 Theile Wasser

und achtete auf die Zellen unmittelbar unter den Drüsen, wendete indessen keine sehr starke Vergröszerung an. Nach 3 Minuten war noch

keine Zusammenballung sichtbar, aber nach 15 Minuten bildeten sich

kleine Kugeln von Protoplasma, ganz besonders unter den langköpfigen

randständigen Drüsen; der Procesz jedoch fand in diesem Fall mit ungewöhnlicher Langsamkeit statt. In 25 Minuten waren deutlich bemerkbare

kuglige Massen in den Zellen der Stiele in einer beinahe der der Drüsen gleichen Länge, und in 3 Stunden ein Drittel oder die Hälfte der

Länge des ganzen Tentakels hinab vorhanden.

Wenn Tentakeln mit Zellen, welche nur sehr blasse rosa Flüssigkeit

und augenscheinlich nur wenig Protoplasma enthalten, in ein paar Tropfen

einer schwachen Auflösung von einem Theil des kohlensauren Salzes auf

4375 Theile Wasser (1 Gran auf 10 Unzen) gethan, und die äuszerst

durchsichtigen Zellen unter den Drüsen unter starker Vergröszerung sorgfältig beobachtet werden, so sieht man, wie diese zuerst leicht wolkig

werden durch die Bildung von zahllosen nur gerade bemerkbaren Körnchen, welche sehr geschwind grösser werden, entweder durch Verschmelzung oder durch das Heranziehen von mehr Protoplasma aus der umgebenden Flüssigkeit. Bei einer Gelegenheit wählte ich ein eigenthümlich

blasses Blatt, und gab ihm, während es unter dem Mikroscop lag, einen

einzigen Tropfen einer stärkeren Auflösung von einem Theil auf 437

Theile Wasser; in diesem Fall wurde der Inhalt der Zellen nicht wolkig,

aber nach 10 Minuten konnten unregelmässige Körner von Protoplasma

entdeckt werden, welche bald zu unregelmäszigen Massen und Körnchen

von einer grünlichen oder sehr blassen purpurnen Färbung heranwuchsen;

aber diese bildeten nie vollkommene Kugeln, obgleich sie unaufhörlich

ihre Form und Stellung veränderten.

Bei mäszig rothen Blättern ist die erste Wirkung einer Lösung des

kohlensauren Salzes gewöhnlich die Bildung von zwei oder drei oder mehreren auszerordentlich kleinen purpurnen Kugeln, welche schnell am Umfang zunehmen. Um einen Begriff von der Geschwindigkeit zu geben,

mit welcher solche Kugeln an Umfang zunehmen, will ich erwähnen, dasz

einem ziemlich blasz purpurnen Blatt unter einem Glasblättchen ein


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

Tropfen einer Lösung von einem Theil auf 292 Theile Wasser gegeben

wurde; in 13 Minuten waren ein paar kleine Kugeln von Protoplasma

gebildet; eine derselben war nach 2 Stunden 30 Minuten ungefähr zwei

Drittel des Durchmessers der Zelle. Nach 4 Stunden 25 Minuten war

sie im Durchmesser der Zelle beinahe gleich; und eine zweite Kugel, ungefähr halb so grosz wie die erste, hatte sich gebildet nebst einigen andern sehr kleinen. Nach 6 Stunden war die Flüssigkeit, in welcher diese

Kugeln schwammen, beinahe farblos. Nach 8 Stunden 35 Minuten (immer

von der Zeit an, wo die Lösung zuerst zugesetzt worden war, gerechnet)

waren vier neue kleine Kugeln erschienen. Am nächsten Morgen, nach

22 Stunden, waren auszer den zwei groszen Kugeln sieben kleinere da,

welche in einer vollständig farblosen Flüssigkeit schwammen, in der etwas flockige, grünliche Substanz suspendirt war.

Beim Beginn des Processes der Zusammenballung, ganz besonders in

dunkel rothen Blättern, bietet oft der Inhalt der Zellen ein verschiedenes

Ansehen dar, als ob die Schicht von Protoplasma (der Primordialschlauch),

welche die Zellen auskleidet, sich losgelöst hätte, und von den Wänden

abgeschrumpft wäre; es hatte sich dabei ein unregelmäszig geformter

Sack gebildet. Andere Flüssigkeiten, auszer einer Auflösung des kohlensauren Salzes, z. B. ein Aufgusz von rohem Fleisch, bringen dieselbe

Wirkung hervor. Aber die Erscheinung der Einschrumpfung des Primordialschlauchs von den Wänden ist jedenfalls falsch 2; denn ich sah, ehe

ich die Auflösung zugesetzt hatte, bei mehreren Gelegenheiten, dass die

Wände mit farblosem, flieszendem Protoplasma ausgekleidet waren, und

nachdem die sackförmigen Massen sich gebildet hatten, flosz das Protoplasma noch immer in deutlich sichtbarer Weise den Wänden entlang,

selbst noch mehr als vorher. Es schien in der That, als ob der Strom

des Protoplasma durch die Einwirkung des kohlensauren Salzes verstärkt

sei, aber es war unmöglich zu ermitteln, ob dies wirklich der Fall war.

Die sackartigen Massen fangen, wenn sie einmal gebildet sind, bald an

langsam in den Zellen rundum zu gleiten; manchmal Fortsätze aussendend,

welche sich in kleine Kugeln auflösen; andere Kugeln erscheinen in der

die Säckchen umgebenden Flüssigkeit und diese bewegen sich viel schneller.

Dasz die kleinen Kugeln getrennt sind, wird häufig dadurch bewiesen,

dasz zuweilen eine und dann eine andere sich voraus bewegen, und

manchmal drehen sie sich um einander, Ich habe gelegentlich gesehen,

wie Kugeln dieser Art sich an derselben Seite der Zelle hinauf und hinab

bewegten, anstatt rings herum. Die sackartigen Massen theilen sich gewöhnlich nach einiger Zeit in zwei runde oder ovale Massen und diese

machen die Veränderungen durch, welche in Fig. 7 und 8 dargestellt

sind. Andere Male erscheinen Kugeln in den Säcken, und diese verschmelzen und theilen sich in einem endlosen Kreislauf von Veränderungen.

Wenn Blätter mehrere Stunden lang in einer Auflösung des kohlensauren Salzes liegen gelassen worden sind, und vollständige Zusammen

2 Bei andern Pflanzen habe ich häufig das, was mir eine echte Zusammenschrumpfung des Primordialschlauchs von den Zellenwänden erschien, durch eine

Auflösung in kohlensaurem Ammoniak verursacht gesehen, wie es gleichfalls als

Folge mechanischer Verletzungen auftritt.


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

ballung bewirkt worden ist, hört der Strom von Protoplasma an den

Wänden derselben auf, sichtbar zu sein; ich beobachtete diese Thatsache

wiederholt, will aber nur ein Beispiel geben. Ein blasz purpurnes Blatt

war in ein paar Tropfen einer Auflösung von einem Theil in 292 Theilen

Wasser gelegt worden und in 2 Stunden hatten sich in den oberen Zellen

der Stiele einige feine purpurne Kugeln gebildet, während der Strom von

Protoplasma rings an ihren Wänden noch ganz deutlich war; aber nach

Verlauf von weiteren 4 Stunden, während welcher Zeit sich noch viel

mehr Kugeln gebildet hatten, war der Strom, selbst bei der sorgfältigsten

Untersuchung, nicht mehr zu unterscheiden; und dies war ohne Zweifel

eine Folge davon, dasz die eingeschlossenen Körnchen sich mit den Kugeln vereinigt hatten, so dasz nichts mehr vorhanden war, wodurch die

Bewegung des klaren Protoplasma hätte bemerkt werden können. Aber

sehr kleine freie Kugeln giengen noch immer die Zellen hinauf und hinab,

welche bewiesen, dasz noch immer ein Strom vorhanden war. So war

es noch am nächsten Morgen, nach 22 Stunden, in welcher Zeit sich

einige neue kleine Kugeln gebildet hatten; diese oscillirten von einer

Seite zur andern und veränderten ihre Stellung, wodurch sie bewiesen,

dasz die Strömung noch nicht aufgehört hatte, obgleich kein Strom von

Protoplasma sichtbar war. Bei einer andern Gelegenheit sah man jedoch

einen Strom um die Zellen-Wände eines lebenskräftigen, dunkelfarbigen

Blattes flieszen, nachdem es 24 Stunden in einer etwas stärkeren Auflösung, nämlich von einem Theil des kohlensauren Salzes auf 218 Theile

Wasser, gelegen hatte. Dies Blatt war daher nicht sehr oder gar nicht

durch ein Eintauchen von dieser Zeit in die oben erwähnte Auflösung

von zwei Gran in einer Unze besehädigt; und nachdem es nacher 24

Stunden in Wasser liegen gelassen worden war, hatten sich die zusammengeballten Massen in vielen der Zellen wieder aufgelöst, in derselben

Art, wie es vorkommt, wenn Blätter im Naturzustand sich wieder ausstrecken, nachdem sie Insecten gefangen gehabt hatten.

In einem Blatt, welches 22 Stunden in einer Auflösung von einem

Theil des kohlensauren Salzes in 292 Theilen Wasser gelassen war, wurden einige Kugeln von Protoplasma (durch die Selbsttheilung einer sackähnlichen Masse) sanft unter einem Deckgläschen gedrückt, und dann

unter starker Vergröszerung untersucht. Sie waren nun deutlich durch

scharf bestimmte strahlenförmige Spalten getheilt, oder waren in verschiedene Fragmente mit scharfen Kanten aufgebrochen; auch waren sie solid

bis in die Mitte. In den gröszeren aufgebrochenen Kugeln war der mittlere Theil undurchsichtiger, dunkelfarbiger und weniger zerbrechlich als

die äuszeren; nur waren in einigen Fällen die letzteren von Spalten

durchdrungen. In vielen Kugeln war die Trennungslinie zwischen den

äuszeren und inneren Theilen ziemlich scharf bestimmt. Die äuszeren

Theile waren von genau derselben sehr blasz purpurnen Färbung, wie die

der zuletzt gebildeten kleineren Kugeln; und diese letzteren schlossen keinen dunkleren mittleren Kern ein.

Aus diesen verschiedenen Thatsachen können wir schlieszen, dasz,

wenn kräftige dunkelfarbige Blätter der Einwirkung von kohlensaurem

Ammoniak unterworfen werden, sich die Flüssigkeit in den Zellen der

Tentakeln oft äuszerlich in zusammenhängende klebrige Substanz zu


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

sammenballt und auf diese Weise einen Sack bildet. Kleine Kugeln erscheinen manchmal innerhalb dieses Sackes, und das Ganze theilt sich

gewöhnlich bald in zwei oder mehr Kugeln, welche wiederholt verschmelzen und sich wieder theilen. Nach einer längeren oder kürzeren Zeit

sind die Körnchen in der farblosen Schicht von Protoplasma, welche

rings um die Wände flieszt, nach den gröszeren Kugeln hingezogen und

mit ihnen vereinigt, oder bilden kleine selbständige Kugeln; diese letzteren sind von viel blässerer Farbe und viel zerbrechlicher als die zuerst

zusammengeballten Massen. Nachdem die Körnchen von Protoplasma in

dieser Weise angezogen worden sind, kann die Schicht flieszenden Protoplasmas nicht mehr unterschieden werden, wennschon ein Strom von

durchsichtiger Flüssigkeit noch rund an den Wänden herumflieszt.

Wenn ein Blatt in eine starke, beinahe concentrirte Auflösung von

kohlensaurem Ammoniak getaucht wird, so werden die Drüsen augenblicklich schwarz und sondern reichlich ab; aber es erfolgt keine Bewegung der Tentakeln. Zwei so behandelte Blätter wurden nach 1 Stunde

schlaff und schienen getödtet zu sein; alle Zellen in ihren Tentakeln enthielten Kugeln von Protoplasma; aber diese waren klein und misfarbig.

Zwei andere Blätter wurden in eine nicht ganz so starke Lösung gelegt

und in 30 Minuten war eine gut markirte Zusammenballung eingetreten.

Nach 24 Stunden wurden die kuglichen oder häufiger länglichen Massen

von Protoplasma undurchsichtig und körnig anstatt wie gewöhnlich durchsichtig zu sein; und in den unteren Zellen waren nur unzählige kleine

kugliche Körnchen vorhanden. Offenbar hatte die Stärke der Auflösung

die Vollendung des Processes gestört, wie dies, wie wir sehen werden,

gleichfalls in Folge groszer Hitze eintritt.

Alle die vorangegangenen Beobachtungen beziehen sich auf die

äuszeren Tentakeln, welche von einer purpurnen Färbung sind; aber auf

die grünen Stiele der kurzen mittleren Tentakeln wirkt das kohlensaure

Salz und ein Aufgusz von rohem Fleisch in genau derselben Weise, mit

dem einzigen Unterschied, dasz die zusammengeballten Massen von einer

grünlichen Färbung sind, so dasz also der Procesz in keiner Weise von

der Farbe der Flüssigkeit innerhalb der Zellen abhängt.

Endlich ist die merkwürdigste Thatsache in Bezug auf dies Salz die

auszerordentlich kleine Menge, welche genügt, Zusammenballung zu verursachen. Ausführliche Einzelnheiten werden im siebenten Kapitel mitgetheilt werden; hier mag es genügen, wenn ich noch anführe, dasz bei

einem empfindlichen Blatt die Aufsaugung von   eines Grans

(0,000482 Milligr.) durch eine Drüse hinreicht, im Laufe einer Stunde

deutlich bemerkbare Zusammenballung in den Zellen unmittelbar unter der

Drüse zu verursachen.

Die Wirkungen von gewissen andern Salzen und Flüssigkeiten. Zwei Blätter wurden in eine Auflösung von einem Theil essigsauren Ammoniaks in ungefähr 140 Theilen Wasser gelegt; dies wirkte

ganz so energisch, aber vielleicht nicht ganz so schnell, wie das kohlensaure Salz. Nach 10 Minuten waren die Drüsen schwarz und in den

Zellen unter ihnen waren Spuren einer Zusammenballung zu bemerken,

welche nach 15 Minuten deutlich bemerkbar war und sich eine Strecke

weit, so lang wie die Drüsen, die Tentakeln hinab erstreckte. Nach 2


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

Stunden war der Inhalt von beinahe allen Zellen in sämmtlichen Tentakeln in kleine Massen von Protoplasma aufgebrochen. Ein Blatt wurde

in eine Auflösung von einem Theil von oxalsaurem Ammoniak in 146

Theilen Wasser eingetaucht, und nach 24 Minuten konnte eine gewisse,

aber keine deutliche Veränderung in den Zellen unter den Drüsen gesehen werden. Nach 47 Minuten hatten sich viele kuglige Massen von

Protoplasma gebildet, und diese erstreckten sich an den Tentakeln eine

Strecke hinunter beinahe von der Länge der Drüsen. Dieses Salz wirkt

daher nicht so schnell wie das kohlensaure. Was das citronensaure

Ammoniak betrifft, so wurde ein Blatt in ein wenig Auflösung von der

obigen Stärke gelegt; es war auch nicht die Spur von Zusammenballung

zu bemerken, bis 56 Minuten verflossen waren; aber nach 2 Stunden 20

Minuten war sie deutlich zu bemerken. Bei einer andern Gelegenheit

wurde ein Blatt in eine stärkere Auflösung von einem Theil des citronensauren Salzes in 109 Theilen Wasser (4 Gran auf 1 Unze) gelegt und

zu derselben Zeit ein anderes Blatt in eine gleich starke Auflösung des

kohlensauren Salzes. Die Drüsen des letzteren waren in weniger als 2

Minuten geschwärzt, und nach 1 Stunde 45 Minuten erstreckten sich die

zusammengeballten Massen, welche kuglig und sehr dunkelfarbig waren,

alle die Tentakeln hinunter zwischen halb und zwei Drittel ihrer Länge;

während die Drüsen an dem in citronensaurem Salz eingetauchten Blatt

von einem dunkeln Roth und die zusammengeballten Massen in den Zellen

unter ihnen rosa und verlängert waren. Nach 1 Stunde 45 Minuten erstreckten sich die Massen an den Tentakeln nur ungefähr ein Fünftel

oder ein Viertel der Länge derselben hinunter.

Zwei Blätter wurden jedes in zehn Tropfen einer Auflösung von

einem Theil salpetersauren Ammoniaks in 5250 Theilen Wasser (1 Gran

auf 12 Unzen) gethan, so dasz jedes Blatt   eines Grans (0,1124

Milligr.) erhielt. Diese Quantität verursachte, dasz sich alle Tentakeln einbogen: aber nach 24 Stunden war nur eine Spur von Zusammenballung

da. Eins dieser selben Blätter wurde sodann in eine schwache Auflösung

des kohlensauren Salzes gelegt und nach 1 Stunde 45 Minuten zeigten

die Tentakeln in der Hälfte ihrer Länge einen erstaunlichen Grad von

Zusammenballung. Zwei andere Blätter wurden dann in eine viel stärkere Auflösung von einem Theil des salpetersauren Salzes in 146 Theilen

Wasser (3 Gran auf 1 Unze) gelegt; an einem derselben war nach 3

Stunden keine bemerkbare Veränderung vorhanden; aber in dem andern

war nach 52 Minuten eine Spur von Zusammenballung zu sehen, und

nach 1 Stunde 22 Minuten war sie deutlich bemerkbar; aber selbst nach

2 Stunden 12 Minuten war sicherlich nicht mehr Zusammenballung eingetreten, als nach einem 5—10 Minuten dauernden Eintauchen in eine

gleich starke Lösung des kohlensauren Salzes erfolgt sein würde.

Endlich wurde noch ein Blatt in dreiszig Tropfen einer Lösung von

einem Theil phosphorsauren Ammoniaks in 43750 Theile Wasser (1 Gran

auf 100 Unzen) gelegt, so dasz es   eines Grans (0,04079 Milligr.)

erhielt; dies verursachte, dasz die Tentakeln bald stark eingebogen wurden; und nach 24 Stunden war der Inhalt der Zellen in ovale und unregelmäszige rundliche Massen zusammengeballt, mit einem sichtbaren an

den Wänden herumflieszenden Strom von Protoplasma. Aber nach Ver


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

lauf einer so langen Zeit würde Zusammenballung erfolgt sein, was auch

die Einbiegung verursacht haben möchte.

Nur wenig andere Salze auszer denen des Ammoniaks wurden in

Bezug auf den Procesz der Zusammenballung versucht. Ein Blatt wurde

in eine Lösung von 1 Theil Chlornatrium in 218 Theile Wasser gelegt

und nach 1 Stunde war der Inhalt der Zellen zu kleinen unregelmäszigen

rundlichen bräunlichen Massen zusammengeballt; nach 2 Stunden waren

dieselben beinahe ganz zerfallen und breiig. Es war augenscheinlich,

dasz das Protoplasma nachtheilig afficirt worden war; und bald darauf

erschienen einige der Zellen ganz leer. Diese Wirkungen weichen gänzlich von denen ab, welche sowohl durch die verschiedenen Ammoniaksalze

als durch verschiedene organische Flüssigkeiten und durch unorganische

auf die Drüsen gelegte Theilchen hervorgebracht wurden. Eine Auflösung

derselben Stärke von kohlensaurem Natron und kohlensaurem Kali wirkte

auf beinahe dieselbe Weise wie das Chlorid; und hier wieder hatten sich

nach 2 Stunden 30 Minuten die äuszeren Zellen von einigen der Drüsen

ihres braunen breiigen Inhalts entleert. Wir werden im achten Capitel

sehen, dasz Auflösungen mehrerer Natronsalze von halb der obigen Stärke

Einbiegung verursachen, aber die Blätter nicht verletzen. Schwache Lösungen von schwefelsaurem Chinin, Nicotin, Campher, dem Gifte der Cobra

u. s. w. bringen bald deutlich bemerkbare Zusammenballung hervor, während gewisse andere Substanzen (z. B. eine Auflösung von Curare) keine

solche Tendenz haben.

Viele Säuren, obgleich sehr verdünnt, sind giftig; und obgleich sie,

wie im achten Capitel gezeigt werden soll, die Tentakeln einzubiegen verursachen, so erregen sie doch nicht wahre Zusammenballung. So wurden

Blätter in eine Auflösung von einem Theil Benzoesäure in 437 Theilen

Wasser gelegt, und in 15 Minuten hatte sich die purpurne Flüssigkeit

in den Zellen etwas von den Wänden abgezogen; doch war, als sie nach

1 Stunde 20 Minuten sorgfältig untersucht wurden, keine wahre Zusammenballung vorhanden; und nach 24 Stunden war das Blatt augenscheinlich todt. Andere Blätter zeigten, in Jodsäure, in demselben Grade

verdünnt, nach 2 Stunden 15 Minuten dasselbe zusammengeschrumpfte

Aussehen der purpurnen Flüssigkeit in den Zellen; und bei diesen wurde

nach 6 Stunden 15 Minuten unter starker Vergröszerung gesehen, dasz

sie mit auszerordentlich kleinen Kugeln von trüb röthlichem Protoplasma

gefüllt waren, welche am nächsten Morgen, nach 24 Stunden, beinahe

gänzlich verschwunden waren, da das Blatt augenscheinlich todt war.

Auch war keine irgend welche wahre Zusammenballung in den Blättern

zu sehen, welche in Propion-Säure derselben Stärke getaucht waren; aber

in diesem Falle hatte sich das Protoplasma in unregelmäszigen Massen

nahe den Basen der unteren Zellen der Tentakeln angesammelt.

Ein filtrirter Aufgusz von rohem Fleisch bringt starke aber nicht

sehr schnelle Zusammenballung hervor. In einem in eine solche Flüssigkeit eingetauchten Blatt war nach 1 Stunde 20 Minuten, und in einem

andern nach 1 Stunde 50 Minuten ein wenig Zusammenballung zu bemerken. Bei andern Blättern erforderte es eine beträchtlich längere Zeit:

z. B. zeigte eins, 5 Stunden lang eingetaucht, keine Zusammenballung;

aber nach 5 Minuten schon war eine Einwirkung deutlich bemerkbar, als


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

es in einige Tropfen einer Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks in 146 Theile Wasser gelegt worden war. Einige Blätter wurden 24 Stunden in dem Aufgusz gelassen, und diese boten Zusammenballung in einem wunderbaren Grade dar, so dasz die gebogenen Tentakeln dem unbewaffneten Auge ein deutlich geflecktes Ansehn zeigten.

Die kleinen purpurnen Protoplasma-Massen waren gewöhnlich oval oder

perlschnurartig, und nicht halb so oft kuglig wie es bei Blättern der

Fall ist, die der Einwirkung von kohlensaurem Ammoniak ausgesetzt waren. Sie unterlagen unaufhörlichem Formenwechsel; und der Strom von

farblosem Protoplasma rings um die Wände war nach einem Eintauchen

von 25 Stunden auffallend deutlich. Rohes Fleisch ist ein zu wirksames

Reizmittel und selbst kleine Stückchen verletzen gewöhnlich und tödten

auch manchmal die Blätter, denen sie gegeben werden; die zusammengeballten Massen von Protoplasma werden trüb oder beinahe farblos und

bieten einen ungewöhnlich körnigen Anblick dar, wie es ebenso bei Blättern der Fall ist, welche in eine sehr starke Auflösung von kohlensaurem

Ammoniak getaucht worden sind. Ein Blatt, welches in Milch gethan

wurde, hatte in 1 Stunde den Inhalt seiner Zellen etwas zusammengeballt. Auf zwei andere Blätter, von denen eins 2 Stunden 30 Minuten

in menschlichem Speichel, und das andere 1 Stunde 20 Minuten in nicht

gekochtem Eiweisz gelegen hatte, hatten diese Flüssigkeiten nicht in dieser Weise gewirkt, obgleich dies ohne Zweifel der Fall gewesen sein

würde, wenn man mehr Zeit gelassen hätte. Diese beiden selben Blätter

hatten, nachdem sie später in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak

(3 Gran auf 1 Unze) gelegt wurden, ihre Zellen, das eine in 10 Minuten, das andere in 5 Minuten zusammengeballt.

Mehrere Blätter wurden 4 Stunden 30 Minuten lang in eine Lösung

von einem Theil weiszen Zuckers in 146 Theilen Wasser gelegt, und

keine Zusammenballung erfolgte; nachdem sie in eine Lösung derselben

Stärke von kohlensaurem Ammoniak gethan worden waren, hatte diese in

5 Minuten auf sie eingewirkt, wie es gleichfalls bei einem Blatte der

Fall war, welches 1 Stunde 45 Minuten in einer mäszig dicken Lösung

von Gummi arabicum gelassen worden war. Mehrere andere Blätter wurden einige Stunden lang in dichte Lösung von Zucker, Gummi und

Stärke gelegt, und der Inhalt ihrer Zellen wurde bedeutend zusammengeballt. Diese Wirkung dürfte der Exosmose zugeschrieben werden, denn

die Blätter im Syrup wurden ganz welk und diejenigen im Gummi und

Stärke etwas schlaff und ihre Tentakeln in der unregelmäszigsten Weise

herumgedreht, die längeren wie Korkzieher. Wir werden später sehen,

dasz Lösungen dieser Substanzen, wenn sie auf die Scheiben der Blätter

gebracht werden, keine Einbiegung hervorrufen. Stückchen weichen Zuckers

wurden zu dem Zweck um mehrere der Drüsen herumgelegt und bald aufgelöst und verursachten eine bedeutende Steigerung der Absonderung,

ohne Zweifel durch Exosmose; nach 24 Stunden zeigten die Zellen einen

gewissen Grad von Zusammenballung, obgleich die Tentakeln nicht eingebogen waren. Glycerin verursacht in wenig Minuten deutlich bemerkbare Zusammenballung, die wie gewöhnlich in den Drüsen anfängt und

dann die Tentakeln hinunter geht; und dies kann, wie ich vermuthe, der

starken Anziehungskraft dieser Substanz für Wasser zugeschrieben wer


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

den. Mehrere Stunden langes Eintauchen in Wasser verursacht einen

gewissen Grad von Zusammenballung. Zwanzig Blätter wurden zuerst

sorgfältig untersucht und nachdem sie verschieden lang in destillirtes

Wasser getaucht gelassen worden waren, wieder untersucht, was folgende

Resultate ergab: Man findet selten selbst eine Spur von Zusammenballung,

ehe 4 bis 5 und gewöhnlich noch mehr Stunden verstrichen sind. Wenn

jedoch ein Blatt schnell im Wasser eingebogen wird, wie manchmal besonders bei warmem Wetter vorkommt, so kann die Zusammenballung in

wenig über 1 Stunde eintreten. In allen Fällen werden an Blättern,

welche mehr als 24 Stunden im Wasser gelassen worden sind, die Drüsen schwarz, was beweist, dasz ihr Inhalt zusammengeballt ist; und in

den Exemplaren, welche sorgfältig untersucht wurden, fand sich ziemlich

gut ausgeprägte Zusammenballung in den oberen Zellen der Stiele. Diese

Versuche wurden mit abgeschnittenen Blättern gemacht, und es kam mir

der Gedanke, dasz dieser Umstand das Resultat beeinflussen möchte, da

die Stiele vielleicht Wasser nicht schnell genug aufsaugen würden, um

die Drüsen damit zu versorgen, während diese fortführen abzusondern.

Aber diese Ansicht stellte sich als irrig heraus, denn eine Pflanze mit

unverletzten Wurzeln, welche vier Blätter trug, wurde in destillirtes Wasser

47 Stunden lang eingetaucht, und die Drüsen wurden schwarz, obgleich

die Tentakeln sehr wenig eingebogen wurden. In einem dieser Blätter

war nur ein leichter Grad von Zusammenballung in den Tentakeln eingetreten; im zweiten etwas mehr, wobei der purpurne Inhalt der Zellen

sich etwas von den Wänden getrennt hatte; im dritten und vierten, welche

blasse Blätter waren, war die Zusammenballung in den oberen Theilen

der Stiele deutlich bemerkbar. In diesen Blättern wechselten die kleinen

Massen von Protoplasma, von denen viele oval waren, langsam ihre Form

und Stellung, so dasz ein Untertauchen von 47 Stunden das Protoplasma

nicht getödtet hatte. Bei einem früheren Versuche mit einer untergetauchten Pflanze waren die Tentakeln nicht im Geringsten eingebogen.

Hitze bringt Zusammenballung hervor. — Ein Blatt, dessen Tentakeln in den Zellen nur homogene Flüssigkeit enthielten, wurde 1 Minute lang in Wasser von 54,4°C. (130°F.) herum geschwenkt, und wurde

dann so schnell wie möglich unter dem Microscop untersucht, d. h. in 2

oder 3 Minuten. Während dieser Zeit hatte der Inhalt der Zellen einen

geringen Grad von Zusammenballung erfahren. Ein zweites Blatt wurde

2 Minuten in Wasser von 51,6°C. (125° F.) geschwenkt und wie vorher

schnell untersucht. Die Tentakeln waren stark eingebogen; die purpurne

Flüssigkeit war in allen Zellen ein wenig von den Wandungen abgeschrumpft und enthielt viele ovale und längliche Massen von Protoplasma,

mit einigen äuszerst kleinen Kugeln. Ein drittes Blatt wurde in Wasser

von 51,6°C. gelassen, bis es abgekühlt war, und als es nach 1 Stunde

45 Minuten untersucht wurde, zeigten die eingebogenen Tentakeln etwas

Zusammenballung, welche nach 3 Stunden deutlicher bemerkbar wurde,

aber sich später nicht weiter vermehrte. Endlich wurde ein Blatt 1 Minute lang in Wasser von 48,8°C. (120°F.) geschwenkt, und dann 1 Stunde

26 Minuten lang in kaltem Wasser gelassen; die Tentakeln waren nur

wenig eingebogen, und es war nur hie und da eine Spur von Zusammenballung zu bemerken. In allen diesen und andern Versuchen mit warmem


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

Wasser zeigte das Protoplasma viel weniger Neigung sich zu kugligen

Massen zusammenzuballen, als wenn sie durch kohlensaures Ammoniak

gereizt wurden.

Wiederauflösung der zusammengeballten Massen von

Protoplasma. — Sobald Tentakeln, welche ein Insect oder einen unorganischen Gegenstand umschlungen hatten, oder auf irgend eine andere

Weise gereizt worden waren, sich vollständig wieder ausgestreckt haben,

werden die zusammengeballten Massen von Protoplasma wieder aufgelöst

und verschwinden; die Zellen werden wieder mit homogener purpurner

Flüssigkeit angefüllt, wie sie es waren, ehe die Tentakeln eingebogen wurden. Der Procesz der Wiederauflösung fängt in allen Fällen bei den Basen der Tentakeln an, und schreitet an ihnen aufwärts fort bis zu den

Drüsen. In allen Blättern jedoch, besonders in denen, welche mehrere

Male in Thätigkeit gewesen sind, bleibt das Protoplasma in den obersten

Zellen der Stiele in einem fortwährend mehr oder weniger zusammengeballten Zustand. Um den Procesz der Wiederauflösung zu beobachten,

wurden folgende Beobachtungen angestellt: ein Blatt wurde 24 Stunden

lang in ein wenig Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniak in

218 Theilen Wasser gelassen, und das Protoplasma wurde wie gewöhnlich in zahllose purpurne Kugeln zusammengeballt, welche unaufhörlich

ihre Form veränderten. Das Blatt wurde dann gewaschen und in destillirtes Wasser gethan, und nach 3 Stunden 15 Minuten fiengen einige der

Kugeln an, durch ihre weniger klar bestimmten Conturen, Zeichen von

Wiederauflösung darzubieten. Nach 9 Stunden waren viele von ihnen

verlängert worden, und die umgebende Flüssigkeit in den Zellen war etwas mehr gefärbt, und zeigte deutlich, dasz die Wiederauflösung angefangen hatte. Nach 24 Stunden konnte, obgleich viele Zellen noch immer

Kugeln enthielten, hier und da eine gesehen werden, welche mit purpurner Flüssigkeit gefüllt war, ohne eine Spur von zusammengeballtem Protoplasma; das Ganze war wieder aufgelöst worden. Ein Blatt mit zusammengeballten Massen, welche durch 2 Minuten langes Schwenken in

Wasser von 51,6°C. verursacht waren, wurde in kaltem Wasser gelassen,

und nach 11 Stunden zeigte das Protoplasma Spuren von anfangender

Wiederauflösung. Als es drei Tage nach seinem Eintauchen in das warme

Wasser wieder untersucht wurde, war ein deutlicher Unterschied vorhanden, obgleich das Protoplasma noch etwas zusammengeballt war. Ein

anderes Blatt, bei welchem der Inhalt in allen Zellen durch die Einwirkung einer schwachen Lösung von phosphorsaurem Ammoniak stark geballt war, wurde 3 und 4 Tage lang in einer (als unschädlich bekannten)

Mischung von einer Drachme Alkohol auf acht Drachmen Wasser gelassen,

und als es wieder untersucht wurde, war jede Spur von Zusammenballung

verschwunden, und die Zellen waren nun wieder mit homogener Flüssigkeit angefüllt.

Wir haben gesehen, dasz bei Blättern, welche einige Stunden lang

in dicken Lösungen von Zucker, Gummi und Stärke eingetaucht waren,

der Inhalt ihrer Zellen sich bedeutend zusammenballt, dasz sie selbst

mehr oder weniger welk, und ihre Tentakeln unregelmäszig verdreht wurden. Diese Blätter wurden, nachdem sie vier Tage lang in destillirtem

Wasser gelassen worden waren, weniger welk, ihre Tentakeln streckten


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

sich theilweise wieder aus, und die zusammengeballten Massen von Protoplasma waren theilweise wieder aufgelöst. Ein Blatt, dessen Tentakeln

dicht über einer Fliege geschlossen waren und dessen Zelleninhalt stark

zusammengeballt war, wurde in etwas Sherry-Wein gethan; nach 2 Stunden hatten sich mehrere der Tentakeln wieder ausgestreckt, und die andern konnten durch eine blosze Berührung wieder in ihre ordentlich ausgestreckte Stellung gebracht werden; auch waren jetzt alle Spuren der

Zusammenballung verschwunden, und die Zellen wieder mit vollkommen

homogener rosiger Flüssigkeit angefüllt. Die Wiederauflösung dürfte in

diesen Fällen, wie ich vermuthe, der Exosmose zugeschrieben werden.

Ueber die näheren Ursachen des Processes der Zusammenballung.

Da die meisten der Reizmittel, welche die Einbiegung der Tentakeln verursachen, gleichfalls Zusammenballung in dem Inhalt ihrer

Zellen hervorrufen, könnte dieser letztere Prozesz für das directe Resultat der Einbiegung gehalten werden; dies ist aber nicht der Fall.

Wenn Blätter in ziemlich starke Lösungen von kohlensaurem Ammoniak,

z. B. von drei oder vier und manchmal selbst von nur zwei Gran in

einer Unze Wasser (d. h. ein Theil auf 109 oder 146 oder 218 Theile

Wasser) gethan werden, so werden die Tentakeln gelähmt und werden nicht eingebogen; doch bieten sie bald stark ausgesprochene Zusammenballung dar. Ueberdies werden die kurzen centralen Tentakeln

eines Blattes, welches in eine schwache Lösung von irgend einem

Ammoniaksalz oder in irgend eine stickstoffhaltige organische Flüssigkeit getaucht worden ist, nicht im geringsten gebogen; demohngeachtet

bieten sie alle Erscheinungen der Zusammenballung dar. Andrerseits

verursachen mehrere Salze stark ausgesprochene Einbiegung aber keine

Zusammenballung.

Es ist eine wichtige Thatsache, dasz, wenn ein organischer oder

unorganischer Gegenstand auf die Drüsen der Scheibe gelegt wird,

und die äuszeren Tentakeln hierdurch sich nach innen einzubiegen

veranlaszt werden, nicht nur die Absonderung der Drüsen der letzteren an Menge zunimmt und sauer wird, sondern der Inhalt der Zellen

ihrer Stiele zusammengeballt wird. Der Procesz fängt immer in den

Drüsen an, obgleich diese noch nicht irgend einen Gegenstand berührt

haben. Es musz daher irgend eine Kraft oder ein Einflusz von den

mittleren Drüsen den äuszeren Tentakeln übermittelt werden, erstens

dem Theile nahe ihrer Basis um diesen Theil zum Einbiegen zu veranlassen, und dann zu den Drüsen, um sie zu reichlicherer Absonderung zu veranlassen. Nach einer kurzen Zeit senden oder reflectiren


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

die in dieser Weise indirect gereizten Drüsen einen Einflusz ihre

eigne Stiele hinab, welcher eine Zusammenballung in Zelle unter Zelle

bis zu ihren Basen hervorruft.

Es erscheint auf den ersten Blick wahrscheinlich, dasz die Zusammenballung eine Folge davon ist, dasz die Drüsen zu reichlicherer Absonderung angeregt werden, so dasz nicht genügende Flüssigkeit in ihren

Zellen und in den Zellen der Stiele gelassen wird, um das Protoplasma

in Auflösung zu halten. Für diese Ansicht spricht auch die Thatsache,

dasz Zusammenballung der Einbiegung der Tentakeln folgt, und dasz

während der Bewegung die Drüsen gewöhnlich oder, wie ich glaube,

immer reichlicher absondern als vorher. Ferner sondern die Drüsen

während der Wiederausstreckung der Tentakeln viel weniger reichlich

ab, oder hören ganz auf abzusondern, und dann werden die zusammengeballten Massen von Protoplasma wieder aufgelöst. Wenn überdies

Blätter in dicke vegetabilische Lösungen oder Glycerin getaucht werden, so geht die Flüssigkeit in den Drüsenzellen nach auszen, und

dann tritt Zusammenballung ein; und wenn die Blätter später in

Wasser oder eine unschädliche Flüssigkeit von geringerem specifischen

Gewicht als Wasser getaucht werden, so wird das Protoplasma dann

wieder aufgelöst, und dies ist ohne Zweifel Folge von Endosmose.

Der Ansicht, dasz Zusammenballung durch den Austritt der Flüssigkeit aus den Zellen verursacht wird, stehen indesz folgende Thatsachen

entgegen. Es scheint kein naher Zusammenhang zwischen dem Grad

von erhöhter Absonderung und von Zusammenballung zu bestehen. So

verursacht ein der Absonderung um eine Drüse hinzugefügtes Stückchen Zucker eine viel gröszere Zunahme der Absonderung und viel

weniger Zusammenballung als ein Theilchen von kohlensaurem Ammoniak, welches auf dieselbe Weise gegeben wurde. Es scheint nicht

wahrscheinlich zu sein, dasz reines Wasser eine starke Exosmose verursachen wird, und doch folgt häufig Zusammenballung nach Eintauchen in Wasser, von zwischen 16 und 24 Stunden, und immer

nach Eintauchen von 24 bis 48 Stunden. Noch weniger wahrscheinlich ist es, dasz Wasser von einer Temperatur von 51,6° bis 54,4° C.

(125° bis 130° F.) die Flüssigkeit nicht nur aus den Drüsen, sondern

aus allen Zellen der Tentakeln bis hinab nach ihren Basen zu auszutreten veranlassen sollte, und zwar so schnell, dasz Zusammenballung

in 2 oder 3 Minuten hervorgebracht wird. Ein anderes starkes Argument gegen diese Ansicht ist, dasz nach vollständiger Zusammenballung

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 4

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

die Kugeln und die ovalen Massen von Protoplasma in einer reichlichen Menge von dünner farbloser Flüssigkeit herumschwimmen, so

dasz wenigstens die letzten Stadien des Processes nicht Folge davon

sein können, dasz nun Mangel an Flüssigkeit eintritt, welche das

Protoplasma hätte gelöst erhalten sollen. Es gibt noch einen stärkeren

Beweis dafür, dasz Zusammenballung von der Absonderung unabhängig

ist; denn die in dem ersten Capitel beschriebenen Papillen, mit welcher die Blätter dicht besetzt sind, sind nicht drüsenartig und sondern

nicht ab; und doch saugen sie sehr schnell kohlensaures Ammoniak

oder einen Aufgusz von rohem Fleisch auf, worauf dann ihr Inhalt

der Zusammenballung unterliegt, welche sich nachher in die Zellen des

umgebenden Gewebes ausbreitet. Wir werden später sehen, dasz die

purpurne Flüssigkeit in den empfindlichen Filamenten der Dionaea,

welche nicht absondern, gleichfalls durch die Einwirkung einer schwachen Lösung von kohlensaurem Ammoniak der Zusammenballung

unterliegt.

Der Procesz der Zusammenballung ist ein lebendiger; ich meine

damit, dasz der Inhalt der Zellen lebendig und unverletzt sein musz,

um in dieser Weise afficirt werden zu können, und er musz in einem

oxygenirten Zustand sein, um den Procesz mit der gehörigen Geschwindigkeit weiter leiten zu können. Einige Tentakeln in einem

Tropfen Wasser wurden unter einem Glasplättchen stark gedrückt;

viele der Zellen barsten und breiige Substanz von purpurner Farbe,

mit Körnchen von allen Gröszen und Formen, trat heraus, aber kaum

eine der Zellen wurde vollständig geleert. Ich fügte dann einen

äuszerst kleinen Tropfen einer Lösung von einem Theil kohlensaurem

Ammoniak in 109 Theilen Wasser hinzu, und untersuchte nach einer

Stunde die Präparate. Hie und da waren einige Zellen sowohl in den

Drüsen, als auch in den Stielen dem Bersten entgangen, und ihr Inhalt war ordentlich in Kugeln zusammengeballt, welche beständig ihre

Form und Stellung veränderten; auch konnte noch immer ein Strom

gesehen werden, der den Wänden entlang flosz; das Protoplasma war

daher noch lebendig. Andrerseits zeigte aber die ausgetretene Substanz, welche jetzt beinahe farblos anstatt purpurn war, nicht eine

Spur von Zusammenballung. Ebenso wenig war davon eine Spur in

den vielen Zellen zu sehen, welche geborsten, aber noch nicht völlig

ihres Inhalts entleert waren. Obgleich ich sorgfältig nachsah, war

kein Zeichen eines Stromes in diesen geborstnen Zellen zu sehen. Sie


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

waren augenscheinlich durch den Druck getödtet worden, und die Substanz, welche sie noch enthielten, machte ebenso wenig mehr die Zusammmenballung durch, wie die, welche ausgetreten war. In diesen

Präparaten war, wie ich hinzufügen will, die Individualität des Lebens

einer jeden Zelle schön illustrirt.

Eine vollständige Schilderung der Wirkungen der Hitze auf die

Blätter wird im nächsten Capitel gegeben werden; ich brauche hier

blosz anzuführen, dasz Blätter, welche eine kurze Zeit in Wasser von

einer Temperatur von 48,8° C. (120° F.) — welches, wie wir gesehen

haben, nicht sofort Zusammenballung hervorruft, — eingetaucht waren,

dann in wenige Tropfen einer starken Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniak in 109 Theile Wasser gelegt wurden; und nun trat

ordentliche Zusammenballung ein. Auf der andern Seite erlitten Blätter nach einem Eintauchen in Wasser von 65,5°C. (150° F.) keine Zusammenballung, als sie in dieselbe starke Lösung gelegt wurden; die

Zellen wurden mit einer bräunlichen breiigen oder schmierigen Substanz angefüllt. Bei Blättern, welche Temperaturen zwischen den

beiden Extremen von 48,8° und 65,5°C. (120° und 150° F.) ausgesetzt

wurden, fanden sich Abstufungen in der Vollständigkeit des Processes;

die erstere Temperatur verhinderte nicht die Zusammenballung als

Resultat der später erfolgenden Einwirkung des kohlensauren Ammoniak, und die letztere hob sie ganz auf. So bildeten in bis auf

54,4° C. (130° F.) erwärmtes Wasser und dann in die Lösung eingetauchte Blätter vollkommen umschriebene Kugeln, aber diese waren

entschieden kleiner als in gewöhnlichen Fällen. Bei andern auf 60° C.

(140° F.) erhitzten Blättern waren die Kugeln auszerordentlich klein,

doch gut umschrieben, aber viele derselben enthielten auszerdem etwas

bräunliche breiige Substanz. In zwei Fällen, wo Blätter auf 62,7° C.

(145° F.) erhitzt wurden, konnten einige Tentakeln gefunden werden,

an denen einige Zellen einige wenige kleine Kugeln enthielten, während die andern Zellen und andere ganze Tentakeln nur die bräunliche

zerfallne oder breiige Substanz enthielten.

Die Flüssigkeit in den Zellen musz in einem sauerstoffreichen

Zustand sein, damit die Kraft oder der Einflusz, welcher Zusammenballung hervorbringt, in gehöriger Geschwindigkeit von Zelle zu Zelle

weiter geschickt werden kann. Eine Pflanze war, mit ihren Wurzeln

im Wasser, 45 Minuten in einem Gefäsz, welches 122 Unzen Kohlensäure enthielt, gelassen worden. Ein Blatt dieser Pflanze und zum

4*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

Vergleich eins von einer frischen Pflanze wurden beide eine Stunde

lang in eine ziemlich starke Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetaucht. Sie wurden dann verglichen; und sicher war viel weniger

Zusammenballung in dem Blatte vorhanden, welches der Kohlensäure

ausgesetzt gewesen war, als in dem andern. Eine andere Pflanze wurde

in demselben Gefäsz zwei Stunden lang ausgesetzt, und eins ihrer

Blätter wurde dann in eine Lösung von einem Theil des kohlensauren

Salzes in 137 Theilen Wasser gelegt; die Drüsen wurden augenblicklich schwarz, woraus sich ergab, dasz sie aufgesaugt hatten und dasz

ihr Inhalt zusammengeballt war; aber in den Zellen, dicht unter den

Drüsen, war selbst nach Verlauf von 3 Stunden keine Zusammenballung

eingetreten. Nach 4 Stunden 15 Minuten hatten sich einige wenige,

äuszerst kleine Kugeln von Protoplasma in diesen Zellen gebildet,

aber selbst nach 5 Stunden 30 Minuten erstreckte sich die Zusammenballung nicht eine Drüsen-Länge die Stiele hinunter. Nach zahllosen

Versuchen mit frischen Blättern, welche in eine Lösung dieser Stärke

getaucht wurden, habe ich niemals die bewirkte Zusammenballung in

auch nur annähernd so langsamem Tempo weitergehen sehen. Eine

andere Pflanze wurde 2 Stunden in Kohlensäure gelassen, wurde aber

dann 20 Minuten der frischen Luft ausgesetzt, während welcher Zeit

die Blätter, welche von rother Farbe waren, etwas Sauerstoff aufgesaugt haben dürften. Eins derselben, sowie zum Vergleich ein frisches

Blatt wurden nun in dieselbe Lösung gethan, wie vorher. Das erstere

wurde wiederholt angesehen, und nach Verlauf von 65 Minuten wurden

ein paar Kugeln von Protoplasma zuerst in den Zellen dicht unter

den Drüsen aber nur in zwei oder drei der längeren Tentakeln bemerkt.

Nach 3 Stunden war die Zusammenballung die Stiele von einigen

wenigen Tentakeln eine Drüsen-Länge hinabgegangen. Auf der andern

Seite war in dem gleich behandelten frischen Blatt die Zusammenballung in vielen der Tentakeln nach 15 Minuten deutlich; nach

65 Minuten hatte sich dieselbe vier, fünf oder noch mehrmals die

Länge der Drüsen an den Stielen hinab erstreckt; und nach 3 Stunden

waren die Zellen aller Tentakeln ein Drittel oder die Hälfte ihrer

ganzen Länge afficirt. Es kann demnach nun kein Zweifel mehr sein,

dasz die Thatsache, dasz Blätter der Kohlensäure ausgesetzt werden,

entweder für eine Zeit lang den Procesz der Zusammenballung aufhält, oder die Weiterleitung des gehörigen Einflusses, wenn die Drüsen

später durch kohlensaures Ammoniak gereizt werden, hindert; und


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

diese Substanz wirkt schneller und energischer als irgend eine andere.

Es ist bekannt, dasz das Protoplasma der Pflanzen seine spontanen

Bewegungen nur so lange zeigt, als es sich in einem sauerstoffreichen

Zustande befindet; dasselbe ist auch mit den weiszen Blutkörperchen

der Fall, sie bewegen sich nur, so lange sie Sauerstoff von den rothen

Blutkörperchen empfangen 3; aber die oben angeführten Fälle sind etwas

verschieden hiervon, da sie mit dem Aufschub der Erzeugung oder Zusammenballung der Massen von Protoplasma durch die Ausschlieszung

von Sauerstoff in Beziehung stehen.

Zusammenfassung und Schluszbemerkungen. — Der

Procesz der Zusammenballung ist von der Einbiegung der Tentakeln

und von der verstärkten Absonderung der Drüsen unabhängig. Er

fängt innerhalb der Drüsen an, gleichviel ob diese direct oder indirect

durch einen von andern Drüsen erhaltenen Reiz gereizt sind. In beiden Fällen wird der Procesz von Zelle an Zelle die ganze Länge der

Tentakeln hinab fortgeleitet, und eine kurze Zeit an jeder queren

Scheidewand aufgehalten. Bei blasz gefärbten Blättern ist die erste,

aber nur bei starker Vergröszerung bemerkbare Veränderung das Auftreten der feinsten Körnchen in der Flüssigkeit innerhalb der Zellen,

welche diese leicht wolkig machen. Diese Körnchen ballen sich bald

zu kleinen kugligen Massen zusammen. Ich habe eine Wolke dieser

Art in 10 Secunden auftreten sehen, nachdem ein Tropfen einer Lösung

von kohlensaurem Ammoniak der Drüse gegeben worden war. Bei

dunkelrothen Blättern ist die erste sichtbare Veränderung häufig die

Verwandlung der äuszeren Schicht der Flüssigkeit innerhalb der Zellen

in sackartige Massen. Die zusammengeballten Massen verändern, wie

sie sich auch entwickelt haben mögen, fortwährend ihre Form und

Stellung. Sie sind nicht mit Flüssigkeit erfüllt, sondern solid bis in

die Mitte. Endlich verschmelzen die farblosen Körner in dem Portoplasma, welches rings an den Wänden flieszt, mit den mittleren Kugeln oder Massen; aber es ist noch immer ein Strom von klarer

Flüssigkeit in den Zellen vorhanden. Sobald die Tentakeln sich vollkommen wieder ausgestreckt haben, werden die zusammengeballten

Massen wieder aufgelöst und die Zellen füllen sich mit einer homogenen Flüssigkeit, wie sie zuerst waren. Der Procesz der Wiederauf

3 In Bezug auf Pflanzen s. Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1874,

p. 692. Ueber Blutkörperchen s. Quarterly Journal of Microscopical Science, April,

1874, p. 185.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

lösung fängt in den Basen der Tentakeln an, und schreitet dann aufwärts zu den Drüsen fort, daher in entgegengesetzter Richtung zu der

der Zusammenballuug.

Zusammenballung wird durch die allerverschiedensten Ursachen

erregt: — dadurch, dasz die Drüsen mehrere Male berührt werden, —

durch den Druck von Stückchen irgend welcher Art, und da diese von

der dichten Absonderung getragen werden, können sie kaum mit dem

Gewicht eines Milliontel Gran auf die Drüsen drücken 4, — dadurch,

dasz die Tentakeln dicht unter den Drüsen abgeschnitten werden, —

dasz die Drüsen verschiedene Flüssigkeiten oder Substanzen aus gewissen Körpern aufgelöst aufsaugen, — durch Exosmose — und durch

einen gewissen Grad von Wärme. Auf der andern Seite erregt eine

Temperatur von ungefähr 65,5° C. (150° F.) keine Zusammenballung,

noch bewirkt dies das plötzliche Zerdrücken einer Drüse. Wenn eine

Zelle geborsten ist, erleidet weder die ausgetretene Substanz, noch die,

welche noch in den Zellen bleibt, eine Zusammenballung, wenn kohlensaures Ammoniak hinzugefügt wird. Eine sehr starke Lösung dieses

Salzes und ziemlich grosze Stückchen rohen Fleisches verhindern, dasz

die zusammengeballten Massen sich ordentlich entwickeln. Aus diesen

Thatsachen können wir entnehmen, dasz die protoplasmatische Flüssigkeit in den Zellen nicht zusammengeballt wird, wenn sie nicht in

einem lebendigen Zustande sich befindet, und nur unvollkommen, wenn

die Zelle verletzt worden ist. Wir haben auch gesehen, dasz die

Flüssigkeit in einem sauerstoffreichen Zustand sein musz, wenn der

Procesz der Zusammenballung von Zelle zu Zelle in dem richtigen

Tempo fortschreiten soll.

Verschiedene stickstoffhaltige Flüssigkeiten und Salze von Ammoniak bringen Zusammenballung hervor, aber in verschiedenen Graden

und in verschiedener Geschwindigkeit. Kohlensaures Ammoniak ist

die kräftigste von allen bekannten Substanzen; die Aufsaugung von

  eines Gran (0,000482 Milligr.) durch eine Drüse genügt, in

allen Zellen desselben Tentakels eine Zusammenballung zu verursachen.

4 Nach Hofmeister (citirt von Sachs, Lehrbuch der Botanik, französ.

Uebers. 1874, p. 958) hemmt sehr leichter Druck die Bewegungen des Protoplasma

und veranlaszt sogar seine Lösung von den Zellwänden. Der Procesz der Zusammenballung ist aber eine verschiedene Erscheinung, da er sich auf den Zelleninhalt und nur in secundärer Weise auf die Protoplasmaschicht bezieht, welche den

Wänden entlang flieszt, obschon ohne Zweifel die Wirkungen eines Druckes oder

einer Berührung durch diese Schicht übermittelt werden musz.


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

Die erste Wirkung des kohlensauren und einiger anderer Salze des

Ammoniak, ebenso wie einiger anderer Flüssigkeiten besteht in dem

Dunkel- oder Schwarzwerden der Drüsen. Dies erfolgt selbst nach

langem Eintauchen in kaltes destillirtes Wasser. Es hängt augenscheinlich hauptsächlich von der starken Zusammenballung des Zelleninhalts ab, welcher hierdurch undurchsichtig wird und das Licht nicht

reflectirt. Einige andere Flüssigkeiten machen die Drüsen heller roth,

während gewisse, wenn auch sehr verdünnte Säuren das Gift der CobraSchlange u. s. w. die Drüsen vollkommen weisz und undurchsichtig

machen; und dies scheint von dem Gerinnen ihres Inhalts ohne irgend

eine Zusammenballung abzuhängen. Ehe sie in dieser Weise afficirt

werden, sind sie demohngeachtet fähig, wenigstens in einigen Fällen,

in ihren eigenen Tentakeln Zusammenballung zu erregen.

Dasz die centralen Drüsen, wenn sie gereizt werden, centrifugal

einen gewissen Einflusz den äuszeren Drüsen zusenden, welcher diese

veranlaszt, einen centripetalen, Zusammenballung verursachenden Reiz

zurück zu senden, ist vielleicht die interessanteste Thatsache, die in

diesem Capitel angeführt worden ist. Aber der ganze Procesz der Zusammenballung ist an und für sich selbst schon eine auffallende Erscheinung. Wenn das peripherische Ende eines Nerven berührt oder gedrückt und eine Empfindung gefühlt wird, so nimmt man an, dasz

eine unsichtbare moleculäre Veränderung von einem Ende des Nerven

zum andern übermittelt wird; wenn aber eine Drüse der Drosera

wiederholt berührt wird, so können wir wirklich sehen, wie eine moleculäre Veränderung von der Drüse aus die Tentakeln hinunter geht,

wenngleich diese Veränderung wahrscheinlich von einer sehr verschiedenen Natur von der in einem Nerven vor sich gehenden ist. Da endlich so viele und so sehr verschiedene Ursachen Zusammenballung erregen, so scheint daraus hervorzugehen, dasz die lebendige Substanz

in den Drüsenzellen in einem so unsteten Zustande sich befindet, dasz

beinahe jede Störung genügt, ihre moleculäre Natur zu verändern, wie

es mit gewissen chemischen Verbindungen der Fall ist. Und diese Veränderung in den Drüsen, mögen diese direct oder durch einen von andern

Drüsen empfangenen Reiz erregt worden sein, wird von Zelle zu Zelle

weiter geführt und verursacht, dasz Körnchen von Protoplasma entweder wirklich in der vorher klaren Flüssigkeit erzeugt werden oder

verschmelzen und so sichtbar werden.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 3.

Supplementäre Beobachtungen über den Procesz der Zusammenballung in den

Wurzeln der Pflanzen.

Wir werden später sehen, dasz eine schwache Lösung von kohlensaurem Ammoniak Zusammenballung in den Zellen der Wurzeln der Drosera hervorruft; und dies führte mich dazu, einige Versuche an den Wurzeln andrer Pflanzen zu machen. Ich grub in den letzten Tagen des

Oktober das erste Unkraut, das mir in den Weg kam, aus, nämlich

Euphorbia peplus, wobei ich mich in Acht nahm, die Wurzeln nicht zu

verletzen; diese wurden gewaschen und in ein wenig Lösung von einem

Theil kohlensaurem Ammoniak in 146 Theilen Wasser gestellt. In weniger als 1 Minute sah ich eine Wolke von Zelle zu Zelle mit wunderbarer Schnelligkeit die Wurzeln hinauf gehen. Nach 8 bis 9 Minuten

wurden die feinen Körner, welche dieses wolkige Aussehen verursachten,

nach den Endspitzen der Wurzeln zu in viereckige Massen von brauner

Substanz zusammengeballt, und einige derselben veränderten bald ihre

Form und wurden kuglig. Einige der Zellen blieben indessen unberührt.

Ich wiederholte dieses Experiment mit einer andern Pflanze derselben

Species, aber ehe ich das Exemplar in den Focus unter dem Mikroskop

bekommen konnte, hatten sich Wolken von Körnchen und viereckige

Massen von röthlicher und brauner Substanz gebildet und hatten sich an

den Wurzeln weit hinauf verbreitet. Eine frische Wurzel wurde nun 18

Stunden lang in einer Drachme einer Lösung von einem Theil des kohlensauren Salzes in 437 Theilen Wasser gelassen, so dasz sie ⅛ Gran oder

2024 Milligr. erhielt. Als sie untersucht wurde, enthielten die Zellen

aller Wurzeln in ihrer ganzen Länge zusammengeballte Massen von röthlicher und brauner Substanz. Ehe ich diese Experimente machte, waren

mehrere Wurzeln genau untersucht worden und nicht eine Spur von einem

wolkigen Aussehen, oder von körnigen Massen, konnte in irgend einer

derselben gesehen werden. Es wurden ebenso Wurzeln 35 Minuten lang

in eine Lösung von einem Theil kohlensauren Kali in 218 Theilen Wasser

getaucht; aber dieses Salz brachte keine Wirkung hervor.

Ich will hier hinzufügen, dasz dünne Scheibchen des Stammes der

Euphorbia in dieselbe Lösung gethan wurden, und dasz die Zellen, welche

grün waren, augenblicklich wolkig wurden, während andere, welche vorher farblos waren, mit braunen Wolken bedeckt wurden, in Folge der

Bildung zahlloser Körnchen von dieser Färbung.

Ich habe ebenso bei verschiedenen Arten von Blättern, welche einige

Zeit in einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak gelassen worden waren, gesehen, dasz die Körner von Chlorophyll zusammenliefen und theilweise verschmolzen; und dies scheint auch eine Form der Zusammenballung zu sein.

Pflanzen der Wasserlinse (Lemna) wurden zwischen 30 und 45 Minuten in einer Lösung von einem Theil dieses selben Salzes in 146 Theilen Wasser gelassen; dann wurden drei oder vier ihrer Wurzeln untersucht. In zwei derselben umschlossen die Zellen, welche vorher nur klare

Flüssigkeit enthalten hatten, jetzt kleine grüne Kugeln. Nach 1½ bis

2 Stunden erschienen ähnliche Kugeln in den Zellen an den Rändern der

Blätter, aber ob das Ammoniak die Wurzeln hinauf gegangen, oder direct


 

[page break] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.

von den Blättern aufgesaugt worden war, kann ich nicht sagen. Da eine

Art, Lemna arrhiza, keine Wurzeln hervorbringt, ist die letztere Alternative vielleicht die wahrscheinlichste. Nach ungefähr 2½ Stunden waren einige der kleinen grünen Kugeln in den Wurzeln in kleine Körner

zerbrochen, welche Brown'sche Bewegung zeigten. Einige Wasserlinsen

wurden auch 1 Stunde 30 Minuten lang in einer Lösung von einem Theil

kohlensaurem Kali in 218 Theilen Wasser gelassen; hier konnte aber keine

bestimmte Veränderung in den Zellen der Wurzeln bemerkt werden; als

indesz dieselben Wurzeln 25 Minuten lang in einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak derselben Stärke gelegt worden waren, bildeten sich

kleine grüne Kugeln.

Eine grüne See-Alge wurde einige Zeit in dieser selben Lösung gelassen; sie war aber nur in sehr zweifelhafter Art afficirt. Auf der andern Seite zeigte eine rothe See-Alge mit gefiederten Blättern eine starke

Einwirkung. Der Inhalt der Zellen ballte sich zu gebrochenen Ringen

zusammen, die noch von rother Färbung waren und sehr langsam und

unbedeutend ihre Form veränderten; die mittleren Räume in diesen Ringen

wurden wolkig von rother körniger Substanz. Die hier mitgetheilten Thatsachen (ob sie neu sind, weisz ich nicht) deuten an, dasz vielleicht interessante Resultate durch Beobachtung der Wirkung verschiedener salziger Lösungen und andrer Flüssigkeiten auf die Wurzeln der Pflanzen

gewonnen werden können.


 

[page break]  Viertes Capitel.

Die Wirkung der Wärme auf die Blätter.

Art der Versuche. — Wirkungen kochenden Wassers. — Warmes Wasser verursacht rapide Einbiegung. — Wasser auf höherer Temperatur verursacht nicht

sofortige Einbiegung, tödtet aber die Blätter nicht, wie ihr späteres Wiederausbreiten und das Zusammenballen des Protoplasma zeigt. — Eine noch

höhere Temperatur tödtet die Blätter und coagulirt den eiweiszhaltigen Inhalt

der Drüsen.

Bei meinen Beobachtungen über Drosera rotundifolia schienen

die Blätter während sehr warmen Wetters schneller über thierische

Substanzen eingebogen zu werden und längere Zeit eingebogen zu bleiben, als während kalten Wetters. Ich wünschte daher festzustellen,

ob Wärme allein eine Einbiegung veranlassen würde, und welche

Temperatur die wirksamste wäre. Es bot sich noch ein anderer interessanter Punkt dar, die Frage nämlich: bei welchem Hitzegrade

das Leben vernichtet würde, denn Drosera bietet in dieser Beziehung

ungewöhnliche Leichtigkeit der Beobachtung dar, und zwar nicht wegen

des Verlustes des Vermögens sich einzubiegen, sondern wegen des der

späteren Wiederausbreitung und ganz besonders in dem Ausbleiben

des Zusammenballens des Protoplasma, wenn die Blätter, nachdem sie

erwärmt waren, in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetaucht werden 1.

1 Als meine Experimente über die Wirkungen der Wärme angestellt wurden,

wuszte ich nicht, dasz der Gegenstand von mehreren Beobachtern sorgfältig untersucht worden war. So ist z. B. Sachs überzeugt (Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl.,

1874. p. 698, 701), dasz die allerverschiedensten Pflanzen sämmtlich umkommen,

wenn sie 10 Minuten lang in Wasser von 45° bis 46°C. gehalten werden; und er

gelangt zu dem Schlusse, dasz das Protoplasma in ihren Zellen, im feuchten Zustande, bei einer Temperatur von zwischen 50° und 60°C. coagulirt. Max Schulze

und Kühne "fanden (citirt von Dr. Bastian in "Contemporary Review, 1874,

p. 528‟), dasz das Protoplasma der Pflanzenzellen, mit dem sie experimentirten,

stets getödtet und verändert wurde, wenn es auf kurze Zeit einer Temperatur von

48°C. als Maximum ausgesetzt wurde‟. Da meine Resultate aus speciellen Er

[page break] Cap. 4. Versuche über die Wirkung der Wärme.

Meine Versuche wurden in der folgenden Art und Weise angestellt:

Es wurden Blätter abgeschnitten, was nicht im Allergeringsten ihre verschiedenen Fähigkeiten beeinträchtigt, so wurden z. B. drei abgeschnittene

Blätter, mit Stückchen Fleisch auf sie gelegt, in einer feuchten Atmosphäre gehalten, und nach 23 Stunden umfaszten sie das Fleisch dicht

sowohl mit ihren Tentakeln als mit den Blatträndern; auch hatte sich

das Protoplasma in ihren Zellen ganz gut zusammengeballt. Drei Unzen

zweimal destillirten Wassers wurden in einem Porzellangefäsz erhitzt und

ein empfindlicher Thermometer mit einem gestreckten Quecksilberbulbus

schräg darin aufgehängt. Das Wasser wurde allmählich durch eine unter

dem Gefäsze hin und her bewegte Spiritusflamme auf die erforderliche

Temperatur gebracht; und in allen Fällen wurden die Blätter einige Minuten lang beständig in dichter Nähe des Bulbus hin und her bewegt.

Dann wurden sie in kaltes Wasser oder in eine Lösung von kohlensaurem

Ammoniak gethan. In andern Fällen wurden sie in dem Wasser, welches

bis auf eine gewisse Temperatur erwärmt worden war, gelassen, bis es

kalt geworden war. In andern Fällen wiederum wurden die Blätter

plötzlich in Wasser von einer bestimmten Temperatur eingetaucht und

dort eine genau angegebene Zeit gelassen. Wenn man bedenkt, dass die

Tentakeln äuszerst zart sind, und dasz ihre Membranen sehr dünn sind,

so scheint es kaum möglich zu sein, dasz der flüssige Inhalt ihrer Zellen

nicht bis auf eine um einen oder zwei Grad niedrigere Temperatur als

die des umgebenden Wassers erhitzt worden sein sollte. Jede weiteren

Vorsichtsmaszregeln würden, wie ich glaube, überflüssig gewesen sein, da

die Blätter in Folge des Alters oder constitutioneller Ursachen unbedeutend in ihrer Empfindlichkeit gegen Wärme von einander verschieden sind.

Es wird zweckmäszig sein, zuerst kurz die Wirkungen eines dreiszig

Stunden langen Eintauchens in kochendes Wasser zu beschreiben. Die

Ränder werden dadurch welk gemacht, die Tentakeln werden rückwärts

gebogen, was, wie wir in einem spätem Capitel sehen werden, wahrscheinlich eine Folge davon ist, dasz ihre äuszern Flächen ihre Elasticität

längere Zeit behalten, als ihre innern Flächen das Contractionsvermögen

bewahren. Die purpurne Flüssigkeit innerhalb der Zellen der Stiele wird

fein granulirt, es tritt aber keine echte Zusammenballung ein; auch erfolgt eine solche nicht, wenn die Blätter später in eine Lösung von

kohlensaurem Ammoniak gethan werden. Die merkwürdigste Veränderung

ist aber die, dasz die Drüsen undurchsichtig und gleichförmig weisz werden; dies dürfte der Gerinnung ihres albuminösen Inhaltes zuzuschreiben sein.

1

1 scheinungen abgeleitet sind, nämlich der späteren Zusammenballung des Protoplasma

und dem Wiederausstrecken der Tentakeln, so scheint es der Mühe werth zu sein,

sie mitzutheilen. Wir werden finden, dasz Drosera der Hitze etwas besser widersteht, als die meisten andern Pflanzen. Dasz sich in dieser Hinsicht beträchtliche

Verschiedenheiten zeigen, ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dasz einige

niedrige vegetabilische Organismen in heiszen Quellen wachsen, — wofür von

Prof. Wyman Beispiele gesammelt worden sind (American Journal of Science.

Vol. XLIV. 1867). So faud z. B. Dr. Hooker Conferven in Wasser von 168° F.,

Humboldt bei 185° F., und Descloizeaux bei 208° F. (57,78°, 67,22° und 80°C.)


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 4.

Mein erstes und vorläufiges Experiment bestand darin, dasz ich 7

Blätter in ein und dasselbe Gefäsz mit Wasser that und dies langsam

bis auf eine Temperatur von 43,3°C. (110° F.) erwärmte; ein Blatt wurde

herausgenommen, sobald die Temperatur auf 26,6°C. (80° F.) gestiegen

war, ein anderes bei 29,4°C. (85°F.), ein anderes bei 32,2°C. (90°F.) und

so fort. Jedes Blatt wurde, nachdem es herausgenommen war, in Wasser

von der Temperatur meines Zimmers gethan, und bald wurden die Tentakeln bei allen unbedeutend, wenn auch unregelmäszig eingebogen. Sie

wurden nun aus dem kalten Wasser entfernt und in feuchter Luft gehalten, während Stückchen Fleisch auf ihre Scheiben gebracht worden waren.

Das Blatt, welches der Temperatur von 43,3°C. (110° F.) ausgesetzt worden war, wurde in 15 Minuten stark eingebogen, und in 2 Stunden umfaszte jeder einzelne Tentakel dicht das Fleisch. Dasselbe trat, wenn

gleich nach etwas längerem Intervallen, mit den andern sechs Blättern

ein. Es geht daher hieraus augenscheinlich hervor, dasz das warme Bad

ihre Empfindlichkeit bei einer Reizung mit Fleisch erhöht hatte.

Ich beobachtete nun zunächst den Grad der Einbiegung, welche

Blätter innerhalb bestimmter Zeiten erlitten, während sie immer noch in

warmes Wasser eingetaucht blieben, welches so nahe als möglich auf derselben Temperatur gehalten wurde; ich will aber hier wie in andern Fällen

nur einige wenige der von mir angestellten Versuche anführen. Ein Blatt

wurde 10 Minuten lang in Wasser von 37,7°C. (100° F.) gelassen, es

trat aber keine Einbiegung ein. Bei einem zweiten, in derselben Weise

behandelten Blatte wurden indessen einige wenige seiner äuszeren Tentakeln in 6 Minuten sehr unbedeutend eingebogen, und in 10 Minuten

trat bei mehreren eine unregelmäszige aber nicht starke Einbiegung ein.

Ein drittes in Wasser von 40,5°—41,1°C. (105°—106° F.) gehaltenes Blatt

wurde in 6 Minuten sehr mäszig eingebogen. Ein weiteres in Wasser

von 43,3°C. (110° F.) gelassenes Blatt war in 4 Minuten etwas, und in

Zeit von 6 zu 7 Minuten beträchtlich eingebogen.

Drei Blätter wurden in Wasser gelegt, welches ziemlich schnell erhitzt wurde; zu der Zeit nun, wo die Temperatur auf 46,1° bis 46,6°C.

(115°—116° F.) gestiegen war, waren alle drei eingebogen. Ich entfernte dann die Lampe und in wenig Minuten war jeder einzelne Tentakel

dicht eingebogen. Das Protoplasma innerhalb der Zellen war nicht getödtet, denn es war in deutlicher Bewegung zu sehen; auch breiteten sich

die Blätter wieder aus, nachdem sie 20 Stunden lang in kaltem Wasser

gelassen worden waren. Ein anderes Blatt wurde in Wasser von 37,7°C.

(100° F.) getaucht, welches auf 48,8°C. (120° F.) erhitzt wurde; sämmtliche Tentakeln, mit Ausnahme der äuszersten randständigen, wurden bald

dicht eingebogen. Das Blatt wurde nun in kaltes Wasser gelegt und in

7 Stunden 30 Minuten war es zum Theil und in 10 Stunden vollständig

wieder ausgebreitet. Am folgenden Morgen wurde es in eine schwache

Lösung von kohlensaurem Ammoniak gethan, worauf die Drüsen schnell

schwarz wurden mit stark ausgesprochener Aggregation in den Tentakeln,

wodurch gezeigt wurde, dasz das Protoplasma lebendig war und die Drüsen ihr Absorptionsvermögen nicht verloren hatten. Ein anderes Blatt

wurde in Wasser von 43,3°C. (110° F.) gethan, welches auf 48,8°C.

(120° F.) erhitzt wurde; alle Tentakeln, mit Ausnahme eines einzigen,


 

[page break] Cap. 4. Versuche über die Wirkung der Wärme.

wurden schnell und dicht eingebogen. Dies Blatt wurde nun in einige

wenige Tropfen einer starken Lösung von kohlensaurem Ammoniak (ein

Theil auf 109 Theile Wasser) gethan; in 10 Minuten wurden sämmtliche

Drüsen intensiv schwarz und in 2 Stunden war das Protoplasma in den

Stielzellen ordentlich zusammengeballt. Ein anderes Blatt wurde plötzlich

in Wasser von 48,8°C. (120° F.) getaucht und wie gewöhnlich umhergeschwenkt; in einer Zeit von 2 bis 3 Minuten waren die Tentakeln eingebogen, aber nur so weit, dasz sie zur Blattscheibe im rechten Winkel

standen. Das Blatt wurde nun in dieselbe Lösung gebracht (d. h. ein

Theil kohlensaures Ammoniak auf 109 Theile Wasser oder 4 Gran auf

1 Unze, was ich künftig immer als starke Lösung bezeichnen will), und

als ich nach Verlauf von 1 Stunde wieder nach ihm sah, waren die Drüsen geschwärzt und das Zusammenballen war scharf ausgesprochen. Nach

Verlauf von noch weiteren 4 Stunden waren die Tentakeln viel bedeutender eingebogen. Es verdient Beachtung, dasz eine Lösung, welche so

stark ist wie diese, in gewöhnlichen Fällen niemals Einbiegung verursacht. Endlich wurde ein Blatt plötzlich in Wasser von 51,6°C. (125°F.)

gethan und darin gelassen, bis das Wasser abgekühlt war; die Tentakeln

wurden dadurch hellroth und wurden bald eingebogen. Der Inhalt der

Zellen unterlag in einem gewissen Grade einem Zusammenballen, welches

im Verlauf von 3 Stunden noch zunahm; aber die Massen von Protoplasma wurden nicht sphärisch, wie es beinahe immer vorkommt, wenn

Blätter in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak getaucht werden.

Wir ersehen aus diesen Fällen, dasz eine Temperatur von 48,8°

zu 51,6°C. (120°—125° F.) die Tentakeln zu schneller Bewegung anreizt, aber die Blätter nicht tödtet, wie sich entweder durch ihr später wieder eintretendes Ausbreiten oder durch die Zusammenballung

des Protoplasma zeigt. Wir werden nun sehen, dasz eine Temperatur

von 54,4°C. (130° F.) zu hoch ist, um eine sofortige Einbiegung zu

verursachen, aber doch die Blätter nicht tödtet.

1. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 54,4°C. (130° F.)

getaucht und wie in sämmtlichen Fällen einige Minuten lang umhergeschwenkt; es fand sich aber keine Spur einer Einbiegung; dann wurde

es in kaltes Wasser gebracht, und nach Verlauf von 15 Minuten war an

einer kleinen Masse von Protoplasma in einer der Zellen eines Tentakels

eine sehr langsame Bewegung deutlich zu sehen 2. Nach wenig Stunden

wurden sämmtliche Tentakeln und die Blattränder eingebogen.

2. Versuch. — Ein anderes Blatt wurde in Wasser von 54,4° zu

55° C. (130°—131° F.) gethan; und, wie vorher, es trat keine Einbiegung

ein. Nachdem es 1 Stunde lang in kaltem Wasser gelassen worden war,

wurde es in die starke Lösung von Ammoniak gethan, und in Zeit von

2 Sachs gibt an (Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 700), dasz die Bewegungen des Protoplasma in den Haaren einer Cucurbita aufgehört hätten, nachdem sie eine Minute lang in Wasser einer Temperatur von 47° bis 48°C. (117° bis

119° F.) ausgesetzt worden wären.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 4

55 Minuten waren die Tentakeln beträchtlich eingebogen. Die Drüsen,

welche vorher heller roth gefärbt worden waren, waren nun schwarz geworden. Das Protoplasma in den Zellen der Tentakeln war deutlich zusammengeballt; aber die Kugeln waren viel kleiner als die gewöhnlich in

nicht erhitzten Blättern unter Einflusz des kohlensauren Ammoniaks erzeugten. Nach Verlauf von weiteren 2 Stunden waren sämmtliche Tentakeln, mit Ausnahme von sechs oder sieben, dicht eingebogen.

3. Versuch. — Ein ähnliches Experiment wie das letzte, mit genau denselben Resultaten.

4. Versuch. — Ein schönes Blatt wurde in Wasser von 37,7°C.

(100° F.) gebracht, welches dann auf 62,7°C. (154° F.) erwärmt wurde.

Bald nach dem Eintauchen trat, wie sich hätte erwarten lassen, eine

starke Einbiegung ein. Das Blatt wurde nun entfernt und in kaltes

Wasser gelegt; da es aber einer so hohen Temperatur ausgesetzt worden

war, breitete es sich niemals wieder aus.

5. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 54,4°C. (130° F.)

gelegt und dies auf 62,7°C. (145° F.) erwärmt; es trat keine sofortige

Einbiegung ein. Das Blatt wurde dann in kaltes Wasser gebracht, und

nach 1 Stunde 20 Minuten waren einige Tentakeln auf der einen Seite

eingebogen. Dies Blatt wurde nun in die starke Lösung gethan, und in

40 Minuten waren alle dem Rande nahe stehenden Tentakeln ordentlich

eingebogen und die Drüsen geschwärzt. Nach Verlauf von weiteren 2

Stunden 45 Minuten waren alle Tentakeln, mit Ausnahme von acht oder

zehn, dicht eingebogen, während ihre Zellen in einem geringen Grade ein

Zusammenballen des Protoplasma darboten; die Protoplasma-Kugeln waren aber sehr klein und die Zellen der äuszern Tentakeln enthielten etwas

pulpöse oder zersetzte bräunliche Substanz.

6. und 7. Versuch. — Zwei Blätter wurden in Wasser von 57,2°C.

(135° F.) gelegt, welches auf 62,7°C. (145° F.) erhitzt wurde; keines

wurde eingebogen. Eins derselben zeigte indessen, nachdem es 31 Minuten in kaltem Wasser liegen gelassen worden war, eine geringe Einbiegung, welche nach Verlauf von weiteren 1 Stunde 45 Minuten zunahm,

bis alle Tentakeln, ausgenommen sechzehn oder siebzehn, mehr oder weniger eingebogen waren; das Blatt war aber so bedeutend verletzt, dasz

es sich nicht wieder ausbreitete. Das andere Blatt wurde, nachdem es

eine halbe Stunde in kaltem Wasser gelassen worden war, in die starke

Lösung gebracht; es folgte aber keine Einbiegung. Die Drüsen wurden

indessen geschwärzt und in einigen Zellen trat ein geringes Zusammenballen ein, doch waren die Protoplasma-Kugeln äuszerst klein. In anderen Zellen, besonders an den äuszeren Tentakeln, fand sich viel grünlich-braune pulpöse Substanz.

8. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 60°C. (140° F.)

gebracht und wenige Minuten lang hin und her geschwenkt; dann wurde

es eine halbe Stunde in kaltem Wasser gelassen; es trat indessen keine

Einbiegung ein. Nun wurde es in die starke Lösung gethan, und nach

2 Stunden 30 Minuten waren die inneren, dem Rande nahe stehenden,

oder submarginalen, Tentakeln gehörig eingebogen, auch ihre Drüsen geschwärzt; in den Zellen der Stiele trat ein unvollkommenes Zusammenballen ein. Drei oder vier von den Drüsen waren mit denselben weiszen


 

[page break] Cap. 4. Versuche über die Wirkung der Wärme.

porzellanartigen Gebilden gefleckt, welche durch kochendes Wasser' hervorgebracht werden. Ich habe dies Resultat in keinem einzigen anderen

Falle bei einer so niedern Temperatur, 60°C., eintreten sehen, und nur

bei einem einzigen Blatte unter vieren nach ähnlichem Eintauchen in

Wasser von 62,7°C. (145° F.). Andrerseits wurden an zwei Blättern, von

denen das eine in Wasser von 62,7°C. (145° F.), das andere in Wasser

von 60°C. (140° F.) gelegt und bis zum Abkühlen des Wassers darin gelassen worden war, die Drüsen in beiden Fällen weisz und porzellanartig.

Es ist daher die Dauer des Eintauchens ein bedeutungsvolles Element für

das Resultat.

9. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 60°C. (140° F.)

gethan, was auf 65,5°C. (150° F.) erwärmt wurde; es trat keine Einbiegung ein; im Gegentheil bogen sich die äuszeren Tentakeln etwas rückwärts. Die Drüsen wurden wie Porzellan; einige von ihnen wurden aber

purpurn gefleckt. Die Basen der Drüsen wurden vielfach mehr afficirt,

als ihre Spitzen. Als das Blatt in der starken Lösung gelassen wurde,

trat keinerlei Einbiegung oder Zusammenballung ein.

10. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 65,5°C. (150° bis

150½° F.) gelegt; es wurde etwas welk, die äuszeren Tentakeln unbedeutend zurückgebogen, die inneren ein wenig nach innen gebogen, aber

nur nach ihrer Spitze zu; diese letztere Thatsache zeigt, dasz die Bewegung keine wahre Einbiegung war, da im normalen Zustande der basale

Theil allein sich biegt. Die Tentakeln waren wie gewöhnlich sehr hell

roth geworden, die Drüsen beinahe weisz wie Porzellan, doch etwas rosa

gefärbt. Nachdem das Blatt in die starke Lösung gelegt worden war,

wurde der Inhalt der Zellen der Tentakeln schmutzig braun ohne irgend

eine Spur von Zusammenballen.

11. Versuch. — Ein Blatt wurde in Wasser von 62,7°C. (145°F.)

gelegt, welches auf 68,8°C. (150° F.) erwärmt wurde. Die Tentakeln

wurden hell roth und etwas zurückgebogen, die Drüsen beinahe sämmtlich

wie Porzellan; diejenigen auf der Blattscheibe blieben etwas rosa, diejenigen in der Nähe des Randes wurden vollständig weisz. Nachdem das

Blatt erst wie gewöhnlich in kaltes Wasser gelegt und dann in die starke

Lösung gebracht worden war, wurden die Zellen in den Tentakeln schmutzig

grünlich braun, das Protoplasma nicht zusammengeballt. Nichtsdestoweniger entgiengen vier von den Drüsen der Verwandlung in den porzellanartigen Zustand, die Stiele dieser Drüsen wurden nach ihren oberen Enden hin spiral aufgekrümmt wie ein Waldhorn; dies kann indessen in

keiner Weise als ein Fall von echter Einbiegung betrachtet werden. Das

Protoplasma innerhalb der Zellen der gedachten Partie wurde in deutliche, wenn schon äuszerst minutiöse purpurne Kügelchen zusammengeballt.

Dieser Fall zeigt deutlich, dasz das Protoplasma, nachdem es einige wenige Minuten lang einer hohen Temperatur ausgesetzt worden ist, der

Zusammenballung fähig ist, wenn es später der Einwirkung des kohlensauren Ammoniaks ausgesetzt wird; vorausgesetzt, dasz die Hitze nicht

hoch genug gewesen ist, eine Gerinnung zu verursachen.

Schluszbemerkungen. — Da die haarähnlichen Tentakeln

äuszerst dünn sind und zarte Wandungen haben, da ferner die Blätter


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 4.

einige Minuten lang dicht am Bulbus des Thermometers hin und her

bewegt wurden, so scheint es kaum möglich, dasz sie nicht bis nahezu

auf die Temperatur erwärmt worden sein sollten, welche das Instrument angab. Aus den elf letzten Versuchen ersehen wir, dasz eine

Temperatur von 54,4° C. (130° F.) niemals die sofortige Einbiegung

der Tentakeln verursacht, obschon eine Temperatur von 48,8°—51,6°C.

(120°—125° F.) diese Wirkung schnell hervorbringt. Durch eine Temperatur von 54,4° C. (130° F.) werden die Blätter aber nur für eine Zeit

lang paralysirt, da sie später, mögen sie nun einfach in Wasser oder

in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak gethan werden, eingebogen werden, und auch ihr Protoplasma einem Zusammenballen unterliegt. Diese grosze Verschiedenheit in den Wirkungen einer höheren

und niedrigeren Temperatur dürfte mit der beim Eintauchen in starke

und schwache Lösungen von Ammoniaksalzen zu vergleichen sein;

denn die ersteren regen keine Bewegung an, während die letztern energisch wirken. Ein vorübergehendes Aufheben des Bewegungsvermögens

als Folge der Hitze wird von Sachs 3 Wärmestarre genannt; diese

wird bei der Sinnpflanze (Mimosa) dadurch herbeigeführt, dasz sie

wenig Minuten lang feuchter, auf 49°—50°C. (120°—122° F.) erwärmter Luft ausgesetzt wird. Es verdient Beachtung, dasz die Blätter

der Drosera nach einem Eintauchen in Wasser von 54,4°C. (130° F.)

durch eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak, welche so stark ist,

dasz sie gewöhnliche Blätter lähmen und keine Einbiegung verursachen

würde, zur Bewegung gereizt werden.

Werden die Blätter wenige Minuten lang selbst einer Temperatur

von 62,7° C. (145° F.) ausgesetzt, so werden sie nicht immer getödtet;

denn wenn sie nachher in kaltes Wasser oder in eine starke Lösung

von kohlensaurem Ammoniak gelegt werden, so werden sie meistens,

wenn schon nicht immer, eingebogen; auch erleidet das Protoplasma

innerhalb ihrer Zellen eine Zusammenballung, wenn auch die hierdurch gebildeten Kügelchen äuszerst klein und viele der Zellen zum

Theil mit bräunlicher schmutziger Masse gefüllt werden. In zwei

Fällen wurden die Blätter, wenn sie in Wasser von einer niedrigeren

Temperatur als 54,4°C. (130° F.) eingelegt wurden, welches Wasser

dann auf 62,7°C. (145° F.) weiter erwärmt wurde, während der

ersten Zeit ihrer Eintauchung eingebogen, waren aber später, als

3 Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 857.


 

[page break] Cap. 4. Versuche über die Wirkung der Wärme.

sie in kaltem Wasser liegen gelassen wurden, unfähig, sich wieder

auszubreiten. Werden die Blätter wenige Minuten einer Temperatur

von 62,7°C. (145° F.) ausgesetzt, so verursacht dies zuweilen an einigen der empfindlicheren Drüsen ein Geflecktwerden mit dem porzellanartigen Aussehen; und bei einer Gelegenheit kam dies bei einer Temperatur von 60° C. (140° F.) vor. Bei einer andern Gelegenheit wurde,

als ein Blatt in Wasser von dieser Temperatur von nur 60°C. (140° F.)

gelegt und darin liegen gelassen wurde, bis das Wasser abgekühlt

war, jede einzelne Drüse wie Porzellan. Werden Blätter wenige Minuten lang einer Temperatur von 65,5°C. (150°F.) ausgesetzt, so tritt

meist diese Wirkung ein, doch behalten viele Drüsen eine rosa Färbung

und viele bieten ein geflecktes Aussehen dar. Diese hohe Temperatur

verursacht niemals echte Einbiegung; im Gegentheil werden die Tentakeln gewöhnlich zurückgebogen, wenn schon in einem geringeren

Grade, als wenn sie in kochendes Wasser getaucht werden; und dies

ist augenscheinlich Folge ihrer passiven Elasticität. Waren die Blätter

einer Temperatur von 65,5°C. (150°F.) ausgesetzt, so wird das Protoplasma, wenn es nachher der Einwirkung des kohlensauren Ammoniaks

ausgesetzt wird, in zersetzte oder breiige entfärbte Masse verwandelt.

Kurz, die Blätter werden meistens durch diesen Wärmegrad getödtet;

aber in Folge von Verschiedenheiten in Alter oder Constitution variiren

sie etwas in dieser Beziehung. In einem anomalen Falle entgiengen

vier unter den vielen Drüsen eines Blattes, welches in, auf 68,8° C.

(156° F.) erhitztes Wasser eingetaucht worden war, der Verwandlung

in porzellanartige Masse 4; und das Protoplasma in den Zellen dicht

unter diesen Drüsen zeigte einen unbedeutenden und auch unvollkommenen Grad von Zusammenballung.

Endlich ist es eine merkwürdige Thatsache, dasz die Blätter von

Drosera rotundifolia, welche auf kalten Hochlandmooren durch ganz

Grosz-Britanien gedeiht und (nach Hooker) innerhalb des Polarkreises

existirt, im Stande sind, selbst für eine kurze Zeit einem Eintauchen

4 Da die Undurchsichtigkeit und das porzellanartige Aussehen der Drüsen

wahrscheinlich eine Folge der Gerinnung des Eiweiszes ist, so will ich noch nach

der Autorität der Dr. Burdon Sanderson hinzufügen, dasz Eiweisz ungefähr

bei 68,3°C. (155° F.) coagulirt, dasz aber bei Anwesenheit von Säuren der Grad

des Eintritts der Gerinnung niedriger liegt. Die Blätter der Drosera enthalten eine Säure und vielleicht dürfte eine Verschiedenheit in der Menge derselben die unbedeutenden Verschiedenheiten in den oben mitgetheilten Resultaten

erklären.

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 5

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 4.

in Wasser zu widerstehen, welches auf 62,7°C. (145° F.) erhöht worden war 5.

Es ist wohl noch der Bemerkung werth, dasz Eintauchen in kaltes

Wasser keine irgendwelche Einbiegung verursacht; ich brachte plötzlich vier Blätter, die |ich Pflanzen entnommen hatte, welche schon

mehrere Tage hindurch in einer hohen Temperatur, meistens ungefähr

bei 23,8° C. (75° F.) gehalten worden waren, in Wasser von 7,2° C.

(45° F.); sie wurden aber kaum irgendwie afficirt, und zwar nicht so

viel wie einige andere Blätter von den nämlichen Pflanzen, welche zu

derselben Zeit in Wasser von 23,8° C. (75° F.) eingetaucht wurden;

diese wurden nämlich in einem geringen Grade eingebogen.

5 Allem Anscheine nach sind kaltblütige Thiere, wie schon hätte erwartet

werden können, für eine Erhöhung der Temperatur viel empfindlicher, als es Drosera

ist. So höre ich von Dr. Burdon Sanderson, dasz ein Frosch schon in Wasser

von einer Temperatur von nur 29,4° C. (85° F.) beunruhigt zu werden anfängt.

Bei 35° C. (95° F.) werden die Muskeln rigid und das Thier stirbt in steifem

Zustande.


 

[page break]  Fünftes Capitel.

Die Wirkungen nicht-stickstoffhaltiger und stickstoffhaltiger

organischer Flüssigkeiten auf die Blätter.

Nicht-stickstoffhaltige Flüssigkeiten. — Lösungen von arabischem Gummi. — Zucker.

— Stärke. — Verdünnter Alkohol. — Oliven-Öl. — Aufgusz und Abkochung

von Thee. — Stickstoffhaltige Flüssigkeiten. — Milch. — Harn. — Flüssiges

Eiweisz. — Aufgusz von rohem Fleisch. — Unreiner Schleim. — Speichel. —

Lösung von Hausenblase. — Verschiedenheit in der Wirkung dieser beiden

Gruppen von Flüssigkeiten. — Abkochung von grünen Erbsen. — Abkochung

und Aufgusz von grünem Kohl. — Abkochung von Grasblättern.

Als ich im Jahre 1860 zuerst Drosera beobachtete und zu der

Ansicht geführt wurde, dasz die Blätter nährbare Substanz aus den

Insecten absorbirten, welche sie fiengen, schien es mir zweckmäszig zu

sein, mit ein paar gewöhnlichen Flüssigkeiten, welche stickstoffhaltige

Substanz enthielten und nicht enthielten, einige vorläufige Versuche

zu machen; die Resultate sind der Mittheilung werth.

In allen den folgenden Fällen wurde ein Tropfen von demselben

spitzen Instrumente auf die Mitte des Blattes fallen gelassen; durch

wiederholte Versuche wurde ermittelt, dasz einer dieser Tropfen sehr

nahebei ein halbes Minim oder   einer flüssigen Unze oder 0,0295 Mgr.

betrug. Doch beanspruchen diese Messungen offenbar durchaus keine

strenge Genauigkeit; überdies waren die Tropfen der klebrigen Flüssigkeiten deutlich gröszer als die Wassertropfen. Nur ein Blatt wurde

an einer und derselben Pflanze zum Versuch benutzt, und die Pflanzen

wurden an zwei verschiedenen Localitäten gesammelt. Die Versuche

wurden während der Monate August und September angestellt. Bei

Beurtheilung der Wirkungen ist eine Vorsicht nothwendig: wird ein

Tropfen irgend einer klebenden Flüssigkeit auf ein altes oder schwaches

Blatt gelegt, dessen Drüsen aufgehört haben, reichlich abzusondern,

5*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 5.

so trocknet der Tropfen zuweilen ein, besonders wenn die Pflanze in

einem Zimmer gehalten wird; dabei werden einige der centralen und

nahe nach dem Rande hin stehenden Tentakeln zusammengezogen, was

ihnen das trügerische Ansehen gibt, als wären sie eingebogen worden.

Dies kommt zuweilen mit Wasser vor, da es durch Vermischung mit

der klebrigen Flüssigkeit klebend geworden ist. Daher ist das einzige

sichere Kennzeichen —, und allein auf dies habe ich mich verlassen, —

das Einwärtsbiegen der äuszern Tentakeln, welche von der Flüssigkeit

nicht berührt worden sind, oder höchstens allein an ihrer Basis. In

diesem Falle ist die Bewegung allein eine Folge davon, dasz die centralen Drüsen von der Flüssigkeit gereizt worden sind und einen motorischen Einflusz den äuszeren Tentakeln übermittelt haben. Die Blattscheibe krümmt sich gleichfalls häufig nach innen, in derselben Weise

als wenn ein Insect oder ein Stückchen Fleisch auf die Scheibe gelegt

wird. Diese letztere Bewegung wird, so viel ich gesehen habe, niemals

durch das blosze Eintrocknen einer adhäsiven Flüssigkeit und die davon abhängige Zusammenziehung der Tentakeln verursacht.

Zuerst will ich die nicht-stickstoffhaltigen Flüssigkeiten anführen.

Als vorläufiger Versuch wurden Tropfen destillirten Wassers auf zwischen dreiszig und vierzig Blätter gebracht; und es trat keine irgendwelche Wirkung ein; trotzdem wurden aber in einigen anderen und

seltenen Fällen einige wenige Tentakeln für kurze Zeit eingebogen;

dies konnte aber auch dadurch verursacht worden sein, dasz die Drüsen

zufällig berührt wurden, als die Blätter in eine passende Stellung gebracht wurden. Dasz Wasser keine Wirkung hervorbringen würde,

hätte vorausgesehen werden können, da im andern Falle die Blätter

von jedem Regenschauer zu Bewegung gereizt worden wären.

Gummi. — Es wurden Lösungen von vier verschiedenen Stärkegraden gemacht: eine von sechs Gran auf die Unze Wasser (ein Theil

auf 73), eine zweite etwas stärker, doch immer noch sehr dünn, eine

dritte mäszig dick und eine vierte so dick, dasz sie gerade nur noch von

einem spitzigen Instrument abtropfen konnte. Diese wurden auf vierzehn

Blättern versucht, wobei die Tropfen von 24 bis zu 44 Stunden auf den

Blattscheiben gelassen wurden, meistens ungefähr 30 Stunden. Einbiegung wurde hierdurch niemals verursacht. Es ist nothwendig, reines

arabisches Gummi zum Versuch zu nehmen, denn einer meiner Freunde

kaufte eine fertig bereitete Lösung und diese verursachte eine Biegung

der Tentakeln; es wurde indessen später ermittelt, dasz dieselbe viel thierische Substanz, wahrscheinlich Leim, enthielt.

Zucker. — Tropfen von Lösungen weiszen Zuckers in drei verschie


 

[page break] Cap. 5. Wirkung stickstoffloser Substanzen.

denen Stärkegraden (deren schwächste einen Theil Zucker auf 73 Theile

Wasser enthielt) wurden auf vierzehn Blättern von 32 bis 48 Stunden

gelassen; es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht.

Stärke. — Eine Mischung, ungefähr so dick wie Sahne, wurde auf

sechs Blätter getropft und 20 Stunden auf denselben gelassen, ohne dasz

eine Wirkung hervorgebracht worden wäre. Diese Thatsache überrascht

mich, da ich glaube, dasz die Stärke im gewöhnlichen Handel meistens

eine Spur von Leim enthält, und diese stickstoffhaltige Substanz Einbiegung verursacht, wie wir im nächsten Capitel sehen werden.

Verdünnter Alkohol. — Ein Theil Alkohol wurde auf sieben

Theile Wasser zugesetzt und Tropfen hiervon wie gewöhnlich auf die

Scheibe von drei Blättern gebracht. Im Laufe von 48 Stunden erfolgte

keine Einbiegung. Um mich zu vergewissern, ob diese Blätter in keiner

Weise beschädigt worden seien, wurden Stückchen Fleisch auf sie gelegt,

und nach 24 Stunden waren dieselben dicht umfaszt. Ich brachte auch

Tropfen von Sherry-Wein auf die andern Blätter; sie verursachten keine

Einbiegung, doch schienen zwei Blätter etwas beschädigt zu sein. Wir

werden später noch sehen, dasz abgeschnittene Blätter, wenn sie in verdünnten Alkohol von der angegebenen Stärke gelegt werden, nicht eingebogen werden.

Oliven-Öl. — Es wurden Tropfen hiervon auf elf Blätter gebracht, und in einer Zeit von 24 bis 48 Stunden wurde keine Wirkung

hervorgebracht. Vier dieser Blätter wurden dann mit auf ihre Scheiben gebrachten Fleischstückchen probirt; drei derselben fand ich nach

24 Stunden mit ihren sämmtlichen Tentakeln und Rändern dicht eingebogen, während am vierten nur einige wenige Tentakeln eingebogen waren.

In einem spätern Capitel wird indessen gezeigt werden, dasz abgeschnittene

Blätter beim Eintauchen in Oliven-Öl stark afficirt werden.

Aufgusz und Abkochung von Thee. — Tropfen eines starken

Aufgusses und einer starken Abkochung wurden ebenso wie Tropfen einer

ziemlich schwachen Abkochung von Thee auf zehn Blätter gebracht; keines derselben wurde eingebogen. Ich prüfte später drei dieser Blätter

dadurch, dasz ich Fleischstückchen zu den Tropfen hinzuthat, die noch

immer auf den Blattscheiben liegen blieben; und als ich sie nach 24

Stunden untersuchte, waren sie dicht eingebogen. Der chemische Grundstoff des Thee's, das Thein, wurde später gleichfalls versucht und brachte

keine Wirkung hervor. Die eiweiszartige Substanz, welche die Theeblätter

ursprünglich besessen haben müssen, war ohne Zweifel dadurch unlöslich

gemacht worden, dasz die Blätter vollkommen getrocknet worden waren.

Wir sehen hieraus, dasz mit Ausschlusz der Experimente mit

Wasser ein und sechzig Blätter mit Tropfen der obengenannten nicht

stickstoffhaltigen Flüssigkeiten versucht wurden; die Tentakeln wurden nicht in einem einzigen Falle eingebogen.

Was die stickstoffhaltigen Flüssigkeiten betrifft, so wurden die ersten,

welche mir in die Hand kamen, versucht. Die Experimente wurden in

derselben Zeit und in genau derselben Art und Weise angestellt wie die


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 5.

vorhergehenden. Da es sich sofort offenbar herausstellte, dasz diese

Flüssigkeiten eine bedeutende Wirkung hervorbrachten, so vernachlässigte

ich es in den meisten Fällen zu notiren, wie bald die Tentakeln eingebogen wurden. Es trat dies aber immer in weniger als 24 Stunden ein,

während die Tropfen nicht-stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, welche keine

Wirkung hervorbrachten, in allen Fällen während einer beträchtlich längeren Zeit beobachtet wurden.

Milch. — Es wurden Tropfen auf sechzehn Blätter gebracht, und

die Tentakeln von sämmtlichen, ebensowohl wie die Blattränder bei mehreren wurden bald bedeutend eingebogen. Die Zeitverhältnisse wurden

nur in drei Fällen notirt, nämlich bei Blättern, auf welche ungewöhnlich

kleine Tropfen gebracht worden waren. Ihre Tentakeln wurden in 45

Minuten ein wenig eingebogen, und nach Verlauf von 7 Stunden 45 Minuten waren die Blattränder von zweien so stark nach innen gekrümmt,

dasz sie kleine, die Tropfen umfassende Schälchen bildeten. Diese Blätter

breiteten sich am dritten Tage wieder aus. Bei einer andern Gelegenheit

war die Scheibe eines Blattes in 5 Stunden, nachdem ein Tropfen Milch

auf dieselbe gebracht worden war, bedeutend eingebogen.

Menschlicher Harn. — Tropfen hiervon wurden auf zwölf Blätter gebracht, und die Tentakeln von allen, mit einer einzigen Ausnahme,

wurden bedeutend eingebogen. Wie ich vermuthe in Folge von Verschiedenheiten in der chemischen Beschaffenheit des Harns bei verschiedenen

Gelegenheiten schwankte die zum Hervorrufen der Bewegungen der Tentakeln erforderliche Zeit bedeutend; sie wurden aber immer in weniger

als 24 Stunden bewirkt. Bei zwei Fällen habe ich notirt, dasz die sämmtlichen äuszeren Tentakeln in 17 Stunden vollständig eingebogen waren,

nicht aber die Scheibe des Blattes. In einem andern Falle wurden die

Ränder eines Blattes nach 25 Stunden 30 Minuten so stark eingebogen,

dasz dasselbe in eine kleine Schale verwandelt worden war. Die Kraft

des Harns liegt nicht im Harnstoff, welcher, wie wir später noch sehen

werden, unwirksam ist.

Eiweisz (frisch aus einem Hühner-Ei). — Es wurde auf sieben

Blätter gebracht und verursachte bei sechs eine ordentliche Einbiegung

der Tentakeln. In einem Falle wurde der Blattrand selbst nach Verlauf

von 24 Stunden bedeutend eingerollt. Das eine Blatt, welches nicht afficirt wurde, blieb 26 Stunden lang so; dann wurde es mit einem Tropfen

Milch geprüft und dieser verursachte innerhalb 12 Stunden eine Einbiegung der Tentakeln.

Kalter filtrirtor Aufgusz von rohem Fleisch. — Dies wurde

nur bei einem einzigen Blatte versucht, bei welchem die meisten äuszern

Tentakeln und die Scheibe in 19 Stunden eingebogen wurden. Während

der folgenden Jahre benutzte ich wiederholt diesen Aufgusz, um Blätter

zu prüfen, an welchen mit andern Substanzen Experimente angestellt worden waren; es stellte sich heraus, dasz derselbe äuszerst energisch wirkte;

da aber keine genaue Schilderung dieser Versuche aufgesetzt wurde, werden sie hier nicht mit angeführt.

Schleim. — Dicker und dünner Schleim aus den Bronchialröhren,

auf drei Blätter gebracht, verursachten Einbiegung. Ein Blatt mit dünnem Schleim hatte seine randständigen Tentakeln und die Scheibe in 5


 

[page break] Cap. 5. Stickstoffhaltige Substanzen.

Stunden 30 Minuten ein wenig, und in 20 Stunden bedeutend einwärts

gebogen. Die Wirksamkeit dieser Flüssigkeit ist ohne Zweifel eine Folge

davon, dasz sich Speichel oder irgend eine eiweiszartige Substanz 1 ihr

zugemischt hat, und nicht dem Mucin oder dem chemischen Grundstoff

des Schleimes zuzuschreiben, wie wir in folgendem Capitel sehen werden.

Speichel. — Menschlicher Speichel hinterläszt, wenn er verdunstet

wird, von 1,14 zu 1,19 Procent Rückstand 2; dieser ergibt 0,25 Procent

Asche, so dasz das Verhältnis stickstoffhaltiger Substanz, welche der

Speichel enthält, sehr gering sein musz. Nichtsdestoweniger wirkten Speicheltropfen, welche auf die Scheibe von acht Blättern gethan wurden, auf

sämmtliche. In einem Falle wurden die sämmtlichen äuszern Tentakeln,

mit Ausnahme von neun, in 19 Stunden 30 Minuten eingebogen; in einem

andern Falle wurden einige wenige in 2 Stunden und nach Verlauf von

7 Stunden 30 Minuten alle diejenigen, welche der Mitte nahe standen,

wo der Tropfen lag, ebenso wie die Blattscheibe beeinfluszt. Seitdem ich

diese Versuche gemacht habe, habe ich hundertmal Drüsen mit dem mit

Speichel angefeuchteten Griff meines Scalpels eben berührt, um zu ermitteln, ob ein Blatt sich im activen Zustande befände: dies zeigte sich

nämlich im Verlaufe weniger Minuten durch das Einwärtsbiegen der Tentakeln. Das eszbare Nest der chinesischen Schwalbe ist aus einer von

den Speicheldrüsen abgesonderten Substanz gebildet; zwei Gran eines

solchen wurde einer Unze destillirten Wassers zugesetzt (ein Theil auf

218), welches mehrere Minuten lang gekocht wurde, aber doch nicht das

Ganze auflöste. Tropfen von der gewöhnlichen Grösze wurden auf drei

Blätter gebracht, und diese waren in 1 Stunde 30 Minuten ordentlich, in

2 Stunden 15 Minuten dicht eingebogen.

Hausenblase. — Tropfen einer Lösung, welche ungefähr so dick

wie Milch war, und einer noch dickeren Lösung wurden auf acht Blätter

gebracht; die Tentakeln aller wurden eingebogen. In einem Falle wurden die äuszern Tentakeln nach Verlauf von 6 Stunden 30 Minuten ordentlich einwärts gekrümmt und die Blattscheibe nach 24 Stunden in

theilweiser Ausdehnung. Da der Speichel so kräftig wirkt und doch ein

so geringes Verhältnis an stickstoffhaltiger Substanz enthält, so versuchte

ich, eine wie kleine Quantität von Hausenblase wirken würde. Ein Theil

wurde in 218 Theilen destillirten Wassers aufgelöst und Tropfen hiervon

auf vier Blätter gebracht. Nach 5 Stunden waren zwei derselben beträchtlich und zwei mäszig eingebogen; nach 22 Stunden waren die ersteren bedeutend und die letzteren noch viel mehr eingebogen. Im Verlauf von 48 Stunden von der Zeit an, wo die Tropfen auf die Blätter

gebracht worden waren, hatten sich alle vier beinahe wieder ausgebreitet.

Es wurden ihnen dann kleine Stücken Fleisch gegeben, und diese wirkten

kräftiger als jene Lösung. Dann wurde weiter ein Theil Hausenblase in

437 Theilen Wasser aufgelöst; die in dieser Weise bereitete Flüssigkeit

war so dünn, dasz sie nicht von reinem Wasser unterschieden werden

konnte. Tropfen von der gewöhnlichen Grösze wurden dann auf sieben

1 Schleim aus den Luftwegen soll nach Marshall, Outlines of Physiology,

Vol. II, 1867, p. 364, etwas Eiweisz enthalten.

2 Müller, Handbuch der Physiologie, 1844. Bd. 1., p. 422.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 5

Blätter gethan, von denen ein jedes damit   Gran (oder 0,0295 Milligr.)

erhielt. Drei derselben wurden 41 Stunden lang beobachtet, wurden aber

in keiner Weise afficirt; bei dem vierten und fünften wurden zwei oder

drei der äuszeren Tentakeln nach 18 Stunden eingebogen; beim sechsten

waren es einige wenige mehr; und beim siebenten war auszerdem der

Rand des Blattes eben bemerkbar nach innen gekrümmt. Die Tentakeln

der vier letzten Blätter fiengen nach einem weiteren Verlauf von nur acht

Stunden sich wieder auszustrecken an. Es ist hiernach   Gran Hausenblase hinreichend, um die empfindlicheren oder activeren Blätter sehr

unbedeutend zu afficiren. Auf eins der Blätter, auf welches die schwache

Lösung nicht eingewirkt hatte, und auf ein anderes, bei welchem nur

zwei seiner Tentakeln eingebogen waren, wurden Tropfen der Lösung, die

so dick wie Milch war, gethan; und am nächsten Morgen, nach Verlauf

von 16 Stunden, fand sich, dasz ihre sämmtlichen Tentakeln stark eingebogen waren.

Alles zusammengenommen experimentirte ich mit den oben genannten stickstoffhaltigen Flüssigkeiten an vier und sechzig Blättern,

wobei ich die fünf Blätter, welche ich mit der äuszerst schwachen

Auflösung von Hausenblase probirte, nicht mitzähle, ebensowenig wie

die zahlreichen später angestellten Versuche, von denen ich keine genauen Berichte bewahrt habe. Von diesen vier und sechzig Blättern

waren bei drei und sechzig die Tentakeln und häufig auch die Blattscheiben ordentlich eingebogen. Das eine, welches keine Wirkung erkennen liesz, war wahrscheinlich zu alt und torpid. Um aber ein so

groszes Verhältnis erfolgreicher Fälle zu erlangen, musz man Sorgfalt anwenden, junge und lebenskräftige Blätter auszuwählen. Blätter

in einem solchen Zustande wurden mit gleicher Sorgfalt für die ein

und sechzig Versuche mit nicht-stickstoffhaltigen Flüssigkeiten (ohne

Einschlusz des Wassers) ausgewählt; und wir haben gesehen, dasz kein

einziges derselben auch nur im geringsten Grade afficirt wurde. Wir

dürfen daher ruhig schlieszen, dasz in den vier und sechzig Experimenten mit stickstoffhaltigen Flüssigkeiten die Einbiegung der äuszeren Tentakeln eine Folge der Absorption stickstoffhaltiger Substanz

durch die Drüsen der Tentakeln auf der Scheibe war.

Einige von den Blättern, welche von den nicht-stickstoffhaltigen

Flüssigkeiten nicht afficirt wurden, wurden, wie oben angegeben worden ist, unmittelbar danach mit Stückchen Fleisch probirt und dadurch als im activen Zustande befindlich nachgewiesen. Auszer diesen

Versuchen aber wurden noch drei und zwanzig von den Blättern, auf

deren Scheiben noch immer Tropfen von Gummi, Syrup oder Stärke

lagen, welche aber im Verlaufe von zwischen 24 und 48 Stunden


 

[page break] Cap. 5. Stickstoffhaltige Substanzen.

keine Wirkung hervorgebracht hatten, mit Tropfen Milch, Harn oder

Eiweisz geprüft. Von den in dieser Weise behandelten drei und zwanzig Blättern hatten siebzehn die Tentakeln und in einigen Fällen auch

die Scheiben ordentlich eingebogen; aber ihre Lebenskräfte waren in

etwas beeinträchtigt, denn die Schnelligkeit der Bewegung war entschieden langsamer, als wenn frische Blätter mit diesen selben stickstoffhaltigen Flüssigkeiten behandelt wurden. Diese Beeinträchtigung

dürfte ebenso wie die Unempfindlichkeit von sechs jener Blätter einer

Beschädigung durch Exosmose zuzuschreiben sein, welche durch die

Dichte der auf ihre Scheiben gebrachten Flüssigkeiten verursacht

wurde.

Die Resultate einiger weniger anderer Experimente mit stickstoffhaltigen Flüssigkeiten werden zweckmäszig hier noch mitgetheilt werden.

Abkochungen einiger Gemüsearten, von denen bekannt ist, dasz sie reich

an Stickstoff sind, wurden gemacht; dieselben wirkten wie thierische

Flüssigkeiten. So wurden einige wenige grüne Erbsen eine Zeit lang

in destillirtem Wasser gekocht; dann liesz man die mäszig dicke, in dieser Weise bereitete Abkochung sich setzen. Tropfen der darüber stehenden Flüssigkeit wurden auf vier Blätter gebracht; und als diese nach 16

Stunden wieder nachgesehen wurden, fand sich, dasz die Tentakeln und

Scheiben von allen stark eingebogen waren. Aus einer Bemerkung Gerhardt's 3 schliesze ich, dasz in den Erbsen sich Legumin findet »in Com"bination mit einem Alkali, eine nicht gerinnbare Lösung bildend« und

diese wird sich mit kochendem Wasser vermischen. In Bezug auf die

oben verzeichneten und die folgenden Experimente will ich noch erwähnen, dasz nach der Angabe von Schiff 4 gewisse Formen von Eiweisz

existiren, welche durch kochendes Wasser nicht coagulirt, sondern in lösliche Peptone verwandelt werden.

Bei drei Gelegenheiten wurden klein geschnittene Kohlblätter 5 in

destillirtem Wasser eine Stunde oder fünf viertel Stunden lang gekocht;

durch Abgieszen der Abkochung, nachdem man dieselbe sich hatte setzen

lassen, wurde eine blasse schmutzig grüne Flüssigkeit erhalten. Tropfen

von der gewöhnlichen Grösze wurden auf dreizehn Blätter gebracht. Ihre

Tentakeln und Scheiben wurden nach 4 Stunden in einem völlig auszerordentlichen Grade eingebogen. Am nächsten Tage fand sich, dasz das

Protoplasma innerhalb der Zellen der Tentakeln in der auf das Schärfste

ausgesprochenen Art und Weise zusammengeballt war. Ich berührte auch

das klebrige Secret rund um die Drüsen mehrerer Tentakeln mit minutiös

3 Watt's Dictionary of Chemistry, Vol. III. p. 568.

4 Leçons sur la Physiologie de la Digestion, Tom. I. p. 379; Tom. II. p. 154,

166, über das Legumin.

5 Die Blätter junger Pflanzen, ehe sich das Herz bildet, so wie sie von mir

benutzt wurden, enthalten 2,1 Procent albuminöser Substanz, die äuszeren Blätter

reifer Pflanzen 1,6 Procent. Watt's Diction. of Chemistry, Vol. I. p. 653.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 5.

kleinen Tröpfchen der Abkochung am Kopfe einer kleinen Stecknadel, und

in wenig Minuten waren die Tentakeln eingebogen. Da sich die Flüssigkeit als so kräftig herausstellte, wurde ein Theil mit drei Theilen Wasser

verdünnt, und hiervon Tropfen auf die Scheiben von fünf Blättern gebracht; die Wirkung auf dieselben war am nächsten Morgen so stark, dasz

ihre Scheiben vollständig übereinander gefaltet waren. Wir sehen hieraus,

dasz eine Abkochung von Kohlblättern nahezu oder völlig so wirksam ist,

wie ein Aufgusz von rohem Fleisch.

Ungefähr die gleiche Quantität klein geschnittener Kohlblätter und

destillirten Wassers wie im letzt erwähnten Experiment wurden 20 Stunden lang in einem sehr warmen Raum gehalten, aber nicht bis nahe an

den Siedepunkt erhitzt. Tropfen dieses Aufgusses wurden auf vier Blätter

gebracht. Eines derselben war nach 23 Stunden stark eingebogen, ein

zweites unbedeutend; bei einem dritten waren nur die dem Rande näher

stehenden Tentakeln eingebogen, und das vierte war durchaus gar nicht

afficirt. Die Kraft dieses Aufgusses ist daher sehr viel geringer als die

der Abkochung, und es ist ganz klar, dasz das Eintauchen der Kohlblätter

für eine Stunde in Wasser auf der Temperatur des Siedepunkts viel wirksamer ist, die Substanz, welche Drosera reizt, auszuziehen, als eine viele

Stunden lang dauernde Eintauchung in warmes Wasser. Vielleicht wird

der Zelleninhalt (wie Schiff in Bezug auf das Legumin bemerkt) dadurch

geschützt, dasz die Wände aus Cellulose bestehn und dasz, bis diese durch

kochendes Wasser zum Bersten gebracht sind, nur wenig von der eingeschlossenen eiweiszartigen Substanz aufgelöst wird. Aus dem starken

Geruch gekochter Kohlblätter erkennen wir, dasz kochendes Wasser eine

chemische Veränderung in ihnen hervorbringt und dasz sie dadurch bei

weitem verdaulicher und nahrhafter für den Menschen gemacht werden.

Es ist daher eine interessante Thatsache, dasz Wasser auf dieser Temperatur eine Substanz aus ihnen auszieht, welche Drosera in einem auszerordentlichen Grade reizt.

Gräser enthalten bei weitem weniger stickstoffhaltige Substanz als

Erbsen oder Kohlsorten. Die Blätter und Stengel dreier gemeiner Arten

wurden klein geschnitten und eine Zeit lang in destillirtem Wasser gekocht. Nachdem diese Abkochung 24 Stunden stehen gelassen worden

war, wurden Tropfen davon auf sechs Blätter gebracht; sie wirkten in

einer ziemlich eigenthümlichen Art und Weise, von welcher im siebenten

Capitol bei Besprechung der Ammoniaksalze noch weitere Beispiele angeführt werden. Nach 2 Stunden und 30 Minuten waren bei vier von den

sechs Blättern die Scheiben bedeutend eingebogen, aber nicht die äuszeren

Tentakeln; nach 24 Stunden war dasselbe bei allen sechs Blättern der

Fall. Zwei Tage später waren die Blattscheiben ebenso wie die wenigen

dem Rande näher stehenden Tentakeln, welche eingebogen worden waren,

sämmtlich wieder ausgebreitet; auch war um diese Zeit ein groszer Theil

der Flüssigkeit auf ihren Scheiben absorbirt. Augenscheinlich reizt daher

die Abkochung die Drüsen auf der Scheibe stark und verursacht eine

schnelle und bedeutende Einbiegung der Scheibe; aber verschieden von

dem, was gewöhnlich eintritt, verbreitet sich der Reiz gar nicht oder nur

in einem schwachen Grade auf die äuszeren Tentakeln.

Ich will hier noch hinzufügen, dasz ein Theil Belladonna-Extract


 

[page break] Cap. 5. Stickstoffhaltige Substanzen.

(was ich mir von einem Apotheker verschafft hatte) in 437 Theilen Wasser

gelöst und Tropfen hiervon auf sechs Blätter gebracht wurden. Am

nächsten Tage waren sie alle sechs etwas eingebogen und nach Verlauf

von 48 Stunden vollständig wieder ausgebreitet. Es war nicht das in

dem Extract enthaltene Atropin, was diese Wirkung hervorbrachte, denn

später ermittelte ich, dasz dies völlig wirkungslos ist. Ich verschaffte mir

auch Bilsenkraut-Extract (Hyosciamus) aus drei Läden und machte Aufgüsse in derselben Stärke wie vorher. Von diesen drei Aufgüssen wirkte

nur einer auf einige der Blätter, an welchen die Versuche gemacht wurden. Obgleich die Apotheker glauben, dasz alles Eiweisz bei der Darstellung dieser Drogen niedergeschlagen wird, so kann ich doch nicht

daran zweifeln, dasz etwas Eiweisz gelegentlich darin erhalten wird; und

eine Spur schon würde genügen, die empfindlicheren Blätter der Drosera

zu reizen.


 

[page break]  Sechstes Capitel.

Die Verdauungskraft des Secrets der Drosera.

Die Absonderung wird durch directe oder indirecte Reizung der Drüsen sauer. —

Natur der Säure. — Verdauliche Substanzen. — Eiweisz, seine Verdauung durch

Alkalien unterbrochen, durch Zusatz einer Säure wiederbegonnen. — Fleisch. —

Fibrin. — Syntonin. — Zellgewebe. — Knorpel. — Faserknorpel. — Knochen.

— Schmelz und Zahnbein. — Phosphorsaurer Kalk. — Fibröse Grundlage des

Knochens. — Gallerte. — Chondrin. — Milch, Casein und Käse. — Leim. —

Legumin. — Pollen. — Globulin. — Haematin. — Unverdauliche Substanzen. —

Epidermoide Bildungen. — Fibroelastisches Gewebe. — Mucin. — Pepsin. —

Harnstoff. — Chitin. — Cellulose. — Schieszbaumwolle. — Chlorophyll. —

Fett und Oel. — Stärke. — Wirkung des Secrets auf lebende Samen. — Zusammenfassung und Schluszbemerkungen.

Da wir gesehen haben, dasz stickstoffhaltige Flüssigkeiten sehr

verschieden von nicht-stickstoffhaltigen auf die Blätter von Drosera

wirken, und da die Blätter über verschiedenen organischen Körpern

viel länger zusammengeschlagen bleiben als über unorganischen Körpern, wie z. B. Stückchen Glas, Kohle, Holz u. s. w., so wird die

Untersuchung interessant, ob sie nur Substanz absorbiren können, welche

schon aufgelöst ist, oder ob sie dieselbe auflöslich machen, — mit anderen Worten, ob sie das Vermögen zu verdauen besitzen. Wir werden

sofort sehen, dasz sie ganz gewisz diese Kraft besitzen und dasz sie auf

albuminöse Verbindungen in genau derselben Art und Weise einwirken,

wie es der Magensaft der Säugethiere thut; die verdaute Substanz

wird auch nachher absorbirt. Diese Thatsache, welche ganz klar bewiesen werden wird, ist eine ganz wunderbare in der Physiologie der

Pflanzen. Ich musz hier anführen, dasz ich bei allen meinen späteren

Experimenten durch viele und werthvolle Winke und Hülfe unterstützt

worden bin, die mir Dr. Burdon Sanderson mit der gröszten Freundlichkeit gewährte.


 

[page break] Cap. 6. Verdauungskraft des Drosera-Secrets.

Es wird ganz gut sein, wenn ich zu Gunsten irgend eines Lesers,

welcher über die Verdauung zusammengesetzter eiweiszhaltiger Körper

durch Thiere nichts weisz, noch vorausschicke, dasz dies mittelst eines

Ferments, Pepsin, in Verbindung mit schwacher Salzsäure bewirkt

wird, wenngleich beinahe jede andere Säure wirken wird. Doch hat

weder das Pepsin noch eine Säure für sich allein irgend eine derartige

Kraft 1. Wir haben gesehen, dasz wenn die Drüsen der Blattscheibe

durch die Berührung irgend eines Gegenstandes, besonders eines, welcher stickstoffhaltige Substanz enthält, gereizt werden, die äuszern

Tentakeln und häufig auch die Blattscheibe eingebogen werden; das

Blatt wird hierdurch zeitweise in eine Schale oder einen Magen verwandelt. In derselben Zeit sondern die Drüsen der Scheibe reichlicher

ab und die Absonderung wird sauer, Ueberdies übersenden sie einen

gewissen Einflusz den Drüsen der äuszern Tentakeln, wodurch sie dieselben veranlassen, eine reichlichere Absonderung zu ergieszen, welche

auch sauer oder noch saurer wird, als sie vorher war.

Da dies Resultat ein bedeutungsvolles ist, so will ich das Beweismaterial geben. Das Secret vieler Drüsen auf dreiszig Blättern, welche

in keiner Weise gereizt worden waren, wurde mit Lackmus-Papier

geprüft; die Absonderung von zweiundzwanzig dieser Blätter afficirte

nicht im geringsten die Farbe, während die von acht Blättern eine

auszerordentlich schwache und zuweilen etwas zweifelhafte rothe Färbung verursachte. Indessen wirkten zwei andere alte Blätter, welche

allem Anscheine nach mehrere Male eingebogen gewesen waren, viel

entschiedener auf das Papier. Stückchen reinen Glases wurden dann

auf fünf Blätter, Würfelchen von Eiweisz auf sechs, und Stückchen

rohen Fleisches auf drei gelegt, bei deren keinem zu dieser Zeit die

Absonderung sauer war. Nach einem Verlauf von 24 Stunden, wo

beinahe alle die Tentakeln an diesen vierzehn Blättern mehr oder

weniger eingebogen worden waren, prüfte ich nochmals das Secret,

wobei ich Drüsen auswählte, welche noch nicht den Mittelpunkt erreicht oder irgend einen Gegenstand berührt hatten; und nun war es

deutlich sauer. Der Grad der sauren Beschaffenheit des Secretes variirte

in etwas bei den Drüsen eines und desselben Blattes. Bei einigen

1 Der Angabe Schiff's zufolge und im Gegensatz zur Meinung einiger

Physiologen löst indessen augenscheinlich schwache Salzsäure, wenn schon langsam,

eine sehr geringe Quantität geronnenen Eiweiszes auf. Schiff, Physiol. de la

Digestion, Tom. II, 1867, p. 25.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Blättern wurden aus irgend welchen unbekannten Ursachen einige wenige

Tentakeln nicht eingebogen, wie es häufig sich ereignet; und in fünf

Fällen ergab es sich, dasz ihre Absonderung nicht im mindesten sauer

war, während das Secret der daneben stehenden und eingebognen Tentakeln auf demselben Blatte entschieden sauer war. Bei Blättern,

welche dadurch gereizt worden waren, dasz Stückchen Glas auf die

centralen Drüsen gelegt waren, war das Secret, welches sich unter

diesen auf der Scheibe ansammelte, viel stärker sauer, als das von

den äuszern Tentakeln ergoszne, welche bis dahin nur mäszig eingebogen waren. Wenn Stückchen Eiweisz (und dies ist natürlich alkalisch) oder Stückchen Fleisch auf die Scheibe gelegt wurden, so war

die sich unter ihnen ansammelnde Absonderung gleichfalls stark sauer.

Da rohes Fleisch, wenn es mit Wasser befeuchtet wird, leicht sauer

ist, so verglich ich seine Wirkung auf Lackmus-Papier, ehe es auf die

Blätter gelegt wurde, mit der späteren, wenn es von der Absonderung

umspült war; es konnte dabei nicht der leiseste Zweifel sein, dasz die

letztere sehr viel saurer war. Ich habe in der That hunderte von

Malen den Zustand der Absonderung auf den Scheiben der Blätter,

welche über verschiedene Gegenstände eingebogen waren, geprüft und

habe sie niemals anders als sauer gefunden. Wir können daher

schlieszen, dasz das Secret von nicht gereizten Blättern, obschon es

in äuszerstem Grade klebrig ist, nicht sauer oder nur unbedeutend

sauer ist, dasz es aber sauer wird oder viel stärker sauer, nachdem

die Tentakeln begonnen haben, sich über irgend einen unorganischen

oder organischen Körper zu biegen; es wird ferner noch stärker sauer,

nachdem die Tentakeln einige Zeit lang über irgend einen Gegenstand

dicht zusammengeschlagen geblieben sind.

Ich will hier den Leser daran erinnern, dasz die Absonderung bis

zu einem gewissen Grade augenscheinlich antiseptisch ist, da sie das

Auftreten von Moder und Infusorien aufhält und dadurch eine Zeit

lang die Entfärbung und den Zerfall solcher Substanzen, wie das Weisze

vom Ei, Käse u. s. w. verhindert. Sie wirkt daher wie der Magensaft der höheren Thiere, von welchem bekannt ist, dasz er die Fäulnis

durch Zerstörung der Microzymen aufhält.

Da ich begierig war zu erfahren, was für eine Säure das Secret

enthielt, so wurden 445 Blätter in destillirtem Wasser gewaschen, welches mir Prof. Frankland gegeben hatte; die Absonderung ist aber so

klebrig, dasz es kaum möglich ist, das Ganze abzukratzen oder abzuwaschen.


 

[page break] Cap. 6. Natur der Säure im Secrete.

Auch die andern Bedingungen waren ungünstig, da es schon spät im

Jahre war und die Blätter klein waren. Prof. Frankland übernahm es

mit groszer Freundlichkeit, die in dieser Weise gesammelte Flüssigkeit zu

prüfen. Die Blätter wurden durch reine Glasstückchen gereizt, welche

24 Stunden vorher auf sie gelegt wurden. Ohne Zweifel würde viel mehr

Säure abgesondert worden sein, wenn die Blätter durch thierische Substanz gereizt worden wären; dies würde aber die Analyse schwieriger

gemacht haben. Prof. Frankland theilt mir mit, dasz die Flüssigkeit

keine Spur von Salzsäure, Schwefelsäure, Weinsteinsäure, Oxalsäure und

Ameisensäure enthalte. Nachdem dies ermittelt worden war, wurde die

übrige Flüssigkeit bis nahe zur Trockenheit abgedampft und mit Schwefelsäure sauer gemacht; es entwickelte sich dabei ein flüchtiger saurer

Dampf, welcher verdichtet und mit kohlensaurem Silber digerirt wurde.

"Das Gewicht des dabei erzeugten Silbersalzes betrug nur 0,37 Gr., eine

"viel zu kleine Quantität, um das Atomgewicht der Säure genau bestimmen

"zu können. Die erhaltene Zahl entsprach indessen nahezu der der Pro"pionsäure; und ich glaube, dasz diese oder eine Mischung von Essig"und Buttersäure in der Flüssigkeit vorhanden war. Die Säure gehört

"ohne Zweifel zur Reihe der Essig- oder Fettsäuren.«

Prof. Frankland sowohl, als auch sein Assistent, beobachteten (und

dies ist eine wichtige Thatsache), dasz die Flüssigkeit, »wenn sie mit

"Schwefelsäure angesäuert wurde, einen starken Geruch, ähnlich dem von

"Pepsin, entwickelte.« Auch die Blätter, von welchen die Absonderung

abgewaschen worden war, wurden Prof. Frankland geschickt; sie wurden

einige Stunden lang macerirt, dann mit Schwefelsäure angesäuert und

destillirt; es gieng aber keine Säure über. Es musz daher die Säure,

welche frische Blätter enthalten, wie sich durch die Färbung des Lackmus-Papiers beim Zerquetschen derselben zeigt, von einer verschiedenen

Beschaffenheit sein von der, welche in dem Secret vorhanden ist. Auch

entwickelten die Blätter keinen Geruch von Pepsin.

Obgleich es seit langer Zeit bekannt ist, dasz Pepsin mit Essigsäure

die Fähigkeit hat, eiweiszhaltige Zusammensetzungen zu verdauen, so erschien es doch rathsam, zu ermitteln, ob die Essigsäure ohne Verlust der

verdauenden Kraft durch die verwandten Säuren ersetzt werden könne,

von denen angenommen wurde, dasz sie in der Absonderung der Drosera

vorkommen, nämlich Propionsäure, Buttersäure oder Valeriansäure. Dr.

Burdon Sanderson war so freundlich, mir zu Gefallen die folgenden Versuche zu machen, deren Resultate ganz abgesehen von der vorliegenden

Untersuchung werthvoll sind. Prof. Frankland verschaffte uns die Säure.

»1. Der Zweck der folgenden Experimente war, die verdauende Thä"tigkeit von Pepsin enthaltenden Flüssigkeiten zu bestimmen, wenn sie

"mit gewissen flüchtigen, zu der Essig-Reihe gehörenden Säuren angesäuert

"wurden, im Vergleich mit Flüssigkeiten mit Salzsäure in einem Verhältnis

"angesäuert, welches dem im Magensafte vorhandenen ähnlich ist.«

»2. Es ist empirisch festgestellt worden, dasz bei künstlicher Ver"dauung die besten Resultate erhalten werden, wenn eine Flüssigkeit an"gewendet wird, welche dem Gewichte nach zwei pro mille von salz"saurem Gas enthält. Dies entspricht ungefähr 6,25 Cubikcentimeter per

"Liter gewöhnlicher starker Salzsäure. Die Quantitäten von Propionsäure,


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

"Butter- und Valeriansäure respective, welche erforderlich sind, um so

"viel Basis zu neutralisiren als 6,25 Cubikcentimeter HCl, sind, in Grammen

"ausgedrückt, 4,04 Propionsäure, 4,82 Buttersäure und 5,68 Valerian"säure. Es wurde daher für zweckmäszig gehalten, beim Vergleich der

"verdauenden Kraft dieser Säuren mit der der Salzsäure, dieselben in die"sen Proportionen anzuwenden.«

»3. Fünfhundert Cubikcentimeter einer Flüssigkeit, welche ungefähr

"8 Cubikcentimeter eines Glycerinauszugs der Magenschleimhaut eines

"während der Verdauung getödteten Hundes enthielt, wurden hergestellt;

"davon wurden 10 Cubikcentimeter eingedampft und bei 110° getrocknet.

"Diese Quantität ergab 0,0031 Rückstand.«

»4. Von dieser Flüssigkeit wurden vier Mengen genommen, welche

"einzeln in den oben angegebenen Proportionen mit Salzsäure, mit Pro"pionsäure, mit Butter- und mit Valeriansäure angesäuert wurden. Jede

"Flüssigkeitsmenge wurde dann in eine Röhre gethan, welche man in

"einem Wasserbade schwimmen liesz, das ein, eine Temperatur von 38°

"bis 40°C. anzeigendes Thermometer enthielt. In eine jede wurde eine

"Quantität nicht gekochten Fibrins eingebracht und das Ganze 4 Stunden

"lang stehen gelassen, wobei die Temperatur während der ganzen Zeit

"innegehalten und Sorge dafür getragen wurde, dasz eine jede einen

"Überschusz von Fibrin enthielt. Nach Verlauf dieser Zeit wurde jede

"Flüssigkeit filtrirt. Von dem Filtrat, welches natürlich so viel Fibrin

"enthielt, als während der 4 Stunden verdaut worden war, wurden 10

"Cubikcentimeter abgemessen, eingedampft und wie vorher bei einer Tem"peratur von 110° getrocknet. Die Rückstände betrugen beziehentlich:

»in der Salzsäure enthaltenden Flüssigkeit 0,4079

" " Propionsäure " " 0,0601

" " Buttersäure " " 0,1468

" " Valeriansäure " " 0,1254.

»Zieht man daher von jeder dieser Zahlen den oben erwähnten Rück"stand ab, welcher zurückbleibt, wenn die verdauende Flüssigkeit selbst

"eingedampft wird. nämlich 0,0031, so erhalten wir

»für Propionsäure 0,0570

" Buttersäure 0,1437

" Valeriansäure 0,1223,

»zu 0,4048 für Salzsäure; diese verschiedenen Zahlen drücken die Gewichts"mengen von Fibrin aus, welche in Gegenwart äquivalenter Menge der

"verschiedenen Säuren unter identischen Bedingungen verdaut worden sind.

»Die Resultate des Versuchs können in folgender Weise angegeben

"werden: — Wenn 100 die verdauende Kraft einer Flüssigkeit bezeichnet,

"welche Pepsin mit der gewöhnlichen Proportion von Salzsäure enthält,

"so bezeichnen 14,0, 35,4 und 30,2 beziehentlich die verdauende Kraft

"der drei hier untersuchten Säuren.

»5. In einem zweiten Experiment, bei welchem der Procesz in jeder

"Beziehung derselbe war, ausgenommen dasz die sämmtlichen Röhren in

"ein und dasselbe Wasserbad getaucht und die Rückstände bei 115°C ge"trocknet wurden, waren die Resultate die folgenden: —


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

»Fibrinmenge, in 4 Stunden von 10 Cubikcentimeter Flüssigkeit auf"gelöst —

»mit Propionsäure 0,0563

» » Buttersäure 0,0835

» » Valeriansäure 0,0615.

»Die von einer ähnlichen Flüssigkeit, welche Salzsäure enthielt, ver"daute Menge betrug 0,3376. Nimmt man daher dies als 100, so stellen

"die folgenden Zahlen die relativen von den anderen Säuren verdauten

"Mengen dar: —

»Propionsäure 16,5

»Buttersäure 24,7

»Valeriansäure 16,1

»6. Ein drittes Experiment derselben Art ergab:

»Fibrinmenge, in 4 Stunden von 10 Cubikcentimeter Flüssigkeit verdaut:

»mit Salzsäure 0,2915

» » Propionsäure 0,1490

» » Buttersäure 0,1044

» » Valeriansäure 0,0520.

»Vergleicht man, wie vorhin, die drei letzten Zahlen mit der ersten

"und setzt diese gleich 100, so wird die verdauende Kraft der Propion"säure durch 16,8, die der Buttersäure durch 35,8, und die der Valerian"säure durch 17,8 ausgedrückt.

»Das Mittel aus diesen drei Beobachtungsreihen (Salzsäure als 100

"genommen) ergibt für

»Propionsäure 15,8

»Buttersäure 32,0

»Valeriansäure 21,4

»7. Ein weiteres Experiment wurde noch angestellt, um zu ermitteln,

"ob die verdauende Wirksamkeit der Buttersäure (welche gewählt wurde,

"weil sie augenscheinlich die wirksamste war) bei gewöhnlicher Temperatur

"relativ bedeutender sei, als bei der Temperatur des Körpers. Es stellte

"sich heraus, dasz während 10 Cubikcentimeter einer, Salzsäure in der

"gewöhnlichen Proportion enthaltenden Flüssigkeit 0,1311 Gramm ver"daute, eine ähnliche mit Buttersäure hergestellte Flüssigkeit 0,0455

"Gramm Fibrin verdaute.

»Nimmt man daher die mit Salzsäure bei der Temperatur des Kör"pers verdauten Mengen zu 100 an, so erhalten wir für die verdauende

"Kraft der Salzsäure bei einer Temperatur von 16° bis 18° die Zahl

"44,9, während die Zahl für die Buttersäure bei derselben Temperatur

"15,6 ist.«

Wir sehen hier, dasz bei der niedrigeren von diesen beiden Temperaturen

Salzsäure mit Pepsin innerhalb der nämlichen Zeit etwas weniger als die

Hälfte der Fibrinmenge verdaut im Vergleich zu der, welche sie bei der

höheren Temperatur verdaut; und die verdauende Kraft der Buttersäure

wird unter ähnlichen Bedingungen und Temperaturen in demselben Verhältnis reducirt. Wir haben auch gesehen, dasz Buttersäure, welche viel

wirksamer ist als Propion- oder Valeriansäure, mit Pepsin bei der höheren

Temperatur weniger als ein Drittel der Fibrinmenge verdaut, welche bei

derselben Temperatur von Salzsäure verdaut wird.

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 6

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Ich will nun im Detail meine Experimente über die verdauende

Kraft des Secrets der Drosera mittheilen und da die bei den Versuchen verwendeten Substanzen in zwei Reihen theilen, nämlich in

diejenigen, welche mehr oder weniger vollständig verdaut werden, und

solche, welche nicht verdaut werden. Wir werden sofort sehen, dasz

der Magensaft der höheren Thiere auf diese sämmtlichen Substanzen

in derselben Weise einwirkt. Ich erlaube mir noch, die Aufmerksamkeit auf die Versuche unter der Rubrik Eiweisz zu lenken, welche

zeigen, dasz das Secret seine Kraft verliert, wenn es durch Zusatz

eines Alkali neutralisirt wird, und dieselbe wieder erlangt, wenn eine

Säure zugesetzt wird.

Substanzen, welche von dem Secret der Drosera vollständig oder theilweise

verdaut werden.

Eiweisz. — Nachdem ich verschiedene Substanzen probiert hatte,

schlug mir Dr. Burdon Sanderson vor, Würfelchen von geronnenem

Eiweisz oder hart gekochtem Ei zu benutzen. Ich will vorausschicken,

dasz des Vergleichs wegen fünf Würfel von derselben Grösze wie die

in den folgenden Experimenten angewendeten zu der nämlichen Zeit

auf feuchtes Moos dicht bei den Drosera-Pflanzen gelegt wurden. Das

Wetter war warm und nach vier Tagen waren einige von den Würfeln

misfarbig und moderig, ihre Kanten auch etwas abgerundet; sie waren

aber nicht von einer Zone durchsichtiger Flüssigkeit umgeben wie

diejenigen, welche der Verdauung unterlagen. Andere Würfel behielten ihre scharfen Kanten und ihre weisze Farbe. Nach acht Tagen

waren sie sämmtlich an Grösze etwas reduciert, entfärbt und ihre

Kanten waren bedeutend abgerundet. Nichtsdestoweniger war an vier

unter den fünf Exemplaren der centrale Theil noch immer weisz und

undurchsichtig. Der Zustand, in dem sie sich befanden, war daher,

wie wir sehen werden, weit von dem der Würfel verschieden, welche

der Einwirkung des Secrets der Blätter ausgesetzt worden waren.

1. Versuch. — Zuerst wurden ziemlich grosze Würfel von Eiweisz

versucht; die Tentakeln waren in 24 Stunden ordentlich eingebogen;

nach weiterem Verlauf eines Tages waren die Kanten der Würfel aufgelöst und abgerundet 2

; die Würfel waren aber zu gross, so dasz die

2 In allen meinen zahlreichen Versuchen über die Verdauung von Eiweiszvürfeln wurden ausnahmslos zuerst die Winkel und Kanten abgerundet. Nun gibt

Schiff an (Leçons phys. de la Digestion. Vol. II, 1867, p. 149), dasz dies für

die, Verdauung des Eiweiszes durch den Magensaft von Thieren characteristisch ist.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

Blätter verletzt waren; nach sieben Tages starb eines ab, und die andern

waren im Absterben. Eiweisz, welches vier oder fünf Tage lang aufbewahrt wurde und welches, wie wohl angenommen werden konnte, angefangen hatte, sich in geringeren Grade zu zersetzen, schien schneller zu

wirken als frisch gekochte Eier. Da meistentheils die letztern gebraucht

wurden, so feuchtete ich sie mit etwas Speichel an, um die Tentakeln

schneller zum Einbiegen zu veranlassen.

2. Versuch. — Ein Würfel von   Zoll (d. h. bei welchem jede

Seite   Zoll oder 2,54 Mm. lang war) wurde auf ein Blatt gelegt, und

nach 50 Stunden war er in eine Kugel von ungefähr   Zoll Durchmesser verwandelt (1,905 Mm.) und von vollständig durchsichtiger Flüssigkeit umgeben. Nach zehn Tagen war das Blatt wieder ausgebreitet; es

blieb aber ein äuszerst kleines Stückchen, nun vollkommen durchscheinend

gewordenen Eiweiszes auf der Scheibe. Es hatte dies Blatt mehr Eiweisz

erhalten, als aufgelöst oder verdaut werden konnte.

3. Versuch. — Zwei Eiweiszwürfel von   Zoll (1,27 Mm.) wurden

auf zwei Blätter gelegt. Nach 46 Stunden war jedes Atom derselben

aufgelöst und das Meiste der verflüssigten Masse war absorbirt; die

zurückbleibende Flüssigkeit war in diesem wie in allen übrigen Fällen

sehr sauer und klebrig. Die Wirkung auf die andern Würfel war etwas

langsamer.

4. Versuch. — Zwei Eiweiszwürfel von derselben Grösze wie die

letzten wurden auf zwei Blätter gelegt und waren in 50 Stunden in zwei

grosze Tropfen durchscheinender Flüssigkeit verwandelt; als sie aber unter

den eingebognen Tentakeln hervorgenommen und bei reflectirtem Lichte

unter dem Mikroskop betrachtet wurden, konnten in dem einen feine

Streifen undurchsichtiger Substanz, in dem andern Spuren ähnlicher

Streifen beobachtet werden. Die Tropfen wurden auf die Blätter zurückgebracht, welche sich nach 10 Tagen wieder ausbreiteten, und nun war

nichts übrig als sehr wenig durchsichtiger saurer Flüssigkeit.

5. Versuch. — Dieser Versuch wurde unbedeutend abgeändert, so

dass das Eiweisz der Einwirkung des Secrets schneller ausgesetzt wurde.

Zwei Würfel, jeder von ungefähr   Zoll (0,635 Mm.), wurden auf dasselbe Blatt gelegt, und zwei ähnliche Würfel auf ein anderes. Diese

wurden nach 21 Stunden 30 Minuten untersucht und alle waren, wie

sich ergab, abgerundet. Nach 46 Stunden waren die zwei Würfel auf

dem einen Blatte vollständig verflüssigt, die gebildete Flüssigkeit war

vollkommen durchsichtig; auf dem andern Blatte waren in der Mitte der

Flüssigkeit noch einige undurchsichtige weisze Streifen zu sehen. Nach

72 Stunden verschwanden diese Streifen; es war aber noch ein wenig

klebrige Flüssigkeit auf der Scheibe zurückgeblieben, während dieselbe

auf dem ersten Blatte beinahe gänzlich absorbirt war. Beide Blätter

fiengen nun an, sich wieder auszubreiten.

Der beste und beinahe einzige Beweis für die Gegenwart irgend

eines dem Pepsin analogen Fermentes in der Absonderung schien der

2

2 Andererseits bemerkt er: "les dissolutions, en chimie, en lieu sur toute la surface

des corps en contact avec l'agent dissolvant.‟

6*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

zu sein, dasz man die Säure des Secrets mit einem Alkali neutralisirte

und beobachtete, ob der Procesz der Verdauung aufhörte, und dasz

man dann ein wenig Säure zusetzte und beobachtete, ob der Procesz

wieder begönne. Dies wurde, und zwar, wie wir sehen werden, mit

Erfolg, gethan; es war aber nothwendig, zuerst zwei Controlversuche

anzustellen: nämlich, ob der Zusatz äuszerst kleiner Tropfen Wasser

von derselben Grösze wie der der Alkalilösungen den Procesz der Verdauung aufhalten würden, und zweitens, ob äuszerst kleine Tropfen

schwacher Salzsäure, von derselben Stärke und Grösze wie die benutzten, die Blätter verletzen würden. Es wurden demzufolge die beiden

folgenden Versuche angestellt:

6. Versuch. — Kleine Eiweiszwürfel wurden auf drei Blätter gelegt und äuszerst kleine Tropfen destillirten Wassers auf einem Stecknadelknopf zwei- oder dreimal täglich hinzugefügt. Diese hielten nicht im

mindesten den Procesz auf; denn nach 48 Stunden waren die Würfel auf

allen drei Blättern vollständig aufgelöst. Am dritten Tage fiengen die

Blätter an, sich wieder auszubreiten, und am vierten Tage war die ganze

Flüssigkeit absorbirt.

7. Versuch. — Kleine Eiweiszwürfel wurden auf zwei Blätter gelegt und äuszerst kleine Tropfen von Salzsäure, von der Stärke eines

Theiles auf 437 Theile Wasser, wurden zwei- oder dreimal hinzugefügt. Dies

hielt den Procesz der Verdauung nicht im mindesten auf, schien ihn im

Gegentheil eher zu beschleunigen; denn in 24 Stunden 30 Minuten verschwand jede Spur von Eiweisz. Nach drei Tagen breiteten sich die

Blätter theilweise wieder aus, und in dieser Zeit war die ganze klebrige

Flüssigkeit auf ihren Scheiben beinahe völlig absorbirt. Es ist fast überflüssig, noch anzugeben, dasz Eiweiszwürfel von derselben Grösze wie die

hierbei benutzten, welche sieben Tage lang in etwas Salzsäure von der

oben angegebenen Stärke gelegt wurden, ihre sämmtlichen Winkel und

Kanten so vollkommen wie je behielten.

8. Versuch. — Würfel von Eiweisz (von   Zoll oder 2,54 Mm.)

wurden auf fünf Blätter gelegt und sehr kleine Tropfen einer Auflösung

von einem Theil kohlensauren Natrons in 437 Theilen Wasser dreien derselben in Zwischenräumen zugefügt, während die beiden andern Tropfen

einer Auflösung kohlensauren Kalis von derselben Stärke erhielten. Die

Tropfen wurden mit dem Kopfe einer ziemlich groszen Stecknadel übertragen, und ich ermittelte, dasz jeder ungefähr gleich   Minim,

(0,0059 Cub. Cent.) war, so dasz ein jeder nur   Gran (0,0135 Milligr.)

des Alkali enthielt. Dies war nicht genügend, denn nach 46 Stunden

waren alle fünf Würfel aufgelöst.

9. Versuch. — Der letzterwähnte Versuch wurde an vier Blättern

wiederholt, doch mit dem Unterschiede, dasz Tropfen derselben Auflösung

von kohlensaurem Natron im Ganzen häufiger zugefügt wurden, und zwar

so oft als das Secret sauer wurde, so dasz es viel wirksamer neutralisirt

wurde. Jetzt nun waren nach 24 Stunden die Kanten von dreien der


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

Würfel nicht im mindesten abgerundet, die des vierten waren es nur in

einem sehr unbedeutendem Grade. Tropfen äuszerst schwacher Salzsäure

(nämlich ein Theil auf 827 Theile Wasser) wurden nun zugesetzt, gerade

hinreichend, um das noch immer vorhandene Alkali zu neutralisiren; sofort begann der Verdauungsprocesz wieder, so dasz nach 23 Stunden

30 Minuten drei der Würfel vollständig aufgelöst waren, während der

vierte in eine äuszerst kleine, von durchscheinender Flüssigkeit umgebene

Kugel verwandelt war; und diese Kugel verschwand am folgenden Tage.

10. Versuch. — Zunächst wurden nun stärkere Lösungen von

kohlensaurem Natron und Kali angewandt, nämlich ein Theil auf 109 Theile

Wasser; da Tropfen von derselben Grösze gegeben wurden, enthielt ein

jeder   Grau (0,0539 Milligr.) des betreffenden Salzes. Zwei Eiweiszwürfel (jeder ungefähr   Zoll oder 0,635 Mm.) wurden auf ein und

dasselbe Blatt gethan und zwei auf ein anderes. Jedes Blatt erhielt, so

bald die Absonderung unbedeutend sauer wurde (und dies trat viermal

schon innerhalb 24 Stunden ein), Tropfen entweder von der Natron- oder

Kali-Lösung, wodurch die Säure wirksam neutralisirt wurde. Der Versuch

gelang nun vollkommen; denn nach 22 Stunden waren die Kanten der

Würfel so scharf, wie sie zuerst waren; und aus dem 5. Versuch haben

wir gesehen, dasz so kleine Würfel in dieser Zeit von dem Secret in seiner

natürlichen Beschaffenheit vollständig abgerundet worden sein würden.

Nun wurde etwas von der Flüssigkeit mittelst Löschpapier von den Blattscheibe entfernt und minutiöse Tropfen von Salzsäure in der Stärke von

einem Theile auf 200 Theile Wasser zugefügt. Es wurde Säure von dieser

beträchtlicheren Stärke angewandt, da auch die alkalischen Lösungen stärker waren. Der Procesz der Verdauung begann nun auf's Neue, so dasz

innerhalb 48 Stunden von der Zeit, wo die Säure zugefügt wurde, die

vier Würfel nicht nur vollständig aufgelöst, sondern auch ein grosser Theil

des flüssig gewordenen Eiweiszes aufgesaugt war.

11. Versuch. — Zwei Eiweiszwürfel (jeder   Zoll oder 0,635 Mm.

Seitenlänge) wurden auf zwei Blätter gebracht und wie im vorhergehenden Versuche mit Alkalien behandelt und auch mit demselben Resultat;

denn nach 22 Stunden waren die Kanten derselben noch vollkommen

scharf, was bewies, dasz der Verdauungsprocesz vollständig aufgehalten

worden war. Ich wünschte nun zu ermitteln, was wohl die Wirkung einer Anwendung stärkerer Salzsäure sein würde; ich fügte demgemäsz minutiöse Tropfen von einer einprocentigen Verdünnung hinzu.

Dies erwies sich als etwas zu stark; denn 48 Stunden nach der Zeit,

wo die Säure zugefügt wurde, war der eine Würfel noch immer beinahe

vollkommen, und der andere nur sehr unbedeutend abgerundet; und beide

waren leicht rosa gefärbt. Diese letztere Thatsache zeigt, dasz die Blätter

verletzt waren 3, denn während des normalen Verlaufes des Verdauungsprocesses wird das Eiweisz nicht in dieser Weise gefärbt, und wir können

hieraus verstehen, warum die Würfel nicht aufgelöst wurden.

3 Sachs bemerkt (Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 701), dasz Zellen,

welche durch Erfrieren, durch zu grosze Hitze oder durch chemische Agentien getödtet worden sind, alle ihre gefärbten Inhaltstheile in das umgebende Wasser

austreten lassen.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dasz die abgesonderte

Flüssigkeit das Vermögen hat, Eiweisz aufzulösen, und wir sehen

ferner, dasz, wenn ein Alkali zugesetzt wird, der Verdauungsprocesz

zum Stillstand gebracht wird, dasz er aber sofort wieder beginnt, sobald das Alkali durch schwache Salzsäure neutralisirt wird. Selbst

wenn ich keine anderen Versuche als diese angestellt hätte, würden

sie beinahe schon hingereicht haben, nachzuweisen, dasz die Drüsen

der Drosera irgend ein dem Pepsin analoges Ferment absondern, welches bei Anwesenheit einer Säure dem Secrete sein Vermögen, eiweiszartige Verbindungen aufzulösen, verleiht.

Splitter von reinem Glase wurden auf eine grosze Zahl von Blättern ausgestreut, und diese wurden mäszig eingebogen. Sie wurden

dann abgeschnitten und in drei Gruppen getheilt; davon wurden

zwei eine Zeit lang in ein wenig destillirtem Wasser gelegt und

dies dann durchgeseiht, wobei etwas misfarbige, klebrige, unbedeutend saure Flüssigkeit erhalten wurde. Das dritte Häufchen wurde

ordentlich in wenig Tropfen von Glycerin eingeweicht, welches bekanntlich Pepsin auflöst. Eiweisswürfel (von   Zoll) wurden nun

auf Uhrgläsern in diese drei Flüssigkeiten gethan, von denen einige

mehrere Tage lang auf einer Temperatur von ungefähr 32,2° C. (90° F.),

andere in der Temperatur meines Zimmers gelassen wurden; keiner

der Würfel wurde indesz aufgelöst, es blieben die Kanten so scharf

wie je. Diese Thatsache weist wahrscheinlich darauf hin, dasz das

Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis die Drüsen durch die

Absorption einer äuszerst geringen Quantität bereits auflöslicher thierischer Substanz gereizt werden, — eine Folgerung, welche durch das,

was wir später in Bezug auf Dionaea sehen werden, unterstützt wird.

Dr. Hooker fand gleichfalls, dasz die Flüssigkeit in den Schläuchen der

Nepenthes, obschon sie das Vermögen der Verdauung in auszerordentlichem Grade besitzt, dennoch, wenn sie aus den Schläuchen entfernt,

ehe dieselben gereizt wurden, und in ein Gefäsz gethan wird, kein

derartiges Vermögen hat, trotzdem sie bereits sauer ist. Wir können

diese Thatsache nur durch die Annahme erklären, dasz das eigentliche

Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis etwas reizende Substanz

aufgesaugt ist.

Bei drei andern Gelegenheiten wurden acht Blätter stark durch

Eiweisz, was mit Speichel befeuchtet war, gereizt; sie wurden dann

abgeschnitten und mehrere Stunden oder einen ganzen Tag lang


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

in einigen wenigen Tropfen Glycerin liegen gelassen. Etwas von diesem

Auszug wurde dann einem kleinen Theil Salzsäure von verschiedenen

Stärkegraden (meist ein Theil auf 400 Theile Wasser) zugesetzt; und

in diese Mischung wurden sehr kleine Würfel von Eiweisz gelegt 4.

In zweien von diesen Versuchen trat nicht die geringste Wirkung auf

das Eiweisz ein; im dritten aber war der Versuch erfolgreich. Denn

in einem, zwei Würfel enthaltenden Gefäsz waren beide in 3 Stunden

an Grösze reducirt; und nach 24 Stunden waren nur noch blosze

Streifen ungelösten Eiweiszes übrig. In einem zweiten Gefäsz, welches

zwei äuszerst kleine zerfetzte Stückchen Eiweisz enthielt, waren beide

gleichfalls in 3 Stunden an ihrer Grösze reducirt und nach 24 Stunden

vollständig verschwunden. Ich fügte dann ein wenig schwacher Salzsäure beiden Gefässen zu und legte frische Eiweiszwürfel in dieselben;

die Flüssigkeit wirkte aber nicht auf diese. Diese letztere Thatsache

wird nach der hohen Autorität von Schiff 5 insofern verständlich,

als er, wie er meint, nachgewiesen hat, und zwar im Gegensatz zu

der von einigen Physiologen vertretenen Ansicht, dasz eine bestimmte

geringe Menge von Pepsin während des Actes der Verdauung zerstört

wird. Enthielt daher, wie es doch wahrscheinlich ist, meine Lösung

eine äuszerst kleine Menge dieses Ferments, so wird dies durch die

Auflösung der zuerst in die Lösung gethanenen Eiweiszwürfel aufgebraucht worden und keines mehr übrig geblieben sein, als die Salzsäure zugesetzt wurde. Die Zerstörung des Ferments während des

Processes der Verdauung oder seine Absorption nach der Verwandlung

des Eiweiszes in Peptone dürfte es auch erklären, dasz unter den drei

letzten Versuchsreihen nur die eine erfolgreich war.

Verdauung gerösteten Fleisches. — Würfel mässig gerösteten Fleisches von ungefähr   Zoll (1,27 Mm.) wurden auf fünf

Blätter gelegt, welche in 12 Stunden dicht eingebogen waren. Nach

48 Stunden öffnete ich ein Blatt sanft; das Fleisch bestand jetzt nur

noch aus einer äuszerst kleinen in der Mitte gelegenen Kugel, welche

theilweise verdaut und von einer dicken Hülle durchscheinender klebriger Flüssigkeit umgeben war. Das Ganze wurde, ohne es sehr zu

stören, entfernt und unter das Mikroskop gebracht. Im centralen

4 Als Controlversuch wurden Stückchen Eiweisz in Glycerin mit Salzsäure von

derselben Stärke gebracht; nach zwei Tagen war, wie sich hätte erwarten lassen,

das Eiweisz nicht im Allermindesten afficirt.

5 Leçons phys. de la Digestion, 1867. Tom. II. p. 114—126.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Theile waren die Querstreifen der Muskelfasern völlig deutlich, und

es war interessant zu beobachten, wie allmählich sie verschwanden,

wenn man eine und dieselbe Faser in die umgebende Flüssigkeit verfolgte. Sie verschwanden in der Weise, dasz die Streifen durch quere

aus äuszerst minutiösen dunklen Punkten bestehende Linien ersetzt

wurden, welche nach auszen hin nur bei einer sehr starken Vergrösserung gesehen werden konnten; endlich verloren sich diese Punkte.

Als ich diese Beobachtungen machte, hatte ich Schiff's Schilderung 6

der Verdauung des Fleisches durch den Magensaft noch nicht gelesen

und sah die Bedeutung der dunklen Punkte nicht ein. Dies wird aber

in der folgenden Angabe erklärt; auch sehen wir ferner, wie auszerordentlich ähnlich der Procesz der Verdauung durch den Magensaft

dem durch das Secret der Drosera ist.

»On a dit que le suc gastrique faisait perdre à la fibre musculaire

"ses stries transversales. Ainsi énoncée, cette proposition pourrait donner

"lieu à une équivoque, car se qui se perd, se n'est que l'aspect extérieur

"de la striature et non les éléments anatomiques qui la composent. On

"sait que les stries qui donnent un aspect si caractéristique à la fibre

"musculaire, sont le résultat de la juxtaposition et du parallélisme des

"corpuscules élémentaires, placés, à distances égales, dans l'interieur des

"fibrilles contiguës. Or, dès que le tissu connectif qui relie entre elles

"les fibrilles élémentaires vient à se gonfler et à se dissoudre, et que

"les fibrilles elles-mêmes se dissocient, ce parallélisme est détruit et avec

"lui l'aspect, le phénomène optique des stries. Si, après la désagrégation

"des fibres, on examine au microscope les fibrilles élémentaires, on distingue

"encore très-nettement à leur intérieur les corpuscules, et on continue

"à les voir, de plus en plus pâles, jusqu'au moment où les fibrilles elles"mêmes se liquéfient et disparaissent dans le suc gastrique. Ce qui con"stitue la striature, à proprement parler, n'est donc pas détruit, avant

"la liquéfaction de la fibre charnue elle-même.«

In der die centrale Kugel unverdauten Fleisches umgebenden

klebrigen Flüssigkeit fanden sich Fettkügelchen und kleine Stückchen

elastischen Fasergewebes; keines von beiden war im geringsten verdaut.

Auch waren wenige freie Parallelogramme einer gelblichen, in hohem

Grade durchscheinenden Substanz vorhanden. Schiff erwähnt, wo er

von der Verdauung des Fleisches durch den Magensaft spricht, derartige Parallelogramme und sagt: —

»Le gonflement par lequel commence la digestion de la viande, ré"sulte de l'action du suc gastrique acide sur le tissu connectif qui se

6 Leçons phys. de la Digestion. Tom. II, p. 145.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

"dissout d'abord, et qui, par sa liquéfaction, désagrége les fibrilles.

"Celles-ci se dissolvent ensuite en grande partie, mais, avant do passer

"à l'état liquide, elles tendent à se briser en petits fragments trans"versaux. Les "sarcous elements‟ de Bowman, qui ne sont autre chose que

"les produits de cette division transversale des fibrilles élémentaires, peu"vent être préparés et isolés à l'aide du suc gastrique, pourvu qu'on

"n'attend pas jusqu'à la liquéfaction complète du muscle.»

Nach Verlauf von 72 Stunden von der Zeit an, wo die fünf Würfel auf die Blätter gelegt worden waren, öffnete ich die übrigen vier.

Auf zweien war Nichts weiter zu sehen, als geringe Mengen durchsichtiger klebriger Flüssigkeit; als diese aber unter starker Vergrösserung

untersucht wurde, lieszen sich darin Fettkügelchen, Stückchen elastischen Fasergewebes und einige wenige Parallelogramme von Fleischsubstanz unterscheiden, aber nicht eine Spur von Querstreifen. Auf

den andern beiden Blättern waren nur äuszerst kleine Kügelchen theilweise verdauten Fleisches mitten in reichlicher durchsichtiger Flüssigkeit vorhanden.

Fibrin. — Stückchen Fibrin wurden vier Tage lang in Wasser

gelassen, während die folgenden Experimente angestellt wurden; es

fand aber nicht im Mindesten eine Einwirkung auf sie statt. Das

Fibrin, welches ich zuerst anwandte, war nicht rein, sondern schlosz

dunkle Theilchen ein; es war entweder nicht gut dargestellt worden,

oder hatte später eine Umwandlung erlitten. Dünne, ungefähr 

Quadratzoll grosse Stückchen wurden auf mehrere Blätter gelegt, und

obgleich das Fibrin bald verflüssigt wurde, wurde doch niemals das

Ganze aufgelöst. Es wurden dann kleinere Theilchen auf vier Blätter

gebracht und Tropfen von Salzsäure (ein Theil auf 437 Theile Wasser)

hinzugefügt; dies schien den Procesz der Verdauung zu beschleunigen,

denn auf einem Blatte war nach 20 Stunden Alles verflüssigt und

aufgesogen; aber auf den drei andern Blättern blieb nach 48 Stunden

noch etwas unaufgelöster Rückstand. Es ist merkwürdig, dasz in allen

den obigen sowie in den folgenden Experimenten, ebenso auch wenn

gröszere Stückchen Fibrin angewandt wurden, die Blätter sehr wenig

gereizt wurden; zuweilen war es nothwendig, ein wenig Speichel hinzuzufügen, um vollständige Einbiegung zu veranlassen. Überdies begannen die Blätter sich nach nur 48 Stunden wieder auszubreiten,

während sie eine viel längere Zeit eingebogen geblieben wären, wenn

Insecten, Fleisch, Knorpel, Eiweisz u. s. w. auf sie gelegt worden

wären.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Ich machte dann Versuche mit etwas reinem weiszen Fibrin, welches mir Dr. Burdon Sanderson geschickt hatte.

1. Versuch. — Zwei Stückchen, kaum   Zoll (1,27 Mm.) im

Geviert, wurden auf die entgegengesetzten Seiten eines und desselben

Blattes gelegt. Eines derselben reizte die umgebenden Tentakeln gar

nicht, und die Drüse, auf welcher es lag, vertrocknete bald. Das andere

Stückchen bewirkte, dasz sich einige wenige der kurzen in der Nähe befindlichen Tentakeln einbogen, während die entfernteren nicht afficirt

wurden. Nach 24 Stunden waren beide beinahe, und nach 72 Stunden

beide vollständig aufgelöst.

2. Versuch. — Derselbe Versuch wurde mit demselben Resultate

angestellt, indem auch hier nur eines der beiden Fibrinstückchen die

kurzen umgebenden Tentakeln reizte. Die Einwirkung auf dieses Stückchen erfolgte so langsam, dasz ich es nach Verlauf eines Tages auf ein

paar frische Drüsen schob. Innerhalb dreier Tage von der Zeit an, wo

es zuerst auf das Blatt gelegt worden war, war es vollständig aufgelöst.

3. Versuch. — Stückchen Fibrin von ungefähr derselben Grösze

wie vorher wurden auf die Scheiben zweier Blätter gelegt; dieselben bewirkten in 23 Stunden sehr geringe Einbiegung, aber nach 48 Stunden

waren beide von den umgebenden kurzen Tentakeln wohl umfaszt und

nach Verlauf weiterer 24 Stunden vollständig aufgelöst. Auf der Scheibe

eines dieser Blätter blieb viel klare Flüssigkeit zurück.

4. Versuch. — Ähnliche Stückchen Fibrin wurden auf die Scheiben zweier Blätter gethan; da die Drüsen nach 2 Stunden ziemlich trocken

zu sein schienen, wurden sie reichlich mit Speichel befeuchtet; dies bewirkte bald eine starke Einbiegung sowohl der Tentakeln als auch der

Blattscheiben mit reichlicher Absonderung der Drüsen. In 18 Stunden

war das Fibrin vollständig verflüssigt, aber unverdaute Atome schwammen

noch in der Flüssigkeit; diese verschwanden indessen in weniger als zwei

weiteren Tagen.

Nach diesen Experimenten ist es klar, dasz die Absonderung reines

Fibrin vollständig auflöst. Die Schnelligkeit der Auflösung ist im

Ganzen gering; dies hängt aber nur davon ab, dasz diese Substanz

die Blätter nicht genügend erregt, so dasz nur die unmittelbar benachbarten Tentakeln eingebogen werden und die Menge des Secrets eine

geringe bleibt.

Syntonin. — Diese aus Muskeln ausgezogene Substanz hatte

mir Dr. Moore freundlichst präparirt. Sehr verschieden vom Fibrin

wirkt sie schnell und energisch ein. Kleine, auf die Scheiben von drei

Blättern gebrachte Portionen bewirkten innerhalb 8 Stunden eine starke

Einbiegung ihrer Tentakeln und Scheiben; es wurden aber keine weiteren Beobachtungen angestellt. Es ist wahrscheinlich eine Folge der


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

Anwesenheit dieser Substanz, dasz rohes Fleisch ein zu mächtiger

Reiz ist, welcher die Blätter häufig beschädigt oder selbst tödtet.

Zellgewebe. — Kleine Portionen dieses Gewebes von einem

Schafe wurden auf die Scheiben dreier Blätter gelegt; diese wurden

in 24 Stunden mäszig eingebogen, fiengen aber nach 48 Stunden an,

sich wieder auszubreiten und waren in 72 Stunden vollständig ausgebreitet, immer von der Zeit an gerechnet, wo die Stückchen zuerst

aufgelegt worden waren. Diese Substanz reizt daher, wie das Fibrin,

die Blätter nur für kurze Zeit. Der auf den Blättern nach deren

völliger Wiederausbreitung zurückgelassene Rückstand wurde unter

starker Vergröszerung untersucht und stellte sich als bedeutend verändert heraus; aber in Folge der Anwesenheit einer Menge von elastischem Gewebe, welches niemals der Einwirkung unterliegt, konnte

man kaum sagen, dasz er sich in einem verflüssigten Zustande befunden habe.

Etwas, von elastischem Gewebe freies Zellgewebe verschaffte ich

mir nun aus der Eingeweidehöhle einer Kröte und brachte Stücke von

mäsziger Grösze, ebenso wie sehr kleine Stückchen auf fünf Blätter.

Nach 24 Stunden waren zwei dieser Stückchen vollständig verflüssigt;

zwei andere waren durchscheinend geworden, aber nicht ganz verflüssigt, während das fünfte nur wenig afficirt war. Mehrere Drüsen

auf den drei letzten Blättern wurden nun mit etwas Speichel angefeuchtet, was bald eine bedeutende Einbiegung und Absonderung bewirkte, mit dem Resultate, dasz im Verlaufe von weiteren 12 Stunden

nur ein Blatt ein Überbleibsel von unverdautem Gewebe noch darbot.

Auf den Scheiben der vier andern Blätter (deren einem ein ziemlich

groszes Stück gegeben worden war) war nichts zurückgelassen, ausgenommen etwas durchscheinende klebrige Flüssigkeit. Ich will noch

hinzufügen, dasz etwas von diesem Gewebe Punkte von schwarzem

Pigment enthielt, und diese waren durchaus gar nicht afficirt. Zur

Controle wurden in einem andern Versuche kleine Partien dieses Gewebes in Wasser und auf feuchtem Moose eine gleich lange Zeit hindurch gelassen; sie blieben aber weisz und undurchsichtig. Aus diesen

Thatsachen geht deutlich hervor, dasz Zellgewebe von dem Secrete

leicht und schnell verdaut wird, dasz es aber die Blätter nur unbedeutend reizt.

Knorpel. — Drei Würfel (von   Zoll oder 1,27 Mm. Seitenlänge) weiszen, durchscheinenden, äuszerst zähen Knorpels wurden vom


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Ende eines leicht gerösteten Schenkelbeins eines Schafes abgeschnitten.

Dieselben wurden auf drei Blätter gelegt, welche ärmliche kleine

Pflanzen in meinem Gewächshause im Laufe des November trugen;

es schien mir im höchsten Grade unwahrscheinlich, dasz eine so harte

Substanz unter so ungünstigen Umständen verdaut werden würde.

Nichtsdestoweniger waren nach 48 Stunden die Würfel bedeutend gelöst und in äuszerst kleine Kugeln verwandelt, die von durchsichtiger,

sehr saurer Flüssigkeit umgeben waren. Zwei dieser Kugeln waren

bis zu ihrem Mittelpunkte vollständig aufgeweicht, während die dritte

noch einen sehr kleinen, unregelmäszig geformten Kern von solidem

Knorpel enthielt. Ihre Oberfläche erschien unter dem Mikroskope

merkwürdig von vorspringenden Leisten gezeichnet, was dafür sprach,

dasz der Knorpel von dem Secrete ungleichmäszig corrodirt war. Ich

brauche kaum zu sagen, dasz Würfel desselben Knorpels, eine gleich

lange Zeit in Wasser gelassen, nicht im Geringsten afficirt wurden.

Während einer günstigeren Jahreszeit wurden mäszig grosze

Stückchen des abgehäuteten Ohres einer Katze, welches Knorpel,

Bindegewebe und elastisches Gewebe enthält, auf drei Blätter gelegt.

Einige der Drüsen wurden mit Speichel berührt, was eine sofortige

Einbiegung veranlaszt. Zwei von den Blättern fiengen sich nach drei

Tagen wieder auszubreiten an und das dritte am fünften Tage. Es

wurde nun der flüssige Rückstand, der auf den Blattscheiben übrig

gelassen war, untersucht; in einem Falle bestand derselbe aus

vollkommen durchsichtiger klebriger Substanz; in den andern zwei

Fällen enthielt er etwas elastisches Gewebe und allem Anscheine nach

Überrreste halbverdauten Zellgewebes.

Faserknorpel (aus den Zwischenwirbelbändern vom Schwanze

eines Schafes). — Mäszig grosze und kleine Stückchen (die letzteren

ungefähr   Zoll grosz) wurden auf neun Blätter gebracht. Einige

derselben wurden ordentlich, manche wiederum sehr wenig eingebogen.

Im letztern Falle wurden dann die Stückchen über die Scheiben hin

gezogen, so dasz sie gehörig mit dem Secrete bestrichen und dabei

auch viele Drüsen gereizt wurden. Alle diese Blätter breiteten sich

nach nur zwei Tagen wieder aus, so dasz sie von dieser Substanz nur

unbedeutend gereizt worden waren. Die Stückchen waren nicht verflüssigt, waren aber sicher in einem veränderten Zustande, waren geschwollen, viel durchscheinender, und so zart, dasz sie sich leicht zersetzten. Mein Sohn Francis stellte etwas künstlichen Magensaft dar,


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

welcher sich dadurch als wirksam erwies, dasz er Fibrin schnell auflöste, und suspendirte Portionen von Faserknorpel darin. Diese schwollen an und wurden hyalin, genau so wie die, welche der Einwirkung

des Secrets der Drosera ausgesetzt waren, sie wurden aber nicht aufgelöst. Dieses Resultat überraschte mich sehr, da zwei Physiologen

der Meinung waren, dasz Faserknorpel leicht vom Magensaft verdaut

werden würde. Ich bat daher Dr. Klein, die Stückchen zu untersuchen; er theilt mir mit, dasz die beiden, welche der Einwirkung

des künstlichen Magensaftes ausgesetzt gewesen waren, "sich in dem

"Zustande der Verdauung befanden, auf welchem wir Bindegewebe

"finden, wenn es mit einer Säure behandelt wird, d. h. geschwollen,

"mehr oder weniger hyalin, wobei die Fibrillenbündel homogen gewor"den sind und ihren fibrillären Bau verloren haben."In den Stückchen, welche auf den Blättern der Drosera gelassen worden waren,

bis sich diese wieder ausgebreitet hatten, "waren einzelne Stellen,

"wenn auch nur unbedeutend, in derselben Art und Weise umgewandelt,

"wie die dem Magensafte ausgesetzten, da auch sie durchscheinender,

"beinahe hyalin und die Fibrillation der Bündel undeutlich geworden

war.‟ Auf den Faserknorpel wirkt daher der Magensaft in nahezu

derselben Art und Weise ein wie das Secret der Drosera.

Knochen. — Kleine, glatte Stückchen des getrockneten Zungenbeins eines Huhns wurden mit Speichel befeuchtet auf zwei Blätter

gebracht und ein ähnlich befeuchteter Splitter eines auszerordentlich

harten, angerösteten Knochens aus einem Hammelcotelette auf ein

drittes Blatt. Diese Blätter wurden bald stark eingebogen und blieben

eine ungewöhnlich lange Zeit hindurch so: nämlich, das eine Blatt

zehn und die andern beiden neun Tage lang. Die Knochenstückchen

waren während dieser ganzen Zeit von saurem Secrete umgeben. Als

sie unter schwacher Vergrösserung untersucht wurden, zeigten sie sich

völlig erweicht, so dasz sie leicht mit einer stumpfen Nadel durchstochen, in Fasern zerrissen, oder zusammengedrückt werden konnten.

Dr. Klein war so gut, von beiden Knochen Durchschnitte zu machen

und dieselben zu untersuchen. Er theilt mir mit, dasz beide die normale Erscheinung von entkalktem Knochen darboten, gelegentlich hier

und da noch mit Überresten der erdigen Salze. Die Knochenkörperchen mit ihren Fortsätzen waren an den meisten Stellen sehr deutlich; aber an einigen Stellen, besonders in der Nähe der Peripherie

des Zungenbeins, waren keine zu sehen. Andere Partien erschienen


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

ferner ganz amorph; es war nicht einmal die Längsstreifung des Knochens mehr zu erkennen. Diese amorphe Structur kann, wie Dr. Klein

meint, entweder das Resultat der beginnenden Verdauung der fasrigen

Grundlage oder der Entfernung sämmtlicher erdiger Substanz sein, wodurch die Knochenkörperchen unsichtbar geworden waren. Eine harte,

brüchige gelbliche Substanz nahm die Stelle des Knochenmarks in den

Bruchstücken des Zungenbeins ein.

Da die Kanten und kleinen Vorsprünge der fasrigen Grundsubstanz nicht im mindestens abgerundet oder corrodirt waren, so wurden

zwei dieser Stückchen auf frische Blätter gelegt. Dieselben waren

am nächsten Morgen dicht eingebogen und blieben es, das eine sechs,

das andere sieben Tage lang, daher keine so lange Zeit hindurch als

bei der ersten Gelegenheit, aber doch viel länger, als jemals bei Blättern vorkommt, welche über unorganische oder selbst viele organische

Körper eingebogen wurden. Das Secret färbte die ganze Zeit hindurch

Lackmus-Papier hellroth; dies kann aher eine Folge der Anwesenheit

von saurem Kalksuperphosphat gewesen sein. Als sich die Blätter

wieder ausbreiteten, waren die Kanten und Vorsprünge der faserigen

Grundlage so scharf wie je. Ich folgerte daher hieraus (wie wir gleich

sehen werden irrthümlicherweise), dasz das Secret die faserige Grundsubstanz des Knochens nicht angreifen könne. Die wahrscheinlichere

Erklärung ist die, dasz die ganze Säure bei der Zersetzung des noch

übrig gelassenen phosphorsauren Kalkes aufgebraucht worden war, so

dasz keine mehr im freien Zustande übrig war, um in Verbindung mit

dem Ferment auf die faserige Grundsubstanz einzuwirken.

Schmelz und Zahnbein. — Da das Secret gewöhnlichen Knochen seines Kalkes beraubte, entschlosz ich mich zu versuchen, ob sie

auch auf Schmelz und Zahnbein einwirken würde, erwartete aber nicht,

dasz es bei einer so harten Substanz wie dem Zahnschmelz Erfolg

haben würde. Dr. Klein gab mir einige dünne Querschnitte des Eckzahns eines Hundes; hiervon wurden kleine eckige Bruchstücke auf

vier Blätter gebracht; und diese wurden an jedem folgenden Tage

um dieselbe Stunde untersucht. Ich glaube, die Resultate verdienen

im Detail mitgetheilt zu werden.

1. Versuch. — 1. Mai; ein Bruchstück auf ein Blatt gebracht;

am 3. waren die Tentakeln nur wenig eingebogen, es wurde daher etwas

Speichel zugesetzt; am 6.: da die Tentakeln nicht stark eingebogen waren,

wurde das Fragment auf ein anderes Blatt gebracht, welches zuerst nur


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

langsam reagierte, aber am 9. das Bruchstück dicht umschlosz. Am 11.

fieng dies zweite Blatt an, sich wieder auszubreiten; das Bruchstück

war offenbar erweicht, und Dr. Klein berichtet: »ein groszer Theil des

"Schmelzes und der gröszere Theil des Zahnbeins des Kalkes beraubt.«

2. Versuch. — 1. Mai; ein Bruchstück auf ein Blatt gelegt; am 2.

waren die Tentakeln ziemlich ordentlich eingebogen, bei reichlicher Absonderung auf der Scheibe, und blieben bis zum 7. eingebogen, wo sich

das Blatt wieder ausbreitete. Das Fragment wurde nun auf ein frisches

Blatt gebracht, welches am nächsten Tage (am 8.) in der stärksten Weise

eingebogen war und bis zum 11. so blieb, wo es sich wieder ausbreitete.

Dr. Klein berichtet: »ein groszer Theil des Schmelzes und der gröszere

"Theil des Zahnbeins des Kalkes beraubt.«

3. Versuch. — 1. Mai; ein Bruchstück mit Speichel befeuchtet

und auf ein Blatt gebracht, welches bis zum 5. gut eingebogen blieb

und sich dann wieder ausbreitete. Der Schmelz war durchaus nicht und

das Zahnbein nur unbedeutend erweicht. Das Bruchstück wurde nun auf

ein frisches Blatt gebracht, welches am nächsten Morgen (6.) stark eingebogen war und bis zum 11. so blieb. Der Schmelz und das Zahnbein

waren jetzt beide etwas erweicht, und Dr. Klein berichtet: »weniger

"als die Hälfte des Schmelzes, aber der gröszere Theil des Zahnbeins

"des Kalkes beraubt.«

4. Versuch. — 1. Mai; ein äuszerst kleines und dünnes Stückchen

Zahnbein wurde, mit Speichel befeuchtet, auf ein Blatt gebracht, welches

bald eingebogen wurde und sich am 5. wieder ausbreitete. Das Zahnbein war so biegsam geworden wie dünnes Papier. Es wurde dann auf

ein frisches Blatt gebracht, welches am nächsten Morgen (am 6.) stark

eingebogen war und sich am 10. wieder öffnete. Das seiner Kalksalze

beraubte Zahnbein war nun so zart, dasz es durch die blosze Kraft der

sich ausbreitenden Tentakeln in Stückchen zerrissen wurde.

Aus diesen Versuchen geht hervor, dasz die Schmelzsubstanz von

dem Secrete mit mehr Schwierigkeit angegriffen wird, als das Zahnbein, wie sich nach ihrer auszerordentlichen Härte hätte erwarten

lassen; beide werden ferner schwieriger angegriffen als Knochen. Nachdem der Procesz der Auflösung einmal begonnen hat, wird er mit

gröszerer Leichtigkeit weiter geführt; dies kann man daraus schlieszen,

dasz die Blätter, auf welche die Bruchstücke übertragen wurden, in

allen vier Fällen im Laufe eines einzigen Tages stark eingebogen wurden, während die erste Reihe Blätter viel weniger schnell und energisch

reagierten. Die Kanten und Vorsprünge der faserigen Grundsubstanz

des Schmelzes und Zahnbeins (vielleicht mit Ausnahme des 4. Falles,

welcher nicht ordentlich beobachtet werden konnte) waren nicht im

mindesten abgerundet; auch bemerkt Dr. Klein, dasz ihre mikroskopische Structur nicht verändert gewesen sei. Dies hätte man aber


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

auch nicht erwarten können, da die Entkalkung in den drei Exemplaren

welche sorgfältig untersucht wurden, nicht vollständig war.

Faserige Grundsubstanz des Knochens. — Ich war, wie

ich bereits angeführt habe, zuerst zu dem Schlusse gelangt, dasz das

Secret diese Substanz nicht verdauen könne. Ich bat daher Dr. Burdon Sanderson, die Verdauung von Knochen, Schmelz und Zahnbein

in künstlichem Magensaft zu versuchen, und er fand, dasz sie nach

einer beträchtlichen Zeit vollständig aufgelöst wurden. Dr. Klein

untersuchte einige der kleinen Lamellen, in welche sich ein Stück

eines Katzenschädels nach einem ungefähr einwöchentlichen Liegen

in jener Flüssigkeit spaltete, und fand, dasz nach den Rändern zu

"die Grundsubstanz rarificirt war, so dasz das Aussehen entstand, als

"wenn die Canälchen der Knochenkörperchen gröszer geworden wären.

"Übrigens waren die Körperchen und ihre Canälchen sehr deutlich.‟

Es geht daher bei Knochen, welche der Einwirkung künstlichen Magensaftes ausgesetzt werden, die vollständige Entkalkung der Auflösung

der faserigen Grundsubstanz voraus. Dr. Burdon Sanderson sprach

die Vermuthung gegen mich aus, dasz das scheinbare Unvermögen der

Drosera, die faserige Grundsubstanz des Knochens, Schmelzes und

Zahnbeins zu verdauen, vielleicht eine Folge davon sei, dasz die Säure

bei der Zersetzung der erdigen Salze aufgebraucht werde, so dasz keine

übrig bleibe für die Arbeit der Verdauung. Dementsprechend entkalkte mein Sohn den Knochen eines Schafes gänzlich mittelst schwacher Salzsäure; sieben äuszerst kleine Fragmente der faserigen Grundsubstanz wurden auf ebenso viele Blätter gebracht, wobei vier dieser

Bruchstücke zuerst mit Speichel befeuchtet wurden, um die sofortige

Einbiegung zu unterstützen. Sämmtliche sieben Blätter wurden eingebogen, aber nur sehr mäszig, und zwar im Verlaufe eines Tages.

Sie fiengen schnell an, sich wieder auszubreiten, fünf von ihnen schon

am zweiten und die andern beiden am dritten Tag. Auf allen sieben

Blättern war das fasrige Gewebe in vollkommen durchscheinende,

klebrige, mehr oder weniger verflüssigte kleine Massen verwandelt. In

der Mitte einer derselben sah indessen mein Sohn bei starker Vergröszerung einige wenige Körperchen mit Spuren einer Faserung in

der umgebenden durchscheinenden Substanz. Nach diesen Thatsachen

ist es klar, dasz die Blätter von der fasrigen Grundsubstanz des Knochens sehr wenig gereizt werden, dasz aber das Secret dieselbe leicht

und schnell verflüssigt, wenn sie vollständig entkalkt ist. Die Drüsen,


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

welche zwei oder drei Tage lang mit den klebrigen Massen in Berührung geblieben waren, waren nicht entfärbt und hatten dem Anscheine nach wenig von dem verflüssigten Gewebe absorbirt, oder

waren nur wenig von ihm afficirt worden.

Phosphorsaurer Kalk. — Da, wie wir gesehen haben, die

Tentakeln der ersten Reihe Blätter neun oder zehn Tage lang über

minutiösen Knochenfragmenten eingeschlagen geblieben waren, die Tentakeln der Blätter der zweiten Reihe über denselben Fragmenten

sechs oder sieben Tage lang, so wurde ich auf die Vermuthung geführt, dasz es der phosphorsaure Kalk und nicht irgend welche eingeschlossene thierische Substanz sei, welcher eine so lange andauernde

Einbiegung bewirke. Nach dem, was soeben erst gezeigt worden ist,

ist es wenigstens sicher, dasz letztere nicht in Folge der Anwesenheit der fasrigen Grundsubstanz eintrat. Bei Schmelz und Zahnbein

(ersterer enthält nur 4 Procent organischer Substanz) blieben die

Tentakeln zweier nach einander versuchter Reihen von Blättern im

Ganzen elf Tage lang eingebogen. Um meine Meinung über die

Wirksamkeit des phosphorsauren Kalks zu prüfen, verschaffte ich mir

durch Professor Frankland etwas von thierischer Substanz und von

irgend einer Säure absolut freies Phosphat. Eine kleine mit Wasser

angefeuchtete Quantität wurde auf die Scheiben von zwei Blättern

gebracht. Eines derselben wurde nur unbedeutend afficirt; das andere

blieb zehn Tage lang dicht eingebogen, worauf dann einige wenige

Tentakeln sich wieder auszustrecken begannen, während die übrigen

bedeutend beschädigt oder getödtet waren. Ich wiederholte das Experiment, befeuchtete aber das Phosphat mit Speichel, um einer sofortigen Einbiegung mich zu versichern. Ein Blatt blieb sechs Tage

lang eingebogen (die geringe Menge des angewandten Speichels würde

auch nicht annähernd so lange gewirkt haben) und starb dann ab;

das andere Blatt versuchte am sechsten Tage sich wieder auszubreiten, es gelang ihm aber nach neun Tagen nicht, dann starb es

gleichfalls. Obgleich die diesen vier Blättern gegebene Quantität von

Phosphat äuszerst klein war, blieb doch in allen Fällen viel ungelöst

zurück. Eine gröszere mit Wasser befeuchtete Quantität wurde nun

zunächst auf die Scheiben von drei Blättern gebracht; diese wurden

im Laufe von 24 Stunden äuszerst stark eingebogen. Sie breiteten

sich niemals wieder aus; am vierten Tage sahen sie kränklich aus

und am sechsten waren sie beinahe todt. Grosze Tropfen nicht sehr

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 7

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

klebriger Flüssigkeit hiengen während der sechs Tage von ihren

Rändern herab. Diese Flüssigkeit wurde jeden Tag mit LackmusPapier probirt, färbte es aber niemals; dies ist ein Umstand, den ich

nicht verstehen kann, da das Kalksuperphosphat ja sauer ist. Ich

vermuthe nämlich, dasz sich etwas Superphosphat durch Einwirkung

der Säure des Secrets auf das Phosphat gebildet haben musz, dasz es

aber gänzlich absorbirt worden ist und die Blätter verletzt hat; die

groszen von den Blatträndern herabhängenden Tropfen wären dann

eine abnorme und hydropische Absonderung. Unter allen Umständen

ist offenbar der phosphorsaure Kalk ein äuszerst wirksames Reizmittel.

Selbst kleine Dosen sind mehr oder weniger giftig, wahrscheinlich in

Folge desselben Princips, wornach rohes Fleisch und andere im Überschusz gegebene nährbare Substanzen die Blätter tödten. Es ist daher die Schluszfolgerung ohne Zweifel correct, dasz die lange andauernde Einbiegung der Tentakeln über Bruchstücken von Knochen,

Schmelz und Zahnbein durch die Gegenwart von phosphorsaurem Kalk,

nicht durch die irgend welcher eingeschlossener thierischer Substanz

bewirkt wird.

Gelatine. — Ich benutzte reine Gelatine in dünnen Blättern,

welche mir Prof. Hoffmann gegeben hatte. Zur Vergleichung wurden

Quadrate von derselben Grösze wie die auf die Blätter gelegten dicht

daneben auf feuchtem Moose liegen gelassen. Diese schwollen bald

an, behielten aber ihre Kanten drei Tage lang; nach fünf Tagen bildeten sie abgerundete, erweichte Massen; aber selbst am achten Tage

noch konnte eine Spur von Gelatine nachgewiesen werden. Andere

Quadrate wurden in Wasser eingetaucht, und obgleich diese bedeutend aufschwollen, behielten sie doch ihre Kanten sechs Tage lang.

Quadrate von   Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge wurden, eben mit Wasser

befeuchtet, auf zwei Blätter gelegt, und nach zwei oder drei Tagen

war nichts mehr auf ihnen übrig als etwas saure klebrige Flüssigkeit, welche in diesem Falle eben so wenig wie in andern irgendwelche Neigung zeigte, sich wieder in Gallerte zu verwandeln; es

musz daher das Secret auf die Gelatine anders einwirken als Wasser

und allem Anscheine nach in derselben Art und Weise, wie es der

Magensaft thut 7. Vier Quadrate von derselben Grösze wie vorhin

wurden dann drei Tage lang in Wasser eingeweicht und dann auf

7 Dr. Lauder Brunton, Handbook for the Physiol. Laboratory. 1873. p.

477, 487; Schiff, Leçons phys. de la Digestion, 1867. Tom. II. p. 249.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

grosze Blätter gebracht; die Gelatine war in zwei Tagen verflüssigt

und sauer geworden, rief aber keine starke Einbiegung hervor. Die

Blätter fiengen nach vier oder fünf Tagen an, sich wieder auszubreisen, wobei viel klebrige Flüssigkeit auf ihren Scheiben liegen blieb,

als wenn nur wenig absorbirt worden wäre. Eines dieser Blätter

fieng, sobald es sich wieder ausgebreitet hatte, eine kleine Fliege und

war nach 24 Stunden dicht eingebogen; woraus hervorgeht, um wie

viel wirksamer die von einem Insect aufgesaugte thierische Substanz

ist als Gelatine. Einige gröszere, fünf Tage lang in Wasser eingeweichte Stücke Gelatine wurden dann auf drei Blätter gebracht, diese

wurden aber nicht eher als am dritten Tage bedeutend eingebogen;

auch war die Gelatine nicht vor dem vierten Tage vollständig verflüssigt. An diesem Tage fieng das eine Blatt an, sich wieder auszubreiten, das zweite am fünften, das dritte am sechsten Tage. Diese

verschiedenen Thatsachen beweisen, dasz die Gelatine durchaus nicht

energisch auf die Drosera einwirkt.

Im letzten Capitel wurde gezeigt, dasz eine Lösung von Hausenblase, wie sie im Handel vorkommt, so dick wie Milch oder Rahm

eine starke Einbiegung veranlaszt. Ich wünschte daher ihre Einwirkung mit der der reinen Gelatine zu vergleichen. Lösungen von einem

Theile beider Substanzen in 218 Theilen Wasser wurden gemacht,

und halbe Minim-Tropfen (0,0296 Cub. Cent.) auf die Scheiben von

acht Blättern gethan, so dasz ein jedes   Gran (0,135 Milligr.) erhielt. Die vier Blätter mit der Hausenblase wurden viel stärker eingebogen als die andern vier. Ich schliesze daher hieraus, dasz die

Hausenblase etwas, wennschon vielleicht sehr wenig, lösliche albuminöse Substanz enthält. Sobald diese acht Blätter sich wieder ausgebreitet hatten, wurden ihnen Stückchen gerösteten Fleisches gegeben, und alle wurden in einigen Stunden bedeutend eingebogen;

was wiederum zeigt, wie viel mehr Fleisch die Drosera reizt, als es

Gelatine oder Hausenblase thut. Dies ist eine interessante Thatsache, da es wohl bekannt ist, dasz Gelatine für sich allein nur

wenig im Stande ist, Thiere zu ernähren 8.

Chondrin. — Dies schickte mir Dr. Moore im gallertigen Zustande. Etwas davon wurde langsam getrocknet und ein kleines

8 Dr. Lauder Brunton theilt in dem ‚Medical Record', Januar 1873, p. 36

einen Bericht über Voit's Ansicht mit von der indirecten Rolle, welche die Gelatine bei der Ernährung spielt.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Schnittchen davon auf ein Blatt, ein viel gröszeres Schnittchen auf

ein zweites Blatt gelegt. Das erste war in einem Tage verflüssigt;

das gröszere Stück war bedeutend geschwollen und erweicht, war aber

nicht vor dem dritten Tage vollständig flüssig geworden. Es wurde

nun die nicht getrocknete Gallerte versucht, und als Controleversuch

wurden kleine Würfel vier Tage lang in Wasser liegen gelassen, wo

sie ihre Kanten behielten. Würfel derselben Grösze wurden auf zwei

Blätter, und gröszere Würfel auf zwei andere Blätter gelegt. Die

Tentakeln und Blattscheiben der letzteren waren nach 22 Stunden

dicht eingebogen, diejenigen der beiden Blätter mit den kleineren

Würfelchen aber nur in einem mäszigen Grade. Die Gallerte war in

dieser Zeit auf allen vier Blättern verflüssigt und sehr sauer geworden. Die Drüsen waren in Folge der Zusammenballung ihres protoplasmatischen Inhalts geschwärzt. In 46 Stunden von der Zeit an,

wo die Gallerte aufgelegt worden war, hatten sich die Blätter beinahe wieder ausgebreitet, und waren vollständig ausgebreitet nach

70 Stunden, jetzt war nur ein wenig in geringem Grade klebrige

Flüssigkeit nicht aufgesaugt auf den Blattscheiben übrig geblieben.

Ein Theil der Chondrin-Gallerte wurde in 218 Theilen kochenden

Wassers aufgelöst und halbe Minim-Tropfen auf vier Blätter gebracht;

ein jedes derselben erhielt also   Gran (0,135 Milligr.) von der

Gallerte, und natürlich viel weniger trockenes Chondrin. Dies wirkte

äuszerst kräftig, denn nach nur 3 Stunden 80 Minuten waren alle

vier Blätter stark eingebogen. Drei derselben fiengen nach 24 Stunden an, sich wieder auszubreiten und waren in 48 Stunden vollständig geöffnet; das vierte aber hatte sich nur zum Theil wieder ausgebreitet. Alles flüssig gewordene Chondrin war in dieser Zeit absorbirt. Es scheint daher eine Lösung von Chondrin bei weitem

schneller und energischer einzuwirken als reine Gelatine oder Hausenblase; gute Gewährsmänner haben mir aber versichert, dasz es äuszerst

schwierig, wenn nicht unmöglich ist zu erkennen, ob Chondrin rein

ist, und wenn dasselbe irgend welche albuminöse Verbindung enthielt,

würde diese die oben geschilderten Wirkungen hervorgebracht haben.

Nichtsdestoweniger habe ich diese Thatsachen der Mittheilung werth

gehalten, da über den Ernährungswerth der Gelatine noch so viel

Zweifel besteht; auch kennt Dr. Lauder Brunton keine Versuche an

Thieren über den relativen Werth der Gelatine und des Chondrins.

Milch. — Wir haben im letzten Capitel gesehen, dasz Milch


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

äuszerst kräftig auf die Blätter wirkt; ob dies aber in Folge des in

ihr enthaltenen Casëins oder Albumins geschieht, weisz ich nicht.

Ziemlich grosze Tropfen Milch regen eine so starke Absonderung an

(die sehr sauer ist), dasz sie zuweilen von den Blättern abtröpfelt;

dies ist gleichfalls für chemisch präparirtes Casëin characteristisch.

Sehr kleine Tropfen Milch auf Blätter gebracht, waren in ungefähr

zehn Minuten geronnen. Schiff läugnet 9, dasz die Gerinnung der

Milch durch den Magensaft ausschlieszlich Folge der vorhandenen

Säure sei, sondern schreibt sie theilweise dem Pepsin zu; es scheint

auch zweifelhaft zu sein, ob bei Drosera die Coagulation gänzlich

eine Folge der Säure ist, da das Secret gewöhnlich Lackmus-Papier

nicht eher färbt, als bis die Tentakeln ordentlich eingebogen worden

sind, während doch, wie wir gesehen haben, die Coagulation in ungefähr zehn Minuten beginnt. Sehr kleine Tropfen abgerahmter Milch

wurden auf die Scheiben von fünf Blättern gebracht; ein groszer Theil

der geronnenen Substanz oder des Quarks war in 6 Stunden und

noch vollständiger in 8 Stunden aufgelöst. Diese Blätter breiteten

sich nach zwei Tagen wieder aus, und nun wurde die auf ihren

Scheiben zurückgelassene klebrige Flüssigkeit sorgfältig abgekratzt

und untersucht. Auf den ersten Blick schien es, als ob nicht alles

Casëin aufgelöst worden sei, denn es blieb ein wenig Substanz zurück,

welche bei auffallendem Lichte weisz erschien. Wenn aber diese Substanz unter starker Vergröszerung untersucht und mit einem minutiösen Tropfen abgerahmter, durch Essigsäure zur Gerinnung gebrachter

Milch verglichen wurde, so sah man, dasz sie ausschlieszlich aus mehr

oder weniger aggregirten Fettkügelchen ohne eine Spur von Casëin bestand. Da ich mit der mikroskopischen Erscheinung der Milch nicht

vertraut war, bat ich Dr. Lauder Brunton die Präparate zu untersuchen; er prüfte die Kügelchen mit Äther und fand, dasz sie sich

darin lösten. Wir dürfen daher schlieszen, dasz das Secret das Casëin

in dem Zustande, in dem es in der Milch existirt, schnell auflöst.

Chemisch präparirtes Casëin. — Diese Substanz, welche

in Wasser unlöslich ist, wird von vielen Chemikern für von dem

Casëin der frischen Milch verschieden gehalten. Ich verschaffte etwas

davon, aus harten Kügelchen bestehend, von den Herren Hopkins und

Williams und stellte viele Versuche damit an. Kleine Stückchen und

9 Leçons etc. Tom. II. p. 151.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

das Pulver, beides sowohl im trockenen Zustande als mit Wasser angefeuchtet, veranlaszten die Blätter, auf welche sie gelegt wurden,

sich sehr langsam einzubiegen, meist nicht vor Ablauf zweier Tage.

Andre, mit schwacher Salzsäure (ein Theil auf 437 Theile Wasser)

befeuchtet, wirkten in einem einzigen Tage, wie es auch etwas von

Dr. Moore frisch für mich präparirtes Casëin that. Die Tentakeln

blieben gewöhnlich sieben bis neun Tage lang eingebogen, und während dieser ganzen Zeit war das Secret stark sauer. Selbst am elften

Tage war etwas auf der Scheibe eines vollständig wieder ausgebreiteten Blattes zurückgebliebenes Secret noch stark sauer. Die Säure

scheint schnell abgesondert zu werden, denn in einem Falle färbte

das Secret von den scheibenständigen Drüsen, auf welche ein wenig

gepulvertes Casëin gestreut worden war, Lackmus-Papier, ehe noch

einer der äuszeren Tentakeln eingebogen worden war.

Kleine Würfel mit Wasser angefeuchteten harten Casëins wurden

auf zwei Blätter gebracht; nach drei Tagen waren die Kanten des

einen Würfels ein wenig abgerundet, und nach sieben Tagen bestanden beide aus runden erweichten Massen, mitten in vieler klebriger

und saurer Absonderungsflüssigkeit. Man darf aber aus dieser Thatsache nicht folgern, dasz die Kanten aufgelöst worden wären, denn

Würfel, welche in Wasser gelegt waren, zeigten eine ähnliche Einwirkung. Nach neun Tagen begannen diese Blätter sich wieder auszubreiten; das Casëin schien aber in diesem Falle wie in anderen

Fällen, so weit sich mit bloszem Auge beurtheilen liesz, an Umfang

nicht bedeutend, wenn überhaupt nur, reducirt worden zu sein. Nach

der Angabe Hoppe-Seyler's und Lubavin's 10 besteht das Casëin aus

einer eiweiszartigen Substanz in Verbindung mit einer nicht eiweiszartigen: und die Absorption einer sehr geringen Quantität der ersteren

wird die Blätter reizen und doch das Casëin in keinem bemerkbaren

Grade vermindern. Schiff behauptet 11 — und dies ist eine bedeutungsvolle Thatsache für uns, — dasz "la caséine purifiée des chimi"stes est un corps presque complètement inattaquable par le suc

"gastrique.‟ Wir haben daher hier einen andern Punkt der Übereinstimmung zwischen dem Secret der Drosera und dem Magensaft,

da beide auf das frische Casëin der Milch und das von Chemikern

präparirte Casëin so verschieden wirken.

10 Dr. Lauder Brunton, Handbook for Physiol. Labor. p. 529.

11 Leçons etc. Tom. II. p. 153.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

Ein paar Versuche wurden mit Käse gemacht; Würfel von 

Zoll (1,27 Mm.) wurden auf vier Blätter gelegt, worauf dieselben

nach einem oder zwei Tagen ordentlich eingebogen wurden, während

ihre Drüsen viel saures Secret ergoszen. Nach fünf Tagen fiengen

sie an, sich wieder auszubreiten, aber das eine starb ab, und einige

von den Drüsen auf den andern Blättern waren verletzt. Nach

bloszem Augenscheine zu urtheilen waren die auf den Blattscheiben

zurückgelassenen erweichten und niedergesunkenen Massen von Käse

sehr wenig oder überhaupt gar nicht der Grösze nach reducirt. Wir

dürfen indesz wohl nach der Zeit, während welcher die Tentakeln

eingebogen blieben, nach der veränderten Farbe einiger Drüsen, ebenso

wie nach der Schädigung andrer schlieszen, dasz Substanz aus dem

Käse absorbirt worden war.

Legumin. — Ich erhielt diese Substanz nicht im getrennten

Zustande; man kann aber kaum daran zweifeln, dasz sie leicht verdaut werden wird, wenn man nach der kräftigen Wirkung urtheilt,

welche, wie im letzten Capitel beschrieben wurde, durch Tropfen einer

Abkochung grüner Erbsen hervorgebracht wird. Dünne Schnittchen

einer getrockneten Erbse wurden, nachdem sie in Wasser eingeweicht

worden waren, auf zwei Blätter gethan; diese wurden im Laufe einer

einzigen Stunde einigermaszen, und in 21 Stunden äuszerst stark eingebogen. Sie breiteten sich nach drei oder vier Tagen wieder aus.

Die Schnittchen waren nicht verflüssigt, denn die aus Cellulose bestehenden Zellwände werden von dem Secrete nicht im geringsten angegriffen.

Pollen. — Ein wenig frischer Pollen von der gemeinen Erbse

wurde auf die Scheiben von fünf Blättern gelegt, welche bald dicht

eingebogen wurden und es für zwei oder drei Tage blieben.

Die Körner wurden dann entfernt und unter dem Mikroskope

untersucht; es fand sich, dasz sie entfärbt und die Ölkügelchen merkwürdig zusammengeballt waren. Bei vielen war der Inhalt bedeutend

zusammengeschrumpft und einige waren beinahe leer. Nur in einigen

wenigen Fällen waren die Pollenschläuche vorgetreten. Es konnte

daran kein Zweifel sein, dasz das Secret die äuszeren Hüllen der

Körner durchdrungen und den Inhalt theilweise verdaut hatte. Dasselbe musz bei dem Magensaft der Insecten der Fall sein, welche

von Pollen sich ernähren, ohne ihn zu zerkauen 12. Drosera wird

12 A. W. Bennett fand die unverdauten Hüllen der Körner im Darmeanal


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

natürlich im Naturzustande in einer gewissen Ausdehnung aus diesem

Vermögen, Pollen zu verdauen, Nutzen ziehen, da zahllose Körner

aus den Ried- und andern Gräsern, den Sauerampfern, Fichtenbäumen

und andern vom Winde befruchteten Pflanzen, welche gewöhnlich in

derselben Örtlichkeit wachsen, unvermeidlich von der die vielen Drüsen umgebenden klebrigen Absonderung werden gefangen werden.

Leim. — Diese Substanz ist aus zwei eiweiszartigen Körpern,

einem in Alkohol löslichen und einem darin unlöslichen, zusammengesetzt 13. Es wurde etwas Leim einfach durch Auswaschen von

Weizenmehl in Wasser dargestellt. Zunächst wurde ein provisorischer

Versuch mit verhältnismäszig groszen Stücken, die auf zwei Blätter

gelegt wurden, angestellt; die Blätter waren nach 21 Stunden dicht

eingebogen und blieben es vier Tage lang, als eines abstarb, während

die Drüsen des andern äuszerst intensiv geschwärzt waren; doch

wurde es nicht weiter beobachtet. Es wurden nun kleinere Stückchen

auf zwei Blätter gelegt; diese wurden in zwei Tagen nur unbedeutend

eingebogen, wurden es aber später viel stärker. Ihre Absonderung

war nicht so stark sauer wie die der durch Casëin gereizten Blätter.

Nachdem die Stückchen Leim drei Tage auf den Blättern gelegen

hatten, waren sie viel durchsichtiger als andere, ebenso lange Zeit in

Wasser liegen gelassene Stückchen. Nach sieben Tagen breiteten sich

beide Blätter wieder aus, der Leim schien aber kaum irgendwie an

Grösze reducirt zu sein. Die Drüsen, welche mit ihm in Berührung

gewesen waren, waren äuszerst schwarz. Es wurden nun noch kleinere Stückchen halb faulen Leims auf zwei Blättern versucht; diese

waren in 24 Stunden ordentlich eingebogen, und gänzlich so in vier

Tagen, die Drüsen in Berührung mit der Substanz stark geschwärzt.

Nach fünf Tagen fieng ein Blatt an sich wieder auszubreiten und

nach acht Tagen waren beide vollständig ausgebreitet, wobei noch

etwas Leim auf ihren Scheiben zurückgeblieben war. Weiter wurden

vier kleine Schnittchen getrockneten Leimes, die eben nur in Wasser

getaucht waren, versucht, und diese wirkten etwas verschieden von

frischem Leim. Das eine Blatt war in drei Tagen beinahe vollständig wieder ausgebreitet, und die andern drei Blätter in vier Tagen.

Die Schnittchen waren bedeutend aufgeweicht, beinahe verflüssigt,

12

13 Watt's Diction. of Chemistry, Vol. II. 1872, p. 873.

12 pollenfressender Diptern; s. Journal of Horticult. Soc. of London, Vol. IV. 1874,

p. 158.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

aber nicht nahezu gänzlich aufgelöst. Die Drüsen, welche mit ihnen

in Berührung gewesen waren, waren, anstatt bedeutend geschwärzt

zu sein, von einer sehr blassen Färbung und viele von ihnen waren

offenbar getödtet.

In nicht einem einzigen unter diesen zehn Fällen war der ganze

Leim aufgelöst, selbst wenn nur sehr kleine Stückchen gegeben worden waren. Ich bat in Folge dessen Dr. Burdon Sanderson, Leim in

künstlicher Verdauungsflüssigkeit von Pepsin mit Salzsäure zu versuchen; dies löste das Ganze auf. Der Leim wurde indessen bedeutend langsamer angegriffen als Fibrin; das Verhältnis der in 4 Stunden aufgelösten Menge betrug 40,8 Leim auf 100 Fibrin. Auch in

zwei andern verdauenden Flüssigkeiten, bei denen die Salzsäure durch

Propionsäure und durch Buttersäure ersetzt war, wurde der Leim

versucht und von dieser Flüssigkeit bei der gewöhnlichen Zimmertemperatur vollständig aufgelöst. Hier haben wir denn endlich einen

Fall vor uns, in welchem allem Anscheine nach ein wesentlicher

Unterschied in dem Verdauungsvermögen des Secrets der Drosera

und des Magensaftes besteht; der Unterschied würde auf das Ferment

beschränkt sein, denn, wie wir so eben gesehen haben, wirkt Pepsin

in Verbindung mit Säuren der Essigreihe vollkommen auf den Leim

ein. Ich glaube, die Erklärung liegt einfach in der Thatsache, dasz

Leim ein zu kräftiges Reizmittel ist (wie rohes Fleisch, oder phosphorsaurer Kalk, oder selbst ein zu groszes Stück Eiweisz) und dasz

er die Drüsen verletzt oder tödtet, ehe sie Zeit gehabt haben, eine

genügende Menge der passenden Absonderung zu ergieszen. Dasz

etwas Substanz aus dem Leim absorbirt wird, dafür gibt die Länge

der Zeit einen deutlichen Beleg, während welcher die Tentakeln eingebogen bleiben, ebenso die bedeutend veränderte Färbung der Drüsen.

Auf den Rath des Dr. Sanderson wurde etwas Leim 15 Stunden

lang in schwacher Salzsäure (0,02 Procent) gelassen, um die Stärke

daraus zu entfernen. Er wurde farblos, durchsichtiger und aufgeschwollen. Kleine Partien wurden gewaschen und auf fünf Blätter

gebracht, welche bald dicht eingebogen wurden, sich aber zu meiner

Überraschung in 48 Stunden vollständig wieder ausbreiteten. Auf

zweien der Blätter war nur eine Spur von Leim zurückgeblieben, und

nicht eine Spur auf den andern dreien. Die klebrige und saure Absonderung, welche auf den Scheiben der letzten drei Blätter geblieben

war, wurde abgeschabt und von meinem Sohne mit einer starken


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Vergröszerung untersucht; es liesz sich indessen nichts erkennen als

ein wenig Schmutz und eine ziemlich bedeutende Anzahl von Stärkmehlkörnern, welche von der Salzsäure nicht aufgelöst worden waren.

Einige der Drüsen waren ziemlich blasz. Wir erkennen hieraus, dasz

mit schwacher Salzsäure behandelter Leim kein so kräftiger und kein

so anhaltender Reiz ist wie frischer Leim, auch die Drüsen nicht bedeutend verletzt; und wir erkennen ferner, dasz er von dem Secrete

schnell und vollständig verdaut werden kann.

Globulin oder Crystallin. — Dr. Moore war so gut, mir diese

Substanz aus der Linse des Auges darzustellen; sie bestand ans harten,

farblosen, durchscheinenden Bruchstücken. Es wird angegeben 14, Globulin

soll »in Wasser aufschwellen und sich lösen, für den gröszten Theil eine

"gummiartige Flüssigkeit bildend«; dies trat aber mit den erwähnten

Bruchstücken nicht ein, trotzdem sie vier Tage lang in Wasser liegen

gelassen wurden. Verschiedene Stückchen, einige mit Wasser, andere mit

schwacher Salzsäure befeuchtet, noch andere einen oder zwei Tage lang

in Wasser gelassen, wurden auf neunzehn Blätter gelegt. Die meisten

dieser Blätter, besonders diejenigen mit den in Wasser gelegenen Stückchen wurden in wenig Stunden stark eingebogen. Die gröszere Zahl

breitete sich nach drei oder vier Tagen wieder aus; aber drei Blätter

blieben noch einen, zwei oder drei weitere Tage lang eingebogen. Es

musz demnach etwas reizende Substanz absorbirt worden sein; die Fragmente aber, obschon sie vielleicht in einem bedeutenderen Grade erweicht

waren als die eine gleich lange Zeit in Wasser gelassenen, behielten

alle ihre Winkel so scharf wie je. Da das Globulin eine albuminöse

Substanz ist, so war ich über das Resultat erstaunt; da meine Absicht

die war, die Wirkungsweise des Drosera-Secrets mit der des Magensaftes

zu vergleichen, so bat ich Dr. Burdon Sanderson, mit dem von mir benutzten Globulin Versuche zu machen. Er theilt mir mit, dasz es »der

"Wirkung einer Flüssigkeit ausgesetzt wurde, welche 0,2 Procent Salz"säure und ungefähr 1 Procent Glycerinextract eines Hundemagens ent"hielt. Es wurde dann ermittelt, dasz diese Flüssigkeit im Stande war,

"1,31 ihres Gewichts ungekochten Fibrins in 1 Stunde zu verdauen, wäh"rend im Verlauf dieser Stunde nur 0,141 des obigen Globulin gelöst

"wurde. In beiden Fällen wurde ein Überschusz der verdaut werden

"sollenden Substanz der Flüssigkeit zugesetzt 15.« Wir sehen hieraus,

dasz innerhalb einer und derselben Zeit dem Gewicht nach weniger als

ein Neuntel der aufgelösten Fibrinmenge vom Globulin aufgelöst wurde;

14 Watts, Diction. of Chemistry. Vol. II, p. 874.

15 Ich will noch hinzufügen, dasz Dr. Sanderson noch etwas frisches Globulin nach der Schmidt'schen Methode darstellte; hiervon wurde in derselben

Zeit, nämlich in einer Stunde 0,865 aufgelöst; es war daher bei weitem löslicher

als das, was ich gebraucht hatte, obschon immerhin weniger löslich als Fibrin,

von dem, wie wir gesehen hahen, 1,31 aufgelöst wurde. Ich wünschte, ich hätte

auf diese Weise dargestelltes Globulin bei der Drosera versucht.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

und erinnert man sich der Thatsache, dasz Pepsin mit Säuren der Essigreihe nur ungefähr ein Drittel von dem Verdauungsvermögen des Pepsins

mit Salzsäure hat, so ist es nicht überraschend, dasz die Globulinbruchstücke von dem Secrete der Drosera nicht corrodirt oder abgerundet

wurden, obschon sicherlich etwas lösliche Substanz aus ihnen ausgezogen

und von den Drüsen absorbirt war.

Haematin. — Es wurden mir einige dunkelrothe, aus Ochsenblute

dargestellte Körnchen gegeben; Dr. Sanderson fand, dasz dieselben in

Wasser, Säuren und Alcohol unlöslich waren, so dasz sie wahrscheinlich

Haematin enthielten in Verbindung mit andern aus dem Blute stammenden Körpern. Stückchen mit kleinen Tropfen Wasser wurden auf vier

Blätter gebracht, von denen drei ziemlich dicht in zwei Tagen eingebogen

waren; das dritte war es nur mäszig. Am dritten Tage waren die Drüsen

in Berührung mit dem Haematin geschwärzt und einige Tentakeln schienen

verletzt zu sein. Nach fünf Tagen starben zwei Blätter ab, und das

dritte war am Sterben; das vierte fieng an, sich wieder auszubreiten, aber

viele von seinen Drüsen waren geschwärzt und verletzt. Es ist daher

klar, dasz Substanz absorbirt worden war, welche entweder factisch giftig

oder von einer zu stark reizenden Beschaffenheit war. Die Stückchen

waren viel mehr erweicht als die ebenso lange Zeit im Wasser gelassenen,

waren aber, dem Augenscheine nach zu urtheilen, an Grösze sehr wenig

reducirt. Dr. Sanderson prüfte diese Substanz mit künstlicher Verdauungsflüssigkeit, in der beim Globulin beschriebenen Art und Weise, und fand,

dasz, während vom Fibrin in einer Stunde 1,31 gelöst wurden, vom Haematin sich nur 0,456 in einer Stunde lösten; aber die durch das Secret

bewirkte Auflösung eines selbst noch kleineren Betrags würde seine Einwirkung auf Drosera erklären. Der von der künstlichen Verdauungsflüssigkeit zuerst übrig gelassene Rückstand gab während mehrerer folgender Tage nichts mehr an dieselbe ab.

Substanzen, welche von dem Secrete nicht verdaut werden.

Alle die bis jetzt erwähnten Substanzen bewirken lange anhaltende Einbiegung der Tentakeln und werden entweder vollständig oder

mindestens theilweise von der Absonderung aufgelöst. Es gibt aber

viele andere Substanzen, einige auch stickstoffhaltig, auf welche das

Secret nicht im Mindesten einwirkt, und welche Einbiegung für keine

längere Zeit herbeiführen als es unorganische und unlösliche Gegenstände thun. Solche nicht erregende und unverdauliche Substanzen

sind, so weit ich es beobachtet habe, Epidermis-Bildungen (wie Stückchen menschlichen Nagels, Haarkügelchen, Federkiele), elastisches

Fasergewebe, Mucin, Pepsin, Harnstoff, Chitin, Chlorophyll, Cellulose,

Schieszbaumwolle, Fett, Öl und Stärke.

Diesen kann noch hinzugefügt werden: aufgelöster Zucker und

Gummi, verdünnter Alcohol und vegetabilische, kein Eiweisz enthal


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

tende Aufgüsse, denn keiner dieser Körper erregt, wie im letzten Capitel gezeigt wurde, Einbiegung. Es ist nun eine merkwürdige Thatsache, welche noch weitere und wichtige Belege dafür abgibt, dasz

das Ferment der Drosera dem Pepsin sehr ähnlich oder mit ihm

identisch ist, dasz keine einzige dieser nämlichen Substanzen, so weit

es bekannt ist, vom Magensaft der Thiere verdaut wird, obschon die

andern Absonderungen des Darmcanals auf einige von ihnen einwirken.

Über die oben aufgezählten Substanzen braucht nichts weiter gesagt

zu werden, ausgenommen, dasz sie wiederholt auf den Blättern der

Drosera versucht worden sind, aber nicht im geringsten von dem

Secrete angegriffen wurden. Über die andern wird es räthlich sein,

meine Versuche anzuführen.

Elastisches Fasergewebe. — Wir haben bereits gesehen, dasz,

wenn kleine Würfel von Fleisch u. s. w. auf Blätter gelegt wurden, die

Muskeln, das Zellgewebe und der Knorpel vollständig aufgelöst wurden,

dasz aber das elastische Fasergewebe, selbst die allerzartesten Fäserchen

ohne die mindesten Zeichen einer Einwirkung auf dieselben zurückblieben.

Es ist auch wohl bekannt, dasz dies Gewebe vom Magensaft der Thiere

nicht verdaut werden kann 16.

Mucin. — Da diese Substanz ungefähr 7 Procent Stickstoff enthält, erwartete ich, dasz sie die Blätter bedeutend erregen und dasz sie

vom Secret verdaut werden würde; darin irrte ich mich aber. Nach dem,

was in chemischen Werken angegeben wird, scheint es äuszerst zweifelhaft zu sein, ob Mucin als reine Grundsubstanz dargestellt werden kann.

Das, was ich anwandte (von Dr. Moore dargestellt) war trocken und hart.

Mit Wasser angefeuchtete Stückchen wurden auf vier Blätter gebracht;

nach zwei Tagen aber war nur eine Spur von Einbiegung an den unmittelbar benachbarten Tentakeln zu bemerken. Diese Blätter wurden

dann mit Stückchen Fleisch probirt und alle vier wurden stark eingebogen. Etwas von dem trocknen Mucin wurde dann zwei Tage lang in

Wasser eingeweicht, und kleine Würfel der gehörigen Grösze wurden auf

drei Blätter gebracht. Nach vier Tagen waren die Tentakeln rund um

die Scheibenränder ein wenig eingebogen; auch war die sich auf der

Scheibe angesammelte Absonderung sauer, aber die äuszern Tentakeln

waren nicht afficirt. Ein Blatt fieng am vierten Tage an, sich wieder

auszubreiten, und alle waren am sechsten vollständig ausgebreitet. Die

Drüsen, welche in Berührung mit dem Mucin gestanden hatten, waren ein

wenig gedunkelt. Wir können daher schlieszen, dasz eine geringe Menge

irgend einer Verunreinigung von mäszig reizender Beschaffenheit absorbirt

worden war. Dasz das von mir angewandte Mucin etwas lösliche Substanz enthielt, wies Dr. Sanderson nach, welcher fand, dasz etwas davon

aufgelöst worden war, nachdem er es eine Stunde lang der Einwirkung

künstlichen Magensaftes ausgesetzt hatte, aber nur in dem Verhältnis von

16 s. z. B. Schiff, Leçons phys. de la Digestion, 1867, Tom. II, p. 38.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

23 zu 100, letztere Zahl für die in gleicher Zeit aufgelöste Menge Fibrin

genommen. Obgleich die Würfel im Ganzen vielleicht etwas weicher

waren als die, eine gleich lange Zeit in Wasser liegen gelassenen, behielten sie doch alle Kanten so scharf wie jemals. Wir können daher

schlieszen, dasz das Mucin selbst nicht aufgelöst oder verdaut wurde.

Auch wird es vom Magensaft lebender Thiere nicht verdaut, und nach

Schiff 17 ist es eine Schicht dieser Substanz, welche die Häute des Magens gegen Corrosion während der Verdauung schützt.

Pepsin. — Meine Experimente verdienen kaum mitgetheilt zu werden, da es kaum möglich ist, von Albuminoiden freies Pepsin darzustellen;

ich war aber begierig zu ermitteln, so weit dies eben möglich war, ob

das Ferment in dem Secret der Drosera auf das Ferment im Magensafte

von Thieren wirken werde. Ich benutzte anfänglich das zu medicinischen

Zwecken verkäufliche Pepsin, später andres, was viel reiner war, und was

Dr. Moore mir dargestellt hatte. Fünf Blätter, denen eine beträchtliche

Quantität von dem ersteren gegeben war, blieben fünf Tage lang eingebogen; vier von ihnen starben dann ab, allem Anscheine nach in Folge

des zu starken Reizes. Ich versuchte dann Dr. Moore's Pepsin, machte

mit Wasser einen Teig daraus und legte dann so kleine Stückchen davon

auf die Scheibe von fünf Blättern, dasz alles sehr schnell aufgelöst worden sein würde, wenn es Fleisch oder Eiweisz gewesen wäre. Die Blätter

wurden bald eingebogen; nach nur 20 Stunden fiengen zwei von ihnen

an, sich wieder auszubreiten und die andern drei waren nach 44 Stunden

vollständig wieder ausgebreitet. Einige von den Drüsen, welche mit den

Pepsinstückchen oder mit dem sauren, dieselben umgebenden Secrete in

Berührung gewesen waren, waren eigenthümlich blasz, während andere

eigenthümlich dunkel gefärbt waren. Etwas von dem Secrete wurde abgekratzt und unter starker Vergröszerung untersucht; es fanden sich Massen

von Körnchen darin, welche von denjenigen des, eine gleich lange Zeit

in Wasser gelassenen Pepsin nicht zu unterscheiden waren. Wir dürfen

daher (wenn wir uns erinnern, welche kleine Quantitäten gegeben worden

waren) als in hohem Grade wahrscheinlich annehmen, dasz das Ferment

der Drosera auf Pepsin nicht wirkt und dasselbe nicht verdaut, sondern

daraus nur eine albuminöse Verunreinigung absorbirt, welche Einbiegung

veranlaszt und in gröszeren Mengen in hohem Grade schädlich ist. Dr.

Lauder Brunton gab sich auf meine Bitte Mühe, zu ermitteln, ob Pepsin

mit Salzsäure Pepsin verdaut; so weit er es beurtheilen konnte, hat es

diese Kraft nicht. Der Magensaft stimmt daher allem Anscheine nach in

dieser Beziehung mit dem Secret der Drosera überein.

Harnstoff. — Es schien mir interessant zu sein, zu untersuchen,

ob dieser Auswurfsstoff des lebenden Körpers, welcher viel Stickstoff enthält, von den Drüsen der Drosera, wie so viele andere Flüssigkeiten und

Substanzen, absorbirt werden und Einbiegung bewirken würde. Halbe

Minim-Tropfen einer Lösung von einem Theile auf 437 Theile Wasser

wurden auf die Scheiben von vier Blättern gebracht, wobei jeder Tropfen

die gewöhnlich von mir angewendete Menge enthielt, nämlich   Gran

oder 0,0674 Milligr.; die Blätter wurden aber kaum irgendwie afficirt.

17 Leçons phys. de la Digestion, Tom. II, 1867, p. 304.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Sie wurden dann mit Stückchen Fleisch probirt und waren bald dicht

eingebogen. Ich wiederholte denselben Versuch mit etwas, von Dr. Moore

frisch präparirten Harnstoff an vier Blättern; nach zwei Tagen war keine

Einbiegung vorhanden; ich gab ihnen dann eine andere Dose, aber noch

immer erfolgte keine Einbiegung. Diese Blätter wurden später mit gleich

groszen Tropfen eines Aufgusses von rohem Fleisch probirt, und in 6 Stunden war beträchtliche Einbiegung eingetreten, welche in 24 Stunden excessiv wurde. Der Harnstoff war aber dem Anscheine nach nicht völlig

rein; denn als vier Blätter in 2 Drachmen (7,1 Cub. Cent.) der Lösung

eingetaucht wurden, so dasz sämmtliche Drüsen, anstatt blosz die auf

der Scheibe, in den Stand gesetzt wurden, irgendwelche kleine Menge

eines verunreinigenden Zusatzes in der Lösung zu absorbiren, trat in

24 Stunden beträchtliche Einbiegung ein, sicherlich mehr, als einer ähnlichen Eintauchung in reines Wasser gefolgt wäre. Dasz der Harnstoff,

welcher nicht vollkommen weisz war, eine Quantität von albuminoider

Substanz oder von irgend einem Ammoniaksalz enthalten haben solle,

hinreichend grosz, um die eben geschilderte Wirkung hervorzubringen, ist

durchaus nicht überraschend; denn, wie wir im nächsten Capitel sehen

werden, sind erstaunlich kleine Dosen von Ammoniak in hohem Grade

wirksam. Wir können daher schlieszen, dasz der Harnstoff selbst für die

Drosera nicht reizend oder nahrhaft sei; auch wird er vom Secrete nicht

modificirt, so dasz er nahrhaft gemacht würde; denn, wäre dies der Fall

gewesen, so würden zuverlässig sämmtliche Blätter, auf deren Scheiben

Tropfen lagen, ordentlich eingebogen worden sein. Dr. Lauder Brunton

theilt mir mit, dasz nach Versuchen, die er auf meine Bitte in St. Bartholomew's Hospital angestellt hat, allem Anscheine nach künstlicher

Magensaft, d. h. Pepsin mit Salzsäure, auf den Harnstoff nicht wirkt.

Chitin. — Die Chitinhüllen der auf natürlichem Wege von den

Blättern gefangenen Insecten scheinen nicht im mindesten corrodirt zu

werden. Kleine viereckige Stückchen des zarten Flügels und der Flügeldecke eines Staphylinus wurden auf einige Blätter gelegt, und nachdem

diese sich wieder ausgebreitet hatten, wurden die Stücke sorgfältig untersucht. Ihre Kanten waren so scharf wie je und sie waren auch im Ansehen von dem andern Flügel und der andern Flügeldecke desselben Insects, welches in Wasser liegen gelassen worden war, nicht verschieden.

Die Flügeldecke hatte indesz offenbar etwas nährbare Substanz abgegeben,

denn das Blatt blieb vier Tage lang über ihm geschlossen, während die

Blätter mit Stückchen echten Flügels sich am zweiten Tage wieder ausbreiteten. Ein Jeder, der nur die Exeremente insectenfressender Thiere

untersuchen will, wird sehen, wie machtlos ihr Magensaft in Bezug auf

das Chitin ist.

Cellulose. — Ich erhielt diese Substanz nicht in getrenntem Zustande, sondern machte die Versuche mit eckigen Stückchen trocknen

Holzes, mit Kork, Sphagnum-Moos, leinenen und baumwollenen Fäden.

Keiner dieser Körper wurde von dem Secrete im Mindesten angegriffen

und sie bewirkten nur jenen mäszigen Grad der Einbiegung, welcher

allen unorganischen Gegenständen eigen ist. Schieszbaumwolle, welche

aus Cellulose besteht, bei welcher der Wasserstoff durch Stickstoff vertreten ist, wurde mit dem nämlichen Erfolge probirt. Wir haben ge


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

sehen, dasz eine Abkochung von Kohlblättern eine äuszerst kräftige Einbiegung bewirkt. Ich brachte daher zwei kleine viereckige Stückchen

der Scheibe eines Kohlblattes und vier kleine aus der mittleren Blattrippe

ausgeschnittene Würfelchen auf sechs Blätter von Drosera. Dieselben

wurden in 12 Stunden ordentlich eingebogen und blieben so zwischen

zwei und vier Tage lang, wobei die Stückchen Kohl die ganze Zeit von

dem sauren Secrete umspült wurden. Dies beweist, dasz etwas reizende

Substanz, auf welche ich sofort zurückkommen werde, absorbirt worden

ist; aber die Kanten der viereckigen Stückchen und Würfel blieben so

scharf wie je, damit beweisend, dasz das Cellulosen-Gerüst nicht angegriffen worden war. Kleine viereckige Stückchen von Spinatblättern wurden mit demselben Resultate versucht; die Drüsen ergossen eine mäszige

Quantität sauren Secrets und die Tentakeln blieben drei Tage lang eingebogen. Wir haben auch gesehen, dasz die zarten Hüllen der Pollenkörner von dem Secrete nicht aufgelöst werden. Es ist allgemein bekannt, dasz der Magensaft der Thiere Cellulose nicht angreift.

Chlorophyll. — Ich probirte diese Substanz, da sie Stickstoff

enthält. Dr. Moore schickte mir etwas in Alcohol aufbewahrtes; es wurde

getrocknet, zerflosz aber bald. Stückchen wurden auf vier Blätter gelegt;

nach 3 Stunden war das Secret sauer; nach 8 Stunden war ein netter

Ansatz zur Einbiegung da, welche in 24 Stunden ziemlich gut ausgesprochen war. Nach vier Tagen fiengen zwei Blätter sich wieder zu

öffnen an und die andern beiden waren zu dieser Zeit beinahe vollständig

wieder ausgebreitet. Es ist daher klar, dasz dieses Chlorophyll Substanz

enthielt, welche die Blätter in einem mäszigen Grade reizte; aber nach

dem Augenschein zu urtheilen, war nur wenig oder gar nichts aufgelöst;

im reinen Zustande würde es daher wahrscheinlich vom Secrete nicht angegriffen worden sein. Dr. Sanderson stellte mit dem Chlorophyll, welches ich angewendet hatte, ebenso mit etwas frisch präparirtem Versuche

in künstlicher Verdauungsflüssigkeit an und fand, dasz es nicht verdaut

wurde. Dr. Lauder Brunton probirte gleichfalls etwas, was nach dem in

der britischen Pharmacopöe angegebenen Processe dargestellt worden war,

und setzte es fünf Tage lang bei einer Temperatur von 37° C. verdauender Flüssigkeit aus; es verminderte sich nicht an Umfang, obschon die

Flüssigkeit eine bedeutend bräunliche Färbung annahm. Es wurde auch

mit Glycerinextract des Pancreas probirt, aber gleichfalls mit negativem

Erfolg. Chlorophyll scheint auch von den Darmabsonderungen verschiedener Thiere nicht angegriffen zu werden, wenn man nach der Farbe ihrer

Excremente urtheilt.

Es darf nach diesen Thatsachen nicht etwa angenommen werden,

dasz die Chlorophyll-Körner, wie sie in lebenden Pflanzen existiren, von

dem Secrete gar nicht angegriffen werden können; denn diese Körner

bestehen aus Protoplasma, welches nur mit Chlorophyll gefärbt ist. Mein

Sohn Francis legte ein dünnes Schnittchen eines Spinatblattes, welches

mit Speichel angefeuchtet war, auf ein Blatt der Drosera, andere Schnittchen auf feuchte Watte und setzte sie sämmtlich der nämlichen Temperatur

aus. Nach 19 Stunden war das Schnittchen auf dem Drosera-Blatte in

reichliches, von den einzelnen Tentakeln ausgehendes Secret eingetaucht;

es wurde nun unter dem Mikroskope untersucht. Es waren keine voll


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

kommenen Chlorophyll-Körner zu unterscheiden; einige waren verschrumpft,

von gelblich-grüner Färbung und hatten sich in der Mitte der Zellen angesammelt; andere waren zerfallen und bildeten eine gelbliche Masse

gleichfalls in der Mitte der Zellen. Andererseits waren in den, von feuchter Baumwolle umgebenen Schnittchen die Chlorophyll-Körner grün und

so vollkommen wie je. Mein Sohn legte auch einige Schnitte in künstlichen Magensaft; und dieser wirkte auf dieselben in nahezu derselben

Art und Weise ein, wie das Secret. Wir haben gesehen, dasz Stückchen

von frischen Kohl- und Spinat-Blättern es bewirken, dasz sich die Tentakeln einbiegen und dasz die Drüsen reichliches saures Secret ergieszen;

es läszt sich nur wenig daran zweifeln, dasz es das die ChlorophyllKörner bildende und die Zellwände auskleidende Protoplasma ist, welches die Blätter reizt.

Fett und Öl. — Würfel von beinahe reinem, nicht gekochtem Fett,

auf verschiedene Blätter gelegt, erhielten nicht im geringsten abgerundete

Kanten. Wir haben auch gesehen, dasz die Fettkügelchen in der Milch

nicht verdaut werden. Ebensowenig bewirkt Olivenöl, auf die Scheiben

von Blättern getropft, irgend welche Einbiegung; wenn aber die Blätter

in Olivenöl eingetaucht werden, werden sie stark eingebogen; auf diesen

Gegenstand habe ich aber noch zurückzukommen. Ölige Substanzen werden vom Magensaft der Thiere nicht verdaut.

Stärkmehl. — Im Ganzen ziemlich grosze Stückchen Stärkmehl

bewirkten gut ausgesprochene Einbiegung; die Blätter breiteten sich nicht

vor dem vierten Tage wieder aus. Ich habe aber keinen Zweifel, dasz

dies eine Folge der fortdauernden Reizung der Drüsen war, da das Stärkmehl fortfuhr, das Secret aufzusaugen. Die Stückchen waren nicht im

mindesten an Grösze reducirt; wir wissen auch, dasz in eine StärkeEmulsion eingetauchte Blätter durchaus nicht afficirt werden. Ich brauche

kaum zu sagen, dasz Stärkmehl vom Magensafte der Thiere nicht verdaut wird.

Wirkung des Secrets auf lebende Samen.

Es sollen hier die Resultate einiger Experimente an lebenden, durch

Zufall ausgewählten Samen mitgetheilt werden, obschon sie sich nur indirect auf den uns hier vorliegenden Gegenstand der Verdauung beziehen.

Sieben Kohlsamen des vorhergehenden Jahres wurden auf eine gleiche

Zahl von Blättern gelegt. Einige dieser Blätter wurden mäszig, die

gröszere Zahl aber nur unbedeutend eingebogen, und die meisten breiteten sich am dritten Tage wieder aus. Eines blieb indessen bis zum vierten

und ein andres bis zum fünften eingeschlagen. Es waren daher diese

Blätter durch die Samen etwas mehr gereizt als durch unorganische Körper von derselben Grösze. Nachdem sie sich wieder ausgebreitet hatten,

wurden die Samen in günstige Bedingungen auf feuchten Sand gebracht;

andere Samen aus derselben Menge wurden zu derselben Zeit in derselben

Weise probirt, und es stellte sich dabei heraus, dasz sie gut keimten.

Von den sieben Samen, welche der Einwirkung des Secrets ausgesetzt gewesen waren, keimten nur drei; einer der drei Sämlinge starb bald ab,

da die Spitze des Würzelchens vom Anfang an verwelkt und die Ränder


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

seiner Cotyledonen von dunkelbrauner Färbung waren; im Ganzen giengen

daher schlieszlich fünf von den sieben Samen zu Grunde.

Rettichsamen (Raphanus sativus) des vorhergehenden Jahres wurde

auf drei Blätter gebracht, welche mäszig eingebogen wurden und sich am

dritten oder vierten Tage wieder ausbreiteten. Zwei dieser Samen wurden

auf feuchten Sand gebracht; nur einer keimte und dieser zwar sehr langsam. Der Sämling hatte ein äuszerst kurzes, verkrümmtes, krankes Würzelchen ohne absorbirende Haare; die Cotyledonen waren merkwürdig mit

Purpur gefleckt, an den Rändern geschwärzt und zum Theil verwelkt.

Kressensamen (Lepidium satirum) des vorhergehenden Jahres wurden

auf vier Blätter gelegt; zwei derselben waren am nächsten Morgen mäszig

und zwei stark eingebogen; sie blieben so vier, fünf und selbst sechs

Tage lang. Bald nachdem diese Samen auf die Blätter gelegt worden

und feucht geworden waren, sonderten sie in der gewöhnlichen Weise

eine Schicht zähen Schleimes ab; und um zu ermitteln, ob es die Absorption dieser Substanz durch die Drüsen war, welche eine so starke

Einbiegung verursachte, wurden zwei Samen in Wasser gelegt und so viel

Schleim als möglich von ihnen abgekratzt. Sie wurden dann auf Blätter

gelegt, welche im Verlaufe von drei Stunden sehr stark eingebogen wurden und noch am dritten Tage dicht eingebogen waren; es war daher

offenbar nicht der Schleim, welcher eine so starke Einbiegung verursachte;

im Gegensatz, derselbe diente in einem gewissen Grade den Samen als

Schutz. Zwei von den sechs Samen keimten, während sie noch auf den

Blättern lagen, als aber die Sämlinge auf feuchten Sand transportirt

wurden, starben sie bald ab; von den vier andern Samen keimte nur einer.

Zwei Samen vom Senf (Sinapis nigra), zwei vom Sellerie (Apium

graveolens), beide vom vorigen Jahre, zwei gut ausgewässerte Kümmelsamen (Carum carvi) und zwei Weizenkörner reizten die Blätter nicht

mehr, als es häufig unorganische Körper thun. Fünf, kaum reife Samen

eines Ranunculus und zwei frische Samen von Anemone nemorosa brachten ein wenig mehr Wirkung hervor. Andrerseits bewirkten vier, vielleicht nicht völlig reife, Samen von Carex sylvatica, dasz die Blätter, auf

welche sie gelegt wurden, sich sehr stark einbogen; und diese fiengen

erst am dritten Tage an, sich wieder auszubreiten, eines blieb sogar

sieben Tage lang eingebogen.

Aus diesen wenigen Thatsachen geht hervor, dasz verschiedene Arten

von Samen die Blätter in sehr verschiedenem Grade erregen; es ist nicht

klar, ob dies allein eine Folge der Beschaffenheit ihrer Hüllen ist. Was

den Fall mit den Kressensamen betrifft, so beschleunigte eine theilweise

Entfernung der Schicht Schleim die Einbiegung der Tentakeln. Sobald

nun immer Blätter mehrere Tage lang über Samen eingebogen bleiben,

so ist klar, dasz sie irgend welche Substanz aus ihnen absorbiren. Dasz

das Secret die Samenhüllen durchdringt, geht auch aus dem groszen Verhältnis hervor, in dem Kohl-, Rettig- und Kressen-Samen getödtet wurden, ebenso wie aus der Thatsache, dasz mehrere der Sämlinge bedeutend

verletzt waren. Diese Verletzung der Samen und Sämlinge dürfte indessen

allein Folge der Säure des Secrets sein und nicht Folge irgend eines

Verdauungsprocesses; denn Mr. Traherne Moggridge hat gezeigt, dasz

sehr schwache Säuren der Essigreihe für Samen in hohem Grade schäd

Darwin, Insectenfressonde Pflanzen. (VIII.) 8

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

lich sind. Es kam mir nie der Gedanke, zu beachten, ob Samen häufig

auf die klebrigen Blätter von Pflanzen geweht werden, die im Naturzustande wachsen; dies wird aber kaum zuweilen ausbleiben können, wie

wir hernach auch bei der Pinguicula sehen werden. Ist dies der Fall,

so wird Drosera in einem unbedeutenden Grade dadurch Vortheil hieraus

ziehen, dasz sie etwas Substanz aus solchen Samen absorbirt.

Zusammenfassung und Schluszbemerkungen über das Verdauungsvermögen

der Drosera.

Wenn die Drüsen auf der Scheibe entweder durch die Absorption

stickstoffhaltiger Substanz oder durch mechanische Reizung erregt

werden, so nimmt ihr Secret an Menge zu und wird sauer. Auch übermitteln sie einen Reiz an die Drüsen der äuszern Tentakeln, welcher

dieselben reichlicher abzusondern veranlaszt. Bei Thieren regt, der

Angabe Schiff's 18 zufolge, mechanische Reizung der Magendrüsen dieselben zur Absonderung einer Säure, aber nicht von Pepsin an. Ich

habe nun allen Grund zu glauben (wenn schon die Thatsache nicht

völlig sicher gestellt ist), dasz die Drüsen der Drosera, obschon sie

beständig klebrige Flüssigkeit absondern, um das durch Verdunstung

Verlorene wiederzuersetzen, doch nicht das zur Verdauung eigenthümlich gehörige Ferment bei mechanischer Reizung, sondern nur nach

Absorption gewisser Substanzen, wahrscheinlich solcher von stickstoffhaltiger Beschaffenheit, absondern. Ich komme zu dem Schlusse, dasz

dies der Fall ist, weil das Secret von einer groszen Zahl von Blättern,

welche dadurch gereizt worden waren, dasz Glasstückchen auf ihre

Scheiben gelegt wurden, Eiweisz nicht verdaute; besonders aber auch

nach der Analogie von Dionaea und Nepenthes. In gleicher Weise

sondern, wie Schiff behauptet, die Magendrüsen der Thiere Pepsin

nur dann ab, wenn sie gewisse lösliche Pflanzen, welche er als

Peptogene bezeichnet, aufgesaugt haben. Es besteht daher ein merkwürdiger Parallelismus zwischen den Drüsen der Drosera und denen

des Magens in Bezug auf die Absonderung ihrer eigenthümlichen

Säure und ihres Ferments.

Das Secret löst, wie wir gesehen haben, Eiweisz, Muskel, Fibrin,

Zellgewebe, Knorpel, die fasrige Grundsubstanz des Knochens, Gelatine, Chondrin, Casëin in dem Zustande, in dem es in der Milch

existirt, und Leim, welcher der Einwirkung schwacher Salzsäure aus

18 Physiol. de la Digestion, 1867, Tom. II, p. 188, 245.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

gesetzt worden war, vollständig auf. Syntonin und Legumin reizen

die Blätter so mächtig, dasz darüber kaum ein Zweifel bestehen kann,

dasz beide vom Secrete aufgelöst werden dürften. Das Secret war

nicht im Stande, frischen Leim aufzulösen, allem Anscheine nach,

weil er die Drüsen verletzte, obschon etwas absorbirt wurde. Rohes

Fleisch, wenn es nicht in sehr kleinen Stückchen gegeben wurde, und

grosze Stücke von Eiweisz u. s. w. verletzen die Blätter gleichfalls,

welche, wie Thiere, an Überladung zu leiden scheinen. Ich weisz nicht,

ob die Analogie eine wirkliche ist; es ist aber der Bemerkung werth,

dasz eine Abkochung von Kohlblättern bei weitem erregender und

wahrscheinlich nährender für die Drosera ist als ein mit lauem

Wasser gemachter Aufgusz; ebenso sind gekochte Kohlarten, wenigstens für den Menschen, bei weitem nahrhafter als die ungekochten

Blätter. Der auffallendste von allen Fällen, wenn schon in Wirklichkeit nicht merkwürdiger als viele andere, ist die Verdauung einer so

harten und zähen Substanz wie Knorpel. Die Auflösung von reinem

phosphorsaurem Kalk, von Knochen, Zahnbein und besonders von

Schmelz scheint wunderbar zu sein; sie hängt aber lediglich von der

lange anhaltenden Absonderung einer Säure ab; und dieselbe wird

unter diesen Umständen eine längere Zeit hindurch abgesondert, als

unter irgend welchen andern. Es war interessant zu beobachten,

dasz, so lange die Säure zur Auflösung des phosphorsauren Kalkes

verbraucht wurde, keine echte Verdauung eintrat; dasz aber, sobald

der Knochen vollständig entkalkt war, die fasrige Grundsubstanz des

Knochens angegriffen und mit der gröszten Leichtigkeit verflüssigt

wurde. Die zwölf oben angeführten Substanzen, welche von dem

Secrete vollständig aufgelöst werden, werden gleichfalls von dem Magensafte höherer Thiere aufgelöst, die Einwirkung auf dieselben geschieht

in beiden Fällen auf dieselbe Weise, wie es sich in dem Abrunden

der Kanten der Eisweiszstückchen und in einer noch besonderern Weise

in der Art zeigt, wie die Querstreifen der Muskelfasern verschwinden.

Das Secret der Drosera und der Magensaft waren beide im Stande,

irgend einen Stoff oder eine Verunreinigung aus dem von mir angewendeten Globulin und Haematin aufzulösen. Auch löste das Secret

etwas aus chemisch präparirtem Casëin auf, was, wie angegeben wird,

aus zwei Substanzen besteht; und obschon Schiff behauptet, dasz

Casëin in diesem Zustande vom Magensaft nicht angegriffen wird, so

kann er doch leicht eine minutiöse Menge irgend einer eiweiszartigen

8*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Substanz übersehen haben, welche Drosera entdecken und absorbiren

wird. Obschon ferner Faserknorpel nicht eigentlich aufgelöst wird,

so wirken doch beide Flüssigkeiten, das Secret der Drosera und der

Magensaft in gleicher Weise auf ihn ein. Doch hätte diese Substanz

ebenso wie das von mir benutzte sogenannte Haematin vielleicht unter

die unverdaulichen Substanzen classificirt werden sollen.

Dasz der Magensaft mittelst seines Ferments, des Pepsins, nur in

Gegenwart einer Säure wirkt, ist ganz sicher ermittelt; und wir haben

ausgezeichnete Belege, dasz in dem Secrete der Drosera ein Ferment

vorhanden ist, welches gleichfalls nur in Gegenwart einer Säure

wirkt; denn wir haben gesehen, dasz, wenn das Secret durch äuszerst

kleine Tropfen einer Alkalilösung neutralisirt wird, die Verdauung

von Eiweisz vollständig zum Stillstand gebracht wird und dasz sie

beim Zusatz einer äuszerst geringen Dose Salzsäure sofort wieder

beginnt.

Auf die neun folgenden Substanzen, oder Classen von Substanzen

wirkt das Secret der Drosera nicht ein, nämlich auf Epidermoidalgebilde, elastisches Fasergewebe, Mucin, Pepsin, Harnstoff, Chitin,

Cellulose, Schieszbaumwolle, Chlorophyll, Stärkmehl, Fette und Öle;

ebenso wirkt auch, so viel man weisz, der Magensaft von Thieren nicht

auf sie ein. Aber sowohl durch das Drosera-Secret als durch künstlichen Magensaft wurde etwas lösliche Substanz aus dem von mir benutzten Mucin, Pepsin und Chlorophyll ausgezogen.

Die verschiedenen Substanzen, welche von dem Secrete vollständig

aufgelöst und hernach von den Drüsen absorbirt werden, afficiren die

Blätter ziemlich verschieden. Sie führen Einbiegung mit sehr verschiedener Geschwindigkeit und in sehr verschiedenen Graden herbei;

auch bleiben die Tentakeln sehr verschieden lange Zeiträume hindurch

eingebogen. Schnelle Einbiegung hängt zum Theil von der Menge

der verabreichten Substanz ab, so dasz viele Drüsen gleichzeitig afficirt

werden, zum Theil von der Leichtigkeit, mit welcher dieselbe vom

Secrete durchdrungen und verflüssigt wird, zum Theil von ihrer Beschaffenheit, hauptsächlich aber von der Gegenwart einer bereits

in Lösung befindlichen reizenden Substanz. So wirkt Speichel oder

eine schwache Lösung rohen Fleisches viel schneller ein, als selbst

eine starke Lösung von Gelatine. Ferner werden Blätter, welche sich

nach vorgängiger Absorption von Tropfen einer Lösung von reiner

Gelatine oder Hausenblase (die letztere ist die wirksamere von beiden)


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

wieder ausgebreitet haben, wenn ihnen Stückchen Fleisch gegeben

werden, viel energischer und schneller sich einbiegen, als sie es vorher

thaten, trotzdem dasz meistens etwas Ruhe zwischen zwei Einbiegungsacten nothwendig ist. Wir sehen wahrscheinlich den Einflusz einer

Texturänderung, wenn wir beobachten, dasz Gelatin und Globulin,

welche durch Liegenlassen im Wasser erweicht sind, schneller wirken,

als wenn sie blosz angefeuchtet werden. Es dürfte zum Theil Folge

veränderter Textur und zum Theil Folge einer Änderung der chemischen Beschaffenheit sein, dasz Eiweisz, welches eine Zeit lang aufgehoben worden ist, und Leim, welcher der Einwirkung schwacher Salzsäure ausgesetzt gewesen ist, schneller wirken als diese Substanzen

im frischen Zustande.

Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln eingebogen

bleiben, hängt zum groszen Theile von der Quantität der den Blättern

gegebenen Substanz ab, zum Theil von der Leichtigkeit, mit welcher

sie von dem Secrete durchdrungen und angegriffen wird und zum

Theil von ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit. Die Tentakeln bleiben immer viel länger über groszen Stückchen oder groszen Tropfen

als über kleinen Stückchen oder Tropfen eingebogen. Wahrscheinlich

spielt die Textur ihre Rolle bei Bestimmung der auszerordentlichen

Länge Zeit, während welcher die Tentakeln über den harten Körnern

chemisch präparirten Casëins eingebogen bleiben. Die Tentakeln bleiben aber eine gleich lange Zeit über fein gepulvertem, präcipitirtem

phosphorsauren Kalk eingebogen; in diesem letztern Falle bietet

offenbar der Phosphor den Anziehungspunkt dar, und in dem Fall mit

dem Casëin thierische Substanz. Die Blätter bleiben über Insecten

lange eingebogen; es ist aber zweifelhaft, in wie weit dies eine Folge

des den Insecten durch ihre chitinhaltigen Integumente gewährten

Schutzes ist; denn thierische Substanz wird bald aus Insecten ausgezogen (wahrscheinlich durch Exosmose aus ihren Körpern in das dichte

umgebende Secret), wie es sich in der sofortigen Einbiegung der

Blätter zeigt. Wir sehen den Einflusz der Natur verschiedener Substanzen bei Stückchen Fleisch, Eiweisz und frischem Leim, deren Einwirkung sehr verschieden ist von der gleich groszer Stückchen Gelatine, Zellgewebe und fasriger Grundsubstanz des Knochens. Die ersteren verursachen nicht blosz eine bei weitem schnellere und energischere,

sondern auch länger anhaltende Einbiegung als die letzteren. Wir

sind daher, wie ich glaube, berechtigt anzunehmen, dasz Gelatine,


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 6.

Zellgewebe, und die Fasersubstanz des Knochens für die Drosera viel

weniger nahrhaft sein werden, als solche Substanzen wie Insecten,

Fleisch, Eiweisz u. s. w. Dies ist eine interessante Schluszfolgerung,

da es bekannt ist, dasz Gelatine den Thieren nur geringe Nahrung

darbietet; dasselbe wird wahrscheinlich auch mit Zellgewebe und der

Fasersubstanz des Knochens der Fall sein. Das Chondrin, welches

ich benutzte, wirkte kräftiger ein als Gelatine; ich weisz aber nicht,

ob es rein war. Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, dasz

Fibrin, welches zu der groszen Classe der Protein-Verbindungen 19 gehört, deren eine Untergruppe auch das Eiweisz enthält, die Tentakeln

in keinem höheren Grade reizt oder dieselben für eine längere Zeit

eingebogen hält, als es Gelatine oder Zellgewebe oder die fasrige

Grundsubstanz des Knochens thun. Es ist nicht bekannt, wie lange ein

Thier leben bleiben würde, wenn es allein mit Fibrin gefüttert würde;

Dr. Sanderson zweifelt aber nicht daran, dasz es länger leben würde

als wenn es mit Gelatine gefüttert würde; auch würde es kaum vorschnell sein, vorherzusagen, dasz, nach den Wirkungen auf Drosera

zu urtheilen, Eiweisz sich als viel nahrhafter herausstellen wird, als

Fibrin. Globulin gehört gleichfalls zu den Protëin-Verbindungen, es

bildet darin eine andere Unter-Gruppe; und obschon diese Substanz

irgend einen Körper enthält, welcher die Drosera ziemlich stark reizte,

wurde sie doch kaum von dem Secrete und sehr wenig oder sehr

langsam vom Magensafte angegriffen. In wie weit Globulin für

Thiere nahrhaft sein dürfte, ist nicht bekannt. Wir sehen hiernach,

wie verschieden die oben einzeln aufgeführten verschiedenen verdaulichen Substanzen auf Drosera einwirken; wir können als in hohem

Grade wahrscheinlich folgern, dasz sie in gleicher Weise sowohl für

Drosera als für Thiere in sehr verschiedenen Graden nahrhaft sein

werden.

Die Drüsen der Drosera absorbiren Substanz aus lebenden Samen,

welche von dem Secrete verletzt oder getödtet werden. Sie absorbiren

gleichfalls Substanz aus Pollen und aus frischen Blättern; und dies

ist mit dem Magen der pflanzenfressenden Thieren notorisch der Fall.

Drosera ist eigentlich eine insectenfressende Pflanze; da es aber gar

nicht anders sein kann, als dasz Pollen häufig auf die Drüsen geweht

19 s. die von Dr. Michael Foster angenommene Classification in Watt's

Diction. of Chemistry, Supplement, 1872, p. 969.


 

[page break] Cap. 6. Verdauung.

wird, wie es auch gelegentlich mit Samen und Blättern benachbarter

Pflanzen der Fall sein wird, so ist Drosera auch in gewissem Masze

ein Pflanzenfresser.

Endlich zeigen uns die in diesem Capitel verzeichneten Experimente, dasz eine merkwürdige Übereinstimmung besteht zwischen dem

Verdauungsvermögen des Magensaftes von Thieren mit seinem Pepsin

und seiner Salzsäure und dem des Secrets der Drosera mit seinem

Ferment und seiner zur Essigreihe gehörenden Säure. Wir können

daher kaum daran zweifeln, dasz das Secret in beiden Fällen sehr

ähnlich ist, wenn es nicht identisch dasselbe ist. Dasz eine Pflanze

und ein Thier dasselbe oder nahezu dasselbe zusammengesetzte Secret

ergieszen, welches einem und dem nämlichen Zwecke der Verdauung

angepaszt ist, ist eine neue und wunderbare Thatsache in der Physiologie. Ich werde aber auf diesen Gegenstand im fünfzehnten Capitel, in meinen Schluszbemerkungen über die Droseraceae zurückzukommen haben.


 

[[120]/0134]

Siebentes Capitel.

Die Wirkungen von Ammoniaksalzen.

Art, die Versuche auszuführen. — Wirkung destillirten Wassers im Vergleich mit

den Lösungen. — Kohlensaures Ammoniak, von den Wurzeln absorbirt. —

Der Dampf von den Drüsen absorbirt. — Tropfen auf den Blattscheiben. —

Minutiöse Tröpfchen auf einzelne Drüsen gebracht. — Blätter in schwache

Lösungen eingetaucht. — Auszerordentliche Kleinheit der Dosen, welche

Aggregation des Protoplasma herbeiführen. — Salpetersaures Ammoniak, analoge Versuche damit. — Phosphorsaures Ammoniak, analoge Versuche. —

Andre Ammoniaksalze. — Zusammenfassung und Schluszbemerkungen über

die Wirkung der Ammoniaksalze.

Die hauptsächliche Aufgabe dieses Capitels ist, zu zeigen, wie

mächtig die Ammoniaksalze auf die Blätter der Drosera einwirken,

und besonders noch nachzuweisen, was für eine auszerordentlich kleine

Menge hinreicht, Einbiegung zu erregen. Ich werde daher genöthigt

sein, in ausführliche Einzelnheiten einzugehen. Stets wurde doppelt

destillirtes Wasser benutzt; und für die feineren Versuche gab mir

Professor Frankland Wasser, was mit der äuszersten nur möglichen

Sorgfalt dargestellt war. Die graduirten Masze wurden geprüft und

für so genau befunden, als derartige Masze es nur sein können. Die

Salze wurden sorgfältig gewogen und zwar bei allen feineren Experimenten nach Borda's doppelter Methode. Äuszerste Genauigkeit

würde aber überflüssig gewesen sein, da die Blätter je nach Alter,

Zustand und Constitution bedeutend in Bezug auf die Irritabilität

von einander verschieden sind. Selbst die Tentakeln an einem und

demselben Blatte weichen betreffs der Irritabilität in einem ausgesprochenen Grade von einander ab. Meine Versuche wurden auf die

folgenden verschiedenen Weisen angestellt.

Erstens. — Tropfen, von denen durch wiederholte Versuche ermittelt

wurde, dasz sie im Mittel ungefähr ein halbes Minim, oder   einer

flüssigen Unze (0,0296 Cub. Cent.) betrugen, wurden mit einem und dem


 

[page break] Cap. 7. Ammoniaksalze.

selben spitzen Instrumente auf die Scheiben der Blätter gebracht und

dann die Einbiegung der äuszeren Tentakelreihen in aufeinanderfolgenden

Zeitabschnitten beobachtet. Es wurde zunächst, nach zwischen dreiszig

und vierzig Versuchen, ermittelt, dasz in dieser Weise aufgetropftes destillirtes Wasser keine Wirkung hervorbringt, ausgenommen dasz zuweilen,

obschon selten, zwei oder drei Tentakeln eingebogen werden. In der

That führen alle die vielen Versuche mit Lösungen, welche so schwach

waren, dasz sie keine Wirkung hervorbrachten, zu demselben Resultat,

dasz Wasser wirkungslos ist.

Zweitens. — Der Kopf einer kleinen, in einen Stiel befestigten

Stecknadel wurde in die dem Experimente unterliegende Lösung eingetaucht. Der kleine Tropfen, welcher ihm anhieng und welcher viel zu

klein war, um abzufallen, wurde mit Hülfe einer Lupe sorgfältig in Berührung gebracht mit dem die Drüsen eines, zweier, drei oder vier

der äuszeren Tentakeln eines und desselben Blattes umgebenden Secrete.

Grosze Sorgfalt wurde angewendet, dasz die Drüsen selbst nicht berührt

wurden. Ich hatte vermuthet, dasz die Tropfen von nahezu derselben

Grösze wären; nach einem Versuch stellte sich dies als ein groszer Irrthum

heraus. Ich masz zunächst etwas Wasser und entfernte 300 Tropfen,

wobei ich jedesmal den Stecknadelkopf auf Löschpapier auflegte; als ich

dann das Wasser wieder masz, ergab sich, dasz ein Tropfen im Mittel

ungefähr gleich   Minim war. Etwas Wasser in einem kleinen Gefäsz

wurde gewogen (und dies ist eine genauere Methode) und dann wie vorher 300 Tropfen entfernt; als ich dann das Wasser wieder wog, stellte

sich heraus, dasz ein Tropfen im Mittel ungefähr nur gleich   Minim

war. Ich wiederholte die Operation, versuchte aber diesmal dadurch,

dasz ich den Stecknadelknopf schräg und ziemlich geschwind aus dem

Wasser nahm, so grosze Tropfen als möglich zu entfernen; das Resultat

zeigte, dasz mir dies gelungen war; denn jeder Tropfen war im Mittel

gleich   Minim. Ich wiederholte die Operation in genau derselben

Weise, und jetzt waren die Tropfen im Mittel gleich   Minim. Erinnert

man sich, dasz bei diesen zwei letzten Gelegenheiten besondere Mühe angewendet wurde, so grosze Tropfen als möglich zn entfernen, so können

wir ruhig schlieszen, dasz die in meinen Experimenten angewandten Tropfen

mindestens gleich   Minim oder 0,0029 Cub. Cent. waren. Einer dieser

Tropfen konnte auf drei oder selbst vier Drüsen verwendet werden, und

wenn die Tentakeln eingebogen wurden, so musz etwas von der Lösung

von allen absorbirt worden sein; denn Tropfen reinen Wassers in derselben Weise applicirt, bringen niemals irgend eine Wirkung hervor. Ich

war nur im Stande, den Tropfen zehn oder fünfzehn Secunden lang in

steter Berührung mit dem Secrete zu halten, und dies war nicht lange

genug für die Diffusion alles Salzes in Lösung, wie daraus offenbar hervorgieng, dasz drei oder vier hintereinander mit einem und demselben

Tropfen behandelte Tentakeln häufig eingebogen wurden. Es war wahrscheinlich nicht einmal dann alle Substanz in der Lösung erschöpft.

Drittens. — Es wurden Blätter abgeschnitten und in eine abgemessene Quantität der Versuchsflüssigkeit eingetaucht; zu derselben Zeit

wurde die nämliche Anzahl Blätter in die gleiche Menge desselben destillirten Wassers gethan, welches beim Darstellen der Lösung benutzt wor


 

[page break] Drosera rotundifolia Cap. 7.

den war. Die Blätter in den zwei Gruppen wurden in kurzen Zeitintervallen, bis zu 24 Stunden, zuweilen bis zu 48 Stunden verglichen. Sie

wurden in der Weise eingetaucht, dasz sie so sanft als möglich in numerirte Uhrgläser gelegt und dreiszig Minims (1,775 Cub. Cent.) der Lösung

oder destillirten Wassers über sie gegossen wurden.

Einige Lösungen, z. B. die von kohlensaurem Ammoniak, entfärben

die Drüsen schnell; und da alle Drüsen auf einem und dem nämlichen

Blatte gleichzeitig entfärbt wurden, so müssen sie alle etwas von dem

Salze innerhalb der gleichen kurzen Zeitdauer absorbirt haben. Dies

zeigte sich auch durch die gleichzeitige Einbiegung der verschiedenen

äuszeren Reihen von Tentakeln. Wenn wir keine solchen Beweise wie

diese hätten, so hätte vermuthet werden können, dasz nur die Drüsen

der äuszeren und eingebogenen Tentakeln das Salz absorbirt hätten; oder

dasz nur diejenigen auf der Scheibe es absorbirt und dann einen motorischen Impuls den äuszeren Tentakeln übermittelt hätten; aber in diesem

letztem Falle würden die äuszeren Tentakeln nicht eher eingebogen worden sein, als bis eine gewisse Zeit verlaufen wäre, anstatt innerhalb einer

halben Stunde oder selbst innerhalb einiger weniger Minuten sich einzubiegen, wie es gewöhnlich vorkam. Alle Drüsen auf dem nämlichen

Blatte sind von nahezu derselben Grösze, wie am besten zu sehen ist,

wenn man einen schmalen queren Streifen herausschneidet und ihn auf

den Rand legt; es sind daher auch ihre absorbirenden Oberflächen nahezu

gleich. Die langköpfigen Drüsen am äuszersten Rande müssen ausgenommen werden, da sie viel länger als die andern sind; aber nur

die obere Fläche ist der Absorption fähig. Auszer den Drüsen tragen

beide Oberflächen der Blätter und die Stiele der Tentakeln zahlreiche

minutiöse Papillen, welche kohlensaures Ammoniak, einen Aufgusz von

rohem Fleisch, Metallsalze und wahrscheinlich noch viele andere Substanzen absorbiren; doch bringt die Absorption von Substanz durch diese

Papillen niemals Einbiegung hervor. Wir müssen uns daran erinnern,

dasz die Bewegung jedes einzelnen Tentakels davon abhängt, dasz seine

Drüse gereizt wird, ausgenommen wenn ein motorischer Impuls von den

Drüsen der Scheibe ihm übermittelt wird; und dann findet die Bewegung,

wie eben angegeben wurde, nicht eher statt, als bis eine geringe Zeit

verflossen ist. Ich habe diese Bemerkungen gemacht, weil sie uns zeigen,

dasz wir, wenn ein Blatt in eine Lösung eingetaucht wird und die Tentakeln eingebogen werden, mit einer gewissen Genauigkeit beurtheilen

können, wie viel von dem Salze jede Drüse absorbirt hat. Wenn z. B.

ein Blatt, welches 212 Drüsen trägt, in eine abgemessene Quantität einer

  Gran eines Salzes enthaltenden Lösung eingetaucht wird und alle

äuszeren Tentakeln mit Ausnahme von zwölf werden eingebogen, so können

wir sicher sein, dasz jede von den 200 Drüsen im Mittel höchstens 

Gran des Salzes absorbirt haben kann. Ich sage: höchstens; denn die

Papillen werden eine gewisse kleine Menge absorbirt haben, ebenso vielleicht auch die Drüsen der zwölf ausgeschlossenen Tentakeln, welche

nicht eingebogen wurden. Die Anwendung dieses Grundsatzes führt zu

merkwürdigen Schluszfolgerungen in Bezug auf die äuszerste Kleinheit der

noch Einbiegung verursachenden Dosen.


 

[page break] Cap. 7. Wirkung destillirten Wassers.

Über die Wirkungsweise destillirten Wassers beim Verursachen von Einbiegung.

Obgleich in allen wichtigeren Versuchen die Verschiedenheit des Verhaltens zwischen den gleichzeitig in Wasser und in die verschiedenen

Lösungen eingetauchten Blättern beschrieben worden wird, so dürfte es

nichtsdestoweniger gut sein, hier eine Übersicht über die Wirkungen des

Wassers zu geben. Überdies verdient schon die Thatsache an und für

sich, dasz reines Wasser auf die Drüsen wirkt, einige Beachtung. Blätter,

141 an Zahl, wurden zu derselben Zeit mit denjenigen in Lösungen in

Wasser eingetaucht und ihr Zustand in kurzen Zeitintervallen geschildert.

Zwei und dreiszig andere Blätter wurden einzeln in Wasser beobachtet,

was im Ganzen 173 Experimente ergibt. Viele Dutzende von Blättern

wurden auch noch zu andern Zeiten in Wasser eingetaucht, aber keine

genaue Schilderung der hervorgebrachten Wirkungen aufbewahrt; doch

unterstützen diese beiläufigen Beobachtungen die Schluszfolgerungen, zu

denen ich in diesem Capitel gelange. Einige wenige der langköpfigen

Tentakeln, nämlich von einem bis ungefähr sechs, wurden gewöhnlich

innerhalb einer halben Stunde nach dem Eintauchen eingebogen; dasselbe

fand gelegentlich mit einigen wenigen und selten mit einer beträchtlichen

Zahl der äuszeren rundköpfigen Tentakeln statt. Nach einem Eintauchen

von 5 bis 8 Stunden werden die kurzen, die äuszeren Theile der Scheibe

umgebenden Tentakeln meistens eingebogen, so dasz ihre Drüsen einen

kleinen dunklen Ring auf der Scheibe bilden; die äuszeren Tentakeln

nehmen an dieser Bewegung nicht Theil. Wir können daher, ausgenommen in einigen wenigen später einzeln anzuführenden Fällen, beurtheilen,

ob eine Lösung irgend welche Wirkung hervorbringt, einfach dadurch,

dasz wir die äuszeren Tentakeln innerhalb der ersten 3 oder 4 Stunden

nach dem Eintauchen beobachten.

Zunächst will ich nun eine Übersicht des Zustandes der 173 Blätter

nach einem Eintauchen von 3 oder 4 Stunden in reines Wasser geben.

Ein Blatt hatte beinahe seine sämmtlichen Tentakeln eingebogen; drei

hatten die meisten derselben halb eingebogen; und dreizehn hatten im

Mittel 36,5 Tentakeln eingebogen. Es war daher auf siebenzehn Blättern

unter den 173 in einer ausgesprochenen Weise eine Wirkung eingetreten.

Bei achtzehn Blättern waren von sieben bis neunzehn Tentakeln eingebogen, im Mittel 9,3 Tentakeln für jedes Blatt. Bei vier und vierzig

Blättern waren ein bis sechs Tentakeln eingebogen, im Allgemeinen die

langköpfigen. Im Ganzen waren daher von den 173 sorgfältig beobachteten Blättern neun und siebenzig vom Wasser in irgend welchem Grade,

obschon meistens in einem sehr unbedeutenden, afficirt worden, und vier

und neunzig waren nicht im allergeringsten Grade afficirt worden. Dieser

Betrag an Einbiegung ist gänzlich bedeutungslos, wie wir später sehen

werden, wenn wir ihn mit dem von sehr schwachen Lösungen verschiedener Ammoniaksalze verursachten vergleichen.

Pflanzen, welche eine Zeit lang in einer verhältnismäszig hohen Temperatur gelebt haben, sind für die Einwirkung des Wassers viel empfindlicher, als diejenigen, welche im Freien gewachsen oder erst kürzlich in

ein warmes Gewächshaus gebracht worden sind. So waren in den oben

erwähnten siebenzehn Fällen, in denen bei den eingetauchten Blättern


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

eine beträchtliche Zahl von Tentakeln eingebogen war, die Pflanzen während des Winters in einem sehr warmen Gewächshause gehalten worden;

sie trugen zeitig im Frühjahr merkwürdig schöne Blätter von einer hell

rothen Färbung. Hätte ich damals gewuszt, dasz die Empfindlichkeit der

Pflanzen dadurch vermehrt würde, so würde ich vielleicht die Blätter

nicht zu meinen Versuchen mit den sehr schwachen Lösungen von phosphorsaurem Ammoniak benutzt haben; meine Experimente sind aber dadurch nicht fehlerhaft geworden, da ich ausnahmslos Blätter von den

nämlichen Pflanzen auch für das gleichzeitige Eintauchen in Wasser

benutzte. Es ereignete sich häufig, dasz einige Blätter an der nämlichen

Pflanze und einige Tentakeln an demselben Blatt empfindlicher waren als

andere; warum sich dies aber so verhält, weisz ich nicht.

Auszer den so eben angegebenen Verschiedenheiten zwischen den

in Wasser und den in schwachen Ammoniaklösungen eingetauchten Blättern

sind auch die Tentakeln der letzteren viel dichter eingebogen. Das Aussehn eines Blattes nach Eintauchen in einige wenige Tropfen einer Lösung

von einem Gran phosphorsauren Ammoniaks in 200 Unzen Wasser (d. h.

ein Theil auf 87500) ist hier dargestellt: eine solche energische Einbiegung

wird niemals von Wasser allein verursacht. Bei

Blättern in den schwachen Lösungen wird häufig

die Platte oder Scheibe eingebogen: und dies

ist ein an Blättern in Wasser so selten eintretender Umstand, dasz ich nur zwei Fälle

davon gesehen habe, und in beiden war die

Einbiegung sehr schwach. Ferner schreitet bei

Blättern in den schwachen Lösungen die Einbiegung der Tentakeln und der Blattscheibe

oft stetig fort, wenn auch langsam, und viele

Stunden lang immer zu; dies ist wiederum bei

Blättern in Wasser ein so seltener Umstand,

dasz ich nur drei Fälle von irgend einer derartigen Zunahme nach den ersten 8 bis 12

Stunden gesehen habe; und in diesen drei

Fällen waren die zwei äuszeren Reihen von

Tentakeln durchaus gar nicht afficirt. Es besteht daher zuweilen ein viel bedeutenderer

Unterschied zwischen den Blättern in Wasser

und den in den schwachen Lösungen nach Verlauf von 8 bis 24 Stunden, als in den ersten drei Stunden vorhanden war; doch ist es der allgemeinen Regel nach am besten, sich auf die in der kürzeren Zeit beobachteten Verschiedenheit zu verlassen.

[Abbildung      Fig. 9. (Drosera rotundifolia.)

Blatt (vergröszert), alle Tentakeln

dicht eingebogen, nach Eintauchung in einer Lösung von phosphorsaurem Ammoniak (ein Theil

auf 87500 Theile Wasser.)]

Was den Zeitpunkt der Wiederausstreckung der Blätter betrifft, sowohl

wenn sie in Wasser als wenn sie in den schwachen Lösungen eingetaucht

gelassen wurden, so konnte es kaum etwas variableres geben. In beiden

Fällen beginnen die äuszeren Tentakeln sich wieder auszustrecken nach

Verlauf von nur 6 bis 8 Stunden; das ist ungefähr gerade die Zeit,

wenn die kurzen Tentakeln rings um die Scheibenränder eingebogen werden. Auf der andern Seite bleiben die Tentakeln zuweilen einen ganzen

Tag lang oder selbst zwei Tage lang eingebogen; der allgemeinen Regel


 

[page break] Cap. 7. Kohlensaures Ammoniak.

nach bleiben sie aber in sehr schwachen Lösungen länger eingebogen als

in Wasser. In Lösungen, welche nicht gerade äuszerst schwach sind, breiten sie sich niemals innerhalb einer auch nur annähernd so kurzen Zeit

wie 6 oder 8 Stunden wieder aus. Nach diesen Angaben könnte man

meinen, es sei schwierig, zwischen den Wirkungen des Wassers und der

schwächerer Lösungen zu unterscheiden; in Wahrheit besteht aber so

lange nicht die geringste Schwierigkeit, bis excessiv schwache Lösungen

versucht werden; dann ist die Unterscheidung, wie sich hätte erwarten

lassen, sehr zweifelhaft und verschwindet zuletzt ganz. Da aber in allen

Fällen, ausgenommen die einfachsten, der Zustand der gleichzeitig für

eine gleiche Zeitdauer in Wasser und in die Lösungen eingetauchten

Blätter beschrieben werden wird, so kann sich der Leser sein Urtheil

selbst bilden.

Kohlensaures Ammoniak.

Wenn dieses Salz von den Wurzeln absorbirt wird, verursacht

es keine Einbiegung der Tentakeln. Eine Pflanze wurde so in eine

Lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes in 146 Theilen

Wasser gestellt, dasz die jungen unverletzten Wurzeln beobachtet

werden konnten. Die terminalen Zellen, welche von einer rosa Färbung waren, wurden augenblicklich farblos und ihr klarer Inhalt

wolkig wie ein Mezzotinto-Stich, so dasz ein gewisser Grad von Zusammenballung beinahe augenblicklich verursacht wurde; es erfolgte

aber keine weitere Veränderung und die absorbirenden Härchen wurden nicht sichtbar afficirt. Die Tentakeln krümmten sich nicht.

Zwei andere Pflanzen wurden, ihre Wurzeln von feuchtem Moos umgeben, in eine halbe Unze (14,198 Cub. Cent.) einer Lösung von einem

Theile des kohlensauren Salzes auf 218 Theile Wasser gestellt und

24 Stunden lang beobachtet; es wurde aber nicht ein einziger Tentakel eingebogen. Um diese Wirkung hervorzubringen, musz das

kohlensaure Salz von den Drüsen absorbirt werden.

Der Dampf bringt eine mächtige Wirkung auf die Drüsen hervor und verursacht Einbiegung. Drei Pflanzen, deren Wurzeln in

Flaschen waren, so dasz die umgebende Luft nicht sehr feucht werden konnte, wurden zusammen mit 4 Gran kohlensauren Ammoniaks

in einem Uhrglas unter eine Glasglocke (von 122 flüssigen Unzen

Inhalt) gestellt. Nach Verlauf von 6 Stunden 15 Minnten schienen

die Blätter nicht afficirt zu sein; aber am nächsten Morgen, nach

20 Stunden, sonderten die geschwärzten Drüsen reichlich ab und die

meisten Tentakeln waren stark eingebogen. Diese Pflanzen starben

bald ab. Zwei andere Pflanzen wurden zusammen mit einem halben


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

Gran des kohlensauren Salzes unter dieselbe Glasglocke gebracht und

die Luft so feucht als möglich gemacht; in 2 Stunden waren die

meisten Blätter afficirt, viele der Drüsen waren geschwärzt und die

Tentakeln eingebogen. Es ist aber eine merkwürdige Thatsache, dasz

einige der dicht neben einander stehenden Tentakeln an einem und

demselben Blatte, sowohl auf der Scheibe als auch rings um den

Rand herum bedeutend und einige allem Anscheine nach nicht im

Mindesten afficirt waren. Die Pflanzen wurden 24 Stunden unter

der Glasglocke gehalten, es folgte aber keine weitere Veränderung.

Ein gesundes Blatt war kaum irgendwie afficirt, obgleich andere

Blätter an der nämlichen Pflanze bedeutend afficirt waren. Bei einigen Blättern waren alle Tentakeln auf einer Seite eingebogen, aber

nicht die auf der entgegengesetzten Seite. Ich bezweifle es, ob diese

äuszerst ungleiche Wirkung durch die Vermuthung erklärt werden

kann, dasz die thätigeren Drüsen allen Dampf so geschwind absorbiren, wie er erzeugt wird, so dasz dann keiner für die übrigen Drüsen zurückbleibt; wir werden nämlich analogen Fällen begegnen, wo

die Luft mit Dämpfen von Chloroform und Äther völlig durchdrungen war.

Äuszerst kleine Stückchen des kohlensauren Salzes wurden dem

mehrere Drüsen umgebenden Secrete hinzugefügt. Diese wurden

augenblicklich schwarz und sonderten reichlich ab; aber ausgenommen

in zwei Fällen, wo äuszerst minutiöse Stückchen gegeben wurden,

fand keine Einbiegung statt. Dies Resultat ist dem analog, welches

dem Eintauchen von Blättern in eine starke Auflösung von einem

Theil des kohlensauren Salzes in 109, oder 146, oder selbst in 218

Theilen Wasser folgt; denn die Blätter werden dann gelähmt und es

erfolgt keine Einbiegung, obschon die Drüsen geschwärzt werden und

das Protoplasma in den Zellen der Tentakeln starker Zusammenballung

unterliegt.

Wir wollen uns nun zu den Wirkungen der Lösungen des kohlensauren Salzes wenden. Halbe Minims einer Lösung von einem Theil in

437 Theilen Wasser wurden auf die Scheiben von zwölf Blättern gebracht; so dasz ein jedes   Gran oder 0,0675 Milligr. erhielt. Bei

zehn von diesen wurden die äuszeren Tentakeln gut eingebogen; auch

die Blattscheiben einiger wurden stark einwärts gekrümmt. In zwei

Fällen waren mehrere von den äuszeren Tentakeln in 35 Minuten eingebogen; die Bewegung war aber im Allgemeinen langsamer. Diese zehn

Blätter breiteten sich nach einer verschiedenen Zeitdauer wieder aus,


 

[page break] Cap. 7. Kohlensaures Ammoniak.

welche zwischen 21 und 45 Stunden schwankte; in einem Falle erfolgte

die Wiederausbreitung nicht vor Verlauf von 67 Stunden, so dasz sie

sich viel schneller wieder ausbreiteten als Blätter, welche Insecten gefangen hatten.

Gleich grosze Tropfen einer Lösung von einem Theil in 875 Theilen

Wasser wurden auf die Scheiben von elf Blättern gebracht; sechs blieben

völlig unafficirt, während bei fünf von drei bis sechs oder acht ihrer

äuszeren Tentakeln eingebogen wurden; doch kann dieser Grad von Bewegung kaum für zuverläszig angesehen werden. Jedes dieser Blätter

erhielt   Gran (0,0337 Milligr.) über die Drüsen der Scheibe vertheilt;

dies war aber eine zu kleine Menge, um irgend eine entschiedene Wirkung auf die äuszeren Tentakeln hervorzubringen, deren Drüsen selbst

nichts von dem Salze erhalten hatten.

Äuszerst kleine Tropfen, am Kopfe einer kleinen Stecknadel, einer

Lösung von einem Theil des kohlensauren Salzes in 218 Theilen Wasser

wurden nun zunächst in der oben beschriebenen Art und Weise versucht.

Ein Tropfen dieser Art gleicht im Mittel   Minim und enthält daher

  Gran (0,0135 Milligr.) des kohlensauren Salzes. Ich berührte das

klebrige Secret rings um drei Drüsen damit, so dasz jede Drüse nur 

Gran (0,00445 Milligr.) erhielt. Nichtsdestoweniger wurden in zwei Versuchen

alle Drüsen deutlich geschwärzt; in einem Falle waren alle drei Tentakeln nach Verlauf von 2 Stunden 40 Minuten gut eingebogen, und in

einem andern Falle waren zwei von den drei Tentakeln eingebogen. Ich

versuchte dann Tropfen einer schwächeren Lösung von einem Theile auf

292 Wasser an vier und zwanzig Drüsen, immer das klebrige Secret

rings um drei Drüsen mit denselben kleinen Tropfen berührend. Jede

Drüse erhielt hiernach nur   Gran (0,00337 Milligr.), und doch

wurden einige von ihnen etwas dunkel; in keinem einzigen Falle aber

wurde irgend einer der Tentakeln eingebogen, obschon sie 12 Stunden

lang beobachtet wurden. Als eine noch schwächere Lösung (nämlich ein

Theil auf 437 Theile Wasser) an sechs Drüsen versucht wurde, war durchaus gar keine Wirkung wahrnehmbar. Wir lernen hieraus, dasz 

Gran (0,00445 Milligr.) kohlensauren Ammoniaks, wenn es von einer Drüse

absorbirt wird, hinreicht, in dem basalen Theile des nämlichen Tentakels

Einbiegung zu veranlassen; wie aber bereits erwähnt, war ich nur wenige

Secunden lang im Stande, mit stetiger Hand die äuszerst kleinen Tropfen

mit dem Secrete in Berührung zu halten; wäre zur Diffusion und Absorption mehr Zeit gelassen worden, so würde sicherlich eine viel schwächere Lösung gewirkt haben.

Einige Versuche wurden so gemacht, dasz abgeschnittene Blätter in

Lösungen verschiedener Stärkegrade eingetaucht wurden. So wurden vier

Blätter, jedes ungefähr 3 Stunden lang, in einer Drachme (3,549 Cub. Cent.)

einer Lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 5250 Theile

Wasser gelassen; bei zweien derselben war beinahe jeder Tentakel eingebogen, beim dritten war ungefähr die Hälfte und beim vierten ungefähr ein Drittel der Tentakeln eingebogen; sämmtliche Drüsen waren geschwärzt. Ein anderes Blatt wurde in eine gleich grosze Menge einer

Lösung von einem Theile in 7000 Theilen Wasser gelegt, und in 1 Stunde

16 Minuten war jeder einzelne Tentakel ordentlich eingebogen und sämmt


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

liche Drüsen geschwärzt. Sechs Blätter wurden ein jedes in dreiszig

Minims (1,774 Cub. Cent.) einer Lösung von einem Theile in 4375 Theilen

Wasser eingetaucht, und in 31 Minuten waren die Drüsen sämmtlich geschwärzt. Alle sechs Blätter boten etwas unbedeutende Einbiegung dar,

und eines war stark eingebogen. Vier Blätter wurden dann in dreiszig

Minims einer Lösung von einem Theil in 8750 Theilen Wasser eingetaucht, so dasz jedes Blatt   Gran (0,2025 Milligr.) erhielt. Nur eins

wurde stark eingebogen; aber sämmtliche Drüsen auf allen Blättern waren

nach 1 Stunde von einem so dunklen Roth, dasz es beinahe verdiente

schwarz genannt zu werden, während dies bei den zu derselben Zeit in

Wasser eingetauchten Blättern nicht eintrat; auch brachte überhaupt

Wasser diese Wirkung bei keiner andern Gelegenheit in auch nur nahezu

so kurzer Zeit wie einer Stunde hervor. Diese Fälle von gleichzeitigem

Dunkel- oder Schwarzwerden der Drüsen in Folge der Wirkung schwacher

Lösungen sind wichtig, da sie zeigen, dasz sämmtliche Drüsen das kohlensaure Salz innerhalb der nämlichen Zeit aufsaugten, welche Thatsache zu

bezweifeln allerdings nicht der geringste Grund vorhanden war. Sobald

ferner sämmtliche Tentakeln innerhalb derselben Zeit eingebogen werden,

haben wir, wie vorhin schon bemerkt, einen Beweis von gleichzeitiger

Absorption. Ich habe die Anzahl der Drüsen auf diesen vier Blättern

nicht gezählt; da es aber schöne Blätter waren, und da wir wissen, dasz

die mittlere Anzahl von Drüsen auf ein und zwanzig Blättern 192 betrug, so können wir getrost annehmen, dasz ein jedes im Mittel mindestens 170 trug; war dies der Fall, so konnte jede geschwärzte Drüse

nur   Gran (0,00119 Milligr.) des kohlensauren Salzes aufgesaugt

haben.

Eine grosze Anzahl von Versuchen war vorläufig mit Lösungen von

einem Theil salpetersauren und phosphorsauren Ammoniaks auf 43750

Theile Wasser (d. h. ein Gran auf 100 Unzen) angestellt worden, wobei

sich diese Lösungen als in hohem Grade wirksam herausstellten. Es

wurden daher vierzehn Blätter ein jedes in dreiszig Minims einer Lösung

von einem Theile des kohlensauren Salzes in der angegebenen Menge

Wassers gelegt, so dasz jedes Blatt   Gran (0,0405 Milligr.) erhielt.

Die Drüsen wurden nicht bedeutend dunkler. Zehn von den Blättern

wurden nicht afficirt oder nur sehr unbedeutend. Vier indessen wurden

stark afficirt: das erste hatte in 47 Minuten sämmtliche Tentakeln, ausgenommen vierzig, eingebogen; in 6 Stunden 30 Minuten waren alle eingebogen mit Ausnahme von zwölf, und nach 4 Stunden war es die Blattscheibe selbst. Beim zweiten Blatte waren nach 9 Minuten sämmtliche

Tentakeln mit Ausnahme von neun eingebogen; nach Verlauf von 6

Stunden 30 Minuten waren diese neun halb eingebogen, während die

Scheibe in 4 Stunden bedeutend eingebogen worden war. Am dritten

Blatte waren nach 1 Stunde 6 Minuten, bis auf vierzig, sämmtliche Tentakeln eingebogen. Bei dem vierten waren nach 2 Stunden 5 Minuten

ungefähr die Hälfte der Tentakeln und nach 4 Stunden sämmtliche bis

auf fünf und vierzig eingebogen. Blätter, welche zu derselben Zeit in

Wasser eingetaucht waren, wurden durchaus gar nicht afficirt, mit Ausnahme eines, und dies nicht eher, als bis 8 Stunden verlaufen waren.

Es kann daher daran kein Zweifel sein, dasz, wenn ein in hohem Grade


 

[page break] Cap. 7. Kohlensaures Ammoniak.

empfindliches Blatt in eine Lösung eingetaucht wird, so dasz alle Drüsen

in den Stand gesetzt werden, zu absorbiren,   Gran des kohlensauren

Salzes auf dasselbe einwirkt. Nimmt man an, dasz das Blatt, welches ein

groszes war und dessen sämmtliche Tentakeln mit Ausnahme von acht

eingebogen wurden, 170 Drüsen trug, so konnte jede Drüse nur 

Gran (0,00024 Milligr.) absorbirt haben; und doch war dies hinreichend,

auf einen jeden der 162 Tentakeln, welche eingebogen wurden, einzuwirken. Da aber nur vier unter den oben genannten vierzehn Blättern deutlich afficirt wurden, so ist dies nahezu die Minimalgrenze der Dose, welche

wirksam ist.

Zusammenballung des Protoplasma in Folge der Einwirkung des kohlensauren Ammoniaks. — Ich habe im dritten

Capitel ausführlich die merkwürdigen Wirkungen mäszig starker Dosen

dieses Salzes beschrieben, wie sie sich in der Verursachung einer Zusammenballung des Protoplasma innerhalb der Zellen der Drüsen und

Tentakeln äuszern; meine Absicht ist, hier lediglich zu zeigen, welche

kleine Dosen schon genügen. Ein Blatt wurde in zwanzig Minims (1,183

Cub. Cent.) einer Lösung von einem Theil in 1750 Theilen Wasser eingetaucht, und ein anderes Blatt in die gleiche Menge einer Lösung von

einem Theil in 3062 Theilen; im erstem Falle trat Zusammenballung in

4 Minuten, im letztern in 11 Minuten ein. Dann wurde ein Blatt in zwanzig

Minims einer Lösung von einem Theil auf 4375 Theile Wasser getaucht,

so dasz es   Gran (0,27 Milligr.) erhielt; in 5 Minuten war eine unbedeutende Veränderung in der Färbung der Drüsen vorhanden, und in

15 Minuten hatten sich kleine Kugeln von Protoplasma in den Zellen

unterhalb der Drüsen aller Tentakeln gebildet. In diesen Fällen konnte

auch nicht ein Schatten von Zweifel über die Wirkung der Lösung bestehen.

Es wurde dann eine Lösung von einem Theil in 5250 Theilen

Wasser gemacht, womit ich an vierzehn Blättern Versuche aufstellte;

doch will ich nur einige wenige Fälle anführen. Acht junge Blätter wurden ausgewählt und mit Sorgfalt untersucht; sie zeigten keine Spur von

Zusammenballung. Vier von diesen wurden in eine Drachme (3,549 Cub.

Cent.) destillirten Wassers gelegt; vier in ein ähnliches Gefäsz mit einer

Drachme der Lösung. Nach einiger Zeit wurden die Blätter unter einer

starken Vergröszerung untersucht, wobei immer abwechselnd eines aus der

Lösung und aus dem Wasser genommen wurde. Das erste Blatt wurde

aus der Lösung genommen nach einem Eintauchen von 2 Stunden 40

Minuten, und das letzte Blatt wurde aus dem Wasser genommen nach 3

Stunden 50 Minuten; die Untersuchung währte 1 Stunde 40 Minuten.

In den vier aus dem Wasser genommenen Blättern war keine Spur von

Zusammenballung mit Ausnahme eines Exemplars vorhanden, in welchem

sehr wenige äuszerst minutiöse Kügelchen von Protoplasma unterhalb

einiger der runden Drüsen zu bemerken waren. Sämmtliche Drüsen waren

durchscheinend und roth. Die vier Blätter, welche in die Lösung eingetaucht gewesen waren, boten auszerdem, dasz sie eingebogen waren, ein

weit davon verschiedenes Ansehen dar; denn der Inhalt der Zellen jeden

einzelnen Tentakels an allen vier Blättern war augenfällig zusammengeballt; die Kugeln und länglichen Massen von Protoplasma erstreckten

Darwin, Insectenfrossende Pflanzen. (VIII.) 9

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

sich in vielen Fällen die halbe Länge der Tentakeln hinab. Sämmtliche

Drüsen, sowohl die der centralen als auch die der äuszeren Tentakeln

waren opak und geschwärzt; und dies zeigt, dasz sie alle etwas von dem

kohlensauren Salze absorbirt hatten. Diese vier Blätter waren von nahezu

der nämlichen Grösze; auf einem wurden die Drüsen gezählt; es waren

167 vorhanden. Wenn unter solchen Umständen die vier Blätter in eine

Drachme der Lösung eingetaucht wurden, so konnte jede Drüse im Mittel

nur   Gran (0,001009 Milligr.) von dem Salze erhalten haben; und

diese Quantität war hinreichend, innerhalb einer kurzen Zeit augenfällige

Zusammenballung in den Zellen unterhalb aller der Drüsen herbeizuführen.

Ein kräftiges, aber eher etwas kleines rothes Blatt wurde in sechs

Minims der nämlichen Lösung (nämlich ein Theil auf 5250 Theile Wasser)

gethan, so dasz es   Gran (0,0675 Milligr.) erhielt. In 40 Minuten

erschienen die Drüsen eher dunkler; und in 1 Stunde hatten sich von

vier bis sechs Protoplasma-Kugeln in den Zellen unterhalb der Drüsen

sämmtlicher Tentakeln gebildet. Ich habe die Tentakeln nicht gezählt;

wir können aber getrost annehmen, dasz mindestens 140 vorhanden

waren; war dies der Fall, so konnte jede Drüse nur   Gran oder

0,00048 Milligr. erhalten haben.

Es wurde dann eine schwächere Lösung von einem Theile in 7000

Theilen Wasser gemacht, und vier Blätter wurden in dieselbe getaucht;

ich will aber nur einen einzigen Fall anführen. Ein Blatt wurde in zehn

Minims dieser Lösung gelegt; nach 1 Stunde 37 Minuten wurden die

Drüsen etwas dunkler, und die Zellen unter ihnen allen enthielten nun

viele Kugeln zusammengeballten Protoplasmas. Dies Blatt erhielt 

Gran und trug 166 Drüsen. Jede Drüse konnte daher nur   Gran

(0,000507 Milligr.) des kohlensauren Salzes erhalten haben.

Zwei andere Experimente sind noch der Mittheilung werth. Ein

Blatt wurde 4 Stunden 15 Minuten lang in destillirtes Wasser eingetaucht, es trat aber keine Zusammenballung ein: dann wurde es 1 Stunde

15 Minuten lang in ein wenig Lösung von einem Theile auf 5250 Theile

Wasser gelegt; und dies erregte wohl ausgesprochene Zusammenballung

und Einbiegung. Bei einem andern Blatte waren, nachdem es 21 Stunden 15 Minuten in destillirtem Wasser gelegen hatte, die Drüsen geschwärzt;

es fand sich aber keine Zusammenballung in den Zellen unter ihnen;

dann wurde es in sechs Minims der nämlichen Lösung gelassen, und in

1 Stunde fand sich bedeutende Zusammenballung in vielen der Tentakeln;

in 2 Stunden waren sämmtliche Tentakeln (146 an Zahl) afficirt, wobei

die Zusammenballung eine Strecke weit hinabreichte, welche der halben

oder der ganzen Länge der Drüsen gleich kam. Es ist äuszerst unwahrscheinlich, dasz diese beiden Blätter einer Zusammenballung unterlegen

wären, wenn sie ein wenig länger im Wasser liegen gelassen worden

wären, nämlich 1 Stunde und 1 Stunde 15 Minuten, während welcher

Zeit sie in die Lösung eingetaucht waren; denn der Procesz der Zusammenballung scheint ausnahmslos langsam und sehr allmählich im Wasser einzutreten.

Zusammenfassung der Resultate mit kohlensaurem

Ammoniak. — Die Wurzeln absorbiren die Lösung, wie sich aus


 

[page break] Cap. 7. Salpetersaures Ammoniak.

ihrer veränderten Färbung und aus der Zusammenballung des Inhalts

ihrer Zellen ergibt. Der Dampf wird von den Drüsen absorbirt; dieselben werden geschwärzt und die Tentakeln eingebogen. Wenn die

Drüsen der Scheibe durch einen halben Minim-Tropfen (0,0296 Cub.

Cent.) gereizt werden, der   Gran (0,0675 Milligr.) enthält, so übermitteln sie den äuszeren Tentakeln einen motorischen Impuls, welcher

dieselben einwärts zu biegen veranlaszt. Ein minutiöser,   Gran

(0,00445 Milligr.) enthaltender Tropfen verursacht, wenn er wenige

Secunden lang mit einer Drüse in Berührung gehalten wird, dasz sich

der dieselbe tragende Tentakel bald einbiegt. Wenn ein Blatt wenige

Stunden lang in einer Lösung eingetaucht gelassen wird, und eine

Drüse absorbirt   Gran (0,00048 Milligr.), so wird ihre Färbung dunkler, wennschon nicht factisch schwarz; auch wird der Inhalt

der Zellen unterhalb der Drüse deutlich zusammengeballt. Endlich

genügt unter denselben Umständen die Aufsaugung von   Gran

(0,00024 Milligr.) durch eine Drüse, um den diese Drüse tragenden

Tentakel zur Bewegung zu reizen.

Salpetersaures Ammoniak.

Bei diesem Salze achtete ich nur auf die Einbiegung der Blätter;

denn es ist in Bezug auf Verursachung von Zusammenballung bei weitem

weniger wirksam als das kohlensaure Salz, obschon es beträchtlich wirkungsvoller in Bezug auf Verursachung von Einbiegung ist. Ich experimentirte mit halben Minims (0,0296 Cub. Cent,) auf den Scheiben von

zwei und fünfzig Blättern, will aber nur einige wenige Fälle anführen.

Eine Lösung von einem Theile in 109 Theilen Wasser war zu stark; sie

verursachte wenig Einbiegung und tödtete nach 24 Stunden, (oder tödtete

beinahe), vier von den sechs Blättern, welche in dieser Weise probirt

wurden; jedes derselbe erhielt   Gran (oder 0,27 Milligr.). Eine Lösung

von einem Theil in 218 Theilen Wasser wirkte äuszerst energisch; sie

verursachte nicht allein die starke Einbiegung aller der Tentakeln, sondern auch der Blattscheiben einiger. Vierzehn Blätter wurden mit Tropfen

einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser versucht, so dasz

die Scheibe eines jeden   Gran (0,0337 Milligr.) erhielt. Von diesen

Blättern wirkte die Lösung auf sieben sehr stark ein, indem allgemein

auch die Ränder eingebogen wurden; die Einwirkung auf zwei war mäszig,

und fünf wurden durchaus gar nicht beeinfluszt. Ich versuchte später

drei von diesen letztgenannten fünf Blättern mit Harnstoff, Speichel und

Schleim, sie wurden aber nur unbedeutend afficirt; und dies beweist, dasz

sie sich in keinem lebenskräftigen Zustande befanden. Ich erwähne diese

Thatsache, um zu zeigen, wie nothwendig es ist, an verschiedenen Blättern

zu experimentiren. Zwei der Blätter, welche ordentlich eingebogen waren,

breiteten sich nach 51 Stunden wieder aus.

9*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

In dem folgenden Experimente traf es sich, dasz ich sehr empfindliche Blätter gewählt hatte. Halbe Minims einer Lösung von einem Theil auf

1094 Wasser (d. h. 1 Gran auf 2½ Unzen) wurden auf die Scheiben von

neun Blättern gebracht, so dasz jedes   Gran (0,027 Milligr.) erhielt.

Bei drei von ihnen waren die Tentakeln stark eingebogen und ihre Scheiben einwärts gerollt; fünf waren unbedeutend und etwas zweifelhaft

afficirt, indem von drei bis acht ihrer äuszern Tentakeln eingebogen waren;

ein Blatt war durchaus gar nicht afficirt, doch wirkte später Speichel auf

dasselbe ein. In sechs von diesen Fällen war eine Spur von Wirkung in

7 Stunden bemerkbar, aber die volle Wirkung wurde nicht vor Ablauf

von 24 bis 30 Stunden hervorgerufen. Zwei von den Blättern, welche

nur unbedeutend eingebogen waren, breiteten sich nach Verlauf von weiteren 19 Stunden wieder aus.

Halbe Minims einer etwas schwächeren Lösung, nämlich von einem

Theil in 1312 Theilen Wasser (1 Gran auf 3 Unzen) wurden auf vierzehn Blättern versucht, so dasz jedes   Gran (0,0225 Milligr.), anstatt

wie im letzten Versuch   Gran, erhielt. Die Scheibe eines derselben

wurde deutlich eingebogen, wie es auch sechs der äuszeren Tentakeln

wurden; die Scheibe eines zweiten wurde unbedeutend, zwei der äuszeren

Tentakeln gut eingebogen, während alle die andern Tentakeln in rechten

Winkeln zur Blattscheibe eingerollt wurden; bei drei andern Blättern

waren von fünf bis acht Tentakeln eingebogen, bei fünf andern nur zwei

oder drei, und gelegentlich, obschon sehr selten, verursachen Tropfen reinen Wassers so viel Wirkung; die vier übrig bleibenden Blätter waren

in keiner Weise afficirt, doch wurden drei von ihnen, als sie später mit

Harn probirt wurden, bedeutend eingebogen. In den meisten dieser Fälle

war eine unbedeutende Wirkung innerhalb 6 bis 7 Stunden bemerkbar,

doch wurde die volle Wirkung nicht vor Ablauf von 24 bis 30 Stunden

hervorgebracht. Offenbar haben wir hier sehr nahe den Minimalbetrag

erreicht, welcher, zwischen die Drüsen der Scheibe vertheilt, auf die

äuszeren Tentakeln wirkt; diese selbst hatten nichts von der Lösung

erhalten.

An nächster Stelle wurde die klebrige Absonderung rings um drei

der äuszeren Drüsen mit einem und demselben kleinen Tropfen (  Minim)

einer Lösung von einem Theile in 437 Theilen Wasser berührt; und nach

Verlauf von 2 Stunden 50 Minuten waren alle drei Tentakeln gut eingebogen. Jede dieser Drüsen konnte nur   Gran oder 0,00225 Milligr.

erhalten haben. Ein kleiner Tropfen von der nämlichen Grösze und

Stärke wurde auch auf vier andere Drüsen verwandt, und in einer Stunde

waren zwei eingebogen, während die andern beiden sich niemals bewegten.

Wir sehen hier wie in dem Falle, wo die halben Minims auf die Scheibe

gebracht wurden, dasz das salpetersaure Ammoniak wirksamer ist, Einbiegung zu verursachen, als das kohlensaure; denn äuszerst kleine Tropfen

des letztern Salzes von dieser Stärke brachten keine Wirkung hervor.

Ich versuchte sehr kleine Tropfen einer noch schwächeren Lösung des

salpetersauren Salzes, nämlich ein Theil auf 875 Theile Wasser, bei ein

und zwanzig Drüsen; es wurde aber durchaus gar keine Wirkung hervorgebracht vielleicht mit Ausnahme eines Falles.

Drei und sechzig Blätter wurden in Lösungen verschiedener Stärke


 

[page break] Cap. 7. Salpetersaures Ammoniak.

grade eingetaucht; während andere Blätter zu derselben Zeit in dasselbe

reine Wasser gelegt wurden, was zur Anfertigung der Lösungen benutzt

wurde. Die Resultate sind so merkwürdig, obschon weniger merkwürdig

als die mit phosphorsaurem Ammoniak erhaltenen, dasz ich die Versuche

im Einzelnen beschreiben musz; doch will ich nur einige wenige anführen.

Wenn ich von den aufeinanderfolgenden Perioden spreche, in denen Einbiegung eintrat, so rechne ich immer von der Zeit der ersten Eintauchung an.

Nachdem ich einige vorläufige Experimente zur Orientirung angestellt hatte, wurden fünf Blätter in einem und demselben kleinen Gefäsz

in dreiszig Minims einer Lösung von einem Theile des salpetersauren

Salzes in 7875 Theilen Wasser (1 Gran auf 18 Unzen) gelegt; diese

Menge Flüssigkeit war gerade hinreichend sie zu bedecken. Nach 2 Stunden 10 Minuten waren drei der Blätter beträchtlich eingebogen und die

andern beiden mäszig. Die Drüsen aller waren so dunkel roth geworden,

dasz sie beinahe verdienten, schwarz genannt zu werden. Nach 8 Stunden waren bei vier von den Blättern alle Tentakeln mehr oder weniger

eingebogen, während am fünften, welches, wie ich jetzt bemerkte, ein

altes Blatt war, nur dreiszig Tentakeln eingebogen waren. Am nächsten

Morgen, nach 23 Stunden 40 Minuten, fanden sich sämmtliche Blätter in

demselben Zustande, ausgenommen, dasz bei dem alten Blatte einige

wenige Tentakeln mehr eingebogen waren. Fünf Blätter, welche zu der

nämlichen Zeit in Wasser gelegt worden waren, wurden in denselben Zeitzwischenräumen beobachtet; nach 2 Stunden 10 Minuten waren bei zwei

von ihnen vier, bei einem sieben, bei einem zehn der langköpfigen, randständigen Tentakeln und beim fünften vier rundköpfige Tentakeln eingebogen. Nach 8 Stunden war keine Veränderung an diesen Blättern sichtbar, und nach 24 Stunden waren alle randständigen Teutakeln wieder

ausgebreitet, bei einem Blatte aber war ein Dutzend und bei einem zweiten Blatte ein halbes Dutzend submarginaler Tentakeln eingebogen. Da

die Drüsen der fünf Blätter in der Lösung gleichzeitig dunkel geworden

waren, so hatten sie alle ohne Zweifel eine nahezu gleiche Menge von

dem Salze aufgesaugt; und da allen fünf Blättern zusammen   Gran

gegeben worden war, so erhielt ein jedes   Gran (0,045 Milligr.). Ich

habe die Tentakeln an diesen Blättern nicht gezählt, welche mäszig schöne

waren; da aber die mittlere Zahl bei ein und dreiszig Blättern 192 war,

so dürfte es sicher sein anzunehmen, dasz jedes im Mittel mindestens 160

trug. War dies der Fall, so konnte jede der dunkel gewordenen Drüsen

nur   Gran des salpetersauren Salzes erhalten haben; und dies

verursachte die Einbiegung einer groszen Anzahl von Tentakeln.

Diese Methode, mehrere Blätter in ein und dasselbe Gefäsz zu bringen,

ist keine gute, da man dabei unmöglich sicher sein kann, ob nicht die

kräftigeren Blätter den schwächeren ihren Antheil am Salze rauben.

Überdies müssen die Drüsen häufig einander oder die Gefäszwände berühren, und dadurch kann Bewegung angeregt werden; aber die entsprechenden Blätter in Wasser, welche wenig eingebogen wurden, obschon eher

mehr als gewöhnlich vorkömmt, waren denselben Fehlerquellen in einem

beinahe gleichen Grade ausgesetzt. Ich will daher nur noch ein weiteres,

nach dieser Methode angestelltes Experiment anführen, obschon viele an


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

gestellt wurden, und alle die vorstehend erwähnten und die folgenden

Resultate bestätigten. Vier Blätter wurden in vierzig Minims einer Lösung

von einem Theile in 10500 Theilen Wasser gelegt; und angenommen sie

absorbirten gleichmäszig, so erhielt jedes Blatt   Gran (0,0562 Milligr.).

Nach 1 Stunde 20 Minuten waren viele der Tentakeln an allen vier

Blättern etwas eingebogen. Nach 5 Stunden 30 Minuten waren bei zwei

Blättern alle Tentakeln eingebogen, bei einem dritten Blatt sämmtliche,

ausgenommen die äuszersten randständigen, welche alt und torpid zu sein

schienen, und bei den vierten eine grosze Zahl. Nach 21 Stunden war

jeder einzelne Tentakel an allen vier Blättern dicht eingebogen. Bei den

vier zu der nämlichen Zeit in Wasser gelegten Blättern waren nach 5

Stunden 45 Minuten an einem fünf randständige Tentakeln eingebogen,

bei einem zweiten zehn, bei einem dritten neun marginale und submarginale, und beim vierten zwölf, hauptsächlich submarginale. Nach 21

Stunden breiteten sich alle diese randständigen Tentakeln wieder aus,

einige wenige der submarginalen an zweien von den Blättern blieben indessen unbedeutend einwärts gekrümmt. Der Contrast zwischen diesen

vier Blättern in Wasser und denen in der Lösung war wunderbar grosz;

bei den letzteren war jeder einzelne ihrer Tentakeln dicht eingebogen.

Macht man die mäszige Annahme, dasz jedes dieser Blätter 160 Tentakeln

trug, so kann jede Drüse nur   Gran (0,000351 Milligr.) absorbirt

haben. Dieses Experiment wurde an drei Blättern mit derselben relativen

Menge der Lösung wiederholt; und nach 6 Stunden 15 Minuten waren

sämmtliche Tentakeln, mit Ausnahme von neun von allen drei Blättern

zusammengenommen, dicht eingebogen. In diesem Falle wurden die Tentakeln an jedem Blatte gezählt und ergaben ein Mittel von 162 pro Blatt.

Die folgenden Versuche wurden während des Sommers 1873 angestellt, und zwar so, dasz die Blätter jedes in ein besonderes Uhrglas gelegt und dreiszig Minims (1,775 Cub. Cent.) der Lösung darüber gegossen

wurden; andere Blätter wurden in ganz genau derselben Manier mit dem

doppelt destillirten Wasser behandelt, welches beim Anfertigen der Lösungen benutzt wurde. Die oben mitgetheilten Versuche waren mehrere Jahre

vorher angestellt worden, und als ich meine Notizen durchsah, konnte

ich nicht an die Resultate glauben; ich entschlosz mich daher, nochmals

mit mäszig starken Lösungen anzufangen. Zuerst wurden sechs Blätter,

und zwar ein jedes in dreiszig Minims einer Lösung von einem Theil des

salpetersauren Salzes in 8750 Theilen Wasser (1 Gran auf 20 Unzen)

gethan, so dasz jedes   Gran (0,2025 Milligr.) erhielt. Vor Verlauf

von 30 Minuten waren vier dieser Blätter ungeheuer und zwei von ihnen

mäszig eingebogen. Die Drüsen waren dunkelroth geworden. Die vier

entsprechenden Blätter in Wasser wurden vor Ablauf von 6 Stunden

durchaus gar nicht afficirt, und dann nur die kurzen Tentakeln an den

Rändern der Scheibe; ihre Einbiegung ist, wie früher erklärt wurde,

niemals von irgendwelcher Bedeutung.

Vier Blätter wurden ein jedes in dreiszig Minims einer Lösung von

einem Theile auf 17500 Theile Wasser (1 Gran auf 40 Unzen) eingetaucht, so dasz jedes   Gran (0,101 Milligr.) erhielt; in weniger als

45 Minuten waren bei dreien von ihnen sämmtliche Tentakeln, mit Ausnahme von vier bis zehn, eingebogen; die Scheibe eines Blattes war nach


 

[page break] Cap. 7. Salpetersaures Ammoniak.

6 Stunden und die Scheibe eines zweiten nach 21 Stunden eingebogen.

Das vierte Blatt war durchaus gar nicht afficirt. Die Drüsen waren an

keinem dunkel geworden. Was die entsprechenden Blätter in Wasser betrifft, so waren nur bei einem ein paar seiner äuszern Tentakeln, nämlich fünf, eingebogen; die kurzen Tentakeln an den Rändern der Scheibe

bildeten in der gewöhnlichen Art und Weise in einem Falle nach 6 Stunden und in zwei Fällen nach 21 Stunden einen Ring.

Vier Blätter wurde jedes in dreiszig Minims einer Lösung von einem

Theil auf 43750 Theile Wasser (1 Gran auf 100 Unzen) eingetaucht,

so dasz jedes Blatt   Gran (0,0405 Milligr.) erhielt. Von diesen war

eines in 8 Minuten bedeutend eingebogen und nach 2 Stunden 7 Minuten

waren alle seine Tentakeln, mit Ausnahme von dreizehn gleichfalls eingebogen. Beim zweiten Blatt waren nach 10 Minuten sämmtliche Tentakeln mit Ausnahme dreier eingebogen. Das dritte und vierte waren

kaum überhaupt afficirt, kaum mehr als die entsprechenden Blätter in

Wasser. Von den letztern war nur eines afficirt; es waren an ihm zwei

Tentakeln eingebogen, während die an den äuszern Theilen der Scheibe

in der gewöhnlichen Art und Weise einen Ring bildeten. An dem Blatt,

an welchem sämmtliche Tentakeln mit Ausnahme von dreien in 10 Minuten eingebogen waren, konnte jede Drüse (angenommen, dasz das Blatt

160 Tentakeln trug) nur   Gran oder 0,000258 Milligr. absorbirt

haben.

Vier Blätter wurden wie früher einzeln in eine Lösung von einem

Theil auf 131250 Theile Wasser (1 Gran auf 300 Unzen gethan, so

dasz ein jedes   Gran oder 0,0135 Milligr. erhielt. Nach 50 Minuten

waren an einem Blatte alle Tentakeln mit Ausnahme von sechzehn und

nach 8 Stunden 20 Minuten sämmtliche bis auf vierzehn eingebogen.

Beim zweiten Blatt waren nach 40 Minuten alle Tentakeln bis auf zwanzig eingebogen, und nach 8 Stunden 10 Minuten fieng es an, sich wieder

auszubreiten. Beim dritten war in 3 Stunden ungefähr die Hälfte der

Tentakeln eingebogen, welche sich nach 8 Stunden 15 Minuten wieder

auszustrecken begannen. Am vierten Blatte waren nach 3 Stunden 7 Minuten nur neunundzwanzig Tentakeln mehr oder weniger eingebogen. Es

war daher bei drei unter den vier Blättern eine starke Einbiegung erfolgt. Es ist offenbar, dasz zufällig sehr empfindliche Blätter ausgelesen

worden waren. Überdies war der Tag heisz. Auch auf die vier entsprechenden Blätter in Wasser erfolgte eine eher stärkere Einwirkung

als es gewöhnlich der Fall ist; denn nach 3 Stunden waren bei einem

neun Tentakeln, bei einem andern vier, bei einem andern zwei und beim

vierten gar keiner eingebogen. In Bezug auf das Blatt, an welchem

nach 50 Minuten sämmtliche Tentakeln mit Ausnahme von sechzehn eingebogen waren, konnte (unter der Annahme, dasz das Blatt 160 Tentakeln

trug) jede Drüse nur   Gran oder 0,0000937 Milligr. absorbirt

haben, und dies scheint ungefähr die geringste Quantität des salpetersauren Salzes zu sein, welche hinreicht, die Einbiegung eines einzelnen

Tentakels zu veranlassen.

Da negative Resultate von Bedeutung sind zur Bestätigung der vorstehenden positiven, will ich anführen, dasz von acht Blättern wie früher

jedes in dreiszig Minims einer Lösung von einem Theile auf 175000 Theile


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

Wasser (1 Gran auf 400 Unzen) eingetaucht wurde, so dasz jedes nur

  Gran (0,0101 Milligr.) erhielt. Diese äuszerst geringe Quantität

brachte eine unbedeutende Wirkung nur an vier Blättern von den acht

hervor. Bei einem waren nach 2 Stunden 13 Minuten sechsundfünfzig

Tentakeln eingebogen, bei einem zweiten nach 38 Minuten sechsundzwanzig eingebogen oder halb eingebogen. Die vier übrigen Blätter wurden nicht im geringsten afficirt. Von den acht entsprechenden Blättern

in Wasser waren bei einem nach 2 Stunden 10 Minuten neun Tentakeln,

und bei vier andern von einem bis vier der langköpfigen Tentakeln eingebogen; die übrigen drei blieben unafficirt. Es bringt daher vielleicht

während warmen Wetters   Gran, einem empfindlichen Blatte verabreicht, eine unbedeutende Wirkung hervor; wir müssen uns aber daran

erinnern, dasz gelegentlich Wasser einen ebenso bedeutenden Grad von

Einbiegung verursacht, wie er in diesem letzten Experimente eintrat.

Zusammenfassung der Resultate mit salpetersaurem

Ammoniak. — Wenn die Drüsen der Scheibe durch einen halben

Minim-Tropfen (0,296 Cub. Cent.), welcher   Gran des salpetersauren Salzes (0,027 Milligr.) enthält, gereizt werden, so übermitteln

sie einen motorischen Impuls den äuszern Tentakeln, welcher dieselben

sich einwärts zu biegen veranlaszt. Wenn ein äuszerst kleiner Tropfen,

welcher   Gran (0,00225 Milligr.) enthält, wenige Secunden lang

mit einer Drüse in Berührung gelassen wird, so verursacht er eine

Einbiegung des diese Drüse tragenden Tentakels. Wenn ein Blatt

für wenige Stunden, und zuweilen nur einige wenige Minuten lang,

in einer Lösung von einer solchen Stärke eingetaucht gelassen wird,

dasz jede Drüse nur   Gran (0,0000937 Milligr.) absorbiren

kann, so ist diese geringe Menge hinreichend, einen jeden Tentakel

zur Bewegung anzureizen und er wird dicht eingebogen.

Phosphorsaures Ammoniak.

Dieses Salz ist kraftvoller als das salpetersaure Ammoniak und

selbst in einem noch gröszeren Verhältnisse als das salpetersaure Salz

schon kräftiger als das kohlensaure ist. Dies zeigt sich daraus, dasz

schwächere Lösungen des phosphorsauren Salzes wirken, wenn sie auf

die Blattscheiben getropft oder auf die Drüsen der äuszern Tentakeln

applicirt, oder wenn Blätter eingetaucht werden. Die Verschiedenheit in

der Wirkungsfähigkeit dieser drei Salze, wie sie auf drei verschiedenen

Wegen versucht wurde, unterstützt die sofort mitzutheilenden Resultate, welche so überraschend sind, dasz ihre Glaubwürdigkeit jede

Art von Unterstützung erfordert. Im Jahre 1872 experimentirte ich


 

[page break] Cap. 7. Phosphorsaures Ammoniak.

an zwölf eingetauchten Blättern, wobei ich jedem nur zehn Minims

einer Lösung gab; dies war aber eine schlechte Methode, denn eine

so kleine Quantität bedeckte sie kaum. Keines dieser Experimente

wird daher mitgetheilt werden, obwohl sie darauf hinweisen, dasz

excessiv kleine Dosen noch wirksam sind. Als ich im Jahre 1873

meine Notizen durchlas, glaubte ich sie durchaus nicht und beschlosz

eine andere Reihe von Versuchen mit scrupulöser Sorgfalt nach derselben Methode anzustellen, wie ich die mit dem salpetersauren Salz

ausgeführt hatte, nämlich in der Weise, dasz ich Blätter in Uhrgläser

legte und über jedes dreiszig Minims der in Frage stehenden Lösung

gosz, während ich zu derselben Zeit und in derselben Art und Weise

andere Blätter mit dem destillirten Wasser behandelte, welches bei

Darstellung der Lösungen benutzt wurde. Während des Jahres 1873

wurden in dieser Weise einundsiebenzig Blätter in Lösungen verschiedener Stärkegrade und die gleiche Zahl in Wasser versucht. Als

ich im folgenden Jahre einfach nach den Resultaten sah, ohne meine

Beobachtungen durchzulesen, glaubte ich trotz der Sorgfalt, welche

ich genommen, und der groszen Zahl der angestellten Versuche wiederum, dasz irgend ein Irrthum untergelaufen sein müsse, und es

wurden nochmals fünfunddreiszig frische Versuche mit den schwächsten Lösungen angestellt; die Resultate waren aber ebenso deutlich

ausgesprochen wie vorher. Alles zusammengenommen, wurden an 106

sorgfältig ausgewählten Blättern Versuche gemacht und zwar sowohl

in Wasser als auch in Lösungen des phosphorsauren Salzes. Ich kann

daher nach der peinlichsten Betrachtung keinen Zweifel an der substantiellen Genauigkeit meiner Resultate hegen.

Ehe ich meine Experimente mittheile, dürfte es gut sein, vorauszuschicken, dasz krystallisirtes phosphorsaures Ammoniak, solches, wie ich

benutzte, 35,33 Procent Krystallisationswasser enthält, so dasz in allen

folgenden Versuchen die wirksamen Elemente nur 64,67 Procent des angewandten Salzes bildeten.

Äuszerst minutiöse Stückchen des trocknen phosphorsauren Salzes

wurden mittelst einer Nadelspitze auf das mehrere Drüsen umgebende

Secret gelegt. Diese ergoszen viel Absonderung, wurden geschwärzt und

starben schlieszlich ab, aber die Tentakeln bewegten sich nur unbedeutend. So klein auch die Dose war, so war sie doch offenbar zu grosz,

und das Resultat war dasselbe wie mit Stückchen kohlensauren Ammoniaks.

Halbe Minims einer Lösung von einem Theile auf 437 Theile Wasser

wurden auf die Scheiben von drei Blättern gebracht und wirkten äuszerst

energisch; sie verursachten, dasz die Tentakeln des einen in 15 Minuten


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

eingebogen wurden und dasz sich die Scheiben aller drei in 2 Stunden

15 Minuten bedeutend einwärts krümmten. Ähnliche Tropfen einer Lösung

von einem Theile auf 1312 Theile Wasser (1 Gran auf 3 Unzen) wurden

dann auf die Scheiben von fünf Blättern gelegt, so dasz ein jedes 

Gran (0,0225 Milligr.) erhielt. Nach 8 Stunden waren die Tentakeln von

vieren beträchtlich eingebogen und nach 24 Stunden die Scheiben von

dreien. Nach 48 Stunden waren alle fünf beinahe wieder ausgebreitet.

In Bezug auf eines dieser Blätter will ich erwähnen, dasz während der

vorhergehenden 24 Stunden ein Tropfen Wasser auf seiner Scheibe gelassen worden war, aber keine Wirkung hervorbrachte, und dasz es kaum

trocken war, als die Lösung hinzugebracht wurde.

Ähnliche Tropfen einer Lösung von einem Theil auf 1750 Theile

Wasser (1 Gran auf 4 Unzen) wurden dann auf die Scheiben von sechs

Blättern gebracht, so dasz jedes   Gran (0,0169 Milligr.) erhielt;

nach 8 Stunden waren bei drei derselben viele Tentakeln und auch die

Scheiben eingebogen; bei zwei andern waren nur einige wenige Tentakeln

unbedeutend eingebogen, und das sechste war durchaus gar nicht afficirt.

Nach 24 Stunden waren bei den meisten Blättern einige wenige Tentakeln

mehr eingebogen, eines hatte aber angefangen, sich wieder auszubreiten.

Wir sehen hieraus, dasz bei den empfindlicheren Blättern   Gran, von

den centralen Drüsen absorbirt, hinreicht, viele der äuszern Tentakeln

und die Scheiben zum Biegen zu veranlassen, während   Gran des

kohlensauren Salzes in ähnlicher Weise gegeben, keine Wirkung hervorrief; und   Gran des salpetersauren Salzes war nur gerade hinreichend,

eine ordentlich ausgesprochene Wirkung hervorzubringen.

Ein äuszerst kleiner Tropfen (ungefähr gleich   Minim) einer Lösung von einem Theile des Phosphats auf 875 Theile Wasser wurde der

Absonderung an drei Drüsen zugefügt, von denen hienach eine jede nur

  Gran (0,00112 Milligr.) erhielt; und alle drei Tentakeln wurden

eingebogen. Ähnliche Tropfen einer Lösung von einem Theile in 1312

Theilen Wasser (1 Gran auf 3 Unzen) wurden nun an drei Blättern probirt, wobei ein Tropfen auf vier Drüsen eines und desselben Blattes vertheilt wurde. Am ersten Blatte wurden drei der Tentakeln in 6 Minuten

unbedeutend eingebogen und breiteten sich nach 8 Stunden 45 Minuten

wieder aus. Am zweiten wurden zwei Tentakeln in 12 Minuten halb

eingebogen, und am dritten waren in 12 Minuten alle vier Tentakeln

entschieden eingebogen; sie blieben 8 Stunden 30 Minuten lang so, waren

aber am nächsten Morgen wieder vollständig ausgebreitet. In diesem

letzteren Falle konnte jede Drüse nur   Gran (oder 0,000563 Milligr.)

erhalten haben. Endlich wurden ähnliche Tropfen einer Lösung von einem

Theile auf 1750 Theile Wasser (1 Gran auf 4 Unzen) an fünf Blättern

versucht, wobei ein Tropfen auf vier Drüsen eines und desselben Blattes

verwandt wurde. Die Tentakeln an dreien dieser Blätter wurden nicht

im mindesten afficirt; am vierten Blatt wurden zwei eingebogen, während

am fünften, welches zufällig ein sehr empfindliches war, alle vier Tentakeln in 6 Stunden 15 Minuten deutlich eingebogen waren, aber nur

einer blieb nach 24 Stunden noch eingebogen. Ich musz indessen bemerken, dasz in diesem Falle ein ungewöhnlich groszer Tropfen am Stecknadelknopf hieng. Jede dieser Drüsen konnte sehr wenig mehr als


 

[page break] Cap. 7. Phosphorsaures Ammoniak.

Gran (oder 0,000423 Milligr.) erhalten haben; aber diese kleine Quantität

reichte hin, Einbiegung zu verursachen. Wir müssen im Auge behalten,

dasz diese Tropfen nur 10 bis 15 Secunden lang an das klebrige Secret

gehalten wurden, und haben zur Annahme gute Gründe, dasz alles phosphorsaures Salz in der Lösung in dieser Zeit nicht diffundirt und absorbirt sein wird. Wir haben unter denselben Umständen gesehen, dasz die

Absorption von   Gran des kohlensauren und von   Gran des

salpetersauren Salzes durch eine Drüse den die in Frage stehende Drüse

tragenden Tentakel nicht zur Einbiegung veranlaszte; es ist mithin hier

wiederum das phosphorsaure wirkungsvoller als die andern beide Salze.

Wir wollen uns nun zu den 106 Versuchen mit eingetauchten Blättern wenden. Nachdem ich durch wiederholte Versuche ermittelt hatte,

dasz mäszig starke Lösungen in hohem Grade wirksam seien, begann ich

mit sechzehn Blättern, von denen ein jedes in dreiszig Minims einer Lösung von einem Theile auf 43750 Wasser (1 Gran auf 100 Unzen) gelegt wurde, so dasz jedes   Gran oder 0,04058 Milligr. erhielt. Von

diesen Blättern waren bei elf nahezu alle oder eine grosze Anzahl ihrer

Tentakeln in 1 Stunde und beim zwölften Blatt in 3 Stunden eingebogen.

Zwei Blätter von den sechzehn waren nur mäszig afficirt, aber doch mehr

als irgend eines der gleichzeitig in Wasser eingetauchten, und die übrigen zwei, welches blasze Blätter waren, wurden fast gar nicht afficirt.

Von den sechzehn entsprechenden Blättern in Wasser waren bei einem

neun Tentakeln, bei einem andern sechs und bei zwei andern zwei Tentakeln im Laufe von 5 Stunden eingebogen. Es war daher der Contrast

im Ansehen zwischen den beiden Gruppen äuszerst grosz.

Achtzehn Blätter wurden jedes in dreiszig Minims einer Lösung von

einem Theile in 87500 Theilen Wasser (1 Gran auf 200 Unzen) eingetaucht, so dasz jedes   Gran (0,0202 Milligr.) erhielt. Vierzehn derselben waren innerhalb 2 Stunden stark eingebogen und einige von ihnen

in 15 Minuten; drei unter den achtzehn waren nur unbedeutend afficirt,

da nur einundzwanzig, neunzehn und zwölf Tentakeln eingebogen waren;

und auf eines wirkte die Lösung durchaus gar nicht. Durch einen Zufall wurden nur fünfzehn, anstatt achtzehn Blätter zu derselben Zeit in

Wasser eingetaucht; diese wurden 24 Stunden lang beobachtet; bei einem

waren sechs, bei einem andern vier, bei einem dritten zwei ihrer äuszeren Tentakeln eingebogen; die übrigen blieben völlig unafficirt.

Das nächste Experiment wurde unter sehr günstigen Umständen angestellt, denn der Tag (8. Juli) war sehr warm, und ich hatte zufällig

ungewöhnlich schöne Blätter. Fünf wurden wie vorher in eine Lösung

von einem Theil auf 131250 Theile Wasser (1 Gran auf 300 Unzen)

eingetaucht, so dasz jedes   Gran oder 0,0135 Milligr. erhielt. Nach

einem Eintauchen von 25 Minuten waren alle fünf Blätter bedeutend eingebogen. Nach 1 Stunde 25 Minuten waren bei einem Blatte alle Tentakeln bis auf acht eingebogen; beim zweiten alle bis auf drei; beim

dritten alle bis auf fünf, beim vierten alle bis auf dreiundzwanzig;

andererseits waren beim fünften niemals mehr als vierundzwanzig eingebogen. Von den entsprechenden fünf Blättern in Wasser waren bei einem

sieben, beim zweiten zwei, beim dritten zehn, beim vierten einer und beim


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

fünften kein einziger Tentakel eingebogen. Man beachte wohl, welchen

Contrast diese letztern Blätter gegen diejenigen in der Lösung darbieten.

Ich zählte die Drüsen am zweiten Blatt in der Lösung, die Zahl betrug

217; angenommen, dasz die drei Tentakeln, welche nicht eingebogen wurden, nichts absorbirten, finden wir, dasz jede der übrig bleibenden

214 Drüsen nur   Gran oder 0,0000631 Milligr. absorbirt haben

konnte. Das dritte Blatt trug 236 Drüsen, und zieht man die fünf ab,

deren Tentakeln nicht eingebogen wurden, so konnte jede der übrig bleibenden 231 Drüsen nur   Gran oder 0,0000584 Milligr. absorbirt haben, und diese Menge genügte die Biegung der Tentakeln zu

verursachen.

Zwölf Blätter wurden wie vorher in einer Lösung von einem Theile

auf 175000 Theils Wasser (1 Gran auf 400 Unzen) versucht, so dasz

jedes Blatt   Gran oder 0,0101 Milligr. erhielt. Meine Pflanzen fanden sich zu dieser Zelt in keinem guten Zustande, und viele Blätter

waren jung und blasz. Nichtsdestoweniger waren bei zweien von ihnen

sämmtliche Tentakeln, ausgenommen drei oder vier, in weniger als 1 Stunde

dicht eingebogen. Sieben waren beträchtlich afficirt, einige innerhalb

1 Stunde und andere nicht eher bis 3 Stunden, 4 Stunden 30 Minuten

und 8 Stunden verlaufen waren; diese langsame Wirkung kann man dem

Umstande zuschreiben, dasz die Blätter jung und blasz waren. Von diesen

neun Blättern waren bei vieren die Scheiben wohl eingebogen, bei einem

fünften in einem unbedeutenden Grade. Die drei übrigen Blätter wurden

nicht afficirt. In Bezug auf die zwölf entsprechenden Blätter in Wasser

ist zu erwähnen, dasz nicht bei einem die Scheibe eingebogen war; nach

Verlauf von 1 bis 2 Stunden waren bei einem dreizehn der äuszeren Tentakeln eingebogen, bei einem zweiten sechs, und bei vier andern entweder

einer oder zwei. Nach 8 Stunden wurden die äuszern Tentakeln nicht

weiter eingebogen, während dies bei den Blättern in der Lösung eintrat.

Ich bemerke in meinen Niederschriften, dasz es nach 8 Stunden unmöglich war, die beiden Gruppen zu vergleichen und auch nur für einen

Augenblick an der Wirkung der Lösung zu zweifeln.

Bei zwei der obigen Blätter in der Lösung waren sämmtliche Tentakeln, ausgenommen drei oder vier, innerhalb einer Stunde eingebogen.

Ich zählte ihre Drüsen, und nach dem früher angewandten Grundsatze

konnte jede einzelne Drüse an dem einen Blatte nur   Gran und

an dem andern Blatte nur   Gran des phosphorsauren Salzes erhalten haben.

Zwanzig Blätter wurden in der gewöhnlichen Weise jedes in dreiszig

Minims einer Lösung von einem Theile in 218750 Theilen Wasser (1 Gran

auf 500 Unzen) eingetaucht. Es wurden so viele Blätter zu Versuchen

genommen, weil ich damals mich unter dem irrigen Eindrucke befand, dasz

es unglaublich sei, dasz eine irgend noch schwächere Lösung eine Wirkung hervorbringen könne. Jedes Blatt erhielt   Gran oder 0,0081

Milligr. Die ersten acht Blätter, welche ich versuchte, und zwar in der

Lösung und in Wasser, waren entweder jung und blasz oder zu alt; auch

war das Wetter nicht warm. Sie wurden kaum überhaupt afficirt; nichts

destoweniger wäre es unbillig, sie auszuschlieszen. Ich wartete dann, bis


 

[page break] Cap. 7. Phosphorsaures Ammoniak.

ich acht Paare schöner Blätter erhielt und das Wetter günstig war; die

Temperatur des Zimmers, wo die Blätter eingetaucht wurden, schwankte

von 23,8° bis 27,2° C. (75° bis 81° F.) Bei einem andern Versuche mit

vier Paaren (die in den oben genannten zwanzig Paaren eingeschlossen

sind) war die Temperatur in meinem Zimmer ziemlich niedrig, ungefähr

15,5° C. (60° F.); die Pflanzen waren aber mehrere Tage lang in einem

sehr warmen Gewächshause gehalten worden und waren dadurch äuszerst

empfindlich geworden. Es wurden für diese Reihe von Experimenten specielle Vorsichtsmaszregeln getroffen; ein Chemiker wog mir auf einer ausgezeichneten Wage einen Gran ab; und frisches, mir von Professor Frankland gegebenes Wasser wurde sorgfältig abgemessen. Die Blätter wurden

von einer groszen Anzahl von Pflanzen in der folgenden Weise ausgewählt: die vier schönsten wurden in Wasser eingetaucht und die vier

nächst schönsten in die Lösung, und sofort bis die zwanzig Paare vollzählig waren. Die Exemplare im Wasser wurden dabei ein wenig begünstigt, sie erlitten aber nicht mehr Einbiegung als in den früheren

Fällen im Vergleich mit den Blättern in der Lösung.

Von den zwanzig Blättern in der Lösung wurden elf innerhalb

40 Minuten eingebogen, acht von ihnen deutlich und drei etwas zweifelhaft; doch waren an den letztern mindestens zwanzig ihrer äuszern Tentakeln eingebogen. In Folge der Schwäche der Lösung trat die Einbiegung, mit Ausnahme von Nr. 1, viel langsamer ein als in den vorausgehenden Versuchen. Den Zustand der elf Blätter, welche beträchtlich

eingebogen waren, will ich nun für bestimmte Zeitintervalle mittheilen,

immer von der Zeit des Eintauchens an rechnend: —

1. Nach nur 8 Minuten war eine grosze Anzahl von Tentakeln eingebogen und nach 17 Minuten sämmtliche bis auf fünfzehn; nach 2 Stunden waren alle bis auf acht eingebogen oder deutlich halb eingebogen.

Nach 4 Stunden fiengen die Tentakeln an, sich wieder auszustrecken, und

eine so schnelle Wiederausstreckung ist ungewöhnlich; nach 7 Stunden

30 Minuten waren sie beinahe völlig wieder ausgebreitet.

2. Nach 39 Minuten war eine grosze Zahl Tentakeln eingebogen,

nach 2 Stunden 18 Minuten alle bis auf fünfundzwanzig; nach 4 Stunden

17 Minuten waren alle bis auf sechzehn eingebogen. Das Blatt blieb

viele Stunden lang in diesem Zustande.

3. Nach 12 Minuten fand sich ein beträchtlicher Grad von Einbiegung; nach 4 Stunden waren alle Tentakeln eingebogen mit Ausnahme derer der zwei äuszeren Reihen, und in diesem Zustande blieb

das Blatt einige Zeit lang; nach 23 Stunden fieng es an, sich wieder

auszubreiten.

4. Nach 40 Minuten war bedeutende Einbiegung vorhanden; nach

4 Stunden 13 Minuten war reichlich die Hälfte der Tentakeln eingebogen; nach 23 Stunden war es noch immer unbedeutend eingebogen.

5. Nach 40 Minuten war bedeutende Einbieguung vorhanden; nach

4 Stunden 22 Minuten war reichlich die Hälfte der Tentakeln eingebogen; nach 23 Stunden war es noch immer unbedeutend eingebogen.

6. Nach 40 Minuten trat etwas Einbiegung ein; nach 2 Stunden

18 Minuten waren ungefähr achtundzwanzig äuszere Tentakeln eingebogen; nach 5 Stunden 20 Minuten war ungefähr ein Drittel der Ten


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

takeln eingebogen; nach 8 Stunden war die Wiederausstreckung bedeutend

vorgeschritten.

7. Nach 20 Minuten trat etwas Einbiegung ein; nach 2 Stunden

wurde eine beträchtliche Anzahl von Tentakeln eingebogen; nach 7 Stunden 45 Minuten fiengen sie an, sich wieder auszustrecken.

8. Nach 38 Minuten waren achtundzwanzig Tentakeln eingebogen,

nach 3 Stunden 45 Minuten waren dreiunddreiszig eingebogen, dabei

waren die meisten der submarginalen Tentakeln halb eingebogen; dies

dauerte zwei Tage lang so fort und dann streckten sie sich theilweise

wieder aus.

9. Nach 38 Minuten waren zweiundvierzig Tentakeln eingebogen;

nach 3 Stunden 12 Minuten sechsundsechzig eingebogen oder halb eingebogen, nach 6 Stunden 40 Minuten alle bis auf vierundzwanzig eingebogen oder halb eingebogen; nach 9 Stunden 40 Minuten alle bis auf

siebenzehn eingebogen, nach 24 Stunden alle bis auf vier eingebogen oder

halb eingebogen, nur einige wenige waren dicht eingebogen; nach 27 Stunden bog sich die Blattscheibe ein. Das Blatt blieb zwei Tage lang in

diesem Zustande und fieng dann an, sich wieder auszubreiten.

10. Nach 38 Minuten waren einundzwanzig Tentakeln eingebogen;

nach 3 Stunden 12 Minuten sechsundvierzig Tentakeln eingebogen oder

halb eingebogen; nach 6 Stunden 40 Minuten waren alle bis auf siebenzehn eingebogen, obschon keiner dicht; nach 24 Stunden war jeder Tentakel leicht nach innen gekrümmt; nach 27 Stunden 40 Minuten war

die Blattscheibe stark eingebogen und blieb es zwei Tage lang; dann breiteten sich die Tentakeln und die Scheibe sehr langsam wieder aus

11. Dieses schöne dunkel rothe und eher alte Blatt trug, obschon

es nicht sehr grosz war, eine auszerordentlich grosze Zahl von Tentakeln

(nämlich 252) und benahm sich auch in einer anomalen Art und Weise.

Nach 6 Stunden 40 Minuten waren nur die kurzen Tentakeln rund um

den äuszeren Theil der Scheibe eingebogen und bildeten einen Ring, wie es

innerhalb 8 bis 24 Stunden sowohl bei Blättern in Wasser als bei solchen

in den schwächeren Lösungen so häufig vorkommt. Nach 9 Stunden

40 Minuten aber waren sämmtliche äuszeren Tentakeln, mit Ausnahme

von fünfundzwanzig eingebogen, wie es auch in einer stark ausgesprochenen Art und Weise die Blattscheibe war. Nach 24 Stunden war ein

jeder Tentakel, mit Ausnahme eines, dicht eingebogen und die Scheibe

war vollständig übereinander gefaltet. So blieb das Blatt zwei Tage

lang, wo es dann sich wieder auszubreiten anfieng. Ich will noch hinzufügen, dasz die drei letzten Blätter (Nr. 9, 10 und 11) nach drei Tagen

noch immer etwas eingebogen waren. Die Tentakeln wurden nur bei

wenigen unter diesen elf Blättern innerhalb einer so kurzen Zeit dicht

eingebogen, wie es in den vorausgehenden Versuchen mit stärkeren Lösungen der Fall war.

Wir wollen uns nun zu den zwanzig entsprechenden Blättern in

Wasser wenden. Bei neun derselben war keiner der äuszeren Tentakeln

eingebogen, bei neun anderen waren einer bis drei eingebogen und diese

streckten sich nach 8 Stunden wieder aus. Die noch übrigen zwei Blätter

wurden mäszig afficirt; bei einem waren in 34 Minuten sechs Tentakeln

eingebogen, bei den andern waren dreiundzwanzig in 2 Stunden 12 Mi


 

[page break] Cap. 7. Phosphorsaures Ammoniak.

nuten eingebogen; beide blieben 24 Stunden lang so. Bei keinem dieser

Blätter war die Blattscheibe eingebogen. Es war daher der Contrast

zwischen den zwanzig Blättern in Wasser und den zwanzig in der Lösung

sehr grosz, sowohl innerhalb der ersten Stunde als auch nach Verlauf

von 8 bis 12 Stunden.

Von den Blättern in der Lösung wurden die Drüsen am Blatt Nr. 1,

bei welchem in 2 Stunden alle Tentakeln mit Ausnahme von acht eingebogen waren, gezählt; es ergab sich, dasz es 202 waren. Zieht man

die acht davon ab, so kann jede Drüse nur   Gran (oder 0,0000411

Milligr.) des Phosphats erhalten haben. Das Blatt Nr. 9 hatte 213 Tentakeln, von denen alle mit Ausnahme von vier nach 24 Stunden eingebogen waren, wenn auch keiner dicht; auch die Blattscheibe war eingebogen; jede Drüse kann nur   Gran oder 0,0000387 Milligr. erhalten haben. Endlich das Blatt Nr. 11, bei welchem nach 24 Stunden

sämmtliche Tentakeln mit Ausnahme eines ebenso wie die Blattscheibe

dicht eingebogen waren, trug die ungewöhnlich grosze Zahl von 252 Tentakeln; nach demselben Grundsatz wie früher berechnet, kann eine jede

Drüse nur   Gran oder 0,0000322 Milligr. absorbirt haben.

Was die folgenden Versuche betrifft, so musz ich vorausschicken,

dasz die Blätter, sowohl die, welche in Wasser, als auch die, welche in

die Lösungen gelegt wurden, Pflanzen entnommen wurden, welche während des Winters in einem sehr warmem Gewächshause gehalten worden

waren. Sie waren dadurch äuszerst empfindlich geworden, wie sich daraus

zeigt, dasz Wasser sie viel mehr erregte, als es in den vorausgehenden

Versuchen der Fall war. Ehe ich meine Beobachtungen mittheile, dürfte

es gut sein, den Leser daran zu erinnern, dasz, nach einunddreiszig schönen

Blättern zu urtheilen, die mittlere Anzahl der Tentakeln 192 beträgt und

dasz die äuszeren oder dem Rande nahen, deren Bewegungen allein von

Bedeutung sind, zu den kürzeren auf der Scheibe ungefähr in dem Verhältnis von sechzehn zu neun stehen.

Vier Blätter wurden wie früher ein jedes in dreiszig Minims einer

Lösung von einem Theil auf 328125 Theile Wasser (1 Gran auf 750

Unzen) getaucht. Jedes Blatt erhielt danach   Gran (0,0054 Milligr.)

von dem Salze; und alle vier wurden bedeutend eingebogen.

1. Nach 1 Stunde waren alle äuszeren Tentakeln bis auf einen eingebogen und die Blattscheibe bedeutend; nach 7 Stunden begann das

Blatt, sich wieder auszubreiten.

2. Nach 1 Stunde waren alle äuszeren Tentakeln bis auf acht eingebogen; nach 12 Stunden streckten sich alle wieder aus.

3. Nach 1 Stunde war die Einbiegung bedeutend; nach 2 Stunden

30 Minuten waren alle Tentakeln bis auf sechsunddreiszig eingebogen;

nach 6 Stunden waren alle bis auf zweiundzwanzig eingebogen; nach

12 Stunden breiteten sie sich zum Theil wieder aus.

4. Nach 1 Stunde waren alle Tentakeln bis auf zweiunddreiszig eingebogen, nach 2 Stunden 30 Minuten alle bis auf einundzwanzig; nach

6 Stunden waren sie beinahe wieder ausgebreitet.

Von den vier entsprechenden Blättern in Wasser waren bei dem


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

1. nach 1 Stunde fünfundvierzig Tentakeln eingebogen; aber nach

7 Stunden hatten sich so viele wieder ausgestreckt, dasz nur zehn stark

eingebogen blieben.

2. Nach 1 Stunde waren sieben Tentakeln eingebogen; diese waren

in 6 Stunden beinahe wieder ausgestreckt.

3. und 4. waren nicht afficirt, ausgenommen, dasz, wie gewöhnlich,

nach 11 Stunden die Tentakeln an den Rändern der Scheibe einen Ring

bildeten.

Es kann daher über die Wirksamkeit der obigen Lösung kein Zweifel

bestehen; und, wie früher berechnet, folgt aus den Zahlen, dasz jede Drüse

von Nr. 1 nur   Gran (0,0000268 Milligr.) und jede Drüse von

Nr. 2 nur   Gran (0,0000263 Milligr.) vom Phosphate absorbirt

haben kann.

Sieben Blätter wurden jedes in dreiszig Minims einer Lösung von

einem Theile auf 437500 Theile Wasser (1 Gran auf 1000 Unzen) eingetaucht. Jedes Blatt erhielt hiernach   Gran (0,00405 Milligr.).

Der Tag war warm und die Blätter waren sehr schön, so dasz alle Umstände günstig waren.

1. Nach 30 Minuten waren alle äuszeren Tentakeln, ausgenommen

fünf, eingebogen, die meisten von ihnen dicht; nach 1 Stunde war die

Blattscheibe unbedeutend eingebogen; nach 9 Stunden 30 Minuten fiengen

sie an, sich wieder auszubreiten.

2. Nach 33 Minuten waren alle äuszeren Tentakeln bis auf fünfundzwanzig eingebogen, die Blattscheibe unbedeutend; nach 1 Stunde

30 Minuten war die Scheibe stark eingebogen und blieb 24 Stunden

lang so; aber einige von den Tentakeln hatten sich da schon wieder

ausgestreckt.

3. Nach 1 Stunde waren sämmtliche Tentakeln bis auf zwölf eingebogen; nach 2 Stunden 30 Minuten waren alle bis auf neun eingebogen, und zwar von den eingebognen Tentakeln alle mit Ausnahme von

vieren dicht, während die Blattscheibe nur unbedeutend eingebogen war.

Nach 8 Stunden war die Scheibe vollständig zusammengefaltet und nun

waren auch alle Tentakeln, mit Ausnahme von acht, dicht eingebogen.

Das Blatt blieb zwei Tage lang in diesem Zustande.

4. Nach 2 Stunden 20 Minuten waren nur neunundfünfzig Tentakeln

eingebogen; nach 5 Stunden waren aber alle Tentakeln dicht eingebogen,

ausgenommen zwei, welche nicht afficirt waren, und elf, welche nur halb

eingebogen waren; nach 7 Stunden war die Blattscheibe beträchtlich

eingebogen; nach 12 Stunden war die Wiederausbreitung bedeutend im

Gange.

5. Nach 4 Stunden waren alle Tentakeln bis auf vierzehn eingebogen; nach 9 Stunden 30 Minuten Beginn der Wiederausbreitung.

6. Nach 1 Stunde waren sechsunddreiszig Tentakeln eingebogen;

nach 5 Stunden waren alle bis auf vierundfünfzig eingebogen; nach

12 Stunden war die Wiederausbreitung beträchtlich.

7. Nach 4 Stunden 30 Minuten waren nur fünfunddreiszig Tentakeln

eingebogen oder halb eingebogen, und dieser geringe Grad von Einbiegung

nahm niemals zu.


 

[page break] Cap. 7. Phosphorsaures Ammoniak.

Was nun die sieben entsprechenden Blätter in Wasser betrifft, so

waren bei

1. nach 4 Stunden achtunddreiszig Tentakeln eingebogen; aber nach

7 Stunden breiteten sich dieselben, mit Ausnahme von sechs, wieder aus.

2. Nach 4 Stunden 20 Minuten waren zwanzig Tentakeln eingebogen; diese breiteten sich nach 9 Stunden zum Theil wieder aus.

3. Nach 4 Stunden waren fünf Tentakeln eingebogen, welche nach

7 Stunden sich wieder auszustrecken anfiengen.

4. Nach 24 Stunden war ein Tentakel eingebogen.

5., 6. und 7. Waren durchaus gar nicht afficirt, obschon sie 24 Stunden lang beobachtet wurden, mit Ausnahme der kurzen Tentakeln an den

Rändern der Scheibe, welche wie gewöhnlich einen Ring bildeten.

Eine Vergleichung der Blätter in der Lösung, besonders der ersten

fünf oder selbst sechs der Liste, mit denen im Wasser nach Verlauf von

1 oder von 4 Stunden und in einem noch schärfer ausgesprochenen Grade

nach Verlauf von 7 oder 8 Stunden konnte nicht den geringsten Zweifel

bestehen lassen, dasz die Lösung eine grosze Wirkung hervorgebracht

hatte. Dies zeigte sich nicht allein in der ungeheuer viel gröszeren Zahl

eingebogner Tentakeln, sondern auch in dem Grade oder der Dichte ihrer

Einbiegung ebenso wie in der Einbiegung der Blattscheiben. Und doch kann

eine jede Drüse an dem Blatt Nr. 1 (welches 255 Drüsen trug, von denen

alle, mit Ausnahme von fünf, in 30 Minuten eingebogen waren) nicht

mehr als ein Viermilliontel Gran (0,0000162 Milligr.) des Salzes erhalten

haben. Ferner konnte jede Drüse an Blatt Nr. 3 (welches 233 Drüsen

trug, von denen alle, ausgenommen neun, in 2 Stunden 30 Minuten eingebogen waren) höchstens nur   Gran oder 0,0000181 Milligr.

erhalten haben.

Vier Blätter wurden wie früher in eine Lösung von einem Theile

auf 656250 Theile Wasser (1 Gran auf 1500 Unzen) eingetaucht; bei

dieser Gelegenheit traf es sich aber zufällig, dasz ich sehr wenig empfindliche Blätter wählte, wie ich bei andern Gelegenheiten zufällig ungewöhnlich empfindliche Blätter ausgelesen hatte. Die Blätter waren nach

12 Stunden nicht mehr afficirt als die vier entsprechenden im Wasser;

nach 24 Stunden waren sie aber unbedeutend eingebogen. Derartige Beweise sind indessen durchaus nicht zuverlässig.

Zwölf Blätter wurden jedes in dreiszig Minims einer Lösung von

einem Theile auf 1,312,500 Theile Wasser (1 Gran auf 3000 Unzen)

eingetaucht, so dasz jedes Blatt   Gran (0,00135 Milligr.) erhielt.

Die Blätter waren in keinem sehr guten Zustande; vier von ihnen waren

zu alt und von einer dunkelrothen Färbung; vier waren zu blasz, doch

reagirte eines dieser letztern ganz gut; die vier andern schienen, so viel

sich nach dem bloszen Augenschein sagen liesz, in ausgezeichnetem Zustande sich zu befinden. Das Resultat war das folgende.

1. Dies war ein blasses Blatt; nach 40 Minuten waren ungefähr

achtunddreiszig Tentakeln eingebogen; nach 3 Stunden 30 Minuten waren

die Scheibe und viele der äuszeren Tentakeln eingebogen; nach 10 Stunden 15 Minuten waren sämmtliche Tentakeln bis auf siebenzehn einge

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 10

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

bogen und die Blattscheibe ganz zusammengefaltet; nach 24 Stunden

waren alle Tentakeln bis auf zehn mehr oder weniger eingebogen. Die

meisten derselben waren dicht eingebogen, aber fünfundzwanzig nur halb.

2. Nach 1 Stunde 40 Minuten waren fünfundzwanzig Tentakeln eingebogen; nach 6 Stunden alle bis auf einundzwanzig; nach 10 Stunden

waren alle bis auf sechzehn mehr oder weniger eingebogen; nach 24 Stunden waren sie wieder ausgebreitet.

3. Nach 1 Stunde 40 Minuten waren fünfunddreiszig eingebogen;

nach 6 Stunden war »eine grosze Anzahl« (um die Worte meines eigenen

Notizbuches zu citiren) eingebogen, aus Mangel an Zeit wurden sie aber

nicht gezählt; nach 24 Stunden breiteten sie sich wieder aus.

4. Nach 1 Stunde 40 Minuten waren ungefähr dreiszig eingebogen;

nach 6 Stunden war »eine grosze Anzahl ganz rings um das Blatt herum«

eingebogen, sie wurden aber nicht gezählt; nach 10 Minuten fiengen sie

an, sich wieder auszustrecken.

5. bis 12. Diese wurden nicht mehr eingebogen, als es häufig

Blätter in Wasser werden, indem bei ihnen beziehentlich 16, 8, 10, 8,

4, 9, 14 und 0 Tentakeln eingebogen wurden. Zwei dieser Blätter waren

indessen dadurch merkwürdig, dasz ihre Blattscheiben nach 6 Stunden

unbedeutend eingebogen waren.

Was die zwölf entsprechenden Blätter in Wasser betrifft, so hatte

Nr. 1 nach 1 Stunde 35 Minuten fünfzig Tentakeln eingebogen, nach

11 Stunden blieben aber nur zweiundzwanzig so und diese bildeten eine

Gruppe, indem an diesem Punkte die Blattscheibe unbedeutend eingebogen

war. Es schien fast so, als wäre das Blatt auf irgend eine Art und

Weise zufällig gereizt worden, z. B. durch ein Stückchen thierischer Substanz etwa, welches in Wasser aufgelöst gewesen wäre. 2. Nach 1 Stunde

45 Minuten waren zweiunddreiszig Tentakeln eingebogen, aber nach

5 Stunden 30 Minuten waren nur fünfundzwanzig eingebogen, und diese

streckten sich sämmtlich nach 10 Stunden wieder aus; 3. nach 1 Stunde

waren fünfundzwanzig Tentakeln eingebogen, welche nach 10 Stunden

20 Minuten sämmtlich wieder ausgestreckt waren; bei 4. und 5. waren

nach 1 Stunde 35 Minuten sechs und sieben Tentakeln eingebogen, welche

sich nach 11 Stunden wieder ausstreckten; bei 6., 7. und 8. waren von

einem bis drei Tentakeln eingebogen, welche sich bald wieder ausstreckten; bei 9., 10., 11. und 12. wurde nichts eingebogen, trotzdem sie vierund zwanzig Stunden lang beobachtet wurden.

Vergleicht man den Zustand der zwölf Blätter in Wasser mit dem

der Blätter in Lösung, so kann darüber kein Zweifel bestehen, dasz bei

den letzteren eine gröszere Anzahl von Tentakeln eingebogen waren und

zwar auch in einem bedeutenderen Grade; die Beweiskraft dieser Versuche

war aber durchaus nicht so klar, wie in den früheren Experimenten mit

stärkeren Lösungen. Es verdient Beachtung, dasz die Einbiegung bei

vier von den Blättern in der Lösung während der ersten 6 Stunden zuzunehmen fortfuhr, bei einigen von ihnen sogar eine noch längere Zeit,

während im Wasser die Einbiegung bei den drei Blättern, welche am

stärksten afficirt waren, ebenso wie bei allen übrigen, während der nämlichen Zeitdauer wieder abzunehmen begann. Es ist auch bemerkenswerth,

dasz die Blattscheiben von dreien der Blätter in der Lösung unbedeutend


 

[page break] Cap. 7. Phosphorsaures Ammoniak.

eingebogen waren; und dies ist ein äuszerst seltenes Ereignis bei Blättern

in Wasser, obschon es in einem unbedeutenden Grade bei einem (Nr. 1)

vorkam, welches in irgend einer Art und Weise zufällig gereizt worden

zu sein schien. Alles dies zeigt, dasz die Lösung eine Wirkung hervorbrachte, wennschon geringer und viel langsamer als in den vorausgehenden Fällen. Die geringe Wirkung dürfte indessen zum groszen Theil dadurch erklärt werden, dasz die Blätter sich in einem dürftigen Zustande

befanden.

Von den Blättern in der Lösung trug Nr. 1 200 Drüsen und erhielt

  Gran von dem Salze. Zieht man die siebenzehn Tentakeln ab,

welche nicht eingebogen wurden, so konnte jede Drüse nur   Gran

oder 0,00000738 Milligr. absorbirt haben. Diese Menge verursachte eine

bedeutende Einbiegung des eine jede Drüse tragenden Tentakels.

Endlich wurden acht Blätter und zwar jedes in dreiszig Minims einer

Lösung von einem Theile des phosphorsauren Salzes auf 21,875,002 Theile

Wasser (1 Gran auf 5000 Unzen) eingetaucht. Jedes Blatt erhielt danach   Gran oder 0,00081 Milligr. von dem Salze. Ich gab mir

besondere Mühe, die schönsten Blätter aus dem Gewächshause zum Einlegen sowohl in die Lösung als auch in Wasser auszuwählen, und beinahe

alle erwiesen sich als äuszerst empfindlich. Ich fange, wie früher, mit

denen in der Lösung an:

1. Nach 2 Stunden 30 Minuten waren alle Tentakeln bis auf zweiundzwanzig eingebogen, einige indessen nur halb eingebogen; die Scheibe

war stark eingebogen; nach 6 Stunden 30 Minuten waren alle Tentakeln

bis auf dreizehn, die Scheibe ganz ungemein eingebogen; das Blatt blieb

so 48 Stunden lang.

2. In den ersten 12 Stunden trat keine Veränderung ein; aber nach

24 Stunden waren sämmtliche Tentakeln eingebogen, ausgenommen diejenigen der alleräuszersten Reihe, von denen nur elf eingebogen waren.

Die Einbiegung fuhr fort zuzunehmen und nach 48 Stunden waren alle

Tentakeln, ausgenommen drei, eingebogen, und zwar die meisten von ihnen

dicht, während vier oder fünf nur halb eingebogen waren.

3. In den ersten 12 Stunden trat keine Veränderung ein; aber nach

24 Stunden waren alle Tentakeln, mit Ausnahme der der alleräuszersten

Reihe, halb eingebogen, die Blattscheibe dagegen eingebogen. Nach

36 Stunden war die Scheibe stark eingebogen und sämmtliche Tentakeln,

ausgenommen drei, eingebogen oder halb eingebogen. Nach 48 Stunden

fand sich das Blatt noch in demselben Zustande.

4. bis 8. Bei diesen Blättern waren nach 2 Stunden 30 Minuten

beziehentlich 32, 17, 7, 4 und 0 Tentakeln eingebogen, von denen sich

die meisten nach wenig Stunden wieder ausstreckten, mit Ausnahme von

Nr. 4, welches seine zweiunddreiszig Tentakeln 48 Stunden lang eingebogen behielt.

Nun zu den acht entsprechenden Blättern in Wasser:

1. Nach 2 Stunden 40 Minuten waren an diesem Blatte zwanzig

der äuszeren Tentakeln eingebogen, von denen fünf sich nach 6 Stunden

30 Minuten wieder ausstreckten. Nach 10 Stunden 15 Minuten trat ein

äuszerst ungewöhnlicher Umstand ein, die ganze Blattscheibe nämlich

10*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

wurde unbedeutend nach dem Stengel zu gebogen und blieb so 48 Stunden lang. Die äuszeren Tentakeln, mit Ausnahme derjenigen von drei

oder vier der äuszersten Reihen, waren jetzt gleichfalls in einem ungewöhnlichen Grade eingebogen.

2. bis 8. Bei diesen Blättern waren nach 2 Stunden 40 Minuten

beziehentlich 42, 12, 9, 8, 2, 1 und 0 Tentakeln eingebogen, welche

sich sämmtlich innerhalb 24 Stunden wieder ausstreckten, die meisten

derselben innerhalb einer viel kürzeren Zeit.

Wurden die beiden Gruppen von je acht Blättern in der Losung

und in Wasser nach Verlauf von 24 Stunden mit einander verglichen, so

wichen sie zweifellos im äuszeren Ansehen bedeutend von einander ab.

Die wenigen Tentakeln, welche an den Blättern in Wasser eingebogen

waren, hatten sich nach Verlauf dieser Zeit wieder ausgestreckt, mit Ausnahme eines Blattes; und dies bot den sehr ungewöhnlichen Fall dar,

dasz die Scheibe etwas eingebogen war, obschon dies in einem Grade eintrat, welcher sich kaum dem näherte, welcher bei den beiden Blättern in

der Lösung erreicht wurde. Von diesen letztern Blättern waren bei Nr. 1

beinahe alle ihre Tentakeln zusammen mit der Blattscheibe nach einem

Eintauchen von 2 Stunden 30 Minuten eingebogen. Die Blätter Nr. 2

und 3 wurden in einem viel langsameren Verhältnis afficirt; aber nach

Verlauf von 24 bis 48 Stunden waren beinahe alle ihre Tentakeln dicht

eingebogen und die Scheibe des einen völlig zusammengefaltet. Wir müssen

daher, so unglaublich die Thatsache auf den ersten Blick erscheinen mag,

zugeben, dasz diese äuszerst schwache Lösung auf die empfindlicheren

Blätter einwirkte; jedes derselben erhielt nur   Gran (0,00081 Milligr.)

von dem Phosphate. Nun trug das Blatt Nr. 3 178 Tentakeln; ziehen

wir die drei ab, welche nicht eingebogen waren, so kann jede Drüse nur

  Gran oder 0,00000463 Milligr. absorbirt haben. Das Blatt

Nr. 1, auf welches die Einwirkung in 2 Stunden 30 Minuten schon stark

war und dessen sämmtliche äuszere Tentakeln mit Ausnahme von dreizehn innerhalb 6 Stunden 30 Minuten eingebogen waren, trug 260 Tentakeln; nach demselben Princip, wie vorher berechnet, konnte jede Drüse

nur   Gran oder 0,00000328 Milligr. absorbirt haben; und diese

excessiv minutiöse Menge reicht hin, eine bedeutende Einbiegung aller

der, diese Drüsen tragenden Tentakeln zu verursachen. Auch die Blattscheibe war eingebogen.

Zusammenfassung der Resultate mit phosphorsaurem Ammoniak. — Wenn die Drüsen der Blattscheibe durch einen

halben Minim-Tropfen (0,0296 Cub. Cent.), welcher   Gran (0,0169

Milligr.) dieses Salzes enthält, gereizt werden, übermitteln sie den

äuszeren Tentakeln einen motorischen Impuls, welcher dieselben zum

Biegen nach innen veranlaszt. Ein äuszerst kleiner Tropfen, welcher

  Gran (0,000432 Milligr.) enthält, verursacht, wenn er wenige

Secunden lang mit einer Drüse in Berührung gehalten wird, dasz

der diese Drüse tragende Tentakel eingebogen wird. Wenn ein Blatt


 

[page break] Cap. 7. Andere Ammoniaksalze.

wenige Stunden lang zuweilen sogar eine kürzere Zeit in eine so

schwache Lösung eingetaucht wird, dasz jede Drüse nur 

Gran (0,00000328 Milligr.) absorbiren kann, so ist dies doch genug,

den Tentakel zur Bewegung anzuregen, so dasz er dicht eingebogen

wird, wie es auch zuweilen die Scheibe wird. In der allgemeinen

Zusammenfassung dieses Capitels sollen noch einige wenige Bemerkungen hinzugefügt werden, welche zeigen, dasz die Wirksamkeit

solcher äuszerst minutiöser Dosen nicht so unglaublich ist, als es

auf den ersten Blick erscheinen musz.

Schwefelsaures Ammoniak. — Die wenigen Versuche mit diesem und den folgenden fünf Ammoniaksalzen wurden einfach in der Absicht unternommen, zu ermitteln, ob sie Einbiegung veranlaszten. Halbe

Minims einer Lösung von einem Theile schwefelsauren Ammoniaks auf

437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sieben Blättern gelegt,

so dasz jedes   Gran oder 0,0675 Milligr. erhielt. Nach 1 Stunde

waren bei fünf von ihnen die Tentakeln, ebenso wie die Blattscheibe eines,

stark eingebogen. Die Blätter wurden später nicht weiter beobachtet.

Citronensaures Ammoniak. — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theile auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs

Blättern gelegt. In 1 Stunde waren die kurzen äuszeren Tentakeln um

die Scheibe herum ein wenig eingebogen, während die Drüsen auf den

Scheiben geschwärzt waren. Nach 3 Stunden 25 Minuten war bei einem

Blatte die Scheibe eingebogen, aber bei keinem die äuszeren Tentakeln.

Alle sechs Blätter blieben während des Tages in nahezu demselben Zustande, indessen wurden die submarginalen Tentakeln etwas mehr eingebogen. Nach 23 Stunden waren bei dreien der Blätter die Scheiben

etwas eingebogen, und die submarginalen Tentakeln von allen beträchtlich

eingebogen, aber bei keinem waren die zwei, drei oder vier äuszeren

Reihen afficirt. Ich habe selten diesem ähnliche Fälle gesehen, ausgenommen in Folge der Wirkung einer Abkochung von Gras. Die Drüsen

auf den Scheiben der obigen Blätter waren, anstatt wie nach der ersten

Stunde beinahe schwarz zu sein, nun nach 23 Stunden sehr blasz. Ich

versuchte zunächst an vier Blättern halbe Minims einer schwächeren Lösung

von einem Theile auf 1312 Theile Wasser (1 Gran auf 3 Unzen), so dasz

ein jedes   Gran oder 0,0225 Milligr. erhielt. Nach 2 Stunden 18

Minuten waren die Drüsen auf der Scheibe sehr dunkel gefärbt; nach 24

Stunden waren zwei der Blätter in leichtem Grade afficirt, die andern

beiden durchaus gar nicht.

Essigsaures Ammoniak. — Halbe Minims einer Lösung von

ungefähr einem Theile auf 109 Theile Wasser wurden auf die Scheiben

zweier Blätter gebracht, auf welche in 5 Stunden 30 Minuten eine Einwirkung erfolgte; nach 23 Stunden war jeder einzelne Tentakel dicht

eingebogen.

Oxalsaures Ammoniak. — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theile auf 218 Theile Wasser wurden auf zwei Blätter gebracht,


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

welche nach 7 Stunden mäszig, und nach 23 Stunden stark eingebogen

wurden. Zwei andere Blätter wurden mit einer schwächeren Lösung von

einem Theile auf 437 Theile Wasser versucht. Das eine war in 7 Stunden stark eingebogen, das andere nicht eher bis 30 Stunden verlaufen

waren.

Weinsteinsaures Ammoniak. — Halbe Minims einer Lösung

von einem Theile in 437 Theilen Wasser wurden auf die Scheiben von

fünf Blättern gebracht. In 31 Minuten war bei einigen der Blätter an

den äuszeren Tentakeln eine Spur von Einbiegung vorhanden, und dieselbe wurde nach 1 Stunde bei allen Blättern entschiedener; die Tentakeln

wurden aber niemals dicht eingebogen. Nach 8 Stunden 30 Minuten

fiengen sie an, sich wieder auszustrecken. Am nächsten Morgen, nach

23 Stunden waren sie alle vollständig wieder ausgebreitet, mit Ausnahme

eines, welches noch immer leicht eingebogen war. Die Kürze der Einbiegungsdauer ist in diesem und in dem folgenden Falle merkwürdig.

Ammoniumchlorid. — Halbe Minims einer Lösung von einem

Theile auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs Blättern

gelegt. Ein entschieden ausgesprochener Grad von Einbiegung in den

äuszeren und submarginalen Tentakeln war in 25 Minuten wahrnehmbar;

und dies nahm während der nächsten drei oder vier Stunden zu, wurde

aber nie scharf markirt. Nach nur 8 Stunden 30 Minuten fiengen die

Tentakeln an, sich wieder auszustrecken, und am nächsten Morgen, nach

24 Stunden, waren sie an vier von den Blättern vollständig wieder ausgestreckt, aber bei zweien noch unbedeutend eingebogen.

Allgemeine Zusammenfassung und Schluszbemerkungen über die Ammoniaksalze. — Wir haben nun gesehen,

dasz die neun Ammoniaksalze, welche versucht wurden, sämmtlich die

Einbiegung der Tentakeln und häufig auch der Scheibe des Blattes

verursachen. So weit nach den oberflächlichen Versuchen mit den

letzterwähnten sechs Salzen ermittelt werden kann, ist das citronensaure Salz das schwächste und das phosphorsaure sicher bei weitem

das wirksamste. Das weinsteinsaure Salz und das Chlorid sind merkwürdig wegen der kurzen Dauer ihrer Wirkung. Die relative Wirksamkeit des kohlensauren, salpetersauren und phosphorsauren Salzes

ist in der folgenden Tabelle durch die geringste Menge ausgedrückt,

welche genügt, die Einbiegung der Tentakeln zu verursachen.


 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung über Ammoniaksalze.

Aus den auf diese drei verschiedene Weisen angestellten Versuchen sehen wir, dasz das kohlensaure Salz, welches 23,7 Procent

Stickstoff enthält, weniger wirksam ist, als das salpetersaure, welches

35 Procent enthält. Das phosphorsaure Salz enthält weniger Stickstoff als beide andern Salze, nämlich nur 21,2 Procent, und doch ist

es bei weitem wirksamer; seine Kraft hängt ohne Zweifel ganz ebenso

sehr vom Phosphor als vom Stickstoff ab, welchen es enthält. Dasz

dies der Fall ist, können wir aus der energischen Art und Weise

schlieszen, in welcher Stückchen von Knochen oder von phosphorsaurem Kalke die Blätter afficiren. Die durch die andern Ammoniaksalze angeregte Einbiegung ist wahrscheinlich allein Folge ihres

Stickstoffgehalts, — nach demselben Principe, wie stickstoffhaltige

organische Flüssigkeiten kräftig einwirken, während nicht stickstoffhaltige organische Flüssigkeiten wirkungslos sind. Da solche äuszerst

kleine Dosen der Ammoniaksalze die Blätter beeinflussen, so können

wir wohl beinahe sicher sein, dasz Drosera die wenn auch geringe

Menge, welche im Regenwasser vorhanden ist, absorbirt und aus ihr

Nutzen zieht, in derselben Weise, wie andere Pflanzen diese selben

Salze mit ihren Wurzeln absorbiren.

Die Kleinheit der Dosen des salpetersauren und ganz besonders

des phosphorsauren Ammoniaks. welche eine Einbiegung der Tentakeln

an den eingetauchten Blättern verursacht, ist vielleicht die merk


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

würdigste in diesem Bande mitgetheilte Thatsache. Wenn wir sehn,

dasz viel weniger als der millionte Theil 1 eines Gran des Phosphats,

von der Drüse eines der äuszeren Tentakeln absorbirt, diesen zu biegen veranlaszt, so könnte man meinen, dasz die Wirkungen der Lösung

auf die Drüsen der Blattscheibe übersehen worden seien, nämlich

die Übermittelung eines motorischen Impulses von ihnen aus an die

äuszeren Tentakeln. Ohne Zweifel werden die Bewegungen der letzteren hierdurch unterstützt; aber die in dieser Weise geleistete Hülfe

musz unbedeutend sein; denn wir wissen, dasz ein Tropfen, welcher

so viel wie   Gran enthält, wenn er auf die Scheibe gebracht

wird, nur gerade eben im Stande ist, die äuszern Tentakeln eines in

hohem Grade empfindlichen Blattes zum Biegen zu veranlassen. Es

ist sicherlich eine äuszerst überraschende Thatsache, dasz 

eines Grans, oder in runder Zahl ein zwanzigmillionter Theil eines

Grans (0,0000033 Milligr.) des phosphorsauren Salzes irgend eine

Pflanze oder selbst irgend ein Thier afficiren sollte; und da dies Salz

35,33 Procent Krystallisationswasser enthält, so werden die wirksamen

Elemente auf   Gran oder in runder Zahl auf ein dreiszigmilliontel Gran (0,00000216 Milligr.) reducirt. Überdies war die

Lösung in diesen Versuchen im Verhältnis von einem Theile des

Salzes auf 2,187,500 Theile Wasser oder 1 Gran auf 5000 Unzen verdünnt. Der Leser wird sich vielleicht diesen Grad von Verdünnung

am besten vergegenwärtigen, wenn er sich erinnert, dasz 5000 Unzen

mehr als ein 31 Gallonenfasz füllen würden, und dasz zu dieser

groszen Masse Wasser ein Gran des Salzes hinzugethan wird; über

ein Blatt wird dann nur eine halbe Drachme oder dreiszig Minims

der Lösung gegossen. Und doch reichte diese Menge hin, die Einbiegung beinahe jeden Tentakels und häufig auch der Blattscheibe

zu verursachen.

Ich bin mir wohl bewuszt, dasz diese Angabe auf den ersten

Blick beinahe Jedermann unglaublich erscheinen wird. Drosera ist

weit davon entfernt, mit dem Unterscheidungsvermögen des Spectroskops rivalisiren zu können; doch kann sie, wie es sich in den Bewe

1 Es ist kaum möglich, sich vorzustellen, was eine Million bedeutet. Die

beste Illustration, die mir vorgekommen ist, ist die, welche W. Croll gibt; er

sagt: — "Man nehme einen schmalen Streifen Papier 83 Fusz 4 Zoll lang und

strecke ihn an der Wand eines groszen Saales aus; dann bezeichne man an einem

Ende ein Zehntel Zoll. Dieses Zehntel wird ein Hundert und der ganze Streifen

eine Million repräsentiren.


 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung über Ammoniaksalze.

gungen ihrer Blätter zeigt, eine sehr viel kleinere Quantität des

phosphorsauren Ammoniaks entdecken, als der geschickteste Chemiker

es von irgend einer Substanz kann 2. Meine Resultate waren eine

lange Zeit mir selbst unglaublich und suchte ich ängstlich nach jeder

Fehlerquelle. Das Salz wurde in einigen Fällen von einem Chemiker

auf einer ausgezeichneten Wage für mich abgewogen, und frisches

Wasser wurde viele Male mit Sorgfalt abgemessen. Die Beobachtungen wurden während mehrerer Jahre wiederholt. Zwei meiner

Söhne, welche so ungläubig wie ich selbst waren, verglichen mehrere

Gruppen von Blättern, welche gleichzeitig in die schwächeren Lösungen

und in Wasser eingetaucht wurden, mit einander und erklärten, es

könne über die Verschiedenheit ihrer äuszeren Erscheinung gar kein

Zweifel bestehen. Ich hoffe, dasz irgend Jemand sich später veranlaszt finden möge, meine Versuche zu wiederholen; in diesem Falle

sollte er junge und kräftige Blätter auswählen, deren Drüsen von

reichlichem Secrete umgeben sind. Die Blätter müssen sorgfältig abgeschnitten und sanft in Uhrgläser gelegt werden, und eine abgemessene Quantität von der Lösung und von Wasser über jedes derselben gegossen werden. Das benutzte Wasser musz so absolut rein

sein, wie es nur gemacht werden kann. Es ist noch besonders zu

beachten, dasz die Versuche mit den schwächeren Lösungen nach

mehreren Tagen sehr warmen Wetters angestellt werden sollten.

Diejenigen mit den schwächsten Lösungen sollten mit Pflanzen angestellt werden, welche eine beträchtliche Zeit lang in einem warmen

Kalthause oder in einem kühlen Treibhause gehalten worden sind;

doch ist dies für Versuche mit mäszig starken Lösungen durchaus

nicht nothwendig.

Ich bitte den Leser, zu beachten, dasz die Empfindlichkeit oder

2 Als meine ersten Beobachtungen über das salpetersaure Ammoniak vor vierzehn Jahren angestellt wurden, waren die Leistungen des Spectroskops noch nicht

entdeckt, und mich interessirten die damals völlig beispiellosen Leistungen der

Drosera um so mehr. Jetzt hat nun das Spectroskop die Drosera vollständig

geschlagen; denn nach Bunsen und Kirchhoff kann wahrscheinlich weniger

als   Gran Natron auf diese Weise entdeckt werden (s. Balfour

Stewart, Treatise on Heat, 2. edit. 1871, p. 228). In Bezug auf gewöhnliche

chemische Prüfungen entnehme ich dem Werke Dr. Alfred Taylor's über Gifte,

dasz ungefähr   Gran Arsenik,   Gran Blausäure,   Gran Jod und 

Gran Brechweinstein entdeckt werden kann; aber die Fähigkeit des Nachweises

hängt sehr davon ab, dasz die beim Versuche verwandten Lösungen nicht äuszerst

schwach sind.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 7.

Reizbarkeit der Tentakeln auf dreierlei verschiedene Methoden ermittelt

wurde: — indirect durch Tropfen, welche auf die Scheibe gebracht

wurden, direct durch Tropfen, welche an die Drüsen der äuszeren

Tentakeln applicirt wurden, und durch Eintauchen der ganzen Blätter;

durch diese drei Methoden wurde gefunden, dasz das salpetersaure

Salz wirksamer war, als das kohlensaure, und das phosphorsaure viel

wirksamer als das salpetersaure; dies Resultat wird verständlich durch

die Verschiedenheit in der Menge von Stickstoff, welche die beiden

ersten Salze enthalten, und durch die Gegenwart von Phosphor im

dritten. Es wird vielleicht den Glauben des Lesers unterstützen,

wenn er sich zu den Versuchen mit einer Lösung von einem Theile

des phosphorsauren Salzes auf 1000 Unzen Wasser wendet; er wird

hier entscheidende Beweise finden, dasz ein Viermilliontel Gran hinreichend ist, die Einbiegung eines einzelnen Tentakels zu verursachen.

Es liegt daher darin nichts sehr Unwahrscheinliches, dasz ein Fünftel

dieses Gewichtes oder ein Zwanzigmilliontel Gran auf den Tentakel

eines in hohem Grade empfindlichen Blattes wirken kann. Ferner

wurden zwei von den Blättern in der Lösung von einem Gran in

3000 Unzen und drei von den Blättern in der Lösung von einem

Gran in 5000 Unzen afficirt, und zwar nicht nur viel bedeutender

als die zu gleicher Zeit in Wasser versuchten Blätter, sondern auch

unvergleichlich mehr als überhaupt irgend welche fünf Blätter, welche

aus den 173 von mir in verschiedenen Zeiten in Wasser beobachteten

ausgelesen werden könnten.

In der bloszen Thatsache, dasz der einzwanzigmillionte Theil

eines Gran des phosphorsauren Salzes, in mehr als zwei Millionen

mal seines Gewichtes in Wasser aufgelöst, von einer Drüse absorbirt

wird, liegt nichts Merkwürdiges. Alle Physiologen geben zu, dasz

die Wurzeln der Pflanzen die ihnen durch das Regenwasser gebrachten Ammoniaksalze absorbiren; und vierzehn Gallonen Regenwasser

enthalten 3 einen Gran Ammoniak, daher nur ein wenig mehr als

zweimal so viel als die schwächste von mir angewandte Lösung. Die

Thatsache, welche wahrhaft wunderbar erscheint, ist, dasz der einzwanzigmillionte Theil eines Grans des phosphorsauren Ammoniaks

(welcher weniger als den eindreiszigmilliontel Gran wirksamer Substanz enthält), wenn er von einer Drüse absorbirt wird, in dieser eine

gewisse Veränderung hervorruft, welche dahin führt, dasz ein moto

3 Miller's Elements of Chemistry, Part. II., p. 107. 3. edit. 1864.


 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung über Ammoniaksalze.

rischer Impuls die ganze Länge des Tentakels hinab geleitet wird

und den basalen Theil zu biegen verursacht, häufig durch einen Winkel

von über 180 Grad.

So staunenswerth dies Resultat ist, so ist doch kein vernünftiger

Grund vorhanden, weshalb wir dasselbe als unglaublich verwerfen

sollten. Professor Donders in Utrecht theilt mir mit, dasz er nach

Versuchen, welche er früher mit Dr. De Ruyter angestellt habe, zu

dem Schlusse gelangt sei, dasz weniger als der einmillionte Theil

eines Grans schwefelsauren Atropins in einem äuszerst verdünnten

Zustande direct auf die Iris eines Hundes gebracht, die Muskeln dieses Organs paralysirt. Wir haben aber in der That jedesmal, wenn

wir einen Geruch wahrnehmen, Beweise, dasz unendlich kleinere Theilchen auf unsre Nerven wirken. Wenn ein Hund eine Viertelmeile

unter dem Winde von einem Hirsche oder einem andern Thiere steht

und er nimmt dessen Gegenwart wahr, so bewirken die riechbaren

Theilchen irgend eine Veränderung in seinen Geruchsnerven; und doch

müssen diese Theilchen unendlich kleiner 4 als die von phosphorsaurem

Ammoniak sein, welche den einzwanzigmilliontel Theil eines Grans

wiegen. Diese Nerven übermitteln dann einen gewissen Einflusz dem

Gehirne des Hundes, welches zu Thätigkeit seinerseits führt. Bei

Drosera liegt die wirklich wunderbare Thatsache darin, dasz eine

Pflanze ohne irgend ein specialisirtes Nervensystem durch solche

äuszerst kleine Theilchen afficirt werden kann; wir haben aber keine

Gründe zur Annahme, dasz nicht auch andre Gewebe so exquisit

empfänglich für Eindrücke von auszen her gemacht werden könnten,

wenn dies für den Organismus wohlthätig wäre, wie es das Nervensystem der höheren Thiere ist.

4 Mein Sohn, George Darwin, hat mir den Durchmesser einer Kugel von

phosphorsaurem Ammoniak (specifisches Gewicht 1,678), welche den einzwanzigmilliontel Theil eines Grans wiegt, berechnet und findet ihn   Zoll grosz.

Nun theilt mir Dr. Klein mit, dasz die kleinsten Mikrokokken, welche unter

einer Vergröszerung von 800 malen deutlich unterscheidbar sind, zu 0,0002 bis

0,0005 Millimeter geschätzt werden, d. h. von   zu   Zoll Durchmesser.

Es kann daher ein Gegenstand von zwischen   und   der Grösze einer Kugel

von phosphorsaurem Ammoniak von dem oben erwähnten Gewicht unter einer

starken Vergröszerung gesehen werden; und Niemand vermuthet, dasz riechbare

Theilchen, solche, wie sie in dem obigen Beispiel vom Hirsche abgegeben werden,

unter irgend welcher Vergröszerung eines Mikroskops gesehen werden könnten.


 

[[156]/0170]

Achtes Capitel.

Die Wirkungen verschiedener Salze und Säuren auf die Blätter.

Natron-, Kali- und andere alkalische, erdige und metallische Salze. — Zusammenfassung über die Wirkung dieser Salze. — Verschiedene Säuren. — Zusammenfassung über ihre Wirkungen.

Nachdem ich gefunden hatte, dasz die Ammoniaksalze so wirksam wären, wurde ich darauf geführt, die Wirkung einiger andern

Salze zu untersuchen. Es wird zweckmäszig sein, zuerst eine Liste

der versuchten Substanzen (welche neun und vierzig Salze und zwei

Metallsäuren umfaszt) mitzutheilen, und zwar in zwei Columnen getheilt, von denen die eine die Körper enthält, welche Einbiegung

verursachen, die andere die, welche dies nicht oder nur zweifelhaft

thun. Meine Versuche wurden so angestellt, dasz halbe MinimTropfen auf die Scheiben von Blättern gelegt, oder, noch gewöhnlicher, dasz die Blätter in die Lösungen eingetaucht wurden, zuweilen

auch nach beiden Methoden. Dann soll eine Zusammenfassung der

Resultate mit einigen Schluszbemerkungen gegeben werden. Die

Wirkung verschiedener Säuren werden nachher beschrieben werden.

Salze, welche Einbiegung

verursachen.

Salze, welche keine Einbiegung

verursachen.

(Nach der chemischen Classification in Watt's Dictionary of Chemistry in

Gruppen angeordnet.)

Kohlensaures Natron, rapide Einbiegung.

Salpetersaures Natron, rapide Einbiegung.

Schwefelsaures Natron, mäszig

schnelle Einbiegung.

Phosphorsaures Natron, sehr rapide

Einbiegung.

Kohlensaures Kali: langsam giftig.

Salpetersaures Kali: etwas giftig.

Schwefelsaures Kali.

Phosphorsaures Kali.


 

[page break] Cap. 8. Wirkung verschiedener Salze.

Salze, welche Einbiegung

verursachen.

Salze, welche keine Einbiegung

verursachen.

(Nach der chemischen Classification in Watt's Dictionary of Chemistry in

Gruppen angeordnet.)

Citronensaures Natron, rapide Einbiegung.

Oxalsaures Natron, rapide Einbiegung.

Chlornatrium, mäszig rapide Einbiegung.

Jodnatrium, eher langsame Einbiegung.

Bromnatrium, mäszig schnelle Einbiegung.

Oxalsaures Kali, langsame und

zweifelhafte Einbiegung.

Salpetersaures Lithion, mäszig rapide Einbiegung.

Caesiumchlorid, eher langsame Einbiegung.

Salpetersaures Silber, rapide Einbiegung; schnelles Gift.

Cadmiumchlorid, langsame Einbiegung.

Quecksilberhyperchlorid, rapide Einbiegung; schnelles Gift.

Aluminiumchlorid, langsame und

zweifelhafte Einbiegung.

Goldchlorid, rapide Einbiegung:

schnelles Gift.

Zinnchlorid, langsame Einbiegung:

giftig.

Weinsteinsaures Antimon, langsame

Einbiegung; wahrscheinlich giftig.

Arsenige Säure, schnelle Einbiegung: giftig.

Citronensaures Kali.

Chlorkalium.

Jodkalium, ein unbedeutender und

zweifelhafter Grad von Einbiegung.

Bromkalium.

Essigsaures Lithion.

Rubidiumchlorid.

Essigsaurer Kalk.

Salpetersaurer Kalk.

Essigsaure Magnesia.

Salpetersaure Magnesia.

Magnesiumchlorid.

Schwefelsaure Magnesia.

Essigsaurer Baryt.

Salpetersaurer Baryt.

Essigsaurer Strontian.

Salpetersaurer Strontian.

Zinkchlorid.

Salpetersaurer Alaun, eine Spur

von Einbiegung.

Schwefelsaurer Alaun und schwefelsaures Kali.

Bleichlorid.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

Salze, welche Einbiegung

verursachen.

Salze, welche keine Einbiegung

verursachen.

(Nach der chemischen Classification in Watt's Dictionary of Chemistry in

Gruppen angeordnet.)

Eisenchlorid, langsame Einbiegung:

wahrscheinlich giftig.

Chromsäure, schnelle Einbiegung:

in hohem Grade giftig.

Kupferchlorid, eher langsame Einbiegung: giftig.

Nickelchlorid, rapide Einbiegung:

wahrscheinlich giftig.

Platinchlorid, rapide Einbiegung:

giftig.

Manganchlorid.

Kobaltchlorid.

Kohlensaures Natron (rein, mir von Prof. Hoffmann gegeben). — Halbe Minims (0,0296 Cub. Cent.) einer Lösung eines Theils auf

218 Theile Wasser (2 Gran auf 1 Unze) wurden auf die Scheiben von

12 Blättern gelegt. Sieben derselben wurden gehörig eingebogen. Drei

hatten nur zwei oder drei ihrer äuszern Tentakeln eingebogen, und die

übrigen zwei waren gar nicht afficirt. Aber die Dosis, obgleich nur 

Gran (0,135 Milligr.) war augenscheinlich zu stark; denn drei der sieben

gut eingebogenen Blätter waren getödtet. Auf der andern Seite breitete

sich eins der sieben, welches nur einige Tentakeln eingebogen hatte, nach

48 Stunden wieder aus und schien ganz gesund. Unter Anwenden einer

schwächeren Lösung (nämlich ein Theil auf 437 Theile Wasser oder 1

Gran auf 1 Unze) wurden Dosen von   Gran (0,0675 Milligr.) sechs

Blättern gegeben. Auf einige derselben hatten dieselben in 37 Minuten

eingewirkt, und in 8 Stunden waren die äuszeren Tentakeln aller, ebenso

wie die Scheiben von zweien beträchtlich eingebogen. Nach 23 Stunden

15 Minuten hatten sich die Tentakeln beinahe wieder ausgestreckt, aber

die Scheiben der zwei waren noch gerade wahrnehmbar nach innen gebogen. Nach 48 Stunden waren alle sechs Blätter völlig wieder ausgebreitet, und erschienen vollkommen gesund.

Drei Blätter wurden eingetaucht, jedes in dreiszig Minims einer

Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser (1 Gran auf 2 Unzen),

so dasz jedes   Gran (2,02 Milligr.) erhielt; nach 40 Minuten waren

die drei bedeutend afficirt und nach 6 Stunden 45 Minuten die Tentakeln

aller und die Scheibe des einen dicht eingebogen.

Salpetersaures Natron (rein). — Halbe Minims einer Lösung

von einem Theil auf 437 Theile Wasser,   Gran (0,0675 Milligr.) enthaltend, wurden auf die Scheiben von fünf Blättern gelegt. Nach 1 Stunde

25 Minuten waren die Tentakeln beinahe aller und die Scheibe eines

etwas eingebogen. Die Einbiegung fuhr fort zuzunehmen und in 21

Stunden 15 Minuten war die Einwirkung auf die Tentakeln und die

Scheiben von vier derselben bedeutend, während die Wirkung auf die

Scheibe des fünften nur in einem unbedeutenden Grad eingetreten war.

Nach weiteren 24 Stunden blieben die vier Blätter noch dicht eingebogen,

während das fünfte anfieng, sich wieder auszubreiten. Vier Tage nach


 

[page break] Cap. 8. Natron-Salze.

dem die Lösung angewendet worden war, hatten sich zwei der Blätter

ganz, und eins theilweise wieder ausgebreitet; während die übrigen zwei

dicht eingebogen blieben und verletzt schienen.

Drei Blätter wurden eingetaucht, jedes in dreiszig Minims einer

Lösung eines Theils auf 875 Theile Wasser; in 1 Stunde war bedeutende

Einbiegung vorhanden, und nach 8 Stunden 15 Minuten waren alle

Tentakeln und die Scheiben aller drei sehr stark eingebogen.

Schwefelsaures Natron. — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theil auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs

Blättern gelegt. Nach 5 Stunden 30 Minuten waren die Tentakeln von

drei derselben (mit der Scheibe des einen) bedeutend, und die der andern

drei leicht eingebogen. Nach 21 Stunden hatte die Einbiegung etwas

abgenommen und in 45 Stunden waren die Blätter vollständig wieder

ausgebreitet, und erschienen ganz gesund.

Drei Blätter wurden eingetaucht, jedes in dreiszig Minims einer

Lösung von einem Theil des schwefelsauren Salzes auf 875 Theile Wasser;

nach 1 Stunde 30 Minuten war etwas Einbiegung da, welche so zunahm,

dasz in 8 Stunden 10 Minuten alle Tentakeln und die Scheiben aller drei

Blätter dicht eingebogen waren.

Phosphorsaures Natron. — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theil auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs

Blättern gebracht, Die Lösung wirkte mit auszerordentlicher Schnelligkeit, denn in 8 Minuten waren die äuszeren Tentakeln mehrerer Blätter

stark eingebogen. Nach 6 Stunden waren die Tentakeln aller sechs

Blätter und die Scheiben von zweien dicht eingebogen. Dieser Zustand

der Dinge dauerte 24 Stunden lang, ausgenommen dasz die Scheibe eines

dritten Blattes nach innen gebogen wurde. Nach 48 Stunden breiteten

sich alle drei Blätter wieder aus. Es ist klar, dasz   Gran von phosphorsaurem Natron sehr wirksam ist, Einbiegung zu verursachen.

Citronensaures Natron. — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theil auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs

Blättern gebracht, aber diese wurden nicht eher beobachtet als nach

Verlauf von 22 Stunden. Die halbrandständigen Tentakeln von fünf derselben und die Scheiben von vier wurden dann eingebogen gefunden; aber

die äuszeren Reihen der Tentakeln waren nicht afficirt. Ein Blatt, welches älter als die andern zu sein schien, war in jeder Beziehung nur

sehr wenig afficirt. Nach 46 Stunden waren vier der Blätter, ihre

Scheiben mit eingeschlossen, beinahe wieder ausgebreitet.

Es wurden ferner noch drei Blätter eingetaucht, jedes in dreiszig

Minims einer Lösung von einem Theil des citronensauren Salzes auf 875

Theile Wasser; nach 25 Minuten war eine starke Einwirkung eingetreten;

und nach 6 Stunden 35 Minuten waren beinahe alle Tentakeln, die auf

den äuszeren Reihen mit eingeschlossen, eingebogen, aber nicht die

Scheiben.

Oxalsaures Natron. — Halbe Minims einer Lösung von einem

Theil auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sieben Blättern

gebracht; nach 5 Stunden 30 Minuten waren die Tentakeln von allen

und die Scheiben der meisten bedeutend beeinfluszt. In 22 Stunden waren,

auszer der Einbiegung der Tentakeln, die Scheiben aller sieben Blätter so


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

sehr zusammengefaltet, dasz ihre Spitzen und Basen sich beinahe berührten.

Bei keiner andern Gelegenheit habe ich die Scheiben so stark beeinfluszt

gesehen. Drei Blätter wurden auch eingetaucht, jedes in dreiszig Minims

einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser; nach 30 Minuten

war starke Einbiegung eingetreten, und nach 6 Stunden 35 Minuten

waren die Scheiben zweier und die Tentakeln aller dicht eingebogen.

Chlornatrium (bestes Küchensalz). — Halbe Minims einer Lösung

von einem Theil auf 218 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von

vier Blättern gebracht. Zwei waren augenscheinlich in 48 Stunden gar

nicht afficirt; das dritte hatte seine Tentakeln leicht gebogen; während

das vierte beinahe alle seine Tentakeln in 24 Stunden eingebogen hatte,

und diese fiengen nicht an, sich wieder auszustrecken, bis zum vierten

Tag, und waren am siebenten Tage noch nicht vollkommen wieder ausgestreckt. Ich vermuthe, dasz dieses Blatt durch das Salz verletzt war.

Halbe Minims einer schwächeren Lösung von einem Theil auf 437 Theile

Wasser wurden dann auf die Scheiben von sechs Blättern getropft, so

dasz jedes   Gran erhielt. In 1 Stunde 33 Minuten war eine leichte

Einbiegung da, und nach 5 Stunden 30 Minuten waren die Tentakeln

aller sechs Blätter beträchtlich, aber nicht dicht, eingebogen. Nach 23

Stunden 15 Minuten hatten sich alle vollkommen wieder ausgestreckt,

und schienen nicht im Geringsten verletzt zu sein.

Drei Blätter wurden eingetaucht, jedes in dreiszig Minims einer

Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser, so dasz jedes   Gran

oder 2,02 Milligr. erhielt. Nach 1 Stunde war bedeutende Einbiegung

eingetreten; nach 8 Stunden 30 Minuten waren alle Tentakeln und die

Scheiben aller drei dicht eingebogen. Vier andere Blätter wurden auch

in die Lösung eingetaucht, jedes denselben Betrag von Salz als vorher

erhaltend, nämlich   Gran. Sie wurden alle bald eingebogen; nach 48

Stunden fiengen sie wieder an sich auszubreiten und schienen ganz unverletzt zu sein, obgleich die Lösung stark genug war, um salzig zu

schmecken.

Jodnatrium. — Halbe Minims einer Lösung von einem Theil auf

437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs Blättern gebracht.

Nach 24 Stunden hatten vier derselben ihre Scheiben und viele Tentakeln

eingebogen. Die andern zwei hatten nur ihre halbrandständigen Tentakeln eingebogen; die äuszeren Tentakeln waren bei den meisten Blättern

nur wenig afficirt. Nach 46 Stunden hatten sich die Blätter beinahe

wieder ausgebreitet. Drei Blätter wurden auch jedes in dreiszig Minims

einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser getaucht. Nach

6 Stunden 30 Minuten waren beinahe alle Tentakeln und die Scheibe

eines Blattes dicht eingebogen.

Bromnatrium. — Halbe Minims einer Lösung von einem Theil

auf 437 Theile Wasser wurden auf sechs Blätter gebracht. Nach 7

Stunden war etwas Einbiegung da; nach 22 Stunden hatten drei der

Blätter ihre Scheiben und die meisten ihrer Tentakeln eingebogen; das

vierte Blatt war sehr gering und das fünfte und sechste gar nicht beeinfluszt. Drei Blätter wurden auch, jedes in dreiszig Minims einer Lösung

von einem Theil auf 875 Theile Wasser eingetaucht; nach 40 Minuten

war etwas Einbiegung da; nach 4 Stunden waren die Tentakeln aller


 

[page break] Cap. 8. Kali-Salze.

drei Blätter und die Scheiben von zweien eingebogen. Diese Blätter

wurden dann in Wasser gelegt, und nach 17 Stunden 30 Minuten waren

zwei derselben beinahe vollständig und das dritte theilweise wieder ausgebreitet; so dasz sie augenscheinlich nicht verletzt waren.

Kohlensaures Kali (rein). — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theil auf 437 Theile Wasser wurden auf sechs Blätter gebracht.

In 24 Stunden war keine Wirkung hervorgebracht; aber nach 48 Stunden hatten einige der Blätter ihre Tentakeln und eins seine Scheibe beträchtlich eingebogen. Dies schien jedoch das Resultat davon zu sein,

dasz sie verletzt waren; denn am dritten Tage, nachdem die Lösung gegeben worden war, waren drei der Blätter todt und eins sehr kränklich;

die andern zwei erholten sich, aber mehrere Tentakeln waren augenscheinlich verletzt und blieben beständig eingebogen. Es ist augenscheinlich, dasz   Gran dieses Salzes wie ein Gift wirkt. Drei Blätter wurden auch jedes in dreiszig Minims einer Lösung von einem Theil auf

875 Theile Wasser nur 9 Stunden lang eingetaucht; und, sehr verschieden von dem was mit den Natronsalzen eintritt, es wurde keine Einbiegung verursacht.

Salpetersaures Kali. — Halbe Minims einer starken Lösung

von einem Theil auf 109 Theile Wasser (4 Gran auf 1 Unze) wurden

auf die Scheiben von vier Blättern gebracht; zwei wurden sehr verletzt,

aber keine Einbiegung erfolgte. Acht Blätter wurden in derselben Weise

behandelt, mit Tropfen einer schwächeren Lösung von einem Theil auf

218 Theile Wasser. Nach 56 Stunden war keine Einbiegung da, aber

zwei der Blätter schienen verletzt. Fünf dieser Blätter wurden später

mit Tropfen von Milch und einer Gelatine-Lösung auf ihren Scheiben

versucht, und nur eins wurde eingebogen, so dasz die Lösung des salpetersauren Salzes der oben erwähnten Stärke, 50 Stunden lang einwirkend,

die Blätter augenscheinlich verletzt oder paralysirt hatte. Sechs Blätter

wurden dann auf dieselbe Art behandelt, mit einer noch schwächeren

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser, und diese waren nach

48 Stunden in keiner Weise afficirt, mit Ausnahme vielleicht eines einzigen Blattes. Drei Blätter wurden dann 25 Stunden lang jedes in

dreiszig Minims einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser

eingetaucht, und dies brachte augenscheinlich keine Wirkung hervor. Sie

wurden dann in eine Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniak

auf 218 Theile Wasser gethan; die Drüsen wurden augenblicklich geschwärzt, nach 1 Stunde war etwas Einbiegung da, und der protoplasmatische Inhalt der Zellen wurde deutlich zusammengeballt. Dies zeigt,

dasz die Blätter durch ihr 25 Stunden langes Eintauchen in das salpetersaure Salz nicht sehr verletzt waren.

Schwefelsaures Kali. — Halbe Minims einer Lösung eines Theils

auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs Blättern gebracht. Nach 20 Stunden 30 Minuten war keine Wirkung hervorgebracht;

nach weiteren 24 Stunden blieben drei unafficirt; zwei schienen verletzt,

und das sechste schien beinahe todt zu sein, mit seinen Tentakeln eingebogen. Demungeachtet erholten sich alle sechs Blätter nach zwei weiteren Tagen wieder. Das Eintauchen dreier Blätter für 24 Stunden,

jedes in dreiszig Minims einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 11

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

Wasser, brachte keine augenscheinliche Wirkung hervor. Sie wurden

dann mit derselben Lösung von kohlensaurem Ammoniak behandelt, mit

demselben Resultat wie in dem Fall mit dem salpetersauren Kali.

Phosphorsaures Kali. — Halbe Minims einer Lösung von einem

Theil auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs Blättern

gebracht, welche während dreier Tage beobachtet wurden; es wurde aber

keine Wirkung hervorgebracht. Das theilweise Auftrocknen der Flüssigkeit auf der Scheibe zog die Tentakeln auf ihr leicht zusammen, wie es

oft bei Experimenten dieser Art vorkommt. Die Blätter erschienen am

dritten Tage ganz gesund.

Citronensaures Kali. — Halbe Minims einer Lösung von einem

Theil auf 437 Theile Wasser drei Tage auf den Scheiben von sechs Blättern gelassen, und das Eintauchen dreier Blätter, 9 Stunden lang, jedes

in 30 Minims einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser,

brachten nicht die geringste Wirkung hervor.

Oxalsaures Kali. — Halbe Minims wurden bei verschiedenen Gelegenheiten auf die Scheiben von siebenzehn Blättern gebracht, und die

Resultate verwirrten mich sehr, wie sie es noch thun. Einbiegung trat

sehr langsam ein. Nach 24 Stunden waren vier von den siebenzehn Blättern gut eingebogen, zusammen mit den Scheiben von zweien; sechs waren

leicht afficirt und sieben gar nicht. Drei Blätter aus einer Gruppe wurden fünf Tage lang beobachtet, und alle starben ab; aber in einer andern Gruppe von sechs sahen alle, eins ausgenommen, noch nach vier

Tagen gesund aus. Drei Blätter wurden 9 Stunden lang eingetaucht,

jedes in dreiszig Minims einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile

Wasser, und waren nicht im Geringsten afficirt, aber sie hätten längere

Zeit beobachtet werden sollen.

Chlorkalium. — Weder halbe Minims einer Lösung von einem

Theil auf 437 Theile Wasser drei Tage lang auf den Scheiben von sechs

Blättern gelassen, noch das Eintauchen dreier Blätter für 25 Stunden

lang in 30 Minims einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser

brachte die geringste Wirkung hervor. Die eingetauchten Blätter wurden

dann mit kohlensaurem Ammoniak, wie beim salpetersauren Kali beschrieben wurde, behandelt, und mit demselben Erfolg.

Jodkali. — Halbe Minims einer Lösung von einem Theil auf 437

Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sieben Blättern gebracht.

In 30 Minuten hatte ein Blatt seine Scheibe eingebogen; nach einigen

Stunden hatten drei Blätter die meisten ihrer halbrandständigen Tentakeln

mäszig eingebogen. Die übrigbleibenden drei waren sehr unbedeutend

afficirt. Kaum irgend eines dieser Blätter hatte seine äuszeren Tentakeln

eingebogen. Nach 21 Stunden streckten sich alle wieder aus, ausgenommen zwei, welche noch einige wenige halbrandständige Tentakeln eingebogen hatten. Drei Blätter wurden demnächst 8 Stunden 40 Minuten

lang, jedes in 30 Minims einer Lösung von einem Theil auf 875 Theile

Wasser eingetaucht, und wurden nicht im Geringsten afficirt. Ich weisz

nicht, was ich aus diesen sich widersprechenden Thatsachen folgern soll;

aber es ist klar, dasz Jodkali gewöhnlich keine besonders ausgesprochene

Wirkung hervorbringt.


 

[page break] Cap. 8. Wirkungen verschiedener Salze.

Bromkali. — Halbe Minims einer Lösung von einem Theil auf

437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs Blättern gebracht;

nach 22 Stunden hatte eins seine Scheibe und viele Tentakeln eingebogen, aber ich vermuthe, dasz ein Insect sich darauf niedergelassen

hatte, und dann wieder entkommen war. Die fünf andern Blätter waren

in keiner Weise afficirt. Ich versuchte drei dieser Blätter mit Stückchen

Fleisch und nach 24 Stunden wurden sie herrlich eingebogen. Drei Blätter wurden auch 21 Stunden lang in 30 Minims einer Lösung von einem

Theil auf 875 Theile Wasser eingetaucht; aber sie wurden gar nicht

afficirt, auszer dasz die Drüsen ziemlich blasz aussahen.

Essigsaures Lithion. — Vier Blätter wurden zusammen in ein

Gefäsz, welches 120 Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile

Wasser enthielt, eingetaucht, so dasz jedes, wenn die Blätter gleich aufsaugten,   Gran erhielt. Nach 24 Stunden war keine Einbiegung da.

Ich fügte dann, um die Blätter zu versuchen, etwas starke Lösung (nämlich 1 Gran auf 20 Unzen oder einen Theil auf 8750 Theile Wasser)

von phosphorsaurem Ammoniak hinzu, und in 30 Minuten waren alle vier

dicht eingebogen.

Salpetersaures Lithion. — Vier Blätter wurden wie in dem

letzten Falle in 120 Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile

Wasser eingetaucht; nach 1 Stunde 30 Minuten waren alle vier ein wenig

und nach 24 Stunden bedeutend eingebogen. Ich verdünnte dann die

Lösung mit etwas Wasser, sie blieben aber noch am dritten Tage etwas

eingebogen.

Caesiumchlorid. — Vier Blätter wurden wie oben in 120 Minims

einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht. Nach

1 Stunde 5 Minuten waren die Drüsen dunkel; nach 4 Stunden 20 Minuten war eine Spur von Einbiegung da; nach 6 Stunden 40 Minuten

waren zwei Blätter stark, aber nicht dicht, und die andern zwei beträchtlich eingebogen. Nach 22 Stunden war die Einbiegung auszerordentlich

stark und zwei hatten ihre Scheiben eingebogen. Ich übertrug dann die

Blätter in Wasser, und in 46 Stunden, von ihrem ersten Eintauchen an

gerechnet, waren sie beinah wieder ausgebreitet.

Rubidiumchlorid. — Auf vier Blätter, welche wie oben in

120 Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht waren, hatte dieselbe in 22 Stunden nicht eingewirkt. Ich fügte

dann etwas von der starken Lösung (1 Gran auf 20 Unzen) von phosphorsaurem Ammoniak hinzu, und in 30 Minuten waren alle ungeheuer

eingebogen.

Salpetersaures Silber. — Drei Blätter wurden in neunzig

Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht,

so dasz jedes, wie vorher,   Gran erhielt. Nach 5 Minuten war leichte

Einbiegung und nach 11 Minuten sehr starke Einbiegung da, wobei die

Drüsen auszerordentlich schwarz wurden; nach 46 Minuten waren alle

Tentakeln dicht eingebogen. Nach 6 Stunden wurden die Blätter aus

der Lösung genommen, gewaschen und in Wasser gelegt; aber am nächsten Morgen waren sie augenscheinlich todt.

Essigsaurer Kalk. — Vier Blätter wurden in 120 Minims einer

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; nach 24 Stun

11*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

den war keiner der Tentakeln eingebogen, ausgenommen einige wenige

da, wo die Scheibe sich an den Stiel ansetzt, und dies mag dadurch verursacht worden sein, dasz das Salz von dem abgeschnittenen Ende des

Stieles aufgesaugt wurde. Ich fügte dann etwas von der Lösung (1 Gran

auf 20 Unzen) von phosphorsaurem Ammoniak hinzu, aber dies erregte

zu meinem Erstaunen nur leichte Einbiegung, selbst nach 24 Stunden.

Es würde daher scheinen, als hätte das essigsaure Salz die Blätter

betäubt.

Salpetersaurer Kalk. — Vier Blätter wurden in 120 Minims

einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht, aber

waren in 24 Stunden nicht afficirt. Ich fügte dann etwas von der Lösung von phosphorsaurem Ammoniak (1 Gran auf 20 Unzen) hinzu, aber

dies bewirkte nur sehr leichte Einbiegung nach 24 Stunden. Ein frisches

Blatt wurde dann in eine gemischte Lösung der oben erwähnten Stärkegrade von salpetersaurem Kalk und phosphorsaurem Ammoniak gebracht,

und es wurde in 5 bis 10 Minuten dicht eingebogen. Halbe Minims

einer Lösung von einem Theil des phosphorsauren Kalkes auf 218 Theile

Wasser wurden auf die Scheiben von drei Blättern getropft, aber brachten keine Wirkung hervor.

Essigsaure, salpetersaure Magnesia und Chlormagnesium. — Vier Blätter wurden in 120 Minims einer Lösung von einem

Theil auf 437 Theile Wasser, von jedem dieser drei Salze eingetaucht;

nach 6 Stunden war keine Einbiegung da; aber nach 22 Stunden war

eins der Blätter in dem essigsaurem Salze eher etwas mehr eingebogen,

als gewöhnlich nach einem Eintauchen in Wasser für diese Länge von

Zeit vorkommt. Etwas von der Lösung (1 Gran auf 20 Unzen) von

phosphorsaurem Ammoniak wurde dann zu den drei Lösungen hinzugefügt. Die Blätter in dem essigsauren Salze mit dem phosphorsauren gemischt, erlitten etwas Einbiegung; und dies war nach 24 Stunden deutlich ausgesprochen. Die in dem salpetersauren Salz waren entschieden

nach 4 Stunden 30 Minuten eingebogen, aber der Grad der Einbiegung

nahm später nicht viel zu; während die vier Blätter in dem mit dem

Phosphate gemischten Chlorid in ein paar Minuten stark eingebogen wurden, und nach 4 Stunden beinah jeden Tentakel dicht eingebogen hatten.

Wir sehen hieraus, dasz die essigsaure und die salpetersaure Magnesia

die Blätter verletzen oder wenigstens die spätere Wirkung des phosphorsauren Ammoniaks verhindern, während das Chlorid keine solche Neigung hat.

Salpetersaure Magnesia. — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theil auf 218 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von zehn

Blättern gelegt und brachten keine Wirkung hervor.

Essigsaurer Baryt. — Vier Blätter wurden in 120 Minims einer

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht und nach

22 Stunden war keine Einbiegung da; aber die Drüsen waren geschwärzt.

Die Blätter wurden dann in eine Lösung (1 Gran auf 20 Unzen) von

phosphorsaurem Ammoniak gelegt, welche nach 6 Stunden nur ein wenig

Einbiegung bei zweien der Blätter verursachte.

Salpetersaurer Baryt. — Vier Blätter wurden in 120 Minims

einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht, und


 

[page break] Cap. 8. Wirkungen verschiedener Salze.

nach 22 Stunden war nicht mehr da als jener leichte Grad von Einbiegung, welcher auch oft nach einem Eintauchen von dieser Dauer in

reines Wasser erfolgt. Ich fügte dann etwas von derselben Lösung von

phosphorsaurem Ammoniak hinzu, und nach 30 Minuten war ein Blatt

stark eingebogen, zwei andere mäszig und das vierte gar nicht. Die

Blätter blieben 24 Stunden lang in diesem Zustand.

Essigsaurer Strontian. — Vier Blätter, in 120 Minims einer

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht, waren in

22 Stunden nicht afficirt. Sie wurden dann in etwas von derselben Lösung von phosphorsaurem Ammoniak gelegt und in 25 Minuten waren

zwei derselben stark eingebogen; nach 8 Stunden war das dritte Blatt

beträchtlich eingebogen und das vierte bot eine Spur von Einbiegung

dar. Sie waren am nächsten Morgen in demselben Zustand.

Salpetersaurer Strontian. — Fünf Blätter wurden in 120 Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht;

nach 22 Stunden war etwas leichte Einbiegung da, aber nicht mehr als

manchmal mit Blättern in Wasser vorkommt. Sie wurden dann in dieselbe Lösung von phosphorsaurem Ammoniak gelegt; nach 8 Stunden

waren drei derselben mäszig eingebogen, wie es alle fünf nach 24 Stunden waren; aber nicht eins war dicht eingebogen. Es scheint, dasz das

salpetersaure Salz die Blätter halb betäubt.

Cadmiumchlorid. — Drei Blätter wurden in neunzig Minims

einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; nach

5 Stunden 20 Minuten trat leichte Einbiegung ein, welche während der

nächsten 3 Stunden zunahm. Nach 24 Stunden hatten alle drei Blätter

ihre Tentakeln gut eingebogen, und blieben so während weiterer 24 Stunden; die Drüsen waren nicht entfärbt.

Quecksilbersuperchlorid. — Drei Blätter wurden in neunzig

Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht;

nach 22 Stunden war etwas leichte Einbiegung da, welche in 48 Minuten

deutlich ausgesprochen wurde; die Drüsen waren nun geschwärzt. Nach

5 Stunden 35 Minuten waren alle Tentakeln dicht eingebogen; nach

24 Stunden waren sie noch eingebogen und entfärbt. Die Blätter wurden dann entfernt und zwei Tage in Wasser gelassen; aber sie breiteten

sich niemals wieder aus und waren augenscheinlich todt.

Zinkchlorid. — Drei Blätter, in neunzig Minims einer Lösung von

einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht, waren in 25 Stunden

30 Minuten nicht afficirt.

Chloraluminium. — Vier Blätter wurden in 120 Minims einer

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; nach 7 Stunden 45 Minuten war keine Einbiegung vorhanden; nach 24 Stunden hatte

sich ein Blatt ziemlich dicht, das zweite mäszig, das dritte und vierte

kaum irgendwie eingebogen. Das Resultat ist zweifelhaft, aber ich denke,

eine geringe Fähigkeit, langsame Einbiegung zu verursachen, musz diesem

Salz zugeschrieben werden. Diese Blätter wurden dann in die Lösung

(1 Gran auf 20 Unzen) von phosphorsaurem Ammoniak gelegt und nach

7 Stunden 30 Minuten wurden die drei, welche durch das Chlorid nur

wenig afficirt waren, ziemlich dicht eingebogen.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

Salpetersaurer Alaun. — Vier Blätter wurden in 120 Minims

einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; nach

7 Stunden 45 Minuten war nur eine Spur von Einbiegung da; nach

24 Stunden war ein Blatt mäszig eingebogen. Das Resultat ist hier

wieder zweifelhaft, wie in dem Fall mit dem Chloraluminium. Die Blätter

wurden dann in dieselbe Lösung von phosphorsaurem Ammoniak übertragen wie vorher. Dies brachte in 7 Stunden 30 Minuten kaum irgend

eine Wirkung hervor; aber nach 25 Stunden war ein Blatt ziemlich dicht

eingebogen, die drei andern nur sehr leicht, vielleicht nicht mehr so als

durch Wasser.

Schwefelsaurer Alaun und schwefelsaures Kali (gewöhnlicher Alaun). — Halbe Minims einer Lösung von der gewöhnlichen Starke

wurden auf die Scheiben von neun Blättern gebracht, aber brachten keine

Wirkung hervor.

Goldchlorid. — Sieben Blätter wurden in so viel von einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht, dasz jedes 30 Minims des Chlorids erhielt, welche   Gran oder 4,048 Milligr. enthielten.

Es war nach 8 Minuten etwas Einbiegung da, welche in 45 Minuten

ganz extrem wurde. In 3 Stunden war die umgebende Flüssigkeit purpurn gefärbt und die Drüsen waren geschwärzt. Nach 6 Stunden wurden die Blätter in Wasser übertragen; am nächsten Morgen wurden sie

entfärbt und augenscheinlich getödtet gefunden. Das Secret zersetzt das

Chlorid sehr leicht; die Drüsen selbst werden mit einer äuszerst dünnen

Schicht von metallischem Gold überzogen und Theile davon schwimmen

auf der Oberfläche der umgebenden Flüssigkeit herum.

Chlorblei. — Drei Blätter wurden in neunzig Minims einer Lösung

von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht. Nach 23 Stunden

war nicht eine Spur von Einbiegung da; die Drüsen waren nicht geschwärzt und die Blätter schienen nicht verletzt zu sein. Sie wurden

dann in die Lösung (1 Gran auf 20 Unzen) von phosphorsaurem Ammoniak übertragen, und nach 24 Stunden waren zwei derselben etwas,

das dritte sehr wenig eingebogen; und so blieben sie noch weitere 24 Stunden lang.

Zinnchlorid. — Vier Blätter wurden in 120 Minims einer Lösung

von ungefähr einem Theil (es wurde nicht Alles aufgelöst) auf 437 Theile

Wasser eingetaucht. Nach 4 Stunden war keine Wirkung da; nach

6 Stunden 30 Minuten hatten alle vier Blätter ihre halbrandständigen

Tentakeln eingebogen; nach 22 Stunden war jeder einzelne Tentakel und

die Scheiben dicht eingebogen. Die umgebende Flüssigkeit war nun rosa

gefärbt. Die Blätter wurden gewaschen und in Wasser übertragen, aber

am nächsten Morgen waren sie augenscheinlich todt. Dieses Chlorid ist

ein tödtliches Gift, aber wirkt langsam.

Weinsteinsaures Antimon. — Drei Blätter wurden in neunzig

Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht.

Nach 8 Stunden 30 Minuten war leichte Einbiegung da; nach 24 Stunden waren zwei der Blätter dicht, und das dritte mäszig eingebogen; die

Drüsen nicht sehr geschwärzt. Die Blätter wurden gewaschen und in

Wasser gelegt, aber sie blieben 48 weitere Stunden in demselben Zustand. Dieses Salz ist wahrscheinlich giftig, wirkt aber langsam.


 

[page break] Cap. 8. Wirkungen verschiedener Salze.

Arsenige Säure. — Eine Lösung von einem Theil auf 437 Theile

Wasser; drei Blätter wurden in neunzig Minims getaucht; in 25 Minuten

beträchtliche Einbiegung; in 1 Stunde grosze Einbiegung; die Drüsen

nicht entfärbt. Nach 6 Stunden wurden die Blätter in Wasser übertragen, am nächsten Morgen sahen sie frisch aus, aber nach vier Tagen

waren sie blasz gefärbt, hatten sich nicht wieder ausgebreitet und waren

augenscheinlich todt.

Eisenchlorid. — Drei Blätter wurden in neunzig Minims einer

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; in 8 Stunden keine Einbiegung; aber nach 24 Stunden beträchtliche Einbiegung;

die Drüsen geschwärzt; die Flüssigkeit gelb gefärbt, mit schwimmenden

flockigen Theilchen von Eisenoxyd. Die Blätter wurden dann in Wasser

gelegt; nach 48 Stunden hatten sie sich sehr wenig wieder ausgebreitet,

sondern waren, glaube ich, getödtet; die Drüsen auszerordentlich schwarz.

Chromsäure. — Ein Theil auf 437 Theile Wasser; drei Blätter

wurden in neunzig Minims eingetaucht; in 30 Minuten etwas, in 1 Stunde

beträchtliche Einbiegung; nach 2 Stunden alle Tentakeln dicht eingebogen, die Drüsen entfärbt. In Wasser gelegt; am nächsten Tag waren

die Blätter ganz entfärbt und augenscheinlich getödtet.

Manganchlorid. — Drei Blätter in neunzig Minims einer Lösung

von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; nach 22 Stunden nicht

mehr Einbiegung als auch oft in Wasser vorkommt; die Drüsen nicht

geschwärzt. Dle Blätter wurden dann in die gewöhnliche Lösung von

phosphorsaurem Ammoniak gelegt, aber keine Einbiegung wurde selbst

nach 48 Stunden verursacht.

Kupferchlorid. — Drei Blätter in neunzig Minims einer Lösung

von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; nach 2 Stunden

etwas Einbiegung; nach 3 Stunden 45 Minuten die Tentakeln dicht eingebogen und die Drüsen geschwärzt. Nach 22 Stunden noch dicht eingebogen und die Blätter schlaff. In reines Wasser gelegt, waren sie am

nächsten Tage augenscheinlich todt. Ein rapid wirkendes Gift.

Nickelchlorid. — Drei Blätter in neunzig Minims einer Lösung

von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; in 25 Minuten beträchtliche Einbiegung, und in 3 Stunden alle die Tentakeln dicht eingebogen; die meisten Drüsen, aber nicht alle, geschwärzt. Die Blätter

wurden dann in Wasser gelegt; nach 24 Stunden blieben sie eingebogen;

waren etwas entfärbt und die Drüsen und die Tentakeln schmutzig roth.

Wahrscheinlich getödtet.

Kobaltchlorid. — Drei Blätter in neunzig Minims einer Lösung

von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; nach 23 Stunden

war nicht eine Spur von Einbiegung da, und die Drüsen waren nicht

mehr geschwärzt als auch oft vorkommt nach einem ebenso langen Eintauchen in Wasser.

Platinchlorid. — Drei Blätter in neunzig Minims einer Lösung

von einem Theil auf 437 Theile Wasser eingetaucht; in 6 Minuten etwas

Einbiegung, welche nach 48 Minuten ganz ungeheuer wurde. Nach

3 Stunden waren die Drüsen ziemlich blasz. Nach 24 Stunden alle Tentakeln noch dicht eingebogen. Die Drüsen farblos; blieben vier Tage in

demselben Zustande; die Blätter augenscheinlich getödtet.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

Schluszbemerkungen über die Wirkung der vorstehend angeführten Salze. — Von den einundfünfzig Salzen

und metallischen Säuren, welche versucht wurden, verursachten fünfundzwanzig eine Einbiegung der Tentakeln, und sechsundzwanzig

hatten keine solche Wirkung; zwei ziemlich zweifelhafte Fälle kamen

in jeder Versuchsreihe vor. In der Tabelle am Anfang dieser Erörterung sind die Salze nach ihrer chemischen Verwandtschaft geordnet;

aber ihre Wirkung auf Drosera scheint nicht dadurch bestimmt zu

werden. Die Natur der Basis ist viel wichtiger, so weit nach diesen

wenigen hier gegebenen Versuchen geurtheilt werden kann, als die

Natur der Säure; und dies ist der Schlusz, zu welchem die Physiologen auch in Bezug auf die Thiere gekommen sind. Wir sehen diese

Thatsache dadurch erläutert, dasz alle neun Natronsalze Einbiegung

verursachen und nicht giftig sind, auszer wenn sie in groszen Dosen

gegeben werden; während sieben der correspondirenden Salze von Kali

keine Einbiegung verursachen und einige derselben giftig sind. Zwei

derselben jedoch, nämlich das oxalsaure und Jodkali, verursachten

langsam einen leichten und ziemlich zweifelhaften Grad von Einbiegung.

Dieser Unterschied zwischen den zwei Serien ist interessant, da Dr.

Burdon Sanderson mir mittheilt, dasz Natronsalze in groszen Dosen

in die Circulation von Säugethieren eingeführt werden können, ohne

irgend eine schädliche Wirkung; während kleine Dosen von Kalisalzen

den Tod, durch plötzliches Anhalten der Thätigkeit des Herzens, verursachen. Ein ausgezeichnetes Beispiel der verschiedenen Wirkung

der beiden Reihen wird durch das phosphorsaure Natron dargeboten,

welches schnell kräftige Einbiegung verursacht, während phosphorsaures Kali ganz unwirksam ist. Die grosze Kraft des ersteren ist

wahrscheinlich Folge der Gegenwart von Phosphor, wie in den Fällen

des phosphorsauren Kalkes und Ammoniaks. Daher können wir annehmen, dasz die Drosera aus dem phosphorsauren Kali keinen Phosphor erhalten kann. Dies ist merkwürdig, da ich von Dr. Burdon

Sanderson höre, dasz phosphorsaures Kali sicher in den Körpern von

Thieren zersetzt wird. Die meisten Natronsalze wirken sehr schnell,

Jodnatrium am langsamsten. Das oxalsaure, salpetersaure und citronensaure Salze scheinen eine besondere Neigung zu haben, die Scheibe

des Blattes zum Einbiegen zu veranlassen. Die Drüsen der Scheibe

übersenden, nachdem sie das citronensaure Salz aufgesaugt haben,

kaum irgend einen motorischen Impuls nach den äuszeren Tentakeln;


 

[page break] Cap. 8. Wirkung von Säuren.

und in dieser Eigenschaft ähnelt das citronensaure Natron dem citronensauren Ammoniak, oder einer Abkochung von Grasblättern; diese drei

Flüssigkeiten wirken sämmtlich hauptsächlich auf die Scheibe.

Es scheint der Regel von dem überwiegenden Einflusz der Basis

zu widersprechen, dasz das salpetersaure Lithion mäszig schnelle Einbiegung verursacht, während das essigsaure keine verursacht; aber

dieses Metall ist nahe verwandt mit dem Natrium und Kalium 1,

welche so verschieden wirken; darum konnten wir erwarten, dasz seine

Wirkung die Mitte zwischen beiden halten würde. Wir sehen auch,

dasz Caesium Einbiegung verursacht, und Rubidium nicht; und diese

beiden Metalle sind mit Natrium und Kalium verwandt. Die meisten

erdigen Salze sind unwirksam. Zwei Salze von Kalk, vier von Magnesia, zwei von Barium und zwei von Strontium verursachten keine

Einbiegung und folgen so der Regel von dem überwiegenden Vermögen

der Basis. Von drei Aluminium-Salzen wirkte eines nicht, ein zweites zeigte eine Spur von Wirkung, und das dritte wirkte langsam

und zweifelhaft, so dasz ihre Wirkungen beinahe gleich sind.

Von den Salzen und Säuren von gewöhnlichen Metallen wurden

siebenzehn versucht, und nur vier, die des Zink, Blei, Mangan und

Kobalt, verursachten keine Einbiegung. Die Salze von Cadmium,

Zinn, Antimon und Eisen wirken langsam; und die drei letzteren

scheinen mehr oder wenig giftig zu sein. Die Salze von Silber, Quecksilber, Gold, Kupfer, Nickel und Platin, Chromsäure und arsenige

Säure verursachen mit auszerordentlicher Geschwindigkeit grosze Einbiegung und sind tödtliche Gifte. Es ist überraschend, wenn man

von Thieren aus urtheilt, dasz Blei und Barium nicht giftig sein

sollen. Die meisten giftigen Salze machen die Drüsen schwarz, aber

Platinchlorid machte sie sehr blasz. Ich werde im nächsten Capitel

Gelegenheit haben, einige Bemerkungen über die verschiedenen Wirkungen von phosphorsaurem Ammoniak auf vorher in verschiedene

Lösungen getauchte Blätter hinzuzufügen.

Säuren.

Ich will wie bei den Salzen zuerst eine Liste von den vierundzwanzig Säuren, welche versucht werden, geben, in zwei Reihen getheilt, je nachdem sie Einbiegung verursachen oder nicht verursachen.

Nach Beschreibung der Experimente werden einige Schluszbemerkungen

hinzugefügt werden.

1 Miller, Elements of Chemistry, 3. edit., p. 337, 448.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

Säuren, welche, sehr verdünnt, Einbiegung verursachen.

1. Salpetersäure, starke Einbiegung; giftig.

2. Salzsäure, mäszige und langsame Einbiegung; nicht giftig.

3. Jodwasserstoffsäure, starke Einbiegung; giftig.

4. Jodsäure, starke Einbiegung;

giftig.

5. Schwefelsäure, starke Einbiegung; etwas giftig.

6. Phosphorsäure, starke Einbiegung; giftig.

7. Borsäure, mäszige und ziemlich

langsame Einbiegung; nicht

giftig.

8. Ameisensäure, sehr unbedeutende Einbiegung; nicht giftig.

9. Essigsäure, starke und schnelle

Einbiegung; giftig.

10. Propionsäure, starke, aber nicht

sehr schnelle Einbiegung; giftig.

11. Ölsäure, schnelle Einbiegung;

sehr giftig.

12. Carbolsäure, sehr langsame Einbiegung; giftig.

13. Milchsäure, langsame u. mäszige

Einbiegung; giftig.

14. Oxalsäure, mäszig schnelle Einbiegung; sehr giftig.

15. Äpfelsäure, sehr langsame, aber

beträchtliche Einbiegung; nicht

giftig.

16. Benzoësäure, schnelle Einbiegung; sehr giftig.

17. Bernsteinsäure, mäszig schnelle

Einbiegung; mäszig giftig.

18. Hippursäure, ziemlich langsame

Einbiegung; giftig.

19. Blausäure, ziemlich rapide Einbiegung; sehr giftig.

Säuren, welche, in demselben Grade verdünnt, keine Einbiegung verursachen.

1. Gallussäure; nicht giftig.

2. Gerbsäure; nicht giftig.

3. Weinsteinsäure; nicht giftig.

4. Citronensäure; nicht giftig.

5. Harnsäure; (?) nicht giftig.

Salpetersäure. — Vier Blätter wurden jedes in dreiszig Minims

von einem Gewichtstheil der Säure auf 437 Theile Wasser gethan, so

dasz jedes   Gran oder 4,048 Milligr. erhielt. Diese Stärke wurde für

diesen und die meisten der folgenden Versuche gewählt, da es dieselbe

wie die der meisten vorhergehend angewandten salzigen Lösungen ist.


 

[page break] Cap. 8. Wirkung von Säuren.

In 2 Stunden 30 Minuten waren einige der Blätter beträchtlich und in

6 Stunden 30 Minuten alle ungeheuer stark eingebogen, wie es auch ihre

Scheiben waren. Die umgebende Flüssigkeit war leicht rosa gefärbt,

welches allemal beweist, dasz die Blätter verletzt worden sind. Sie wurden dann drei Tage in Wasser gelassen; aber sie blieben eingebogen und

waren augenscheinlich getödtet. Die meisten Drüsen waren farblos geworden. Zwei Blätter wurden dann jedes in dreiszig Minims von einem

Theil auf 1000 Theile Wasser getaucht; in einigen wenigen Stunden war

etwas Einbiegung da; und nach 24 Stunden hatten beide Blätter beinahe

alle ihre Tentakeln und Scheiben eingebogen; sie wurden drei Tage lang

in Wasser gelassen, und eins breitete sich theilweise wieder aus und erholte sich. Zwei Blätter wurden zunächst jedes in dreiszig Minims einer

Lösung von einem Theil auf 2000 Theile Wasser getaucht; dieses brachte

sehr wenig Wirkung hervor, ausgenommen, dasz die meisten Tentakeln

dicht an der Spitze des Blattstieles eingebogen wurden, als ob die Säure

durch das abgeschnittene Ende aufgesaugt worden wäre.

Salzsäure. — Ein Theil auf 437 Theile Wasser; vier Blätter wurden wie vorher, jedes in dreiszig Minims, eingetaucht. Nach 6 Stunden

war nur ein Blatt beträchtlich eingebogen. Nach 8 Stunden 15 Minuten

hatte eins seine Tentakeln und Scheibe ordentlich eingebogen; die andern

drei waren mäszig eingebogen und die Scheibe von einem nur unbedeutend. Die umgebende Flüssigkeit war gar nicht rosa gefärbt. Nach

25 Stunden fiengen drei dieser vier Blätter an, sich wieder auszubreiten,

aber ihre Drüsen waren von einer rosa anstatt rothen Färbung; nach

weiteren zwei Tagen breiteten sie sich vollständig wieder aus; aber das

vierte Blatt blieb eingebogen, und schien sehr verletzt oder getödtet zu

sein, seine Drüsen waren ganz weisz. Vier Blätter wurden dann, jedes

mit dreiszig Minims von einem Theil auf 875 Theile Wasser versucht; nach 21 Stunden waren sie mäszig eingebogen; und nachdem sie

in Wasser übertragen worden waren, breiteten sie sich in zwei Tagen

vollständig wieder aus, und schienen ganz gesund.

Jodwasserstoffsäure. — Ein Theil auf 437 Theile Wasser;

drei Blätter wurden wie vorher, jedes in dreiszig Minims getaucht. Nach

45 Minuten waren die Drüsen entfärbt, und die umgebende Flüssigkeit

war leicht rosa gefärbt, aber keine Einbiegung war da. Nach 5 Stunden

waren alle Tentakeln dicht eingebogen; und eine ungeheure Menge von

Schleim war abgesondert, so dasz die Flüssigkeit in langen Fäden ausgezogen werden konnte. Die Blätter wurden dann in Wasser gelegt, breiteten sich aber nie wieder aus und waren augenscheinlich getödtet. Vier

Blätter wurden demnächst in einen Theil auf 875 Theile Wasser eingetaucht; die Wirkung war nun langsamer, aber nach 22 Stunden waren

alle vier Blätter dicht eingebogen, und waren auch in anderen Beziehungen afficirt, wie oben beschrieben. Diese Blätter breiteten sich nicht

wieder aus, obgleich sie vier Tage in Wasser gelassen wurden. Diese

Säure wirkt viel kraftvoller als Salzsäure, und ist giftig.

Jodsäure. — Ein Theil auf 437 Theile Wasser; drei Blätter

wurden, jedes in dreiszig Minims getaucht; nach 3 Stunden starke Einbiegung; nach 4 Stunden waren die Drüsen dunkelbraun; nach 8 Stunden 30 Minuten dichte Einbiegung und die Blätter waren schlaff gewor


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

den; die umgebende Flüssigkeit nicht rosa gefärbt. Diese Blätter wurden

dann in Wasser gelegt und waren am nächsten Tage augenscheinlich todt.

Schwefelsäure. — Ein Theil auf 437 Theile Wasser; vier Blätter

wurden jedes in dreiszig Minims getaucht; nach 4 Stunden bedeutende

Einbiegung; nach 6 Stunden war die umgebende Flüssigkeit gerade leicht

rosa gefärbt; sie wurden dann in Wasser gelegt, und nach 46 Stunden

waren zwei derselben noch dicht eingebogen, zwei fiengen an, sich wieder

auszubreiten; viele der Drüsen waren farblos. Diese Säure ist nicht so

giftig wie Salz- oder Jodsäure.

Phosphorsäure. — Ein Theil auf 437 Theile Wasser; drei Blätter wurden zusammen in neunzig Minims getaucht; nach 5 Stunden 32 Minuten etwas Einbiegung, und einige Drüsen farblos; nach 8 Stunden alle

Tentakeln dicht eingebogen, und viele Drüsen farblos; die umgebende

Flüssigkeit rosa. In Wasser zwei und einen halben Tag gelassen blieben

sie in demselben Zustand und schienen todt zu sein.

Borsäure. — Ein Theil auf 437 Theile Wasser; vier Blätter wurden zusammen in 120 Minims getaucht; nach 6 Stunden sehr leichte

Einbiegung, nach 8 Stunden 15 Minuten waren zwei beträchtlich, die

andern zwei leicht eingebogen. Nach 24 Stunden war ein Blatt ziemlich

dicht eingebogen, das zweite weniger dicht, das dritte und vierte mäszig.

Die Blätter wurden gewaschen und in Wasser gelegt; nach 24 Stunden

waren sie beinah vollständig wieder ausgebreitet, und sahen gesund aus.

Diese Säure stimmt mit Salzsäure derselben Stärke, in ihrer Fähigkeit

Einbiegung zu verursachen, nahe überein, und ist, wie jene auch, nicht

giftig.

Ameisensäure. — Vier Blätter wurden zusammen in 120 Minims

von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht; nach 40 Minuten leichte

und nach 6 Stunden 30 Minuten sehr mäszige Einbiegung; nach 22 Stunden nur wenig mehr Einbiegung als oft in Wasser vorkommt. Zwei der

Blätter wurden dann gewaschen und in eine Lösung (1 Gran auf 20 Unzen)

von phosphorsaurem Ammoniak gelegt; nach 24 Stunden waren sie beträchtlich eingebogen und der Inhalt ihrer Zellen zusammengeballt, welches zeigte, dasz das phosphorsaure Salz gewirkt hatt, obgleich nicht bis

zum vollen und gewöhnlichen Grad.

Essigsäure. — Vier Blätter wurden zusammen in 120 Minims von

einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht. In 1 Stunde 20 Minuten

waren die Tentakeln aller vier und die Scheiben von zweien stark eingebogen. Nach 8 Stunden waren die Blätter schlaff geworden, aber blieben

noch dicht eingebogen, die umgebende Flüssigkeit war rosa geworden.

Sie wurden dann gewaschen und in Wasser gelegt; am nächsten Morgen

waren sie noch eingebogen und von sehr dunkelrother Färbung, aber ihre

Drüsen farblos. Nach einem weiteren Tage waren sie trüb gefärbt und

augenscheinlich todt. Diese Säure ist viel wirksamer als Ameisensäure

und in hohem Grade giftig. Halbe Minim-Tropfen einer stärkeren Mischung

(nämlich ein Theil, nach Masz, auf 320 Theile Wasser) wurden auf die

Scheiben von 5 Blättern gelegt; keiner der äuszeren Tentakeln, nur die

auf den Rändern der Scheibe, welche thatsächlich die Säure aufsaugten,

wurden eingebogen. Wahrscheinlich war die Dosis zu stark und paralysirte die Blätter, denn Tropfen einer schwächeren Wirkung verursachten


 

[page break] Cap. 8. Wirkung von Säuren.

bedeutende Einbiegung; demohngeachtet starben die Blätter alle nach

zwei Tagen.

Propionsäure. — Drei Blätter wurden in neunzig Minims einer

Mischung von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht; in 1 Stunde

50 Minuten war keine Einbiegung da; aber nach 3 Stunden 40 Minuten

war ein Blatt stark eingebogen und die andern zwei leicht. Die Einbiegung fuhr fort, zuzunehmen, so dasz in 8 Stunden alle drei Blätter

dicht eingebogen waren. Am nächsten Morgen, nach 20 Stunden, waren

die meisten Drüsen sehr blasz, aber ein paar waren beinahe schwarz.

Kein Schleim war abgesondert worden, und die umgebende Flüssigkeit

war nur gerade bemerkbar mit einem blassen Rosa gefärbt. Nach 46 Stunden wurden die Blätter leicht schlaff und waren augenscheinlich getödtet,

was später durch das Liegenlassen derselben in Wasser als richtig bewiesen wurde. Das Protoplasma in den dicht eingebogenen Tentakeln

war nicht im Geringsten zusammengeballt, aber nach ihren Basen zu

war es zu kleinen bräunlichen Massen auf dem Boden der Zellen angesammelt. Dieses Protoplasma war todt; denn als das Blatt in einer

Lösung von kohlensaurem Ammoniak gelassen wurde, trat keine Zusammenballung ein. Propionsäure ist in hohem Grade giftig für die Drosera

wie die verwandte Essigsäure, aber verursacht Einbiegung in einem viel

langsameren Tempo.

Ölsäure (mir von Prof. Frankland gegeben). — Drei Blätter

wurden in diese Säure getaucht, etwas Einbiegung wurde beinah sofort

verursacht, welche leicht zunahm, aber dann aufhörte; die Blätter schienen

dann getödtet zu sein. Am nächsten Morgen waren sie ziemlich zusammengeschrumpft und viele Drüsen waren von den Tentakeln abgefallen. Tropfen dieser Säure wurden auf die Scheiben von vier Blättern

gebracht; in 40 Minuten waren alle Tentakeln stark eingebogen, ausgenommen die äuszersten randständigen; und viele dieser wurden nach

3 Stunden eingebogen. Ich war dadurch darauf geführt worden, diese

Säure zu versuchen, als ich vermuthete, dasz sie in Olivenöl vorhanden

sei, was nicht der Fall zu sein scheint 2, dessen Wirkung so anomal ist.

So verursachen Tropfen dieses Öls, auf die Scheiben gebracht, keine Einbiegung der äuszeren Tentakeln; als jedoch kleine Tropfen zu dem, die

Drüsen der äuszeren Tentakeln umgebenden Secrete hinzugefügt wurden,

wurden dieselben gelegentlich, aber durchaus nicht immer, eingebogen.

Zwei Blätter wurden auch in dieses Öl eingetaucht und in ungefähr

12 Stunden war keine Einbiegung da; aber nach 23 Stunden waren beinahe alle Tentakeln eingebogen. Drei Blätter wurden gleichfalls in ungekochtes Lein-Öl getaucht, und wurden bald ein wenig und nach

3 Stunden stark eingebogen. Nach 1 Stunde war die Absonderung um

die Drüsen rosa gefärbt. Ich folgere aus dieser letzten Thatsache, dasz

die Fähigkeit des Lein-Öls, Einbiegung zu verursachen, nicht dem Eiweisz zuzuschreiben ist, welches es enthalten soll.

Carbolsäure. — Zwei Blätter wurden in sechzig Minims einer

Lösung von 1 Gran auf 437 Theile Wasser getaucht; in 7 Stunden war

eins leicht und in 24 Stunden beide dicht eingebogen; dabei war eine

2 s. die Artikel über Glycerin und Ölsäure in Watt's Diction. of Chemistry.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

überraschende Menge Schleim abgesondert. Diese Blätter wurden gewaschen und zwei Tage lang in Wasser gelassen, sie blieben eingebogen;

die meisten ihrer Drüsen wurden blasz und sie schienen todt zu sein.

Diese Säure ist giftig; aber sie wirkt lange nicht so schnell und kräftig

als nach ihrer zerstörenden Wirkung auf die niedrigsten Organismen erwartet werden könnte. Halbe Minims derselben Lösung wurden auf die

Scheiben von drei Blättern gebracht; nach 24 Stunden erfolgte keine

Einbiegung der äuszeren Tentakeln, und als ihnen Stückchen Fleisch gegeben wurden, wurden sie ziemlich gut eingebogen. Ferner wurden halbe

Minims einer stärkeren Lösung von einem Theil auf 218 Theile Wasser

auf die Scheiben von drei Blättern gelegt; keine Einbiegung der äuszeren

Tentakeln erfolgte; Stückchen Fleisch wurden dann wie vorher gegeben;

nur ein Blatt wurde ordentlich eingebogen, die Drüsen auf der Scheibe

der andern zwei erschienen sehr verletzt und trocken. Wir sehen daraus, dasz die Drüsen der Scheiben nachdem sie diese Säure aufgesaugt

haben, selten einen motorischen Impuls den äuszeren Tentakeln zuschicken,

obgleich diese, wenn ihre eignen Drüsen die Säure aufsaugen, stark

afficirt werden.

Milchsäure. — Drei Blätter wurden in neunzig Minims einer

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht. Nach 48

Minuten war keine Einbiegung da, aber die umgebende Flüssigkeit war

rosa gefärbt; nach 8 Stunden 30 Minuten war nur ein Blatt etwas eingebogen, und beinahe alle Drüsen an allen drei Blättern waren von sehr

blasser Farbe. Die Blätter wurden dann gewaschen und in eine Lösung

(1 Gran auf 20 Unzen) von phosphorsaurem Ammoniak gelegt; nach ungefähr 16 Stunden war nur eine Spur von Einbiegung da. Sie wurden

48 Stunden in der Phosphatlösung gelassen, und blieben in demselben

Zustande, wobei beinahe alle ihre Drüsen entfärbt waren. Das Protoplasma in den Zellen war nicht zusammengeballt, ausgenommen in einigen

sehr wenigen Tentakeln, deren Drüsen nicht sehr entfärbt waren. Ich

glaube darum, dasz beinahe alle Drüsen und Tentakeln durch die Säure

so plötzlich getödtet worden waren, dasz kaum etwas Einbiegung bewirkt

werden konnte. Vier Blätter wurden zunächst in 120 Minims einer

schwächeren Lösung von einem Theil auf 875 Theile Wasser getaucht;

nach 2 Stunden 30 Minuten war die umgebende Flüssigkeit ganz rosa;

die Drüsen waren blasz, aber keine Einbiegung war da; nach 7 Stunden

30 Minuten zeigten zwei der Blätter etwas Einbiegung, und die Drüsen

waren beinahe weisz; nach 21 Stunden waren zwei der Blätter beträchtlich eingebogen, und ein drittes leicht; die meisten Drüsen waren weisz,

die andern dunkel roth. Nach 45 Stunden war bei einem Blatt beinahe

ein jeder Tentakel eingebogen, bei einem zweiten eine grosze Anzahl, beim

dritten und vierten sehr wenig; beinahe alle Drüsen waren weisz, ausgenommen die auf den Scheiben von zwei Blättern, und viele dieser

waren sehr dunkel roth. Die Blätter schienen todt zu sein. Es wirkt

daher die Milchsäure auf eine sehr eigenthümliche Art, indem sie Einbiegung in auszerordentlich langsamem Tempo verursacht und sehr giftig

ist. Selbst Eintauchen in schwächere Lösungen, nämlich von einem Theil

auf 1312 und 1750 Theile Wasser, tödtete augenscheinlich die Blätter,


 

[page break] Cap. 8. Wirkung von Säuren.

(die Tentakeln bogen sich nach einiger Zeit nach rückwärts) und machte

die Drüsen weisz, aber verursachte keine Einbiegung.

Gallus-, Tannin-, Weinstein- und Citronensäure. — Ein

Theil auf 437 Theile Wasser. Drei oder vier Blätter wurden jedes in

dreiszig Minims dieser vier Lösungen getaucht, so dasz jedes Blatt 

Gran oder 4,048 Milligr. erhielt. Nach 24 Stunden war noch keine Einbiegung bewirkt worden, und die Blätter schienen gar nicht verletzt zu

sein. Diejenigen, welche in der Tannin- und Weinsteinsäure gewesen

waren, wurden in eine Lösung (1 Gran auf 20 Unzen) von phosphorsaurem Ammoniak gelegt, aber in 24 Stunden trat keine Einbiegung ein.

Auf der andern Seite wurden die vier Blätter, welche in der Citronensäure gewesen waren, als sie mit dem phosphorsauren Salze behandelt

wurden, in 50 Minuten deutlich eingebogen, und nach 5 Stunden stark,

und blieben während der nächsten 24 Stunden in diesem Zustand.

Äpfelsäure. — Drei Blätter wurden in neunzig Minims einer

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht; in 8 Stunden

20 Minuten war keine Einbiegung verursacht; aber nach 24 Stunden

waren zwei Blätter beträchtlich und das dritte leicht eingebogen, mehr

als auf Rechnung der Einwirkung des Wassers gebracht werden kann.

Keine grosze Menge Schleim wurde abgesondert. Sie wurden dann in

Wasser gelegt, und breiteten sich nach zwei Tagen theilweise wieder aus.

Demnach ist diese Säure nicht giftig.

Oxalsäure. — Drei Blätter wurden in neunzig Minims einer

Lösung von 1 Gran auf 437 Theile Wasser getaucht; nach 2 Stunden

10 Minuten war bedeutende Einbiegung da; die Drüsen blasz; die umgebende Flüssigkeit von dunkel rosa Färbung; nach 8 Stunden auszerordentliche Einbiegung. Die Blätter wurden dann in Wasser gelegt;

nach ungefähr 16 Stunden waren die Tentakeln von sehr dunkel rother

Färbung, so, wie die Blätter in Essigsäure wurden. Nach 24 weiteren

Stunden waren die drei Blätter todt und ihre Drüsen farblos.

Benzoësäure. — Fünf Blätter wurden jedes in dreiszig Minims

einer Lösung von 1 Gran auf 437 Theile Wasser getaucht. Diese Lösung

war so schwach, dasz sie gerade nur sauer schmeckte, und war doch, wie

wir sehen werden, in hohem Grade giftig für die Drosera. Nach 52

Minuten waren die halbrandständigen Tentakeln etwas eingebogen und

alle Drüsen sehr blasz gefärbt; die umgebende Flüssigkeit war rosa gefärbt. Bei einer Gelegenheit wurde die Flüssigkeit im Verlauf von nur

12 Minuten rosa, und die Drüsen so weisz, als ob das Blatt in kochendes Wasser getaucht worden wäre. Nach 4 Stunden viel Einbiegung;

aber keiner der Tentakeln war dicht eingebogen; in Folge davon, wie ich

glaube, dasz sie paralysirt worden waren, ehe sie Zeit gehabt hatten, ihre

Bewegung zu vollenden. Eine auszerordentliche Menge Schleim wurde

abgesondert. Einige der Blätter wurden in der Lösung gelassen, andere

wurden nach einem 6 Stunden 32 Minuten langen Eintauchen in Wasser

gelegt. Am nächsten Morgen waren beide Gruppen ganz todt; die

Blätter in der Lösung waren schlaff, die im Wasser (jetzt gelb gefärbt)

von einer blasz braunen Färbung und ihre Drüsen weisz.

Bernsteinsäure. — Drei Blätter wurden in neunzig Minims einer

Lösung von 1 Gran auf 437 Theile Wasser getaucht; nach 4 Stunden


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

15 Minuten beträchtliche und nach 23 Stunden starke Einbiegung; viele

der Drüsen blasz; Flüssigkeit rosa gefärbt. Die Blätter wurden dann

gewaschen und in Wasser gelegt; nach zwei Tagen waren sie zum Theil

im Begriffe, sich wieder auszubreiten, aber viele der Drüsen waren noch

weisz. Diese Säure ist lange nicht so giftig, wie Oxal- oder Benzoësäure.

Harnsäure. — Drei Blätter wurden in 180 Minims einer Lösung

von 1 Gran auf 875 Theile warmen Wassers getaucht, aber nicht alle

Säure wurde aufgelöst; jedes erhielt demnach beinahe   Gran. Nach

25 Minuten war etwas leichte Einbiegung da, aber diese nahm nie zu;

nach 9 Stunden waren die Drüsen nicht entfärbt, auch war die Lösung

nicht rosa gefärbt; demohngeachtet wurde viel Schleim abgesondert. Die

Blätter wurden dann in Wasser gelegt, und waren am nächsten Morgen

vollständig wieder ausgebreitet. Ich bezweifle, ob diese Säure wirklich

Einbiegung verursacht; denn die leichte Bewegung, welche zuerst vorkam,

kann Folge der Anwesenheit einer Spur von eiweiszartiger Substanz gewesen sein. Aber dasz sie einige Wirkung hervorbringt, beweist die Absonderung von so viel Schleim.

Hippursäure. — Vier Blätter wurden in 120 Minims einer Lösung

von 1 Gran auf 437 Theile Wasser getaucht. Nach 2 Stunden war die

Flüssigkeit rosa gefärbt; die Drüsen blasz, aber keine Einbiegung. Nach

6 Stunden etwas Einbiegung; nach 9 Stunden alle vier Blätter stark

eingebogen; viel Schleim abgesondert; alle Drüsen sehr blasz. Die Blätter

wurden dann zwei Tage lang in Wasser gelassen; sie blieben dicht eingebogen, ihre Drüsen farblos; ich bezweifle nicht, dasz sie getödtet waren.

Cyanwasserstoffsäure (Blausäure). — Vier Blätter wurden, jedes

in dreiszig Minims von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht,

in 2 Stunden 45 Minuten waren alle Tentakeln beträchtlich eingebogen,

und viele der Drüsen blasz; nach 3 Stunden 45 Minuten alle stark eingebogen, und die umgebende Flüssigkeit rosa gefärbt; nach 6 Stunden

alle dicht eingebogen. Nach einem 8 Stunden 20 Minuten langem Eintauchen wurden die Blätter gewaschen und in Wasser gelegt; am nächsten Morgen, nach ungefähr 16 Stunden, waren sie noch eingebogen und

entfärbt; am folgenden Tage waren sie augenscheinlich todt. Zwei Blätter

wurden in eine stärkere Mischung eingetaucht, von einem Theil auf

fünfzig Theile Wasser; in 1 Stunde 15 Minuten waren die Drüsen so

weisz wie Porzellan, als ob sie in kochendes Wasser getaucht worden

wären; sehr wenig Tentakeln waren eingebogen; aber nach 4 Stunden

waren beinahe alle eingebogen. Diese Blätter wurden dann in Wasser

gelegt, und waren am nächsten Morgen augenscheinlich todt. Halbe

Minims-Tropfen derselben Stärke (nämlich ein Theil auf fünfzig Theile

Wasser) wurden zunächst auf die Scheiben von fünf Blättern gebracht;

nach 21 Stunden waren alle äuszeren Tentakeln eingebogen und die

Blätter schienen sehr verletzt. Ich berührte gleichfalls die Absonderung

um eine grosze Menge Drüsen mit kleinen Tropfen (ungefähr   Minim

oder 0,00296 Cub. Cent.) von Scheele's Mischung (6 Procent). Die Drüsen

wurden zuerst hell roth, und nach 3 Stunden 15 Minuten waren ungefähr

zwei Drittel der Tentakeln, die diese Drüsen trugen, eingebogen und

blieben die beiden folgenden Tage so, wo sie dann todt zu sein schienen.


 

[page break] Cap. 8. Schluszbemerkungen über die Säuren.

Schluszbemerkungen über die Wirkung von Säuren. —

Es ist augenscheinlich, dasz Säuren eine starke Neigung haben, die

Einbiegung der Tentakeln 3 zu verursachen; denn von den vier und

zwanzig versuchten Säuren wirkten neunzehn in dieser Weise, entweder schnell und energisch, oder langsam und unbedeutend. Diese

Thatsache ist merkwürdig, da die Säfte vieler Pflanzen mehr Säure

enthalten, nach dem Geschmack zu urtheilen, als die bei meinen Versuchen angewendeten Lösungen. Nach den kräftigen Wirkungen so

vieler Säuren auf die Drosera werden wir veranlaszt anzunehmen,

dasz die in den Geweben sowohl dieser Pflanze, als auch anderer,

natürlich enthaltenen Säuren eine wichtige Rolle in ihrem Haushalte

spielen müssen. Von den fünf Fällen, in welchen die Säuren keine

Einbiegung der Tentakeln bewirkten, ist einer zweifelhaft; denn Harnsäure wirkte unbedeutend und verursachte eine reichliche Absonderung

von Schleim. Blosz saures Gefühl für den Geschmack ist kein Beweis

der Wirkungsfähigkeit einer Säure auf die Drosera, da Citronen- und

Weinsteinsäure sehr sauer schmecken und doch keine Einbiegung

erregen. Es ist merkwürdig, wie Säuren in ihrer Kraft von einander

verschieden sind. So wirkt Salzsäure viel weniger kräftig, als Jodwasserstoffsäure und viele andere Säuren derselben Stärke, und ist

nicht giftig. Dies ist eine interessante Thatsache, da die Salzsäure

eine so wichtige Rolle in dem Verdauungsprocesz der Thiere spielt.

Ameisensäure bringt sehr leichte Einbiegung hervor und ist nicht

giftig; während die ihr verwandte Essigsäure schnell und kräftig

wirkt und giftig ist. Äpfelsäure wirkt sehr leicht, während Citronenund Weinsteinsäure keine Wirkung hervorbringen. Milchsäure ist

giftig und ist merkwürdig, weil sie Einbiegung nur nach Verlauf

einer beträchtlichen Zeit bewirkt. Nichts überraschte mich mehr,

als dasz eine Lösung von Benzoësäure, so schwach, dasz sie für den

Geschmack kaum säuerlich war, mit groszer Schnelligkeit wirkte, und

sehr giftig war; denn man hat mir mitgetheilt, dasz sie keine ausgesprochene Wirkung auf den thierischen Haushalt hervorbringt. Man

wird beim Durchsehen der Liste am Anfang dieser Erörterung sehen,

dasz die meisten Säuren giftig sind, oft sogar sehr. Es ist bekannt,

3 Der Angabe Fournier's zufolge (De la Fécondation dans les Phanérogames, 1863, p. 61.) bewirken Tropfen von Essigsäure, Blausäure und Schwefelsäure,

dasz sich die Staubfäden der Berberis augenblicklich schlieszen, trotzdem dasz

Wasser keine derartige Wirkung hat, welche letztere Angabe ich bestätigen kann.

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 12

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 8.

dasz verdünnte Säuren negative Osmose 4 verursachen, und die giftige Wirkung so vieler Säuren auf Drosera hängt vielleicht mit dieser

Kraft zusammen; denn wir haben gesehen, dasz die Flüssigkeiten, in

welche sie getaucht wurden, oft rosa, und die Drüsen blasz farbig

oder weisz wurden. Viele der giftigen Säuren, wie Jodwasserstoff-,

Benzoë-, Hippur- und Carbolsäure (ich versäumte aber, alle Fälle aufzuzählen) verursachten die Absonderung einer auszerordentlichen Menge

von Schleim, so dasz lange Fäden dieser Substanz von den Blättern

herabhiengen, als sie aus der Lösung gehoben wurden. Andere Säuren,

solche wie Salzsäure und Äpfelsäure, haben keine solche Neigung;

in diesen letzten zwei Fällen war die umgebende Flüssigkeit nicht

rosa gefärbt, und die Blätter waren nicht vergiftet. Auf der andern

Seite verursacht Propionsäure, welche giftig ist, keine starke Absonderung von Schleim, doch wurde die umgebende Flüssigkeit leicht

rosa. Endlich wirkte, wie es mit den salzigen Lösungen der Fall

war, nachdem die Blätter in gewisse Säuren getaucht gewesen waren,

phosphorsaures Ammoniak bald auf dieselben ein, während sie andererseits nach einem Eintauchen in gewisse andere Säuren nicht so afficirt

wurden. Ich werde jedoch auf diesen Gegenstand zurückkommen

müssen.

4 Miller's Elements of Chemistry, Part. I. 1867, p. 87.


 

[[179]/0193]

Neuntes Capitel.

Die Wirkungen gewisser alkoloiden Gifte, andrer Substanzen

und Dämpfe.

Strychninsalze. — Schwefelsaures Chinin unterbricht nicht bald die Bewegung des

Protoplasma. — Andere Chininsalze. — Digitalin. — Nicotin. — Atropin. —

Veratrin. — Colchicin. — Theïn. — Curare. — Morphium. — Hyoscyamus.

— Das Gift der Cobra beschleunigt dem Anscheine nach die Bewegungen des

Protoplasma. — Campher, ein kräftiges Reizmittel, seine Dämpfe narcotisch. —

Gewisse ätherische Öle erregen Bewegung. — Glycerin. — Wasser und gewisse Lösungen verzögern oder verhindern die spätere Wirkung des phosphorsauren Ammoniaks. — Alkohol unschädlich, sein Dampf narcotisch und giftig.

— Chloroform, Schwefel- und Salpeter-Äther, ihre reizenden, giftigen und narcotischen Eigenschaften. — Kohlensäure narcotisch, nicht schnell giftig. —

Schluszbemerkungen.

Wie im letzten Capitel will ich zuerst meine Versuche mittheilen,

und dann eine kurze Übersicht der Resultate mit einigen Schluszbemerkungen geben.

Essigsaures Strychnin. — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theil auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs

Blättern gelegt, so dasz jedes   Gran oder 0,0675 Milligr. erhielt. In

8 Stunden 30 Minuten waren die äuszeren Tentakeln auf einigen Blättern

eingebogen, aber in einer unregelmäszigen Weise, manchmal nur auf einer

Seite des Blattes. Am nächsten Morgen, nach 22 Stunden 30 Minuten,

hatte die Einbiegung nicht zugenommen. Die Drüsen auf der mittleren

Scheibe waren geschwärzt, und hatten aufgehört abzusondern. Nach

24 Stunden schienen alle mittleren Drüsen todt zu sein, aber die eingebogenen Tentakeln hatten sich wieder ausgebreitet und erschienen ganz

gesund. Es scheint daher die giftige Thätigkeit des Strychnins auf die

Drüsen, welche es aufgesaugt haben, beschränkt zu sein; demungeachtet

senden diese Drüsen den äuszeren Tentakeln einen motorischen Impuls

zu. Kleine Tropfen (ungefähr   Minim) derselben Lösung an die Drüsen

der äuszeren Tentakeln gehalten, verursachten gelegentlich eine Einbiegung.

Das Gift scheint nicht schnell zu wirken, denn nachdem gleiche Tropfen

einer eher stärkeren Lösung, von einem Theil auf 292 Theile Wasser, an

12*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

mehrere Drüsen gehalten worden waren, verhinderte dies nicht, dasz sich

die Tentakeln bogen, als ihre Drüsen nach einer Pause von ein Viertel

bis drei Viertelstunde, durch Reiben oder dadurch, dasz man ihnen Stückchen Fleisch gab, gereizt wurden. Ähnliche Tropfen einer Lösung von

einem Theil auf 218 Theile Wasser (2 Gran auf 1 Unze) schwärzten

schnell die Drüsen; einige wenige so behandelte Tentakeln bewegten sich,

während andere es nicht thaten. Nachdem jedoch die letzteren später

mit Speichel angefeuchtet, oder ihnen Stückchen Fleisch gegeben worden

waren, wurden sie eingebogen, aber mit auszerordentlicher Langsamkeit;

und dies beweist, dasz sie verletzt worden waren. Stärkere Lösungen

(aber die Stärke wurde nicht ermittelt) unterbrachen manchmal jede Fähigkeit der Bewegung sehr schnell; so wurden Stückchen Fleisch auf die

Drüsen mehrerer äuszerer Tentakeln gelegt, und so bald sie sich zu bewegen anfiengen, wurden sehr kleine Tropfen der stärkeren Lösung hinzugefügt. Sie fuhren einige Zeit fort sich einzubiegen, und standen dann

plötzlich still; andere Tentakeln an demselben Blatt, mit Fleisch auf

ihren Drüsen, aber nicht mit dem Strychnin befeuchtet, fuhren fort sich

zu biegen und erreichten bald die Mitte des Blattes.

Citronensaures Strychnin. — Halbe Minims einer Lösung von

einem Theil auf 437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von sechs

Blättern gelegt; nach 24 Stunden zeigten die äuszeren Tentakeln nur

eine Spur von Einbiegung. Stückchen Fleisch wurden dann auf drei

dieser Blätter gelegt, aber in 24 Stunden trat nur unbedeutende und unregelmäszige Einbiegung ein, was bewies, dasz die Blätter stark verletzt

worden waren. Bei zweien der Blätter, welchen kein Fleisch gegeben

war, waren die scheibenständigen Drüsen trocken und sehr verletzt. Kleine

Tropfen einer starken Lösung von einem Theil auf 109 Theile Wasser

(4 Gran auf 1 Unze) wurden dem Secret um mehrere Drüsen hinzugefügt, aber brachten keine auch nur annähernd so deutliche Wirkung hervor, wie die Tropfen einer viel schwächeren Lösung des essigsauren

Salzes. Stückchen des trocknen citronensauren Salzes wurden auf sechs

Drüsen gelegt; zwei derselben bewegten sich ein Stückchen nach der

Mitte zu und standen dann still und waren ohne Zweifel getödtet. Drei

andere bogen sich viel weiter nach innen und hielten dann an; nur eins

erreichte die Mitte. Fünf Blätter wurden, jedes in dreiszig Minims einer

Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht; so dasz jedes

  Gran erhielt; nach ungefähr 1 Stunde wurden einige der äuszeren

Tentakeln eingebogen und die Drüsen waren sonderbar gefleckt mit schwarz

und weisz. Diese Drüsen wurden in von 4 bis 5 Stunden weiszlich und

undurchsichtig und das Protoplasma in den Zellen der Tentakeln war

ordentlich zusammengeballt. In dieser Zeit waren zwei von den Blättern

bedeutend eingebogen, aber die drei andern nicht viel mehr, als sie vorher waren. Demungeachtet waren zwei frische Blätter nach einem Eintauchen von beziehentlich 2 und 4 Stunden in der Lösung nicht getödtet;

denn als sie 1 Stunde 30 Minuten lang in einer Lösung von einem Theil

kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser gelassen worden waren,

wurden ihre Tentakeln mehr eingebogen und es trat reichlich Zusammenballung ein. Die Drüsen zweier andrer Blätter wurden nach einem 2

Stunden langen Eintauchen in eine stärkere Lösung, von einem Theil des


 

[page break] Cap. 9. Alkaloide Gifte.

citronensauren Salzes auf 218 Theile Wasser, undurchsichtig blasz rosa,

welche Färbung nach kurzer Zeit verschwand, so dasz sie weisz blieben.

Bei einem dieser zwei Blätter waren die Scheiben und Tentakeln bedeutend eingebogen; bei den anderen überhaupt kaum; aber das Protoplasma

in den Zellen beider war bis hinunter zu den Basen der Tentakeln zusammengeballt, und die kugligen Massen in den Zellen dicht unter den

Drüsen geschwärzt. Nach 24 Stunden war eins dieser Blätter farblos,

und augenscheinlich todt.

Schwefelsaures Chinin. — Etwas von diesem Salze wurde zu

Wasser hinzugefügt, welches, wie man sagt   Theil seines Gewichts

auflöst. Fünf Blätter wurden, jedes in dreiszig Minims dieser Lösung,

welche bitter schmeckte, getaucht. In weniger als 1 Stunde waren bei

einigen derselben einige wenige Tentakeln eingebogen. In 3 Stunden

waren die meisten der Drüsen weiszlich, andere dunkel gefärbt und viele

sonderbar gefleckt. Nach 6 Stunden war bei zweien der Blätter eine

gute Menge Tentakeln eingebogen, aber der sehr mäszige Grad von Einbiegung nahm niemals zu. Eins der Blätter wurde nach 4 Stunden aus

der Lösung genommen und in Wasser gelegt; am nächsten Morgen hatten

sich einige wenige der eingebogenen Tentakeln wieder ausgebreitet, was

bewies, dasz sie nicht todt waren; aber die Drüsen waren noch immer

sehr entfärbt. Ein andres Blatt nicht in der oben erwähnten Gruppe

mit inbegriffen, wurde nach einem Eintauchen von 3 Stunden 15 Minuten

sorgfältig untersucht; das Protoplasma in den Zellen der äuszeren Tentakeln und der kurzen grünen auf der Scheibe war stark zusammengeballt

bis hinunter zu ihren Basen; und ich sah deutlich, dasz die kleinen

Massen ihre Stellungen und Formen ziemlich rapid veränderten; einige

verschmolzen mit einander und trennten sich wieder. Ich war über diese

Thatsache überrascht, weil man sagt, dasz Chinin alle Bewegung in den

weiszen Blutkörperchen aufhält; aber da, nach Binz 1 dies Folge davon

ist, dasz sie nicht mehr von den rothen Blutkörperchen mit Sauerstoff

versehen werden, konnte ein solches Aufhalten der Bewegung bei der

Drosera nicht erwartet werden. Dasz die Drüsen etwas von dem Salz

aufgesaugt hatten, war augenscheinlich nach der Veränderung ihrer Färbung; aber ich glaubte zuerst, dasz die Lösung nicht die Zellen der Tentakeln hinunter gegangen sein könnte, wo das Protoplasma in lebendiger

Bewegung zu sehen war. Diese Ansicht ist jedoch, wie ich nicht bezweifle, irrig, denn ein Blatt, welches 3 Stunden lang in die ChininLösung eingetaucht gewesen war, wurde dann in ein wenig Lösung von

einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser gebracht;

und in 30 Minuten waren die Drüsen und die oberen Zellen der Tentakeln intensiv schwarz, und das Protoplasma bot eine sehr ungewöhnliche Erscheinung dar; es war nämlich zu netzförmigen trübgefärbten

Massen zusammengeballt, mit abgerundeten und winkligen Zwischenräumen.

Da ich diese Wirkung nie durch das kohlensaure Ammoniak allein habe

hervorbringen sehen, musz es der früheren Einwirkung des Chinins zugeschrieben werden. Diese netzförmigen Massen wurden einige Zeit beobachtet, aber veränderten ihre Form nicht, so dasz das Protoplasma ohne

1 Quarterly Journal of Microscopical Science, April 1874, p. 185.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

Zweifel durch die vereinigte Wirkung der beiden Salze getödtet worden

war, trotzdem es ihnen nur kurze Zeit ausgesetzt war.

Ein anderes Blatt wurde nach einem Eintauchen von 24 Stunden in

die Chinin-Lösung etwas schlaff und das Protoplasma war in allen Zellen

zusammengeballt. Viele der zusammengeballten Massen waren entfärbt

und boten ein körniges Ansehn dar; sie waren kuglig oder länglich, oder

bestanden noch gewöhnlicher aus kleinen gebogenen Ketten kleiner Kügelchen. Keine dieser Massen bot die geringste Bewegung dar, und ohne

Zweifel waren alle todt.

Halbe Minims der Lösung wurden auf die Scheiben von sechs Blättern

gebracht; nach 23 Stunden hatte eins alle seine Tentakeln, zwei einige

wenige, und die andern keinen eingebogen, so dasz die scheibenständigen

Drüsen, wenn sie durch dieses Salz gereizt werden, keinen irgendwie

starken motorischen Impuls den äuszeren Tentakeln zusenden. Nach 48

Stunden waren die Drüsen auf den Scheiben aller sechs Blätter augenscheinlich sehr verletzt oder ganz getödtet. Es ist klar, dasz dieses Salz

in hohem Grade giftig ist 2.

Essigsaures Chinin. — Vier Blätter wurden jedes in dreiszig

Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht.

Die Lösung wurde mit Lackmus-Papier versucht, und war nicht sauer.

Nach nur 10 Minuten waren alle vier Blätter bedeutend, und nach 6

Stunden ungeheuer eingebogen. Sie wurden dann 60 Stunden lang in

Wasser gelassen, aber breiteten sich nie wieder aus; die Drüsen waren

weisz und die Blätter augenscheinlich todt. Dieses Salz ist viel wirksamer als das schwefelsaure in Bezug auf das Herbeiführen von Einbiegung, und wie jenes Salz ist es bedeutend giftig.

Salpetersaures Chinin. — Vier Blätter wurden jedes in dreiszig

Minims einer Lösung von einem Theil auf 437 Theile Wasser getaucht.

Nach 6 Stunden war kaum eine Spur von Einbiegung da; nach 22 Stunden waren drei der Blätter mäszig und das vierte leicht eingebogen; so

dasz dieses Salz, obgleich ziemlich langsam, gut ausgesprochene Einbiegung hervorbringt. Nachdem diese Blätter 48 Stunden lang in Wasser

gelassen worden waren, breiteten sie sich beinahe vollständig wieder aus,

aber die Drüsen waren sehr entfärbt. Es ist daher dies Salz nicht in

irgend welchem hohen Grade giftig. Die verschiedene Wirkung der drei

vorstehend erwähnten Salze des Chinins ist eigenthümlich.

Digitalin. — Halbe Minims einer Lösung von einem Theil auf

437 Theile Wasser wurden auf die Scheiben von fünf Blättern gebracht.

In 3 Stunden 45 Minuten hatten einige derselben ihre Tentakeln und

eins seine Scheibe mäszig eingebogen. Nach 8 Stunden waren drei der

2 Binz fand vor mehreren Jahren (wie in dem Journal of Anatomy and

Physiology, November 1872, p. 195, angegeben wird), dasz Chinin ein energisches

Gift für niedrige pflanzliche und thierische Organismen ist. Selbst ein Theil auf

4000 Theile Blut hebt die Bewegungen der weiszen Blutkörperchen auf, welche

"abgerundet und körnig‟ werden. In den Tentakeln der Drosera boten die zusammengeballten Protoplasma-Massen, welche durch das Chinin getödtet zu sein

schienen, gleichfalls ein körniges Ansehen dar. Ein ähnliches Aussehen wird

durch sehr heiszes Wasser verursacht.


 

[page break] Cap. 9. Alkaloide Gifte.

selben gut eingebogen; das vierte hatte nur einige Tentakeln eingebogen,

und das fünfte (ein altes Blatt) war durchaus gar nicht afficirt. Sie

blieben zwei Tage lang in beinahe demselben Zustand, aber die Drüsen

auf ihren Scheiben wurden blasz. Am dritten Tage schienen die Blätter

sehr verletzt zu sein. Demungeachtet wurden die äuszeren Tentakeln, als

Stückchen Fleisch auf zwei derselben gelegt wurden, eingebogen. Ein

minutiöser Tropfen (ungefähr   Minim) der Lösung wurde an drei Drüsen

gehalten, und nach 6 Stunden waren alle drei Tentakeln eingebogen, aber

hatten sich am nächsten Tage beinahe wieder ausgebreitet, so dasz diese

sehr kleine Dosis von   Gran (0,00225 Milligr.) auf einen Tentakel

einwirkt, aber nicht giftig ist. Es scheint nach diesen verschiedenen

Thatsachen, dasz Digitalin Einbiegung verursacht, und die Drüsen, welche

eine mäszig grosze Menge aufsaugen, vergiften.

Nicotin. — Die Absonderung um mehrere Drüsen wurde mit minutiösen Tropfen der reinen Flüssigkeit berührt, und die Drüsen wurden

augenblicklich geschwärzt; die Tentakeln wurden in wenig Minuten eingebogen. Zwei Blätter wurden in eine schwache Lösung von 2 Tropfen

auf 1 Unze oder 437 Gran Wasser getaucht. Als sie nach 3 Stunden

20 Minuten untersucht wurden, waren nur ein und zwanzig Tentakeln an

einem Blatt dicht eingebogen, und sechs unbedeutend am andern; aber

alle Drüsen waren geschwärzt oder sehr dunkelfarbig, das Protoplasma in

allen Zellen aller Tentakeln bedeutend zusammengeballt und dunkelfarbig.

Die Blätter waren nicht ganz getödtet; denn als sie in ein wenig Lösung

von kohlensaurem Ammoniak (2 Gran auf 1 Unze) gebracht wurden, wurden noch einige weitere Tentakeln eingebogen; auf die übrigen aber

wirkte während der nächsten 24 Stunden die Lösung nicht ein.

Halbe Minims einer stärkeren Lösung (2 Tropfen auf ½ Unze Wasser)

wurden auf die Scheiben von sechs Blättern gebracht, und in 30 Minuten

wurden alle diese Tentakeln eingebogen; ihre Drüsen hatten wirklich die

Lösung berührt, was durch ihre Schwärze bewiesen wurde; aber kaum

irgend ein motorischer Impuls wurde nach den äuszeren Tentakeln hingesendet. Nach 22 Stunden schienen die meisten Drüsen todt zu sein;

aber dies kann nicht der Fall gewesen sein, denn als Stückchen Fleisch

auf drei derselben gebracht wurden, wurden einige wenige der äuszern

Tentakeln in 24 Stunden eingebogen. Daher hat Nicotin eine grosze

Neigung, die Drüsen zu schwärzen und Zusammenballung des Protoplasma

hervorzurufen; aber ausgenommen, wenn es rein angewendet wird, hat

es nur in sehr mäszigem Grade die Fähigkeit, Einbiegung hervorzurufen,

und noch weniger Fähigkeit, einen motorischen Einflusz von den Scheibenständigen Drüsen nach den äuszern Tentakeln zu übermitteln. Es ist

mäszig giftig.

Atropin. — Ein Gran wurde zu 437 Theilen Wasser gethan, aber

es wurde nicht alles aufgelöst; ein andrer Gran wurde zu 437 Gran

einer Mischung von einem Theil Alkohol auf sieben Theile Wasser hinzugefügt; und eine dritte Lösung wurde gemacht durch Hinzufügen eines

Theils von valeriansaurem Atropin auf 437 Theile Wasser. Halbe Minims

dieser drei Lösungen wurden in jedem einzelnen Falle auf die Scheiben

von sechs Blättern gebracht; aber durchaus keine Wirkung wurde hervorgerufen, ausgenommen, dasz die Drüsen auf den Scheiben, welchen das


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

valeriansaure Atropin gegeben war, gering entfärbt wurden. Den sechs

Blättern, auf welchen Tropfen der Lösung von Atropin in verdünntem

Alkohol 21 Stunden lang gelassen worden waren, wurden Stückchen

Fleisch gegeben, und alle wurden in 24 Stunden ziemlich gut eingebogen,

so dasz Atropin keine Bewegung erregt, und nicht giftig ist. Ich versuchte auf dieselbe Weise das Alkaloid, welches als Daturin verkauft

wird, von dem man aber glaubt, dasz es von Atropin nicht verschieden

ist, und es brachte keine Wirkung hervor. Dreien der Blätter, auf welchen Tropfen dieser letzteren Lösung 24 Stunden lang gelassen worden

waren, wurden gleichfalls Stückchen Fleisch gegeben, und sie hatten im

Lauf von 24 Stunden eine gute Menge ihrer halbrandständigen Tentakeln

eingebogen.

Veratrin, Colchicin, Theïn. — Lösungen dieser drei Alkaloide

wurden so bereitet, dasz ein Theil zu 437 Theile Wasser gethan wurde.

Halbe Minims wurden in jedem einzelnen Fall auf die Scheiben von wenigstens sechs Blättern gebracht, es wurde aber keine Einbiegung verursacht, ausgenommen vielleicht ein sehr leichter Grad durch das Theïn.

Halbe Minims eines starken Aufgusses von Thee brachten, wie vorher angegeben, keine Wirkung hervor. Ich versuchte auch ähnliche Tropfen

eines Aufgusses von einem Theil des von Apothekern verkauften Extracts

von Colchicum auf 218 Theile Wasser; die Blätter wurden indesz 48

Stunden lang beobachtet, ohne dasz eine Wirkung hervorgebracht worden

wäre. Den sieben Blättern, auf welchen Tropfen des Veratrins 26 Stunden lang gelassen worden waren, wurden Stückchen Fleisch gegeben, und

nach 21 Stunden waren sie gut eingebogen. Diese drei Alkaloide sind

daher ganz unschädlich.

Curare. — Ein Theil dieses berühmten Giftes wurde 218 Theilen

Wasser zugesetzt, und drei Blätter in neunzig Minims der filtrirten Lösung

getaucht. In 3 Stunden 30 Minuten waren einige der Tentakeln ein

wenig eingebogen; wie die Scheibe des einen nach 4 Stunden. Nach 7

Stunden waren die Drüsen wunderbar geschwärzt, was bewies, dasz Substanz irgend welcher Art aufgesaugt worden war. In 9 Stunden hatten

zwei der Blätter die meisten ihrer Tentakeln halb eingebogen, aber die

Einbiegung nahm im Laufe von 24 Stunden nicht zu. Eins dieser Blätter

wurde, nach einem 9 Stunden langen Eintauchen in die Lösung, in Wasser

gebracht und hatte sich am nächsten Morgen zum groszen Theile wieder

ausgebreitet. Die andern zwei wurden nach einem 24 Stunden langen

Eintauchen gleichfalls in Wasser gebracht, und waren in 24 Stunden beträchtlich wieder ausgebreitet, obgleich ihre Drüsen so schwarz wie je

waren. Halbe Minims wurden auf die Scheiben von sechs Blättern gebracht,

und keine Einbiegung erfolgte; aber nach drei Tagen schienen die Drüsen auf den Scheiben ziemlich trocken zu sein, doch waren sie zu meinem

Erstaunen nicht geschwärzt. Bei einer andern Gelegenheit wurden Tropfen

auf die Scheiben von sechs Blättern gebracht, und bald war ein beträchtlicher Grad von Einbiegung bewirkt worden; aber da ich die Lösung

nicht filtrirt hatte, so können kleine herumschwimmende Theilchen auf

die Drüsen gewirkt haben. Nach 24 Stunden wurden Stückchen Fleisch

auf die Scheiben von dreien dieser Blätter gebracht, und am nächsten

Tage wurden sie stark eingebogen. Da ich zuerst dachte, das Gift


 

[page break] Cap. 9. Alkaloide Gifte.

könnte in reinem Wasser nicht aufgelöst sein, wurde ein Gran zu 437

Gran einer Mischung von einem Theil Alkohol auf sieben Theile Wasser

gesetzt und davon halbe Minims auf die Scheiben von sechs Blättern gebracht. Diese wurden gar nicht afficirt, und als ihnen nach Verlauf eines

Tages Stückchen Fleisch gegeben wurden, waren sie in 5 Minuten leicht

und in 24 Stunden dicht eingebogen. Es folgt aus diesen verschiedenen

Thatsachen, dasz eine Lösung von Curare einen sehr mäszigen Grad von

Einbiegung bewirkt, und dies mag vielleicht Folge der Gegenwart einer

minutiösen Menge von Eiweisz sein. Es ist sicher nicht giftig. Das

Protoplasma in einem der Blätter, welches 24 Stunden lang eingetaucht

gewesen und gering eingebogen worden war, hatte einen sehr geringen

Grad von Zusammenballung erfahren, nicht mehr als oft nach einem Eintauchen von dieser Dauer in Wasser vorkommt.

Essigsaures Morphium. — Ich machte eine grosze Anzahl

Versuche mit dieser Substanz, aber mit keinem sicheren Resultat. Eine

beträchtliche Anzahl Blätter wurden von 2 bis 6 Stunden lang in eine

Lösung von einem Theil auf 218 Theile Wasser getaucht, und wurden

nicht eingebogen. Auch waren sie nicht vergiftet, denn als sie gewaschen

und in schwache Lösungen von phosphorsaurem und kohlensaurem Ammoniak

gelegt wurden, wurden sie bald stark eingebogen, und das Protoplasma

in ihren Zellen gut zusammengeballt. Wenn jedoch, während die Blätter

in die Morphiumlösung getaucht waren, phosphorsaures Ammoniak hinzugesetzt wurde, trat Einbiegung nicht schnell ein. Minutiöse Tropfen der

Lösung wurden in der gewöhnlichen Weise an die Absonderung um dreiszig

bis vierzig Drüsen gehalten; und als nach einer 6 Minuten langen Pause

Stückchen Fleisch, etwas Speichel oder Glastheilchen auf dieselben gebracht wurden, war die Bewegung der Tentakeln bedeutend verlangsamt.

Aber bei andern Gelegenheiten kam keine solche Verzögerung vor. Ähnlich angewendete Tropfen Wasser haben nie irgend eine verzögernde

Wirkung. Minutiöse Tropfen einer Lösung von Zucker von derselben

Stärke (ein Theil auf 218 Theile Wasser) verzögerte manchmal die folgende Wirkung von Fleisch und Glastheilchen, und manchmal that es

dies nicht. Einmal fühlte ich mich überzeugt, dasz Morphium wie ein

Narcoticum auf die Drosera wirkte; aber nachdem ich gefunden hatte, in

welch' eigenthümlicher Weise das Eintauchen in gewisse nicht giftige

Salze und Säuren die folgende Wirkung von phosphorsaurem Ammoniak

verhindert, während andere Lösungen keine solche Wirkung äuszern, erscheint meine frühere Überzeugung sehr zweifelhaft.

Hyoscyamus-Extract. — Mehrere Blätter wurden jedes in

dreiszig Minims eines Aufgusses von 3 Gran des von Apothekern verkauften Extracts auf 1 Unze Wasser gebracht. Eins derselben war, nachdem es 5 Stunden 15 Minuten lang eingetaucht gewesen war, nicht eingebogen, und wurde dann in eine Lösung (1 Gran auf 1 Unze) von

kohlensaurem Ammoniak gelegt; nach 2 Stunden 40 Minuten wurde es

bedeutend eingebogen gefunden, und die Drüsen sehr geschwärzt. Vier

von diesen Blättern wurden, nachdem sie 2 Stunden 14 Minuten lang

eingetaucht gewesen, in 120 Minims einer Lösung (1 Gran auf 20 Unzen)

von phosphorsaurem Ammoniak gebracht; sie waren schon durch das

Hyoscyamus-Extract unbedeutend eingebogen worden, wahrscheinlich in


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

Folge der Gegenwart von etwas eiweiszartiger Substanz, wie vorher auseinandergesetzt wurde; aber die Einbiegung nahm augenblicklich zu, und

war nach 1 Stunde stark ausgesprochen; so dasz Hyoscyamus nicht wie

ein Narcoticum oder ein Gift wirkt.

Gift aus dem Giftzahn einer lebenden Otter. — Minutiöse

Tropfen wurden auf die Drüsen von vielen Tentakeln gebracht; diese

wurden schnell eingebogen, gerade als ob ihnen Speichel gegeben worden

wäre. Am nächsten Morgen, nach 17 Stunden 30 Minuten, fiengen alle

an, sich wieder auszubreiten und sie schienen unverletzt zu sein.

Gift der Cobra (Brillenschlange). — Dr. Fayrer, durch seine

Untersuchungen über das Gift dieser tödtlichen Schlange wohl bekannt,

war so gütig, mir etwas davon in getrocknetem Zustande zu geben. Es

ist eine eiweiszartige Substanz und man glaubt, dasz sie das Ptyalin des

Speichels ersetze 3. Ein kleiner Tropfen (ungefähr   Minim) einer Lösung

von einem Theil auf 437 Theile Wasser wurde an das Secret um vier

Drüsen gehalten, so dasz jede nur ungefähr   Gran (0,0016 Milligr.)

erhielt. Die Operation wurde bei vier andern Drüsen wiederholt; und in

15 Minuten wurden mehrere der acht Tentakeln gut eingebogen, und sie

alle in 2 Stunden. Am nächsten Morgen, nach 24 Stunden, waren sie

noch eingebogen und die Drüsen von sehr blasz rosa Farbe. Nach weiteren 24 Stunden waren sie beinahe wieder ausgebreitet, und am folgenden Tage vollständig; aber die meisten Drüsen blieben beinahe weisz.

Halbe Minims derselben Lösung wurden auf die Scheiben von drei

Blättern gebracht, so dasz jedes   Gran (0,0675 Milligr.) erhielt; in

4 Stunden 15 Minuten waren die äuszeren Tentakeln sehr eingebogen;

und nach 6 Stunden 30 Minuten waren sie an zweien der Blätter dicht

eingebogen, ebenso die Scheibe des einen; das dritte Blatt war nur

mäszig afficirt. Die Blätter blieben während des nächsten Tages in demselben Zustande, aber breiteten sich nach 48 Stunden wieder aus.

Drei Blätter wurden nun jedes in dreiszig Minims der Lösung eingetaucht, so dasz jedes   Gran oder 4,048 Milligr. erhielt. In 6 Minuten war etwas Einbiegung da, welche stetig zunahm, so dasz nach 2

Stunden 30 Minuten alle drei Blätter dicht eingebogen waren; die Drüsen

waren zuerst etwas geschwärzt, und wurden dann blasz; und das Protoplasma in den Zellen der Tentakeln war theilweise zusammengeballt. Die

kleinen Massen von Protoplasma wurden nach 3 Stunden untersucht, und

nach 7 Stunden wieder, und bei keiner andern Gelegenheit habe ich sie

so rapide Formveränderungen erleiden sehen. Nach 8 Stunden 30 Minuten waren die Drüsen ganz weisz geworden; sie hatten keine grosze

Menge Schleim abgesondert. Die Blätter wurden nun in Wasser gelegt,

und waren nach 40 Stunden wieder ausgebreitet, wodurch bewiesen wurde,

dasz sie nicht sehr oder gar nicht verletzt waren. Während ihres Eintauchens in Wasser wurde das Protoplasma in den Zellen der Tentakeln

gelegentlich untersucht und immer in starker Bewegung gefunden.

Zwei Blätter wurden ferner jedes in dreiszig Minims einer viel stärkeren Lösung, von einem Theil auf 109 Theile Wasser, getaucht; so dasz

jedes ¼ Gran oder 16,2 Milligr. erhielt. Nach 1 Stunde 45 Minuten

3 Dr. Fayrer, The Thanatophidia of India, 1872, p. 150.


 

[page break] Cap. 9. Gift der Cobra.

waren die halbrandständigen Tentakeln stark eingebogen, und die Drüsen

etwas blasz; nach 3 Stunden 30 Minuten hatten beide Blätter alle ihre

Tentakeln dicht eingebogen und die Drüsen waren weisz. Daher bewirkte

die schwächere Lösung, wie in so vielen andern Fällen, viel rapidere Einbiegung, als die stärkere; aber die Drüsen wurden eher weisz gemacht

durch die letztere. Nach einem 24 Stunden langen Eintauchen wurden

einige der Tentakeln untersucht, und das Protoplasma, noch von schöner

purpurner Färbung, wurde in Ketten von kleinen kugligen Massen zusammengeballt gefunden. Diese veränderten ihre Formen mit merkwürdiger Schnelligkeit. Nach einem 48 Stunden langen Eintauchen wurden

sie wieder untersucht, und ihre Bewegungen waren so deutlich, dasz sie

unter einer schwachen Vergröszerung leicht gesehen werden konnten. Die

Blätter wurden nun in Wasser gelegt, und nach 24 Stunden (d. h. 72

Stunden von ihrem ersten Eintauchen an) waren die kleinen Massen Protoplasma, welche von einem schmutzigen Purpur waren, noch in starker

Bewegung, ihre Formen verändernd, sich vereinigend und wieder trennend.

In 8 Stunden, nachdem sie in Wasser gelegen hatten (d. h. in 56

Stunden nach ihrem Eintauchen in die Lösung), fiengen diese zwei Blätter

an, sich wieder auszubreiten und waren am nächsten Morgen noch weiter

ausgebreitet. Nach Verlauf eines weiteren Tages (d. h. am vierten Tage

nach ihrem Eintauchen in die Lösung) waren sie bedeutend aber nicht

ganz vollständig wieder ausgebreitet. Die Tentakeln wurden nun untersucht, und die zusammengeballten Massen waren beinahe gänzlich wieder

aufgelöst; die Zellen waren mit homogener purpurner Flüssigkeit, mit

Ausnahme einer einzigen kugligen Masse hie und da, angefüllt. Wir

sehen hieraus, wie vollständig das Protoplasma aller Verletzung durch das

Gift entgangen war. Da die Drüsen so bald ganz weisz wurden, kam

mir der Gedanke, dasz ihre Textur in solcher Weise modificirt sein könne,

dasz das Gift verhindert würde, in die Zellen darunter zu dringen, und

folglich, dasz das Protoplasma in diesen Zellen gar nicht afficirt worden

wäre. Dem entsprechend brachte ich ein anderes Blatt, welches 48 Stunden lang in das Gift, und nachher 24 Stunden lang in Wasser gelegt

worden war, in ein wenig Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniak

auf 218 Theile Wasser; in 30 Minuten wurde das Protoplasma in den

Zellen unter den Drüsen dunkler, und im Lauf von 24 Stunden waren

die Tentakeln bis hinunter zu ihren Basen mit dunkelfarbigen kugligen

Massen angefüllt. Es hatten daher die Drüsen ihre Fähigkeit zum Aufsaugen nicht verloren, so weit das kohlensaure Ammoniak in Betracht

kommt.

Nach diesen Thatsachen ist es offenbar, dasz das Gift der Cobra,

obgleich Thieren so tödtlich, gar nicht giftig für die Drosera ist. Doch

verursacht es starke und rapide Einbiegung der Tentakeln und entfernt

bald alle Farbe aus den Drüsen. Es scheint selbst als ein Reizmittel auf

das Protoplasma zu wirken, denn nach beträchtlicher Erfahrung im

Beobachten der Bewegungen dieser Substanz bei der Drosera habe ich es

bei keiner andern Gelegenheit in einem so thätigen Zustande gesehen.

Ich war daher sehr gespannt, zu hören, wie dieses Gift auf thierisches

Protoplasma wirke; und Dr. Fayrer war so gütig, einige Beobachtungen


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9

für mich zu machen, welche er seitdem veröffentlicht hat 4. Flimmerepithelium aus der Mundhöhle eines Frosches wurde in eine Lösung von

0,03 Gramm auf 4,6 Cub. Cent. Wasser gebracht; andere Stücke zur selben Zeit zum Vergleich in reines Wasser. Die Bewegung der Wimpern

in der Lösung schien zuerst zugenommen zu haben, nahm aber bald ab

und hörte nach 15 bis 20 Minuten ganz auf, während jene im Wasser

sich noch kräftig bewegten. Die weiszen Blutkörperchen eines Frosches

und die Wimpern zweier Infusionsthiere, eines Paramaecium und eines

Volvox, wurden durch das Gift ähnlich afficirt. Dr. Fayrer fand auch,

dasz der Muskel eines Frosches seine Reizbarkeit nach einem 20 Minuten

langen Eintauchen in die Lösung verlor, und dann einem starken elektrischen Strome nicht mehr antwortete. Auf der andern Seite wurden die

Bewegungen der Wimpern auf dem Mantel eines Unio nicht immer zum

Stillstand gebracht, selbst als sie eine beträchtliche Zeit in einer sehr

starken Lösung gelassen worden waren. Im Ganzen scheint es, dasz das

Gift der Cobra viel schädlicher auf das Protoplasma der höheren Thiere

wirkt, als auf das der Drosera.

Ein anderer Punkt mag hier noch erwähnt werden. Ich habe gelegentlich beobachtet, dasz die Tropfen Secrets rings um die Drüsen durch

gewisse Lösungen etwas trübe gemacht wurden, besonders aber durch

einige Säuren, wobei sich ein Häutchen auf der Oberfläche der Tropfen

bildete; aber niemals habe ich diese Wirkung in einer so auffallenden

Weise hervorbringen sehen als durch das Gift der Brillenschlange. Wenn

die stärkere Lösung angewendet wurde, erschienen die Tropfen in 10 Minuten wie kleine weisze abgerundete Wolken. Nach 48 Stunden hatte

sich das Secret in Fäden und Platten einer häutigen Substanz verwandelt,

welche sehr kleine Körnchen verschiedener Grösze einschlossen.

Campher. — Etwas abgekratzter Campher wurde einen Tag lang

in einer Flasche mit destillirtem Wasser gelassen und dann filtrirt. Eine

auf diese Weise dargestellte Lösung soll   ihres Gewichts an Campher

enthalten; sie roch und schmeckte nach dieser Substanz. Zehn Blätter

wurden in diese Lösung eingetaucht; nach 15 Minuten waren fünf derselben gut eingebogen, zwei lieszen die erste Spur der Bewegung in 11

und 12 Minuten erkennen; das sechste Blatt fieng sich nicht eher zu bewegen an, als bis 15 Minuten verflossen waren, war aber in 17 Minuten

ganz ordentlich eingebogen und in 24 Minuten vollständig geschlossen;

das siebente fieng in 17 Minuten sich zu bewegen an und war in 26 Minuten vollständig geschlossen. Das achte, neunte und zehnte waren alte

Blätter von sehr dunkelrother Färbung und diese waren nach einem Eintauchen von 24 Stunden nicht eingebogen, so dasz es beim Anstellen von

Experimenten mit Campher nothwendig ist, solche Blätter zu vermeiden.

Nachdem diese Blätter vier Stunden lang in der Lösung gelassen worden

waren, wurden einige von ihnen ziemlich schmutzig rosa gefärbt, und

sonderten viel Schleim ab; obgleich ihre Tentakeln dicht eingebogen wurden, war das Protoplasma innerhalb der Zellen durchaus nicht zusammengeballt. Bei einer andern Gelegenheit indessen war nach einem längeren

Eintauchen von 24 Stunden gut ausgesprochene Zusammenballung vor

4 Procedings of the Royal Society, Febr. 18, 1875.


 

[page break] Cap. 9. Campher.

handen. Eine Lösung, welche so dargestellt worden war, dasz zwei Tropfen

Campherspiritus einer Unze Wasser zugesetzt wurde, wirkte auf ein Blatt

nicht ein; als dagegen dreiszig Minims einer Unze Wasser zugesetzt wurde,

wirkte diese Lösung auf zwei zusammen eingetauchte Blätter.

Vogel hat gezeigt 5, dasz die Blüthen verschiedener Pflanzen nicht so

bald verwelken, wenn ihre Stengel in eine Lösung von Campher gestellt

werden, als wenn sie in Wasser stehen, und dasz sie sich, wenn sie

bereits leicht welk geworden sind, schneller wieder erholen. Auch das

Keimen gewisser Samen wird durch die Lösung beschleunigt. Es wirkt

daher Campher als Reizmittel, und es ist das einzige bekannte Reizmittel

für Pflanzen. Ich wünschte daher zu ermitteln, ob Campher die Blätter

der Drosera für mechanische Reizung empfindlicher machen würde, als

sie vorher waren. Sechs Blätter wurden 5 oder 6 Minuten lang in

destillirtem Wasser gelassen und dann, während sie noch unter Wasser

waren, sanft zwei- oder dreimal mit einem weichen Cameelhaarpinsel gestrichen; es folgte aber keine Bewegung. Dann wurden zunächst neun

Blätter, welche in der oben angegebenen Lösung eine verschieden

lange, in der unten folgenden Tabelle angeführte Zeit hindurch eingetaucht worden waren, einmal mit demselben Pinsel und in derselben

Weise wie vorher bestrichen; die Resultate sind in der Tabelle mitgetheilt. Meine ersten Versuche wurden so angestellt, dasz ich die Blätter

pinselte, während sie noch in der Lösung untergetaucht waren; es kam

mir aber der Gedanke, dasz dadurch das klebrige Secret rings um die

Drüsen entfernt werden und dann der Campher noch kräftiger auf sie

einwirken könnte. In allen folgenden Versuchen wurde daher jedes Blatt

aus der Lösung herausgenommen, ungefähr 15 Secunden lang in Wasser

umhergeschwenkt, dann in frisches Wasser gelegt und bepinselt, so dasz

das Pinseln keinen freieren Zutritt des Camphers gestatten kann; doch

machte diese Behandlungsweise keinen Unterschied in den Resultaten.

5 Gardener's Chronicle, 1874, p. 671. Ziemlich ähnliche Beobachtungen hat

im Jahre 1798 B. S. Barton gemacht.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

Andere Blätter wurden in der Lösung gelassen, ohne bepinselt zu

werden; eines derselben zeigte eine Spur von Einbiegung nach 11 Minuten, ein zweites nach 12 Minuten, fünf wurden nicht eher eingebogen,

bis 15 Minuten verflossen waren und zwei noch ein paar Minuten später.

Andererseits wird man in der rechtsseitigen Columne der Tabelle sehen,

dasz die meisten von den der Lösung ausgesetzten Blättern, welche dann

bepinselt wurden, in einer viel kürzeren Zeit eingebogen wurden. Die

Bewegung der Tentakeln einiger dieser Blätter war so rapid, dasz sie

deutlich durch eine sehr schwache Lupe gesehen werden konnte.

Zwei oder drei andere Experimente sind noch der Mittheilung werth.

Ein groszes altes Blatt sah, nachdem es 10 Minuten in die Lösung eintaucht gewesen war, nicht so aus, als würde es bald eingebogen werden;

ich pinselte es daher, und in 2 Minuten fieng es an, sich zu bewegen

und war in 3 Minuten vollständig geschlossen. Ein anderes Blatt zeigte

nach einem Eintauchen von 17 Minuten kein Zeichen von Einbiegung;

es wurde denn nun bepinselt, bewegte sich aber eine Stunde lang nicht;

hier war ein Miserfolg. Es wurde nochmals bepinselt, und nun wurden

in 9 Minuten einige wenige Tentakeln eingebogen; das Mislingen war

daher nicht vollständig.


 

[page break] Cap. 9. Verschiedene Öle.

Wir können wohl schlieszen, dasz eine kleine Dosis Campher in Lösung ein kräftiges Reizmittel für Drosera ist. Es regt nicht blosz bald

die Tentakeln an, sich zu biegen, sondern macht auch allem Anscheine

nach die Drüsen für eine Berührung empfindlich, welche an und für sich

keine Bewegung bewirkt. Es könnte auch sein, dasz eine unbedeutende

mechanische Reizung, nicht stark genug, Einbiegung zu verursachen, doch

ein gewisses Streben zur Bewegung mittheilt und dadurch die Wirkung

des Camphers verstärkt. Diese letztere Ansicht würde mir als die wahrscheinlichere erschienen sein, wäre nicht von VOGEL gezeigt worden, dasz

Campher auch auf andere Weise für verschiedene Pflanzen und Samen

ein Reizmittel ist.

Zwei Pflanzen, welche vier oder fünf Blätter trugen und mit ihren

Wurzeln in einem kleinen Becher mit Wasser standen, wurden unter einem

zehn Flüssigkeitsunzen haltenden Gefäsze dem Dampfe einiger Stückchen

Campher (ungefähr so grosz wie eine Lambertsnusz) ausgesetzt. Nach

10 Minuten erfolgte noch keine Einbiegung, die Drüsen schienen aber

reichlicher abzusondern. Die Blätter befanden sich in einem narcotisirten

Zustande; denn als Stückchen Fleisch auf zwei von ihnen gelegt worden

waren, war in 3 Stunden 15 Minuten noch keine Einbiegung da, und

selbst nach 13 Stunden 15 Minuten waren nur einige wenige der äuszeren Tentakeln unbedeutend eingebogen; dieser Grad von Bewegung beweist aber, dasz die Blätter nicht dadurch getödtet waren, dasz sie

10 Stunden lang den Campherdämpfen ausgesetzt wurden.

Kümmel-Öl. — Es wird angegeben, dasz Wasser ungefähr ein

Tausendstel seines Gewichts von diesem Öl auflöst. Ein Tropfen wurde

zu einer Unze Wasser gesetzt und die Flasche während eines Tages gelegentlich geschüttelt; es blieben aber noch viele sehr kleine Kügelchen

unaufgelöst. Fünf Blätter wurden in diese Mischung eingetaucht; innerhalb 4 bis 5 Minuten war etwas Einbiegung da, welche in zwei oder drei

weiteren Minuten mäszig ausgesprochen wurde. Nach 4 Minuten waren

alle fünf Blätter ordentlich, und einige von ihnen dicht eingebogen. Nach

6 Stunden waren die Drüsen weisz und viel Schleim abgesondert worden.

Die Blätter waren nun welk, von einer eigenthümlichen trüb-rothen Färbung und offenbar todt. Eines der Blätter wurde nach einem Eintauchen

von 4 Minuten gepinselt, wie die andern im Campher; dies brachte aber

keine Wirkung hervor. Eine Pflanze, deren Wurzeln in Wasser standen,

wurden nun unter einem Zehnunzen-Gefäsz dem Dampfe dieses Öls ausgesetzt, und in 1 Stunde 20 Minuten zeigte ein Blatt eine Spur von

Einbiegung. Nach 5 Stunden 20 Minuten wurde die Decke abgenommen

und die Blätter untersucht; bei einem waren alle Tentakeln dicht eingebogen, beim zweiten waren sie ungefähr halb in diesem Zustande, und

beim dritten waren sie alle halb eingebogen. Die Pflanze wurde 42 Stunden lang an der freien Luft gelassen, es breitete sich aber nicht ein

einziger Tentakel wieder aus; die sämmtlichen Drüsen erschienen todt,

ausgenommen hier und da eine, welche noch immer absonderte. Offenbar

ist dieses Öl in hohem Grade reizend und giftig für Drosera.

Nelken-Öl. — Es wurde in derselben Weise wie im letzten Falle

eine Mischung gemacht und drei Blätter in dieselbe eingetaucht. Nach

30 Minuten war nur eine Spur von Einbiegung vorhanden, welche niemals


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9

zunahm. Nach 1 Stunde 30 Minuten waren die Drüsen blasz und nach

6 Stunden weisz. Ohne Zweifel waren die Blätter bedeutend beschädigt

oder getödtet.

Terpentin-Öl. — Kleine Tropfen auf die Scheiben einiger Blätter

gelegt, tödteten dieselben, wie es gleichfalls Tropfen von Creosot thaten.

Eine Pflanze wurde 15 Minuten lang unter einem Zwölfunzen-Glas gelassen, dessen innere Oberfläche mit zwölf Tropfen von Terpentin-Öl befeuchtet waren; es erfolgte aber keine Bewegung der Tentakeln. Nach

24 Stunden war die Pflanze todt.

Glycerin. — Halbe Minims wurden auf die Scheiben von drei Blättern gebracht; in 2 Stunden waren einige der äuszeren Tentakeln unregelmäszig eingebogen; und in 19 Stunden waren die Blätter welk und

allem Anscheine nach todt; die Drüsen, welche das Glycerin berührt

hatten, waren farblos. Äuszerst kleine Tropfen (ungefähr   Minim)

wurden an die Drüsen mehrerer Tentakeln gehalten, und in wenig Minuten bewegten sich diese und erreichten bald die Mitte. Ähnliche Tropfen

einer Mischung von vier abgetropften Tropfen auf 1 Unze Wasser wurden

in gleicher Weise an mehrere Drüsen gehalten; aber nur einige wenige

Tentakeln bewegten sich und diese nur sehr langsam und unbedeutend.

Halbe Minims dieser selbigen Mischung auf die Scheiben einiger Blätter

gebracht, verursachten zu meiner Überraschung im Verlaufe von 48 Stunden keine Einbiegung. Es wurden ihnen dann Stückchen Fleisch gegeben,

und am nächsten Tage waren sie ordentlich eingebogen, trotzdem dasz

einige der scheibenständigen Drüsen beinahe farblos gemacht worden

waren. Zwei Blätter wurden in dieselbe Mischung, aber nur 4 Stunden

lang eingetaucht; sie wurden nicht eingebogen, und nachdem sie später

2 Stunden 30 Minuten lang in einer Lösung (1 Gran auf 1 Unze) von

kohlensaurem Ammoniak gelassen worden waren, wurden ihre Drüsen geschwärzt, ihre Tentakeln eingebogen, und das Protoplasma innerhalb ihrer

Zellen zusammengeballt. Aus diesen Thatsachen geht hervor, dasz eine

Mischung von vier Tropfen Glycerin auf eine Unze Wasser nicht giftig

ist und sehr wenig Einbiegung anregt, dasz aber reines Glycerin giftig

ist und, wenn es in sehr minutiösen Mengen an die Drüsen der äuszeren

Tentakeln gebracht wird, deren Einbiegung verursacht.

Die Wirkungen des Eintauchens in Wasser und verschiedene Lösungen auf die spätere Einwirkung des phosphorsauren und kohlensauren Ammoniaks. — Wir haben im dritten

und siebenten Capitel gesehen, dasz Eintauchen in destillirtes Wasser

nach einiger Zeit einen gewissen Grad von Zusammenballung des Protoplasma und einen mäszigen Betrag von Einbiegung verursacht, besonders

bei Pflanzen, welche in einer im Ganzen hohen Temperatur gehalten worden sind. Wasser regt keine reichliche Absonderung von Schleim an.

Wir haben hier die Wirkungen des Eintauchens in verschiedene Flüssigkeiten auf die spätere Einwirkung der Ammoniaksalze und anderer Reizmittel zu betrachten. Vier Blättern, welche 24 Stunden lang in Wasser

gelassen worden waren, wurden Stückchen Fleisch gegeben; sie umfaszten

sie aber nicht. Zehn Blätter wurden, nach einem ähnlichen Eintauchen,

24 Stunden lang in einer kräftigen Lösung (1 Gran auf 20 Unzen) von

phosphorsaurem Ammoniak gelassen, und nur eines zeigte und selbst nur


 

[page break] Cap. 9. Wirkungen der Eintauchung.

eine Spur von Einbiegung. Als drei dieser Blätter noch einen weiteren

Tag lang in der Lösung gelassen worden waren, blieben sie noch immer

nicht afficirt. Als indessen einige dieser Blätter, welche zuerst 24 Stunden lang in Wasser und dann 24 Stunden lang in eine Lösung des

Phosphats eingetaucht worden waren, in eine Lösung von kohlensaurem

Ammoniak (ein Theil auf 218 Theile Wasser) gebracht wurden, wurde

das Protoplasma in den Zellen der Tentakeln in wenigen Stunden stark

zusammengeballt, woraus hervorgieng, dasz dies Salz absorbirt worden war

und Wirkung geäuszert hatte.

Ein kurzes, 20 Minuten langes Eintauchen in Wasser verzögerte die

spätere Wirkung des phosphorsauren Salzes oder von auf die Drüsen gelegten Glassplittern nicht; in zwei Fällen aber verhinderte ein 50 Minuten

währendes Eintauchen jede Wirkung einer Campherlösung. Mehrere Blätter,

welche 20 Minuten lang in einer Lösung von einem Theile weiszen Zuckers

auf 218 Theile Wasser gelassen worden waren, wurden in die Lösung

des phosphorsauren Salzes gebracht, deren Einwirkung verzögert wurde,

während eine gemischte Lösung von Zucker und Phosphat die Wirkungen

der letzteren nicht im Allermindesten störte. Drei Blätter wurden, nachdem sie 20 Minuten lang in die Zuckerlösung eingetaucht gewesen waren,

in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak (ein Theil auf 218 Theile

Wasser) gebracht; in 2 oder 3 Minuten waren die Drüsen geschwärzt

und nach 7 Minuten waren die Tentakeln beträchtlich eingebogen, so

dasz die Zuckerlösung, obschon sie die Wirkung des Phosphats aufhielt,

doch die des kohlensauren Salzes nicht verzögerte. Ein 20 Minuten langes Eintauchen des Blattes in eine ähnliche Lösung von arabischem

Gummi hatte keine verzögernde Wirkung auf das phosphorsaure Salz. Drei

Blätter wurden 20 Minuten lang in einer Mischung von einem Theile

Alkohol auf sieben Theile Wasser gelassen und dann in die Lösung des

phosphorsauren Salzes gebracht: in 2 Stunden 15 Minuten war eine Spur

von Einbiegung an einem Blatte, und in 5 Stunden 30 Minuten eine

unbedeutende Wirkung an einem zweiten vorhanden; die Einbiegung nahm

später, wenn schon langsam, etwas zu. Verdünnter Alkohol, welcher, wie

wir sehen werden, kaum irgendwie giftig ist, verzögert daher offenbar

die spätere Wirkung des phosphorsauren Salzes.

Im letzten Capitel wurde gezeigt, dasz Blätter, welche durch ein

beinahe vierundzwanzigstündiges Eintauchen in Lösungen verschiedener

Salze und Säuren nicht eingebogen wurden, sich sehr verschieden von

einander verhielten, wenn sie später in die Lösung des phospsorsauren

Salzes gebracht wurden. Ich gebe hier eine Tabelle, welche die Resultate zusammenfaszt.

Darwis, Insectonfressende Pflanzen (VIII. 13

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.


 

[page break] Cap. 9. Wirkungen der Eintauchung.

In einer groszen Mehrzahl dieser zwanzig Fälle wurde ein wechselnder Grad von Einbiegung langsam durch das phosphorsaure Salz verursacht. Indessen war in vier Fällen die Einbiegung sehr schnell, indem

sie in weniger als einer halben Stunde oder höchstens in 50 Minuten

eintrat. In drei Fällen brachte das Phosphat nicht die geringste Wirkung hervor. Was haben wir nun aus diesen Thatsachen zu folgern?

Wir wissen aus zehn Versuchen, dasz 24 Stunden langes Eintauchen in

destillirtes Wasser die spätere Einwirkung der Phosphatlösung verhindert.

Es dürfte daher hiernach scheinen, als wirkten die Lösungen von Manganchlorid, von Gerbsäure und Weinsteinsäure, welche nicht giftig sind,

genau so wie Wasser; denn das phosphorsaure Ammoniak brachte keine

Wirkung auf die Blätter hervor, welche vorher in diese drei Lösungen

eingetaucht gewesen waren. Die Mehrzahl der anderen Lösungen verhielten sich bis zu einem gewissen Masze wie Wasser; denn das phosphorsaure Ammoniak brachte nach einem beträchtlichen Zeitintervalle nur

eine unbedeutende Wirkung hervor. Andererseits wirkte das phosphorsaure

Ammoniak schnell auf die Blätter ein, welche in die Lösungen von Rubidiumchlorid und Chlormagnesium, von essigsaurem Strontian, salpetersaurem Baryt und Citronensäure gelegt worden waren. Wurde nun etwa

aus diesen fünf schwachen Lösungen Wasser absorbirt und verhinderte

es dennoch, in Folge der Gegenwart der Salze, die spätere Wirkung des

phosphorsauren Ammoniaks nicht? Oder dürfen wir nicht annehmen 6,

dasz die Zwischenräume der Drüsenwandungen durch Molecule dieser

fünf Substanzen so verstopft waren, dasz sie für Wasser undurchgängig

wurden; denn wäre Wasser eingetreten, so wissen wir von den zehn Versuchen her, dasz das phosphorsaure Ammoniak später keinerlei Wirkung

hervorgebracht haben würde. Es zeigt sich ferner, dasz die Molecule

des kohlensauren Ammoniaks schnell in Drüsen eintreten können, welche

in Folge einer 20 Minuten währenden Eintauchung in eine schwache

Auflösung von Zucker entweder das phosphorsaure Salz sehr langsam absorbiren oder von ihm sehr langsam beeinfluszt werden. Andererseits

scheinen Drüsen, wie sie auch immer behandelt worden sein mögen, leicht

den späteren Eintritt der Molecule des kohlensauren Ammoniaks zu ge

6 s. Dr. Traube's merkwürdige Versuche über die Bildung künstlicher

Zellen und über ihre Durchlässigkeit für verschiedene Salze in seinen Aufsätzen:

"Experimente zur Theorie der Zellenbildung und Endosmose‟; Breslau, 1866,

und "Experimente zur physicalischen Erklärung der Bildung der Zellhaut,

ihres Wachsthums durch Intussusception u. s. w.‟ Breslau, 1874. Diese Untersuchungen erklären vielleicht meine Resultate. Traube wendete als Membran

gewöhnlich den Niederschlag an, welcher sich bildet, wenn Gerbsäure mit einer

Lösung von Gelatine in Berührung kommt. Läszt man zu derselben Zeit einen

Niederschlag von schwefelsaurem Baryt stattfinden, so wird die Membran "infiltrirt‟ mit diesem Salze; und in Folge der Einschaltung von Moleculen des schwefelsauren Baryts zwischen diejenigen des Gelatine-Niederschlags werden die Molecularzwischenräume in der Membran kleiner. In diesem veränderten Zustande gestattet die Membran nicht länger den Durchtritt weder von schwefelsaurem Ammoniak noch von salpetersaurem Baryt durch sie hindurch, obschon sie ihre Durchlässigkeit für Wasser und Chlorammonium behält.

13*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

statten. An Blättern, welche in eine Lösung (von einem Theile auf

437 Theile Wasser) von salpetersaurem Kali 48 Stunden lang, — von

schwefelsaurem Kali 24 Stunden lang, — und von Chlorkalium 25 Stunden lang gelegt worden waren, wurden daher, als sie in eine Lösung von

einem Theeile kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser gebracht

wurden, die Drüsen unmittelbar schwarz und nach 1 Stunde waren die

Tentakeln etwas eingebogen und das Portoplasma zusammengeballt. Es

würde aber eine endlose Aufgabe sein, zu versuchen, die wunderbar verschiedenen Wirkungen verschiedener Lösungen auf Drosera zu ermitteln.

Alkohol (ein Theil auf sieben Theile Wasser). — Es ist bereits

gezeigt worden, dasz halbe Minims von dieser Stärke auf die Scheiben

von Blättern gelegt, durchaus keine Einbiegung verursachen; und dasz

die Blätter, wenn ihnen zwei Tage später Stückchen Fleisch gegeben

werden, stark eingebogen werden. Vier Blätter wurden in diese Mischung

getaucht und zwei von ihnen wurden nach 30 Minuten mit einem Camelhaarpinsel bestrichen, wie die Blätter in der Lösung von Campher; dies

brachte aber keine Wirkung hervor. Auch erlitten diese vier Blätter,

als sie 24 Stunden in dem verdünnten Alkohol gelogen hatten, keine

Einbiegung. Sie wurden dann entfernt; eines wurde in einen Aufgusz

von rohem Fleisch gelegt, und auf die Scheiben der andern wurden, während ihre Stiele in Wasser standen, Stückchen Fleisch gebracht. Am

folgenden Tage schien eines ein wenig beschädigt zu sein, während zwei

andere blosz eine Spur von Einbiegung zeigten. Wir müssen im Sinne

behalten, dasz ein Eintauchen in Wasser von 24 Stunden die Blätter

verhindert, Fleisch zu umfassen. Es ist daher Alkohol der oben angegebenen Stärke nicht giftig, ebenso wenig reizt er die Blätter, wie es

Campher thut.

Der Dampf von Alkohol wirkt hiervon verschieden. Eine Pflanze, welche

drei gute Blätter trug, wurde 25 Minuten lang unter einer, neunzehn Unzen

haltenden Glocke mit sechzig Minims Alkohol in einem Uhrglase stehen

gelassen. Es erfolgte keine Bewegung, aber einige wenige von den Drüsen

wurden geschwärzt und verschrumpft, während viele andere ganz blasz

wurden. Diese waren über die ganzen Blätter in der allerunregelmäszigsten Weise zerstreut, was mich an die Art und Weise erinnerte, wie die

Drüsen vom Dampfe des kohlensauren Ammoniaks afficirt wurden. Unmittelbar nach der Entfernung der Glasglocke wurden auf viele der Drüsen

Stückchen rohen Fleisches gelegt, wobei besonders diejenigen ausgesucht

wurden, welche ihre ordentliche Färbung bewahrt hatten. Aber im Verlaufe der nächsten 4 Stunden wurde nicht ein einziger Tentakel eingebogen. Nach den ersten 2 Stunden fiengen die Drüsen an sämmtlichen

Tentakeln zu. vertrocknen an, und am nächsten Morgen, nach 22 Stunden,

schienen alle drei Blätter beinahe todt zu sein, ihre Drüsen waren trocken;

nur die Tentakeln an einem einzigen Blatt waren theilweise eingebogen.

Eine zweite Pflanze wurde nur 5 Minuten lang mit etwas Alkohol

in einem Uhrglase unter einer zwölf Unzen haltenden Glasglocke gelassen, und dann wurden Stückchen Fleisch auf die Drüsen mehrerer Tentakeln gethan. Nach 10 Minuten fiengen einige von ihnen an, sich nach

innen zu krümmen und nach 55 Minuten waren nahezu alle beträchtlich

eingebogen; aber einige wenige bewegten sich nicht. Es ist wahrschein


 

[page break] Cap. 9. Chloroform-Dämpfe.

lich, aber durchaus nicht sicher, dasz hier eine gewisse anaesthetische

Wirkung eintrat. Eine dritte Pflanze wurde gleichfalls 5 Minuten lang

unter derselben kleinen Glocke gelassen, deren innere Oberfläche mit ungefähr einem Dutzend Tropfen Alkohol befeuchtet worden war. Stückchen

Fleisch wurden nun auf die Drüsen mehrerer Tentakeln gelegt, von denen

einige sich zuerst in 25 Minuten zu bewegen anfiengen; nach 40 Minuten

waren die meisten von ihnen etwas eingebogen, und nach 1 Stunde

10 Minuten waren alle beträchtlich eingebogen. Nach dieser langsamen

Art der Bewegung läszt sich nicht zweifeln, dasz die Drüsen dieser Tentakeln für eine Zeit lang dadurch, dasz sie fünf Minuten lang den Alkoholdämpfen ausgesetzt worden waren, unempfindlich geworden waren.

Chloroformdämpfe. — Die Wirkung dieser Dämpfe auf Drosera

ist sehr schwankend und hängt, wie ich vermuthe, von der Constitution

oder dem Alter der Pflanze oder von irgend welchen unbekannten Bedingungen ab. Zuweilen bewirken sie, dasz sich die Tentakeln mit auszerordentlicher Schnelligkeit bewegen, und zuweilen bringen sie keine derartige Wirkung hervor. Die Drüsen werden zuweilen für die Einwirkung

rohen Fleisches unempfindlich gemacht, aber zuweilen werden sie gar nicht

oder nur in einem sehr unbedeutenden Grade so afficirt. Eine Pflanze

erholt sich nach einer kleinen Dosis, wird aber von einer gröszeren leicht

getödtet.

Eine Pflanze wurde 30 Minuten lang unter einer neunzehn MaszUnzen (539,6 Cub. Cent.) haltenden Glasglocke mit acht Tropfen Chloroform gelassen, und ehe die Glocke entfernt war, waren die meisten Tentakeln bedeutend eingebogen, obschon sie die Mitte nicht erreichten.

Nachdem die Decke entfernt worden war, wurden Stückchen Fleisch auf

die Drüsen mehrerer der etwas einwärts gekrümmten Tentakeln gelegt;

nach 6 Stunden 30 Minuten fand sich, dasz diese Drüsen bedeutend geschwärzt waren, es erfolgte aber keine weitere Bewegung. Nach 24 Stunden schienen die Blätter beinahe todt zu sein.

Es wurde nun eine kleinere Glasglocke, welche zwölf Masz-Unzen

(340,8 Cub. Cent.) enthielt, angewendet und eine Pflanze 90 Secunden

lang mit nur zwei Tropfen Chloroform unter ihr gelassen. Unmittelbar

nach Entfernung der Glocke krümmten sich sämmtliche Tentakeln einwärts, so dasz sie senkrecht in die Höhe standen; man konnte sogar

factisch sehen, wie sich einige von ihnen mit auszerordentlicher Schnelligkeit in kleinen Stöszen, und daher in einer unnatürlichen Weise bewegten; sie erreichten aber die Mitte nicht. Nach 22 Stunden breiteten sie

sich vollständig wieder aus, und als Fleisch auf ihre Drüsen gelegt oder

als sie selbst mit einer Nadel derb berührt wurden, wurden sie schnell

eingebogen, so dasz diese Blätter nicht im mindesten beschädigt waren.

Eine andere Pflanze wurde unter dieselbe Glasglocke mit drei Tropfen

Chloroform gebracht, und ehe zwei Minuten verflossen waren, fiengen die

Tentakeln an, sich in kleinen rapiden Rucken einwärts zu krümmen. Die

Glasglocke wurde dann entfernt und im Verlaufe von weiteren zwei oder

drei Minuten erreichte beinahe jeder Tentakel die Mitte. Bei mehreren

andern Gelegenheiten regten die Dämpfe durchaus keine Bewegung dieser

Art an.

In Bezug auf den Grad und auf die Art und Weise, in welchen


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

Chloroform die Drüsen unempfindlich für eine später erfolgende Wirkung

von Fleisch macht, scheint auch eine grosze Variabilität zu bestehen. Bei

der zuletzt erwähnten Pflanze, welche zwei Minuten lang drei Tropfen

Chloroform ausgesetzt gewesen war, bogen sich einige wenige Tentakeln

zu einer senkrechten Stellung auf, und nun wurden Stückchen Fleisch

auf ihre Drüsen gelegt; dies veranlaszte es, dasz sie sich in 5 Minuten

zu bewegen begannen; sie bewegten sich aber so langsam, dasz sie die

Mitte nicht vor Verlauf von 1 Stunde 30 Minuten erreichten. Eine andere Pflanze wurde ähnlichen Verhältnissen ausgesetzt, d. h. 2 Minuten

lang drei Tropfen Chloroform; und als dann Stückchen Fleisch auf die

Drüsen von mehreren Tentakeln gelegt wurden, welche sich zu einer senkrechten Stellung aufgebogen hatten, fieng einer derselben in 8 Minuten

an, sich zu biegen, bewegte sich aber später sehr langsam, während von

den andern Tentakeln sich in den nächsten 40 Minuten keiner bewegte.

Demungeachtet erreichten in 1 Stunde 45 Minuten, von der Zeit an, wo

Stückchen Fleisch gegeben worden waren, sämmtliche Tentakeln die Mitte.

Es war in diesem Falle allem Anscheine nach eine unbedeutende anaesthetische Wirkung hervorgerufen worden. Am folgenden Tage hatte sich

die Pflanze vollkommen wieder erholt.

Eine andere Pflanze, welche zwei Blätter trug, wurde 2 Minuten

lang unter der Neunzehn-Unzen-Glasglocke zwei Tropfen Chloroform ausgesetzt; dann wurde sie herausgenommen und untersucht; wieder 2 Minuten lang zwei Tropfen ausgesetzt; herausgenommen und wiederum

3 Minuten lang drei Tropfen ausgesetzt, so dasz sie im Ganzen abwechselnd der Luft und zusammengenommen 7 Minuten lang den Dämpfen

von sieben Tropfen Chloroform ausgesetzt wurde. Nun wurden Stückchen

Fleisch auf dreizehn Drüsen an den beiden Blättern gelegt. An einem

dieser Blätter fieng ein einzelner Tentakel sich zuerst in 40 Minuten zu

bewegen an, und zwei andere in 54 Minuten. Am zweiten Blatt bewegten sich einige Tentakeln zuerst in 1 Stunde 11 Minuten. Nach 2 Stunden waren viele Tentakeln an beiden Blättern eingebogen; aber innerhalb

dieser Zeit erreichte keiner die Mitte. In diesem Falle konnte nicht der

geringste Zweifel bestehen, dasz das Chloroform einen anaesthetischen

Einflusz auf die Blätter ausgeübt hatte.

Auf der andern Seite wurde aber nun eine andere Pflanze unter derselben Glasglocke eine viel längere Zeit hindurch, nämlich 20 Minuten,

zweimal so viel Chloroform ausgesetzt. Dann wurden Stückchen Fleisch

auf die Drüsen vieler Tentakeln gelegt; und sie erreichten sämmtlich, mit

einer einzigen Ausnahme, die Mitte in einer Zeit von 13 bis 14 Minuten.

In diesem Falle war nur eine geringe oder gar keine anaesthetische Wirkung hervorgebracht worden; wie diese widersprechenden Resultate mit

einander auszusöhnen sind, weisz ich nicht.

Dämpfe von Schwefel-Äther. — Eine Pflanze wurde in einem

neunzehn Unzen haltenden Gefäsze 30 Minuten lang der Wirkung von

dreiszig Minims dieses Äthers ausgesetzt; nachher wurden Stückchen rohen

Fleisches auf viele Drüsen gelegt, welche blasz gefärbt worden waren;

aber keiner der Tentakeln bewegte sich. Nach 6 Stunden 30 Minuten

erschienen die Blätter kränkelnd und die scheibenständigen Drüsen waren

beinahe trocken. Am nächsten Morgen waren viele von den Tentakeln


 

[page break] Cap. 9. Äther-Dämpfe.

todt, wie es alle die waren, auf welche Fleisch gelegt worden war; es

zeigte sich hieraus, dasz Substanz aus dem Fleisch absorbirt worden war,

welche die üblen Einwirkungen der Dämpfe noch vermehrt hatten. Nach

vier Tagen starb die Pflanze selbst ab. Eine andere Pflanze wurde in

demselben Gefäsz 15 Minuten lang vierzig Minims ausgesetzt. Bei einem

jungen, kleinen und zarten Blatt waren alle Tentakeln eingebogen; das

Blatt schien bedeutend beschädigt zu sein. Stückchen Fleisch wurden

auf mehrere Drüsen an zwei andern und älteren Blättern gelegt. Diese

Drüsen wurden nach 6 Stunden trocken und schienen verletzt zu sein;

die Tentakeln bewegten sich gar nicht, ausgenommen einen, welcher

schlieszlich ein wenig eingebogen wurde. Die Drüsen der andern Tentakeln fuhren fort, abzusondern und schienen unverletzt zu sein, aber

nach drei Tagen kränkelte die ganze Pflanze bedeutend.

In den beiden vorstehend geschilderten Experimenten waren die Dosen

offenbar zu grosz und giftig. Bei kleineren Dosen war die anaesthetische

Wirkung schwankend, wie es beim Chloroform der Fall war. Eine Pflanze

wurde unter einem Zwölf-Unzengefäsz 5 Minuten lang zehn Tropfen ausgesetzt und dann wurden Stückchen Fleisch auf viele Drüsen gelegt.

Keiner der in dieser Weise behandelten Tentakeln fieng in einer entschiedenen Art sich zu bewegen an, ehe 40 Minuten verlaufen waren; aber

dann bewegten sich einige von ihnen sehr schnell, so dasz zwei nach

einem weiteren Verlauf von nur 10 Minuten die Mitte erreichten. In

2 Stunden 12 Minuten, von der Zeit an gerechnet, wo die Fleischstückchen aufgelegt worden waren, erreichten sämmtliche Tentakeln die Mitte.

Eine andere Pflanze mit zwei Blättern wurde in demselben Gefäsz 5 Minuten lang einer etwas gröszeren Dosis von Äther ausgesetzt, und dann

wurden Stückchen Fleisch auf mehrere Drüsen gelegt. In diesem Falle

fieng ein Tentakel an jedem Blatte sich in 5 Minuten zu biegen an; und

nach 12 Minuten erreichten an dem einen Blatte zwei Tentakeln und

einer an dem zweiten Blatte die Mitte. In 30 Minuten, nachdem das

Fleisch gegeben worden war, waren sämmtliche Tentakeln, sowohl diejenigen mit als die ohne Fleisch, dicht eingebogen, so dasz der Äther

allem Anscheine nach diese Blätter gereizt und bewirkt hatte, dasz sich

alle Tentakeln bogen.

Dämpfe von Salpeter-Äther. — Diese Dämpfe scheinen schädlicher zu sein als die Schwefeläther-Dämpfe. Eine Pflanze wurde 5 Minuten lang in einem Zwölf-Unzengefäsz der Einwirkung von acht in einem

Uhrglas befindlichen Tropfen ausgesetzt, und ich sah deutlich einige

wenige Tentakeln sich einwärts rollen, ehe das Glas entfernt wurde. Unmittelbar danach wurden Stückchen Fleisch auf die Drüsen gelegt; aber

im Verlaufe von 18 Minuten erfolgte keine Bewegung. Dieselbe Pflanze

wurde nochmals unter dasselbe Gefäsz 16 Minuten lang mit zehn Tropfen

Äther gestellt. Keiner der Tentakeln bewegte sich, und am nächsten

Morgen waren die mit dem Fleisch noch immer in derselben Stellung.

Nach 48 Stunden schien das eine Blatt gesund zu sein, die andern aber

waren sehr verletzt.

Eine andere Pflanze, welche zwei gute Blätter hatte, wurde 6 Minuten lang in einem Neunzehn-Unzengefäsz dem Dampfe von zehn Minims

des Äthers ausgesetzt, und dann wurden Stückchen Fleisch auf die Drüsen


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

vieler Tentakeln an beiden Blättern gelegt. Nach 36 Minuten wurden

mehrere derselben an einem Blatte eingebogen, und nach 1 Stunde erreichten alle Tentakeln, diejenigen mit und die ohne Fleisch, beinahe den

Mittelpunkt. An dem andern Blatte fiengen die Drüsen in 1 Stunde 40

Minuten an trocken zu werden, und nach mehreren Stunden war nicht

ein einziger Tentakel eingebogen; am nächsten Morgen aber, nach 21

Stunden, waren viele eingebogen, obschon sie bedeutend verletzt zu sein

schienen. In diesem und dem vorhergehenden Experiment ist es wegen der

Verletzung, welche die Blätter erlitten hatten, zweifelhaft, ob irgend eine

anaesthetische Wirkung hervorgebracht worden ist.

Eine dritte Pflanze mit zwei guten Blättern wurde nur 4 Minuten

lang in dem Neunzehn-Unzengefäsz dem Dampfe von sechs Tropfen ausgesetzt. Stückchen Fleisch wurden dann auf die Drüsen von sieben Tentakeln an demselben Blatte gelegt. Ein einziger Tentakel bewegte sich

nach 1 Stunde 23 Minuten; nach 2 Stunden 3 Minuten waren mehrere

eingebogen; und nach 3 Stunden 3 Minuten waren die sämmtlichen sieben

Tentakeln mit Fleisch gut eingebogen. Aus der Langsamkeit dieser Bewegungen geht klar hervor, dasz dies Blatt auf einige Zeit für die Wirkung des Fleisches unempfindlich geworden war. Ein zweites Blatt wurde

ziemlich verschieden afficirt; Stückchen Fleisch wurden auf die Drüsen

von fünf Tentakeln gelegt, von denen drei in 28 Minuten unbedeutend

eingebogen waren; nach 1 Stunde 21 Minuten erreichte einer die Mitte,

aber die andern zwei waren noch immer nur unbedeutend eingebogen;

nach 3 Stunden waren sie viel stärker eingebogen; aber selbst nach 5

Stunden 16 Minuten hatten alle fünf nicht die Mitte erreicht. Obgleich

einige der Tentakeln sich bald mäszig zu bewegen begannen, bewegten

sie sich doch später mit äuszerster Langsamkeit. Am nächsten Morgen,

nach 20 Stunden, waren die meisten Tentakeln an beiden Blättern dicht

eingebogen, aber nicht völlig regelmäszig. Nach 48 Stunden erschien

keines der beiden Blätter verletzt zu sein, trotzdem die Tentakeln noch

immer eingebogen waren; nach 72 Stunden war eines beinahe todt, während das andere im Begriffe war, sich wieder auszubreiten und zu

erholen.

Kohlensäure. — Eine Pflanze wurde unter eine 122 Unzen haltende Glasglocke gestellt, welche mit diesem Gas gefüllt war und über

Wasser stand; ich hatte aber die Absorption des Gases durch das Wasser

nicht hinreichend mit in Rechnung gezogen, so dasz gegen den letzten

Theil des Versuches hin etwas Luft eingezogen wurde. Nachdem die

Pflanze 2 Stunden lang der Kohlensäure ausgesetzt gewesen war, wurde

sie entfernt und Stückchen rohes Fleisch auf die Drüsen von drei Blättern

gelegt. Eines dieser Blätter hieng etwas herab und wurde zuerst theilweise und bald später darauf vollständig vom Wasser bedeckt, welches

innerhalb des Gefässes in dem Wasser stieg, als das Gas absorbirt wurde.

An diesem letztern Blatte wurden die Tentakeln, denen Fleisch gegeben

worden war, in 2 Minuten 30 Secunden, das ist ungefähr in der normalen Geschwindigkeit, ordentlich eingebogen, so dasz ich zu dem irrigen

Schlusse kam, die Kohlensäure habe keine Wirkung hervorgebracht, bis

ich mich daran erinnerte, dasz ja das Blatt vor dem Gase geschützt gewesen war und vielleicht aus dem Wasser Sauerstoff absorbirt haben


 

[page break] Cap. 9. Kohlensäure.

könnte, das beständig nach innen gezogen wurde. An den andern beiden

Blättern verhielten sich die Tentakeln mit Fleisch sehr verschieden von

denen am ersten Blatt; zwei von ihnen fiengen zuerst in 1 Stunde 50

Minuten (immer von der Zeit an gerechnet, wo das Fleisch auf die Drüsen gebracht worden war) sich unbedeutend zu bewegen an, waren in 2

Stunden 22 Minuten deutlich eingebogen und erreichten in 3 Stunden

22 Minuten die Mitte. Drei andre Tentakeln fiengen nicht vor Ablauf

von 2 Stunden 20 Minuten sich zu bewegen an, erreichten aber die Mitte

ungefähr zu derselben Zeit wie die andern, nämlich in 3 Stunden 22

Minuten.

Dieser Versuch wurde mehrere Male mit nahezu denselben Resultaten

wiederholt, ausgenommen, dasz die Zeitdauer, ehe die Tentakeln sich zu

bewegen anfiengen, etwas schwankte. Ich will nur einen einzigen andern

Fall anführen. Eine Pflanze wurde in demselben Gefäsz dem Gas 45

Minuten lang ausgesetzt, und dann wurden Stückchen Fleisch auf vier

Drüsen gelegt. Die Tentakeln bewegten sich aber nicht in 1 Stunde 40

Minuten; nach 2 Stunden 30 Minuten waren alle vier gut eingebogen

und erreichten nach 3 Stunden die Mitte.

Die folgende eigenthümliche Erscheinung kam zuweilen, aber durchaus nicht immer vor. Eine Pflanze wurde 2 Stunden lang in das Gas

gestellt, und dann wurden Stückchen Fleisch auf mehrere Drüsen gelegt.

Im Verlaufe von 13 Minuten wurden sämmtliche halbrandständige

Tentakeln an dem einen Blatte beträchtlich eingebogen; diejenigen mit

dem Fleische nicht im geringsten Grade mehr als die andern. An einem

zweiten Blatte, welches wohl etwas alt war, wurden die Tentakeln mit

Fleisch ebenso wie einige wenige andere, mäszig eingebogen. An einem

dritten Blatte wurden alle Tentakeln dicht eingebogen, obschon auf keine

einzige Drüse Fleisch gelegt worden war. Ich vermuthe, dasz diese Bewegung der Reizung in Folge der Absorption von Sauerstoff zugeschrieben

werden kann. Das letzterwähnte Blatt, welchem kein Fleisch gegeben

worden war, war nach 24 Stunden vollständig wieder ausgebreitet, während bei den andern beiden Blättern alle Tentakeln dicht über den

Stückchen Fleisch eingebogen waren, welche in dieser Zeit nach der

Mitte geschafft worden waren. Es hatten sich hiernach diese drei Blätter

von den Wirkungen des Gases im Laufe von 24 Stunden vollständig

wieder erholt.

Bei einer andern Gelegenheit wurden einigen schönen Pflanzen, nachdem sie 2 Stunden lang im Gase gelassen worden waren, unmittelbar

darauf in der gewöhnlichen Art Stückchen Fleisch gegeben; und als sie

der Luft ausgesetzt wurden, wurden die meisten ihrer Tentakeln in 12

Minuten zu einer senkrechten oder subverticalen Stellung aufgekrümmt,

aber in einer äuszerst unregelmäszigen Art und Weise: einige nur an der

einen Seite des Blattes, und einige an der andern. Sie blieben einige

Zeit in dieser Stellung; dabei hatten sich die Tentakeln mit den Stückchen Fleisch zuerst nicht schneller oder weiter nach innen bewegt als die

andern ohne Fleisch. Aber nach 2 Stunden 20 Minuten fiengen die

ersteren an, sich zu bewegen und fuhren stetig fort, sich zu biegen bis

sie die Mitte erreichten. Am nächsten Morgen, nach 22 Stunden, waren

alle Tentakeln an diesen Blättern dicht über das Fleisch zusammen


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

geschlagen, welches bei allen nach der Mitte gebracht worden war, während die senkrechten und subverticalen Tentakeln an den andern Blättern,

denen kein Fleisch gegeben worden war, sich vollständig wieder ausgebreitet hatten. Indesz, nach der späteren Wirkung einer schwachen

Lösung von kohlensaurem Ammoniak auf eines dieser letztern Blätter zu

urtheilen, hatte es in 22 Stunden seine Reizbarkeit und sein Bewegungsvermögen nicht vollständig wieder erlangt; ein anderes Blatt aber war

nach Verlauf weiterer 24 Stunden vollkommen wieder hergestellt, nach

der Art und Weise, wie es eine auf seine Scheibe gesetzte Fliege umfaszte, zu urtheilen.

Ich will nur noch ein einziges anderes Experiment anführen. Nachdem eine Pflanze 2 Stunden lang dem Gase ausgesetzt worden war, wurde

eines ihrer Blätter in eine ziemlich starke Lösung von kohlensaurem

Ammoniak eingetaucht, und zwar zusammen mit einem frischen Blatt von

einer andern Pflanze. An dem letzteren waren innerhalb 30 Minuten die

meisten Tentakeln stark eingebogen; während das Blatt, welches der

Kohlensäure ausgesetzt gewesen war, 24 Stunden in der Lösung blieb,

ohne dasz irgend welche Einbiegung eintrat, mit Ausnahme zweier Tentakeln. Dies Blatt war beinahe vollständig gelähmt worden, und war

nicht im Stande, seine Reizbarkeit wieder zu erlangen, so lange es noch

in der Lösung war, welche, da sie mit destillirtem Wasser dargestellt

worden war, wahrscheinlich wenig Sauerstoff enthielt.

Schluszbemerkungen über die Wirkungen der vorstehend aufgeführten Agentien. — Da die Drüsen, wenn sie

gereizt werden, einen Einflusz gewisser Art den umgebenden Tentakeln

übermitteln, welche diese sich zu biegen veranlassen, und die Drüsen

dazu anregen, eine vermehrte Menge eines modificirten Secrets zu ergieszen, so lag mir daran, zu ermitteln, ob die Blätter irgend ein

Element von der Beschaffenheit des Nervengewebes enthielten, welches,

wenn auch nicht ununterbrochen zusammenhängend, doch als Leitungscanal diente. Dies führte mich darauf, die verschiedenen Alkoloide

und andere Substanzen zu versuchen, von denen bekannt ist, dasz sie

eine kräftige Wirkung auf das Nervensystem von Thieren äuszern.

Anfangs wurde ich in meinen Versuchen dadurch ermuthigt, dasz ich

fand, Strychnin, Digitalin und Nicotin, welche alle auf das Nervensystem wirken, waren für die Drosera giftig und bewirkten einen

gewissen Grad von Einbiegung. Ferner verursachte Blausäure, welche

für Thiere ein so tödtliches Gift ist, rapide Bewegung der Tentakeln.

Da aber mehrere unschädliche Säuren selbst in groszer Verdünnung,

so Benzoësäure, Essigsäure u. s. w., ebenso wie einige ätherische Öle

für die Drosera äuszerst giftig sind und schnell starke Einbiegung

verursachen, so scheint es wahrscheinlich, dasz Strychnin, Nicotin,


 

[page break] Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels.

Digitalin und Blausäure Einbiegung durch Einwirkung auf Elemente

verursachen, welche in keiner Weise den Nervenzellen der Thiere

analog sind. Wenn Elemente dieser letzteren Natur in den Blättern

vorhanden gewesen wären, so hätte man erwarten können, dasz Morphium, Hyoscyamus, Atropin, Veratrin, Colchicin, Curare und verdünnter Alkohol eine irgendwie ausgesprochene Wirkung hervorgebracht haben würden, während diese Substanzen nicht giftig sind

und das Vermögen, Einbiegung zu verursachen, gar nicht oder nur

in einem sehr unbedeutenden Grade besitzen. Es ist indesz zu beachten, dasz Curare, Colchicin und Veratrin Muskelgifte sind, d. h. dasz

sie auf Nerven wirken, welche in irgend einer speciellen Beziehung

zu Muskeln stehn, so dasz man daher nicht erwarten konnte, dasz

sie auf Drosera wirkten. Das Gift der Brillenschlange ist für Thiere

äuszerst tödtlich, dadurch dasz es die Nervencentren lähmt 7, für

Drosera ist es aber nicht im mindesten tödtlich, wenngleich es schnell

starke Einbiegung verursacht.

Trotz der vorstehend mitgetheilten Thatsachen, welche zeigen,

wie weit von einander verschieden die Wirkung gewisser Substanzen

auf die Gesundheit oder das Leben von Thieren und von Drosera ist,

so besteht doch ein gewisser Grad von Parallelismus in der Wirkung

gewisser anderer Substanzen. Wir haben gesehen, dasz dies in einer

auffallenden Weise für die Natron- und Kali-Salze gilt. Ferner sind

verschiedene metallische Salze und Säuren, nämlich die von Silber,

Quecksilber, Gold, Zinn, Arsenik, Chrom, Kupfer und Platin, von

denen die meisten oder alle für Thiere in hohem Grade giftig sind,

in gleicher Weise auch für Drosera giftig. Es ist aber eine eigenthümliche Thatsache, dasz das Chlorblei und zwei Barytsalze für

diese Pflanze nicht giftig sind. Es ist eine in gleicher Weise befremdende Thatsache, dasz, obgleich Essig- und Propionsäure in hohem

Grade giftig sind, die ihnen verwandte Ameisensäure dies nicht ist,

und dasz, während gewisse vegetabilische Säuren, nämlich Oxalsäure,

Benzoësäure u. s. w. in einem hohen Grade giftig sind, Gallus-, Tannin-, Weinstein- und Äpfelsäure (alle in einem gleichen Grade verdünnt) dies nicht sind. Äpfelsäure veranlaszt Einbiegung, während

die drei andern oben genannten Pflanzensäuren dies Vermögen nicht

besitzen. Es würde aber eine vollständige Pharmacopöe erfordern,

7 Dr. Fayrer, The Thanatophidia of India, 1871. p. 4.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

die verschiedenartigen Wirkungen verschiedener Substanzen auf Drosera zu beschreiben 8.

Von den Alkaloiden und deren Salzen, welche versucht wurden,

hatten mehrere nicht die geringste Kraft, Einbiegung zu verursachen;

andere, welche sicherlich absorbirt wurden, wie aus der veränderten

Farbe der Drüsen hervorgieng, hatten nur eine sehr mäszige Fähigkeit dieser Art; andere wiederum, wie das essigsaure Chinin und

Digitalin, verursachten starke Einbiegung.

Die verschiedenen in diesem Capitel erwähnten Substanzen haben

auf die Färbung der Drüsen einen sehr verschiedenen Einflusz. Dieselben werden häufig zuerst dunkel und dann sehr blasz oder weisz,

wie es in auffallender Weise mit den Drüsen der Fall war, welche

dem Gifte der Cobra und dem citronensauren Strychnin ausgesetzt

worden waren. In andern Fällen werden sie von Anfang an weisz

gemacht, wie es bei Blättern der Fall ist, die in heiszes Wasser und

verschiedene Säuren getaucht werden; ich vermuthe, dasz dies das

Resultat der Gerinnung des Eiweiszes ist. An einem und demselben

Blatte wurden einige Drüsen weisz und andere dunkel gefärbt, wie

es bei Blättern vorkam, die in einer Lösung von schwefelsaurem

Chinin und in Alkoholdämpfen lagen. Länger anhaltendes Eintauchen

in Nicotin, Curare und selbst Wasser schwärzt die Drüsen; und dies

ist, wie ich glaube, eine Folge der Zusammenballung des Protoplasma

in ihren Zellen. Doch verursachte Curare nur sehr wenig Zusammenballung in den Zellen der Tentakeln, während Nicotin und schwefelsaures Chinin eine stark ausgeprägte Zusammenballung hinab bis zur

Basis der Tentakeln bewirkte. Die zusammengeballten Massen in

Blättern, welche 3 Stunden 15 Minuten lang in einer gesättigten

Lösung von schwefelsaurem Chinin eingetaucht gewesen waren, boten

unaufhörliche Formveränderungen dar, waren aber nach 24 Stunden

bewegungslos, wo das Blatt schlaff und allem Anscheine nach todt

8 Wenn man erwägt, dasz Essigsäure, Blausäure und Chromsäure, essigsaures

Strychnin und Ätherdämpfe der Drosera giftig sind, so ist es merkwürdig, dasz

Dr. Ransom (Philosoph. Transact. 1867, p. 480.), welcher viel stärkere Lösungen

dieser Substanzen benutzte als ich, angibt, "dasz die rhythmische Contractilität des

"Dotters (der Hechteier) nicht wesentlich von irgend einem der angewandten Gifte

"beeinfluszt wird, welches nicht, mit Ausnahme des Chloroforms und der Kohlen"säure, chemisch wirkte.‟ Ich finde bei mehreren Schriftstellern die Angabe, dasz

Curare keinen Einflusz auf Sarcode oder Protoplasma hat, und wir haben gesehen,

dasz Curare zwar einen gewissen Grad von Einbiegung verursacht, aber sehr wenig

Zusammenballung des Protoplasma bewirkt.


 

[page break] Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels.

war. Andererseits waren bei Blättern, welche 48 Stunden lang einer

starken Auflösung des Giftes der Brillenschlange ausgesetzt gewesen

waren, die protoplasmatischen Massen ungewöhnlich lebendig, während

bei höheren Thieren die Flimmerhaare und die weiszen Blutkörperchen von dieser Substanz schnell gelähmt zu werden scheinen.

Bei den Salzen der Alkalien und Erden bestimmt die Natur der

Basis und nicht die der Säure ihre physiologische Wirkung auf Drosera, wie es gleichfalls bei Thieren der Fall ist; diese Regel ist aber

kaum auf die Chinin- und Strychnin-Salze anwendbar; denn das essigsaure Chinin verursacht viel mehr Einbiegung als das schwefelsaure,

und beide sind giftig, während das salpetersaure Chinin nicht giftig

ist und Einbiegung in einem viel langsamern Tempo veranlaszt als

das essigsaure. Die Wirkung des citronensaureu Strychnins ist gleichfalls von der des schwefelsauren etwas verschieden.

Auf Blätter, welche 24 Stunden lang in Wasser oder nur 20

Minuten lang in verdünnten Alkohol oder in eine schwache Zuckerlösung eingetaucht gewesen waren, wirkt später das phosphorsaure

Ammoniak sehr langsam ein oder gar nicht, obschon das kohlensaure

Ammoniak schnell auf dieselben wirkt. Ein 20 Minuten langes Eintauchen in eine Lösung von arabischem Gummi hat keinen derartigen

verzögernden Einflusz. Die Lösungen gewisser Salze und Säuren

afficiren die Blätter, in Bezug auf die spätere Einwirkung des phosphorsauren Ammoniaks, genau so wie Wasser, während andere das

Phosphat nachher schnell und energisch wirken lassen. In diesem

letztern Falle könnten die Zwischenräume in den Zellwandungen durch

Molecule der zuerst in Lösung angewandten Salze verstopft sein, so

dasz das Wasser später nicht eindringen könnte, trotzdem die Molecule des Phosphates und noch leichter die des kohlensauren Salzes es

thun könnten.

Die Wirkung von in Wasser aufgelöstem Campher ist merkwürdig, denn er veranlaszt nicht blosz bald Einbiegung, sondern macht

auch allem Anscheine nach die Drüsen äuszerst empfindlich für

mechanische Reizung; denn wenn sie nach einem Eintauchen in die

Lösung für kurze Zeit mit einem weichen Pinsel bestrichen werden,

so fangen die Tentakeln in ungefähr zwei Minuten an sich zu biegen.

Es könnte indessen sein, dasz das Bepinseln, obschon an und für sich

kein hinreichender Reiz, doch eine Bewegung dadurch zu erregen


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 9.

strebt, dasz es die directe Wirkung des Camphers verstärkt. Campherdämpfe wirken andererseits narcotisch.

Einige ätherische Öle verursachen sowohl in Auflösung als auch

in Dampfform rapide Einbiegung, andere haben dies Vermögen nicht;

diejenigen, welche ich versuchte, waren sämmtlich giftig.

Verdünnter Alkohol (ein Theil auf sieben Theile Wasser) ist nicht

giftig, bewirkt keine Einbiegung und vermehrt auch nicht die Empfindlichkeit der Blätter für mechanische Reizung. Der Dampf wirkt als

Narcoticum oder anaesthetisch, und ein langes Aussetzen tödtet die

Blätter.

Die Dämpfe von Chloroform, Schwefel- und Salpeter-Äther wirken in einer eigenthümlich schwankenden Weise auf verschiedene

Blätter und selbst auf die verschiedenen Tentakeln an einem und

demselben Blatte. Dies ist, wie ich vermuthe, Folge von Verschiedenheiten des Alters oder der Constitution der Blätter, und auch des

Umstandes, ob gewisse Tentakeln vor Kurzem thätig gewesen sind.

Dasz diese Dämpfe von den Drüsen absorbirt werden, beweist ihre

Farbenveränderung, da aber auch andere, nicht mit Drüsen versehene

Pflanzen von diesen Dämpfen afficirt werden, so ist es wahrscheinlich,

dasz sie auch von den Spaltöffnungen der Drosera absorbirt werden.

Zuweilen regen sie auszerordentlich rapide Einbiegung an, doch ist

dies kein ausnahmsloses Resultat. Läszt man sie selbst eine mäszig

lange Zeit einwirken, so tödten sie die Blätter, während eine nur

eine kurze Zeit lang einwirkende kleine Dosis als narcotisches oder

anaesthetisches Mittel wirkt. In diesem Falle werden die Tentakeln,

mögen sie nun eingebogen worden sein oder nicht, durch auf die

Drüsen gelegte Stückchen Fleisch nicht eher zu weiterer Bewegung

angeregt, als bis nach Ablauf beträchtlicher Zeit. Man nimmt allgemein an, dasz diese Dämpfe bei Thieren und Pflanzen dadurch wirken,

dasz sie die Oxydation unterbrechen.

Wurden die Blätter 2 Stunden lang, in einem Falle nur 45 Minuten lang der Kohlensäure ausgesetzt, so wurden dadurch die Drüsen gleichfalls für eine Zeitlang gegen den mächtigen Reiz rohen

Fleisches unempfindlich gemacht. Wurden indesz die Blätter 24 oder

48 Stunden in der Luft gelassen, so erhielten sie ihre volle Thätigkeit wieder und schienen nicht im mindesten beschädigt zu sein.

Wir haben im dritten Capitel gesehen, dasz der Procesz des Zusammenballens bei Blättern, welche 2 Stunden lang diesem Gase


 

[page break] Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels.

ausgesetzt und dann in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak

gelegt wurden, sehr verzögert wird, so dasz eine beträchtliche Zeit

vergeht, ehe das Protoplasma in den untern Zellen der Tentakeln

zusammengeballt wird. In einigen Fällen bewegten sich, bald nachdem die Blätter aus dem Gas entfernt und in die Luft gebracht worden waren, die Tentakeln von selbst, wie ich vermuthe in Folge der

durch den Zutritt des Sauerstoffs bewirkten Reizung. Indessen konnten

diese eingebogenen Tentakeln einige Zeit lang nachher durch Reizung

ihrer Drüsen zu keiner weiteren Bewegung angeregt werden. Von

andern reizbaren Pflanzen ist es bekannt 9, dasz der Ausschlusz von

Sauerstoff ihre Bewegung verhindert und die Bewegungen des Protoplasma innerhalb ihrer Zellen aufhält; doch ist dieses Aufhalten eine

von der eben erwähnten Verlangsamung des Processes der Zusammenballung verschiedene Erscheinung. Ob diese letztere Thatsache der

directen Einwirkung der Kohlensäure oder dem Ausschlusse des Sauerstoffs zuzuschreiben ist, weisz ich nicht.

9 Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 693.


 

[[208]/0222]

Zehntes Capitel.

Über die Empfindlichkeit der Blätter und über die Übermittelungsbahnen des motorischen Impulses.

Die Drüsen und Spitzen der Tentakeln allein empfindlich. — Übermittelung des

motorischen Impulses die Stiele der Tentakeln hinab und quer durch die

Blattscheibe. — Zusammenballung des Protoplasma eine Reflexthätigkeit. —

Erste Entladung des motorischen Impulses plötzlich. — Richtung der Bewegungen der Tentakeln. — Motorischer Impuls durch das Zellengewebe übermittelt. — Mechanismus der Bewegungen. — Natur des motorischen Impulses. — Wiederausbreitung der Tentakeln.

Wir haben in den vorausgehenden Capiteln gesehen, dasz viele

weit von einander verschiedene Reizmittel, mechanische wie chemische,

die Bewegung der Tentakeln anregen, ebenso wie die der Blattscheibe;

und wir müssen nun zuerst betrachten, welches die Punkte sind,

welche reizbar oder empfindlich sind, und zweitens, wie der motorische Impuls von einem Punkte auf den andern übermittelt wird.

Die Drüsen sind beinahe ausschlieszlich der Sitz der Reizbarkeit, und

doch musz sich diese Reizbarkeit eine sehr kurze Strecke weit unterhalb derselben erstrecken; denn wenn sie mit einer scharfen Scheere

abgeschnitten wurden, ohne selbst berührt zu werden, so wurden die

Tentakeln häufig eingebogen. Diese kopflosen Tentakeln breiteten

sich häufig wieder aus; und wenn später Tropfen der beiden stärksten bekannten Reizmittel auf die Schnittenden gebracht wurden, so

wurde keine Wirkung hervorgebracht. Nichtsdestoweniger sind diese

kopflosen Tentakeln einer späteren Einbiegung fähig, wenn sie durch

einen ihnen von der Scheibe zugesandten Impuls gereizt werden. Es

gelang mir bei verschiedenen Gelegenheiten, Drüsen zwischen feinen

Pincetten zu zerquetschen; dies erregte aber durchaus keine Bewegung, ebenso wenig thaten es rohes Fleisch und Ammoniaksalze, wenn

sie auf solche zerquetschte Drüsen gebracht wurden. Es ist wohl

wahrscheinlich, dasz sie so augenblicklich getödtet wurden, dasz sie


 

[page break] Cap. 10. Empfindlichkeit der Blätter.

nicht mehr im Stande waren, irgend einen motorischen Impuls weiter

zu senden; denn in sechs beobachteten Fällen (in zweien derselben

wurde indessen die Drüse ganz weggeknippen) wurde das Protoplasma

innerhalb der Zellen der Tentakeln nicht zusammengeballt, während

in einigen angrenzenden Tentakeln, welche in Folge davon, dasz sie

mit der Pincette roh berührt worden waren, eingebogen wurden, das

Protoplasma gut zusammengeballt wurde. In gleicher Weise wird

das Protoplasma nicht zusammengeballt, wenn ein Blatt durch Eintauchen in kochendes Wasser augenblicklich getödtet wird. Auf der

andern Seite trat doch ein deutlicher, wenn auch mäsziger, Grad von

Zusammenballung in mehreren Fällen ein, in denen die Tentakeln,

nachdem ihre Drüsen mit einer scharfen Scheere abgeschnitten worden war, eingebogen wurden.

Die Stiele der Tentakeln wurden heftig und wiederholt gerieben;

rohes Fleisch oder andere reizende Substanzen wurden sowohl auf die

obere Fläche in der Nähe der Basis als auch an andern Stellen auf

sie gelegt; es erfolgte aber keine deutliche Bewegung. Einige Stückchen Fleisch wurden, nachdem sie eine beträchtliche Zeit lang auf

den Stielen gelassen worden waren, nach oben geschoben, so dasz sie

die Drüsen eben berührten; und in einer Minute fiengen die Tentakeln

sich zu biegen an. Ich glaube, dasz die Blattscheibe nicht empfindlich für irgend welches Reizmittel ist. Ich stiesz die Spitze einer

Lancette durch die Scheiben mehrerer Blätter und eine Nadel drei

oder vier mal durch neunzehn Blätter; im erstern Falle erfolgte keine

Bewegung; aber ungefähr bei einem Dutzend Blätter, welche wiederholt gestochen worden waren, wurden einige wenige Tentakeln unregelmäszig eingebogen. Da ındesz während der Operation ihre Rückseiten

unterstützt werden muszten, so können vielleicht einige der äuszeren

Drüsen ebenso wie diejenigen auf der Scheibe berührt worden sein;

und dies genügte vielleicht, den unbedeutenden Grad von Bewegung,

welcher beobachtet wurde, zu verursachen. Nitschke 1 sagt, dasz

Schneiden und Stechen des Blattes keine Bewegung erregt. Der

Blattstiel ist vollständig unempfindlich.

Die Rückseite der Blätter trägt zahlreiche äuszerst kleine Papillen,

welche nicht absondern, aber die Fähigkeit der Aufsaugung besitzen.

Diese Papillen sind, wie ich glaube, Rudimente früher hier existirt

1 Botanische Zeitung, 1860, p. 234.

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 14

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

habender Tentakeln, zusammen mit ihren Drüsen. Viele Experimente

wurden angestellt, um zu ermitteln ob die Rückseite der Blätter in

irgend welcher Weise gereizt werden könne; es wurden sieben und

dreiszig Blätter dabei versucht. Einige wurden lange Zeit hindurch

mit einer stumpfen Nadel gerieben; auf andere wurden Tropfen von

Milch und andern reizenden Flüssigkeiten, rohes Fleisch, zerdrückte

Fliegen und verschiedene andere Substanzen gebracht. Diese Substanzen wurden gern bald trocken, zum Beweise, dasz keine Absonderung angeregt worden war. Ich feuchtete sie daher mit Speichel,

mit Ammoniaklösungen, schwacher Salzsäure und häufig mit dem

Secrete aus den Drüsen anderer Blätter an. Ich hielt auch einige

Blätter, auf deren Rückseite reizende Gegenstände gebracht worden

waren, unter einer feuchten Glasglocke; aber bei aller meiner Sorgfalt

sah ich doch niemals irgend eine wahre Bewegung. Ich wurde dadurch dazu geführt, so viele Versuche zu machen, weil, im Gegensatz

zu meinen früheren Erfahrungen, Nitschke angibt 2, dasz er, nachdem

er Gegenstände mit Hülfe der klebrigen Absonderung an der Rückseite der Blätter befestigt habe, wiederholt die Tentakeln (und in

einem Falle sogar die Blattscheibe) zurückgebogen gesehen habe.

Wenn diese Bewegung eine wirkliche gewesen ist, würde sie eine

äuszerst anomale sein; denn sie setzt voraus, dasz die Tentakeln einen

motorischen Impuls von einer unnatürlichen Quelle her erhalten und

das Vermögen haben, sich in einer Richtung zu biegen, welche zu

der ihnen sonst gewohnten genau die umgekehrte ist; dies Vermögen

wäre übrigens für die Pflanze auch nicht von dem mindesten Nutzen,

da Insecten nicht an der glatten Rückseite der Blätter kleben bleiben können.

Ich habe gesagt, dasz in den oben erwähnten Fällen keine Wirkung hervorgebracht worden sei; dies ist aber nicht ganz streng

richtig; denn in drei Fällen wurden zu den Stückchen rohen Fleisches

auf der Rückseite der Blätter, um sie eine Zeit lang feucht zu erhalten, ein wenig Syrup hinzugefügt; und nach 36 Stunden war eine

Spur von Zurückbiegen in den Tentakeln eines Blattes und sicher

auch in der Scheibe eines andern vorhanden. Nach zwölf weiteren

Stunden fiengen die Drüsen an zu trocknen, und alle drei Blätter

schienen bedeutend verletzt zu sein. Es wurden dann vier Blätter

2 Botanische Zeitung, 1860, p. 437.


 

[page break] Cap. 10. Empfindlichkeit der Blätter.

unter eine Glasglocke gebracht, die Stiele in Wasser, und auf der

Rückseite Tropfen von Zuckerlösung, aber ohne irgend welches Fleisch.

Bei zweien dieser Blätter waren nach Verlauf eines Tages einige

wenige Tentakeln rückwärts gebogen. Die Tropfen hatten nun beträchtlich an Grösze zugenommen, da sie Feuchtigkeit eingesaugt

hatten, und zwar so, dasz sie die Rückseite der Tentakeln und Stiele

hinab tröpfelten. Am zweiten Tage war bei einem Blatte die Scheibe

bedeutend zurückgeschlagen: am dritten Tage waren die Tentakeln

von zweien, ebenso wie die Scheiben aller vier, in einem bedeutenderen

oder minderen Grade zurückgeschlagen. Die obere Seite des einen

Blattes bot nun, anstatt wie zuerst unbedeutend concav zu sein, eine

starke Convexität nach aufwärts dar. Selbst am fünften Tage schienen die Blätter nicht todt zu sein. Da nun Zucker die Drosera

nicht im Mindesten reizt, so können wir das Zurückschlagen der

Scheiben und Tentakeln der obigen Blätter getrost der Exosmose aus

den Zellen, welche mit der Zuckerlösung in Berührung waren, und

der in Folge derselben eintretenden Contraction derselben zuschreiben.

Wenn Tropfen einer dicken Zuckerlösung auf die Blätter von Pflanzen gebracht werden, deren Wurzeln sich noch immer in feuchter

Erde befinden, so erfolgt keine Einbiegung; denn ohne Zweifel pumpen

die Wurzeln Wasser so geschwind hinauf, als es durch Exosmose verloren wird. Wenn aber abgeschnittene Blätter in Syrup oder irgend

eine andere dichte Flüssigkeit eingetaucht werden, so werden die

Tentakeln bedeutend, wenn schon unregelmäszig, eingebogen, wobei

einige die Form von Korkziehern annehmen; auch werden die Blätter

bald welk. Wenn sie nun in eine Flüssigkeit von niedrigem specifischem Gewicht eingetaucht werden, so strecken sich die Tentakeln

wieder aus. Aus diesen Thatsachen können wir schlieszen, dasz auf

die Rückseite von Blättern gebrachte Tropfen dichter Zuckerlösung

nicht dadurch wirken, dasz sie einen motorischen Impuls anregen,

welcher den Tentakeln übermittelt wird, sondern dadurch, dasz sie

durch Herbeiführung von Exosmose das Zurückschlagen verursachen.

Dr. Nitschke benutzte das Secret dazu, Insecten an die Rückseite

von Blättern zu kleben; und ich vermuthe, er brauchte eine grosze

Quantität, welche, da sie dicht war, Exosmose verursachte. Vielleicht

experimentirte er auch mit abgeschnittenen Blättern oder an Pflanzen, deren Wurzeln nicht genügend mit Wasser versehen wurden.

Soweit daher unsere gegenwärtige Kenntnis reicht, können wir

14 *

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

schlieszen, dasz die Drüsen zusammen mit den unmittelbar darunter

liegenden Zellen der Tentakeln der ausschlieszliche Sitz der Reizbarkeit oder Empfindlichkeit sind, mit welchen die Blätter begabt sind.

Der Grad, bis zu welchem eine Drüse gereizt ist, kann nur durch die

Zahl der umgebenden Tentakeln, welche eingebogen werden, und durch

die Grösze und Geschwindigkeit ihrer Bewegungen gemessen werden.

Gleich lebenskräftige Blätter, derselben Temperatur ausgesetzt (und

dies ist eine wichtige Bedingung) werden unter den folgenden Umständen in verschiedenen Graden erregt. Eine minutiöse Menge einer

schwachen Lösung bringt keine Wirkung hervor; man füge mehr

hinzu, oder gebe eine etwas stärkere Lösung, und die Tentakeln biegen sich. Man berühre eine Drüse ein- oder zweimal und keine Bewegung erfolgt; man bewege sie drei- oder viermal, und die Tentakeln werden eingebogen. Aber die Beschaffenheit der den Blättern

gegebenen Substanz ist ein sehr wichtiges Element: wenn gleich

grosze Stückchen Glas (welches nur mechanisch wirkt), von Gelatine

und rohem Fleisch auf die Scheiben mehrerer Blätter gelegt werden,

so verursacht das Fleisch eine viel schnellere, energischere und weiter

verbreitete Bewegung, als die zwei erstern Substanzen. Auch ruft

die Zahl der Drüsen, welche gereizt werden, eine grosze Verschiedenheit im Resultate hervor: man lege ein Stückchen Fleisch auf eine

oder zwei der Scheibendrüsen und nur einige wenige der umgebenden

kurzen Tentakeln werden eingebogen; man lege es auf mehrere Drüsen, und die Wirkung wird sich auf viel mehr erstrecken; man lege

es auf dreiszig oder vierzig, und alle Tentakeln, mit Einschlusz der

äuszersten randständigen, werden dicht eingebogen. Wir sehen hieraus, dasz die von einer Anzahl von Drüsen ausgehenden Impulse einander kräftigen, sich weiter verbreiten und auf eine gröszere Anzahl

von Tentakeln wirken, als der Impuls von irgend einer einzelnen Drüse.

Übermittelung des motorischen Impulses. — In einem

jeden Falle hat der von einer Drüse ausgehende Impuls mindestens

eine kurze Strecke weit zu den basalen Theilen des Tentakels zu

wandern, da der obere Theil und die Drüse selbst einfach durch die

Einbiegung des untern Theiles bewegt werden. Der Impuls wird

in dieser Weise immer nahezu die ganze Länge des Stieles hinab gesandt. Wenn die centralen Drüsen gereizt und die äuszersten randständigen Tentakeln eingebogen werden, so wird der Impuls quer

durch den halben Durchmesser der Scheibe übermittelt; und wenn


 

[page break] Cap. 10. Ubermittelung des motorischen Impulses.

die Drüsen an einer Seite der Scheibe gereizt werden, so wird der

Impuls beinahe quer über die ganze Breite der Scheibe hinübergesandt.

Eine Drüse übersendet ihren motorischen Impuls viel leichter und

schneller ihren eigenen Tentakel hinab nach der sich biegenden Stelle

als quer über die Scheibe an benachbarte Tentakeln. Wenn hiernach eine äuszerst kleine Dosis einer sehr schwachen Ammoniaklösung

einer der Drüsen der äuszeren Tentakeln gegeben wird, so verursacht

sie, dasz sich derselbe biegt und die Mitte erreicht; während ein

groszer Tropfen derselben Lösung, wenn er zwanzig Drüsen auf der

Scheibe gegeben wird, durch deren combinirten Einflusz doch nicht

die mindeste Einbiegung der äuszern Tentakeln verursachen wird.

Wenn ferner ein Stückchen Fleisch auf die Drüse eines äuszeren Tentakels gethan wird, so habe ich Bewegung in zehn Secunden und

wiederholt innerhalb einer Minute eintreten sehn; aber ein viel

gröszeres Stück auf mehrere Drüsen auf der Scheibe gelegt, veranlaszte die äuszeren Tentakeln nicht eher sich zu biegen als bis nach

Verlauf einer oder mehrerer Stunden.

Der motorische Impuls breitet sich von einer oder mehr gereizten Drüsen allmählich nach allen Seiten hin aus, so dasz die Tentakeln, welche am nächsten stehn, immer zuerst afficirt werden.

Wenn daher die Drüsen im Mittelpunkte der Scheibe gereizt werden,

so sind die äuszersten randständigen Tentakeln die zuletzt eingebogenen. Aber die Drüsen auf verschiedenen Theilen des Blattes übermitteln ihre motorische Kraft in einer etwas verschiedenen Art und

Weise. Wenn ein Stückchen Fleisch auf die langköpfige Drüse eines

randständigen Tentakels gelegt wird, so überliefert sie schnell einen

Impuls dem sich biegenden Theil ihres eigenen Tentakels, niemals

aber, so weit ich beobachtet habe, an benachbarte Tentakeln; denn

diese werden nicht eher afficirt, als bis das Fleisch nach den centralen

Drüsen hin geschafft worden ist, welche dann ihren vereinigten Impuls nach allen Seiten hin ausstrahlen. Bei vier Gelegenheiten wurden Blätter so präparirt, dasz einige Tage vorher alle Drüsen aus

dem Centrum entfernt wurden, so dasz dieselben nicht durch Fleischstückchen gereizt werden konnten, welche ihnen durch die Einbiegung

der randständigen Tentakeln zugeführt wurden; und nun breiteten

sich diese randständigen Tentakeln nach einiger Zeit wieder aus, ohne

dasz irgend ein anderer Tentakel afficirt worden wäre. Andere Blätter

wurden ähnlich präparirt, und Stückchen Fleisch wurden auf die


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

Drüsen von zwei Tentakeln in der dritten Reihe von der Auszenseite

her, und auf die Drüsen von zwei Tentakeln in der fünften Reihe

gelegt. In diesen vier Fällen wurde der Impuls an erster Stelle seitwärts, d. h. in derselben concentrischen Reihe der Tentakeln, und

dann nach dem Centrum hin weiter geschickt, aber nicht centrifugal

oder nach den äuszeren Tentakeln hin. In einem dieser Fälle wurde

nur ein einziger Tentakel auf jeder Seite des einen mit Fleisch afficirt.

In den drei andern Fällen wurden von einem halben bis ganzen

Dutzend Tentakeln, sowohl seitwärts als nach der Mitte hin, gut

eingebogen oder halb eingebogen. Endlich wurden in zehn andern

Experimenten minutiöse Stückchen Fleisch auf eine einzige oder auf

zwei Drüsen in der Mitte der Scheibe gelegt. Damit keine andere

Drüse das Fleisch berühren solle, und zwar durch die Einbiegung der

dicht anstoszenden kurzen Tentakeln, war vorher ungefähr ein halbes

Dutzend Drüsen rings um die ausgewählten entfernt worden. Bei

acht von diesen Blättern wurden im Laufe von ein oder zwei Tagen

von sechzehn bis fünf und zwanzig der kurzen umgebenden Tentakeln

eingebogen, so dasz der von einer oder zwei der scheibenständigen

Drüsen ausstrahlende motorische Impuls im Stande ist, so viel Wirkung hervorzubringen. Die Tentakeln, welche entfernt worden waren,

sind in den angegebenen Zahlen eingeschlossen; denn da sie so dicht

daneben standen, würden sie sicherlich afficirt worden sein. Bei den

zwei noch übrigen Blättern wurden beinahe alle die kurzen Tentakeln

auf der Scheibe eingebogen. Mit einem noch kräftigeren Reizmittel

als Fleisch, nämlich ein wenig phosphorsauren Kalk mit Speichel befeuchtet, habe ich die Einbiegung sich von einer einzigen in dieser

Weise behandelten Drüse noch weiter verbreiten sehen; aber selbst

in diesem Falle wurden die drei oder vier äuszern Tentakelreihen

nicht afficirt. Aus diesen Experimenten ergibt sich, dasz der Impuls

von einer einzelnen Drüse auf der Scheibe aus auf eine gröszere Anzahl von Tentakeln wirkt, als der von einer Drüse der äuszeren verlängerten Tentakeln ausgehende; und dies ist wahrscheinlich, wenigstens zum Theil, Folge davon, dasz der Impuls, da er nur eine sehr

kurze Strecke weit die Stiele der mittelständigen Tentakeln hinab zu

wandern hat, im Stande ist, sich eine beträchtliche Entfernung rings

herum zu verbreiten.

Als ich diese Blätter untersuchte, war ich von der Thatsache

überrascht, dasz bei sechs, oder vielleicht sieben, von ihnen die Ten


 

[page break] Cap. 10. Übermittelung des motorischen Impulses.

takeln an den nächsten und entferntesten Punkten des Blattes (d. h.

nach der Spitze und der Basis, oder dem Stielende zu) viel mehr eingebogen waren, als auf den beiden Seiten; und doch standen die

Tentakeln anf den Seiten der Drüse, wo das Stückchen Fleisch lag,

genau so nahe wie die an den beiden Enden. Es schien hiernach,

als würde der motorische Impuls von dem Centrum aus quer über die

Scheibe leichter in einer longitudinalen als in einer queren Richtung

übermittelt; und da dies eine neue und interessante Thatsache in der

Physiologie der Pflanzen zu sein schien, so wurden fünf und dreiszig

frische Experimente angestellt, um ihre Richtigkeit zu prüfen. Minutiöse Stückchen Fleisch wurden auf eine einzelne oder auf einige

wenige Drüsen auf der rechten oder linken Seite der Scheibe von

achtzehn Blättern gelegt; während andere Stückchen von der nämlichen Grösze auf die nächsten und entfernten Ende von siebenzehn

andern Blättern gethan wurden. Wenn nun der motorische Impuls

mit gleicher Kraft oder mit gleicher Geschwindigkeit durch die Blattscheibe in allen Richtungen hin übermittelt würde, so müszte ein

Stückchen Fleisch, welches auf eine Seite oder an das eine Ende der

Scheibe gelegt wurde, gleichmäszig alle in gleicher Entfernung von

ihm gelegene Tentakeln afficiren; dies war aber sicherlich nicht der

Fall. Ehe ich die allgemeinen Resultate mittheile, ist es wohl der

Mühe werth, drei oder vier ziemlich ungewöhnliche Fälle zu beschreiben.

1. Ein äuszerst kleines Bruchstück einer Fliege wurde auf die eine

Seite der Scheibe gelegt, und nach 32 Minuten waren sieben der äuszern

Tentakeln in der Nähe des Bruchstücks eingebogen; nach 10 Stunden

wurden es noch verschiedene mehr und nach 23 Stunden eine noch

gröszere Anzahl; jetzt wurde auch die Scheibe des Blattes auf dieser

Seite einwärts gebogen, so dasz sie zu der der andern Seite im rechten

Winkel aufrecht stand. Weder die Scheibe des Blattes noch ein einziger

Tentakel auf der gegenüberliegenden Seite war afficirt; die Trennungslinie zwischen den beiden Hälften erstreckte sich vom Stiele bis zur

Blattspitze. Das Blatt blieb drei Tage lang in diesem Zustande, am

vierten Tage begann es sich wieder auszubreiten; auf der gegenüberliegenden Seite war nicht ein einziger Tentakel eingebogen worden.

2. Ich will hier einen Fall mittheilen, der nicht mit in den oben

erwähnten fünf und dreiszig Experimenten eingeschlossen ist. Eine kleine

Fliege wurde gefunden, welche mit ihren Füszen der linken Seite der

Scheibe anhieng. Die Tentakeln auf dieser Seite bogen sich bald dicht

ein und tödteten die Fliege; wahrscheinlich in Folge des Kämpfens, so

lange die Fliege lebendig war, war das Blatt so sehr gereizt, dasz in


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

ungefähr 24 Stunden alle Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite eingebogen wurden; da sie aber keine Beute fanden, — denn ihre Drüsen

erreichten die Fliege nicht, — breiteten sie sich im Verlaufe von 15

Stunden wieder aus, während die Tentakeln auf der linken Seite mehrere

Tage eingeschlagen blieben.

3. Ein Stückchen Fleisch, eher etwas gröszer als die gewöhnlich benutzten, wurde in der Medianlinie am basalen Ende der Scheibe in die

Nähe des Stieles gelegt; nach 2 Stunden 30 Minuten waren einige der

in der Nähe stehenden Tentakeln eingebogen; nach 6 Stunden waren die

Tentakeln auf beiden Seiten des Blattstieles und eine Strecke weit an

beiden Seiten hinauf mäszig eingebogen; nach 8 Stunden waren die Tentakeln an dem andern, ferneren oder Spitzenende mehr eingebogen als

die auf beiden Seiten; nach 23 Stunden war das Fleisch ordentlich von

allen Tentakeln umfaszt, ausgenommen von den äuszeren auf den beiden

Seiten.

4. Ein anderes Stückchen Fleisch wurde auf das andere, entferntere

oder Spitzende eines andern Blattes gelegt mit genau denselben relativen

Resultaten.

5. Ein sehr kleines Stückchen Fleisch wurde auf die eine Seite der

Scheibe gelegt; am nächsten Tage waren die in der Nähe stehenden

kurzen Tentakeln eingebogen, ebenso wie auch drei oder vier auf der

entgegengesetzten Seite in der Nähe des Stengels in einem unbedeutenden

Grade. Am zweiten Tage boten diese letzteren Tentakeln Zeichen der

Wiederausstreckung dar; ich that daher ein frisches Stückchen Fleisch

auf nahezu denselben Fleck und nach zwei Tagen waren einige der kurzen Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite der Scheibe eingebogen.

So bald diese sich wieder auszubreiten anfiengen, fügte ich ein anderes

Stückchen Fleisch zu, und am nächsten Tage waren alle Tentakeln auf

der entgegengesetzten Seite der Scheibe nach dem Fleische zu eingebogen;

während, wie wir gesehen haben, diejenigen auf derselben Seite durch

das erste dem Blatte gegebene Stückchen Fleisch afficirt wurden.

Nun zu den allgemeinen Resultaten. Von den achtzehn Blättern,

bei denen Stückchen Fleisch auf die rechte oder linke Seite der Scheibe

gelegt wurden, war bei acht eine ungeheure Anzahl von Tentakeln

auf derselben Seite eingebogen, und bei vier von ihnen war die

Scheibe selbst auf dieser Seite gleichfalls eingebogen; während weder

ein einziger Tentakel noch die Scheibe auf der entgegengesetzten

Seite afficirt waren. Diese Blätter boten ein merkwürdiges Aussehn

dar, als wenn nur die eingebogene Seite thätig und die andere gelähmt wäre. In den übrigen zehn Fällen wurden einige wenige Tentakeln jenseits der Mittellinie, auf der, der Seite wo das Fleisch

lag entgegengesetzten Seite eingebogen; aber in einigen von diesen

Fällen nur am Stiel- oder Spitzenende der Blätter. Die Einbiegung

auf der entgegengesetzten Seite erfolgte immer beträchtliche Zeit


 

[page break] Cap. 10. Übermittelung des motorischen Impulses.

nach der auf derselben Seite und in einem Falle nicht vor dem vierten Tage. Wir haben auch bei No. 5 gesehen, dasz dreimal Stückchen Fleisch nachgegeben werden muszten, ehe alle die kurzen

Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite der Scheibe eingebogen

wurden.

Das Resultat war sehr verschieden, wenn Stückchen Fleisch in

der Medianlinie auf das nähere Stiel-, oder entferntere Spitzen-Ende

der Scheibe gelegt wurde. In drei der in dieser Weise angestellten

siebenzehn Versuche waren entweder in Folge des Zustandes des

Blattes oder in Folge der Kleinheit des Fleischstückchens nur die

unmittelbar angrenzenden Tentakeln afficirt; aber in den andern vierzehn Fällen wurden die Tentakeln an dem entgegengesetzten Ende

des Blattes eingebogen, obschon diese von dem Punkte, wo das Fleisch

lag ebenso entfernt waren, wie es die auf der einen Seite der Scheibe

vom Fleische auf der entgegengesetzten Seite waren. In einigen der

vorliegenden Fälle wurden die Tentakeln auf den Seiten durchaus gar

nicht afficirt, oder in einem geringeren Grade, oder nach einem

längeren Zeitverlauf als die am entgegengesetzten Ende. Eine Reihe

von Experimenten verdient in ausführlicherem Detail mitgetheilt zu

werden. Würfel von Fleisch, nicht völlig so klein wie die gewöhnlich angewandten, wurden auf die eine Seite der Scheibe von vier

Blättern gelegt, und Würfel von derselben Grösze auf das nähere oder

entferntere (Stiel- oder Spitzen-) Ende vier anderer Blätter. Wenn

nun diese beiden Reihen von Blättern nach Verlauf von 24 Stunden

mit einander verglichen wurden, so boten sie einen auffallenden Unterschied dar. Diejenigen, welche die Würfel auf der einen Seite

trugen, waren auf der entgegengesetzten Seite sehr unbedeutend

afficirt; während bei denjenigen, welche die Würfel an einem der

beiden Enden hatten, beinahe jeder Tentakel am entgegengesetzten

Ende, selbst die randständigen, dicht eingebogen waren. Nach 48

Stunden war der Contrast in dem Zustand der beiden Reihen noch

immer grosz; doch waren bei denen, welche das Fleisch auf einer

Seite hatten, die scheiben- und randständigen Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite etwas eingebogen, und zwar in Folge der bedeutenden Grösze der Würfel. Endlich können wir aus diesen fünf und

dreiszig Experimenten (die sechs oder sieben früheren gar nicht zu

erwähnen) schlieszen, dasz der motorische Impuls von jeder einzelnen

Drüse oder kleinen Gruppe von Drüsen durch die Scheibe der andern


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

Tentakeln leichter und wirksamer in einer Längs- als in einer QuerRichtung übermittelt wird.

So lange die Drüsen erregt bleiben, und dies kann viele Tage

lang andauern, selbst elf Tage, so z. B. wenn sie mit phosphorsaurem

Kalk in Berührung sind, übermitteln sie beständig einen motorischen

Impuls den basalen und sich biegenden Theilen ihrer eigenen Stiele,

denn sonst würden sie sich ja wieder ausbreiten. Der grosze Unterschied in der Länge der Zeit, während welcher Tentakeln über anorganischen Körpern und über Gegenständen derselben Grösze, welche

lösliche stickstoffhaltige Substanzen enthalten, eingebogen bleiben,

beweist die nämliche Thatsache. Aber die Intensität des von einer

gereizten Drüse ausgesandten Impulses, welche angefangen hat, ihr

saures Secret zu ergieszen, und zu gleicher Zeit absorbirt, scheint

sehr gering zu sein im Vergleich zu dem Impuls, den sie übermittelt,

wenn sie zuerst gereizt wird. So z. B., wenn mäszig grosze Stückchen Fleisch auf eine Seite der Scheibe gelegt wurden, und die

scheiben- und halbrandständigen Tentakeln auf der entgegengesetzten

Seite wurden eingebogen, so dasz ihre Drüsen zuletzt das Fleisch berührten und Substanz aus ihm aufsaugten, so übersandten sie keinen

motorischen Impuls an die äuszeren Reihen von Tentakeln auf derselben Seite; denn diese wurden niemals eingebogen. Wenn indessen

Fleisch auf die Drüsen dieser nämlichen Tentakeln gelegt worden

wäre, ehe sie angefangen hatten, reichlich abzusondern und zu absorbiren, so würden sie unzweifelhaft auch die äuszeren Reihen afficirt

haben. Trotzdem, wenn ich etwas phosphorsauren Kalk, welcher ein

äuszerst wirksames Reizmittel ist, mehreren halbrandständigen Tentakeln gab, welche bereits beträchtlich eingebogen, aber noch nicht

in Berührung waren mit etwas Phosphat, was vorher auf zwei Drüsen in dem Centrum der Scheibe gelegt worden war, so trat doch

eine Wirkung auf die äuszeren Tentakeln auf derselben Seite ein.

Wenn eine Drüse zuerst gereizt wird, wird der motorische Impuls innerhalb weniger Secunden entladen, wie wir aus dem Biegen

der Tentakeln erkennen; und er scheint zuerst mit viel gröszerer Kraft

entladen zu werden als später. So wurde in dem oben angeführten

Falle, wo eine kleine Fliege von einigen wenigen Drüsen auf einer

Seite des Blattes auf natürliche Weise gefangen worden war, ein

Impuls langsam von jenen aus quer durch die ganze Breite des Blattes

ausgesandt, welcher die entgegengesetzten Tentakeln zeitweilig sich


 

[page break] Cap. 10. Übermittelung des motorischen Impulses.

einzubiegen veranlaszte; aber die Drüsen, welche mit dem Insect in

Berührung blieben, obschon sie mehrere Tage lang beständig einen

Impuls ihre eigenen Stiele hinab zu der biegenden Stelle hinsandten,

konnten doch nicht verhindern, dasz sich die Tentakeln auf der entgegengesetzten Seite schnell wieder ausbreiteten, so dasz der motorische Impuls zuerst kräftiger gewesen sein musz als später.

Wenn ein Gegenstand irgend welcher Art auf die Scheibe gelegt

wird, und die umgebenden Tentakeln werden eingebogen, so sondern

ihre Drüsen reichlicher ab und das Secret wird sauer, so dasz ihnen

ein gewisser Einflusz von den scheibenständigen Drüsen zugesandt

wird. Diese Veränderung in der Beschaffenheit und Menge des Secrets

kann nicht von der Beugung der Tentakeln abhängen, da die Drüsen

der kurzen centralen Tentakeln eine Säure absondern, wenn ein Gegenstand auf sie gelegt wird, obschon sie sich nicht selbst biegen. Ich

kam daher zu dem Schlusse, dasz die Drüsen der Scheibe einen gewissen Einflusz die umgebenden Tentakeln hinauf zu deren Drüsen

sendeten, und dasz diese einen motorischen Impuls rückwärts an ihre

basalen Theile reflectirten; diese Ansicht erwies sich jedoch bald als

irrig. Es wurde durch viele Versuche ermittelt, dasz Tentakeln, deren

Drüsen mit einer scharfen Scheere abgeschnitten worden waren, häufig

eingebogen werden und sich wieder ausbreiten, dabei noch immer

gesund erscheinend. Einer, welcher genau beobachtet wurde, blieb

augenscheinlich gesund, selbst zehn Tage lang nach der Operation. Ich

schnitt daher die Drüsen von zwanzig Tentakeln zu verschiedenen

Zeiten und an verschiedenen Blättern ab, und siebenzehn davon wurden bald eingebogen, und streckten sich später wieder aus. Die

Wiederausstreckung begann in ungefähr 8 oder 9 Stunden und war

in von 22 bis zu 30 Stunden von der Zeit der Einbiegung an gerechnet vollendet. Nach einer Zwischenzeit von einem oder zwei

Tagen wurde rohes Fleisch und Speichel auf die Scheiben dieser

siebenzehn Blätter gelegt, und als sie am nächsten Tage beobachtet

wurden, waren sieben von den kopflosen Tentakeln so dicht über

dem Fleische eingebogen, wie die unverletzten Tentakeln an denselben Blättern; und nach weiteren drei Tagen wurde noch ein achter

kopfloser Tentakel eingebogen. Das Fleisch wurde von einem der

Blätter entfernt, und die Oberfläche mit einem sanften Wasserstrom

gewaschen; nach drei Tagen streckte sich der kopflose Tentakel zum

zweiten male wieder aus. Diese Tentakeln ohne Drüsen waren


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

indessen in einem verschiedenen Zustande von den mit Drüsen versehenen, welche Substanz aus dem Fleisch absorbirt hatten; denn

das Protoplasma in den Zellen der ersten hatte viel weniger Zusammenballung erlitten. Nach diesen Experimenten mit kopflosen Tentakeln

ist es sicher, dasz die Drüsen, so weit der motorische Impuls in Betracht kommt, in keiner Art von Reflexthätigkeit wirken, wie die

Nervenganglien bei Thieren.

Es findet sich aber eine andere Thätigkeit, nämlich die der Zusammenballung, welche in gewissen Fällen reflex genannt werden

kann, und welche der einzige bekannte Fall im Pflanzenreich ist.

Wir müssen im Sinne behalten, dasz der Procesz nicht von dem vorausgehenden Biegen der Tentakeln abhängt, wie wir deutlich sehen,

wenn Blätter in gewisse starke Lösungen getaucht werden. Auch

hängt er nicht von einer vermehrten Absonderung von den Drüsen

ab; und dies zeigt sich durch mehrere Thatsachen, ganz besonders

dadurch, dasz die Papillen, welche nicht absondern, doch eine Zusammenballung erfahren, wenn man ihnen kohlensaures Ammoniak

oder einen Aufgusz von rohem Fleisch gibt. Wenn eine Drüse auf

irgend welche Weise direct gereizt wird, so wie durch den Druck

eines minutiösen Stückchen Glas, so wird zuerst das Protoplasma

innerhalb der Zellen der Drüse, dann das in den Zellen unmittelbar

unterhalb der Drüse zusammengeballt, und so immer tiefer und tiefer

die Tentakeln hinab bis zu ihren Basen; — d. h. wenn der Reiz hinreichend stark und nicht schädlich war. Wenn nun die Drüsen der

Scheibe gereizt werden, so werden die äuszeren Tentakeln in genau

derselben Art und Weise afficirt: die Zusammenballung beginnt immer

in ihren Drüsen, obschon diese nicht direct gereizt worden sind, sondern nur von der Scheibe einen gewissen Einflusz erhalten haben,

wie sich durch ihre vermehrte saure Absonderung zeigt. Das Protoplasma innerhalb der Zellen unmittelbar unterhalb der Drüsen wird

zunächst afficirt und so weiter abwärts von Zelle zu Zelle bis zu

den Basen der Tentakeln. Dieser Procesz verdient dem Anscheine

nach eine Reflexthätigkeit genannt zu werden, in derselben Weise,

wie, wenn ein sensorischer Nerv gereizt wird, derselbe einen Eindruck

einem Ganglion zusendet, welches dann einen bestimmten Einflusz

einem Muskel oder einer Drüse zurückgibt, welcher Bewegung oder

vermehrte Absonderung verursacht; die Handlung selbst ist aber in

den beiden Fällen wahrscheinlich von einer sehr verschiedenen Natur.


 

[page break] Cap. 10. Richtung der eingebogenen Tentakeln.

Nachdem das Protoplasma in einem Tentakel zusammengeballt worden ist, beginnt seine Wiederauflösung immer in dem unteren Theil

und schreitet langsam den Stiel zur Drüse hinauf, so dasz das zuletzt zusammengeballte Protoplasma das zuerst wieder aufgelöste ist.

Dies hängt wahrscheinlich davon ab, dasz das Protoplasma, je weiter

und weiter in den Tentakeln hinab, um so weniger und weniger zusammengeballt ist, wie man deutlich sehen kann, wenn die Erregung

gering gewesen ist. Sobald daher die zusammenballende Thätigkeit

ganz und gar aufhört, beginnt naturgemäsz die Wiederauflösung in

der weniger stark zusammengeballten Masse in dem untersten Theile

des Tentakels und wird dort zuerst vollendet.

Richtung der eingebogenen Tentakeln. — Wenn ein

Körperchen irgend welcher Art auf die Drüse eines der äuszeren

Tentakeln gelegt wird, so bewegt sich derselbe ausnahmslos nach

dem Mittelpunkte des Blattes zu; und dasselbe ist der Fall mit allen

Tentakeln eines in irgend eine erregende Flüssigkeit eingetauchten

Blattes. Die Drüsen der äuszeren Tentakeln bilden dann einen Ring

rings um den mittleren Theil der Scheibe, wie es in einer früheren

Figur dargestellt wurde (Fig. 4, S. 9). Die kurzen Tentakeln innerhalb dieses Ringes behalten noch immer ihre senkrechte Stellung, wie

sie es auch thun, wenn ein groszer Gegenstand auf ihre Drüsen gelegt wird oder wenn sie ein Insect gefangen haben. In diesem letztern Falle kann man sehen, dasz die Einbiegung der kurzen centralen

Tentakeln nutzlos sein würde, da ihre Drüsen bereits mit der Beute

in Berührung sind.

Das Resultat ist sehr verschieden, wenn eine einzelne Drüse auf

einer Seite der Scheibe gereizt wird, oder einige wenige zusammen in

einer Gruppe. Diese senden einen Impuls an die umgebenden Tentakeln, welche sich nun nicht nach dem Mittelpunkte des Blattes hin,

sondern nach dem Punkte der Reizung hin biegen. Wir verdanken

diese äuszerst wichtige Beobachtung Nitschke 3; seitdem ich vor wenigen Jahren seinen Aufsatz gelesen habe, habe ich die Beobachtung

wiederholt bestätigt. Wenn ein minutiöses Stückchen Fleisch mit

Hülfe einer Nadel auf eine einzelne Drüse oder auf drei oder vier zusammen, halbwegs zwischen dem Centrum und dem Umkreis der

Scheibe gelegt wird, so zeigt sich die nach einem bestimmten Punkte

3 Botanische Zeitung, 1860, p. 240.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

hin gerichtete Bewegung der umgebenden Tentakeln sehr gut. Eine

genaue Zeichnung eines Blattes mit Fleisch in dieser Lage wird hier

mitgetheilt (Fig. 10); man sieht die Tentakeln, mit Einschlusz einiger

der äuszeren, genau nach dem Punkte hin gerichtet, wo das Fleisch

liegt. Eine viel bessere Methode ist aber die, ein Stückchen phosphorsauren Kalks mit Speichel angefeuchtet auf eine einzelne Drüse auf

der einen Seite der Scheibe eines groszen Blattes zu legen und ein

anderes Stückchen auf eine einzelne der gegenüberliegenden Seite. In

vier solchen Versuchen war die Reizung nicht hinreichend stark, um

die äuszeren Tentakeln zu afficiren, aber alle die den beiden Punkten

nahe stehenden waren nach ihnen hingerichtet, so dasz auf der Scheibe

eines und desselben Blattes zwei Räder gebildet wurden: die Stiele der Tentakeln

bildeten die Speichen und die über dem

Phosphate zu einer Masse verbundenen

Drüsen stellten die Achsen dar. Die Genauigkeit, mit welcher jeder Tentakel nach

dem Stückchen hinwies, war wunderbar,

so dasz ich in einigen Fällen keine Abweichung von vollkommener Richtigkeit

entdecken konnte. Wenn in dieser Weise

die kurzen Tentakeln in der Mitte der

Scheibe einen motorischen Impuls von irgend

einem Punkte auf der einen Seite her erhalten, so richten sie sich doch, trotzdem

sie sich nicht biegen, wenn ihre Drüsen

[Abbildung      Fig. 10. (Drosera troundifolia.)

Blatt (vergröszert), die Tentakeln über

ein, auf einer Seite der Scheibe liegendes Stückchen Fleisch eingebogen.]

in einer directen Art und Weise gereizt

werden, gleich gut mit den Tentakeln an den Rändern der Scheibe

nach dem Punkte hin.

In diesen Experimenten wurden einige der kurzen Tentakeln auf

der Scheibe, welche nach dem Mittelpunkte hin gerichtet worden

wären, wenn das Blatt in eine reizende Flüssigkeit eingetaucht worden wäre, nun in einer genau entgegengesetzten Richtung, nämlich

nach dem Umkreis zu eingebogen. Diese Tentakeln waren daher in

dem Verhältnis von 180° von der Richtung abgewichen, welche

sie angenommen haben würden, wenn ihre eigenen Drüsen gereizt

worden wären und welche als die normale beobachtet werden kann.

Zwischen dieser gröszten möglichen Abweichung von der normalen


 

[page break] Cap. 10. Richtung der eingebogenen Tentakeln.

Richtung und gar keiner Abweichung konnte man an den Tentakeln

auf diesen verschiedenen Blättern jeden Grad beobachten. Trotz der

Bestimmtheit, mit welcher allgemein die Tentakeln gerichtet waren,

waren doch die in der Nähe des Umfangs eines Blattes nicht genau

nach etwas phosphorsaurem Kalk auf einem ziemlich entfernten Punkte

auf der entgegengesetzten Seite der Blattscheibe hingerichtet. Es

schien, als sei der motorische Impuls beim Übergang quer über beinähe die ganze Breite der Scheibe etwas von einem richtigen Laufe

abgewichen. Dies stimmt mit dem überein, was wir bereits gesehen

haben, dasz nämlich der Impuls weniger leicht in querer als in longitudinaler Richtung weitergeht. In einigen anderen Fällen schienen

die äuszeren Tentakeln keiner so genauen Bewegung fähig zu sein,

wie die kürzeren und dem Mittelpunkte näher stehenden.

Nichts konnte auffallender sein, als die äuszere Erscheinung der

oben erwähnten vier Blätter, jedes mit seinen Tentakeln richtig nach

den zwei kleinen Massen von Phosphat auf ihren Scheiben hinweisend.

Wir könnten uns vorstellen, dasz wir ein niedrig organisirtes Thier

betrachteten, was sich Beute mit seinen Armen fängt. Was die

Drosera betrifft, so liegt die Erklärung dieses Vermögens genauer

Bewegung ohne Zweifel darin, dasz der motorische Impuls nach allen

Richtungen hin ausstrahlt; welche Seite eines Tentakels er zuerst

trifft, diese Seite zieht sich zusammen: der Tentakel biegt sich folglich nach dem Punkte der Reizung hin. Die Stiele der Tentakeln

sind auf dem Querschnitt abgeplattet oder elliptisch. In der Nähe

der Basen der kurzen centralen Tentakeln wird die abgeplattete oder

breite Seite aus ungefähr fünf Längsreihen von Zellen gebildet; bei

den äuszeren Tentakeln der Scheibe besteht sie aus ungefähr sechs

oder sieben Reihen und bei den äuszersten randständigen Tentakeln

aus ungefähr einem Dutzend Reihen. Da die abgeplatteten Basen

hiernach nur aus einigen wenigen Reihen von Zellen gebildet werden,

so ist die Präcision der Bewegungen der Tentakeln um so merkwürdiger; denn wenn der motorische Impuls die Basis eines Tentakels

in einer sehr schrägen Richtung in Bezug auf ihre breite Fläche

trifft, so können kaum mehr als eine oder zwei Zellen nach dem

einen Ende hin zuerst afficirt werden und die Contraction dieser Zellen

musz den ganzen Tentakel in die gehörige Richtung ziehen. Es ist

vielleicht eine Folge des Umstands, dasz die äuszeren Tentakelstiele

bedeutend abgeplattet sind, dasz sie sich nicht völlig so genau nach


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10

dem Punkte der Reizung hin biegen, wie es die centraleren thun.

Die gehörig gerichtete Bewegung der Tentakeln ist kein einzeln dastehender Fall im Pflanzenreich, denn die Ranken vieler Pflanzen

krümmen sich nach der Seite hin, welche berührt wird; der Fall mit

der Drosera ist aber bei weitem interessanter, da hier die Tentakeln

nicht direct gereizt werden, sondern einen Impuls von einem entfernten Punkte her erhalten; nichtsdestoweniger biegen sie sich genau

nach diesem Punkte hin.

Über die Natur der Gewebe, durch welche der motorische Impuls übermittelt wird. — Es wird nothwendig

sein, zuerst kurz den Verlauf der hauptsächlichen Gefäszbündel (Fibrovasalstränge) zu beschreiben. Diese sind

in der beistehenden Skizze eines kleinen

Blattes dargestellt (Fig. 11). Kleine Gefäsze treten von den benachbarten Bündeln

aus in alle die vielen Tentakeln ein, mit

denen die Oberfläche bedeckt ist; diese

sind aber hier nicht wiedergegeben. Der

mittlere Stamm, welcher den Stiel hinaufläuft, theilt sich in der Nähe der Mitte

des Blattes gabelförmig, und jeder Zweig

gabelt sich wieder und wieder entsprechend

der Grösze des Blattes. Tief unten gibt

dieser centrale Stamm an jeder Seite einen

zarten Zweig ab, welche der sublaterale

Zweig genannt werden kann. Es findet

[Abbildung      Fig. 11. (Drosera rotundifolia.)

Schematische Darstellung der Verbreitung der Gefäszbündel in einem

kleinen Blatte.]

sich auf jeder Seite ein Hauptseitenzweig

oder -bündel, welcher sich in derselben Weise wie die andern gabelförmig theilt. Die Gabelung bringt nicht mit sich, dasz irgend ein

einzelnes Gefäsz sich theilt, sondern nur, dasz sich ein Bündel in

zwei spaltet. Blickt man auf jede Seite des Blattes, so sieht man,

dasz ein Zweig von der groszen centralen Gabeltheilung aus mit einem

Zweige des seitlichen Bündels zusammenmündet und dasz sich noch

eine kleinere Verbindung zwischen den beiden hauptsächlichsten Zweigen des Seitenbündels findet. Der Verlauf der Gefäsze ist bei der

gröszeren Zusammenmündung sehr complicirt; und hier bilden sich

häufig den nämlichen Durchmesser beibehaltende Gefäsze durch die

Vereinigung der stumpf zugespitzten Enden zweier Gefäsze, ob aber


 

[page break] Cap. 10. Die leitenden Gewebe.

diese Spitzen sich mit ihren an einander gelegten Flächen in einander

öffnen, weisz ich nicht. Mittelst dieser beiden Zusammenmündungen

werden alle die Gefäsze auf einer und derselben Seite des Blattes in

eine gewisse Art von Zusammenhang gebracht. In der Nähe des

Umfangs der gröszeren Blätter kommen auch die sich gabelnden

Zweige in nahe Verbindung und trennen sich dann wieder, eine Zickzacklinie von Gefäszen rings um den ganzen Blattumfang bildend.

Es scheint aber die Verbindung der Gefäsze in dieser Zickzacklinie

viel weniger innig zu sein als an der Hauptzusammenmündung. Es

musz übrigens noch hinzugefügt werden, dasz der Verlauf der Gefäsze in verschiedenen Blättern etwas verschieden ist, selbst auf den

beiden entgegengesetzten Seiten eines und desselben Blattes, die Hauptzusammenmündung ist aber immer vorhanden.

Es traf sich nun in meinen ersten Versuchen mit Stückchen

Fleisch, welche auf die eine Seite der Scheibe gebracht wurden, dasz

nicht ein einziger Tentakel auf der gegenüberliegenden Seite eingebogen wurde, und als ich sah, dasz die Gefäsze auf einer und derselben Seite sämmtlich durch die beiden Zusammenmündungsstellen

mit einander in Zusammenhang waren, während nicht ein Gefäsz auf

die entgegengesetzte Seite hinübertrat, so schien es mir wahrscheinlich zu sein, dasz der motorische Impuls ausschlieszlich den Gefäszen

entlang geleitet würde.

Um diese Ansicht zu prüfen, theilte ich mit der Spitze einer

Lancette quer die centralen Stämme bei vier Blättern, gerade unterhalb der Hauptgabeltheilung; und zwei Tage darauf brachte ich ziemlich grosze Stückchen rohen Fleisches (ein äuszerst kräftiges Reizmittel) in die Nähe der Mitte der Scheibe oberhalb des Einschnitts,

— d. h. ein wenig nach der Spitze des Blattes zu — mit den folgenden Resultaten: —

1. Dies Blatt erwies sich als ziemlich torpid; nach 4 Stunden

40 Minuten (in allen Fällen von der Zeit an gerechnet, wo das Fleisch

gegeben wurde) waren die Tentakeln am entfernten, Spitzen-, Ende ein

wenig eingebogen, aber sonst nirgendwo anders; sie blieben drei Tage

lang so und streckten sich am vierten Tage wieder aus. Das Blatt wurde

dann zergliedert und der Stamm ebenso wie die beiden sublateralen

Zweige wurden durchschnitten gefunden.

2. Nach 4 Stunden 30 Minuten waren viele der Tentakeln am entfernten Blattende gut eingebogen. Am nächsten Tage waren die Scheibe

und alle Tentakeln an diesem Ende stark eingebogen und wurden durch

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 15

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

eine deutliche quere Linie von der basalen Hälfte des Blattes getrennt,

welche nicht im mindesten afficirt war. Am dritten Tage waren indessen

einige der kurzen Tentakeln auf der Scheibe in der Nähe der Basis unbedeutend eingebogen. Bei der Zergliederung ergab sich, dasz der Einschnitt sich quer über das Blatt erstreckte wie im letzten Falle.

3. Nach 4 Stunden 30 Minuten war starke Einbiegung der Tentakeln am Spitzenende vorhanden, welche sich während der nächsten zwei

Tage nicht im Allermindesten nach dem basalen Ende zu verbreitete. Der

Einschnitt war wie früher.

4. Dies Blatt wurde nicht vor Verlauf von 15 Stunden beobachtet

und dann wurden alle Tentakeln, mit Ausnahme der äuszersten randständigen, gleichmäszig rings um das ganze Blatt gut eingebogen gefunden. Bei sorgfältiger Untersuchung ergaben sich die Spiralgefäsze des

centralen Stammes als sicher durchschnitten; aber der Einschnitt war auf

der einen Seite nicht durch das fasrige, die Gefäsze umgebende Gewebe

hindurchgegangen, obgleich er auf der andern Seite durch das Gewebe

durchgedrungen war 4.

Das von den Blättern 2 und 3 dargebotene Aussehen war sehr

merkwürdig und kann passend mit dem eines Menschen verglichen

werden, dessen Rückgrat gebrochen ist und dessen untere Extremitäten gelähmt sind. Ausgenommen, dasz die Trennungslinie zwischen

den beiden Hälften hier quer war, statt longitudinal zu sein, waren

diese Blätter in demselben Zustande wie einige der in den früheren

Versuchen benutzten, mit Stückchen Fleisch, die auf die eine Seite

der Scheibe gelegt waren. Der Fall mit Blatt Nr. 4 beweist, dasz

die Spiralgefäsze des Hauptstammes durchschnitten sein können und

dasz trotzdem der motorische Impuls vom Spitzen- zum Stiel-Ende

des Blattes übermittelt werden kann. Dies führte mich zuerst zu

der Vermuthung, dasz die motorische Kraft durch das dicht umgebende

Fasergewebe fortgeleitet werde, und dasz, wenn die eine Hälfte dieses

Gewebes ungetrennt erhalten wird, sie zur vollständigen Übermittelung genüge. Aber in Widerspruch zu dieser Schluszfolgerung steht

die Thatsache, dasz keine Gefäsze direct von einer Seite des Blattes

zur andern treten und dasz doch, wie wir gesehen haben, wenn ein

etwas gröszeres Stückchen Fleisch auf die eine Seite gelegt wird, der

motorische Impuls, wenn auch langsam und unvollkommen, in einer

queren Richtung über die ganze Breite des Blattes hinübergeschickt

wird. Man kann diese letztere Thatsache auch nicht dadurch er

4 Ziegler hat ähnliche Versuche mit Durchschneiden der Spiralgefäsze bei

Drosera intermedia angestellt (Comptes rendus, 1874, p. 417), ist aber zu, von

meinen ganz verschiedenen Schluszfolgerungen gelangt.


 

[page break] Cap. 10. Die leitenden Gewebe.

klären, dasz man annimmt, die Übermittelung werde durch die zwei

Zusammenmündungen oder durch die am Blattumfang hinziehende

Zickzacklinie der Gefäszverbindungen bewirkt; denn wäre dies der

Fall gewesen, so würden die äuszeren Tentakeln auf der gegenüberliegenden Seite der Scheibe eher als die centraleren afficirt worden

sein, was niemals vorkam. Wir haben auch gesehen, dasz die äuszersten randständigen Tentakeln die Fähigkeit nicht zu besitzen scheinen,

einen Impuls den benachbarten Tentakeln zu übermitteln; und doch

gibt das kleine Bündel von Gefäszen, welches in jeden randständigen

Tentakel eintritt, einen äuszerst kleinen Zweig an die zu beiden

Seiten ab, und dies habe ich bei keinen andern Tentakeln beobachtet. Es sind daher die randständigen Tentakeln inniger durch

Spiralgefäsze mit einander in Zusammenhang als die übrigen, und

doch haben sie viel weniger Fähigkeit, einen motorischen Impuls

einander mitzutheilen.

Aber auszer diesen verschiedenen Thatsachen und Argumenten

haben wir noch bündige Beweise, dasz der motorische Impuls wenigstens nicht ausschlieszlich durch die Spiralgefäsze oder durch das

dieselbe unmittelbar umgebende Gewebe fortgeleitet wird. Wir wissen,

dasz, wenn ein Stückchen Fleisch auf eine Drüse (nach Entfernung

der unmittelbar benachbarten) auf irgend einem Theile der Scheibe

gebracht wird, sich alle die kurzen umgebenden Tentakeln beinahe

gleichzeitig mit groszer Präcision nach ihm hin biegen. Nun gibt

es Tentakeln auf der Scheibe, z. B. in der Nähe der Enden der sublateralen Gefäszbündel (Fig. 11), welche mit Gefäszen versehen werden, die nicht mit den in die umgebenden Tentakeln eintretenden

Zweigen, ausgenommen durch einen sehr langen und äuszerst umschweifigen Verlauf, in Berührung kommen. Wenn ein Stückchen

Fleisch auf die Drüse eines Tentakels dieser Art gelegt wird, so werden sämmtliche umgebende nichtsdestoweniger mit groszer Präcision

nach ihm hin eingebogen. Es ist natürlich möglich, dasz ein Impuls

auf einem langen und weiten Umwege fortgeleitet werden kann, es

ist aber offenbar unmöglich, dasz hierdurch die Richtung der Bewegung mitgetheilt werden könnte, so dasz alle umgebenden Tentakeln

genau nach dem Punkte der Reizung sich biegen müszten. Der Impuls wird ohne Zweifel in geraden strahlenförmig ausgehenden Linien

von der gereizten Drüse nach den umgebenden Tentakeln übermittelt;

er kann daher nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet werden. Die

15*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

Wirkung der Durchschneidung der centralen Gefäsze in den obigen

Fällen, welche sich in der gehinderten Übermittelung des motorischen

Impulses von dem Spitzen- nach dem Stiel-Ende eines Blattes äuszerte,

kann dem Umstande zugeschrieben werden, dasz ein beträchtlicher

Raum des Zellgewebes durchschnitten wurde. Wir werden später,

wenn wir von Dionaea handeln, sehen, dasz diese selbe Schluszfolgerung —, dasz nämlich der motorische Impuls nicht durch die

Gefäszbündel übermittelt wird, — deutlich bestätigt wird; auch Professor Cohn ist in Bezug auf Aldrovanda — beides Mitglieder der

Familie der Droseraceae — zu demselben Schlusse gelangt.

Da der motorische Impuls nicht den Gefäszen entlang fortgeleitet wird, bleibt für seine Leitung nur das Zellgewebe übrig; und

die Structur dieses Gewebes erklärt es bis zu einem gewissen Grade,

woher es kommt, dasz der Impuls die langen äuszeren Tentakeln so

schnell hinabgeht und so viel langsamer quer über die Scheibe des

Blattes geht. Wir werden auch sehen, warum er die Scheibe viel

schneller in einer longitudinalen als in einer queren Richtung durchläuft, obschon er, ist ihm Zeit gelassen, in jeder Richtung hinübergehen kann. Wir wissen, dasz ein und dasselbe Reizmittel Bewegung

der Tentakeln und Zusammenballung des Protoplasma verursacht und

dasz beide Einflüsse innerhalb desselben kurzen Zeitraums in den

Drüsen ihren Ursprung nehmen und von den Drüsen ausgehen. Es

erscheint daher als wahrscheinlich, dasz der motorische Impuls in dem

ersten Anfang einer molecularen Veränderung in dem Protoplasma

besteht, welche, wenn sie ordentlich entwickelt ist, deutlich sichtbar

wird und als Zusammenballung bezeichnet worden ist; auf diesen

Gegenstand werde ich aber noch zurückkommen. Wir wissen ferner,

dasz bei der Übermittelung des Processes der Zusammenballung der

hauptsächlichste Aufenthalt durch den Übergang durch die queren

Zellenwände verursacht wird; denn wie die Zusammenballung die Tentakeln hinabgeht, scheint der Inhalt jeder der aufeinanderfolgenden

Zellen beinahe zu einer wolkigen Masse aufzublitzen. Wir können

daher schlieszen, dasz der motorische Impuls in gleicher Weise hauptsächlich beim Übergang durch die Zellenwände aufgehalten wird.

Dasz der motorische Impuls mit gröszerer Geschwindigkeit die

langen äuszeren Tentakeln hinab geleitet wird, als quer über die

Scheibe, kann zum groszen Theile dem Umstande zugeschrieben werden, dasz er dort dicht in den engen Stiel eingeschränkt ist, während


 

[page break] Cap. 10. Die leitenden Gewebe.

er auf der Scheibe nach allen Seiten ausstrahlt. Aber abgesehen von

dieser Einschränkung, sind die äuszeren Zellen der Tentakeln völlig

zweimal so lang wie diejenigen der Scheibe, so dasz auf eine gegebene Länge eines Tentakels nur die halbe Anzahl von queren

Scheidewänden kommt, welche zu durchsetzen sind, im Vergleich mit

einem gleich groszen Raum auf der Scheibe; in demselben Verhältnis

wird auch eine geringere Verlangsamung des Impulses eintreten.

Überdies weisen Durchschnitte der äuszeren Tentakeln, welche Dr. Warming mitgetheilt hat 5, nach, dasz die parenchymatösen Zellen noch

mehr verlängert sind; und diese würden die allerdirecteste Communicationsbahn von der Drüse nach der Beugungsstelle des Tentakels hin

sein. Wenn der Impuls die äuszeren Zellen hinabgeht, so würde er

zwischen zwanzig und dreiszig Zellscheidewände zu durchsetzen haben,

dagegen etwas weniger, wenn er durch das innere parenchymatöse

Gewebe hinabläuft. In beiden Fällen ist es merkwürdig, dasz der

Impuls im Stande ist, in zehn Secunden durch so viele Scheidewände

nahezu die ganze Länge des Stiels hinabzugehen und auf die Beugungsstelle zu wirken. Warum der Impuls, nachdem er einen der äuszersten randständigen Tentakeln (von ungefähr   Zoll Länge) so schnell

hinabgelaufen ist, niemals, so weit ich es gesehen habe, die angrenzenden Tentakeln afficirt, verstehe ich nicht. Es kann vielleicht zum

Theil dadurch erklärt werden, dasz bei der Schnelligkeit der Übermittelung viel Energie verwandt worden ist.

Die meisten Zellen der Scheiben, sowohl die oberflächlichen als

auch die gröszeren Zellen, welche die darunterliegenden fünf oder

sechs Schichten bilden, sind ungefähr viermal so breit wie lang. Sie

sind beinahe longitudinal angeordnet, vom Stiele strahlenförmig ausgehend. Wenn daher der motorische Impuls quer über die Scheibe

gesandt wird, so hat er nahezu viermal so viel Zellwandungen zu

durchsetzen, wie wenn er in einer Längsrichtung übermittelt wird; er

wird daher im erstern Falle bedeutend aufgehalten werden. Die Zellen

der Scheibe convergiren nach den Basen der Tentakeln zu und sind

daher geeignet, ihnen den motorischen Impuls von allen Seiten her

zuzuführen. Im Ganzen wirft die Anordnung und die Form der Zellen,

sowohl derjenigen der Scheibe als auch der der Tentakeln, viel Licht

auf die Geschwindigkeit und Verbreitungsweise des motorischen Im

5 Videnskabelige Meddelelser fra de naturhist. Forening; Kopenhagen, 1872,

Nr. 10—12. Holzschnitt IV und V.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

pulses. Warum aber derselbe von den Drüsen der Tentakeln der äuszeren

Reihen seitwärts und nach dem Centrum des Blattes zu, und nicht

centrifugal fortzuschreiten neigt, ist durchaus nicht klar.

Mechanismus der Bewegungen und Natur des motorischen Impulses. — Was auch immer die Mittel der Bewegung

sein mögen, die äuszeren Tentakeln werden, in Anbetracht ihrer Zartheit, mit bedeutender Kraft eingebogen. Eine Borste, so gefaszt, dasz

ein 1 Zoll langes Stück aus dem Griff hervorragte, gab nach, als

ich versuchte, damit einen eingebogenen Tentakel aufzuheben, welcher

etwas dünner als die Borste war. Auch der Betrag oder die Ausdehnung der Bewegung ist grosz. Völlig ausgestreckte Tentakeln

durchlaufen, wenn sie eingebogen werden, einen Winkel von 180°;

und wenn sie vorher noch zurückgebogen sind, wie es häufig vorkommt, so ist der Winkel beträchtlich gröszer. Es sind wahrscheinlich die oberflächlichen Zellen an der Beugungsstelle, welche sich

hauptsächlich oder ausschlieszlich zusammenziehen; denn die inneren

Zellen haben sehr zarte Wandungen und sind der Zahl nach so wenig,

dasz sie kaum die Beugung eines Tentakels mit Präcision nach einem

bestimmten Punkte hin verursachen können. Obschon ich sorgfältig

nachgesehen habe, habe ich doch niemals irgend eine Faltenbildung

der Oberfläche der Beugungsstelle entdecken können, selbst nicht in

dem Falle, wo sich unter später noch zu erwähnenden Umständen ein

Tentakel abnormerweise zu einem vollständigen Kreis gekrümmt hatte.

Nicht alle Zellen erfahren eine Einwirkung, wennschon der motorische Impuls durch sie hindurchgeht. Wenn die Drüse eines der

langen äuszeren Tentakeln gereizt wird, so werden die oberen Zellen

nicht im mindesten afficirt: ungefähr halbwegs hinab findet eine unbedeutende Biegung statt, aber die hauptsächlichste Bewegung ist auf

einen kurzen Raum in der Nähe der Basis beschränkt, und kein Theil

der inneren Tentakeln biegt sich, ausgenommen der basale Theil.

Was die Scheibe des Blattes betrifft, so kann der motorische Impuls

vom Mittelpunkte nach dem äuszeren Umfange zu durch viele Zellen

fortgeleitet werden, ohne dasz sie im geringsten afficirt werden; oder

es kann sich eine Wirkung auf sie sehr stark äuszern und die Scheibe

kann bedeutend eingebogen werden. Im letztern Falle scheint die Bewegung zum Theil von der Stärke des Reizes, zum Theil von seiner

Beschaffenheit abzuhängen, z. B. wenn Blätter in gewisse Flüssigkeiten

eingetaucht werden.


 

[page break] Cap. 10. Mittel der Bewegung.

Das Bewegungsvermögen, welches verschiedene Pflanzen besitzen,

wenn sie gereizt werden, ist von bedeutenden Autoritäten dem rapiden

Austritt von Flüssigkeit aus gewissen Zellen zugeschrieben worden,

welche in Folge ihres vorausgehenden Spannungszustandes sich sofort

zusammenziehen 6. Mag dies nun die primäre Ursache solcher Bewegungen sein oder nicht, so musz allerdings Flüssigkeit aus geschlossenen

Zellen austreten, wenn sie sich zusammenziehen oder wenn sie in

einer Richtung zusammengedrückt werden, vorausgesetzt, dasz sie

nicht in derselben Zeit sich in irgend einer anderen Richtung ausdehnen. So kann man z. B. sehen, dasz Flüssigkeit aus der Oberfläche eines jeden jungen und lebenskräftigen Schöszlings herausquillt,

wenn er in einem Halbkreise gebogen wird 7. Was Drosera betrifft,

so findet sicherlich viel Bewegung von Flüssigkeit durch die ganzen

Tentakeln statt, während sie Einbiegung erleiden. Es lassen sich

viele Blätter finden, an denen die purpurne Flüssigkeit innerhalb der

Zellen auf der obern und untern Seite der Tentakeln von einer gleichmäszig dunklen Färbung ist und sich auch auf beiden Seiten gleichmäszig bis in die Nähe der Basen hinaberstreckt. Wenn die Tentakeln eines solchen Blattes zur Bewegung gereizt werden, so wird

man allgemein nach einigen Stunden finden, dasz die Zellen der concaven Seite viel blasser sind, als sie vorher waren, oder dasz sie ganz

farblos sind, während die auf der convexen Seite viel dunkler geworden sind. In zwei Fällen, wo Stückchen Haar auf Drüsen gelegt

worden waren und wo im Laufe von 1 Stunde 10 Minuten die Tentakeln halbwegs nach dem Centrum des Blattes hin gekrümmt worden waren, war diese Veränderung der Färbung auf den beiden Seiten

ganz auffallend deutlich. In einem andern Falle wurde, nachdem ein

Stückchen Fleisch auf eine Drüse gelegt worden war, beobachtet, wie

die purpurne Färbung in Zeitabsätzen langsam von dem obern nach

dem untern Theile, an der convexen Seite des sich biegenden Tentakels

hinabwanderte. Es folgt aber aus diesen Beobachtungen nicht, dasz

die Zellen auf der convexen Seite mit mehr Flüssigkeit während des

Actes der Einbieguug erfüllt wurden, als sie vorher enthielten; denn

während der ganzen Zeit kann Flüssigkeit in die Scheibe oder in die

Drüsen eintreten, welche nun reichlich absondern.

6 Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 860. Diese Ansicht

sprach, glaube ich, zuerst Lamarck aus.

7 Sachs, ebenda, p. 751.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

Die Beugung der Tentakeln, wenn Blätter in eine dichte Flüssigkeit eingetaucht werden, und ihr späteres Sichwiederausstrecken, wenn

sie in eine weniger dichte Flüssigkeit gebracht werden, zeigt, dasz

der Übergang von Flüssigkeit aus oder in Zellen Bewegungen, ähnlich den natürlichen, verursachen kann. Aber die in dieser Weise

verursachte Einbiegung ist häufig unregelmäszig; die äuszeren Tentakeln werden zuweilen spiral aufgedreht. Andere unnatürliche Bewegungen werden gleichfalls durch Anwendung dichter Flüssigkeiten

verursacht, so in dem Falle, wo Tropfen dicker Zuckerlösungen auf

die Rückseite von Blättern und Tentakeln gebracht werden. Derartige

Bewegungen können mit den Verdrehungen verglichen werden, welche

viele pflanzliche Gewebe erleiden, wenn sie der Exosmose ausgesetzt

werden. Es ist daher zweifelhaft, ob sie irgend welches Licht auf

die natürlichen Bewegungen werfen.

Wenn wir annehmen, dasz der Austritt von Flüssigkeit aus Zellen

die Ursache der Beugung der Tentakeln ist, so müssen wir auch annehmen, dasz die Zellen vor dem Acte der Einbiegung sich in einem

hohen Grade der Spannung befinden und dasz sie in einem ganz auszerordentlichen Grade elastisch sind; denn im anderen Falle könnte ihre

Zusammenziehung nicht verursachen, dasz sich häufig die Tentakeln

durch einen Winkel von mehr als 180° bewegen. Professor Cohn

gibt in seinem interessanten Aufsatze 8 über die Bewegungen der Staubfäden gewisser Compositen an, dasz diese Organe, wenn sie abgestorben sind, so elastisch wie Fäden von Gummi elasticum sind und dasz

sie dann nur halb so lang sind wie sie waren, als sie noch lebten.

Er glaubt, dasz das lebende Protoplasma innerhalb ihrer Zellen sich

gewöhnlich in einem Zustande der Ausdehnung befindet, dasz es aber

durch Reizung gelähmt wird oder, wie man sagen kann, zeitweiligen

Tod erleidet; es kommt dann die Elasticität der Zellwandungen in's

Spiel und verursacht die Zusammenziehung der Staubfäden. Nur

scheinen die Zellen auf der oberen oder concaven Seite des sich biegenden Theils der Tentakeln von Drosera sich nicht in einem Zustande

der Spannung zu befinden, auch nicht in hohem Grade elastisch zu

sein; denn wenn ein Blatt plötzlich getödtet wird oder langsam stirbt,

so sind es nicht die oberen, sondern die unteren Seiten der Tentakeln,

8 Abhandlungen der Schlesischen Gesellsch. für vaterländ. Cultur, 1861.

Heft 1. Ein ausgezeichneter Auszug aus diesem Aufsatz ist in den Annals and

Magazine of Nat. Hist., 3. Ser., 1863, Vol. XI, p. 188—197 gegeben.

[page break] Cap. 10. Mittel der Bewegung.

welche sich durch Elasticität zusammenziehen. Wir können daher

schlieszen, dasz ihre Bewegungen nicht durch die inhärente Elasticität

gewisser Zellen, welcher, so lange sie lebendig und nicht gereizt sind,

der ausgedehnte Zustand ihres Inhaltes entgegenwirkt, erklärt werden

können.

Eine etwas verschiedene Ansicht haben andere Physiologen vorgebracht, dasz nämlich das Protoplasma, wenn es gereizt wird, sich

wie die weiche Sarcode der Muskeln von Thieren zusammenzieht. Bei

Drosera erscheint die Flüssigkeit innerhalb der Zellen der Tentakeln

an der Beugungsstelle unter dem Mikroskope dünn und homogen, und

nach der Zusammenballung besteht sie aus weichen Massen von Substanz, welche beständige Änderungen der Form erleiden und in einer

beinahe farblosen Flüssigkeit schwimmen. Diese Massen werden vollständig wieder aufgelöst, wenn sich die Tentakeln wieder ausstrecken.

Nun scheint es kaum möglich zu sein, dasz derartige Substanz

irgend welche mechanische Kraft äuszern könne; wenn sie aber

in Folge irgend einer molecularen Änderung weniger Raum einnehmen sollte als vorher, so würden sich die Zellenwandungen

über ihnen schlieszen und zusammenziehen. In diesem Falle dürfte

man aber erwarten, dasz die Wände Faltungen darböten; und solche

konnten niemals beobachtet werden. Überdies scheint der Inhalt

aller Zellen von genau derselben Beschaffenheit zu sein, sowohl vor

als auch nach der Zusammenballung; und doch ziehen sich nur einige

wenige der basalen Zellen zusammen, während der übrige Tentakel

gerade bleibt.

Eine dritte, von einigen Physiologen vertretene Ansicht, die freilich von den meisten andern verworfen wird, ist die, dasz die ganze

Zelle mit Einschlusz der Wandungen sich activ zusammenzieht. Wenn

die Zellwände nur aus nichtstickstoffhaltiger Cellulose bestehen, ist

diese Ansicht in hohem Grade unwahrscheinlich; es kann aber kaum

bezweifelt werden, dasz sie von protëinartiger Substanz durchdrungen

werden, wenigstens während sie wachsen. Auch scheint darin nicht

von vornherein eine Unwahrscheinlichkeit zu liegen, dasz sich die

Zellwände der Drosera zusammenziehen, wenn man den hohen Zustand ihrer Organisation in Betracht zieht: ein solcher zeigt sich, was

die Drüsen betrifft, einmal in ihrem Vermögen der Aufsaugung und

Absonderung, und darin, dasz sie so ausgesucht empfindlich sind, so

dasz sie durch den Druck der minutiösesten Theilchen afficirt werden.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

Auch die Zellwandungen der Stiele gestatten verschiedenen Impulsen,

durch sie hindurchzugehen und damit Bewegung, vermehrte Absonderung und Zusammenballung zu veranlassen. Im Ganzen stimmt die

Ansicht, dasz die Wände gewisser Zellen sich zusammenziehen, wobei

zu derselben Zeit etwas von der eingeschlossenen Flüssigkeit nach

auszen gedrängt wird, vielleicht am besten mit den beobachteten

Thatsachen überein. Wird diese Ansicht verworfen, so ist die nächstwahrscheinlichste die, dasz der flüssige Inhalt der Zellen in Folge

einer Änderung in seinem molecularen Zustande zusammenschrumpft,

dem dann ein Zusammenschlieszen der Wandungen folgt. Wie dem

auch sei, die Bewegung kann kaum der Elasticität der Wandungen

in Verbindung mit einem vorausgehenden Spannungszustande zugeschrieben werden.

In Bezug auf die Natur des motorischen Impulses, welcher von

den Drüsen aus die Stiele hinab und quer über die Scheibe gesandt

wird, scheint es nicht unwahrscheinlich zu sein, dasz er mit jenem

Einflusse nahe verwandt ist, welcher das Protoplasma innerhalb der

Zellen der Drüsen und Tentakeln sich zusammenzuballen verursacht.

Wir haben gesehen, dasz beide Kräfte in den Drüsen ihren Ursprung

nehmen und innerhalb weniger Secunden derselben Zeit von den Drüsen

weiter gehen und auch durch die nämlichen Ursachen erregt werden.

Die Zusammenballung des Protoplasma dauert beinahe so lange, als

die Tentakeln eingebogen bleiben, selbst wenn dies länger als eine

Woche dauern sollte; aber das Protoplasma wird an der Beugungsstelle, kurz ehe sich die Tentakeln wieder ausstrecken, wieder aufgelöst, woraus hervorgeht, dasz die anregende Ursache des Processes

der Zusammenballung dann völlig aufgehört hat. Wird das Blatt

der Einwirkung der Kohlensäure ausgesetzt, so bewirkt dies, dasz der

letzterwähnte Procesz, sowie der motorische Impuls die Tentakeln

sehr langsam hinabgeht. Wir wissen, dasz der Procesz des Zusammenballens beim Durchschreiten der Zellwände aufgehalten wird, und

haben guten Grund zu glauben, dasz dies auch für den motorischen

Impuls gilt; denn hierdurch wird uns die Verschiedenheit in der

Schnelligkeit der Übermittelung in einer longitudinalen und queren

Richtung über die Scheibe verständlich. Unter einer starken Vergröszerung ist das erste Zeichen der Zusammenballung das Erscheinen

einer Wolke und bald danach von äuszerst feinen Körnchen in der

homogenen purpurnen Flüssigkeit innerhalb der Zellen; und dies ist


 

[page break] Cap. 10. Wiederausstrecken der Tentakeln.

allem Anscheine nach eine Folge der Vereinigung von Moleculen von

Protoplasma. Nun scheint es keine unwahrscheinliche Ansicht zu sein,

dasz dieselbe Neigung, — nämlich die der Molecule sich einander zu

nähern, — auch der inneren Oberfläche der Zellwandungen mitgetheilt wird, welche mit dem Protoplasma in Berührung stehen; und

ist dies der Fall, so würden sich ihre Molecule einander nähern und

die Zellenwandung würde sich zusammenziehen.

Dieser Ansicht kann mit Recht entgegen gehalten werden, dasz,

wenn Blätter in verschiedene starke Lösungen eingetaucht oder einer

Wärme von über 54,4° C. (130° F.) ausgesetzt werden, Zusammenballung zwar eintritt aber keine Bewegung erfolgt. Ferner verursachen verschiedene Säuren und einige andere Flüssigkeiten rapide

Bewegung, aber keine Zusammenballung, oder nur eine solche von

abnormer Beschaffenheit, oder nur nach Verlauf langer Zeit; da aber

die meisten dieser Flüssigkeiten mehr oder weniger schädlich sind,

so dürften sie den Procesz der Zusammenballung durch Verletzung

oder Tödtung des Protoplasma unterbrechen oder verhindern. Es

besteht auch ein anderer und bedeutungsvollerer Unterschied zwischen

den beiden Processen: wenn die Drüsen auf der Scheibe gereizt werden, so senden sie einen Einflusz die umgebenden Tentakeln hinauf,

welcher auf die Zellen an der Beugungsstelle wirkt, aber nicht eher

Zusammenballung herbeiführt, bis er die Drüsen erreicht hat; diese

senden dann einen andern Einflusz zurück, welcher die Zusammenballung des Protoplasma verursacht und zwar zuerst in den oberen

und dann in den unteren Zellen.

Das Wiederausstrecken der Tentakeln. — Diese Bewegung ist immer langsam und allmählich. Wenn die Mitte des

Blattes gereizt, oder ein Blatt in eine passende Lösung eingetaucht

wird, so biegen sich alle Tentakeln direct nach der Mitte zu und

später direct von ihr zurück. Wenn aber die Reizungsstelle auf einer

Seite der Scheibe liegt, so biegen sich die umgebenden Tentakeln

nach ihr hin, und daher mit Bezug auf ihre normale Richtung schräg;

wenn sie sich später wieder ausstrecken, so biegen sie sich schräg

zurück, so dasz sie ihre ursprüngliche Stellung wieder erlangen. Die

von einem gereizten Punkt am weitesten abstehenden Tentakeln, wo

sie auch stehen mögen, sind die zuletzt und am wenigsten afficirten,

und wahrscheinlich in Folge hiervon sind sie die ersten, welche sich


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 10.

wieder ausstrecken. Die gebeugte Stelle eines dicht eingebogenen

Tentakels findet sich in einem Zustande activer Zusammenziehung,

wie sich aus dem folgenden Experimente ergibt. Es wurde Fleisch

auf ein Blatt gebracht; nachdem die Tentakeln dicht eingebogen

waren und vollständig aufgehört hatten sich zu bewegen, wurden

schmale Streifen der Scheibe, an denen einige wenige äuszere Tentakeln saszen, herausgeschnitten und unter das Mikroskop gebracht.

Nach mehrfachem Mislingen gelang es mir, die convexe Oberfläche des

gebogenen Theils eines Tentakels abzuschneiden. Die Bewegung begann sofort wieder, und die bereits stark gebogene Stelle fuhr fort

sich zu biegen, bis sie einen vollkommenen Kreis bildete; dabei gieng

der entferntere gerade Theil des Tentakels an der einen Seite des

Streifens hin. Die convexe Oberfläche musz sich daher vorher in

einem Spannungszustande befunden haben, welcher hinreichend stark

war, dem der concaven Oberfläche das Gegengewicht zu halten, welche,

als sie frei wurde, sich zu einem vollständigen Ring aufrollte.

Die Tentakeln eines ausgebreiteten und nicht gereizten Blattes

sind mäszig steif und elastisch; wenn sie mit einer Nadel gebogen

werden, so gibt das obere Ende leichter nach als der basale und

dickere Theil, welcher allein fähig ist, eingebogen zu werden. Die

Rigidität dieses basalen Theiles scheint eine Folge der Spannung der

äuszeren Oberfläche zu sein, welche einem Zustande der activen und

beständigen Contraction der Zellen der inneren Oberfläche das Gleichgewicht hält. Dasz dies der Fall ist, glaube ich deshalb, weil, wenn

ein Blatt in kochendes Wasser getaucht wird, die Tentakeln plötzlich

zurückgebogen werden; dies weist allem Anscheine nach darauf hin,

dasz die Spannung der äuszeren Oberfläche mechanisch ist, während

die der inneren Fläche lebendig ist und durch das kochende Wasser

augenblicklich zerstört wird. Wir können hiernach auch verstehen,

warum die Tentakeln, wenn sie alt und schwach werden, langsam

stark zurückgebogen werden. Wenn ein Blatt mit dicht eingebogenen

Tentakeln in kochendes Wasser getaucht wird, so erheben sich die

Tentakeln ein wenig, aber breiten sich durchaus nicht vollständig

aus. Dies mag eine Folge davon sein, dasz die Hitze die Spannung

und Elasticität der Zellen der convexen Oberfläche schnell zerstört;

ich kann aber kaum glauben, dasz ihre Spannung zu irgend einer

Zeit hinreichen würde, die Tentakeln, oft sogar durch einen Winkel

von über 180° in ihre ursprüngliche Stellung zurückzuführen. Wahr


 

[page break] Cap. 10. Wiederausstrecken der Tentakeln.

scheinlicher ist es, dasz Flüssigkeit, von der wir wissen, dasz sie

während des Actes der Einbiegung die Tentakeln entlang strömt,

langsam wieder in die Zellen der convexen Oberfläche eingezogen wird,

wodurch deren Spannung allmählich und beständig vermehrt wird.

Eine Recapitulation der hauptsächlichsten Thatsachen und Erörterungen dieses Capitels wird am Schlusse des nächsten Capitels gegeben werden.


 

[[238]/0252]

Elftes Capitel.

Recapitulation der hauptsächlichsten Beobachtungen an

Drosera rotundifolia.

Da Zusammenfassungen bei den meisten Capiteln gegeben worden

sind, wird es genügen, hier so kurz als ich es thun kann, die hauptsächlichsten Punkte zu recapituliren. Im ersten Capitel wurde eine

vorläufige Skizze von der Structur der Blätter und von der Art und

Weise gegeben, in welcher sie Insecten fangen. Dies wird durch

Tropfen äuszerst klebriger Flüssigkeit, welche die Drüsen umgibt,

und durch die Einwärtsbewegung der Tentakeln bewerkstelligt. Da

die Pflanzen ihre meiste Nahrung durch diese Mittel erlangen, sind

ihre Wurzeln nur sehr spärlich entwickelt; auch wachsen sie häufig

an Stellen, wo kaum irgend eine andere Pflanze, mit Ausnahme von

Moosen, bestehen kann. Die Drüsen haben auszer der Fähigkeit der

Absonderung auch noch die der Absorption. Sie sind äuszerst empfindlich für verschiedene Reizmittel, nämlich für wiederholte Berührungen,

den Druck äuszerst kleiner Körperchen, die Absorption animaler Substanz und verschiedener Flüssigkeiten, für Wärme und Galvanismus.

Man hat beobachtet, dasz ein Tentakel mit einem Bischen rohen

Fleisches auf der Drüse in 10 Secunden sich zu biegen begann, dasz

er in 5 Minuten stark eingebogen war, und in einer halben Stunde

die Mitte des Blattes erreichte. Die Scheibe des Blattes wird häufig

so stark eingebogen, dasz sie einen Becher bildet, der jeden auf sie

gelegten Gegenstand einschlieszt.

Wenn eine Drüse gereizt wird, so sendet sie nicht nur einen

gewissen Einflusz ihren eigenen Tentakel hinab, der diesen zu biegen

verursacht, sondern ebenso an die umgebenden Tentakeln, welche einwärts gekrümmt werden; die Beugungsstelle kann daher eine Einwirkung von einem aus den entgegengesetzten Richtungen herrührenden Impuls erhalten, nämlich von der Drüse am Gipfel des nämlichen


 

[page break] Cap. 11. Allgemeine Zusammensetzung.

Tentakels und von einer oder mehreren Drüsen der benachbarten

Tentakeln. Sind Tentakeln eingebogen, so strecken sie sich nach

einiger Zeit wieder aus, und während dieses Processes sondern die

Drüsen weniger reichlich ab oder werden trocken. So bald sie wieder

abzusondern anfangen, sind die Tentakeln bereit, wieder in Thätigkeit

zu treten; und dies kann mindestens dreimal, wahrscheinlich viel

häufiger, wiederholt werden.

Im zweiten Capitel wurde gezeigt, dasz animale Substanzen, auf

die Blattscheiben gelegt, eine viel raschere und energischere Einbiegung verursachen, als unorganische Körper derselben Grösze oder

blosze mechanische Reizung; es besteht aber ein noch ausgesprochenerer Unterschied in der gröszeren Länge der Zeit, während welcher

die Tentakeln über Körpern, welche lösliche und ernährende Substanzen darbieten, eingebogen bleiben, in Vergleich zu solchen Körpern, welche derartige Substanzen nicht enthalten. Wenn äuszerst

minutiöse Stückchen Glas, Kohlen, Haar, Faden, präcipitirte Kreide

u. s. w. auf die Drüsen der äuszeren Tentakeln gethan werden, so

werden diese sich zu biegen veranlaszt. Wenn ein Körperchen nicht

durch die Absonderung hindurchsinkt und factisch die Oberfläche der

Drüse mit irgend einem Punkte berührt, so bringt es durchaus

keine Wirkung hervor. Ein kleines Stückchen dünnen menschlichen

Haars,   Zoll (0,203 Mm.) lang und nur   Gran (0,000822

Milligr.) wiegend, reichte hin, obschon es reichlich von dem dichten

Secrete unterstützt wurde, Bewegung zu veranlassen. Es ist nicht

wahrscheinlich, dasz der Druck in diesem Falle ein Milliontel Gran

betragen haben kann. Selbst kleinere Stückchen verursachen eine

unbedeutende Bewegung, wie durch eine Lupe gesehen werden konnte.

Noch gröszere Stückchen, als diejenigen, deren Maszverhältnisse hier

mitgetheilt wurden, verursachen keine Empfindung, wenn sie auf die

Zunge, einen der empfindlichsten Theile des menschlichen Körpers,

gelegt werden.

Bewegung erfolgt, wenn eine Drüse drei- oder viermal für einen

Augenblick berührt wird; wird sie aber nur ein- oder zweimal berührt, wenn auch mit beträchtlicher Gewalt und mit einem harten

Gegenstand, so biegt sich der Tentakel nicht. Die Pflanze wird hierdurch vor vieler nutzloser Bewegung bewahrt, da es kaum ausbleiben

kann, dasz die Drüsen während eines starken Windes gelegentlich

von den Blättern umgebender Pflanzen wie gebürstet werden. Obschon


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 11.

sie für eine einzelne Berührung unempfindlich sind, so sind sie doch,

wie oben angegeben, für den leichtesten Druck, wenn er nur einige

wenige Secunden anhält, ausgesucht empfindlich; und diese Fähigkeit

ist offenbar für die Pflanzen beim Fangen kleiner Insecten von Nutzen.

Selbst Mücken werden, wenn sie sich mit ihren zarten Füszen auf

den Drüsen niederlassen, schnell und sicher gefangen. Die Drüsen

sind gegen das Gewicht und die wiederholten Schläge schwerer

Regentropfen unempfindlich; hierdurch wird gleicherweise den Pflanzen

viel unnütze Bewegung erspart.

Die Beschreibung der Bewegungen der Tentakeln wurde im dritten

Capitel unterbrochen, um den Procesz der Zusammenballung zu beschreiben. Dieser Procesz beginnt immer in den Zellen der Drüsen,

deren Inhalt zuerst wolkig wird; dies ist innerhalb 10 Secunden,

nachdem eine Drüse gereizt worden war, beobachtet worden. Soeben

noch unter einer sehr starken Vergröszerung auflösbare Körnchen,

erscheinen bald, zuweilen innerhalb einer Minute, in den Zellen unterhalb der Drüsen, und diese ballen sich dann zu kleinen Kugeln

zusammen. Der Procesz schreitet dann die Tentakeln hinab, wobei

er bei jeder queren Scheidewand für eine kurze Zeit aufgehalten

wird. Die kleinen Kugeln verschmelzen zu gröszern Kugeln oder zu

ovalen, keulenförmigen, faden- oder perlschnurartigen oder sonst verschieden geformten Protoplasma-Massen, welche, in beinahe farbloser

Flüssigkeit suspendirt, unaufhörliche freiwillig eintretende Formveränderungen darbieten. Diese verschmelzen häufig miteinander und

trennen sich wieder. Wenn eine Drüse kräftig gereizt worden ist,

so werden alle Zellen bis zur Basis des Tentakels hinab afficirt.

In Zellen, besonders wenn sie mit dunkel rother Flüssigkeit gefüllt

sind, ist der erste Schritt in diesem Vorgang die Bildung einer dunkel

rothen, sackartigen Masse von Protoplasma, welche sich später theilt

und die gewöhnlichen wiederholten Formveränderungen erleidet. Ehe

irgend welche Zusammenballung angeregt worden ist, flieszt eine

Schicht farblosen, Körnchen enthaltenden Protoplasmas (der Primordialschlauch Mohl's) rings um die Wandungen der Zellen; und dies

wird noch deutlicher, nachdem sich der Inhalt theilweise zu Kugeln

oder sackähnlichen Massen zusammengeballt hat. Nach einiger Zeit

aber werden die Körnchen nach den centralen Massen hingezogen und

verbinden sich mit ihnen; und dann kann die circulirende Schicht


 

[page break] Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.

nicht mehr erkannt werden, doch ist noch immer ein Strom durchsichtiger Flüssigkeit innerhalb der Zellen vorhanden.

Zusammenballung wird beinahe durch alle die Reizmittel angeregt, welche Bewegung veranlassen: so wenn die Drüsen zwei- oder dreimal berührt werden, durch den Druck minutiöser unorganischer Körperchen, die Absorption verschiedener Flüssigkeiten, selbst langes Eintauchen in destillirtes Wasser, Exosmose und Wärme. Von den vielen

versuchten Reizmitteln ist kohlensaures Ammoniak das allerenergischste

und am schnellsten wirkende: eine Dose von   Gran (0,00048

Milligr.) einer einzigen Drüse gegeben, reicht hin, in einer Stunde

wohl ausgesprochene Zusammenballung in den oberen Zellen des Tentakels zu verursachen. Der Procesz dauert nur so lange fort, als

sich das Protoplasma in einem lebendigen, kräftigen und sauerstoffhaltigen Zustande befindet.

Das Resultat ist in allen Beziehungen genau das nämliche, wenn

eine Drüse direct gereizt worden ist, oder wenn sie von andern und

entfernt stehenden Drüsen her einen Reiz erhalten hat. Doch findet

sich ein wichtiger Unterschied: wenn die centralen Drüsen gereizt

werden, so senden sie centrifugal einen Reiz die Stiele der äuszern

Tentakeln hinauf an deren Drüsen; aber der factische Procesz der

Zusammenballung schreitet centripetal fort, von den Drüsen der

äuszeren Tentakeln aus ihre Stiele hinab. Der erregende Einflusz,

welcher von einem Theile des Blattes dem andern übermittelt wird,

musz daher von dem verschieden sein, welcher thatsächlich Zusammenballung herbeiführt. Der Procesz hängt nicht davon ab, dasz die

Drüsen reichlicher absondern als vorher, und ist auch unabhängig

von der Einbiegung der Tentakeln. Er dauert so lange fort, als die

Tentakeln eingebogen bleiben, und sobald diese wieder vollständig

ausgestreckt sind, sind auch die kleinen Massen von Protoplasma

sämmtlich wieder aufgelöst; die Zellen werden wieder von homogener

purpurner Flüssigkeit erfüllt, wie sie es waren ehe das Blatt gereizt wurde.

Da der Procesz der Zusammenballung durch einige wenige Berührungen oder durch den Druck unlöslicher Körperchen angeregt

werden kann, so ist er offenbar unabhängig von der Absorption irgend

welcher Substanz und musz von einer molecularen Natur sein. Selbst

wenn er durch die Absorption des kohlensauren oder eines andern

Salzes von Ammoniak, oder eines Aufgusses von Fleisch verursacht

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 16

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 11.

wird, scheint der Procesz von genau derselben Natur zu sein. Die

protoplasmatische Flüssigkeit musz sich daher in einem eigenthümlich

unstäten Zustand befinden, um durch solche unbedeutende und verschiedenartige Ursachen beeinfluszt zu werden. Physiologen glauben,

dasz, wenn ein Nerv berührt wird und er einen Einflusz andern

Theilen des Nervensystems übermittelt, eine moleculare Veränderung

in ihm angeregt wird, auch wenn sie uns nicht sichtbar ist. Es ist

daher ein sehr interessantes Schauspiel, die Wirkungen des Druckes

eines Stückchens Haar auf die Zellen einer Drüse zu beobachten,

welches nur   Gran wiegt und groszentheils von der dichten

Absonderung der Drüse getragen wird; denn dieser ganz auszerordentlich unbedeutende Druck verursacht bald eine sichtbare Veränderung

in dem Protoplasma, welche Veränderung die ganze Länge des Tentakels hinab geleitet wird, demselben endlich ein geflecktes Ansehen

gebend, was selbst für das blosze Auge zu unterscheiden ist.

Im vierten Capitel wurde gezeigt, dasz Blätter, welche für eine

kurze Zeit in Wasser von einer Temperatur von 43,3° C. (110° F.)

gelegt werden, etwas eingebogen werden; sie werden dadurch für die

Einwirkung von Fleisch empfindlicher gemacht als sie vorher waren.

Werden sie einer Temperatur von zwischen 46,1° und 51,6° C. (115°

und 125° F.) ausgesetzt, so werden sie schnell eingebogen und ihr

Protoplasma ballt sich zusammen; werden sie später in kaltes Wasser

gelegt, so breiten sie sich wieder aus. Werden sie 54,4° C. (130° F.)

ausgesetzt, so tritt keine sofortige Einbiegung ein, sondern die Blätter

werden nur zeitweilig paralysirt; denn wenn sie in kaltem Wasser

gelassen werden, werden sie häufig noch eingebogen und breiten sich

später wieder aus. Bei einem in dieser Weise behandelten Blatte

sah ich deutlich das Protoplasma in Bewegung. Bei andern in der

nämlichen Weise behandelten und dann in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetauchten Blättern erfolgte starke Zusammenballung. Wurden Blätter, nachdem sie einer so hohen Temperatur

wie 62,7° C. (145° F.) ausgesetzt worden waren, in kaltes Wasser gelegt, so wurden sie zuweilen unbedeutend, wenn auch langsam, eingebogen; und später wurde der Inhalt ihrer Zellen durch kohlensaures

Ammoniak stark zusammengeballt. Es ist aber die Dauer der Eintauchung ein wichtiges Element; denn werden sie so lange in Wasser

von 62,7° C. (145° F.) oder nur von 60° C. (140° F.) gelassen, bis es

abgekühlt ist, so werden sie getödtet und der Inhalt der Drüsen


 

[page break] Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.

wird weisz und opak. Dies letztere Resultat scheint eine Folge der

Gerinnung des Eiweiszes zu sein; es wurde beinahe immer herbeigeführt, wenn die Blätter auch nur kurze Zeit einer Temperatur von

65,5° C. (150° F.) ausgesetzt wurden; aber verschiedene Blätter und

selbst die einzelnen Zellen in einem und demselben Tentakel weichen

in ihrem Vermögen der Wärme zu widerstehen beträchtlich von einander ab. Wenn nicht die Wärme hinreichend stark war, das Eiweisz

zum Gerinnen zu bringen, bewirkt kohlensaures Ammoniak später

Zusammenballung.

Im fünften Capitel wurden die Resultate der Versuche mitgetheilt, wo Tropfen verschiedener stickstoffhaltiger und nicht stickstoffhaltiger organischer Flüssigkeiten auf die Scheiben von Blättern

gethan wurden; und es wurde gezeigt, dasz die Blätter mit beinahe

irrthumsfreier Sicherheit die Gegenwart von Stickstoff entdecken. Eine

Abkochung von grünen Erbsen oder von frischen Kohlblättern wirkt

beinahe so kräftig als ein Aufgusz von rohem Fleisch, während ein

Aufgusz von Kohlblättern, der nur so gemacht wurde, dasz man die

Blätter eine lange Zeit in warmem Wasser liegen liesz, bei weitem

weniger wirksam ist. Eine Abkochung von Grasblättern ist weniger

wirksam als eine von grünen Erbsen oder Kohlblättern.

Diese Resultate führten mich darauf, zu untersuchen, ob Drosera

das Vermögen besäsze, solide animale Substanz aufzulösen. Die Experimente, welche beweisen, dasz die Blätter einer wirklichen Verdauung

fähig sind, und dasz die Drüsen die verdaute Substanz aufsaugen,

sind im sechsten Capitel im Detail mitgetheilt. Diese sind vielleicht

die interessantesten von allen meinen Beobachtungen über Drosera,

da es früher nicht ausdrücklich bekannt war, dasz ein solches Vermögen im Pflanzenreiche existire. Es ist gleichfalls eine interessante

Thatsache, dasz, wenn die Drüsen der Scheibe gereizt werden, sie

einen gewissen Einflusz den Drüsen der äuszern Tentakeln übermitteln, welcher bewirkt, dasz sie reichlicher absondern und dasz die

Absonderung sauer wird, als ob sie direct durch irgend einen auf sie

gelegten Gegenstand gereizt worden wären. Der Magensaft der Thiere

enthält, wie allgemein bekannt ist, eine Säure und ein Ferment,

welche beide zur Verdauung unentbehrlich sind. Dasselbe ist der

Fall mit der Absonderung der Drosera. Wenn der Magen eines

Thieres mechanisch gereizt wird, so sondert er eine Säure ab, und

wenn Stückchen Glas oder andere derartige Gegenstände auf die

16*

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 11.

Drüsen der Drosera gelegt wurden, so nahm das Secret, ebenso wie

das der umgebenden und nicht berührten Drüsen an Menge zu und

wurde sauer. Der Angabe Schiff's zufolge sondert aber der Magen

eines Thieres sein eigenthümliches Ferment, das Pepsin, nicht eher

ab, als bis gewisse Substanzen, welche er Peptogene nennt, absorbirt

sind; und aus meinen Experimenten an Drosera scheint hervorzugehen, dasz etwas Substanz von den Drüsen absorbirt werden musz,

ehe sie das ihnen eigenthümliche Ferment absondern. Dasz das

Secret ein Ferment enthält, welches nur in Gegenwart einer Säure

auf feste animale Substanzen wirkt, wurde ganz klar durch den Zusatz äuszerst kleiner Dosen eines Alkali bewiesen, welche den Procesz

der Verdauung gänzlich zum Stillstand brachten, während derselbe

sofort wieder begann sobald das Alkali durch etwas schwache Salzsäure neutralisirt wurde. Nach Versuchen, die mit einer groszen

Anzahl von Substanzen angestellt wurden, hat sich herausgestellt,

dasz auf diejenigen, welche das Secret der Drosera entweder vollständig, oder nur theilweise oder durchaus gar nicht auflöst, auch

der Magensaft in genau der nämlichen Art und Weise einwirkt. Wir

können daher schlieszen, dasz das Ferment der Drosera dem Pepsin

der Thiere nahe analog oder mit ihm identisch ist.

Die Substanzen, welche von der Drosera verdaut werden, wirken

sehr verschieden auf die Blätter. Einige verursachen eine viel energischere und rapidere Einbiegung der Tentakeln als andere und halten sie auch eine viel längere Zeit hindurch eingebogen. Wir werden hierdurch zu der Annahme geführt, dasz die ersteren nahrhafter

sind als die letzteren, wie es bekanntlich mit einigen der nämlichen

Substanzen der Fall ist, wenn sie Thieren gegeben werden; so z. B.

Fleisch in Vergleich mit Gelatine. Da Knorpel eine so zähe Substanz ist und Wasser so wenig auf ihn einwirkt, so ist seine rasche

Auflösung durch die Absonderung der Drosera und seine spätere Absorption vielleicht einer der auffallendsten Fälle. Es ist dies aber in

der That nicht merkwürdiger als die Verdauung von Fleisch, welches

durch dies Secret in derselben Art und Weise und in denselben

Stadien aufgelöst wird, wie durch den Magensaft. Das Secret löst

Knochen auf und selbst den Schmelz der Zähne; dies ist aber einfach

eine Folge der groszen Menge abgesonderter Säure, was allem Anscheine nach dem Bedürfnis der Pflanze nach Phosphor zuzuschreiben

ist. Was den Fall mit Knochen betrifft, so tritt das Ferment nicht


 

[page break] Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.

eher in Wirksamkeit als bis der ganze phosphorsaure Kalk zersetzt

worden und freie Säure vorhanden ist, worauf dann die fasrige Grundsubstanz schnell aufgelöst wird. Endlich greift das Secret auch

lebende Samen an und löst Substanz aus ihnen auf; dabei tödtet es

oder verletzt es dieselben zuweilen, wie aus dem kränklichen Zustand

der Sämlinge hervorgeht. Es absorbirt auch Substanz aus Pollen

und aus Bruchstücken von Blättern.

Das siebente Capitel war der Wirkung der Ammoniaksalze gewidmet. Dieselben verursachen alle die Einbiegung der Tentakeln

und häufig auch der Blattscheibe und die Zusammenballung des Protoplasma. Sie wirken mit sehr verschiedener Kraft; das citronensaure

Salz ist das am wenigsten wirksame, und das phosphorsaure ist, ohne

Zweifel in Folge der Gegenwart von Phosphor und Stickstoff, bei

weitem das wirksamste. Es wurde aber die relative Wirksamkeit

von nur drei Ammoniaksalzen sorgfältig bestimmt, nämlich vom

kohlensauren, salpetersauren und phosphorsauren. Die Experimente

wurden so angestellt, dasz halbe Minims (0,0296 Cub. Cent.) von

Lösungen verschiedener Stärkegrade auf die Scheibe der Blätter gebracht wurden, — dasz ein äuszerst kleiner Tropfen (ungefähr 

Minim oder 0,00296 Cub. Cent.) einige wenige Secunden lang an drei

oder vier Drüsen gehalten wurde, — und dasz ganze Blätter in eine

abgemessene Menge eingetaucht wurden. In Bezug auf diese Experimente war es zuerst nothwendig, die Wirkungen destillirten Wassers

zu ermitteln, und es stellte sich, wie im Detail beschrieben worden

ist, heraus, dasz die empfindlicheren Blätter von ihm afficirt werden,

aber nur in einem unbedeutenden Grade.

Eine Lösung des kohlensauren Salzes wird von den Wurzeln aufgesaugt und bewirkt Zusammenballung in ihren Zellen, afficirt aber

die Blätter nicht. Der Dampf wird von den Drüsen absorbirt und

verursacht Einbiegung ebensowohl wie Zusammenballung. Ein   Gran

(0,0675 Milligr.), in einem Tropfen einer Lösung enthalten, ist die geringste Menge, welche, wenn sie auf die Drüsen der Scheibe gebracht

wird, die äuszeren Tentakeln zum Einwärtsbiegen anregt. Wenn aber

ein äuszerst kleiner,   Gran (0,00445 Milligr.) enthaltender Tropfen

einige wenige Secunden lang an die eine Drüse umgebende Absonderung gehalten wird, so verursacht er die Einbiegung dieses nämlichen Tentakels. Wenn ein in hohem Grade empfindliches Blatt in

eine Lösung eingetaucht wird, und es ist reichlich Zeit zur Absorption


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 11.

vorhanden, so ist   Gran (0,00024 Milligr.) genügend, einen einzigen Tentakel zur Bewegung zu reizen.

Das salpetersaure Ammoniak veranlaszt Zusammenballung des

Protoplasma viel weniger schnell als das kohlensaure, ist aber wirksamer in Bezug auf das Verursachen von Einbiegung. Ein   Gran

(0,027 Milligr.) enthaltender, auf die Scheibe gebrachter Tropfen wirkt

kräftig auf alle äuszeren Tentakeln, welche selbst nichts von der

Lösung erhalten haben, während ein Tropfen mit   Gran nur

einige wenige dieser Tentakeln sich zu biegen veranlaszte, aber etwas

deutlicher die Blattscheibe afficirte. Ein wie vorhin angebrachter

und   Gran (0,0025 Milligr.) enthaltender minutiöser Tropfen

verursachte eine Biegung des diese Drüse tragenden Tentakels. Durch

die Eintauchung eines ganzen Blattes wurde bewiesen, dasz die Absorption von   Gran (0,0000937 Milligr.) durch eine einzelne

Drüse genügte, denselben Tentakel in Bewegung zu setzen.

Das phosphorsaure Ammoniak ist viel wirksamer als das salpetersaure. Ein   Gran (0,0169 Milligr.) enthaltender, auf die Scheibe

eines empfindlichen Blattes gelegter Tropfen bewirkt, dasz die meisten

der äuszeren Tentakeln, ebenso wie die Scheibe des Blattes eingebogen

werden. Ein minutiöser,   Gran (0,000423 Milligr.) enthaltender, einige wenige Secunden an eine Drüse gehaltener Tropfen wirkt,

wie es sich durch die Bewegung des Tentakels zeigt. Wenn ein

Blatt in dreiszig Minims (1,7748 Cub. Cent.) einer Lösung von einem

Gewichtstheil Salz auf 21,875,000 Wasser eingetaucht wird, so genügt

die durch eine Drüse erfolgte Aufsaugung von nur   Gran

(0,00000328 Milligr.), d. i. von ein wenig mehr als einem Zwanzigmilliontel Gran, den diese Drüse tragenden Tentakel zum Biegen

nach dem Mittelpunkte des Blattes hin zu veranlassen. In diesem

Versuche kann wegen des Vorhandenseins von Crystallisationswasser

nur weniger als ein Dreiszigmilliontel Gran der wirksamen Elemente

absorbirt worden sein. Darin, dasz solche minutiöse Quantitäten von

den Drüsen absorbirt werden, liegt nichts Merkwürdiges, denn alle

Physiologen geben zu, dasz die Ammoniaksalze, welche in noch geringeren Mengen mit einem einzelnen Regenschauer zu den Wurzeln

gebracht werden, von diesen aufgesaugt werden. Es ist auch nicht

überraschend, dasz Drosera in den Stand gesetzt ist, aus der Absorption dieser Salze Vortheil zu ziehen; denn Hefe und andere niedere

pilzartige Formen gedeihen ganz gut in Ammoniaklösungen, wenn die


 

[page break] Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.

andern nothwendigen Elemente vorhanden sind. Es ist aber eine

staunenerregende Thatsache, über welche ich mich hier nicht wieder

verbreiten will, dasz eine so unbegreiflich kleine Menge wie ein

Zwanzigmilliontel Gran von phosphorsaurem Ammoniak irgend eine

Veränderung in einer Drüse der Drosera herbeiführen kann, welche

genügt, das Hinabsenden eines motorischen Impulses die ganze Länge

des Tentakels hinab zu verursachen, wobei noch dieser Impuls häufig

eine Bewegung durch einen Winkel von über 180° erregt. Ich weisz

nicht, ob diese Thatsache am meisten anzustaunen ist, oder jene andere, dasz die Gegenwart eines äuszerst kleinen, von dem dicken Secrete getragenen Stückchen Haars schnell eine augenfällige Bewegung

verursacht. Überdies ist diese ganz extreme Empfindlichkeit, welche

die des zartesten Theils des menschlichen Körpers übertrifft, ebenso

wie die Fähigkeit, verschiedene Impulse von einem Theile des Blattes

nach einem andern hin zu übermitteln, ohne das Dazwischentreten

eines Nervensystems erlangt worden.

Da gegenwärtig nur wenig Pflanzen bekannt sind, welche speciell

zur Aufsaugung angepaszte Drüsen besitzen, so schien es der Mühe

werth zu sein, auszer den Ammoniaksalzen noch die Wirkungen verschiedener anderer Salze und verschiedener Säuren zu versuchen. Wie

im achten Capitel beschrieben worden ist, stimmt ihre Wirkung

durchaus nicht streng mit ihren chemischen Verwandtschaften überein, wie aus der gewöhnlich angenommenen Classification gefolgert

wurde. Die Natur der Basis ist bei weitem einfluszreicher als die

der Säure; und man weisz, dasz dies auch bei Thieren gilt. Es verursachten z. B. neun Natronsalze sämmtlich gut ausgesprochene

Einbiegung und keines derselben war in kleinen Dosen giftig, während

sieben von den neun entsprechenden Kalisalzen keine Wirkung hervorbrachten, zwei nur unbedeutende Einbiegung verursachten. Überdies waren kleine Dosen einiger der letzteren Salze giftig. Wenn

die Salze von Natron und Kali in die Adern lebender Thiere eingespritzt werden, weichen sie gleichfalls in ihrer Wirkungsweise sehr

von einander ab. Die sogenannten erdigen Salze bringen auf Drosera

kaum irgend welche Wirkung hervor. Auf der andern Seite verursachen die meisten Metallsalze rapide und starke Einbiegung und

sind in hohem Grade giftig; von dieser Regel gibt es aber einige

merkwürdige Ausnahmen; so verursachten Blei- und Zink-Chlorid,

ebenso wie zwei Barytsalze keine Einbiegung und waren auch nicht giftig.


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 11.

Die meisten Säuren, welche versucht wurden, wirkten, obschon

sie sehr verdünnt (ein Theil auf 437 Theile Wasser) und in kleinen

Dosen gegeben wurden, kräftig auf Drosera ein; neunzehn von den

vierundzwanzig veranlaszten die Tentakeln sich mehr oder weniger

einzubiegen. Die meisten von ihnen, selbst die organischen Säuren,

sind giftig, häufig in hohem Grade; und dies ist merkwürdig, da die

Säfte von so vielen Pflanzen Säuren enthalten. Benzoësäure, welche

für Thiere unschädlich ist, scheint für Thiere so giftig zu sein wie

Blausäure. Auf der andern Seite ist Salzsäure weder für Thiere noch

für Drosera giftig und führt nur einen mäszigen Grad von Einbiegung herbei. Viele Säuren reizen die Drüsen so, dasz sie eine auszerordentliche Menge von Schleim absondern; das Protoplasma innerhalb

ihrer Zellen scheint oft getödtet zu werden, wie man daraus schlieszen

kann, dasz die umgebende Flüssigkeit bald rosa wird. Es ist fremdartig, dasz verwandte Säuren sehr verschieden von einander wirken:

Ameisensäure bewirkt nur sehr unbedeutende Einbiegung und ist

nicht giftig, während Essigsäure von derselben Stärke äuszerst kräftig

wirkt und giftig ist. Milchsäure ist gleichfalls giftig, verursacht

indesz Einbiegung nur nach Verlauf beträchtlicher Zeit. Äpfelsäure

wirkt unbedeutend, während Citronen- und Weinsteinsäure gar keine

Wirkung hervorbringen.

Im neunten Capitel wurden die Wirkungen der Absorption verschiedener Alkaloide und gewisser anderer Substanzen beschrieben.

Obgleich einige derselben giftig sind, so können wir doch, da mehrere

derselben, welche auf das Nervensystem von Thieren mächtig einwirken, auf Drosera keine Wirkung hervorbringen, schlieszen, dasz

die äuszerste Empfindlichkeit der Drüsen und ihre Fähigkeit, einen,

Bewegung oder modificirte Absonderung oder Zusammenballung verursachenden Einflusz andern Theilen des Blattes zu übermitteln, nicht

von dem Vorhandensein eines verbreiteten, dem Nervengewebe verwandten

Elements abhängt. Eine der merkwürdigsten Thatsachen ist die, dasz

langes Eintauchen in das Gift der Cobra-Schlange die freiwilligen

Bewegungen des Protoplasma in den Zellen der Tentakeln nicht aufhält, sondern eher noch reizt. Lösungen verschiedener Salze und

Säuren verhalten sich sehr verschieden in Bezug auf das Verzögern

oder vollständige Unterbrechen der spätern Einwirkung einer Lösung

von phosphorsaurem Ammoniak. In Wasser aufgelöster Campher

wirkt als ein Reizmittel, wie es auch kleine Dosen gewisser ätheri


 

[page break] Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.

scher Öle thun, denn sie verursachen rapide und starke Einbiegung.

Alkohol ist kein Reizmittel. Die Dämpfe von Campher, Alkohol

Chloroform, Schwefel- und Salpeter-Äther sind in mäszig groszen

Dosen giftig, dienen aber in kleinen Dosen als Narcotica oder Anaesthetica, welche die folgende Einwirkung von Fleisch bedeutend aufhalten.

Einige dieser Dämpfe wirken aber auch als Reizmittel, rapide, beinahe krampfhafte Bewegungen in den Tentakeln erregend. Kohlensäure ist gleichfalls ein Narcoticum und verzögert die Zusammenballung des Protoplasma, wenn später kohlensaures Ammoniak gegeben wird. Der erste Zutritt von Luft zu Pflanzen, welche in dieses

Gas eingetaucht gehalten worden sind, wirkt zuweilen als Reizmittel

und führt Bewegung herbei. Es würde aber, wie früher schon bemerkt, eine specielle Pharmocopöe nothwendig sein, die verschiedenartigen Wirkungen verschiedener Substanzen auf die Blätter der Drosera zu beschreiben.

Im zehnten Capitel wurde gezeigt, dasz die Empfindlichkeit der

Blätter gänzlich auf die Drüsen und auf die unmittelbar darunterliegenden Zellen beschränkt zu sein scheint. Es wurde ferner gezeigt,

dasz der motorische Impuls und andere von den Drüsen, wenn sie

gereizt werden, ausgehende Kräfte oder Einflüsse durch das Zellgewebe und nicht den fibrovasalen Bündeln entlang gehn. Eine Drüse

sendet ihren motorischen Impuls mit groszer Rapidität den Stiel des

nämlichen Tentakels nach dem basalen Theil hinab, welcher allein

sich biegt. Der dann weiter gehende Impuls breitet sich nach allen

Seiten auf die umgebenden Tentakeln aus, zuerst diejenigen afficirend,

welche am nächsten und dann die, welche weiter wegstehn. Aber

dadurch, dasz er auf diese Weise verbreitet wird, und weil die Zellen

der Scheibe nicht so verlängert sind wie die der Tentakeln, verliert

er an Kraft und schreitet hier viel langsamer fort, als die Tentakelstiele hinab. In Folge der Richtung und der Form der Zellen läuft

er auch mit gröszerer Leichtigkeit und Geschwindigkeit in einer

longitudinalen Richtung über die Scheibe als in einer queren. Der

von den Drüsen der äuszersten randständigen Tentakeln ausgehende

Impuls scheint nicht Kraft genug zu haben, die nächststehenden Tentakeln zu afficiren; und dies dürfte zum Theil Folge ihrer Länge

sein. Der Impuls von den Drüsen der nächsten wenigen inneren

Reihen breitet sich hauptsächlich nach den Tentakeln auf jeder Seite

und nach der Mitte des Blattes hin aus; aber der von den Drüsen


 

[page break] Drosera rotundifolia. Cap. 11.

der kürzeren Tentakeln auf der Scheibe ausgehende strahlt beinahe

gleichmäszig nach allen Seiten hin aus.

Wenn eine Drüse durch die Quantität oder Qualität der auf sie

gebrachten Substanz stark gereizt wird, so schreitet der motorische

Impuls weiter fort als von einer nur unbedeutend gereizten Drüse;

und wenn mehrere Drüsen gleichzeitig gereizt werden, so vereinigen

sich die Impulse von allen und verbreiten sich noch weiter. Sobald

eine Drüse gereizt wird, entladet sie einen Impuls, welcher sich eine

beträchtliche Entfernung weit erstreckt; nachher aber, während die

Drüse absondert und aufsaugt, reicht der Impuls nur hin, den nämlichen Tentakel eingebogen zu halten, wenn schon die Einbiegung

viele Tage dauern kann.

Wenn die Beugungsstelle eines Tentakels einen Impuls von seiner

eigenen Drüse erhält, so ist die Bewegung immer nach der Mitte des

Blattes hingerichtet; dasselbe ist mit allen Tentakeln der Fall, wenn

ihre Drüsen durch Eintauchen in eine passende Flüssigkeit gereizt

werden. Die kurzen in dem mittleren Theile der Scheibe müssen

ausgenommen werden, da sich diese durchaus gar nicht biegen, wenn

sie so gereizt werden. Wenn auf der andern Seite der motorische

Impuls von einer Seite der Scheibe herkommt, so biegen sich die umgebenden Tentakeln, mit Einschlusz der kurzen auf der Mitte der

Scheibe, sämmtlich mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin, wo

nur immer derselbe gelegen sein mag, Dies ist auf alle Fälle eine

merkwürdige Erscheinung; denn das Blatt erscheint irrthümlich so,

als sei es mit den Sinnen eines Thieres begabt. Es ist nur um so

merkwürdiger, da, wenn der motorische Impuls die Basis eines Tentakels schräg in Beziehung auf seine abgeplattete Oberfläche trifft,

die Zusammenziehung der Zellen auf ein, zwei oder sehr wenig Reihen

an dem einen Ende beschränkt sein musz. Und der Einflusz musz

auf verschiedene Seiten der umgebenden Tentakeln einwirken, damit

sich alle mit Präcision nach dem Reizungspunkte hin biegen.

Wie sich der motorische Impuls von einer oder mehreren Drüsen

aus über die Scheibe verbreitet, tritt er in die Basen der umgebenden

Tentakeln ein und wirkt unmittelbar auf die Beugungsstelle. Er

geht an erster Stelle nicht die Tentakeln zu den Drüsen hinauf, um

diese zu reizen, dasz sie einen Impuls zurück auf ihre Basen reflectiren. Trotzdem wird aber doch etwas Einflusz zu den Drüsen hinauf

geschickt, da ihre Absonderung bald vermehrt und sauer wird; und


 

[page break] Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.

sind die Drüsen in dieser Weise gereizt, dann schicken sie irgend

einen andern Einflusz zurück, (der weder von vermehrter Absonderung

noch von der Einbiegung der Tentakeln abhängt), welcher die Zusammenballung des Protoplasma in Zelle unter Zelle verursacht. Dies

mag eine Reflexthätigkeit genannt werden, obschon sie wahrscheinlich

von der von einem Nervenganglion eines Thieres ausgehenden sehr

verschieden ist; es ist auch der einzige bekannte Fall einer Reflexthätigkeit im Pflanzenreich.

Über den Mechanismus der Bewegungen und die Natur des motorischen Impulses wissen wir sehr wenig. Während des Actes der

Einbiegung läuft sicherlich Flüssigkeit von einem Theile der Tentakeln zu anderen. Aber die Hypothese, welche am besten mit den

beobachteten Thatsachen übereinstimmt ist die, dasz der motorische

Impuls seiner Natur nach mit dem Procesz der Zusammenballung

verwandt ist, und dasz hiernach die Molekule der Zellwandungen sich

einander zu nähern veranlaszt werden, in derselben Weise wie es die

Molekule des Protoplasma innerhalb der Zellen thun, so dasz sich die

Zellwände zusammenziehn. Aber einige starke Einwendungen können

gegen diese Ansicht erhoben werden. Das Wiederausstrecken der

Tentakeln ist zum groszen Theile Folge der Elasticität ihrer äuszeren

Zellen, welche in Thätigkeit tritt, sobald die Zellen auf der inneren

Seite aufhören, sich mit überwiegender Kraft zusammenzuziehn; wir

haben aber Grund zu vermuthen, dasz während des Actes der Wiederausstreckung die äuszeren Zellen beständig und langsam Flüssigkeit

anziehn und dadurch ihre Spannung vermehren.

Ich habe nun eine kurze Recapitulation der hauptsächlichsten

von mir in Bezug auf die Structur, die Bewegungen, Constitution und

Gewohnheiten der Drosera rotundifolia beobachteten Punkte gegeben;

wir sehen daraus, wie wenig ermittelt ist in Vergleich zu dem, was

noch unerklärt und unbekannt bleibt.


 

[[252]/0266]

Zwölftes Capitel.

Über den Bau und die Bewegungen einiger anderen Arten

von Drosera.

Drosera anglica. — Drosera intermedia. — Drosera capensis. — Drosera spathulata. — Drosera filiformis. — Drosera binata. — Schluszbemerkungen.

Ich untersuchte sechs andere Species von Drosera, einige von

ihnen Bewohner ferner Länder, hauptsächlich zum Zwecke, um zu ermitteln, ob sie Insecten fiengen. Dies schien um so nothwendiger zu

sein, als die Blätter von einigen der Arten in einem auszerordentlichen Grade der Form nach von den abgerundeten der Drosera

rotundifolia abweichen. In ihrer functionellen Fähigkeit weichen sie

indesz sehr wenig von einander ab.

Drosera anglica Hudson 1. — Die Blätter dieser Species, welche mir

von Irland zugeschickt wurde, sind sehr verlängert und verbreitern sich

allmählich vom Stiele aus bis zu dem stumpf zugespitzten Spitzenende.

Sie stehen beinahe aufrecht und ihre Scheiben sind zuweilen über 1 Zoll

lang, während ihre Breite nur ⅓ Zoll beträgt. Die Drüsen aller Tentakeln

haben denselben Bau, so dasz die äuszersten randständigen nicht von den

andern abweichen, wie es bei Drosera rotundifolia der Fall ist. Wenn

sie durch eine derbe Berührung oder durch den Druck äuszerst kleiner

anorganischer Körperchen oder durch die Berührung mit animaler Substanz oder durch die Absorption von kohlensaurem Ammoniak gereizt

werden, werden die Tentakeln eingebogen; der basale Theil ist der hauptsächliche Sitz der Bewegung. Schneiden oder Stechen der Blattscheibe

regte keine Bewegung an. Sie fangen häufig Insecten und die Drüsen

der eingebogenen Tentakeln ergieszen viel saure Absonderung. Stückchen

gerösteten Fleisches wurden auf einige Drüsen gelegt, und in 1 Minute

oder 1 Minute 30 Secunden fiengen die Tentakeln an, sich zu bewegen

und erreichten in 1 Stunde 10 Minuten die Mitte des Blattes. Zwei

1 Mrs. Treat hat in "The American Naturalist‟, December, 1873, p. 705,

eine ausgezeichnete Schilderung der Drosera longifolia (was zum Theil ein Synonnym von Drosera anglica ist), Drosera rotundifolia und Drosera filiformis gegeben.


 

[page break] Cap. 12. Drosera capensis.

Stückchen gekochten Korks, eines von gekochtem Garn und zwei Stückchen aus dem Feuer genommener Kohlenasche wurden mit Hülfe eines

Instruments, welches in kochendes Wasser eingetaucht worden war, auf

fünf Drüsen gelegt; diese überflüssigen Vorsichtsmaszregeln waren in Folge

der Angaben Ziegler's genommen worden. Eines der Kohlenstückchen

verursachte in 8 Stunden 45 Minuten etwas Einbiegung, das andere

Kohlenstückchen, das Stückchen Faden und beide Korkstückchen thaten

es nach 23 Stunden. Drei Drüsen wurden ein halbes Dutzend mal mit

einer Nadel berührt; einer der Tentakeln wurde in 17 Minuten gut einbogen und streckte sich nach 24 Minuten wieder aus; die beiden andern

bewegten sich niemals. Die homogene Flüssigkeit innerhalb der Zellen

der Tentakeln erleidet Zusammenballung, nachdem dieselben eingebogen

worden sind, besonders wenn ihnen eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak gegeben wurde; ich beobachtete die gewöhnlichen Bewegungen in

den Protoplasma-Massen. In einem Falle folgte Zusammenballung in

1 Stunde 10 Minuten, nachdem ein Tentakel ein Stückchen Fleisch nach

der Blattscheibe geschafft hatte. Nach diesen Thatsachen ist es klar,

dasz sich die Tentakeln der Drosera anglica so wie die der Drosera

rotundifolia verhalten.

Wenn ein Insect auf die centralen Drüsen gebracht wird oder in

naturgemäszer Weise dort gefangen worden ist, so rollt sich die Spitze

des Blattes einwärts. Es wurden beispielsweise todte Fliegen auf drei

Blätter in die Nähe ihrer Basen gelegt, und nach 24 Stunden waren die

vorher geraden Spitzen so vollständig eingerollt, dasz sie die Fliegen umfaszten und verbargen; sie hatten sich daher durch einen Winkel von

180° bewegt. Nach drei Tagen fieng die Spitze eines Blattes, zusammen

mit den Tentakeln, sich wieder auszustrecken an. So weit ich es aber

gesehen habe, — und ich habe viele Versuche gemacht, — sind die Seiten

des Blattes niemals eingebogen, und dies ist der eine functionelle Unterschied zwischen dieser Species und Drosera rotundifolia.

Drosera intermedia Hayne. — Diese Species ist in einigen Theilen

von England völlig so gemein wie Drosera rotundifolia. Sie weicht, so

weit die Blätter in Betracht kommen, von Drosera anglica nur in deren

geringerer Grösze und darin ab, dasz ihre Spitzen allgemein ein wenig

zurückgebogen sind. Sie fangen eine grosze Anzahl von Insecten. Die

Tentakeln werden durch alle oben einzeln aufgeführten Ursachen zur Bewegung angeregt, und Zusammenballung tritt mit der Bewegung der

protoplasmatischen Massen ein. Ich habe durch eine Lupe gesehen, wie

sich ein Tentakel in weniger als einer Minute zu biegen begann, nachdem ein Stückchen rohen Fleisches auf die Drüse gebracht worden war.

Die Spitze des Blattes rollt sich über einen reizenden Gegenstand in derselben Weise ein wie bei Drosera anglica. Saures Secret wird reichlich

über gefangene Insecten ergossen. Ein Blatt, welches eine Fliege mit

allen seinen Tentakeln umfaszt hatte, breitete sich nach nahezu drei Tagen

wieder aus.

Drosera capensis. — Diese Art, am Vorgebirge der Guten Hoffnung

eingeboren, wurde mir von Dr. Hooker geschickt. Die Blätter sind verlängert, entlang der Mitte unbedeutend concav und verschmälern sich

nach der Spitze zu, welche stumpf zugespitzt und zurückgebogen ist. Sie

[page break] Drosera spathulata. Cap. 12.

erheben sich von einer beinahe holzigen Achse, und ihre gröszte Eigenthümlichkeit besteht in ihren blättrigen grünen Stielen, welche beinahe

so breit und selbst noch länger sind als die drüsentragende Scheibe.

Diese Species zieht daher wahrscheinlich mehr Nahrung aus der Luft und

weniger aus gefangenen Insecten als die anderen Arten der Gattung.

Nichtsdestoweniger sind doch die Tentakeln auf der Scheibe zusammengedrängt und sind äuszerst zahlreich, die an den Rändern sind viel länger

als die mittleren. Alle Drüsen haben eine und dieselbe Form; ihr Secret

ist äuszerst klebrig und sauer.

Das Exemplar, welches ich untersuchte, hatte sich soeben erst von

einem schwachen Gesundheitszustande erholt. Dies dürfte es erklären,

dasz die Tentakeln sich sehr langsam bewegten, wenn Stückchen Fleisch

auf die Drüsen gelegt wurden, und vielleicht auch die Thatsache, dasz

es mir niemals gelang, irgend eine Bewegung durch wiederholte Berührung

derselben mit einer Nadel zu verursachen. Aber bei allen Arten der

Gattung ist dies letztere Reizmittel das wenigst wirksamste von allen.

Stückchen von Glas, Kork, Kohlenasche wurden auf die Drüsen von sechs

Tentakeln gebracht; und einer allein bewegte sich nach Verlauf von

2 Stunden 30 Minuten. Trotzdem aber waren zwei Drüsen äuszerst empfindlich gegen sehr kleine Dosen von salpetersaurem Ammoniak, nämlich

gegen ungefähr   Minim einer Lösung (ein Theil auf 5250 Theile

Wasser), welches nur   Gran (0,000562 Milligr.) des Salzes enthielt. Fragmente von Fliegen wurden auf zwei Blätter in die Nähe ihrer

Spitzen gelegt; in wenig Stunden umfaszten sie die Tentakeln auf jeder

Seite, und in 8 Stunden war das ganze Blatt direct unterhalb der Fliege

ein wenig quer gebogen. Am nächsten Morgen, nach 23 Stunden, war

das Blatt so vollständig eingerollt, dasz die Spitze auf dem oberen Ende

des Stieles lag. In keinem Falle wurden die Seiten des Blattes eingebogen. Eine zerquetschte Fliege wurde auf den blattartigen Stiel gelegt,

brachte aber keine Wirkung hervor.

Drosera spathulata (von Dr. Hooker mir geschickt). — Ich habe

nur einige wenige Beobachtungen über diese australische Art gemacht,

welche lange, schmale, sich allmählich nach der Spitze zu verbreiternde

Blätter hat. Die Drüsen der äuszersten randständigen Tentakeln sind

verlängert und weichen von den übrigen ab, wie es bei Drosera rotundifolia der Fall ist. Eine Fliege wurde auf ein Blatt gelegt, und in

18 Stunden war sie von den angrenzenden Tentakeln umfaszt. Gummiwasser auf mehrere Blätter getropft, brachte keine Wirkung hervor. Ein

Bruchstück eines Blattes wurde in einige Tropfen einer Lösung von einem

Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser eingetaucht; alle

Drüsen waren augenblicklich geschwärzt; man konnte sehen, wie der Procesz der Zusammenballung sehr schnell die Zellen der Tentakeln hinabgieng; die Protoplasma-Körnchen vereinigten sich bald zu Kugeln und

verschieden geformten Massen, welche die gewöhnlichen Bewegungen darboten. Ein halbes Minim einer Lösung von einem Theil salpetersauren

Ammoniaks auf 146 Theile Wasser wurde dann auf die Mitte eines Blattes gebracht; nach 6 Stunden waren einige randständige Tentakeln auf

beiden Seiten eingebogen, und nach 9 Stunden trafen sie sich in der

Mitte. Auch die seitlichen Ränder des Blattes wurden einwärts gekrümmt,


 

[page break] Cap. 12. Drosera binata.

so dasz es einen Halbeylinder bildete; aber in keinem meiner wenigen

Versuche wurde die Spitze des Blattes eingebogen. Die obige Dose des

salpetersauren Salzes (nämlich   Gran, oder 0,202 Milligr.) war zu

stark, denn im Verlaufe von 23 Stunden starb das Blatt ab.

Drosera filiformis. — Diese nordamericanische Species wächst in

Theilen von Neu-Jersey in solchen Massen, dasz sie beinahe den Boden

bedeckt. Sie fängt, der Angabe der Mrs. Treat zufolge 2, eine auszerordentliche Anzahl kleiner und groszer Insecten, — selbst grosze Fliegen

aus der Gattung Asilus, Nacht- und Tagschmetterlinge. Das mir von

Dr. Hooker geschickte Exemplar, welches ich untersuchte, hatte fadenähnliche Blätter, von 6 bis 12 Zoll Länge, mit der oberen Fläche convex

und der unteren flach und unbedeutend canellirt. Die ganze convexe

Oberfläche bis hinab zu den Wurzeln, — denn es ist kein deutlicher

Stiel vorhanden, — ist mit kurzen drüsentragenden Tentakeln bedeckt,

wobei die an den Rändern die längsten und zurückgebogen sind. Stückchen Fleisch auf die Drüsen einiger Tentakeln gelegt, bewirkten in 20 Minuten eine unbedeutende Einbiegung derselben; die Pflanze war aber in

keinem recht lebenskräftigen Zustande. Nach 6 Stunden bewegten sie

sich durch einen Winkel von 90° und erreichten in 24 Stunden die Mitte.

In dieser Zeit fiengen die umgebenden Tentakeln an, sich einwärts zu

krümmen. Endlich wurde ein groszer Tropfen äuszerst klebriger, leicht

saurer Absonderung aus den vereinigten Drüsen über das Fleisch ergossen.

Mehrere andere Drüsen wurden mit ein wenig Speichel berührt und die

Tentakeln wurden in weniger als 1 Stunde einwärts gebogen und streckten sich nach 18 Stunden wieder aus. Stückchen von Glas, Kork, Kohlen,

Garn und Goldblättchen wurden an zwei Blättern auf zahlreiche Drüsen

gelegt; in ungefähr 1 Stunde wurden vier Tentakeln gekrümmt und vier

andere nach Verlauf von weiteren 2 Stunden 30 Minuten. Es gelang

mir nicht ein einziges mal, irgend eine Bewegung durch wiederholtes Berühren der Drüsen mit einer Nadel zu veranlassen, und Mrs. Treat machte

um meinetwillen ähnliche Versuche ohne Erfolg. Kleine Fliegen wurden

auf mehrere Blätter in die Nähe ihrer Spitzen gelegt, aber die fadenähnliche Scheibe wurde nur bei einer Gelegenheit sehr unbedeutend direct

unterhalb des Insects gebogen. Vielleicht deutet dies an, dasz die Scheiben lebenskräftiger Pflanzen sich über gefangene Insecten einbiegen, und

Dr. Canby theilt mir mit, dasz dies der Fall ist; die Bewegung kann

aber nicht stark ausgesprochen sein, da sie von Mrs. Treat nicht beobachtet wurde.

Drosera binata (oder dichotoma). — Ich bin der Lady Dorothy

Nevill für eine schöne Pflanze dieser beinahe gigantischen Species aus

Australien sehr verbunden, welche in einigen interessanten Punkten von

den bis jetzt beschriebenen abweicht. An diesem Exemplar waren die

binsenartigen Stiele der Blätter 20 Zoll lang. Die Blattscheibe theilt

sich gabelförmig an ihrer Verbindung mit dem Stiel, und später noch

zwei oder dreimal, sich dabei in einer unregelmäszigen Art und Weise

umherwindend. Sie ist schmal, nur   Zoll in der Breite messend. Die

eine Scheibe war 7½ Zoll lang, so dasz das ganze Blatt mit Einschlusz

2 The American Naturalist, December 1873, p. 705.


 

[page break] Drosera binata. Cap. 12.

des Stengels über 27 Zoll an Länge masz. Beide Flächen sind unbedeutend ausgehöhlt. Die obere Fläche ist mit, in abwechselnden Reihen

angeordneten Tentakeln bedeckt; diejenigen in der Mitte sind kurz und

dicht zusammengedrängt, diejenigen nach den Rändern zu sind länger,

selbst zwei- oder dreimal so lang wie die Scheibe breit ist. Die Drüsen

der äuszeren Tentakeln sind von einem viel dunkleren Roth als die der

centralen. Die Stiele von allen sind grün. Die Spitze der Blattscheibe ist

verschmälert und trägt sehr lange Tentakeln. Dr. Copland theilt mir

mit, dasz die Blätter einer Pflanze, welche er einige Jahre lang hielt,

allgemein mit gefangenen Insecten bedeckt waren, ehe sie verwelkten.

Die Blätter weichen in keinen wesentlichen Punkten der Structur

oder der Function von denen der früher beschriebenen Species ab. Stückchen Fleisch oder ein wenig Speichel auf die Drüsen der äuszeren Tentakeln gebracht, verursachten gut ausgesprochene Bewegung in 3 Minuten,

und Stückchen Glas wirkten in 4 Minuten. Die Tentakeln mit den letztern Körperchen streckten sich nach 22 Stunden wieder aus. An einem

Stücke eines Blattes, welches in einige wenige Tropfen einer Lösung von

einem Theil kohlensauren Ammoniaks in 437 Theilen Wasser eingetaucht

war, waren in 5 Minuten alle Drüsen geschwärzt und alle Tentakeln eingebogen. Ein Stückchen rohen Fleisches auf mehrere Drüsen in der

mittleren Furche gelegt, war in 2 Stunden 10 Minuten von den randständigen Tentakeln auf beiden Seiten ordentlich eingeschlossen. Stückchen gerösteten Fleisches und kleine Fliegen wirkten nicht ganz so schnell,

und Eiweisz und Faserstoff noch weniger schnell. Eines der Stückchen

Fleisch erregte so starke Absonderung (welche immer sauer ist), dasz das

Secret eine Strecke weit die mittlere Furche hinabflosz und die Einbiegung

der Tentakeln auf beiden Seiten verursachte, so weit es sich erstreckte.

Stückchen Glas auf die Drüsen in der mittleren Furche gelegt, reizten

dieselben nicht stark genug, dasz irgend ein motorischer Impuls zu den

äuszeren Tentakeln gesandt worden wäre. In keinem Falle war die Scheibe

des Blattes, selbst nicht die verschmälerte Spitze, irgendwie eingebogen.

Auf beiden Flächen der Blattscheibe, der oberen und unteren, finden

sich zahlreiche minutiöse, beinahe sitzende Drüsen, welche aus vier, acht

oder zwölf Zellen bestehen. Auf der unteren Fläche sind sie blasz purpurn, auf der oberen grünlich. Nahezu ähnliche Organe kommen auf den

Blattstielen vor, sie sind da aber kleiner und häufig in einem verschrumpften Zustand. Die minutiösen Drüsen auf der Scheibe können rapid aufsaugen: so wurde ein Stück eines Blattes in eine Lösung von einem Theile

kohlensauren Ammoniaks in 218 Theilen Wasser (1 Gran auf ½ Unze)

eingetaucht, und in 5 Minuten waren sie alle so bedeutend gedunkelt,

dasz sie beinahe schwarz waren, auch war ihr Zelleninhalt zusammengeballt. So weit ich es zu beobachten im Stande war, sondern sie nicht

aus freien Stücken ab; aber in einer Zeit von zwischen 2 und 3 Stunden, nachdem ein Blatt mit einem Stückchen, mit Speichel angefeuchteten

rohen Fleisches gerieben worden war, schienen sie reichlich abzusondern;

und diese Schluszfolgerung wurde später noch durch andere Erscheinungen unterstützt. Sie sind daher mit den später zu beschreibenden

sitzenden Drüsen an den Blättern von Dionaea und Drosophyllum

homolog. In der letzt genannten Gattung sind sie, wie in dem vorliegen


 

[page break] Cap. 12. Drosera binata.

den Falle mit Drüsen vergesellschaftet, welche spontan absondern, d. h.

ohne dasz sie gereizt werden.

Drosera binata bietet eine andere und noch merkwürdigere Eigenthümlichkeit dar, nämlich die Anwesenheit einiger weniger Tentakeln auf

dem Rücken der Blätter in der Nähe ihrer Ränder. Sie sind ihrem Baue

nach vollkommen; Spiralgefäsze laufen die Stiele hinauf; ihre Drüsen sind

von Tropfen klebrigen Secrets umgeben und sie haben die Fähigkeit der

Aufsaugung. Diese letztere Thatsache zeigte sich dadurch, dasz die Drüsen

sofort schwarz und das Protoplasma zusammengeballt wurde, als ein Blatt

in ein wenig Lösung von einem Theile kohlensauren Ammoniaks auf

437 Theile Wasser gelegt wurde. Diese rückenständigen Tentakeln sind

kurz, sie erreichen auch nicht nahezu die Länge der randständigen auf

der oberen Fläche; einige von ihnen sind so kurz, dasz sie beinahe in

die minutiösen sessilen Drüsen übergehen. Ihre Anwesenheit, Zahl und

Grösze variirt an verschiedenen Blättern; sie sind ziemlich unregelmäszig

angeordnet. Auf dem Rücken eines Blattes zählte ich einundzwanzig der

einen Seite entlang.

Diese rückenständigen Tentakeln weichen in einer wichtigen Beziehung

von denen der obern Fläche ab, nämlich darin, dasz sie durchaus keine

Fähigkeit sich zu bewegen besitzen, in welcher Weise sie auch gereizt

werden mögen. So wurden Stücke von vier Blättern zu verschiedenen

Zeiten in Lösungen von kohlensaurem Ammoniak gebracht (ein Theil auf

437 oder 218 Theile Wasser) und alle Tentakeln auf der oberen Fläche

wurden bald dicht eingebogen; aber die rückenständigen bewegten sich

nicht, obschon die Blätter viele Stunden lang in den Lösungen gelassen

wurden und obgleich ihre Drüsen, ihrer schwarzen Färbung nach zu urtheilen, offenbar etwas von dem Salz absorbirt hatten. Für derartige

Versuche sollten ziemlich junge Blätter ausgewählt werden; denn wenn

die rückenständigen Tentakeln alt werden und zu verwelken beginnen,

neigen sie sich häufig spontan nach der Mitte des Blattes zu. Hätten

diese Blätter die Fähigkeit der Bewegung besessen, so würden sie dadurch der Pflanze nicht nutzbarer geworden sein; denn sie sind nicht

lang genug, um sich um den Rand des Blattes herum zu biegen, so dasz

sie ein auf der oberen Seite gefangenes Insect erreichen könnten. Auch

würde es von keinem Nutzen gewesen sein, wenn sich diese Tentakeln

nach der Mitte der unteren Fläche zu hätten bewegen können; denn dort

finden sich keine klebrigen Drüsen, mit welchen Insecten gefangen werden

könnten. Obgleich sie nicht die Fähigkeit der Bewegung haben, so sind

sie wahrscheinlich dadurch von etwas Nutzen, dasz sie aus irgend einem

minutiösen Insect, welches etwa von ihnen gefangen wäre, animale Substanz aufsaugen, und dasz sie Ammoniak aus dem Regenwasser absorbiren.

Aber ihre schwankende Anwesenheit und Grösze und ihre unregelmäszige

Stellung weisen darauf hin, dasz sie nicht von bedeutendem Nutzen sind

und dasz sie sich dem Verkümmern zuneigen. In einem spätern Capitel

werden wir sehen, dasz Drosophyllum mit seinen verlängerten Blättern

wahrscheinlich den Zustand eines frühen Urerzeugers der Gattung Drosera

repräsentirt; und keine Tentakeln von Drosophyllum, weder die auf der

obern, noch diejenigen an der unteren Fläche der Blätter sind nach Reizung einer Bewegung fähig, obschon sie zahlreiche Insecten fangen, welche

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 17

[page break] Drosera binata. Cap. 12

zur Nahrung dienen. Es scheint demnach, dasz Drosera binata Überreste

gewisser vorelterlicher Charactere behalten hat, — nämlich einige wenige

bewegungslose Tentakeln auf der Rückseite der Blätter und ziemlich gut

entwickelte sitzende Drüsen —, welche von den meisten oder allen übrigen Arten der Gattung verloren worden sind.

Schluszbemerkungen. — Nach dem, was wir nun gesehen

haben, kann kein Zweifel darüber bestehen, dasz die meisten oder

wahrscheinlich alle Species von Drosera so eingerichtet sind, dasz sie

Insecten mit nahezu denselben Mitteln fangen. Auszer den beiden

oben beschriebenen australischen Arten wird angegeben 3, dasz zwei

andere Arten dieses Landes, nämlich Drosera pallida und Drosera

sulphurea, "ihre Blätter mit groszer Rapidität über Insecten schlieszen:

dieselbe Erscheinung wird von einer indischen Species, Dr. lunata,

und von mehreren der Arten vom Vorgebirge der Guten Hoffnung,

besonders von Dr. trinervis dargeboten.‟ Eine andere australische

Art, Drosera heterophylla (welche Lindley zu einer besonderen Gattung, Sondera, macht), ist merkwürdig wegen der eigenthümlich geformten Blätter; ich weisz aber nichts von ihrer Fähigkeit, Insecten

zu fangen, denn ich habe nur getrocknete Exemplare gesehen. Die

Blätter bilden äuszerst kleine abgeplattete Becher, die Stiele sind

nicht an dem einen Rande, sondern am Boden derselben befestigt.

Die innere Fläche und die Ränder der Becher sind dicht mit Tentakeln besetzt, welche Gefäszfaserbündel einschlieszen, ziemlich verschieden von denen, die ich in irgend welchen andern Arten gesehen

habe; denn einige von den Gefäszen sind gestreift und punktirt, anstatt spiral zu sein. Die Drüsen sondern reichlich ab, nach der Menge

ihnen anhängenden eingetrockneten Secrets zu urtheilen.

3 Gardener's Chronicle, 1874, p. 209.


 

[[259]/0273]

Dreizehntes Capitel.

Dionaea muscipula.

Structur der Blätter. — Empfindlichkeit der Filamente. — Rapide Bewegung der

Lappen, durch Reizung der Filamente verursacht. — Drüsen, ihr Absonderungsvermögen. — Langsame Bewegung durch Absorption animaler Substanz verursacht. — Beweis der Aufsaugung in dem zusammengeballten Zustand der

Drüsen. — Verdauende Kraft des Secrets. — Wirkung von Chloroform, Äther

und Blausäure. — Die Art und Weise, wie Insecten gefangen werden. —

Nutzen der randständigen Spitzen. — Arten der Insecten, die gefangen werden. — Die Übermittelung des motorischen Impulses und der Mechanismus

der Bewegungen. — Wiederausbreitung der Lappen.

Diese gewöhnlich Venusfliegenfalle genannte Pflanze ist wegen

der Rapidität und Kraft ihrer Bewegungen eine der wunderbarsten

in der Welt 1. Sie ist ein Glied der kleinen Familie der Droseraceen

und wird nur in dem östlichen Theil von Nord-Carolina, in feuchten

Situationen wachsend, gefunden. Die Wurzeln sind klein; die einer

mäszig schönen Pflanze, die ich untersuchte, bestanden aus zwei ungefähr 1 Zoll langen Zweigen, welche von einer knolligen Verdickung entsprangen. Sie dienen wahrscheinlich, wie bei Drosera, nur

zur Aufsaugung von Wasser; denn ein Gärtner, welcher mit der

Cultur dieser Pflanze sehr erfolgreich gewesen ist, zieht sie, wie eine

schmarotzende Orchidee, in gut durchlassendem feuchten Moose ohne

irgend welche Erde 2. Die Form des zweilappigen Blattes mit seinem

blattartigen Stiele ist in der umstehenden Figur dargestellt (Fig. 12).

Die beiden Lappen stehen in etwas weniger als einem rechten Winkel

zu einander. Drei sehr kleine zugespitzte Fortsätze oder Filamente,

1 Dr. Hooker hat in seiner Adresse an die British Association in Belfast,

1874, einen so ausführlichen historischen Bericht über die Beobachtungen, welche

über die Lebensweise dieser Pflanze veröffentlicht worden sind, gegeben, dasz es

überflüssig für mich wäre, sie zu wiederholen.

2 Gardener's Chronicle, 1874, p. 464.

17*

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

die im Dreieck gestellt sind, springen von der oberen Fläche eines

jeden vor; ich habe aber zwei Blätter gesehen mit vier Filamenten

auf jeder Seite und ein anderes mit nur zweien. Diese Filamente

sind wegen ihrer äuszersten Empfindlichkeit gegen eine Berührung

merkwürdig, wie sie sich nicht durch ihre eigene Bewegung, sondern

durch die der Lappen zeigt. Die Ränder des Blattes sind in scharfe

[Abbildung      Fig. 12. (Dionaca muscipula.) Blatt im ausgebreiteten Zustande von der Seite gesehen.]

starre Vorsprünge ausgezogen, welche ich Spitzen (oder Speichen)

nenne; in jede derselben tritt ein Bündel von Spiralgefäszen ein.

Dieselben haben eine solche Stellung, dasz, wenn sich die Blattlappen

schlieszen, sie ineinander greifen wie die Zähne einer Rattenfalle. Die

Mittelrippe des Blattes ist auf der unteren Seite stark entwickelt und

vorspringend.

Die obere Fläche des Blattes ist, ausgenommen nach den Rändern

zu, dicht mit minutiösen Drüsen von einer röthlichen oder purpurnen

Färbung besetzt, während das Übrige des Blattes grün ist. An den

Speichen finden sich keine Drüsen, ebenso wenig an dem blattartigen

Stengel. Die Drüsen werden aus zwanzig bis dreiszig polygonalen

Zellen gebildet, die mit purpurner Flüssigkeit gefüllt sind. Ihre

obere Fläche ist convex. Sie stehen auf sehr kurzen Stielen, in welche

keine Spiralgefäsze eintreten, in welcher Beziehung sie von den Tentakeln der Drosera abweichen. Sie sondern ab, aber nur, wenn sie

durch die Absorption gewisser Substanzen gereizt werden; und sie

haben die Fähigkeit der Absorption. Minutiöse Vorsprünge, die aus

acht divergirenden Armen einer röthlich-braunen oder orangenen Färbung gebildet werden und unter dem Mikroskope wie elegante kleine

Blumen erscheinen, sind in beträchtlicher Anzahl über den Stengel,

die Rückenfläche der Blätter und die Speichen zerstreut; auch finden


 

[page break] Cap. 13. Empfindlichkeit der Filamente.

sich einige wenige auf der oberen Fläche der Lappen. Diese achttheiligen Vorsprünge sind ohne Zweifel mit den Papillen auf den

Blättern der Drosera rotundifolia homolog. Es sind auch noch einige

wenige sehr minutiöse, einfache, zugespitzte Haare, ungefähr   Zoll

(0,0148 Mm.) lang auf der Rückseite der Blätter vorhanden.

Die empfindlichen Filamente werden aus mehreren Reihen verlängerter, mit purpurähnlicher Flüssigkeit gefüllter Zellen gebildet.

Sie sind ein wenig mehr als   Zoll lang, sind dünn und zart und

verjüngen sich zu einer Spitze. Ich untersuchte die Basen von mehreren, indem ich Durchschnitte von ihnen machte, es war aber keine

Spur des Eintritts irgend eines Gefäszes zu sehen. Die Spitze ist

zuweilen zwei- oder selbst dreitheilig, in Folge einer leichten Trennung zwischen den endständigen zugespitzten Zellen. Nach der Basis

zu findet sich eine Einschnürung, die aus breiteren Zellen gebildet

wird, unterhalb deren ein von einer verbreiterten, aus verschiedentlich geformten polygonalen Zellen bestehenden Basis getragenes Gelenk

liegt. Da die Filamente in rechten Winkeln zu der Oberfläche des

Blattes vorspringen, so würden sie sehr leicht abgebrochen werden,

sobald sich nur immer die Lappen zusammenschlieszen, wenn ihnen

nicht dies Gelenk gestattete, sich platt niederzulegen.

Diese Filamente sind von ihren Spitzen bis zu ihren Basen ganz

ausgesucht empfindlich für eine momentane Berührung. Es ist kaum

möglich, sie überhaupt je so leicht oder so schnell mit irgend einem

harten Gegenstande zu berühren, ohne das Schlieszen der Lappen zu

verursachen. Ein 2½ Zoll langes Stückchen sehr zarten menschlichen

Haares, welches über einem Filamente hängend gehalten und hin und

her geschwungen wurde, so dasz es dasselbe berührte, erregte keine

Bewegung. Wenn aber ein ziemlich dicker baumwollener Garnfaden

von derselben Länge ähnlich geschwungen wurde, schlossen sich die

Lappen. Prisen feinen Weizenmehls, aus einer ziemlichen Höhe fallen

gelassen, brachten keine Wirkung hervor. Das oben erwähnte Haar

wurde dann in einem Handgriff befestigt und so weit abgeschnitten,

dasz 1 Zoll vorragte; dieses Stück war lang genug und hinreichend

steif, sich in einer nahezu horizontalen Linie zu halten. Das Ende

wurde nun durch eine langsame Bewegung seitlich mit der Spitze

eines Filaments in Berührung gebracht, und augenblicklich schlosz

sich das Blatt. Bei einer andern Gelegenheit waren zwei oder drei

Berührungen derselben Art nöthig, ehe irgend eine Bewegung er


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

folgte. Wenn wir bedenken, wie biegsam ein feines Haar ist, so

können wir uns eine Idee davon machen, wie leicht die von dem Ende

eines 1 Zoll langen, langsam bewegten Stückes verursachte Berührung

gewesen sein musz.

Obgleich diese Filamente für eine momentane und zarte Berührung so empfindlich sind, so sind sie doch für länger anhaltenden

Druck bei weitem weniger empfindlich als die Drüsen der Drosera.

Mehreremale gelang es mir, mit Hülfe einer mit äuszerster Langsamkeit bewegten Nadel Stückchen von ziemlich dickem menschlichen

Haar auf die Spitze eines Filaments zu legen, und diese regten keine

Bewegung an, obschon sie mehr als zehnmal so lang waren wie diejenigen, die die Tentakeln der Drosera sich zu biegen veranlaszten;

und trotzdem sie in diesem letztern Falle zum groszen Theile von der

dicken Absonderung getragen wurden. Auf der andern Seite können

die Drüsen der Drosera mit einer Nadel oder irgend einem harten

Gegenstande einmal, zweimal oder selbst dreimal mit beträchtlicher

Kraft gestoszen werden, und es folgt doch keine Bewegung. Dieser

eigenthümliche Unterschied in der Natur der Empfindlichkeit der

Filamente der Dionaea und der Drüsen der Drosera steht offenbar

in Beziehung zu den Lebensgewohnheiten der beiden Pflanzen. Wenn

ein äuszerst kleines Insect sich mit seinen zarten Füszen auf den

Drüsen der Drosera niederläszt, so wird es von dem klebrigen Secrete

gefangen und der unbedeutende, indessen verlängerte Druck gibt die

Notiz von der Anwesenheit der Beute weiter, welche nun durch das

langsame Biegen der Tentakeln gesichert wird. Auf der andern Seite

sind die empfindlichen Filamente der Dionaea nicht klebrig und das

Fangen der Insecten kann nur durch ihre Empfindlichkeit für eine

augenblickliche Berührung gesichert werden, welcher das schnelle

Schlieszen der Lappen folgt.

Wie eben angeführt wurde, sind die Filamente nicht drüsig und

sondern nicht ab. Auch haben sie die Fähigkeit der Absorption

nicht, wie daraus geschlossen werden kann, dasz Tropfen einer Lösung

von kohlensaurem Ammoniak (1 Theil auf 146 Theile Wasser), auf

zwei Filamente gebracht, keine Wirkung auf den Inhalt ihrer Zellen

hervorbrachte und auch nicht die Lappen zu schlieszen veranlaszte.

Wenn indessen ein kleines Stück eines Blattes mit daran haftendem

Filament abgeschnitten und in die nämliche Lösung eingetaucht wurde,

so wurde die Flüssigkeit innerhalb der basalen Zellen beinahe augen


 

[page break] Cap. 13. Empfindlichkeit der Filamente.

blicklich zu purpurartigen oder farblosen, unregelmäszig geformten

Massen von Substanz zusammengeballt. Der Procesz der Zusammenballung gieng allmählich von Zelle zu Zelle die Filamente hinauf bis

zu ihren Spitzen; das ist also ein umgekehrter Lauf, verglichen mit

dem, der in den Tentakeln der Drosera vorkommt, wenn sie gereizt

worden sind. Mehrere andere Filamente wurden dicht an ihrer Basis

abgeschnitten und 1 Stunde 30 Minuten lang in eine schwächere

Lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 218 Theile

Wasser gelegt; und dies verursachte Zusammenballung in allen Zellen,

wieder wie vorher an den Basen der Filamente beginnend.

Langes Eintauchen der Filamente in destillirtes Wasser verursacht

gleichfalls Zusammenballung. Es ist auch nicht selten, den Inhalt

einiger wenigen endständigen Zellen in einem von selbst eingetretenen

Zustand der Zusammenballung zu finden. Die zusammengeballten

Massen erleiden unablässig langsame Formveränderungen, vereinigen

sich und trennen sich wieder; und einige von ihnen drehen sich allem

Anscheine nach rund um ihre eigene Achse. Es ist auch das Flieszen

eines Stroms farblosen körnigen Protoplasmas rund um die Zellen den

Wänden entlang zu sehen. Dieser Strom hört auf, sichtbar zu sein,

sobald der Inhalt gut zusammengeballt ist; er dauert aber wahrscheinlich noch fort, obschon nicht länger mehr sichtbar, weil alle

Körnchen in der strömenden Schicht sich mit den centralen Massen

vereinigt haben. In allen diesen Beziehungen verhalten sich die

Filamente der Dionaea genau so wie die Tentakeln der Drosera.

Trotz dieser Ähnlichkeit besteht doch eine merkwürdige Verschiedenheit. Wenn die Drüsen der Tentakeln der Drosera wiederholt

berührt worden sind oder wenn ein Körperchen irgend welcher Art auf

sie gelegt worden ist, so werden sie eingebogen und ihr Zelleninhalt

wird stark zusammengeballt. Keine solche Wirkung wird durch die

Berührung der Filamente der Dionaea hervorgebracht; ich verglich

nach einer oder zwei Stunden einige Filamente, welche berührt worden waren, mit andern, welche es nicht waren, und noch andere nach

25 Stunden, und es fand sich in dem Inhalte der Zellen keine Verschiedenheit. Die Blätter wurden während der ganzen Zeit durch

Klemmer offen gehalten, so dasz die Filamente nicht gegen den Lappen

der anderen Seite angepreszt wurden.

Wassertropfen oder ein dünner, unterbrochener, aus einer gewissen

Höhe auf die Filamente herabfallender Strom verursachte keinen


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13

Schlusz der Blattscheiben; obschon die nämlichen Filamente später

als in hohem Grade empfindlich erwiesen wurden. Ohne Zweifel ist,

wie es auch bei der Drosera der Fall ist, die Pflanze gegen den

schwersten Regenschauer ganz indifferent. Tropfen einer Lösung von

einer halben Unze Zucker in einer flüssigen Unze Wasser wurden

wiederholt aus einer gewissen Höhe auf die Filamente fallen gelassen;

es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht, wenn sie nicht an den

Filamenten hängen blieben. Ferner blies ich viele male durch eine

feine zugespitzte Röhre mit äuszerster Kraft gegen die Filamente,

aber ohne irgend welche Wirkung; ein derartiges Blasen wurde mit

so viel Gleichgültigkeit aufgenommen, wie es ohne Zweifel ein heftiger

Sturmwind wurde. Wir sehen hieraus, dasz die Empfindlichkeit der

Filamente von einer specialisirten Beschaffenheit ist und eher zu einer

momentanen Berührung als zu einem länger andauernden Druck in

Beziehung steht; auch darf der Druck nicht von Flüssigkeiten, wie

z. B. Luft oder Wasser, sondern musz von irgend einem festen Gegenstande ausgehen.

Obgleich Tropfen von Wasser und von einer mäszig starken

Zuckerlösung, wenn sie auf die Filamente fallen, dieselben nicht reizen,

so bewirkt doch die Eintauchung eines Blattes in reines Wasser zuweilen, dasz sich die Lappen schlieszen. Ein Blatt wurde 1 Stunde

10 Minuten lang und drei andere Blätter für einige Minuten in Wasser

gelassen, dessen Temperatur zwischen 15° bis 18,3° C. (59° bis 65° F.)

schwankte; indessen ohne Wirkung. Als indessen eines dieser vier

Blätter sanft aus dem Wasser gezogen wurde, schlosz es sich ziemlich schnell. Die drei anderen Blätter wurden als im guten Zustande

befindlich nachgewiesen, da sie sich schlossen, als ihre Filamente berührt wurden. Nichtsdestoweniger schlossen sich zwei frische Blätter

augenblicklich, als sie in Wasser von 23,8° und 16,9° C. (75° und

62½° F.) getaucht wurden. Diese wurden dann mit ihren Stengeln

in Wasser gestellt und breiteten sich nach 23 Stunden theilweise

wieder aus; bei Berührung ihrer Filamente schlosz sich das eine.

Nach Verlauf von weiteren 24 Stunden breitete sich dieses letztere

Blatt nochmals wieder aus, und als nun die Filamente beider Blätter

berührt wurden, schlossen sich beide. Wir sehen hiernach, dasz ein

kurzes Eintauchen in Wasser die Blätter durchaus nicht verletzt, sondern zuweilen die Lappen sich zu schlieszen reizt. Die Bewegung

war in den oben erwähnten Fällen offenbar nicht durch die Tem


 

[page break] Cap. 13. Empfindlichkeit der Filamente.

peratur des Wassers verursacht. Es ist gezeigt worden, dasz langes

Eintauchen es bewirkt, dasz die purpurne Flüssigkeit innerhalb der

Zellen der empfindlichen Filamente zusammengeballt wird; und langes

Eintauchen wirkt auf die Tentakeln der Drosera in der nämlichen

Weise, häufig werden sie etwas eingebogen. In beiden Fällen ist

das Resultat wahrscheinlich eine Folge eines leichten Grades von

Exosmose.

Ich werde in dieser Annahme durch die Wirkungen des Eintauchens eines Blattes der Dionaea in eine mäszig starke Auflösung

von Zucker bestärkt; das Blatt hatte vorher 1 Stunde 10 Minuten

lang in Wasser gelegen ohne irgend welche Wirkung; nun aber

schlossen sich die Lappen ziemlich geschwind, die Spitzen der randständigen Speichen kreuzten sich in 2 Minuten 30 Secunden und das

Blatt war in 3 Minuten vollständig geschlossen. Drei Blätter wurden

dann in eine Lösung von einer halben Unze Zucker in einer flüssigen

Unze Wasser eingetaucht, und alle drei Blätter schlossen sich schnell.

Da ich darüber zweifelhaft war, ob zur Hervorbringung dieser Wirkung die Exosmose auf die Zellen an der oberen Fläche der Lappen

oder auf die empfindlichen Filamente eingewirkt habe, so wurde zuerst ein Blatt in der Weise versucht, dasz ein wenig von der nämlichen Lösung auf die Furche über der Mittelrippe zwischen den beiden Lappen, welches der hauptsächlichste Sitz der Bewegung ist,

gegossen wurde. Es wurde einige Zeit da gelassen, es folgte aber

keine Bewegung. Dann wurde die ganze obere Fläche des Blattes

mit derselben Lösung bestrichen (ausgenommen dicht um die Basen

der empfindlichen Filamente, wo ich es nicht ohne die Gefahr sie zu

berühren thun konnte); es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht.

Die Zellen auf der oberen Fläche werden daher hierdurch nicht afficirt. Als es mir aber nach vielen Versuchen gelang, einen Tropfen

der Lösung an einem der Filamente hängen bleiben zu lassen, schlosz

sich das Blatt schnell. Wir können, wie ich meine, hieraus schlieszen,

dasz die Lösung es verursacht, dasz Flüssigkeit aus den zarten Zellen

der Filamente durch Exosmose austritt; und dasz dies irgend eine

moleculare Veränderung in ihrem Inhalt veranlaszt, analog der, welche

durch eine Berührung hervorgebracht werden musz.

Das Eintauchen der Blätter in eine Lösung von Zucker wirkt

eine viel längere Zeit auf dieselben, als es Eintauchen in Wasser oder

eine Berührung der Filamente thut; denn in diesen letzteren Fällen


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

fangen die Lappen an, sich in weniger als einem Tage wieder auszubreiten. Auf der anderen Seite breitete sich von den drei Blättern,

welche eine kurze Zeit lang in die Lösung eingetaucht und dann

mittelst einer zwischen die Lappen eingeschobenen Spritze gewaschen

wurden, das eine nach zwei Tagen wieder aus, ein zweites nach sieben

Tagen und das dritte nach neun Tagen. Das Blatt, welches sich in

Folge davon geschlossen hatte, dasz ein Tropfen der Lösung an einem

der Filamente hängen geblieben war, öffnete sich nach zwei Tagen

wieder.

Ich war überrascht, bei zwei Gelegenheiten zu finden, dasz die

Wärme der Sonnenstrahlen, durch eine Linse auf die Basen mehrerer

Filamente concentrirt, so dasz sie versengt und entfärbt wurden, keine

Bewegung verursachte, trotzdem dasz die Blätter lebendig waren, da

sie sich, wenngleich etwas langsam, schlossen, als ein Filament der

anderen Seite berührt wurde. Bei einem dritten Versuche schlosz

sich ein frisches Blatt nach einiger Zeit, obschon sehr langsam; die

Geschwindigkeit nahm nicht zu, als eines der Filamente, welches nicht

verletzt worden war, berührt wurde. Nach Verlauf eines Tages

öffneten sich diese Blätter wieder und waren ganz ordentlich empfindlich, als die nicht verletzten Filamente berührt wurden. Das plötzliche Eintauchen eines Blattes in kochendes Wasser bewirkt nicht,

dasz es sich schlieszt. Nach der Analogie mit Drosera zu schlieszen,

war in diesen verschiedenen Fällen die Hitze zu grosz und wurde zu

plötzlich angewendet. Die Oberfläche der Blattscheibe ist sehr unbedeutend empfindlich; man kann sie reichlich und derb berühren,

ohne dasz irgend eine Bewegung verursacht würde. Ein Blatt wurde

ziemlich derb mit einer Nadel gekratzt, schlosz sich aber nicht; als

aber der dreieckige Raum zwischen den drei Filamenten auf einem

andern Blatte in ähnlicher Weise gekratzt wurde, schlossen sich die

Lappen. Sie schlossen sich immer, wenn die Scheibe oder die Mittelrippe tief gestochen oder geschnitten wurde. Unorganische Körper,

selbst von bedeutender Grösze, sowie Stückchen Stein, Glas u. s. w.,

— oder organische Körper, welche keine lösliche stickstoffhaltige

Substanz enthalten, wie Stückchen Kork, Holz, Moos, — oder stickstoffhaltige Substanz enthaltende Körper in vollkommen trockenem

Zustand, wie Stückchen Fleisch, Eiweisz, Gelatine u. s. w. können

lange Zeit (und es wurden viele versucht) auf den Lappen gelassen

werden, ohne dasz eine Bewegung erregt wird. Das Resultat ist in


 

[page break] Cap. 13. Secretion und Absorption.

dessen sehr verschieden, wie wir sofort sehen werden, wenn stickstoffhaltige organische Körper, wenn sie nur überhaupt etwas feucht sind,

auf den Blattlappen liegen gelassen werden; denn dieselben schlieszen

sich dann mit einer langsamen und allmählichen Bewegung, sehr

verschieden von der, welche durch Berührung eines der empfindlichen

Filamente hervorgerufen wird. Der Blattstiel ist nicht im mindesten

empfindlich; man kann eine Stecknadel durch ihn hindurchstecken

oder er kann durchschnitten werden, und es erfolgt doch keine Bewegung.

Die obere Fläche der Blattlappen ist, wie bereits angegeben

wurde, dicht mit kleinen, purpurnen, beinahe sitzenden Drüsen bedeckt.

Diese haben sowohl die Fähigkeit der Absonderung als auch die der

Absorption; aber verschieden von denen der Drosera sondern sie nicht

eher ab als bis sie durch Absorption stickstoffhaltiger Substanz gereizt

sind. Kein anderes Reizmittel bringt, so weit ich es beobachtet habe,

diese Wirkung hervor. Es können Gegenstände, wie Stückchen Holz,

Kork, Moos, Papier, Stein oder Glas lange Zeit auf der Oberfläche

eines Blattes gelassen werden, und es bleibt ganz trocken. Es macht

auch keinen Unterschied, ob sich die Lappen über solchen Gegenständen schlieszen. Es wurden beispielsweise kleine Kugeln von Löschpapier auf ein Blatt gelegt und ein Filament berührt; und als sich

nach 24 Stunden die Lappen wieder zu öffnen anfiengen, wurden die

Kugeln mit Hülfe dünner Pincetten entfernt und stellten sich als

vollkommen trocken heraus. Wenn auf der andern Seite ein Stückchen feuchten Fleisches oder eine zerdrückte Fliege auf die Oberfläche

eines ausgebreiteten Blattes gelegt wird, so sondern nach einiger

Zeit die Drüsen reichlich ab. In einem derartigen Falle war ein

wenig Secret direct unter dem Fleisch in 4 Stunden vorhanden; und

nach Verlauf von weiteren 3 Stunden fand sich eine beträchtliche

Quantität sowohl unter ihm als auch rings um dasselbe herum. In

einem andern Falle war das Stückchen Fleisch nach 3 Stunden 40

Minuten ganz nasz. Aber keine Drüse sonderte ab, ausgenommen

diejenigen, welche factisch das Fleisch oder das aufgelöste animale

Substanz enthaltene Secret berührten.

Wenn indessen die Blattlappen durch ein Stückchen Fleisch oder

ein Insect zum Schlieszen gebracht werden, so ist das Resultat verschieden; denn nun sondern die Drüsen über die ganze Oberfläche

des Blattes reichlich ab. Da in diesem Falle die Drüsen auf beiden


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13

Seiten gegen das Fleisch oder das Insect angedrückt werden, so ist

die Absonderung von Anfang an zweimal so bedeutend, als wenn ein

bischen Fleisch auf die Oberfläche eines Lappens gelegt wird; und

da die Lappen in beinahe ganz dichte Berührung kommen, so verbreitet sich die aufgelöste animale Substanz enthaltende Absonderung

durch Capillarattraction und veranlasst frische Drüsen auf beiden

Seiten in sich beständig erweiternden Kreisen zur Absonderung; das

Secret ist beinahe farblos, leicht schleimig, und nach der Art und

Weise, wie es Lackmuspapier färbte, zu urtheilen, stärker sauer als

das der Drosera. Es ist so reichlich, dasz bei einer Gelegenheit, wo

ein Blatt aufgeschnitten wurde, auf welches vor 45 Stunden ein

kleines Eiweiszwürfelchen gelegt worden war, Tropfen vom Blatt

herunterrollten. Bei einer andern Gelegenheit, wo ein Blatt, welches

ein Stückchen gerösteten Fleisches eingeschlossen hatte, sich nach

acht Tagen von selbst wieder öffnete, war so viel Secret in der

Furche über der Mittelrippe, dasz es herabtröpfelte. Eine grosze

zerdrückte Fliege (Tipula) wurde auf ein Blatt gelegt, aus welchem

ein kleines Stück an der Basis des einen Lappens vorher herausgeschnitten worden war, so dasz eine Öffnung blieb; und durch diese

lief das Secret neun Tage lang fortwährend den Blattstiel hinab, —

d. i. während der ganzen Zeit, so lange überhaupt das Blatt beobachtet wurde. Dadurch, dasz ich den einen Lappen gewaltsam aufhob, konnte ich eine Strecke weit zwischen ihnen hinsehn; und alle

Drüsen, die ich sehen konnte, sonderten reichlich ab.

Wir haben gesehen, dasz unorganische und nicht stickstoffhaltige

Körper auf die Blätter gelegt keine Bewegung anregen; aber stickstoffhaltige Körper, wenn sie nur im allergeringsten Grade feucht

sind, bewirken, dasz sich die Lappen nach mehreren Stunden langsam schlieszen. So wurden Stückchen von vollständig trockenem

Fleisch und Gelatine auf die entgegengesetzten Ende eines und desselben Blattes gelegt und regten in 24 Stunden weder Absonderung

noch Bewegung an. Sie wurden dann in Wasser getaucht, ihre Oberfläche mit Löschpapier abgetrocknet, und sie dann auf dasselbe Blatt

zurückgebracht, während die Pflanze nun mit einer Glasglocke bedeckt wurde. Nach 24 Stunden hatte das feuchte Fleisch etwas

saure Absonderung erregt und die Lappen waren an diesem Ende des

Blattes beinahe geschlossen. Am andern Ende, wo die feuchte Gelatine lag, war das Blatt noch immer vollständig offen, auch war keine


 

[page break] Cap. 13. Secretion und Absorption.

Absonderung angeregt worden; so dasz, wie wir es bei Drosera sahen,

Gelatine eine nicht annähernd so stark reizende Substanz ist wie

Fleisch. Das Secret unterhalb des Fleisches wurde so geprüft, dasz

ein Streifen Lackmuspapier unter dasselbe geschoben wurde (ohne dasz

die Filamente berührt wurden), und dieser unbedeutende Reiz bewirkte

es, dasz sich das Blatt schlosz. Am elften Tage öffnete es sich wieder;

aber das Ende, wo die Gelatine lag, breitete sich mehrere Stunden

früher als das andere Ende mit dem Fleische aus.

Ein zweites Stückchen gerösteten Fleisches, welches dem Anscheine

nach trocken war, obschon es nicht absichtlich getrocknet worden

war, wurde 24 Stunden lang auf einem Blatte gelassen und verursachte weder Bewegung noch Absonderang. Die Pflanze in ihrem

Topfe wurde nun mit einer Glasglocke bedeckt und das Fleisch absorbirte etwas Feuchtigkeit aus der Luft; dies reichte hin, eine saure

Absonderung anzuregen, und am nächsten Morgen war das Blatt

dicht geschlossen. Ein drittes Stückchen Fleisch, welches so getrocknet

worden war, dasz es ganz spröde und zerbrechlich war, wurde auf

ein Blatt unter einer Glasglocke gelegt; auch dies wurde in 24 Stunden leicht feucht und regte etwas saure Absonderung an, aber keine

Bewegung.

Ein ziemlich groszes Stück vollkommen trockenen Eiweiszes wurde

auf dem einen Ende eines Blattes 24 Stunden ohne irgend welche

Wirkung liegen gelassen. Es wurde dann wenig Minuten lang in

Wasser eingeweicht, auf Löschpapier umhergerollt und auf das Blatt

zurückgebracht; in 9 Stunden war etwas unbedeutend saure Absonderung angeregt, und in 24 Stunden war dies Ende des Blattes theilweise geschlossen. Das Stückchen Eiweisz, was nun von viel Secret

umgeben war, wurde sanft entfernt, und obschon kein Filament berührt wurde, schlossen sich die Lappen. Aus diesem und dem vorhergehenden Falle scheint hervorzugehen, dasz die Aufsaugung animaler

Substanz durch die Drüsen die Oberfläche des Blattes viel empfindlicher für eine Berührung macht, als sie es in ihrem gewöhnlichen

Zustande ist; und dies ist eine merkwürdige Thatsache. Zwei Tage

darauf fieng das Ende des Blattes, wo nichts hingelegt worden war,

an sich wieder zu öffnen und war am dritten Tage viel weiter offen

als das entgegengesetzte Ende, wo das Eiweisz gelegen hatte.

Endlich wurden grosze Tropfen einer Lösung von einem Theil

kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser auf einige Blätter


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

gebracht; es erfolgte aber keine sofortige Bewegung. Ich wuszte damals nicht, dasz animale Substanz eine langsame Bewegung verursachte, sonst würde ich die Blätter eine längere Zeit hindurch beobachtet haben, und sie würden dann wahrscheinlich geschlossen gefunden worden sein, obschon die Lösung (nach Drosera zu urtheilen)

vielleicht zu stark war.

Nach den vorstehend angeführten Thatsachen ist es sicher, dasz

Stückchen von Fleisch und Eiweisz, wenn sie nur im allergeringsten

feucht sind, nicht nur die Drüsen zu secerniren veranlassen, sondern

auch die Lappen zu schlieszen. Diese Bewegung ist von dem rapiden,

durch die Berührung eines der Filamente verursachten Schlieszen sehr

verschieden. Wir werden ihre Bedeutung erkennen, wenn wir von

der Art und Weise handeln werden, wie Insecten gefangen werden.

Es besteht ein groszer Contrast zwischen Drosera und Dionaea in

den, einerseits durch mechanische Reizung, andererseits durch die

Absorption animaler Substanz hervorgebrachten Wirkungen. Stückchen Glas, welche auf die Drüsen der äuszeren Tentakeln der Drosera

gelegt werden, erregen Bewegung innerhalb nahezu derselben Zeit,

wie es Stückchen Fleisch thun, und die letzteren sind ziemlich die

wirksamsten Körper; wenn aber den Drüsen der Scheibe Stückchen

Fleisch gegeben worden sind, so übermitteln sie den äuszern Tentakeln

einen motorischen Impuls viel schneller, als es dieselben Drüsen thun,

wenn sie anorganische Theilchen tragen, oder wenn sie durch wiederholte Berührungen gereizt worden sind. Auf der andern Seite erregt

bei Dionaea eine Berührung der Filamente eine unvergleichlich

schnellere Bewegung als Absorption animaler Substanz durch die

Drüsen. Trotzdem ist in gewissen Fällen dieses letztere Reizmittel

das wirksamere von den beiden. Bei drei Gelegenheiten wurden

Blätter gefunden, welche aus irgend welcher Ursache torpid waren,

so dasz sich ihre Lappen nur unbedeutend schloszen, wie sehr auch

ihre Filamente gereizt werden mochten; als aber zerdrückte Insecten

zwischen die Lappen gebracht wurden, wurden sie in einem Tage

dicht geschlossen.

Die soeben mitgetheilten Thatsachen zeigen deutlich, dasz die

Drüsen die Fähigkeit der Absorption besitzen; denn im andern Falle

wäre es unmöglich, dasz die Blätter von nichtstickstoffhaltigen und

von stickstoffhaltigen Körpern, und von den letzteren in einem feuchten und einem trockenen Zustande so verschieden afficirt werden


 

[page break] Cap. 13. Secretion und Absorption.

sollten. Es ist überraschend, in wie unbedeutendem Grade ein Stückchen Fleisch oder Eiweisz feucht zu sein braucht, um Absonderung

und später langsame Bewegung anzuregen, und in gleicher Weise

überraschend ist es, eine wie minutiös kleine Menge animaler Substanz, wenn sie absorbirt wird, hinreicht, diese beiden Wirkungen

hervorzubringen. Es erscheint kaum glaublich und ist doch sicherlich eine Thatsache, dasz ein Stückchen hart gekochten Eiereiweiszes,

erst vollständig getrocknet und dann für ein paar Minuten in Wasser

gelegt und auf Löschpapier herumgerollt, in wenigen Stunden genug

animale Substanz an die Drüsen abgeben kann, um sie zum Absondern und später die Lappen zum Schlieszen zu veranlassen. Dasz die

Drüsen die Fähigkeit der Absorption haben, zeigt sich gleichfalls in

der sehr verschiedenen Länge Zeit (wie wir sofort sehen werden),

während welcher die Lappen über Insecten und andern lösliche stickstoffhaltige Substanz darbietenden Körpern und über solchen, welche

keine solche Substanz abgeben, geschlossen bleiben. Es liegt aber

ein directer Beweis für die Absorption in dem Zustand der Drüsen,

welche einige Zeit lang mit animaler Substanz in Berührung geblieben sind. So wurden Stückchen Fleisch und zerdrückte Insecten

mehrere Male auf Drüsen gelegt und diese nach Verlauf einiger Stunden mit andern Drüsen von entfernten Stellen des Blattes verglichen.

Die letzteren zeigten nicht eine Spur von Zusammenballung, während

diejenigen, welche mit der animalen Substanz in Berührung gewesen

waren, gut zusammengeballt waren. Man kann sehen, wie Zusammenballung sehr schnell eintritt, wenn ein Stückchen eines Blattes in

eine schwache Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetaucht wird.

Ferner wurden kleine Würfelchen von Eiweisz und Gelatine acht

Tage lang auf einem Blatte gelassen, welches dann aufgeschnitten

wurde. Die ganze Oberfläche war mit saurem Secrete benetzt, und

eine jede Zelle in den vielen Drüsen, welche untersucht wurden, bot

eine Zusammenballung des Inhalts dar, und zwar zeigten sich in

einer wunderschönen Art dunkel oder blasz purpurne oder farblose

kuglige Massen von Protoplasma. Diese erlitten unaufhörliche langsame Formveränderungen, zuweilen trennten sie sich von einander und

vereinigten sich dann wieder, genau so wie in den Zellen der Drosera. Kochendes Wasser macht den Inhalt der Drüsenzellen weisz

und opak, aber nicht so rein weisz und porzellanartig, wie es bei

Drosera der Fall ist. Wie lebende Insecten, wenn sie auf natür


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

liche Weise gefangen sind, die Drüsen reizen, so schnell abzusondern,

wie sie es wirklich thun, weisz ich nicht; ich vermuthe aber, dasz

der grosze Druck, denen sie ausgesetzt sind, ein wenig Substanz aus

einem der beiden Enden ihres Körpers herauszwängt; und wir haben

gesehen, dasz eine äuszerst geringe Menge stickstoffhaltiger Substanz

genügt, die Drüsen zu reizen.

Ehe ich auf die Frage von der Verdauung übergehe, will ich

anführen, dasz ich, aber ohne Erfolg, die Verrichtungen der kleinen

achttheiligen Fortsätze, mit denen die Blätter übersäet sind, zu entdecken versuchte. Nach später in den Capiteln über Aldrovanda und

Utricularia mitzutheilenden Thatsachen schien es wahrscheinlich zu

sein, dasz sie dazu dienten, zerfallene von den gefangenen Insecten

übrig bleibende Substanz zu absorbiren; aber ihre Stellung auf der

Rückseite der Blätter und auf den Stielen machte dies beinahe unmöglich. Trotzdem wurden Blätter in eine Lösung von einem Theil

Harnstoff auf 437 Theile Wasser eingelegt, und nach 24 Stunden erschien die orangerothe Schicht Protoplasma in den Armen dieser

Fortsätze nicht mehr zusammengeballt als in andern, in Wasser gehaltenen Exemplaren. Ich machte dann den Versuch und hieng ein

Blatt in einer Flasche über einem excessiv faul riechenden Aufgusz

von rohem Fleisch auf, um zu sehen, ob diese Fortsätze den Dampf

absorbirten; ihr Zelleninhalt wurde aber nicht afficirt.

Verdauungskraft des Secrets 3. — Wenn sich ein Blatt

über irgend einen Gegenstand schlieszt, so kann man sagen, dasz es

sich zu einem zeitweiligen Magen umbilde; und wenn der Gegenstand

3 Dr. W. M. Canby von Wilmington, dem ich für Information in Bezug auf

Dionaea in ihrem Heimathlande sehr verbunden bin, hat in "The Gardener's

Monthly‟, Philadelphia, August, 1868, einige interessante Beobachtungen veröffentlicht. Er ermittelte, dasz das Secret animale Substanz, wie den Inhalt der

Insectenkörper, Stücken Fleisch u. s. w., verdaut und dasz die Absonderung wieder

aufgesaugt wird. Er wuszte auch ganz gut, dasz die Lappen eine viel längere

Zeit geschlossen bleiben, wenn sie mit animaler Substanz in Berührung waren,

als wenn sie durch eine blosze Berührung zum Schlieszen gebracht wurden, oder

über Gegenständen, die keine lösliche Nährsubstanz darbieten, ebenso, dasz in diesem letztern Falle die Drüsen nicht absondern. Dr. Curtis beobachtete zuerst

die Absonderung aus den Drüsen (Boston Journal Nat. Hist. Vol. I. p. 123).

Ich will hier nur noch hinzufügen, dasz, wie man sagt, ein Gärtner, W. Knight,

gefunden haben soll (Kirby and Spence's Introduction to Entomology, 1818,

Vol. I. p. 295), dasz ein Exemplar der Dionaea, "auf deren Blätter er Fäden

rohen Rindfleisches gelegt habe, in seinem Wachsthum viel üppiger gewesen sei,

als andere nicht so behandelte.‟


 

[page break] Cap. 13. Verdauung.

auch noch so wenig animale Substanz abgibt, so dient dieselbe, um

Schiff's Ausdruck zu brauchen, als Peptogen, und die Drüsen an der

Oberfläche ergieszen ihr saures Secret, welches wie der Magensaft der

Thiere wirkt. Da so viele Versuche über die verdauende Kraft der

Drosera angestellt worden waren, wurden nur einige wenige mit

Dionaea gemacht: sie waren aber reichlich genügend, zu beweisen,

dasz sie verdaut. Überdies ist diese Pflanze nicht so für Beobachtungen eingerichtet, wie Drosera, da der Procesz innerhalb der geschlossenen Lappen vor sich geht. Wenn Insecten, selbst Käfer,

mehrere Tage lang der Einwirkung des Secrets ausgesetzt waren,

sind sie in überraschender Weise erweicht, obschon ihre chitinhaltigen

Hüllen nicht corrodirt sind.

1. Versuch. — Ein Eiweiszwürfel von ⅒ Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge wurde auf das eine Ende eines Blattes gelegt, auf das andere ein

längliches Stückchen Gelatine ⅕ Zoll (5,08 Mm.) lang und ⅒ Zoll breit;

dann wurde das Blatt zum Schlieszen gebracht. Nach 45 Stunden wurde

es aufgeschnitten. Das Eiweisz war hart und zusammengedrückt, die

Kanten nur ein wenig abgerundet; das Gelatinestückchen war zu einer

ovalen Form corrodirt; beide waren in einer solchen Menge sauren Secrets

eingetaucht, dasz es vom Blatt herabtropfte. Der Verdauungsprocesz ist

allem Anscheine nach etwas langsamer als bei Drosera, und dies stimmt

mit der Länge der Zeit überein, während welcher die Blätter über verdaulichen Gegenständen geschlossen bleiben.

2. Versuch. — Ein Stückchen Eiweisz von ⅒ Zoll im Geviert,

aber nur   Zoll dick, und ein Stückchen Gelatine von derselben Grösze

wurden auf ein Blatt gelegt, welches acht Tage später aufgeschnitten

wurde. Die Oberfläche war ganz benetzt mit einem unbedeutend klebrigen, sehr sauren Secrete, und die Drüsen fanden sich sämmtlich in zusammengeballtem Zustande. Nicht eine Spur Eiweisz oder Gelatine war

übrig geblieben. Ähnlich grosze Stücke waren zu gleicher Zeit auf

feuchtes Moos in demselben Topfe gelegt worden, so dasz sie annähernd

ähnlichen Bedingungen ausgesetzt waren; nach acht Tagen waren dieselben braun, im Zerfall begriffen und von Moderfasern bedeckt, waren

aber nicht verschwunden.

3. Versuch. — Ein Stückchen Eiweisz,   Zoli (3,81 Mm.) lang

und   Zoll breit und dick, und ein Stückchen Gelatine von derselben

Grösze wie vorhin, wurden auf ein anderes Blatt gelegt, welches nach

sieben Tagen aufgeschnitten wurde; nicht eine Spur von einer der beiden

Substanzen war übrig geblieben, und nur eine mäszige Menge von Secret

fand sich auf der Oberfläche.

4. Versuch. — Stücke von Eiweisz und Gelatine von derselben

Grösze wie im letzten Experiment wurden auf ein Blatt gelegt, welches

sich nach zwölf Tagen von freien Stücken öffnete; und hier wiederum

war nicht eine Spur von beiden übrig, und nur ein wenig Secret fand

sich an dem einen Ende der Mittelrippe.

Darwin, Insecteufressende Ptlanzen. (VIII.) 18

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

5. Versuch. — Stückchen von Eiweisz und Gelatine von derselben

Grösze wurden auf ein anderes Blatt gelegt, welches nach zwölf Tagen

noch immer fest geschlossen war, aber angefangen hatte zu welken; es

wurde aufgeschnitten und enthielt nichts, ausgenommen eine Spur brauner

Masse da, wo das Eiweisz gelegen hatte.

6. Versuch. — Ein Eiweiszwürfel von ⅒ Zoll und ein Stückchen

Gelatine von derselben Grösze wie vorhin wurden auf ein Blatt gelegt,

welches sich nach dreizehn Tagen von selbst wieder öffnete. Das Eiweisz,

welches zweimal so dick wie in den letzten Experimenten gewesen war,

war zu grosz; denn die Drüsen, welche mit ihnen in Berührung waren,

waren verletzt und fielen ab; es war auch ein Eiweiszhäutchen von

brauner Farbe, mit Moder überzogen, übrig geblieben. Das ganze Gelatine

war absorbirt und es fand sich nur ein wenig sauren Secrets auf der

Mittelrippe.

7. Versuch. — Ein Stückchen halbgerösteten Fleisches (nicht gemessen) und ein Stückchen Gelatine wurden auf die beiden Enden eines

Blattes gelegt, welches sich nach elf Tagen von selbst wieder öffnete;

eine Spur von dem Fleische war noch übrig gelassen, und an dieser

Stelle war die Oberfläche des Blattes geschwärzt; das Gelatine war ganz

verschwunden.

8. Versuch. — Ein Stückchen halbgerösteten Fleisches (nicht gemessen) wurde auf ein Blatt gelegt, welches durch einen Klemmer gewaltsam offen gehalten wurde, so dasz es nur an seiner untern Fläche vom

Secret (sehr sauer) befeuchtet war. Nichtsdestoweniger war es nach nur

22½ Stunden in überraschendem Grade erweicht, wenn es mit einem andern Stückchen desselben Fleisches verglichen wurde, welches feucht gehalten worden war.

9. Versuch. — Ein Würfel von ⅒ Zoll sehr festen gerösteten

Rindfleisches wurde auf ein Blatt gelegt, welches sich nach zwölf Tagen

freiwillig wieder öffnete; es war so viel schwach saure Absonderung auf

dem Blatte geblieben, dasz sie abtröpfelte. Das Fleisch war vollständig

zersetzt, aber nicht ganz aufgelöst; es war kein Moder vorhanden. Die

kleine Masse wurde unter das Mikroskop gebracht; einige der Muskelfasern in der Mitte boten noch immer Querstreifen dar, andere zeigten

nicht eine Spur von Streifen; und zwischen diesen beiden Zuständen

konnte man jede mögliche Abstufung verfolgen. Kügelchen, allem Anscheine nach Fett, und etwas unverdautes elastisches Fasergewebe blieb

zurück. Das Fleisch fand sich daher in demselben Zustande, wie das

früher beschriebene, welches von der Drosera halb verdaut war. Hier

wiederum, wie in dem Fall mit dem Eiweisz, scheint der Verdauungsprocesz langsamer zu sein als bei Drosera. Auf das entgegengesetzte

Ende desselben Blattes war ein fest zusammengedrücktes Brodkügelchen

gelegt worden; dies war vollständig zerfallen, wie ich glaube, in Folge

der Verdauung des Leimes, schien aber an Umfang nur sehr wenig abgenommen zu haben.

10. Versuch. — Ein Würfel von   Zoll von Käse und ein anderer von Eiweisz wurden auf die gegenüberliegenden Enden eines und

desselben Blattes gelegt. Nach neun Tagen öffneten sich die Lappen

von freien Stücken ein wenig an dem Ende, welches den Käse umschlossen


 

[page break] Cap. 13. Wirkungen der Dämpfe.

hatte; es war aber kaum irgend etwas davon oder gar nichts aufgelöst,

obgleich er erweicht und von Secret umgeben war. Zwei Tage später

öffnete sich auch das Ende mit dem Eiweisz von selbst (d. i. also elf

Tage, nachdem es darauf gelegt worden war); es war eine blosze Spur

davon in einem geschwärzten und trockenen Zustande übrig geblieben.

11. Versuch. — Dasselbe Experiment mit dem Käse und dem Eiweisz wurde an einem andern und etwas torpiden Blatt wiederholt. Nach

Verlauf von sechs Tagen öffneten sich die Blattlappen an dem Ende, wo

der Käse lag, von selbst ein wenig; das Käsewürfelchen war bedeutend

erweicht, aber nicht aufgelöst, und nur wenig, wenn überhaupt, an Grösze

reducirt. Zwölf Stunden später öffnete sich das Ende mit dem Eiweisz,

welches jetzt aus einem groszen Tropfen durchscheinender, nicht saurer,

klebriger Flüssigkeit bestand.

12. Versuch. — Ein gleicher Versuch wie die beiden letzten; hier

wiederum öffnete sich das Blatt an dem Ende, wo der Käse lag, vor dem

andern mit dem Eiweisz; es wurden aber keine weiteren Beobachtungen

gemacht.

13. Versuch. — Ein Kügelchen von chemisch dargestelltem Casëin,

ungefähr ⅒ Zoll im Durchmesser, wurde auf ein Blatt gelegt, welches

sich nach acht Tagen freiwillig wieder öffnete. Das Casëin bestand nun

aus einer weichen klebrigen Masse, hatte in der Grösze nur sehr wenig,

wenn überhaupt, abgenommen, war aber ganz von saurem Secrete umflossen.

Diese Versuche genügen um zu zeigen, dasz das Secret aus den

Drüsen der Dionaea Eiweisz, Gelatine und Fleisch auflöst, wenn keine

zu grosze Stücke den Blättern gegeben werden. Fettkügelchen und

elastisches Fasergewebe werden nicht verdaut. Das Secret mit der

von ihm absorbirten Substanz wird später, wenn es nicht in Überschusz auftritt, wieder aufgesaugt. Obgleich aber andererseits chemisch

präparirtes Casëin und Käse (wie es bei Drosera der Fall war) viel

saure Absonderung anregen, wie ich vermuthe, in Folge der Absorption von etwas eingeschlossener albuminöser Substanz, so werden doch

diese Substanzen nicht verdaut, und nicht wahrnehmbar, wenn überhaupt, an Umfang reducirt.

Wirkungen der Dämpfe von Chloroform, Schwefel-Äther

und Blausäure. — Eine Pflanze, welche ein Blatt trug, wurde mit

einer Drachme (3,549 Cub. Cent.) Chloroform in eine grosze Flasche gebracht, deren Öffnung nur unvollkommen mit Baumwolle geschlossen

wurde. Der Dampf bewirkte, dasz sich in 1 Minute die Lappen mit einer

nicht wahrnehmbar langsamen Geschwindigkeit zu bewegen begannen;

aber in 3 Minuten kreuzten sich die Randspitzen, und bald war das

Blatt vollkommen geschlossen. Die Dosis war indessen viel zu stark;

denn nach 2 bis 3 Stunden erschien das Blatt wie verbrannt und starb

bald ab.

18 *

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

Zwei Blätter wurden 30 Minuten lang in einem Zwei-Unzengefäsz

dem Dampfe von 30 Minims (1,774 Cub. Cent.) von Schwefel-Äther ausgesetzt. Ein Blatt schlosz sich nach einiger Zeit, ebenso das andere,

während es, ohne berührt zu werden, aus der Flasche entfernt wurde.

Beide Blätter waren bedeutend beschädigt. Ein anderes Blatt, welches

20 Minuten lang 15 Minims Äther ausgesetzt wurde, schlosz seine Lappen

bis zu einem gewissen Grade, und die empfindlichen Filamente waren nun

völlig empfindungslos. Nach 24 Stunden erhielt dies Blatt seine Empfindlichkeit wieder, war aber noch immer etwas torpid. Ein Blatt, welches

in einer groszen Flasche nur 3 Minuten lang zehn Tropfen ausgesetzt

war, wurde unempfindlich gemacht. Nach 52 Minuten erhielt es seine

Empfindlichkeit wieder, und als eines der Filamente berührt wurde,

schlossen sich die Lappen. Nach 20 Stunden fieng es an, sich wieder

zu öffnen. Zuletzt wurde noch ein anderes Blatt 4 Minuten lang nur

vier Tropfen Äther ausgesetzt; es wurde unempfindlich gemacht und

schlosz sich nicht, als seine Filamente wiederholt berührt wurden, schlosz

sich aber, als das Ende des offenen Blattes abgeschnitten wurde. Dies

beweist, entweder dasz die inneren Theile nicht unempfindlich gemacht

worden waren, oder dasz ein Einschnitt ein kräftigerer Reiz ist als wiederholte Berührungen der Filamente. Ob die gröszeren Dosen von Chloroform und Äther, welche die Blätter sich langsam zu schlieszen veranlaszten, auf die empfindlichen Filamente oder auf das Blatt selbst einwirkten, weisz ich nicht.

Cyankali erzeugt, wenn es in einer Flasche gelassen wird, Cyanwasserstoff- oder Blausäure. Ein Blatt wurde 1 Stunde 35 Minuten lang

dem dabei gebildeten Dampfe ausgesetzt; die Drüsen wurden in dieser

Zeit so farblos und zusammengeschrumpft, dasz sie kaum sichtbar waren

und ich zuerst glaubte, sie wären sämmtlich abgefallen. Das Blatt war

nicht unempfindlich gemacht worden; denn sobald eines der Filamente

berührt wurde, schlosz es sich. Es hatte indessen gelitten, denn es öffnete

sich nicht eher wieder, als bis beinahe zwei Tage vergangen waren, und

war selbst dann nicht im mindesten empfindlich. Nach Verlauf eines

weiteren Tages erhielt es seine Fähigkeiten wieder und schlosz sich, wenn

es berührt wurde, und öffnete sich später wieder. Ein anderes Blatt verhielt sich, nachdem es diesem Dampfe eine noch kürzere Zeit ausgesetzt

war, in nahezu derselben Art und Weise.

Über die Art und Weise, in welcher Insecten gefangen werden. — Wir wollen nun das Benehmen der Blätter betrachten, wenn Insecten zufällig eines der empfindlichen Filamente

berühren. Dies kam in meinem Gewächshause häufig vor, ich weisz

aber nicht, ob die Insecten auf irgend eine besondere Art von den

Blättern angezogen werden. In dem Heimathslande der Pflanze werden Insecten in groszer Anzahl von ihr gefangen. Sobald ein Filament berührt wird, schlieszen sich beide Lappen mit staunenerregender

Schnelligkeit; und da sie in einem kleineren Winkel als in einem


 

[page break] Cap. 13. Art Insecten zu fangen.

rechten zu einander stehen, so ist die Wahrscheinlichkeit, dasz sie

einen Eindringling fangen, nicht gering. Der Winkel zwischen der

Blattscheibe und dem Blattstiel ändert sich nicht, wenn sich die Lappen

schlieszen. Der hauptsächliche Sitz der Bewegung ist in der Nähe

der Mittelrippe, sie ist aber nicht auf diesen Theil beschränkt; denn

wenn die beiden Lappen zusammenkommen, krümmt sich ein jeder

quer über seine ganze Breite einwärts; die randständigen Speichen

werden indesz nicht gekrümmt. Diese Bewegung des ganzen Lappens

war an einem Blatte gut zu sehen, dem eine grosze Fliege gegeben

worden war, und aus welchem am Ende des einen Lappens ein groszes

Stück herausgeschnitten worden war, so dasz der Lappen der andern

Seite, der an dieser Stelle auf keinen Widerstand stiesz, fortfuhr,

sich weit über die Mittellinie nach innen zu krümmen. Später wurde

noch der ganze Lappen, aus dem ein Stück herausgeschnitten worden

war, entfernt, und nun rollte sich der gegenüberstehende Lappen vollständig über, indem er sich durch einen Winkel von 120 bis 130°

bewegte, so dasz er beinahe unter rechtem Winkel zu der Stellung

war, welche er eingenommen haben würde, wenn der andere Lappen

noch vorhanden gewesen wäre.

In Folge der Einwärtskrümmung der beiden Lappen, bei ihrer

Bewegung auf einander zu, kreuzen sich die geraden randständigen

Spitzen zuerst mit ihren freien Enden und schlieszlich mit ihren

Basen. Das Blatt ist dann vollständig geschlossen und umfaszt eine

seichte Höhlung. Wenn es dadurch zum Schlieszen gebracht worden

ist, dasz einfach eins der empfindlichen Filamente berührt worden ist,

oder wenn es einen Gegenstand einschlieszt, welcher keine lösliche

stickstoffhaltige Substanz abgibt, so behalten die beiden Lappen ihre

nach innen concave Form, bis sie sich wieder ausbreiten. Die Wiederausbreitung unter solchen Umständen, — d. h. wenn keine organische

Substanz eingeschlossen war, — wurde in zehn Fällen beobachtet.

In diesen allen breiteten sich die Blätter bis auf ungefähr zwei

Drittel ihrer völligen Öffnung in 24 Stunden von der Zeit der Schlieszung

an gerechnet wieder aus. Selbst das Blatt, aus dessen einem Lappen

ein Stück herausgeschnitten worden war, öffnete sich innerhalb der

nämlichen Zeit in einem unbedeutenden Grade. In einem Falle breitete sich ein Blatt bis auf ungefähr zwei Drittel der vollständigen

Öffnung in 7 Stunden, und vollständig in 32 Stunden wieder aus;

doch war nur eines seiner Filamente einfach mit einem Haar eben


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

hinreichend berührt worden, das Blatt zum Schlieszen zu veranlassen.

Von diesen zehn Blättern breiteten sich nur ein paar vollständig in

weniger als zwei Tagen wieder aus, und zwei oder drei gebrauchten

selbst noch ein wenig längere Zeit. Ehe sie sich indessen völlig

wieder ausbreiteten, sind sie bereit, sich augenblicklich zu schlieszen,

wenn ihre empfindlichen Filamente berührt werden. Wie viele male

ein Blatt fähig ist sich zu schlieszen und wieder zu öffnen, wenn

keine animale Substanz eingeschlossen bleibt, weisz ich nicht; ein

Blatt wurde aber viermal zum Schlieszen gebracht und öffnete sich

später innerhalb sechs Tagen. Bei der letzten Gelegenheit fieng es

eine Fliege und blieb dann viele Tage lang geschlossen.

Diese Fähigkeit, sich schnell wieder zu öffnen, wenn die Filamente zufällig durch Grashalme oder vom Winde auf das Blatt gewehte fremde Körper berührt worden waren, wie es doch gelegentlich im Heimathlande der Pflanze vorkommt 4, musz für die Pflanze

von einiger Bedeutung sein; denn so lange ein Blatt geschlossen

bleibt, kann es natürlich kein Insect fangen.

Wenn die Filamente gereizt werden und ein Blatt wird dazu

gebracht, sich über ein Insect zu schlieszen, oder über ein Stückchen

Fleisch, Eiweisz, Gelatine, Casëin oder zweifelsohne über irgend einen

andern, lösliche stickstoffhaltige Substanz enthaltenden Körper, drücken

die Lappen, anstatt concav zu bleiben, und dabei eine Concavität einzuschlieszen, langsam ihrer ganzen Breite nach gegen einander. Wenn

dies stattfindet, werden die Ränder allmählich ein wenig nach auszen

gekehrt, so dasz die Speichen, welche sich zuerst kreuzten, zuletzt in

zwei parallelen Reihen vorspringen. Die Lappen drücken sich mit

solcher Gewalt gegen einander, dasz ich gesehen habe, wie ein Eiweiszwürfel bedeutend abgeplattet wurde und deutliche Eindrücke der kleinen vorspringenden Drüsen erhielt; der letztere Umstand dürfte aber

wohl theilweise durch die anätzende Wirkung des Secrets verursacht

worden sein. Die Lappen werden so fest zusammengepreszt, dasz,

wenn ein groszes Insect oder ein anderer gröszerer Gegenstand gefangen ist, eine entsprechende Hervorragung auf der Auszenseite des

Blattes deutlich sichtbar wird. Wenn die beiden Lappen in dieser

Weise vollständig geschlossen sind, so widerstehn sie einem künstlichen Öffnen, wie z. B. durch einen dünnen zwischen sie hinein

4 Nach der Angabe des Dr. Curtis in Boston Journal Nat. Hist. Vol. I.

1837, p. 123.


 

[page break] Cap. 13. Art Insecten zu fangen.

getriebenen Keil, mit erstaunlicher Kraft, und werden meist eher

durchbrochen, als dasz sie nachgäben. Werden sie nicht gebrochen,

so schlieszen sie sich, wie mir Dr. Canby in einem Briefe mittheilt,

"mit einem förmlichen lauten Schlage.‟ Wenn aber das Ende eines

Blattes fest zwischen Daumen und Zeigefinger oder von einem Klemmer

gehalten wird, so dasz die Lappen nicht anfangen können sich zu

schlieszen, so äuszern sie, während sie sich in dieser Lage befinden,

sehr wenig Kraft.

Ich glaubte zuerst, dasz das allmähliche Gegeneinanderdrücken

der Lappen ausschlieszlich durch gefangene Insecten verursacht würde,

welche über die empfindlichen Filamente wegkröchen und sie wiederholt reizten; diese Ansicht schien mir um so wahrscheinlicher zu

sein, als ich von Dr. Burdon Sanderson hörte, dasz, sobald die Filamente eines geschlossenen Blattes gereizt würden, der normale elektrische Strom gestört würde. Es ist aber trotzdem eine solche Reizung durchaus nicht nothwendig, denn ein todtes Insect, oder ein

Stückchen Fleisch oder Eiweisz, alles wirkt gleichmäszig gut; es wird

dadurch bewiesen, dasz es in diesen Fällen die Absorption von animaler Substanz ist, welche die Lappen reizt, sich langsam gegen einander zu drücken. Wir haben gesehen, dasz die Absorption einer

äuszerst geringen Quantität solcher Substanz es auch bewirkt, dasz

sich ein vollständig ausgebreitetes Blatt langsam schlieszt; und diese

Bewegung ist dem langsamen Gegeneinanderdrücken der concaven

Lappen offenbar analog. Diese letztere Thätigkeit ist für die Pflanze

von hoher functioneller Bedeutung, denn es werden dadurch die Drüsen auf beiden Seiten mit einem gefangenen Insect in Berührung

gebracht, und in Folge dessen sondern sie ab. Das Secret, welches

nun animale Substanz gelöst enthält, wird dann durch Capillarattraction über die ganze Fläche des Blattes gezogen, veranlaszt alle

Drüsen abzusondern und läszt sie die diffundirte animale Substanz

aufsaugen. Die durch die Absorption derartiger Substanz angeregte

Bewegung ist zwar langsam, aber doch für ihren endlichen Zweck

ausreichend, während die durch die Berührung eines der empfindlichen Filamente angeregte Bewegung rapid ist; und dies ist zum

Fangen von Insecten ganz unentbehrlich. Diese beiden, durch zwei

weit von einander verschiedene Mittel angeregten Bewegungen sind

daher, wie alle übrigen Functionen der Pflanze, jede in ihrer Art

den Zwecken, welchen sie dienen, gut angepaszt.


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

Es besteht noch ein anderer groszer Unterschied in der Thätigkeit der Blätter, welche solche Gegenstände wie Stückchen Holz, Kork,

Papierkügelchen, einschlieszen, oder deren Filamente einfach berührt

worden waren, und derjenigen, welche organische, lösliche stickstoffhaltige Substanz darbietende Körper einschlieszen. Im erstern Falle

öffnen sich die Blätter, wie wir gesehen haben, in weniger als 24

Stunden wieder und sind dann bereit, selbst noch ehe sie sich vollständig ausgebreitet haben, sich wieder zu schlieszen. Haben sie sich

aber über stickstoffabgebenden Körpern geschlossen, so bleiben sie

viele Tage lang dicht geschlossen; nachdem sie sich dann wieder ausgebreitet haben, sind sie torpid, werden nie wieder thätig oder erst

nach Verlauf einer beträchtlichen Zeit. In vier Fällen öffneten sich

Blätter, nachdem sie Insecten gefangen hatten, niemals wieder, sondern fiengen an zu welken, dabei immer geschlossen bleibend — in

einem Falle fünfzehn Tage lang über einer Fliege, in einem zweiten

vierundzwanzig Tage lang, trotzdem die Fliege klein war, in einem

dritten vierundzwanzig Tage lang über einer Holzlaus, und in einem

vierten fünfunddreiszig Tage lang über einer groszen Tipula. In zwei

andern Fällen blieben Blätter mindestens neun Tage über Fliegen

geschlossen, und wie viel länger noch, weisz ich nicht. Es musz indessen doch hinzugefügt werden, dasz in zwei Fällen, wo auf natürliche Weise sehr kleine Insecten gefangen worden waren, das Blatt

sich so schnell wieder öffnete, als wenn nichts gefangen worden wäre;

ich vermuthe, dies war die Folge davon, dasz derartig kleine Insecten

nicht zerdrückt worden waren, oder keine animale Substanz excernirt

hatten, so dasz die Drüsen nicht gereizt wurden. Kleine eckige

Stückchen Eiweisz und Gelatine wurden auf die beiden Enden dreier

Blätter gelegt, von denen zwei dreizehn und das dritte zwölf Tage

lang geschlossen blieben. Zwei andere Blätter blieben über Stückchen

Fleisch elf Tage lang, ein drittes Blatt acht Tage lang, und ein

viertes (dies war indessen geknickt und beschädigt worden) nur sechs

Tage lang geschlossen. Stückchen Käse, oder Casëin, wurden auf

das eine Ende, und Eiweisz auf das andere Ende von drei Blättern

gelegt; die Enden mit den ersteren Substanzen öffneten sich nach sechs,

acht und neun Tagen, während die anderen Enden sich etwas später

öffneten. Keines der obigen Stückchen Fleisch, Eiweisz u. s. w. war

gröszer als ein Würfel von ⅒ Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge; zuweilen

waren sie kleiner; und doch reichten diese kleinen Portionen hin, die


 

[page break] Cap. 13. Art Insecten zu fangen.

Blätter viele Tage lang geschlossen zu halten. Dr. Canby theilt mir

mit, dasz Blätter längere Zeit über Insecten geschlossen bleiben als

über Fleisch; und nach dem, was ich gesehen habe, kann ich wohl

glauben, dasz dies der Fall ist, besonders wenn die Insecten grosz sind.

In allen den oben angeführten Fällen und in vielen anderen, in

denen Blätter eine lange aber unbekannte Zeit über natürlich gefangenen Insecten geschlossen blieben, waren sie, wenn sie sich wieder geöffnet hatten, mehr oder weniger torpid. Meistens waren sie

während vieler folgender Tage so torpid, dasz keinerlei Reizung der

Filamente die geringste Bewegung bewirkte. In einem Falle indessen

schlosz sich ein Blatt mit äuszerster Langsamkeit, als eines seiner

Filamente berührt wurde, an dem Tage, nachdem es sich wieder geöffnet hatte; es hatte vorher eine Fliege umfaszt; und obgleich diesmal kein Gegenstand eingeschlossen wurde, so war es doch so torpid,

dasz es sich das zweite mal nicht vor Verlauf von 44 Stunden wieder öffnete. In einem zweiten Falle bewegte ein Blatt, welches sich

ausgebreitet hatte, nachdem es mindestens neun Tage über einer

Fliege geschlossen geblieben war, als es stark gereizt wurde, nur

einen seiner beiden Lappen und behielt diese ungewöhnliche Stellung

die nächsten zwei Tage hindurch bei. Ein dritter Fall bietet die

stärkste Ausnahme dar, welche ich beobachtet habe: nachdem ein

Blatt eine unbekannte Zeit hindurch über einer Fliege geschlossen

geblieben war, öffnete es sich, und als eines seiner Filamente berührt

wurde, schlosz es sich wieder, wenn schon ziemlich langsam. Dr.

Canby, welcher in den Vereinigten Staaten eine grosze Anzahl von

Pflanzen beobachtet hat, welche, obgleich nicht an ihrem eingeborenen

Standorte, doch wahrscheinlich kräftiger waren, als meine Pflanzen,

theilt mir mit, "dasz er mehrere male erfahren habe, wie kräftige

"Pflanzen ihre Beute mehreremale verschlungen hätten; gewöhnlich

"war zweimal, oder sehr häufig, einmal schon hinreichend, sie untaug"lich zu machen.‟ Auch Mrs. Treat, welche in New-Jersey viele

Pflanzen cultivirte, theilt mir mit, dasz "mehrere Blätter hinterein"ander jedes drei Fliegen fiengen, dasz aber die meisten von ihnen

"nicht im Stande waren, die dritte Fliege zu verdauen, sondern über

"dem Versuch abstarben. Fünf Blätter jedoch verdauten jedes drei

"Fliegen und schlossen sich über der vierten, starben aber bald nach

"dem vierten Fange. Viele Blätter verdauten nicht einmal ein einziges

"groszes Insect.‟ Es scheint hiernach, als sei das Verdauungsver


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

mögen etwas beschränkt; und sicher ist es, dasz Blätter über einem

Insect immer viele Tage lang eingeschlagen bleiben und ihre Fähigkeit, sich von neuem zu schlieszen, nicht vor Ablauf vieler folgender

Tage wieder erhalten. In dieser Beziehung weicht Dionaea von

Drosera ab, welche viele Insecten nach kürzeren Zeitintervallen fängt

und verdaut.

Wir sind nun vorbereitet, den Nutzen der randständigen Spitzen

zu verstehen, welche einen so auffallenden Zug in der äuszeren Erscheinung der Pflanzen bilden (s. Fig. 12, p. 260) und welche mir in

meiner Unkenntnis auf den ersten Blick nutzlose Anhänge zu sein

schienen. In Folge der Einwärtskrümmung der sich einander nähernden Lappen kreuzen sich zuerst die Spitzen der randständigen Speichen

und schlieszlich auch ihre Basen. Bis die Ränder der Lappen in Berührung kommen, bleiben längliche Räume zwischen den Speichen,

in der Breite von   bis zu ⅒ Zoll (1,693 bis 2,54 Mm.) schwankend, je nach der Grösze des Blattes, offen. Es kann daher ein Insect, wenn sein Körper nicht dicker ist als die angegebenen Masze,

leicht zwischen den gekreuzten Speichen hindurch entweichen, wenn

es durch die sich schlieszenden Lappen und die zunehmende Dunkelheit beunruhigt wird; und einer meiner Söhne hat factisch ein kleines

Insect auf diese Weise entweichen sehen. Wenn andererseits ein

mäszig groszes Insect versucht, zwischen den Riegeln durch zu entkommen, so wird es sicherlich durch die sich schlieszenden Wände

in sein schauerliches Gefängnis zurückgetrieben werden, denn die

Speichen fahren fort, sich immer mehr und mehr zu kreuzen, bis die

Ränder der Lappen selbst in Berührung kommen. Ein sehr starkes

Insect indessen würde wohl im Stande sein, sich zu befreien; und

Mrs. Treat sah einen Rosenkäfer der Vereinigten Staaten (Macrodactylus subspinosus) dies wirklich ausführen. Es würde nun offenbar ein groszer Nachtheil für die Pflanze sein, viele Tage dadurch

zu verlieren, dasz sie über einem minutiösen Insecte geschlossen bliebe

und dann später noch mehrere weitere Tage oder Wochen brauchte,

ihre Empfindlichkeit wieder zu erlangen, insofern ja ein sehr kleines

Insect nur wenig Nahrung darbieten würde. Es würde für die Pflanze

viel besser sein, eine Zeit lang zu warten, bis ein mäszig groszes Insect gefangen wäre, und die kleinen lieber entschlüpfen zu lassen;

und dieser Vortheil ist der Pflanze durch die sich langsam kreuzenden randständigen Speichen gesichert worden, welche wie die groszen


 

[page break] Cap. 13. Übermittelung des motorischen Impulses.

Maschen eines Fischernetzes der kleinen und nutzlosen Brut gestatten,

zu entschlüpfen.

Da ich besorgt war, zu erfahren, ob diese Ansicht die richtige

wäre, — und da der Fall auch eine gute Erläuterung dafür gibt,

wie vorsichtig wir in der Annahme sein müssen, dasz irgend ein

völlig entwickeltes Gebilde nutzlos sei, wie ich es in Bezug auf die

randständigen Speichen angenommen hatte, — wandte ich mich an

Dr. Canby. Er besuchte den natürlichen Standort der Pflanze zeitig

im Jahre, ehe die Blätter zu ihrer vollen Grösze herangewachsen

waren, und schickte mir vierzehn Blätter, welche natürlich gefangene

Insecten enthielten. Vier derselben hatten ziemlich kleine Insecten

gefangen, nämlich drei davon Ameisen und das vierte eine eher kleine

Fliege; aber die andern zehn hatten alle grosze Insecten gefangen,

nämlich fünf Elater, zwei Chrysomela, eins einen Curculio, eine dicke

und breite Spinne und eine Scolopender. Unter diesen zehn Insecten

fanden sich nicht weniger als acht Käfer 5, und unter den ganzen

vierzehn war nur eins, nämlich ein zweiflügliges Insect, welches leicht

fliegen konnte. Drosera lebt andererseits hauptsächlich von Insecten,

welche gute Flieger sind, besonders von Diptern, die mittelst ihres

klebrigen Secrets gefangen werden. Aber was uns hier am meisten

angeht, ist die Grösze der zehn gröszeren Insecten. Ihre mittlere

Länge von Kopf zu Schwanz war 0,256 Zoll, während die Lappen

der Blätter im Mittel 0,53 Zoll lang waren, so dasz die Insecten

nahebei halb so lang waren wie die Blätter, in welchen sie eingeschlossen wurden. Nur einige wenige dieser Blätter hatten daher

ihre Kräfte durch das Fangen kleiner Beute verschwendet, obschon

es ganz wahrscheinlich ist, dasz viele kleine Insecten über sie hin

gekrochen und gefangen worden, aber dann noch zwischen den Speichen

hindurch entkommen waren.

Die Übermittelung des motorischen Impulses und

die Mittel der Bewegung. — Es genügt, irgend eines der sechs

5 Dr. Canby bemerkt (Gardener's Monthly, August, 1868), dasz "der allgemeinen Regel nach Käfer und Insecten dieser Art zu hartschalig zu sein scheinen, um zur Nahrung zu dienen, und dasz sie nach kurzer Zeit wieder ausgeworfen

werden.‟ Ich bin über diese Angabe überrascht, wenigstens in Bezug auf solche

Käfer wie die Elater; denn die fünf, welche ich untersuchte, waren in einem

äuszerst zerbrechlichen und leeren Zustande, als wenn alle ihre inneren Theile

verdaut worden wären. Mrs. Treat theilt mir mit, dasz die Exemplare, welche

sie in New-Jersey cultivirte, hauptsächlich Diptern gefangen hätten.


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

Filamente zu berühren, um beide Lappen zum Schlieszen zu veranlassen, wobei dieselben gleichzeitig ihrer ganzen Breite nach einwärts

gekrümmt werden. Der Reiz musz daher von jedem der Filamente

nach allen Richtungen hin ausstrahlen. Er musz auch mit groszer

Geschwindigkeit quer über das Blatt gesandt werden, denn in allen

gewöhnlichen Fällen schlieszen sich die beiden Lappen, so weit es

das Auge beurtheilen kann, gleichzeitig. Die meisten Physiologen

glauben, dasz bei reizbaren Pflanzen der Reiz den Gefäszbündeln entlang oder in nahem Zusammenhange mit ihnen fortgeleitet werde. Bei

Dionaea scheint auf den ersten Blick der Verlauf dieser Gefäsze (aus

spiralem und gewöhnlichem Gefäszgewebe zusammengesetzt) diese Annahme zu begünstigen; denn sie laufen die Mittelrippe in einem

groszen Bündel hinauf, auf jeder Seite kleine Bündel beinahe unter

rechtem Winkel abgebend. Diese spalten sich gelegentlich gabelförmig auf ihrem Verlaufe dem Rande zu, und dicht am Rande treten

kleine Zweige aus benachbarten Gefäszen zusammen und laufen in

die randständigen Speichen. An einigen dieser Vereinigungspunkte

bilden die Gefäsze merkwürdige Schlingen, wie die bei Drosera beschriebenen. Eine zusammenhängende Zickzacklinie läuft hiernach

rings um den ganzen Umfang des Blattes und in der Mittelrippe

sind sämmtliche Gefäsze in dichter Berührung, so dasz alle Theile des

Blattes in einen gewissen Grad von gegenseitiger Mittheilbarkeit gebracht zu sein scheinen. Nichtsdestoweniger ist aber doch die Gegenwart von Gefäszen für die Übermittelung des motorischen Impulses

nicht nothwendig, denn er wird auch von den Spitzen der empfindlichen Filamente (dieselben sind ungefähr   Zoll lang), in welche

keine Gefäsze eintreten, weitergeleitet; und die letzteren hätten nicht

übersehen werden können, da ich dünne senkrechte Durchschnitte

durch das Blatt bei den Basen der Filamente machte.

Bei mehreren Gelegenheiten wurden ungefähr ⅒ Zoll lange Schlitze

mit einer Lancette dicht an der Basis der Filamente, parallel mit der

Mittelrippe gemacht, daher direct quer auf den Lauf der Gefäszbündel.

Dieselben wurden zuweilen auf der inneren und zuweilen auf der

äuszeren Seite der Filamente gemacht; mehrere Tage, nachdem sich

die Blätter wieder geöffnet, wurden nun diese Filamente derb berührt

(denn sie wurden immer durch die Operation in einem gewissen Grade

tropid gemacht), und die Lappen schlossen sich darauf in der gewöhnlichen Art, wennschon langsam und zuweilen nicht vor Ablauf einer


 

[page break] Cap. 13. Übermittelung des motorischen Impulses.

beträchtlichen Zeit. Diese Fälle zeigen, dasz der motorische Impuls

nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet wird; sie zeigen ferner,

dasz keine Nöthigung zur Annahme eines directen Communicationsweges von dem Filamente, welches berührt worden ist, nach der

Mittelrippe und dem gegenüberliegenden Lappen oder nach den äuszeren Theilen eines und desselben Lappens besteht.

Es wurden nun zunächst zwei Schlitze nahe an einander und

beide der Mittelrippe parallel in derselben Art und Weise, wie vorhin erwähnt, jeder auf einer Seite der Basis eines Filaments an fünf

verschiedenen Blättern gemacht, so dasz ein kleiner, ein Filament

tragender Streifen mit dem übrigen Blatte nur an seinen beiden

Enden zusammenhieng. Diese Streifchen waren nahezu von der nämlichen Grösze; eines wurde sorgfältig gemessen: es war 0,12 Zoll

(3,048 Mm.) lang und 0,08 Zoll (2,032 Mm.) breit; in der Mitte

stand das Filament. Nur einer dieser Streifen welkte und starb ab.

Nachdem sich das Blatt von der Operation wieder erholt hatte, trotzdem aber die Schlitze noch immer offen waren, wurden die in solche

Umstände versetzten Filamente derb berührt, und beide Lappen, oder

einer allein schlosz sich langsam. In zwei Fällen brachte die Berührung des Filaments keine Wirkung hervor; als aber die Spitze

einer Nadel in den Blattstreifen an der Basis des Filaments eingestochen wurde, schlossen sich die Lappen langsam. In diesen Fällen

nun musz der Impuls dem Streifen entlang in einem der Mittelrippe

parallelen Zuge fortgeschritten und dann entweder von beiden Enden

oder nur von einem Ende des Streifens über die ganze Oberfläche der

beiden Lappen ausgestrahlt sein.

Es wurden ferner zwei parallele Schlitze, gleich den früheren,

einer auf jeder Seite der Basis eines Filaments, aber unter rechtem

Winkel zur Mittelrippe gemacht. Nachdem die Blätter (der Zahl

nach zwei) sich wieder erholt hatten, wurden die Filamente derb berührt und die Lappen schlossen sich langsam; hier muss der Impuls

eine kurze Strecke weit in rechtem Winkel nach der Mittelrippe zu

fortgeschritten und dann nach allen Seiten über beide Lappen ausgestrahlt sein. Diese verschiedenen Fälle beweisen, dasz der motorische Impuls in allen Richtungen hin durch das Zellgewebe läuft,

unabhängig vom Verlaufe der Gefäsze.

Bei Drosera haben wir gesehen, dasz der motorische Impuls in

gleicher Weise durch das Zellgewebe nach allen Richtungen hin über


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

mittelt wird, dasz aber die Geschwindigkeit seines Fortschreitens in

hohem Masze von der Länge der Zellen und der Richtung ihrer längeren Achsen bestimmt wird. Mein Sohn fertigte dünne Durchschnitte

eines Blattes von Dionaea an, und wir fanden, dasz die Zellen, sowohl die der centralen als auch die der oberflächlicheren Schichten,

bedeutend verlängert waren und ihre längeren Achsen nach der Mittelrippe hingerichtet hatten; und gerade in dieser Richtung musz der

motorische Impuls mit groszer Geschwindigkeit von einem Lappen

zum andern gesandt werden, da sich beide gleichzeitig schlieszen. Die

centralen, parenchymatösen Zellen sind gröszer, lockerer an einander

geheftet und haben zartere Wandungen als die oberflächlicheren Zellen.

Eine dicke Masse von Zellgewebe bildet die obere Fläche der Mittelrippe oberhalb des groszen centralen Gefäszbündels.

Als die Filamente derb berührt wurden, an deren Basen Schlitze

gemacht worden waren und zwar entweder auf beiden Seiten oder

nur an einer Seite, entweder parallel mit der Mittelrippe oder in

rechtem Winkel zu ihr, bewegten sich beide Lappen oder nur der

eine. In einem dieser Fälle bewegte sich der Lappen auf der Seite,

welche das Filament trug, das berührt worden war, in drei anderen

Fällen aber bewegte sich allein der gegenüberliegende Lappen; eine

Beschädigung also, welche hinreichte, die Bewegung eines Lappens

zu hindern, verhinderte die Weiterleitung eines Reizes von ihm aus

nicht, welcher den gegenüberliegenden Lappen sich zu bewegen anregte. Wir lernen hieraus auch, dasz, obgleich sich normal beide

Lappen zusammen bewegen, jeder die Fähigkeit unabhängiger Bewegung

hat. Es ist allerdings bereits der Fall von einem torpiden Blatte

mitgetheilt worden, welches sich kürzlich, nachdem es eine Fliege gefangen hatte, wieder geöffnet hatte, und an dem sich ein Lappen

allein bewegte, als es gereizt wurde. Überdies kann sich auch ein

Ende eines und desselben Lappens schlieszen und wieder ausbreiten,

unabhängig vom anderen Ende, wie wir es in einigen der vorstehend

angeführten Experimente gesehen haben.

Wenn sich die Blattlappen, die ziemlich dick sind, schlieszen,

so ist keine Spur von Faltenbildung auf irgend einem Theile ihrer

obern Fläche zu sehen. Es müssen sich daher allem Anscheine nach

die Zellen zusammenziehen. Der hauptsächlichste Sitz der Bewegung

ist offenbar die dicke Zellenmasse, welche auf dem centralen Gefäszbündel in der Mittelrippe aufliegt. Um zu ermitteln, ob sich dieser


 

[page break] Cap. 13. Übermittelung des motorischen Impulses.

Theil zusammenzieht, wurde ein Blatt in einer solchen Weise an dem

Tische des Mikroskops befestigt, dasz die beiden Lappen nicht vollständig geschlossen werden konnten; und nachdem ich zwei sehr

kleine schwarze Punkte auf die Mittelrippe, in einer queren Reihe

und ein wenig nach einer Seite hin, gemacht hatte, stellte es sich

mittels des Mikrometers heraus, dasz sie   Zoll von einander entfernt standen. Nun wurde eines der Filamente berührt und die Lappen

schlossen sich; da sie aber daran verhindert waren, sich zu berühren,

so konnte ich noch immer die beiden Punkte sehen, welche nun

  Zoll auseinander standen, so dasz eine kleine Partie der oberen

Fläche der Mittelrippe sich in einer Querlinie um   Zoll (0,0508

Mm.) zusammengezogen hatte.

Wir wissen, dasz die Lappen, während sie sich schlieszen, ihrer

ganzen Breite nach unbedeutend nach innen gekrümmt werden. Diese

Bewegung ist dem Anscheine nach eine Folge der Contraction der

oberflächlichen Zellenschichten über die ganze obere Fläche hin. Um

ihre Zusammenziehung zu beobachten, wurde aus dem einen Lappen

ein schmaler Streifen unter rechtem Winkel auf die Mittelrippe ausgeschnitten, so dasz die Oberfläche des entgegengesetzten Lappens an

dieser Stelle gesehen werden konnte, wenn das Blatt geschlossen war.

Nachdem sich das Blatt von der Operation erholt und wieder ausgebreitet hatte, wurden drei kleine schwarze Flecken auf die dem

Schlitz oder Fenster gegenüberliegende Fläche in einer Linie rechtwinklig auf die Mittelrippe gemacht. Die Entfernung zwischen den

Flecken wurde als   Zoll betragend ermittelt, so dasz die beiden

äuszersten Punkte   Zoll auseinander standen. Nun wurde eines

der Filamente berührt und das Blatt schlosz sich. Als die Entfernungen zwischen den Punkten wiederum gemessen wurden, ergab sich,

dasz die beiden der Mittelrippe am nächsten gelegenen um   Zol

näher an einander waren als früher und die beiden ferneren Punkte

um   Zoll, so dasz nun die beiden äuszersten Punkte der Reihe

ungefähr   Zoll (0,127 Mm.) näher an einander standen als vorher.

Wenn wir annehmen, dasz die ganze obere Fläche des Lappens, welcher

  Zoll breit war, sich in demselben Verhältnis zusammengezogen

hat, so wird die Gesammtcontraction ungefähr   oder   Zoll

(0,635 Mm.) betragen haben; ob dies aber hinreichend ist, die unbedeutende Einwärtskrümmung des ganzen Lappens zu erklären, bin ich

nicht im Stande zu sagen.


 

[page break] Dionaea muscipula. Cap. 13.

Endlich ist nun die wunderbare, von Dr. Burdon Sanderson gemachte Entdeckung 6 in Bezug auf die Bewegung der Blätter allgemein

bekannt, dasz nämlich in der Blattscheibe und dem Blattstiel ein

normaler elektrischer Strom besteht, und dasz, wenn die Blätter gereizt werden, der Strom in derselben Art und Weise gestört wird,

wie es während der Contraction des Muskels eines Thieres stattfindet.

Die Wiederausbreitung der Blätter. — Diese wird in

einem unmerkbar langsamen Tempo bewirkt, mag nun ein Gegenstand

eingeschlossen sein oder nicht 7. Ein Lappen kann sich für sich selbst

wieder ausbreiten, wie es mit dem torpiden Blatte vorkam, bei dem

sich nur ein Lappen allein geschlossen hatte. Auch haben wir in

den Versuchen mit Käse und Eiweisz gesehen, dasz die beiden Enden

eines und desselben Blattes bis zu einem gewissen Grade sich unabhängig von einander wieder ausbreiten können. Aber in allen gewöhnlichen Fällen öffnen sich beide Lappen zu der nämlichen Zeit.

Die Wiederausbreitung wird nicht durch die empfindlichen Filamente

bestimmt; alle drei Filamente auf einem Lappen wurden dicht an

ihrer Basis abgeschnitten; und die drei so behandelten Blätter breiteten sich wieder aus und zwar das eine in theilweiser Ausdehnung

in 24 Stunden, — das zweite in gleichem Grade in 48 Stunden, —

und das dritte, welches vorher verletzt worden war, vor dem sechsten

Tage. Nach ihrer Wiederausbreitung schlossen sich diese Blätter

schnell, als die Filamente auf dem andern Lappen gereizt wurden.

Diese wurden dann bei einem Blatte auch noch abgeschnitten, so dasz

keine mehr vorhanden waren. Dieses verstümmelte Blatt breitete

sich trotz des Verlustes aller seiner Filamente in zwei Tagen in der

gewöhnlichen Weise wieder aus. Wenn die Filamente durch Eintauchen in eine Zuckerlösung gereizt worden waren, so breiten sich

die Lappen nicht so bald wieder aus, als wenn die Filamente blosz

6 Proceed. Royal Society, Vol. XXI, p. 495, und Lecture at the Royal Institution, June 5, 1874, mitgetheilt in "Nature‟, 1874, p. 105 und 127.

7 Nuttall sagt in seinen Genera of American Plants, p. 277 (Anmerkung):

"ich hatte (während ich diese Pflanze in ihrer eigentlichen Heimath sammelte)

Gelegenheit zu beobachten, dasz ein losgetrenntes Blatt wiederholte Anstrengungen

machte, sich dem Einflusse der Sonne auszusetzen; diese Versuche bestanden in

einer wellenförmigen Bewegung der randständigen Wimpern, welche von einem

theilweisen Öffnen und darauf folgenden Zusammensinken der Blattscheibe begleitet wurde und endlich in einer vollständigen Ausbreitung und einer Zerstörung

der Empfindlichkeit ausgieng.‟ Ich bin dem Professor Oliver für dies Citat

verbunden; ich verstehe aber nicht, was hier stattfand.


 

[page break] Cap 13. Wiederausbreitung der Blätter.

berührt worden waren; und dies ist, wie ich vermuthe, Folge davon,

dasz sie stark durch Exosmose afficirt worden sind, so dasz sie einige

Zeit lang fortdauernd einen motorischen Impuls der oberen Fläche

des Blattes zuleiten.

Die folgenden Thatsachen lassen mich glauben, dasz die verschiedenen Zellenschichten, welche die untere Fläche des Blattes bilden, sich immer in einem Zustande der Spannung befinden, und dasz

es eine Folge dieses mechanischen Zustandes ist — wahrscheinlich

noch dadurch unterstützt, dasz frische Flüssigkeit in die Zellen gezogen wird, — dasz die Lappen sich zu trennen oder auszubreiten

anfangen, so bald die Contraction der oberen Flächen sich vermindert.

Ein Blatt wurde abgeschnitten und plötzlich senkrecht in kochendes

Wasser geworfen; ich erwartete, dasz sich die Lappen schlieszen würden, aber statt dessen divergirten sie ein wenig. Ich nahm dann ein

anderes schönes Blatt, dessen Lappen in einem Winkel von nahezu

80° zu einander standen; und als ich es wie das vorige eintauchte,

erweiterte sich der Winkel plötzlich auf 90°. Ein drittes Blatt hatte

sich kürzlich wieder ausgebreitet, nachdem es eine Fliege gefangen

hatte, und war in Folge desen torpid, so dasz wiederholte Berührungen der Filamente nicht die geringste Bewegung bewirkten; als es

in ähnlicher Weise in kochendes Wasser getaucht wurde, giengen

die Lappen trotzdem ein wenig auseinander. Da diese Blätter senkrecht in das kochende Wasser gehalten wurden, müssen beide Oberflächen und die Filamente gleichmäszig afficirt worden sein; und ich

kann mir die Divergenz der Lappen nur dadurch verständlich machen,

dasz ich annehme, die Zellen auf der unteren Seite hätten in Folge

ihres Spannungszustandes mechanisch eingewirkt und somit die Lappen

plötzlich ein wenig auseinander gezogen, sobald die Zellen auf der

oberen Fläche getödtet wurden und ihr Contractionsvermögen verloren.

Wir haben gesehen, dasz kochendes Wasser in gleicher Weise die

Tentakeln der Drosera rückwärts biegen macht, und dies ist eine

der Divergenz der Blattlappen bei Dionaea analoge Bewegung.

In einigen Schluszbemerkungen zum fünfzehnten Capitel über die

Droseraceen werden die verschiedenen Arten von Irritabilität, welche

die verschiedenen Gattungen besitzen, und die verschiedenen Arten,

in welchen sie Insecten fangen, mit einander verglichen werden.

Darwin, Insectenfressende Pflanzen (VIII.) 19

[[290]/0304]

Vierzehntes Capitel.

Aldrovanda vesiculosa.

Fängt Krustenthiere. — Structur der Blätter im Vergleich mit denen der Dionaea.

— Aufsaugung der Drüsen, der viertheiligen Fortsätze und der Spitzen an

den nach innen gefalteten Rändern. — Aldrovanda vesiculosa, var. australis

— Fängt sich Beute. — Aufsaugung thierischer Substanz. — Aldrovanda

vesiculosa, var. verticillata. — Schluszbemerkungen.

Diese Pflanze kann eine kleine, im Wasser wachsende Dionaea

genannt werden. Stein entdeckte 1873, dasz die zweilappigen Blätter,

welche in Europa gewöhnlich geschlossen gefunden werden, sich unter

einer genügend hohen Temperatur öffnen und wenn sie berührt werden, plötzlich schlieszen 1. Sie breiten sich in von 24 bis 36 Stunden

wieder aus; aber, wie es scheint, nur wenn unorganische Gegenstände

eingeschlossen wurden. Die Blätter enthalten zuweilen Luftblasen

und wurden früher für Blasen gehalten; daher der specifische Name

"vesiculosa‟. Stein beobachtete, dasz Wasser-Insecten manchmal gefangen wurden, und Prof. Cohn hat wiederholt in den Blättern natürlich wachsender Pflanzen viele Arten von Krustenthieren und Larven

gefunden 2. Pflanzen, die in filtrirtem Wasser gehalten worden waren,

wurden von ihm in ein Gefäsz, welches zahlreiche Krustenthiere der

Gattung Cypris enthielt, gethan, und am nächsten Morgen wurden

1 Seit seiner ersten Publication hat Stein gefunden, dasz die Reizbarkeit

der Blätter von De Sassus beobachtet worden ist, was im "Bullet. Soc. de Bot.

de France‟, 1861, mitgetheilt wird. Delpino gibt in einem, 1871 publicirten Aufsatz an (Nuovo Giornale Bot. Ital. Vol. III, p. 74), dasz "una quantità di chioccioline e di altri animalcoli acquatici‟ gefangen und von den Blättern erstickt

werden. Chioccioline sind Süszwasser-Schalthiere. Es wäre interessant, zu wissen,

ob ihre Schalen überhaupt von der Säure des verdauenden Secrets angegriffen

wurden.

2 Ich bin diesem ausgezeichneten Naturforscher zu Dank verpflichtet, dasz

er mir seine Abhandlung über Aldrovanda noch vor ihrer Veröffentlichung in

den "Beiträgen zur Biologie der Pflanzen‟ 5. Heft, 1875, p. 71 geschickt hat.


 

[page break] Cap. 14. Aldrovanda vesiculosa.

viele gefangen gefunden, noch lebendig und in den geschlossenen Blättern herumschwimmend, aber zu gewissem Tode verurtheilt.

Gleich nachdem ich Prof. Cohn's Abhandlung gelesen hatte, erhielt ich durch Dr. Hooker's Güte lebende Pflanzen aus Deutschland.

Da ich nichts zu Prof. Cohn's ausgezeichneter Beschreibung hinzufügen kann, so will ich nur zwei Abbildungen geben, die eine von

einem Wirtel von Blättern aus seiner Abhandlung copirt, und die andere von einem flach offen gedrückten Blatte, von meinem Sohne

Francis gezeichnet. Ich will jedoch einige Bemerkungen über die

[Abbildung      Fig. 13. (Aldroranda vesiculosa.) Obere Figur: Blattwirtel (nach Cohn). Untere

Figur: ein flach offen gedrücktes Blatt, stark vergröszert.]

Verschiedenheiten zwischen dieser Pflanze und der Dionaea daran

knüpfen.

Aldrovanda besitzt keine Wurzeln und schwimmt frei im Wasser.

Die Blätter sind in Wirteln rings um den Stamm angeordnet. Ihre

breiten Stiele enden in von vier bis sechs steifen Vorsprüngen 3, jeder

3 Man hat die homologen Beziehungen dieser Vorsprünge unter den Botanikern vielfach erörtert. Dr. Nitschke (Botan. Zeitung, 1861, p. 146) glaubt, dasz

sie den gefransten schuppenartigen Körpern, die sich an den Basen der Blattstiele

bei Drosera finden, entsprechen.

19*

[page break] Aldrovanda vesiculosa. Cap. 14.

an der Spitze mit einer steifen kurzen Borste versehen. Das zweilappige Blatt, dessen Mittelrippe gleichfalls an der Spitze mit einer

kurzen Borste versehen ist, steht in der Mitte dieser Vorsprünge und

wird augenscheinlich von ihnen geschützt. Die Lappen werden von

einem sehr zarten Gewebe gebildet, so dasz sie durchsichtig sind; sie

öffnen sich, wie Cohn sagt, ungefähr eben so viel als die beiden

Klappen einer lebenden Muschelschale, daher selbst noch weniger als

die Lappen der Dionaea; und dies musz das Fangen von im Wasser

lebenden Thieren noch leichter machen. Die Auszenseite der Blätter

und Stiele ist mit sehr kleinen, zweiarmigen Papillen bedeckt, augenscheinlich den achtstrahligen Papillen der Dionaea entsprechend.

Jeder Lappen ist etwas gröszer als ein Halbkreis in der Convexität, und besteht aus zwei sehr verschiedenen concentrischen Theilen; die innere und kleinere Partie oder die der Mittelrippe nähere

ist leicht concav und wird, nach Cohn, von drei Zellenschichten gebildet. Seine obere Fläche ist mit farblosen Drüsen, gleich denen

der Dionaea, aber einfacher als diese, dicht besetzt; sie werden von

bestimmten Stielen, welche aus zwei Reihen von Zellen bestehen, getragen. Der äuszere und breitere Theil des Lappens ist flach und

sehr dünn und wird immer von zwei Zellenschichten gebildet. Seine

obere Fläche trägt keine Drüsen, aber an ihrer Stelle kleine vierspaltige Fortsätze, von denen jeder aus vier spitz zulaufenden Vorsprüngen

besteht, welche sich von einer gemeinsamen Hervorragung erheben.

Diese Fortsätze werden von einer sehr zarten Membran gebildet,

welche mit einer Schicht von Protoplasma ausgekleidet ist; sie enthalten zuweilen zusammengeballte kuglige Massen von hyaliner Substanz. Zwei der leicht auseinander laufenden Arme sind gegen die

Peripherie gerichtet und zwei gegen die Mittelrippe, sie bilden so zusammen eine Art von griechischem Kreuz. Gelegentlich werden zwei

der Arme durch einen ersetzt und dann ist der Vorsprung dreitheilig.

Wir werden in einem späteren Capitel sehen, dasz diese Vorsprünge

in sonderbarer Weise den in den Blasen der Utricularia gefundenen

gleichen, ganz besonders denen der Utricularia montana, obgleich

diese Gattung nicht mit der Aldrovanda verwandt ist.

Ein schmaler Rand des breiten flachen äuszeren Theils jedes

Lappen ist einwärts gebogen, so dasz, wenn die Lappen geschlossen

sind, die äuszeren Oberflächen der eingefalteten Theile in Berührung

kommen. Der Rand selbst trägt eine Reihe von conischen, abge


 

[page break] Cnp. 14. Aldrovanda vesiculosa.

platteten, durchsichtigen Spitzen mit breiten Basen, gleich den Stacheln am Stamme eines Brombeerstrauches oder Rubus. Da der Rand

eingebogen ist, so sind diese Spitzen nach der Mittelrippe zugerichtet

und es scheint zuerst, als seien sie dazu angepaszt, das Entkommen

der Beute zu verhindern; aber dies kann kaum ihre hauptsächliche

Thätigkeit sein, denn sie bestehen aus sehr zarter und stark biegsamer

Membran, welche leicht gebogen oder ganz zurückgefaltet werden

kann, ohne zerbrochen zu werden. Demungeachtet müssen die eingebognen Ränder mit den Spitzen zusammen die rückgängige Bewegung irgend eines kleinen Geschöpfes verhindern, so bald die Lappen sich zu schlieszen anfangen. Der peripherische Theil des Blattes

der Aldrovanda weicht hiernach sehr von dem der Dionaea ab; auch

können die Spitzen auf dem Rande nicht mit den Speichen oder Spitzen

rings um die Blätter der Dionaea für homolog gehalten werden, da

diese letzteren Verlängerungen der Blattscheibe und nicht blosze

Producte der Epidermis sind. Sie scheinen also einem ganz verschiedenen Zwecke zu dienen.

Auf dem concaven drüsentragenden Theil des Lappens und besonders auf der Mittelrippe sind zahlreiche lange, fein zugespitzte

Haare, welche, wie Prof. Cohn bemerkt, ohne Zweifel gegen Berührung empfindlich sind, und, wenn berührt, es verursachen, dasz das

Blatt sich schlieszt. Sie werden von zwei Reihen Zellen gebildet,

oder, wie Cohn sagt, manchmal von vier, und enthalten kein Gefäszgewebe. Sie weichen auch von den sechs empfindlichen Filamenten

der Dionaea dadurch ab, dasz sie farblos sind, und ebenso wohl eine

mittlere als eine basale Articulation haben. Ohne Zweifel verdanken

sie es diesen zwei Gelenken, dasz sie trotz ihrer Länge dem Zerbrechen beim Schlieszen der Lappen entgehen.

Die Pflanzen, welche ich in der ersten Hälfte des Oktober aus

Kew erhielt, öffneten niemals ihre Blätter, obgleich sie einer hohen

Temperatur ausgesetzt wurden. Nachdem ich die Structur von einigen derselben untersucht hatte, experimentirte ich nur an zweien, da

ich hoffte, die Pflanzen würden wachsen; und ich bedaure nun, dasz

ich nicht eine gröszere Anzahl geopfert habe.

Ein Blatt wurde entlang der Mittelrippe aufgeschnitten und die

Drüsen unter starker Vergröszerung untersucht. Es wurde darauf

in einige wenige Tropfen eines Aufgusses von rohem Fleisch gethan.

Nach 3 Stunden 20 Minuten hatte noch keine Veränderung stattge


 

[page break] Aldrovanda vesiculosa. Cap. 14.

funden; aber als es dann nach 23 Stunden 20 Minuten wieder untersucht wurde, enthielten die äuszeren Zellen der Drüsen, anstatt einer

durchsichtigen Flüssigkeit, kuglige Massen von körniger Substanz,

welche bewiesen, dasz Substanz aus dem Aufgusz aufgesaugt worden

war. Dasz diese Drüsen eine Flüssigkeit absondern, welche thierische

Substanz aus den Körpern der Geschöpfe, welche die Blätter fangen,

auflöst oder verdaut, ist auch durch die Analogie der Dionaea höchst

wahrscheinlich. Wenn wir derselben Analogie vertrauen dürfen, so

schlieszen sich wahrscheinlich die concaven und inneren Theile der

Lappen durch eine langsame Bewegung, sobald die Drüsen eine geringe

Menge von schon löslicher thierischer Substanz aufgesaugt haben.

Das eingeschlossene Wasser würde so heraus gedrückt werden und

das Secret folglich nicht zu verdünnt zum Einwirken sein. In Bezug

auf die viertheiligen Fortsätze an den äuszeren Theilen der Lappen

war ich nicht im Stande zu entscheiden, ob der Aufgusz auf sie eingewirkt hatte; denn die Auskleidung von Protoplasma war etwas

eingeschrumpft, ehe sie eingetaucht wurden. Bei vielen der Spitzen

auf den umgebogenen Rändern war das auskleidende Protoplasma

gleichfalls eingeschrumpft, und enthielt kuglige Körner von hyaliner

Substanz.

Eine Lösung von Harnstoff wurde zunächst angewendet. Diese

Substanz wurde zum Theil mit deshalb gewählt, weil sie von den Drüsen

der Utricularia — einer Pflanze, welche, wie wir später sehen werden,

sich von zerfallener thierischer Substanz nährt, absorbirt wird. Da der

Harnstoff eines der letzten Producte der chemischen im lebenden Körper

vor sich gehenden Verwandlungen ist, so scheint er dazu passend zu sein,

die ersten Stadien des Zerfallens des todten Körpers darzustellen. Ich

wurde auch noch durch eine sonderbare kleine Thatsache, die Prof.

Cohn erwähnt, darauf geführt, den Harnstoff zu versuchen, nämlich

dasz, wenn ziemlich grosze Kruster zwischen den sich schlieszenden

Lappen gefangen werden, sie während ihres Entkommens so stark

gedrückt werden, dasz sie oft ihre wurstförmigen Excremente ausleeren, welche in den meisten der Blätter gefunden wurden. Diese

Massen enthalten ohne Zweifel Harnstoff. Sie werden entweder auf

den breiten äuszeren Flächentheilen der Lappen, wo die viertheiligen

Fortsätze sitzen, oder in der geschlossenen Concavität gelassen. In

dem letzteren Fall wird mit excrementitieller und verwesender Substanz getränktes Wasser langsam nach auszen gepreszt und die vier


 

[page break] Cap. 14. Aldrovanda vesiculosa.

theiligen Fortsätze umspülen, wenn ich mit der Annahme Recht habe,

dasz die concaven Lappen sich nach einiger Zeit zusammenziehen, wie

die der Dionaea. Faulendes Wasser wird auch zu allen Zeiten leicht

ausflieszen, besonders wenn kleine Luftblasen in der Concavität enthalten sind.

Ein Blatt wurde aufgeschnitten und untersucht, und es fand sich,

dasz die äuszeren Zellen der Drüsen nur durchsichtige Flüssigkeit

enthielten. Einige der viertheiligen Fortsätze umschlossen einige

wenige sphärische Körner, aber mehrere waren durchsichtig und leer,

und deren Stellungen wurden bezeichnet. Dieses Blatt wurde nun

in ein wenig Lösung von einem Theil Harnstoff auf 146 Theile Wasser

oder drei Gran auf eine Unze gethan. Nach 3 Stunden 40 Minuten

war noch keine Veränderung weder in den Drüsen, noch in den viertheiligen Fortsätzen da; noch war nach 24 Stunden irgend eine

sichere Veränderung in den Drüsen vorhanden, so dasz, soweit ein

Versuch reicht, Harnstoff nicht in derselben Weise auf die Drüsen

einwirkt, wie ein Aufgusz von rohem Fleisch. Die viertheiligen Fortsätze verhielten sich anders; denn die Protoplasma-Auskleidung war,

anstatt ein gleichmäsziges Gefüge darzubieten, nun leicht zusammengeschrumpft und stellte an vielen Stellen kleine, verdickte, unregelmäszige, gelbliche Flecken und Leisten dar, genau wie die, welche

in den viertheiligen Fortsätzen der Utricularia erscheinen, wenn sie mit

derselben Lösung behandelt wird. Überdies enthielten mehrere der viertheiligen Fortsätze, welche vorher leer waren, jetzt mäszig grosze oder

sehr kleine, mehr oder weniger zusammengeballte Körnchen gelblicher

Substanz, wie es gleichfalls unter denselben Umständen bei Utricularia

vorkommt. Einige der Spitzen an den eingebogenen Rändern der Lappen

waren genau so afficirt; denn ihre Auskleidung von Protoplasma war

etwas eingeschrumpft und umschlosz gelbliche Flecken; und diejenigen,

welche vorher leer waren, enthielten nun kleine Kugeln und unregelmäszige

Massen von hyaliner Substanz, mehr oder weniger zusammengeballt,

so dasz Beides, die Spitzen auf den Rändern und die viertheiligen

Fortsätze, im Laufe von 24 Stunden Substanz aus der Lösung aufgesaugt hatten; aber ich werde auf diesen Gegenstand wieder zurückkommen. In einem andern ziemlich alten Blatt, welchem nichts gegeben, welches aber in faulem Wasser gelassen worden war, enthielten einige der viertheiligen Fortsätze zusammengeballte, durchsichtige Kügelchen. Eine Lösung von einem Theil kohlensauren Am


 

[page break] Aldrovanda vesiculosa. Cap. 14.

moniaks auf 218 Theile Wasser wirkte auf diese nicht ein; und dieses

negative Resultat stimmt damit überein, was ich unter gleichen Umständen bei Utricularia beobachtet habe.

Aldrovanda vesiculosa, var. australis. — Getrocknete Blätter

dieser Pflanze von Queensland in Australien wurden mir von Prof.

Oliver aus dem Herbarium in Kew geschickt. Ob sie als eine bestimmte Species oder als eine Varietät betrachtet werden musz, kann

nicht entschieden werden, bis die Blüthen nicht von einem Botaniker

untersucht worden sind. Die Vorsprünge an dem oberen Ende des

Stieles (von vier bis sechs an Zahl) sind beträchtlich länger in Bezug auf die Scheibe und viel mehr verdünnt als jene der europäischen

Form. Sie sind in einer beträchtlichen Ausdehnung nahe ihren Enden

dicht mit nach oben gebogenen Stacheln bedeckt, welche in der letzten

Form ganz fehlen, und gewöhnlich tragen sie auf ihren Spitzen zwei

oder drei gerade Stacheln anstatt eines. Das zweigelappte Blatt scheint

auch etwas länger und etwas breiter zu sein, und das kleine Stielchen, mit welchem es an das obere Ende des Blattstiels befestigt

ist, ist etwas länger. Die Spitzen auf den umgebogenen Rändern

sind gleichfalls verschieden; sie haben schmälere Basen und sind

mehr zugespitzt; lange und kurze Spitzen wechseln auch mit viel mehr

Regelmäszigkeit ab als in der europäischen Form. Die Drüsen und

empfindlichen Haare sind in beiden Formen ähnlich. Es konnten an

mehreren der Blätter keine viertheiligen Fortsätze gesehen werden,

aber ich bezweifle nicht, dasz sie da waren, obgleich wegen ihrer

Zartheit, und deshalb, weil sie geschrumpft waren, nicht bemerkbar;

denn sie waren auf einem Blatt unter Umständen, die sofort erwähnt

werden sollen, ganz deutlich.

Einige der geschlossenen Blätter enthielten keine Beute, aber in

einem war ein ziemlich groszer Käfer, welcher wegen seiner abgeplatteten Schienen, wie ich vermuthe, eine wasserlebende Art, aber

nicht mit Colymbetes verwandt war. Alle die weicheren Gewebe dieses

Käfers waren vollständig aufgelöst und seine chitinhaltigen Hautbedeckungen waren so rein, als ob sie in ätzendem Kali gekocht worden wären, so dasz sie eine beträchtliche Zeit eingeschlossen gewesen

sein müssen. Die Drüsen waren brauner und undurchsichtiger als

die an andern Blättern, welche nichts gefangen hatten; und die viertheiligen Fortsätze, dadurch, dasz sie theilweise mit brauner körniger

Substanz gefüllt waren, konnten deutlich unterschieden werden, was,


 

[page break] Cap. 14. Schluszbemerkungen.

wie schon bemerkt wurde, bei den andern Blättern nicht der Fall

war. Einige der Spitzen auf den eingebogenen Rändern enthielten

gleichfalls bräunliche, körnige Substanz. Wir gewinnen dadurch

weitere Beweise, dasz die Drüsen, die viertheiligen Fortsätze und die

randständigen Spitzen alle das Vermögen haben, Substanz aufzusaugen, obgleich wahrscheinlich von verschiedener Natur.

In einem andern Blatte waren zerfallene Überbleibsel eines ziemlich kleinen Thieres, nicht eines Krustenthieres, welches einfache,

starke undurchsichtige Mandibeln und eine grosze nicht gegliederte,

chitinhaltige Hülle hatte, vorhanden. Stücke schwarzer organischer

Substanz, möglicherweise vegetabilischer Natur, waren in zwei andern Blättern eingeschlossen; aber in einem derselben war auch ein

kleiner Wurm stark verwest. Aber die Natur von theilweise verdauten

und verwesten Körpern, welche flach gedrückt lange getrocknet und

dann in Wasser aufgeweicht worden sind, kann nicht leicht wiedererkannt werden. Alle Blätter enthielten einzellige und andere Algen,

noch von einer grünlichen Färbung, welche augenscheinlich als Eindringlinge dort gelebt hatten, in derselben Weise, wie es nach Cohn's

Angabe in den Blättern dieser Pflanze in Deutschland vorkommt.

Aldrovanda vesiculosa var. verticillata. — Dr. King, Superintendent des botanischen Gartens, schickte mir gütigst einige getrocknete

nahe bei Calcutta gesammelte Exemplare. Diese Form wurde, glaube

ich, von Wallich als eine verschiedene Species betrachtet unter dem

Namen verticillata. Sie gleicht der australischen Form viel mehr als

der europäischen; nämlich darin, dasz die Vorsprünge am oberen

Ende des Stieles viel mehr verdünnt und mit nach oben gebogenen

Stacheln bedeckt sind; sie enden auch in geraden kleinen Stacheln.

Die zweigelappten Blätter sind, glaube ich, gröszer und sicherlich

breiter als selbst die der australischen Form; so dasz die gröszere

Convexität ihrer Ränder augenfällig war. Die Länge eines offenen

Blattes zu 100 genommen, war die Breite der bengalischen Form

beinahe 173, die der australischen Form 147 und die der deutschen

134. Die Spitzen an den eingebogenen Rändern sind ähnlich denen

in der australischen Form. Von den wenigen Blättern, welche untersucht wurden, enthielten drei entomostrake Krustenthiere.

Schluszbemerkungen. — Die Blätter der drei vorstehend

erwähnten nahe verwandten Species oder Varietäten sind offenbar zum


 

[page break] Aldrovanda vesiculosa. Cap. 14.

Fangen von lebenden Geschöpfen eingerichtet. Was die Functionen

der verschiedenen Theile betrifft, so kann wenig Zweifel sein, dasz

die langen gegliederten Haare sensitiv sind, wie die der Dionaea, und

dasz sie, wenn sie berührt werden, verursachen, dasz sich die Lappen

schlieszen. Dasz die Drüsen eine wahre verdauende Flüssigkeit absondern, und später die verdaute Substanz aufsaugen, ist sehr wahrscheinlich, einmal nach der Analogie der Dionaea, — dann weil die

durchsichtige Flüssigkeit in ihren Zellen in sphärische Massen zusammengeballt wird, nachdem sie einen Aufgusz von rohem Fleisch

aufgesaugt hatten, — ferner, weil die Zellen des Blattes, welches

lange Zeit einen Käfer eingeschlossen hatte, sich in einem undurchsichtigen und körnigen Zustand befanden, — und endlich, weil die

Integumente dieses Insects, eben sowohl wie die der Kruster (wie

Cohn beschrieben hat) welche lange gefangen gewesen sind, so rein

waren. Ferner ist es nach der Wirkung, welche ein Eintauchen von

24 Stunden in eine Lösung von Harnstoff auf die viertheiligen Fortsätze hervorbrachte, — nach der Anwesenheit von brauner körniger

Substanz in den viertheiligen Fortsätzen des Blattes, worin der Käfer

gefangen worden war, — und nach der Analogie der Utricularia —

wahrscheinlich, dasz diese Fortsätze excrementitielle und zerfallende

thierische Substanz aufsaugen. Es ist ein noch merkwürdigerer Fall,

dasz die Spitzen auf den eingebogenen Rändern augenscheinlich dazu

dienen, zerfallene thierische Substanz in derselben Weise wie die

viertheiligen Fortsätze aufzusaugen. Wir können hier noch die Bedeutung der eingebogenen Ränder der Lappen, die mit zarten nach

innen gerichteten Spitzen versehen sind, und der breiten flachen

äuszeren Theile, welche viertheilige Fortsätze tragen, verstehen; denn

diese Flächen müssen dem ausgesetzt sein, von faulem Wasser benetzt

zu werden, welches von der Concavität des Blattes abflieszt, wenn es

todte Thiere enthält. Dieses würde aus verschiedenen Ursachen erfolgen: — wegen der allmählichen Contraction der Concavität, — weil

Flüssigkeit im Übermasz abgesondert wird, — und wegen der Entstehung von Luftblasen. Mehr Beobachtungen sind über diesen Punkt

nöthig, aber wenn diese Ansicht richtig ist, so haben wir den merkwürdigen Fall, dasz verschiedene Theile eines und desselben Blattes

sehr verschiedenen Zwecken dienen, — der eine Theil zu wahrer Verdauung, und ein andrer zur Aufsaugung zerfallener thierischer Sub


 

[page break] Cap. 14. Schluszbemerkungen.

stanz. Wir können auch hiernach verstehen, wie eine Pflanze durch

den allmählichen Verlust einer der beiden Fähigkeiten, nach und

nach der einen Thätigkeit angepaszt werden kann, mit Ausschlusz der andern; und es wird später gezeigt werden, dasz zwei

Gattungen, nämlich Pinguicula und Utricularia, die zu derselben

Familie gehören, diesen zwei verschiedenen Functionen angepaszt

worden sind.


 

[[300]/0314]

Fünfzehntes Capitel.

Drosophyllum. — Roridula. — Byblis. — Drüsige Haare anderer

Pflanzen. — Schluszbemerkungen über die Droseraceen.

Drosophyllum. — Structur der Blätter. — Natur des Secrets. — Art und Weise,

Insecten zu fangen. — Vermögen der Absorption. — Verdauung animaler

Substanzen. — Zusammenfassung über Drosophyllum. — Roridula. — Byblis.

— Drüsige Haare anderer Pflanzen, ihr Absorptionsvermögen. — Saxifraga.

— Primula. — Pelargonium. — Erica. — Mirabilis. — Nicotiana. —

Zusammenfassung über drüsige Haare. — Schluszbemerkungen über die

Droseraceen.

Drosophyllum lusitanicum. — Diese seltene Pflanze ist nur in

Portugal und, wie ich von Dr. Hooker höre, in Marocco gefunden

worden. Ich erhielt lebende Exemplare durch die grosze Freundlichkeit des Herrn W. C. Tait, und später durch Herrn G. Maw und

Dr. Moore. Herr Tait theilt mir mit, dasz sie sehr zahlreich an den

Abhängen trockener Berge in der Nähe von Oporto wächst und dasz

eine ungeheure Zahl von Fliegen an den Blättern hängt. Diese letztere Thatsache ist den Bauern wohl bekannt, welche die Pflanze

"Fliegenfänger‟ nennen und sie zu diesem Zwecke in ihren Häusern

aufhängen. Eine Pflanze in meinem Gewächshause fieng während der

ersten Hälfte des April, trotzdem dasz das Wetter kalt war und Insecten selten, so viele Insecten, dasz sie in irgend einer Art und

Weise starke Anziehungskraft auf dieselben ausgeübt haben musz.

An vier Blättern einer jungen und kleinen Pflanze wurden 8, 10, 14

und 16 äuszerst kleine Insecten, hauptsächlich Dipteren, im Herbste

ihnen anhängend gefunden. Ich versäumte es, die Wurzeln zu untersuchen; ich höre aber von Dr. Hooker, dasz sie sehr klein sind, wie

es bei den früher erwähnten Gliedern der nämlichen Familie der

Droseraceen der Fall ist.


 

[page break] Cap. 15. Structur der Blätter.

Die Blätter entspringen aus einer beinahe holzigen Achse; sie

sind linear, nach der Spitze zu bedeutend verschmälert und mehrere

Zoll lang. Die obere Fläche ist concav, die untere convex, mit einem

schmalen Canal der Mitte entlang. Beide Flächen sind, mit Ausnahme des Canals, mit Drüsen bedeckt, welche auf Stielen stehn und

in unregelmäszigen Längsreihen angeordnet sind. Ich werde diese

Organe wegen ihrer groszen Ähnlichkeit mit denen der Drosera Tentakeln nennen, obgleich sie kein Bewegungsvermögen besitzen. An

einem und demselben Blatte sind sie in der Länge sehr verschieden.

Auch weichen die Drüsen der Grösze nach von einander ab und sind

von einer hell rosa oder purpurnen Färbung; ihre obere Fläche ist

convex und ihre untere eben oder selbst concav, so dasz sie dem

Aussehen nach Pilzen in Miniatur ähnlich sind. Sie werden aus (wie

ich glaube) zwei Schichten zarter eckiger Zellen gebildet, welche acht

oder zehn gröszere Zellen mit dickeren Zickzackwandungen einschlieszen.

Innerhalb dieser groszen Zellen finden sich andere durch Spirallinien

ausgezeichnete und allem Anscheine nach mit den Spiralgefäszen zusammenhängende, welche in den grünen vielzelligen Stielen hinauflaufen. Die Drüsen sondern grosze Tropfen eines klebrigen Secrets

ab. Andere Drüsen von demselben allgemeinen Aussehen finden sich

an den Blüthenstielen und dem Kelch.

Auszer den Drüsen, welche auf längeren oder kürzeren Stielen

stehn, finden sich noch zahlreiche andere sowohl auf der obern als

der untern Fläche der Blätter, welche so klein sind, dasz sie für das

blosze Auge kaum sichtbar sind. Sie sind farblos

und beinahe ganz sitzend, entweder kreisförmig oder

oval im Umrisz: die letztere Form kommt vorzüglich auf dem Rücken der Blätter vor (Fig 14). Im

Innern haben sie genau dieselbe Structur, wie die

groszen auf Stielen getragenen Drüsen, und beide

Formen gehen allerdings beinahe in einander über.

Die aufsitzenden Drüsen weichen aber in einer wichtigen Beziehung von den andern ab: sie sondern

nämlich niemals aus freien Stücken ab, so weit ich es

gesehen habe, trotzdem ich sie an einem heiszen

Tage unter einer starken Vergröszerung untersucht

[Abbildung     

Fig. 14. (Drosophyllum

lusitanicum). Theil eines

Blattes, siebenmal vergröszert, die untere Fläche

darbietend.]

habe, während die auf den Stielen reichlich absonderten. Wenn aber

kleine Stückchen feuchten Albumins oder Fibrins auf diese sitzenden


 

[page break] Drosophyllum lusitanicum. Cap. 15.

Drüsen gelegt werden, so fangen sie nichtsdestoweniger nach einiger

Zeit in derselben Weise abzusondern an, wie die Drüsen der Dionaea

bei ähnlicher Behandlung. Als sie mit einem Stückchen rohen Fleisches

einfach gerieben wurden, haben sie, wie ich glaube, gleichfalls abgesondert. Sowohl die aufsitzenden als auch die höheren von Stielen

getragenen Drüsen haben das Vermögen, sehr schnell stickstoffhaltige

Substanz zu absorbiren.

Die von den längeren Drüsen ausgehende Absonderung weicht in

einer merkwürdigen Art und Weise von der der Drosera ab, nämlich

darin, dasz sie sauer ist, ehe noch die Drüsen auf irgend welche

Weise gereizt werden; auch ist sie, nach der Farbenveränderung des

Lackmuspapier zu urtheilen, stärker sauer als die der Drosera. Diese

Thatsache wurde wiederholt beobachtet; bei einer Gelegenheit wählte

ich ein junges Blatt aus, welches nicht reichlich absonderte und noch

niemals ein Insect gefangen hatte, und doch färbte das Secret auf

allen seinen Drüsen Lackmuspapier hell roth. Wegen der Schnelligkeit, mit welcher die Drüsen im Stande sind, aus solchen Körpern,

wie gut ausgewaschenem Fibrin und Knorpel, animale Substanz auszuziehen, vermuthe ich, dasz eine geringe Menge des betreffenden

Ferments in dem Secrete vorhanden sein musz noch ehe die Drüsen

gereizt werden, so dasz eine geringe Quantität animaler Substanz

schnell aufgelöst wird.

In Folge der Beschaffenheit des Secrets oder der Form der Drüsen lassen sich die Secrettropfen mit eigenthümlicher Leichtigkeit von

ihnen entfernen. Es ist selbst ziemlich schwierig, mit Hülfe einer

fein zugespitzten und leicht mit Wasser befeuchteten Nadel, ein sehr

kleines Theilchen irgend welcher Art auf einen der Tropfen zu legen;

denn beim Wegziehen der Nadel wird meistens auch der Secrettropfen

mit weggezogen; bei Drosera findet dagegen keine solche Schwierigkeit statt, obschon die Tropfen gelegentlich weggezogen werden.

Wenn ein kleines Insect sich auf einem Blatte von Drosophyllum

niederläszt, so bleiben in Folge dieser Eigenthümlichkeit die Tropfen

an seinen Flügeln, Beinen oder seinem Körper hängen und werden

von der Drüse abgezogen; das Insect kriecht dann weiter, und noch

andere Tropfen bleiben an ihm hängen, so dasz es zuletzt, ganz von

dem klebrigen Secret umflossen, niedersinkt, stirbt und dabei auf den

kleinen sitzenden Drüsen liegt, mit denen die Oberfläche des Blattes

dicht bedeckt ist. Bei Drosera wird ein an einer oder mehreren


 

[page break] Cap. 15. Absonderung.

von den äuszeren Drüsen klebendes Insect durch die Bewegung ihrer

Tentakeln nach der Blattmitte geschafft; bei Drosophyllum wird dies

durch das Weiterkriechen des Insects bewirkt, da es wegen der Belastung seiner Flügel mit Secret nicht fortfliegen kann.

Es besteht noch eine andere Verschiedenheit in der Function

zwischen den Drüsen dieser beiden Pflanzen; wir wissen, dasz die

Drüsen der Drosera reichlicher absondern, wenn sie gehörig gereizt

werden. Als aber minutiöse Theilchen von kohlensaurem Ammoniak

Tropfen einer Lösung dieses Salzes oder des salpetersauren Ammoniaks,

Speichel, kleine Insecten, Stückchen rohen oder gerösteten Fleisches,

Eiweisz, Fibrin oder Knorpel, ebenso wie anorganische Körperchen,

auf die Drüsen von Drosophyllum gelegt wurden, schien die Menge

des Secrets niemals auch nur im mindesten vermehrt zu werden. Da

Insecten gewöhnlich nicht an den längeren Drüsen hängen bleiben,

sondern deren Secret abziehn, so können wir einsehn, dasz es für sie

von geringem Nutzen wäre, wenn sie die Gewohnheit erlangt hätten,

nach einer Reizung reichlich abzusondern, während dies bei Drosera

von Nutzen ist, diese Gewohnheit auch erlangt worden ist. Nichtsdestoweniger fahren doch die Drüsen von Drosophyllum, ohne gereizt

zu werden, beständig fort zu secerniren, so dasz sie den durch Verdunstung eintretenden Verlust ersetzen. Als daher eine Pflanze unter

eine kleine Glasglocke gestellt wurde, deren innere Flüche ebenso wie

der Träger ordentlich befeuchtet wurde, trat kein Verlust durch Verdunstung ein und es sammelte sich im Laufe eines Tages so viel

Secret an, dasz es die Tentakeln hinablief und grosze Stellen auf den

Blättern bedeckte.

Die Drüsen, denen die obengenannten stickstoffhaltigen Substanzen

gegeben wurden, sonderten, wie eben angeführt wurde, nicht reichlicher ab; im Gegentheil absorbirten sie die Tropfen ihres eigenen

Secrets mit überraschender Schnelligkeit. Stückchen von feuchtem

Faserstoff wurden auf fünf Drüsen gelegt, und als nach einer Zwischenzeit von 1 Stunde 12 Minuten wieder nach ihnen gesehen wurde,

war das Fibrin beinahe trocken, da das Secret ganz absorbirt worden

war. Dasselbe war mit drei Eiweiszwürfeln nach 1 Stunde 19 Minuten und mit vier andern Würfeln der Fall, doch wurde nach diesen

letztern nicht eher nachgesehn als bis 2 Stunden 15 Minuten verflossen waren. Dasselbe Resultat erfolgte in 1 Stunde 15 Minuten

bis 1 Stunde 30 Minuten, als Stückchen sowohl von Knorpel als auch


 

[page break] Drosophyllum lusitanicum. Cap. 15.

von Fleisch auf mehrere Drüsen gelegt wurden. Endlich wurde ein

sehr kleiner Tropfen (ungefähr   Minim grosz) einer Lösung von

einem Theil salpetersauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser auf

das drei Drüsen umgebende Secret vertheilt, so dasz die Menge der

eine jede umgebenden Flüssigkeit unbedeutend vermehrt wurde; und

doch waren, als nach 2 Stunden nachgesehen wurde, alle drei trocken.

Andererseits wurden sieben Stückchen Glas und drei Kohlentheilchen

von nahezu derselben Grösze als die oben erwähnten organischen Substanzen auf zehn Drüsen gelegt; einige derselben wurden 18 Stunden

lang, und andere zwei oder drei Tage lang beobachtet; es war aber

nicht das geringste Zeichen vorhanden, dasz Secret absorbirt worden

wäre. Es musz daher in den ersteren Fällen die Aufsaugung des

Secrets Folge des Vorhandenseins irgend einer stickstoffhaltigen Substanz gewesen sein, welche entweder bereits löslich war, oder durch

das Secret löslich gemacht worden war. Da das Fibrin rein war

und gut in destillirtem Wasser ausgewaschen worden war, nachdem

es in Glycerin aufgehoben war, und da auch der Knorpel in Wasser

eingeweicht war, so vermuthe ich, dasz diese Substanzen innerhalb

der oben angegebenen kurzen Zeiträume unbedeutend beeinfluszt und

löslich gemacht worden sein müssen.

Die Drüsen haben nicht nur das Vermögen rapider Absorption,

sondern sind auch fähig, wiederum schnell abzusondern; und diese

letzte Gewohnheit ist vielleicht aus dem Grunde erlangt worden, weil

Insecten, wenn sie die Drüsen berühren, meistens die Secrettropfen

wegziehn, welche nun wieder zu ersetzen sind. Die genaue Zeitperiode der wieder eintretenden Absonderung wurde nur in einigen

wenigen Fällen notirt. Die Drüsen, auf welche Stückchen Fleisch

gelegt worden waren, und welche nach ungefähr 1 Stunde 30 Minuten beinahe trocken waren, wurden nach Verlauf von weiteren 22

Stunden wieder nachgesehen; es fand sich, dasz sie absonderten; dasselbe war nach 24 Stunden mit einer Drüse der Fall, auf welche ein

Stückchen Eiweisz gelegt worden war. Die drei Drüsen, auf welche

ein minutiöser Tropfen einer Lösung von salpetersaurem Ammoniak

vertheilt worden war, und welche nach 2 Stunden trocken wurden,

fiengen nach Verlauf von nur 12 weiteren Stunden wieder abzusondern an.

Tentakeln einer Bewegung unfähig. — Es wurden viele

von den langen Tentakeln, mit ihnen anhängenden Insecten, sorgfältig


 

[page break] Cap. 15. Absorption.

beobachtet, und Bruchstücke von Insecten, Stückchen von rohem

Fleisch, Eiweisz u. s. w., Tropfen einer Lösung von zwei Ammoniaksalzen und von Speichel wurden auf die Drüsen vieler Tentakeln gebracht; es konnte aber niemals auch nur eine Spur von Bewegung

entdeckt werden. Ich reizte auch wiederholt die Drüsen mit einer

Nadel und kratzte und stach die Blattscheibe, aber weder die Blattscheibe noch die Tentakeln wurden irgendwie eingebogen. Wir dürfen daher schlieszen, dasz sie einer Bewegung unfähig sind.

Über das den Drüsen eigene Absorptionsvermögen. —

Es ist bereits indirect gezeigt worden, dasz die Drüsen auf Stielen

animale Substanz absorbiren; dies wird auch ferner durch die Veränderung ihrer Farbe und durch die Zusammenballung ihres Zelleninhalts bewiesen, nachdem sie mit stickstoffhaltigen Substanzen oder

Flüssigkeiten in Berührung gelassen worden waren. Die folgenden

Beobachtungen beziehn sich sowohl auf die von Stielen getragenen

Drüsen als auch auf die sehr kleinen direct aufsitzenden. Ehe eine

Drüse in irgend einer Weise gereizt worden ist, enthalten die äuszern

Zellen gewöhnlich nur klare purpurne Flüssigkeit; die weiter nach

der Mitte hin gelegenen enthalten maulbeerförmige Massen von purpurner granulöser Substanz. Ein Blatt wurde in ein wenig Lösung

von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser

(3 Gran auf 1 Unze) gelegt, und augenblicklich wurden die Drüsen

dunkel und sehr bald schwarz; diese Farbenveränderung war Folge

der stark ausgesprochenen Zusammenballung des Inhalts ihrer Zellen,

ganz besonders der inneren Zellen. Ein anderes Blatt wurde in eine

Lösung (von der nämlichen Stärke) von salpetersaurem Ammoniak gethan; die Drüsen wurden unbedeutend dunkel in 25 Minuten, stärker

in 50 Minuten, und nach 1 Stunde 30 Minuten waren sie so dunkel

roth, dasz sie beinahe schwarz erschienen. Andere Blätter wurden

in einen schwachen Aufgusz von rohem Fleisch und in menschlichen

Speichel gethan; in 25 Minuten hatten die Drüsen bedeutend gedunkelt, und nach 40 Minuten waren sie so dunkel, dasz sie beinahe verdienten schwarz genannt zu werden. Selbst ein einen ganzen Tag

lang währendes Einlegen in destillirtes Wasser bewirkt gelegentlich

etwas Zusammenballung innerhalb der Drüsen, so dasz sie eine dunklere Färbung erhalten. In allen diesen Fällen werden die Drüsen in

genau derselben Art und Weise afficirt, wie die der Drosera. Milch,

welche so energisch auf Drosera einwirkt, scheint für Drosophyllum

Darwin, Insectenressende Pflanzen. (VIII.) 20

[page break] Drosophyllum lusitanicum. Cap. 15.

weniger wirksam zu sein, denn die Drüsen waren nach einem Eintauchen von 1 Stunde 20 Minuten nur unbedeutend gedunkelt, wurden aber nach 3 Stunden entschieden dunkler. Blätter, welche 7

Stunden lang in einem Aufgusz von rohem Fleisch oder in Speichel

liegen gelassen worden waren, wurden in die Lösung von kohlensaurem Ammoniak gelegt; die Drüsen wurden nun grünlich, während

sie, wenn sie zuerst in die Lösung des kohlensauren Ammoniaks gethan worden wären, schwarz geworden wären. In diesem letztern

Falle verbindet sich wahrscheinlich das Ammoniak mit der im Secret

enthaltenen Säure und wirkt daher nicht auf die färbende Substanz;

werden aber die Drüsen zuerst der Einwirkung einer organischen

Flüssigkeit ausgesetzt, so wird entweder die Säure bei der Arbeit der

Verdauung verbraucht oder die Zellwandungen werden durchgängiger

gemacht, so dasz das unzersetzte kohlensaure Salz eintritt und auf

die färbende Substanz wirkt. Wenn ein Stückchen des trockenen

kohlensauren Salzes auf eine Drüse gelegt wird, so wird die purpurne

Farbe schnell beseitigt, wahrscheinlich in Folge eines Überschusses

des Salzes. Überdies wird die Drüse getödtet.

Wenden wir uns nun zu der Wirkung organischer Substanzen;

die Drüsen, auf welche Stückchen rohen Fleisches gelegt worden

waren, wurden dunkel gefärbt, und in 18 Stunden war ihr Zelleninhalt augenscheinlich zusammengeballt. Mehrere Drüsen mit Stückchen von Albumin und Fibrin wurden in der Zeit von 2 bis 3 Stunden dunkel; in einem Falle wurde aber die purpurne Farbe vollständig

ausgeschieden. Einige Drüsen, welche Fliegen gefangen hatten, wurden mit andern dicht daneben stehenden verglichen; und obgleich sie

in der Färbung nicht bedeutend von einander abwichen, so war doch

ein ausgesprochener Unterschied in dem Zustande der Zusammenballung vorhanden. In einigen wenigen Fällen indessen war kein

solcher Unterschied zu bemerken, und dies war dem Anscheine nach

Folge davon, dasz die Insecten schon vor langer Zeit gefangen worden waren, so dasz die Drüsen ihren früheren Zustand wieder erlangt

hatten. In einem Falle hatte eine Gruppe der direct aufsitzenden

farblosen Drüsen, an denen eine kleine Fliege hieng, ein eigenthümliches Ansehn; sie waren nämlich purpurn geworden in Folge einer

Auskleidung ihrer Zellenwände mit granulöser purpurner Substanz.

Ich will hier nur zur Vorsicht erwähnen, dasz, bald nachdem einige

meiner Pflanzen im Frühjahr von Portugal angekommen waren, Stück


 

[page break] Cap. 15. Verdauung.

chen Fleisch oder Insecten, oder eine Lösung von Ammoniak nicht

deutlich auf die Drüsen einwirkte, — ein Umstand, den ich nicht

zu erklären vermag.

Verdauung fester thierischer Substanz. — Während

ich den Versuch machte, auf zwei der längeren Drüsen kleine Würfel

von Eiweisz zu legen, schlüpften dieselben hinab und blieben, mit

dem Secrete beschmiert, auf einigen der kleinen sitzenden Drüsen

liegen. Nach 24 Stunden fand sich, dasz einer dieser Würfel vollständig verflüssigt worden war, wobei indesz noch immer einige wenige weisze Streifen sichtbar waren; der andere war bedeutend abgerundet, aber nicht völlig aufgelöst. Zwei andere Würfel wurden 2

Stunden 45 Minuten lang auf langen Drüsen gelassen, in welcher

Zeit das ganze Secret absorbirt war; eine Einwirkung auf die Würfel

war aber nicht bemerkbar, obschon ohne Zweifel eine geringe Menge

von animaler Substanz aus ihnen absorbirt worden war. Sie wurden

dann auf die kleinen sitzenden Drüsen gebracht, welche nun, da sie

dadurch gereizt wurden, im Laufe von 7 Stunden reichlich absonderten. Innerhalb dieser kurzen Zeit wurde einer der Würfel bedeutend

verflüssigt, und beide waren nach Verlauf von 21 Stunden 15 Minuten völlig flüssig geworden; die kleinen flüssigen Massen zeigten indessen noch immer einige weisze Streifen. Nach Verlauf von weiteren

6 Stunden 30 Minuten verschwanden diese Streifen, und am nächsten

Morgen (d. h. 48 Stunden von der Zeit an, wo die Würfel zuerst auf

die Drüsen gelegt wurden) war die verflüssigte Masse vollständig

aufgesaugt. Es wurde ein Eiweiszwürfel auf einer andern langen

Drüse gelassen, welche zuerst das Secret absorbirte und nach 24

Stunden eine frische Menge ergosz. Dieser nun von Absonderung umgebene Würfel wurde weitere 24 Stunden lang auf der Drüse gelassen; es erfolgte aber, wenn überhaupt irgend welche, nur eine sehr

unbedeutende Einwirkung. Wir können daher schlieszen, entweder

dasz das Secret von den hohen Drüsen, trotzdem es stark sauer ist,

doch nur eine geringe Verdauungskraft hat, oder dasz die von einer

einzigen Drüse ergossene Menge nicht genügt, ein Stückchen Eiweisz

aufzulösen, welches innerhalb derselben Zeit von dem Secrete aus

mehreren der kleinen sitzenden Drüsen aufgelöst worden sein würde.

Wegen des Absterbens meiner letzten Pflanze war ich nicht im

Stande zu ermitteln, welche von diesen beiden Alternativen die richtige ist.

20*

[page break] Drosophyllum lusitanicum. Cap. 15.

Vier äuszerst kleine Stückchen reinen Fibrins wurden so gelegt,

dasz jedes auf einer, zwei oder drei der längeren Drüsen ruhte. Im

Laufe von 2 Stunden 30 Minuten war das Secret ganz absorbirt und

die Stückchen waren beinahe ganz trocken gelassen. Sie wurden dann

auf die sitzenden Drüsen geschoben. Ein Stückchen schien nach 2

Stunden 30 Minuten ganz aufgelöst zu sein, dies könnte indesz ein

Irrthum gewesen sein. Als ein zweites nach 17 Stunden 25 Minuten

untersucht wurde, war es verflüssigt, die Flüssigkeit liesz aber unter

dem Mikroskope noch immer flottirende Körnchen von Fibrin erkennen.

Die andern beiden Stückchen waren nach 21 Stunden 30 Minuten

vollständig verflüssigt; aber in einem der Tropfen waren noch einige

wenige Körnchen zu entdecken. Diese waren indessen nach Verlauf

von weiteren 6 Stunden 20 Minuten aufgelöst; und die Oberfläche des

Blattes war in einiger Entfernung rings herum mit klarer Flüssigkeit

bedeckt. Hieraus ergibt sich, dasz Drosophyllum Albumin und Fibrin

eher noch schneller verdaut als es Drosera kann; und dies ist vielleicht dem Umstande zuzuschreiben, dasz die Säure, wahrscheinlich

in Verbindung mit einer kleinen Menge des Ferments, schon in der

Absonderung vorhanden ist, ehe die Drüsen gereizt worden sind, so

dasz die Verdauung sofort beginnt.

Schluszbemerkungen. — Die linearen Blätter von Drosophyllum weichen nur unbedeutend von denen gewisser Species von

Drosera ab; die hauptsächlichsten Unterschiede bestehen erstens in

dem Vorhandensein äuszerst kleiner, beinahe direct aufsitzender Drüsen, welche gleich denen der Dionaea nicht eher absondern, als bis

sie durch die Aufsaugung stickstoffhaltiger Substanz gereizt worden

sind. Aber Drüsen dieser Art sind auf den Blättern der Drosera

binata vorhanden und scheinen durch die Papillen auf den Blättern

der Drosera rotundifolia repräsentirt zu werden. Zweitens sind bei

Drosophyllum Tentakeln auf der Rückseite der Blätter vorhanden;

Wir haben aber gesehen, dasz einige wenige Tentakeln, unregelmäszig

vertheilt und dem Verkümmern zuneigend, auf der Rückenseite der

Blätter von Drosera binata übrig geblieben sind. Gröszere Verschiedenheiten bestehen zwischen beiden Gattungen in den Functionen; die

bedeutungsvollste ist die, dasz die Tentakeln von Drosophyllum kein

Bewegungsvermögen besitzen; dieser Verlust ist theilweise dadurch

ersetzt worden, dasz die Tropfen klebrigen Secrets leicht von den

Drüsen abgezogen werden können; so dasz ein Insect, wenn es mit


 

[page break] Cap. 15. Roridula.

einem Tropfen in Berührung kommt, im Stande ist wegzukriechen,

aber bald noch andere Tropfen berührt und dann, von dem Secrete

erstickt, auf die sitzenden Drüsen hinabsinkt und stirbt. Ein anderer

Unterschied liegt darin, dasz das Secret von den langen Drüsen, noch

ehe sie in irgend einer Weise gereizt worden sind, stark sauer ist

und vielleicht eine geringe Menge des gehörigen Ferments enthält.

Ferner sondern diese Drüsen in Folge ihrer Reizung durch die Absorption stickstoffhaltiger Substanz nicht reichlicher ab; im Gegentheil absorbiren sie dann mit auszerordentlicher Schnelligkeit ihre

eigene Absonderung. Nach kurzer Zeit fangen sie von Neuem an

abzusondern. Alle diese Umstände hängen wahrscheinlich mit der

Thatsache zusammen, dasz Insecten gewöhnlich nicht an den Drüsen

hängen bleiben, mit denen sie zuerst in Berührung kommen, obschon

dies zuweilen vorkommt, und dasz es hauptsächlich das Secret aus

den sitzenden Drüsen ist, welches animale Substanz aus den Insectenkörpern auflöst.

Roridula.

Roridula dentata. — Diese Pflanze, ein Bewohner der westlichen Theile des Vorgebirges der guten Hoffnung, wurde mir aus

Kew in getrocknetem Zustande geschickt. Sie hat beinahe holzigen

Stamm und Zweige und erreicht allem Anscheine nach die Höhe von

einigen Fuszen. Die Blätter sind linear mit bedeutend verschmälerten

Spitzen. Ihre obere und untere Fläche sind concav mit einer Leiste

in der Mitte, und beide sind mit Tentakeln besetzt, welche in der

Länge bedeutend von einander abweichen: einige sind sehr lang, besonders die an den Spitzen der Blätter, und einige sehr kurz. Auch

die Drüsen sind von sehr verschiedener Grösze und sind etwas länglich. Sie werden von vielzelligen Stielen getragen.

Es stimmt daher diese Pflanze in mehrfachen Beziehungen mi

Drosophyllum überein, weicht aber in den folgenden davon ab. Ich

habe keine sessilen Drüsen entdecken können: auch würden diese von

keinerlei Nutzen gewesen sein, da die obere Fläche der Blätter dicht

mit zugespitzten, einzelligen, aufwärts gerichteten Haaren bedeckt ist.

Die Stiele der Tentakeln enthalten keine Spiralgefäsze, ebensowenig

finden sich irgend welche Spiralzellen innerhalb der Drüsen. Die

Blätter entspringen häufig in Büscheln und sind fiederspaltig, wobei

die Blättchen unter rechten Winkeln zu der mittleren linealen Scheibe


 

[page break] Byblis. Cap. 15.

entspringen. Diese seitlichen Blättchen sind oft sehr kurz und tragen

nur einen einzigen endständigen Tentakel mit einem oder zwei kurzen an den Seiten. Zwischen den Stielen der langen endständigen

Tentakeln und den bedeutend verschmälerten Enden der Blätter läszt

sich keine bestimmte Grenzlinie ziehn. Wir können allerdings willkürlich hier den Punkt als solche herausgreifen, bis zu welchem sich

die Spiralgefäsze von der Blattscheibe aus erstrecken; es ist aber

keine andere Unterscheidungslinie vorhanden.

Aus den vielen Schmutztheilchen, welche an den Drüsen hiengen,

gieng offenbar hervor, dasz sie viel klebrige Substanz |absondern.

Auch eine grosze Zahl von Insecten von vielerlei Art hieng an den

Blättern. Ich konnte nirgends irgend welche Zeichen dafür entdecken,

dasz die Tentakeln über den gefangenen Insecten eingebogen worden

wären; und dies wäre doch wahrscheinlich selbst an den getrockneten

Exemplaren zu sehen gewesen, wenn sie Bewegungsvermögen besessen

hätten. In diesem negativen Character ist daher Roridula ihrem

nordischen Repräsentanten, Drosophyllum, ähnlich.

Byblis.

Byblis gigantea (West-Australien). — Ein getrocknetes, ungefähr 18 Zoll hohes Exemplar mit einem starken Stamm wurde mir

von Kew geschickt. Die Blätter sind einige Zoll lang, linear, unbedeutend abgeplattet, mit einer kleinen vorspringenden Rippe an der

unteren Fläche. Sie sind von allen Seiten mit Drüsen von zweierlei

Art bedeckt: — sitzende, welche in Reihen angeordnet sind, und

andere von mäszig langen Stielen getragene. Nach den schmalen

Enden der Blätter zu sind die Stiele länger als irgendwo anders, und

sind hier dem Durchmesser der Blätter gleich. Die Drüsen sind purpurn, bedeutend abgeplattet und werden von einer einzigen Schicht

strahlenförmig angeordneter Zellen gebildet, welche in den gröszeren

Drüsen vierzig bis fünfzig an Zahl sind. Die Stiele bestehn aus einzelnen

verlängerten Zellen mit farblosen, äuszerst zarten Wandungen, welche

mit den feinsten sich kreuzenden Linien gezeichnet sind. Ob diese

Linien das Resultat einer Zusammenziehuug durch das Eintrocknen

der Wände ist, weisz ich nicht; häufig war aber der ganze Stiel

spiral aufgerollt. Diese drüsigen Haare sind weit einfacher in ihrem

Bau als die sogenannten Tentakeln der vorher erwähnten Gattungen

und weichen nicht wesentlich von denen ab, welche von unzähligen


 

[page break] Cap. 15. Drüsen-Haare.

andern Pflanzen getragen werden. Die Blüthenstiele tragen ähnliche

Drüsen. Der eigenthümlichste Character an den Blättern ist der,

dasz die Spitze zu einem kleinen mit Drüsen bedeckten Knopfe erweitert ist, welcher ungefähr um ein Drittel breiter ist als der daranstoszende Theil des verschmälerten Blattes. An zwei Stellen hiengen

todte Fliegen an den Drüsen. Da kein Beispiel bekannt ist, dasz

einzellige Bildungen Bewegungsvermögen besäszen 1, so fängt Byblis

ohne Zweifel die Insecten lediglich mit Hülfe ihres klebrigen Secrets.

Dieselben sinken dann wahrscheinlich mit dem Secret beschmiert

nieder und liegen dann auf den kleinen sitzenden Drüsen, welche,

wenn wir nach der Analogie mit Drosophyllum urtheilen dürfen, dann

ihr Secret ergieszen, und später die verdaute Substanz aufsaugen.

Zusätzliche Bemerkungen über das Absorptionsvermögen der drüsigen Haare andrer Pflanzen. — Einige

wenige Beobachtungen über diesen Gegenstand dürften passenderweise

hier eingeführt werden. Da die Drüsen vieler, wahrscheinlich aller

Species der Droseraceen, verschiedene Flüssigkeiten absorbiren, oder

mindestens gestatten, dasz dieselben leicht eindringen 2, so schien es

wünschenswerth zu sein, zu ermitteln, wie weit die Drüsen andrer

Pflanzen, welche nicht speciell zum Fangen von Insecten eingerichtet

sind, dasselbe Vermögen haben. Es wurden ganz nach Zufall Pflanzen versucht, mit Ausnahme zweier Species von Saxifraga, welche

deshalb gewählt wurden, weil sie zu einer mit den Droseraceen verwandten Familie gehören. Die meisten Versuche wurden so angestellt, dasz die Drüsen entweder in einen Aufgusz von rohem Fleisch

oder noch gewöhnlicher in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak

eingetaucht wurden, da diese letztere Substanz so kraftvoll und

schnell auf das Protoplasma wirkt. Es schien auch besonders wünschenswerth zu sein zu ermitteln, ob Ammoniak absorbirt würde, da

eine geringe Menge im Regenwasser enthalten ist. Bei den Droseraceen verhindert die Absonderung einer klebrigen Flüssigkeit durch die

Drüsen nicht deren Absorption, so dasz die Drüsen anderer Pflanzen

wohl überflüssige Substanz ausscheiden oder eine riechende Flüssigkeit

als Schutzmittel gegen die Angriffe von Insecten oder zu irgend einem

1 Sa chs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874, p. 852.

2 Der Unterschied zwischen echter Absorption und bloszer Durchdringung oder

Imbibition ist durchaus nicht klar erkannt; s. J. Müller's Handbuch der Physiologie, 1. Bd. 1844, p. 193.


 

[page break] Drüsen-Haare. Cap. 15.

andern Zwecke absondern, und doch das Vermögen zu absorbiren

haben könnten. Ich bedaure, dasz ich in den folgenden Fällen nicht

versucht habe, ob das Secret animale Substanz verdauen oder löslich

machen kann; derartige Versuche würden aber wegen der geringen

Grösze der Drüsen und der geringen Menge Secret schwierig gewesen

sein. Wir werden im nächsten Capitel sehen, dasz das Secret von

den drüsigen Haaren der Pinguicula sicher animale Substanz auflöst.

Saxifraga umbrosa. — Die Blüthenstengel und Blattstiele sind mit

kurzen Haaren bekleidet, welche rosa gefärbte Drüsen tragen, die aus

mehreren polygonalen Zellen gebildet sind und deren Stiele durch Scheidewände in einzelnen Zellen abgetheilt sind; diese sind meistens farblos,

aber zuweilen rosa. Die Drüsen sondern eine gelbliche klebrige Flüssigkeit ab, mit welcher zuweilen, wennschon nicht häufig, sehr kleine Diptern gefangen werden 3. Die Zellen der Drüsen enthalten hell rosa Flüssigkeit, welche mit Körnchen oder kugligen Massen blaszröthlicher breiiger

Substanz dicht erfüllt ist. Diese Substanz musz Protoplasma sein; denn

wenn eine Drüse in einen Tropfen Wasser gelegt und untersucht wird,

sieht man dieselbe langsame aber unaufhörliche Formveränderungen erleiden. Ähnliche Bewegungen wurden beobachtet, nachdem Drüsen 1, 3,

5, 18 und 27 Stunden lang im Wasser liegen gelassen worden waren.

Selbst nach dem letzterwähnten Zeitraum behielten die Drüsen ihre helle

rosa Färbung, und das Protoplasma innerhalb ihrer Zellen erschien nicht

so, als sei es noch weiter zusammengeballt worden. Die beständig sich

ändernden Formen der kleinen Protoplasma-Massen sind nicht Folge einer

Absorption von Wasser, da sie an trocken gehaltenen Drüsen gesehen

wurden.

Ein, noch mit der Pflanze zusammenhängender Blüthenstengel wurde

(29. Mai) so gebogen, dasz er 23 Stunden 30 Minuten in einem starken

Aufgusz von rohem Fleisch eingetaucht blieb. Die Farbe des Inhalts

der Drüsen war unbedeutend verändert, indem er jetzt von einem trüberen und mehr purpurartigen Farbenton war wie vorher. Auch erschien

der Zelleninhalt mehr zusammengeballt, denn die Zwischenräume zwischen

den kleinen Protoplasma-Massen waren weiter; das letztere Resultat trat

aber in einigen anderen und ähnlichen Experimenten nicht ein. Die

Massen schienen ihre Form rapider zu verändern als die in Wasser, so

dasz die Zellen alle 4 oder 5 Minuten eine andere Erscheinung darboten.

Länglich ausgezogene Massen wurden im Laufe von 1 oder 2 Minuten

sphärisch, und sphärische zogen sich aus und vereinigten sich mit andern.

Minutiöse Massen nahmen rapid an Grösze zu und es wurde beobachtet,

wie sich drei verschiedene zu einer vereinigten. Kurz, die Bewegungen

waren genau gleich denen, welche bei der Drosera beschrieben wurden.

3 In Bezug auf Saxifraga tridactylites sagt Druce (Pharmaceutical Journal,

May, 1875), dasz er einige Dutzend Pflanzen untersucht und beinahe in jedem

einzelnen Falle Reste von Insecten an den Blättern hängend gefunden habe. Dies

ist auch, wie ich von einem Freunde höre, mit dieser Pflanze in Irland der Fall


 

[page break] Cap. 15. Absorptions-Vermögen.

Die Zellen der Stiele wurden durch den Aufgusz nicht afficirt, ebensowenig wurden sie es in dem folgenden Versuche.

Ein anderer Blüthenstengel wurde in derselben Weise gebogen und

eben so lange in eine Lösung von einem Theile salpetersauren Ammoniaks

auf 146 Theile Wasser (oder ein Gran auf 1 Unze) getaucht; die Drüsen

wurden in genau derselben Art und Weise entfärbt, wie durch den Aufgusz rohen Fleisches.

Ein anderer Blüthenstengel wurde ganz wie früher in eine Lösung

von einem Theile kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser getaucht. Die Drüsen waren nach 1 Stunde 30 Minuten nicht entfärbt,

aber nach 3 Stunden 45 Minuten waren die meisten schmutzig purpurn,

einige von ihnen schwärzlich-grün geworden; einige wenige waren noch

gar nicht afficirt. Es wurde beobachtet, dasz die kleinen ProtoplasmaMassen innerhalb der Zellen in Bewegung waren. Die Zellen der Stiele

waren unverändert. Der Versuch wurde wiederholt; ein frischer Blüthenstengel wurde 23 Stunden lang in der Lösung gelassen und nun wurde

ein bedeutender Effect hervorgebracht. Alle Drüsen waren bedeutend geschwärzt und die vorher durchsichtige Flüssigkeit in den Zellen der Stiele,

selbst bis hinab zu ihren Basen, enthielten sphärische Massen körniger

Substanz. Aus einer Vergleichung vieler verschiedener Haare gieng offenbar hervor, dasz die Drüsen zuerst das kohlensaure Ammoniak absorbiren,

und dasz der hierdurch bewirkte Effect von Zolle zu Zelle die Haare

hinabgeht. Die erste Veränderung, welche beobachtet werden konnte,

war ein wolkiges Aussehen der Flüssigkeit in Folge der Bildung sehr

feiner Körnchen, welche sich später zu gröszeren Massen zusammenballen.

Im Ganzen genommen besteht in dem Dunkelwerden der Drüsen und in

dem Hinabgehen des Zusammenballungsprocesses die Zellen der Stiele

hinunter die gröszte Ähnlichkeit zu dem, was stattfindet, wenn ein Tentakel der Drosera in eine schwache Lösung desselben Salzes eingetaucht

wird. Die Drüsen absorbiren aber viel langsamer als die der Drosera.

Auszer den Drüsen-Haaren sind noch sternförmige Organe vorhanden, welche

nicht abzusondern scheinen und welche durch die obigen Lösungen nicht

im mindesten afficirt wurden.

Obschon das kohlensaure Ammoniak in den Versuchen mit den unverletzten Blüthenstengeln und Blättern nur durch die Drüsen aufgesaugt

zu werden scheint, so tritt es doch durch eine Schnittfläche viel schneller

ein als durch eine Drüse. Rindenstreifen eines Blüthenstiels wurden abgerissen, und man konnte sehen, dasz die Zellen der Drüsenstiele nur

farblose durchscheinende Flüssigkeit enthielten, die der Drüsen enthielten

wie gewöhnlich etwas körnige Substanz. Die Streifen wurden nun in

dieselbe Lösung wie vorher gethan (ein Theil kohlensauren Ammoniaks

auf 109 Theile Wasser), und in wenig Minuten erschien körnige Substanz

in den unteren Zellen aller Stiele. Die Wirkung begann ausnahmslos (denn ich wiederholte den Versuch mehreremale) in den untersten

Zellen, und daher dicht an der abgerissenen Oberfläche, und gieng dann

allmählich in den Haaren aufwärts, bis sie die Drüsen erreichte, in umgekehrter Richtung also zu der, welche in unverletzten Exemplaren stattfindet. Die Drüsen wurden dann entfärbt und die vorher in ihren Zellen

vorhanden gewesene körnige Substanz wurde zu gröszeren Massen zu


 

[page break] Drüsen-Haare. Cap. 15.

sammengeballt. Es wurden auch zwei kurze Stückchen eines Blüthenstengels 2 Stunden 40 Minuten lang in einer schwächeren Lösung von

einem Theile des kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser liegen

gelassen; in beiden Exemplaren enthielten nun die Stieltheile der Haare

in der Nähe der abgeschnittenen Enden viel körnige Substanz und die

Drüsen waren vollständig entfärbt.

Endlich wurden Stückchen Fleisch auf einige Drüsen gelegt; dieselben wurden nach 23 Stunden untersucht, ebenso wie andere, welche

allem Anscheine nach nicht lange erst sehr kleine Fliegen gefangen hatten;

sie boten aber durchaus keine Verschiedenheit von den Drüsen anderer

Haare dar. Vielleicht war nicht Zeit genug vorhanden zur Absorption.

Ich glaube dies deshalb, weil einige Drüsen, auf denen todte Fliegen

offenbar schon lange gelegen hatten, von einer blassen schmutzig purpurnen Färbung oder selbst farblos waren und die körnige Substanz

innerhalb derselben ein ungewöhnliches und etwas eigenthümliches Ansehen darboten. Dasz diese Drüsen wahrscheinlich durch Exosmose in

die klebrige Absonderung animale Substanz aus den Fliegen aufgesaugt

hatten, können wir nicht allein aus ihrer veränderten Färbung, sondern

auch daraus schlieszen, dasz einige der Zellen in den Stielen, als das

Präparat in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak gelegt wurde, mit

körniger Substanz erfüllt wurden, während die Zellen anderer Haare,

welche keine Fliegen gefangen hatten, nachdem sie ebenso lange Zeit

mit derselben Lösung behandelt worden waren, nur eine geringe Menge

körniger Substanz enthielten. Es sind aber noch weitere Beweise nöthig,

ehe wir vollständig zugeben können, dasz die Drüsen der Saxifraga

selbst unter Gestattung reichlicher Zeit aus den minutiösen Insecten,

welche sie gelegentlich und zufällig fangen, animale Substanz absorbiren

können.

Saxifraga rotundifolia (?). — Die Haare an den Blüthenstengeln

dieser Species sind viel länger als die eben beschriebenen und tragen

braune Drüsen. Es wurden viele untersucht; die Zellen der Stiele waren

völlig durchscheinend. Ein gebogener Stamm wurde 30 Minuten lang in

eine Lösung von einem Theile kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile

Wasser eingetaucht, und zwei oder drei der obersten Zellen in den Stielen

enthielten nun körnige oder zusammengeballte Substanz; die Drüsen waren

nun hell gelblich-grün geworden. Es absorbiren daher die Drüsen dieser

Species das kohlensaure Salz viel schneller, als es die der Saxifraga

umbrosa thun, und auch die oberen Zellen der Stiele werden viel schneller

afficirt. Stücke des Stammes wurden abgeschnitten und in dieselbe Lösung eingetaucht; und nun gieng der Procesz der Zusammenballung die

Haare in umgekehrter Richtung hinauf, wobei die Zellen dicht an der

Schnittfläche zuerst afficirt wurden.

Primula sinensis. — Die Blüthenstengel, die obere und die untere

Fläche der Blätter und ihre Stiele sind sämmtlich mit einer Menge von

längeren und kürzeren Haaren bekleidet. Die Stieltheile der längeren Haare

sind durch quere Scheidewände in acht oder neun Zellen getheilt. Die

vergröszerte endständige Zelle ist kuglig und bildet eine Drüse, welche

eine schwankende Menge einer dicken, unbedeutend klebrigen, nicht sauren,

bräunlich-gelben Substanz absondert.


 

[page break] Cap. 15. Absorptions-Vermögen.

Ein Stück eines jungen Blüthenstengels wurde zuerst 2 Stunden

30 Minuten lang in destillirtes Wasser getaucht; davon wurden die drüsigen Haare durchaus nicht afficirt. Ein anderes, fünfundzwanzig kurze

und neun lange Haare tragendes Stück wurde sorgfältig untersucht. Die

Drüsen dieses letzteren enthielten keine feste oder halbfeste Substanz; und

nur die von zweien der fünfundzwanzig kurzen Haare enthielten einige

Körnchen. Das Stück wurde dann zwei Stunden lang in eine Lösung

von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser gethan,

und nun enthielten die Drüsen der fünfundzwanzig kürzeren Haare mit

zwei oder drei Ausnahmen entweder eine grosze sphärische Masse oder

von zwei bis fünf kleine Massen halbfester Substanz. Drei von den

Drüsen der neun längeren Haare enthielten gleichfalls ähnliche Massen.

An einigen wenigen Haaren fanden sich auch Kügelchen in den Zellen

unmittelbar unterhalb der Drüsen. Betrachtet man alle vierunddreiszig

Haare, so konnte kein Zweifel bestehen, dasz die Drüsen etwas von dem

kohlensaurem Ammoniak aufgesaugt hatten. Ein anderes Stück wurde

nur 1 Stunde lang in derselben Lösung gelassen, und in allen Drüsen

erschien zusammengeballte Substanz. Mein Sohn Francis untersuchte

einige Drüsen der längeren Haare, welche kleine Substanzmassen enthielten, ehe sie in irgend eine Lösung gethan wurden; diese Massen veränderten langsam ihre Form, so dasz sie ohne Zweifel aus Protoplasma

bestanden. Er befeuchtete dann diese Haare 1 Stunde 15 Minuten lang,

während sie unter dem Mikroskop waren, mit einer Lösung von einem Theil

kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser; die Drüsen wurden

nicht wahrnehmbar afficirt, auch konnte dies nicht erwartet werden, da

ihr Zelleninhalt bereits zusammengeballt war. Aber in den Zellen der

Stiele erschienen zahlreiche, beinahe farblose Kugeln von Substanz, welche

ihre Form änderten und langsam verschmolzen; das Aussehen der Zellen

wurde daher in aufeinander folgenden Zeitabschnitten gänzlich verändert.

Die Drüsen an einem jungen Blüthenstengel enthielten, nachdem sie

2 Stunden 45 Minuten lang in einer starken Lösung von einem Theile

kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser liegen gelassen worden

waren, eine bedeutende Menge zusammengeballter Massen; ob dieselben

aber durch Einwirkung des Salzes entstanden waren, weisz ich nicht. Dies

Stück wurde nochmals in die Lösung getaucht, so dasz es im Ganzen

6 Stunden 15 Minuten eingetaucht war, und nun war eine grosze Veränderung zu bemerken; denn beinahe alle die sphärischen Massen innerhalb der Drüsenzellen waren verschwunden und waren durch körnige Substanz von einem dunkleren Braun ersetzt. Dieser Versuch wurde dreimal

wiederholt mit nahezu demselben Resultat. Bei einer Gelegenheit wurde

das Stengelstück 8 Stunden 30 Minuten eingetaucht gelassen, und obgleich beinahe alle sphärische Massen in die braune körnige Substanz

verwandelt worden waren, so blieben doch noch einige wenige übrig.

Wenn die sphärischen Massen zusammengeballter Substanz ursprünglich

blosz durch irgend eine chemische oder physikalische Einwirkung hervorgebracht worden wären, so würde es befremdlich erscheinen, dasz ein

etwas längeres Eintauchen in dieselbe Lösung ihren Character so vollständig verändern sollte. Da aber die Massen, welche langsam und ganz

von selbst ihre Form änderten, aus lebendigem Protoplasma bestanden


 

[page break] Drüsen-Haare. Cap. 15.

haben müssen, so liegt darin nichts überraschendes, dasz sie durch ein

langes Eintauchen in eine so starke Lösung des kohlensauren Salzes, wie

die angewandte, verletzt oder getödtet werden und dasz dadurch ihr Aussehen gänzlich verändert wird. Eine Lösung von dieser Stärke lähmt bei

der Drosera jede Bewegung, aber tödtet das Protoplasma nicht; eine

noch stärkere Lösung verhindert die Zusammenballung des Protoplasma

zu den gewöhnlichen kugligen Massen der gehörigen Grösze und diese

werden, wenn sie auch nicht zerfallen, granulös und undurchsichtig. In

nahezu derselben Weise bewirken auch heiszes Wasser und gewisse Lösungen (so z. B. von Natron- und Kali-Salzen) zuerst eine unvollkommene Art

von Zusammenballung in den Zellen der Drosera; die kleinen Massen zertheilen sich später zur Bildung körniger oder breiiger brauner Substanz.

Alle die vorstehend angeführten Versuche wurden an Blüthenstengeln gemacht; es wurde aber auch ein Stück von einem Blatte 30 Minuten lang

in eine starke Lösung des kohlensauren Ammoniaks (ein Theil auf 109

Theile Wasser) |eingelegt, und nun erschienen in allen Drüsen, welche

vorher nur klare Flüssigkeit enthalten hatten, kleine kuglige Massen von

Substanz.

Ich machte auch mehrere Versuche über die Wirkung des Dampfes

der kohlensauren Salzlösung auf die Drüsen, will aber nur einige wenige

Fälle mittheilen. Das abgeschnittene Ende des Stieles eines jungen

Blattes wurde mit Siegellack bedeckt und das Blatt dann mit einer kleinen

Prise kohlensauren Ammoniaks unter eine kleine Glasglocke gelegt. Nach

10 Minuten lieszen die Drüsen einen beträchtlichen Grad von Zusammenballung erkennen und das die Stielzellen auskleidende Protoplasma war

ein wenig von den Wandungen gelöst. Ein anderes Blatt wurde 50 Minuten lang mit demselben Resultat eingelegt, ausgenommen, dasz die

Haare in ihrer ganzen Länge bräunlich wurden. An einem dritten Blatte,

welches 1 Stunde 50 Minuten dem Dampfe ausgesetzt wurde, fand sich

viel zusammengeballte Substanz in den Drüsen; und einige von den

Massen lieszen Anzeichen einer Zertheilung in braune körnige Substanz

erkennen. Das Blatt wurde noch einmal in den Dampf gelegt, so dasz

es ihm im Ganzen 5 Stunden 30 Minuten ausgesetzt wurde; und obschon

ich eine grosze Anzahl von Drüsen untersuchte, fanden sich zusammengeballte Massen doch nur in zweien oder dreien; in allen übrigen waren

die Massen, welche vorher kuglig gewesen waren, in braune, undurchsichtige, körnige Substanz umgewandelt. Wir sehen hieraus, dasz, wenn

die Blätter eine ansehnliche Zeit lang dem Dampfe ausgesetzt werden,

dies dieselben Wirkungen hervorbringt wie ein langes Eintauchen in eine

starke Lösung. In beiden Fällen konnte kaum bezweifelt werden, dasz

das Salz hauptsächlich oder ausschlieszlich von den Drüsen absorbirt

worden war.

Bei einer anderen Gelegenheit wurden Stückchen feuchten Fibrins,

Tropfen eines schwachen Aufgusses von rohem Fleisch und von Wasser

24 Stunden lang auf einigen Blättern gelassen; die Haare wurden dann

untersucht, sie waren aber zu meiner Überraschung in keiner Hinsicht

von andern verschieden, welche nicht mit diesen Flüssigkeiten in Berührung gekommen waren. Indessen enthielten die meisten Zellen hyaline,

bewegungslose, kleine Kugeln, welche nicht aus Protoplasma zu bestehen


 

[page break] Cap. 15. Absorptions-Vermögen.

schienen, sondern, wie ich vermuthe, aus irgend einem Balsam oder ätherischem Öl.

Pelargonium zonale (die mit Weisz geränderte Varietät). — Die

Blätter sind mit zahlreichen, vielzelligen Haaren bekleidet, einige sind

einfach zugespitzt, andere tragen drüsige Kopfenden und weichen auch

in der Länge bedeutend ab. Es wurden auf einem Stücke eines Blattes

die Drüsen untersucht, und dabei fand sich, dasz sie nur klare Flüssigkeit enthielten; nun wurde das meiste Wasser von unter dem Deckplättchen entfernt und ein sehr kleiner Tropfen einer Lösung von einem Theile

kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser zugesetzt, so dasz eine

äuszerst kleine Dosis gegeben wurde. Nach Verlauf von nur 3 Minuten

waren Zeichen von Zusammenballung in den Drüsen der kürzeren Haare

vorhanden; und nach 5 Minuten erschienen in sämmtlichen viele kleine

Kügelchen von einer blasz-braunen Färbung, während ähnliche, aber

gröszere, Kügelchen in den groszen Drüsen der längeren Haare gefunden

wurden. Nachdem das Präparat 1 Stunde lang in der Lösung gelassen

worden war, hatten viele der kleineren Kügelchen ihre Stellungen verändert, und innerhalb einiger der gröszeren Kugeln erschienen zwei oder

drei Vacuolen (oder kleine Kugeln, denn ich weisz nicht, was von beiden

es war) von einer etwas dunkleren Färbung. In einigen der obersten

Zellen der Stiele konnte man nun kleine Kügelchen sehen, und die protoplasmatische Auskleidung war unbedeutend von den Wandungen der

untern Zellen losgetrennt. Nach 2 Stunden 30 Minuten von der Zeit

des ersten Eintauchens waren die groszen Kugeln innerhalb der Drüsen

der längeren Haare in Massen von dunklerer brauner granulirter Substanz verwandelt. Es kann daher nach dem, was wir bei der Primula

sinensis gesehen haben, kaum darüber ein Zweifel bestehen, dasz diese

Massen ursprünglich aus lebendem Protoplasma bestanden.

Ein Tropfen eines schwachen Aufgusses von rohem Fleisch wurde

auf ein Blatt gelegt, und nach 2 Stunden 30 Minuten konnte man viele

sphärische Massen innerhalb der Drüsen sehen. Als die Sphären nach

30 Minuten wieder angesehen wurden, hatten sie ihre Stellung und Form

unbedeutend verändert und eine hatte sich in zwei getheilt; die Veränderungen glichen aber nicht völlig denen, welche das Protoplasma der

Drosera erleidet. Überdies waren diese Haare nicht vor dem Eintauchen

untersucht worden, und ähnliche Sphären fanden sich auch in einigen Drüsen,

welche von dem Aufgusz nicht berührt worden waren.

Erica tetralix. — Einige wenige drüsige Haare springen von den

Rändern der oberen Fläche der Blätter vor. Die Stiele derselben werden

aus mehreren Reihen Zellen gebildet und tragen grosze kuglige Kopfenden, welche klebrige Substanz absondern, mit der gelegentlich, obschon

selten, Insecten gefangen werden. Einige Blätter wurden 23 Stunden

lang in einem schwachen Aufgusz von rohem Fleisch und in Wasser gelassen; dann wurden die Haare beider Gruppen verglichen, sie wichen

aber sehr wenig, wenn überhaupt, von einander ab. In beiden Fällen

schien der Inhalt der Zellen eher etwas körniger zu sein als vorher; aber

die Körnchen boten durchaus keine Bewegung dar. Andere Blätter wurden 23 Stunden in einer Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks


 

[page break] Drüsen-Haare. Cap. 15.

auf 218 Theile Wasser liegen gelassen, und auch hier schien die granulöse Substanz an Menge zugenommen zu haben; aber eine derartige Masse

behielt noch nach einem Zeitraum von 5 Stunden genau dieselbe Form

wie vorher, so dasz sie kaum aus lebendem Protoplasma bestanden haben

kann. Diese Drüsen scheinen ein sehr unbedeutendes oder gar kein Absorptionsvermögen zu besitzen, sicherlich viel weniger als diejenigen der

vorher erwähnten Pflanzen.

Mirabilis longiflora. — Die Stengel und beide Flächen der Blätter

tragen klebrige Haare. Junge Pflanzen in meinem Gewächshause, von

12 bis 18 Zoll Höhe, fiengen so viele äuszerst kleine Diptern, Coleoptern

und Larven, dasz sie ganz bestäubt von ihnen waren. Die Haare sind

kurz, von ungleicher Länge, werden aus einer einzigen Reihe von Zellen

gebildet und von einer vergröszerten Zelle überragt, welche klebrige Substanz absondert. Diese endständigen Zellen oder Drüsen enthalten Körnchen und häufig Kugeln von körniger Substanz. Innerhalb einer Drüse,

welche ein kleines Insect gefangen hatte, wurde eine derartige Masse

beobachtet, welche unaufhörliche Formveränderungen erlitt; dabei traten

gelegentlich Vacuolen auf. Ich glaube aber nicht, dasz dieses Protoplasma

aus Substanz entstanden war, die aus dem todten Insect absorbirt worden war; denn als mehrere Drüsen mit einander verglichen wurden, welche

Insecten gefangen und welche keine gefangen hatten, konnte nicht eine

Spur von Verschiedenheit zwischen ihnen wahrgenommen werden; sie enthielten sämmtlich feine körnige Substanz. Ein Blattstück wurde 24 Stunden lang in eine Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf

218 Theile Wasser eingelegt, aber die Haare schienen von ihr sehr wenig

afficirt zu werden, ausgenommen, dasz vielleicht die Drüsen etwas undurchsichtiger gemacht wurden. Im Blatte selbst waren indessen in der

Nähe der Schnittflächen die Chlorophyllkörner in einander gelaufen, oder

waren zusammengeballt. Ebensowenig waren die Drüsen an einem anderen Blatte nach einem Eintauchen von 24 Stunden in einem Aufgusz

von rohem Fleisch im mindesten afficirt; aber das die Zellen der Stiele

auskleidende Protoplasma war bedeutend von den Wandungen abgeschrumpft. Diese letztere Wirkung könnte eine Folge der Exosmose gewesen sein, da der Aufgusz stark war. Wir können daher schlieszen,

dasz die Drüsen dieser Pflanze entweder kein Absorptionsvermögen besitzen oder dasz eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak (und dies

scheint kaum glaublich zu sein) oder ein Aufgusz von rohem Fleisch nicht

auf das Protoplasma, was sie enthalten, einwirkt.

Nicotiana tabacum. — Diese Pflanze ist von unzähligen Haaren ungleicher Länge bedeckt, welche viele minutiöse Insecten fangen. Die

Stiele der Haare sind durch quere Scheidewände getheilt, und die absondernden Drüsen werden aus vielen, grünliche Masse mit kleinen Kügelchen irgend einer Substanz enthaltenden Zellen gebildet. Blätter wurden

26 Stunden lang in einem Aufgusz von rohem Fleisch und in Wasser

gelassen, boten aber keine Verschiedenheiten dar. Einige von den

nämlichen Blättern wurden dann länger als 2 Stunden in einer Lösung

von kohlensaurem Ammoniak gelassen, es wurde aber keine Wirkung

hervorgebracht. Ich bedaure, dasz nicht noch andere Versuche mit noch


 

[page break] Cap. 15. Zusammenfassung der Beobachtungen über Drüsen-Haare.

mehr Sorgfalt angestellt wurden, da Schloesing gezeigt hat 4, dasz mit

dem Dampfe von kohlensaurem Ammoniak versehene Tabakspflanzen bei

der Analyse eine gröszere Menge von Stickstoff ergeben als andere nicht

so behandelte Pflanzen; und nach dem, was wir gesehen haben, ist es

wahrscheinlich, dasz etwas von dem Dampfe von den drüsigen Haaren

absorbirt worden sein könnte.

Zusammenfassung der Beobachtungen über Drüsenhaare. — Aus den vorstehenden Beobachtungen, so wenig es auch

sind, sehen wir, dasz die Drüsen von zwei Arten von Saxifraga, einer

Primula und eines Pelargonium das Vermögen rapider Aufsaugung

besitzen, während die Drüsen einer Erica, Mirabilis und Nicotiana

entweder diese Fähigkeit nicht haben, oder der Inhalt der Zellen von

den angewandten Flüssigkeiten, nämlich einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak und einem Aufgusz von rohem Fleisch nicht afficirt

wird. Da die Drüsen der Mirabilis Protoplasma enthalten, welches,

als es der Einwirkung der oben genannten Flüssigkeiten ausgesetzt

wurde, — trotzdem dasz der Inhalt der Zellen in der Blattscheibe

durch das kohlensaure Ammoniak bedeutend afficirt wurde, — nicht

zusammengeballt wurde, so dürfen wir wohl schlieszen, dasz sie nicht

absorbiren können. Wir dürfen ferner folgern, dasz die unzähligen

von dieser Pflanze gefangenen Insecten ihr von keinem weiteren Nutzen

sind, als es die sind, welche den hinfälligen und klebrigen Schuppen

der Blattknospen der Roszkastanie anhängen.

Der für uns interessanteste Fall ist der der zwei Species von

Saxifraga, da diese Gattung entfernt mit Drosera verwandt ist.

Ihre Drüsen absorbiren Substanz aus einem Aufgusz von rohem Fleisch,

aus Lösungen des salpetersauren und kohlensauren Ammoniaks und

dem Anscheine nach aus zerfallenden Insecten. Dies gieng hervor

aus der veränderten schmutzig purpurnen Färbung des Protoplasma

innerhalb der Zellen der Drüsen, aus seinem zusammengeballten Zustande und allem Anscheine nach aus seinen rapideren selbständigen

Bewegungen. Der Procesz der Zusammenballung breitet sich von der

Drüse die Stiele der Haare hinab aus; nnd wir dürfen annehmen,

dasz eine jede Substanz, welche absorbirt worden ist, schlieszlich die

Gewebe der Pflanzen erreicht. Andererseits geht derselbe Procesz die

Haare hinauf, sobald nur immer eine Fläche durchschnitten ist und

einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak ausgesetzt wird.

4 Comptes rendus, 15. Juni, 1874. Ein guter Auszug dieses Aufsatzes ist in

"The Gardener's Chronicle,‟ July 11, 1874, gegeben.


 

[page break] Drüsen-Haare. Cap. 15.

Die Drüsen an den Blüthenstengeln und Blättern der Primula

sinensis absorbiren schnell eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak,

und das Protoplasma, welches sie enthalten, wird zusammengeballt.

In einigen Fällen sah man, dasz der Procesz von den Drüsen aus in

die oberen Zellen der Stiele hinaufgieng. Wurden die Drüsen 10 Minuten dem Dampfe dieses Salzes ausgesetzt, so bewirkte auch dies

Zusammenballung. Wenn Blätter von 6 bis 7 Stunden in einer starken Lösung gelassen oder dem Dampfe ausgesetzt wurden, so wurden

die kleinen Massen von Protoplasma zersetzt, wurden braun und körnig, und waren offenbar getödtet. Ein Aufgusz von rohem Fleisch

brachte keine Wirkung auf die Drüsen hervor.

Der klare Inhalt der Drüsenzellen von Pelargonium zonale wurde

in einer Zeit von 3 bis 5 Minuten wolkig und körnig, wenn sie

in eine schwache Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetaucht

wurden, und im Verlauf von 1 Stunde erschienen Körnchen in den

oberen Zellen der Drüsenstiele. Da die zusammengeballten Massen langsam ihre Form veränderten und da sie Zersetzung erlitten, wenn sie

beträchtliche Zeit lang in einer starken Lösung liegen gelassen wurden,

so kann kaum bezweifelt werden, dasz sie aus Protoplasma bestanden.

Es ist zweifelhaft, ob ein Aufgusz von rohem Fleisch irgend welche

Wirkung hervorbrachte.

Die drüsigen Haare gewöhnlicher Pflanzen sind allgemein von

Physiologen so angesehen worden, als fungirten sie nur als absondernde oder aussondernde Organe; wir wissen aber, dasz sie, wenigstens in einigen Fällen, das Vermögen besitzen, eine Lösung und den

Dampf von Ammoniak zu absorbiren. Da Regenwasser einen unbedeutenden Procentsatz von Ammoniak und die Atmosphäre eine äuszerst

geringe Menge von Kohlensäure enthält, so ist es kaum anders zu

erwarten, als dasz jenes Vermögen der Pflanze vortheilhaft ist. Auch

kann der Vortheil nicht völlig so unbedeutend sein, als man auf den

ersten Blick glauben möchte; denn eine mäszig schöne Pflanze von

Primula sinensis trägt die staunenerregende Zahl von über zwei und

einer halben Million drüsiger Haare 5, welche sämmtlich im Stande

5 Mein Sohn Francis zählte die Haare auf einem mittelst des Micrometers

gemessenen Raume und fand, dasz auf einem Quadratzoll der oberen Fläche eines

Blattes 35336 und auf der unteren Fläche 30035 standen; d. h. also ungefähr in

dem Verhältnis von 100 auf der oberen zu 85 auf der unteren Fläche. Auf einem

Quadratzoll beider Flächen standen 65371 Haare. Eine mäszig schöne Pflanze,

welche zwölf Blätter trug (von denen die gröszeren ein wenig mehr als 2 Zoll im


 

[page break] Cap. 15. Schluszbemerkungen über die Droseraceen.

sind, ihnen durch den Regen zugeführtes Ammoniak zu absorbiren.

Es ist überdies noch wahrscheinlich, dasz die Drüsen einiger der oben

genannten Pflanzen animale Substanz aus den Insecten erlangen, welche

sich gelegentlich in der klebrigen Flüssigkeit fangen.

Schluszbemerkungen über die Droseraceen.

Die sechs bekannten Gattungen, welche diese Familie bilden, sind

nun in Bezug auf unsern vorliegenden Gegenstand beschrieben worden, so weit meine Mittel es gestattet haben. Sie fangen alle Insecten. Dies wird bei Drosophyllum, Roridula und Byblis allein durch

die von ihren Drüsen abgesonderte klebrige Flüssigkeit bewirkt,

bei Drosera durch dasselbe Mittel zusammen mit den Bewegungen

der Tentakeln, bei Dionaea und Aldrovanda durch das Schlieszen der

Blattlappen. In diesen beiden letztgenannten Gattungen ersetzt rapide

Bewegung den Verlust des klebrigen Secrets. In allen Fällen ist es

aber irgend ein Theil des Blattes, welcher sich bewegt. Bei Aldrovanda scheinen es allein die basalen Theile zu sein, welche sich zusammenziehn und die breiten, dünnen Ränder der Blattlappen mit

sich ziehn. Bei Dionaea krümmt sich der ganze Lappen, mit Ausnahme der randständigen Verlängerungen oder Speichen, einwärts,

obschon der hauptsächliche Sitz der Bewegung in der Nähe der

Mittelrippe liegt. Bei Drosera liegt der hauptsächliche Sitz im unteren Theile der Tentakeln, welche, der Homologie nach, als Verlängerungen des Blattes angesehen werden können; aber häufig rollt

sich auch die ganze Scheibe einwärts und verwandelt das Blatt in

einen temporären Magen.

Es läszt sich kaum bezweifeln, dasz alle zu diesen sechs Gattungen gehörenden Pflanzen das Vermögen haben, mit Hülfe ihres

Secrets, welches eine Säure und zusammen damit ein seiner Natur

5

5 Durchmesser maszen) wurde nun ausgewählt und die Oberfläche aller Blätter zusammen mit ihren Stielen (ohne Einschlusz der Blüthenstengel) mittelst eines

Planimeters als 39,285 Quadratzoll grosz ermittelt, so dasz der Flächeninhalt beider Oberflächen 78,75 Quadratzoll betrug. Es musz hiernach die Pflanze (mit

Ausschlusz der Blüthenstengel, die staunenerregende Zahl von 2,568,099 drüsiger

Haare getragen haben. Die Haare wurden spät im Herbste gezählt; und im folgenden Frühjahre (Mai) fand sich, dasz die Blätter einiger andern Pflanzen derselben Sammlung von ein Viertel bis ein Drittel breiter und länger als früher

waren, so dasz auch ohne Zweifel die drüsigen Haare an Zahl zugenommen hatten

und wahrscheinlich nun weit über drei Millionen betrugen.

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 21

[page break] Schluszbemerkungen. Cap. 15.

nach mit dem Pepsin beinahe identisches Ferment enthält, animale

Substanz aufzulösen, und dasz sie später die in dieser Weise verdaute

Substanz absorbiren. Dies ist sicher bei Drosera, Drosophyllum und

Dionaea, beinahe sicher bei Aldrovanda, und der Analogie nach sehr

wahrscheinlich bei Roridula und Byblis der Fall. Wir können hiernach einsehen, woher es kommt, dasz die drei zuerst genannten Gattungen mit so kleinen Wurzeln versehen sind, und dasz Aldrovanda

völlig wurzellos ist; in Bezug auf die Wurzeln der andern beiden

Gattungen ist nichts bekannt. Es ist ohne Zweifel eine überraschende

Thatsache, dasz eine ganze Gruppe von Pflanzen (und, wie wir gleich

sehen werden, einige andere, nicht mit den Droseraceen verwandte

Pflanzen) zum Theil sich dadurch erhalten, dasz sie animale Substanz

verdauen und zum Theil dadurch, dasz sie Kohlensäure zersetzen,

statt ausschlieszlich durch das letzte Mittel zu leben in Verbindung

mit der Absorption von Substanz aus dem Boden mittelst der Wurzeln. Wir haben indessen einen in gleicher Weise anomalen Fall im

Thierreich; die rhizocephalen Krustenthiere ernähren sich nicht wie

andere Thiere durch den Mund, denn ihnen fehlt ein Darmcanal, sondern sie leben so, dasz sie mittelst wurzelartiger Fortsätze die Säfte

der Thiere, auf welchen sie Parasiten sind, absorbiren 6.

Von den sechs Gattungen ist Drosera ganz ausser allem Vergleich die erfolgreichste in dem Kampfe um's Dasein gewesen, und

ein groszer Theil ihres Erfolges kann der Art und Weise zugeschrieben werden, wie sie Insecten fängt. Es ist eine herrschende Form,

6 Fritz Müller, Für Darwin. Leipzig, 1864. p. 63. Die Wurzelfüszer sind

mit den Rankenfüszern verwandt. Es ist kaum möglich, sich einen gröszern Unterschied vorzustellen als den zwischen einem Thiere mit greifenden Gliedmaszen,

einem gut gebildeten Mund und Nahrungscanal, und einem, welchem alle diese

Theile fehlen, und welches sich durch Aufsaugung mittelst verästelter wurzelartiger Fortsätze ernährt. Wenn ein seltner Cirripede, Anelasma squalicola, extinct

geworden wäre, so würde es sehr schwierig gewesen sein zu vermuthen, auf welche

Weise eine so enorme Veränderung allmählich bewirkt worden sein könnte. Wir

haben aber, wie Fritz Müller bemerkt, in Anelasma ein Thier vor uns, welches sich in einem beinahe genau intermediären Zustand befindet; denn seine

wurzelartigen Fortsätze sind in der Haut des Haies eingebettet, auf dem es parasitisch lebt, und seine prehensilen Cirren und sein Mund (in meiner Monographie

der Lepadiden, Ray Society, 1851, p. 169, beschrieben) sind in einem äuszerst

schwachen und rudimentären Zustand. Dr. R. Kossmann hat eine sehr interessante Erörterung über diesen Gegenstand gegeben in seinen "Suctoria und Lepadidae‟, 1873. S. auch Dohrn, Der Ursprung der Wirbelthiere, 1875, p. 77.


 

[page break] Cap. 15. über die Droseraceen.

denn es wird angenommen, dasz sie ungefähr 100 Arten umfaszt 7,

welche in der Alten Welt von den arctischen Gegenden bis nach dem

südlichen Indien, nach dem Vorgebirge der Guten Hoffnung, Madagascar und Australien, und in der Neuen Welt von Canada bis zum

Feuerlande verbreitet sind. In dieser Beziehung bietet sie einen auffallenden Gegensatz zu den fünf andern Gattungen dar, welche allem

Anscheine nach abnehmende Gruppen sind. Dionaea enthält nur eine

einzige Species, welche auf einen Bezirk in Carolina beschränkt ist.

Die drei Varietäten oder nahe verwandte Arten von Aldrovanda haben

wie so viele Wasserpflanzen eine weitere Verbreitung von CentralEuropa bis nach Bengalen und Australien. Drosophyllum hat nur

eine Species, welche auf Portugal und Marocco beschränkt ist. Roridula und Byblis haben jede (wie ich von Prof. Oliver höre) zwei

Species, die der ersten Gattung auf die westlichen Theile des Vorgebirgs der Guten Hoffnung, die der letztern auf Australien beschränkt.

Es ist eine befremdende Thatsache, dasz Dionaea, welche eine der am

wundervollsten angepaszten Pflanzen im ganzen Pflanzenreiche ist,

allem Anscheine nach auf dem Wege zum Erlöschen ist. Dies ist

um so befremdender, als die Organe der Dionaea höher differenzirt

sind als diejenigen der Drosera; ihre Filamente dienen ausschlieszlich

als Gefühlsorgane, die Lappen zum Fangen von Insecten, und die

Drüsen, wenn sie gereizt werden, zur Absonderung ebensowohl wie

zur Aufsaugung, während bei Drosera die Drüsen allen diesen

Zwecken dienen und absondern, ohne gereizt zu sein.

Wenn man die Structur der Blätter, den Grad ihrer Complication und ihre rudimentäre Theile in den sechs Gattungen mit einander vergleicht, so wird man zu der Schluszfolgerung geführt, dasz

ihre gemeinsame elterliche Form an Characteren von Drosophyllum,

Roridula und Byblis Theil hatte. Die Blätter dieser alten Form

waren beinahe sicher linear, vielleicht getheilt, und trugen an ihren

oberen und unteren Flächen Drüsen, welche die Fähigkeit der Absonderung und Aufsaugung hatten. Einige dieser Drüsen waren auf

Stiele gestellt, andere waren beinahe sitzend, die letzteren sonderten

nur ab, wenn sie durch die Absorption von stickstoffhaltiger Substanz

gereizt wurden. Bei Byblis bestehn die Drüsen aus einer einzigen

7 Bentham and Hooker, Genera Plantarum. Australien ist der Mittelpunkt der Gattung, indem, wie mir Prof. Oliver mittheilt, einundvierzig Arten

von dort beschrieben sind.

21 *

[page break] Schluszbemerkungen Cap. 15.

Zellenschicht, die von einem einzelligen Stiele getragen wird; bei

Roridula haben sie eine complicirtere Structur und werden von Stielen

getragen, welche aus mehreren Zellenreihen gebildet werden; bei

Drosophyllum enthalten sie ferner Spiralzellen und die Stiele umschlieszen ein Bündel von Spiralgefäszen. Aber in diesen drei Gattungen besitzen diese Organe kein Bewegungsvermögen, und es besteht

kein Grund, daran zu zweifeln, dasz sie hier die Natur von Haaren

oder Trichomen haben. Obgleich sich blattartige Organe in unzähligen Fällen bewegen, wenn sie gereizt werden, so ist doch kein Fall

von einem Trichom bekannt, was eine derartige Fähigkeit hätte 8.

Wir werden hierdurch veranlaszt, zu untersuchen, auf welche Weise

die sogenannten Tentakeln der Drosera, welche offenbar von derselben

allgemeinen Beschaffenheit sind wie die drüsigen Haare der obigen

drei Gattungen, das Vermögen sich zu bewegen erlangt haben können.

Viele Botaniker behaupten, dasz diese Tentakeln aus Verlängerungen

des Blattes bestehn, weil sie Gefäszgewebe einschlieszen; dies kann

aber nicht länger als zuverlässiger Unterscheidungscharacter gelten 9.

Der Besitz des Bewegungsvermögens bei Reizung würde ein sichrerer

Beweis gewesen sein. Wenn wir aber die ungeheure Anzahl von

Tentakeln auf beiden Flächen der Blätter von Drosophyllum betrachten, ebenso wie die auf der oberen Fläche der Blätter von Drosera,

so scheint es kaum möglich zu sein, dasz jeder Tentakel ursprünglich

als Verlängerung des Blattes existirt haben sollte. Roridula zeigt

uns vielleicht, wie wir diese schwierigen Widersprüche in Bezug auf

die Homologien der Tentakeln mit einander versöhnen. Die seitlichen

Abschnitte der Blätter dieser Pflanze enden in langen Tentakeln, und

diese umschlieszen Spiralgefäsze, welche sich nur eine kurze Strecke

weit in ihnen hinauf erstrecken, ohne eine Trennungslinie zwischen

dem, was deutlich die Verlängerung des Blattes ist, und dem Stiele

eines drüsigen Haares. Es würde daher nichts Anomales oder Ungewöhnliches darin liegen, wenn der basale Theil dieser Tentakeln,

welche den randständigen Tentakeln der Drosera entsprechen, das

Vermögen sich zu bewegen erlangte; und wir wissen, dasz es bei

Drosera nur der untere Theil ist, welcher eingebogen wird. Aber

8 Sachs, Lehrbuch der Betanik, 4. Aufl. 1874. p. 852.

9 Dr. Warming, Sur la Différence entre les Trichomes etc. Copenhague,

1873. p. 6. Auszug aus den "Videnskab. Meddelelser fra de Naturhist. Forening.

No. 10—12, 1872.


 

[page break] Cap. 15. über die Droseraceen.

um nun noch zu verstehen, wie in dieser letzteren Gattung nicht

blosz die randständigen, sondern auch alle inneren Tentakeln der Bewegung fähig geworden sind, müssen wir noch weiter annehmen, entweder dasz dies Vermögen nach dem Principe der correlativen Entwickelung auf die basalen Theile der Haare übertragen wurde, oder

dasz die Oberfläche des Blattes an zahlreichen Punkten in Verlängerungen ausgezogen worden ist, so dasz sie sich mit den Haaren verband und damit die Basen der inneren Tentakeln bildete.

Die oben genannten drei Gattungen, nämlich Drosophyllum,

Roridula und Byblis, welche einen ursprünglichen Zustand beibehalten zu haben scheinen, tragen noch immer drüsige Haare auf beiden

Oberflächen ihrer Blätter; aber die an der untern Fläche sind seitdem

in den höher entwickelten Gattungen verschwunden, mit theilweiser

Ausnahme einer Species, Drosera binata. Die kleinen sessilen Drüsen

sind gleichfalls in einigen der Gattungen verschwunden; bei Roridula

sind sie durch Haare und in den meisten Species von Drosera durch

absorbirende Papillen ersetzt. Drosera binata findet sich mit ihren

linearen und sich gablig theilenden Blättern auf einem intermediären

Zustande. Sie trägt noch einige sitzende Drüsen auf beiden Flächen

der Blätter und auf der untern Fläche einige wenige unregelmäszig

gestellte Tentakeln, welche nicht fähig sind, sich zu bewegen. Eine

weitere unbedeutende Veränderung würde die linearen Blätter dieser

letztern Art in die oblongen Blätter der Drosera anglica verwandeln,

und diese dürften dann leicht in kreisförmige mit Stielen übergehen,

wie die der Drosera rotundifolia. Die Blattstiele dieser letztern

Species tragen vielzellige Haare, von denen wir guten Grund haben

anzunehmen, dasz sie fehlgeschlagene Tentakeln repräsentiren.

Die Stammform der Dionaea und Aldrovanda scheint mit Drosera nahe verwandt gewesen zu sein, und runde, auf deutlichen Stielen

getragene, und rings um ihren ganzen Umfang mit Tentakeln versehene Blätter besessen zu haben, welche letztere auch auf der oberen

Fläche noch andere Tentakeln und sessile Drüsen gehabt haben. Ich

glaube dies deshalb, weil die randständigen Spitzen der Dionaea dem

Anscheine nach die äuszersten randständigen Tentakeln, die sechs (zuweilen acht) empfindlichen Filamente auf der oberen Blattfläche, ebenso

wie die zahlreicheren bei Aldrovanda, die centralen Tentakeln der

Drosera repräsentiren, deren Drüsen zwar fehlgeschlagen sind, deren

Empfindlichkeit aber erhalten worden ist. Von diesem Gesichtspunkte


 

[page break] Schluszbemerkungen. Cap. 15.

aus müssen wir noch im Auge behalten, dasz die Spitzen der

Tentakeln bei der Drosera, dicht unterhalb der Drüsen, empfindlich sind.

Die drei merkwürdigsten Eigenthümlichkeiten, welche die verschiedenen Glieder der Familie der Droseraceae darbieten, bestehen

darin, dasz die Blätter von einigen derselben die Fähigkeit haben,

sich zu bewegen, wenn sie gereizt werden; ferner darin, dasz ihre

Drüsen eine Flüssigkeit absondern, welche animale Substanz verdaut,

und endlich in der Absorption der verdauten Substanz. Kann irgend

welches Licht auf die Schritte geworfen werden, auf denen diese

merkwürdigen Fähigkeiten allmählich erlangt wurden?

Da die Zellwände nothwendigerweise für Flüssigkeiten durchgängig

sind, um den Drüsen zu gestatten abzusondern, so ist es nicht überraschend, dasz sie auch den Durchtritt von Flüssigkeiten nach innen

leicht gestatten; und dieser nach innen gerichtete Durchtritt würde

ein Act der Absorption genannt zu werden verdienen, wenn die

Flüssigkeiten sich mit dem Drüseninhalte verbänden. Nach den oben

angeführten Thatsachen zu urtheilen, können die absondernden Drüsen

vieler anderer Pflanzen Ammoniaksalze absorbiren, von welchen sie

aus dem Regenwasser geringe Mengen erhalten müssen. Dies ist der

Fall mit zwei Species von Saxifraga; und die Drüsen einer derselben

absorbiren augenscheinlich Substanz aus gefangenen Insecten und

sicher aus einem Aufgusz von rohem Fleisch. Es liegt daher nichts

Abnormes darin, dasz die Droseraceen das Absorptionsvermögen in

einem viel höher entwickelten Grade erlangt haben.

Es ist ein bei weitem merkwürdigeres Problem, wie die Glieder

dieser Familie, ferner Pinguicula, und, wie Dr. Hooker vor Kurzem

gezeigt hat, Nepenthes, alle das Vermögen erlangt haben dürften, eine,

animale Substanz auflösende oder verdauende Flüssigkeit abzusondern.

Die sechs Gattungen der Droseraceen haben diese Fähigkeit wahrscheinlich von einem gemeinsamen Urerzeuger ererbt; dies läszt sich

aber auf Pinguicula und Nepenthes nicht anwenden; denn diese Pflanzen sind durchaus nicht nahe mit den Droseraceen verwandt. Die

Schwierigkeit ist aber nicht annähernd so grosz, als sie auf den ersten

Blick erscheint. Erstens enthalten die Säfte vieler Pflanzen eine

Säure und allem Anscheine nach dient jede Säure zur Verdauung.

Zweitens sondern, wie Dr. Hooker mit Bezug auf den vorliegenden

Gegenstand in seiner Rede in Belfast (1874) bemerkt hat und wie


 

[page break] Cap. 15. über die Droseraceen.

Sachs wiederholt hervorhebt 10, die Embryonen einiger Pflanzen eine

Flüssigkeit ab, welche eiweiszartige Substanzen aus dem Endosperm

auflöst, obgleich das Endosperm nicht mit dem Embryo verbunden

ist, sondern nur mit ihm in Berührung steht. Überdies haben die

Pflanzen das Vermögen, eiweiszartige oder protëinartige Substanzen,

wie Protoplasma, Chlorophyll, Leim, Aleurone aufzulösen und sie von

einem Theil zu andern Theilen ihrer Gewebe fortzuschaffen. Dies

musz durch ein Auflösungsmittel bewirkt werden, was wahrscheinlich

aus einem Ferment in Verbindung mit einer Säure besteht 11. Nun

wird bei denjenigen Pflanzen, welche fähig sind, bereits lösliche Substanz aus gefangenen Insecten zu absorbiren, wennschon sie keiner

wahren Verdauung fähig sind, das eben erwähnte Lösungsmittel, welches gelegentlich in den Drüsen vorhanden sein musz, gern in Verbindung mit dem klebrigen Secrete aus den Drüsen ausschwitzen, insofern ja Endosmose von Exosmose begleitet ist. Wenn eine solche

Ausschwitzung je eintritt, wird das Lösungsmittel auf die innerhalb

der gefangenen Insecten enthaltenen animalen Substanz einwirken, und

dies wird dann ein Act wahrer Verdauung sein. Da nicht bezweifelt

werden kann, dasz dieser Procesz für Pflanzen, welche in sehr armem

Boden wachsen, von groszem Nutzen sein würde, so wird es danach

streben, durch natürliche Zuchtwahl immer weiter vervollkommnet

zu werden. Es könnte daher jede gewöhnliche Pflanze, welche klebrige Drüsen besitzt und damit gelegentlich Insecten fängt, in dieser

Weise unter günstigen Umständen in eine Species verwandelt werden,

welche das Vermögen wahrer Verdauung besitzt. Es hört daher auf,

irgend ein groszes Geheimnis zu sein, wie mehrere, in keiner Weise

nahe mit einander verwandte Pflanzen, unabhängig von einander dieses selbe Vermögen erlangt haben.

Da mehrere Pflanzen existiren, deren Drüsen, so viel bis jetzt

bekannt ist, animale Substanz nicht verdauen können, aber doch

Ammoniaksalze und thierische Flüssigkeiten absorbiren können, so ist

10 Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1874, p. 688. Wegen der folgenden Thatsachen s. auch p. 57, 63, 678, 679.

11 Nachdem dieser Satz geschrieben war, habe ich einen Aufsatz von GorupBesanez erhalten (Berichte der deutschen chem. Gesellschaft, Berlin, 1874,

p. 1478), welcher mit Unterstützung des Dr. Will factisch die Entdeckung

gemacht hat, dasz die Samen der Wicke ein Ferment enthalten, welches, wenn es

mit Glycerin ausgezogen ist, albuminöse Substanzen, so z. B. Fibrin, auflöst und

sie in echte Peptone umwandelt.


 

[page break] Schluszbemerkungen Cap. 15.

es wahrscheinlich, dasz dieses letztere Vermögen die erste Stufe zur

Entwickelung wirklicher Verdauung bildet. Es könnte sich indessen

unter gewissen Bedingungen ereignen, dasz eine Pflanze, nachdem sie

die Verdauungsfähigkeit erlangt gehabt hatte, zu einer solchen rückschreiten könnte, welche nur das Vermögen besäsze, animale Substanz

in Lösung oder im Zustande des Zerfallens, oder die endlichen Zersetzungsproducte, nämlich die Ammoniaksalze, zu absorbiren. Es

möchte scheinen, als sei dies factisch in einer gewissen Ausdehnung

bei den Blättern der Aldrovanda eingetreten; die äuszeren Theile

derselben besitzen absorbirende Organe, aber keine zur Absonderung

irgend einer verdauenden Flüssigkeit eingerichtete Drüsen, während

solche auf die inneren Theile beschränkt sind.

Nur wenig Licht kann über das allmähliche Erlangen der dritten

merkwürdigen Eigenthümlichkeit, welche die höher entwickelten

Gattungen der Droseraceen besitzen, verbreitet werden, nämlich über

das Vermögen, sich zu bewegen, wenn sie gereizt werden. Man musz

indessen im Sinne behalten, dasz Blätter und deren Homologa, ebensowohl wie Blüthenstiele, diese Fähigkeit in unzähligen Beispielen

unabhängig von einer Vererbung von einer gemeinsamen elterlichen

Form erhalten haben: so z. B. bei Rankenträgern und Blattkletterern

(d. h. bei Pflanzen, deren Blätter, Blattstiele und Blüthenstiele u. s. w.

zur Ergreifung modificirt sind), die zu einer groszen Zahl der allerverschiedensten Ordnungen gehören, — bei Blättern der vielen Pflanzen, welche des Abends, oder wenn sie erschüttert werden, einschlafen,

— und bei den reizbaren Staubfäden und Pistillen nicht weniger

Species. Wir können daher schlieszen, dasz das Bewegungsvermögen

auf mehrfache Weise leicht erlangt werden kann. Derartige Bewegungen setzen Reizbarkeit oder Empfindlichkeit voraus; wie aber

Cohn bemerkt hat 12, weichen die Gewebe der in solcher Weise begabten Pflanzen in keiner irgendwie gleichförmigen Weise von denen

gewöhnlicher Pflanzen ab; es ist daher wahrscheinlich, dasz alle

Blätter in einem unbedeutenden Grade reizbar sind. Selbst wenn sich

ein Insect auf ein Blatt niederläszt, wird eine unbedeutende moleculare Veränderung wahrscheinlich eine Strecke weit quer durch sein

Gewebe fortgeleitet, mit dem einzigen Unterschiede, dasz keine wahr

12 s. den Auszug aus seiner Abhandlung über die contractilen Gewebe der

Pflanzen, in den "Annals and Mag. of Nat. Hist.‟ 3. Series, Vol. XI. p. 188.


 

[page break] Cap. 15. über die Droseraceen.

nehmbare Wirkung hervorgebracht wird. Zu Gunsten dieser Meinung

haben wir einige Belege; denn wir wissen, dasz eine einmalige Berührung der Drüsen der Drosera keine Einbiegung erregt; und doch

musz sie eine Wirkung hervorbringen, denn wenn die Drüsen in einer

Campherlösung eingetaucht gewesen waren, so erfolgt die Einbiegung

innerhalb einer kürzeren Zeit als sie der Einwirkung des Camphers

allein gefolgt sein würde. So können ferner bei Dionaea die Blattscheiben in ihrem gewöhnlichen Zustande derb berührt werden, ohne

dasz sie sich schlieszen; und doch musz hierdurch eine Wirkung hervorgebracht und quer über das ganze Blatt fortgeleitet werden, denn

wenn die Drüsen vor Kurzem animale Substanz absorbirt hatten, veranlaszt selbst eine zarte Berührung, dasz sie sich augenblicklich

schlieszen. Im Ganzen können wir schlieszen, dasz das Erlangen eines

hohen Grades von Empfindlichkeit und das Bewegungsvermögen bei

gewissen Gattungen der Droseraceen keine gröszere Schwierigkeit darbietet, als ähnliche aber schwächere Fähigkeiten bei einer Menge anderer Pflanzen darbieten.

Die specialisirte Beschaffenheit und Art der Empfindlichkeit,

welche Drosera und Dionaea und gewisse andere Pflanzen besitzen,

verdient wohl Beachtung. Eine Drüse der Drosera kann einmal, zweioder selbst dreimal kräftig geschlagen werden, ohne dasz irgend eine

Wirkung hervorgebracht wird, während der fortdauernde Druck eines

äuszerst minutiösen Theilchens Bewegung erregt. Andererseits kann

ein vielmal schwereres Theilchen leise auf eines der Filamente der

Dionaea gelegt werden, ohne eine Wirkung; wird es aber nur einmal

durch die langsame Bewegung eines zarten Haares berührt, so schlieszen

sich die Blattlappen; und dieser Unterschied in der Natur der Empfindlichkeit dieser beiden Pflanzen steht in offenbarem Anpassungsverhältnis zu der Art und Weise, wie sie Insecten fangen. Dasselbe gilt

für die Thatsache, dasz, wenn die centralen Drüsen der Drosera

stickstoffhaltige Substanz absorbiren, sie einen motorischen Impuls

viel schneller nach den äuszeren Tentakeln hinsenden, als wenn sie

mechanisch gereizt werden; während bei Dionaea die Absorption stickstoffhaltiger Substanz es verursacht, dasz die Blattlappen sich mit

äuszerster Langsamkeit gegen einander drücken, wogegen eine Berührung rapide Bewegung erregt. Etwas analoge Thatsachen kann

man, wie ich in einem andern Werke gezeigt habe, bei den Ranken

verschiedener Pflanzen beobachten; einige werden durch die Berührung


 

[page break] Schluszbemerkungen Cap. 15.

mit feinen Fasern, andere durch Berührung mit Borsten, andere mit

einer ebenen oder gefurchten Oberfläche am meisten gereizt. Die empfindlichen Organe der Drosera und Dionaea sind auch in sofern specialisirt, als sie nicht durch das Gewicht oder das Auffallen von Regentropfen oder Luftstöszen nutzlos afficirt werden. Dies kann man so

erklären dasz man annimmt, diese Pflanzen und ihre Erzeuger seien

an die wiederholte Einwirkung von Regen und Wind gewöhnt worden,

so dasz keine molecularen Veränderungen dadurch veranlaszt werden;

während sie mittelst natürlicher Zuchtwahl gegen den seltneren Auffall oder Druck fester Körper empfindlicher gemacht worden sind.

Obgleich die Absorption verschiedener Flüssigkeiten durch die Drüsen

der Drosera Bewegung erregt, so besteht doch ein groszer Unterschied

zwischen der Wirkung verwandter Flüssigkeiten, so beispielsweise

zwischen gewissen vegetabilischen Säuren und zwischen citronensaurem

und phosphorsaurem Ammoniak. Die specialisirte Natur und Vollkommenheit der Empfindlichkeit bei diesen zwei Pflanzen ist um so überraschender, als Niemand vermuthet, dasz sie Nerven besitzen; und

aus Versuchen an Drosera mit Substanzen, welche kraftvoll auf das

Nervensystem von Thieren wirken, geht nicht hervor, dasz sie irgend

eine dem Nervengewebe analoge Substanz durch den Körper diffundirt

enthalten.

Obgleich die Zellen der Drosera und Dionaea vollständig so empfindlich gegen gewisse Reizmittel sind, wie die Gewebe, welche die

Endigungen der Nerven in den höheren Thieren umgeben, so stehen

diese Pflanzen doch niedriger als selbst tief auf der Stufenleiter

stehende Thiere, und zwar darin, dasz sie nicht afficirt werden, ausgenommen durch Reize in Berührung mit ihren empfindlichen Theilen.

Sie werden indessen wahrscheinlich durch strahlende Wärme beeinfluszt, denn warmes Wasser erregt energische Bewegung. Wenn eine

Drüse der Drosera oder eines der Filamente der Dionaea gereizt wird,

so strahlt der motorische Impuls nach allen Richtungen hin und wird

nicht, wie es bei Thieren der Fall ist, nach speciellen Punkten oder

Organen hingelenkt. Dies gilt bei Drosera selbst für den Fall, wenn

eine reizende Substanz auf zwei Punkte der Scheibe gelegt worden

ist und wenn alle Tentakeln ringsherum mit wunderbarer Genauigkeit nach diesen beiden Punkten hin eingebogen werden. Die Schnelligkeit, mit welcher der motorische Impuls fortgeleitet wird, ist, obschon rapid bei Dionaea, viel geringer als bei den meisten oder allen


 

[page break] Cap. 15. über die Droseraceen.

Thieren. Diese Thatsache ebenso wie die, dasz der motorische Impuls nicht speciell nach gewissen Punkten hingerichtet wird, sind

ohne Zweifel beide eine Folge des Fehlens von Nerven. Demungeachtet

können wir vielleicht eine Vorbildung eigentlicher Nervenentwickelung

bei Thieren darin erblicken, dasz der motorische Impuls in dem beschränkten Raume innerhalb der Tentakeln der Drosera so viel rapider abwärts geleitet wird als irgendwo anders, und etwas schneller

in einer Längsrichtung als in der Richtung quer über die Scheibe.

Noch deutlicher lassen diese Pflanzen ihre niedrigere Entwickelung

den Thieren gegenüber in dem Fehlen jeder Reflexthätigkeit erkennen,

den Fall ausgenommen, wo die Drüsen der Drosera, wenn sie aus einer

gewissen Entfernung gereizt werden, einen Reiz zurücksenden, welcher

es verursacht, dasz der Inhalt der Zellen hinab bis zu den Basen der

Tentakeln zusammengeballt wird. Aber der bedeutendste Beweis

dieser Inferiorität unter allen ist die Abwesenheit eines Centralorgans,

welches fähig wäre, Eindrücke von allen Punkten her aufzunehmen,

deren Wirkungen in bestimmten Richtungen fortzuleiten, sie aufzusammeln und sie zu reproduciren.


 

[[332]/0346]

Sechszehntes Capitel.

Pinguicula.

Pinguicula vulgaris. — Bau der Blätter. — Grosze Zahl der gefangenen Insecten

und anderer Gegenstände. — Bewegung der Blattränder. — Nutzen dieser

Bewegung. — Absonderung, Verdauung und Aufsaugung. — Wirkung des

Secrets auf verschiedene animale und vegetabilische Substanzen. — Die Wirkungen von Substanzen, welche keine löslichen stickstoffhaltigen Substanzen

enthalten, auf die Drüsen. — Pinguicula grandiflora. — Pinguicula lusitanica,

fängt Insecten. — Bewegung der Blätter, Absonderung und Verdauung.

Pinguicula vulgaris. — Diese Pflanze wächst an feuchten Stellen,

meistens auf Bergen. Sie trägt im Mittel acht, ziemlich dicke, oblonge, hellgrüne Blätter, welche kaum irgend einen Stiel haben. Ein

die volle Grösze erreichendes Blatt miszt ungefähr 1½ Zoll in der

Länge und ¾ Zoll in der Breite. Die jungen mittleren Blätter sind

tief concav und ragen nach oben vor; die älteren, nach der Auszenseite hin stehenden, sind eben oder concav und liegen dicht am Boden,

wo sie eine Rosette von 3 bis 4 Zoll im Durchmesser bilden. Die

Ränder der Blätter sind einwärts gekrümmt. Ihre obere Fläche ist

dicht mit zweierlei Art drüsiger Haare besetzt, welche in der Grösze

der Drüsen und der Länge ihrer Stiele von einander abweichen. Die

gröszeren Drüsen haben einen kreisförmigen Umfang, wenn sie von

oben betrachtet werden, und sind mäszig dick; sie sind durch strahlenförmig angeordnete Scheidewände in sechszehn Zellen getheilt, welche

hellgrüne, homogene Flüssigkeit enthalten. Sie werden von länglichen, einzelligen Stielen (welche einen Kern und ein Kernkörperchen

enthalten) getragen, die auf leichten Hervorragungen stehen. Die

kleinen Drüsen weichen nur darin ab, dasz sie nur von der halben Anzahl

von Zellen gebildet werden, welche viel blässere Flüssigkeit enthalten

und von viel kürzeren Stielen getragen werden. Nahe der Mittelrippe

nach der Basis des Blattes zu sind die Stiele vielzellig, sind länger

als irgendwo anders und tragen kleinere Drüsen. Alle Drüsen sondern

eine farblose Flüssigkeit ab, welche so klebrig ist, dasz man, wie ich

gesehen habe, einen Faden von 18 Zoll Länge ausziehen kann; in

diesem Falle wurde aber die Flüssigkeit von einer Drüse abgesondert,


 

[page break] Cap. 16. Gefangene Insecten.

welche gereizt worden war. Der scharfe Blattrand ist durchscheinend

und trägt keinerlei Drüsen; hier enden die aus der Mittelrippe heraustretenden Spiralgefäsze in Zellen, welche mit einer Spirallinie gezeichnet sind, denen innerhalb der Drüsen der Drosera ziemlich ähnlich.

Die Wurzeln sind kurz. Drei Pflanzen wurden in Nord-Wales

am 20. Juni ausgegraben und sorgfältig gewaschen; jede hatte fünf

oder sechs nicht verzweigte Wurzeln, von denen die längste nur

1,2 Zoll masz. Zwei ziemlich junge Pflanzen wurden am 28. September untersucht; diese hatten eine gröszere Zahl von Wurzeln, nämlich acht und achtzehn, sämmtlich unter 1 Zoll lang und sehr wenig

verzweigt.

Ich war dadurch dazu veranlaszt worden, die Lebensweise dieser

Pflanzen zu untersuchen, dasz mir Mr. W. Marshall erzählte, auf den

Bergen von Cumberland hiengen viele Insecten an den Blättern derselben.

Ein Freund schickte mir am 23. Juni aus Nord-Wales neununddreiszig Blätter, welche ausgewählt worden waren, weil ihnen Gegenstände

irgend welcher Art anhiengen. Von diesen Blättern hatten zweiunddreiszig 142 Insecten gefangen, oder im Mittel jedes Blatt 4,4, wobei

minutiöse Bruchstücke von Insecten nicht mitgezählt wurden. Auszer den

Insecten hiengen noch kleine, zu vier verschiedenen Arten von Pflanzen

gehörige Blätter, unter denen die der Erica tetralix weitaus die häufigsten waren, und drei äuszerst kleine keimende Pflänzchen, die vom Winde

verweht waren, neunzehn Blättern an. Eines hatte sogar zehn Blätter

des Haidekrautes gefangen. Samen oder Früchte, meistens von Riedgräsern und einer von Juncus, hiengen auszer Stückchen Moos und anderem Abfall gleichfalls noch an sechs Blättern unter den neununddreiszig.

Derselbe Freund sammelte am 27. Juni neun Pflanzen, welche zusammen

vierundsiebenzig Blätter trugen; und diese hatten sämmtlich, mit Ausnahme von drei jungen Blättern, Insecten gefangen; auf einem Blatte

wurden dreiszig Insecten gezählt, auf einem zweiten achtzehn und auf

einem dritten sechszehn. Ein anderer Freund untersuchte am 22. August

einige Pflanzen in Donegal in Irland und fand unter 157 Blättern Insecten

auf 70; fünfzehn dieser Blätter wurden mir zugeschickt, ein jedes Blatt

hatte im Mittel 2,4 Insecten gefangen. An neun derselben hiengen Blätter

(meist von Erica tetralix); sie waren aber dieses letzteren Umstandes

wegen ausgelesen worden. Ich will noch hinzufügen, dasz zeitig im August

mein Sohn Blätter dieser selben Erica und die Früchte einer Carex an

den Blättern einer Pinguicula in der Schweiz hängen fand, wahrscheinlich Pinguicula alpina; auch einige Insecten, aber nicht in groszer Anzahl, hiengen an den Blättern dieser Pflanze, welche viel besser entwickelte Wurzeln hatte als die Pinguicula vulgaris. In Cumberland untersuchte Mr. Marshall am 3. September mir zu Gefallen sorgfältig zehn

Pflanzen, welche achtzig Blätter trugen; auf dreiundsechzig von diesen

(d. h. auf 79 Procent) fand er Insecten, 143 an der Zahl, so dasz jedes

Blatt im Mittel 2,27 Insecten hatte. Wenige Tage später schickte er


 

[page break] Pinguicula vulgaris. Cap. 16.

mir einige Pflanzen mit sechszehn Samen oder Früchten an vierzehn Blättern hängend. Es fand sich dabei ein Same auf drei Blättern einer und

derselben Pflanze. Die sechszehn Samen gehörten zu neun verschiedenen

Arten, welche nicht bestimmt werden konnten, ausgenommen einer von

Ranunculus und mehrere zu drei oder vier verschiedenen Species von Carex

gehörig. Es zeigt sich, dasz spät im Jahre weniger Insecten gefangen

werden als früher; so wurden in Cumberland in der Mitte des Juli auf

mehren Blättern von zwanzig bis vierundzwanzig Insecten beobachtet,

während im September die mittlere Anzahl nur 2,27 betrug. Die meisten

Insecten in sämmtlichen vorstehend erwähnten Fällen waren Diptern, daneben aber viele sehr kleine Hymenoptern, mit Einschlusz einiger Ameisen,

einige wenige kleine Käfer, Larven, Spinnen, und selbst kleine Motten.

Wir sehen hieraus, dasz zahlreiche Insecten und andere Gegenstände von den klebrigen Blättern gefangen werden; wir haben aber

kein Recht, aus dieser Thatsache zu schlieszen, dasz diese Gewohnheit wohlthätig für die Pflanze ist, ebensowenig wie in dem früher

angeführten Falle bei der Mirabilis oder bei der Roszkastanie. Wir

werden aber sofort sehen, dasz todte Insecten und andere stickstoffhaltige Körper die Drüsen zu vermehrter Absonderung anregen, und

dasz das Secret dann sauer wird und die Fähigkeit hat, animale Substanzen, wie Eiweisz, Faserstoff u. s. w. zu verdauen. Überdies wird

die aufgelöste stickstoffhaltige Substanz von den Drüsen aufgesaugt,

was sich darin zeigt, dasz ihr klarer Zelleninhalt zu sich langsam

bewegenden körnigen Protoplasma-Massen zusammengeballt wird. Dieselben Resultate erfolgen, wenn die Insecten auf natürlichem Wege

gefangen werden, und da die Pflanze in armem Boden lebt und kleine

Wurzeln hat, so kann darüber kein Zweifel sein, dasz sie von ihrer

Fähigkeit, Substanz aus der gewohnheitsgemäsz in so groszen Zahlen

gefangenen Beute zu absorbiren und zu verdauen, Vortheil zieht. Es

dürfte indessen zweckmäszig sein, zuerst die Bewegungen der Blätter

zu beschreiben.

Bewegungen der Blätter. — Dasz solche dicke, grosze

Blätter wie die der Pinguicula vulgaris die Fähigkeit haben würden,

sich einwärts zu krümmen, wenn sie gereizt werden, ist niemals auch

nur vermuthet worden. Es ist nothwendig, zum Versuch Blätter auszuwählen, deren Drüsen reichlich absondern und welche verhindert

worden sind, viele Insecten zu fangen, da alte Blätter, wenigstens

diejenigen, die im Naturzustande wachsen, ihre Ränder bereits so bedeutend einwärts gekrümmt haben, dasz sie wenig Bewegungsvermögen

darbieten oder sich sehr langsam bewegen. Ich will zuerst die wich


 

[page break] Cap. 16. Bewegungen der Blätter.

tigeren Experimente, welche angestellt wurden, im Detail anführen

und dann einige Schluszbemerkungen machen.

1. Versuch. — Ein junges und beinahe aufrecht stehendes Blatt

wurde ausgewählt, dessen beide seitlichen Blätter gleichmäszig und sehr

unbedeutend einwärts gekrümmt waren. Eine Reihe kleiner Fliegen wurde

dem einen Rande entlang auf das Blatt gelegt. Als es am andern Tage

angesehen wurde, nach 15 Stunden, fand sich, dasz dieser Rand, aber

nicht der andere, nach innen gefaltet war, wie der Rand des menschlichen Ohres, und zwar in einer Breite von ⅒ Zoll, so

dasz er zum Theil auf der Reihe Fliegen drauf lag

(Fig. 15). Die Drüsen, auf denen die Fliegen lagen,

ebenso wie diejenigen auf dem sich einfaltenden Randstück, welche mit den Fliegen in Berührung gebracht

worden waren, sonderten sämmtlich reichlich ab.

2. Versuch. — Eine Reihe von Fliegen wurde

auf den einen Rand eines etwas alten Blattes gebracht,

welches platt auf dem Boden lag; in diesem Falle hatte

sich der Rand nach Verlauf einer gleich langen Zeit,

nämlich nach 15 Stunden, eben erst nach innen einzurollen begonnen; es war aber so viel Secret ergossen

worden, dasz die löffelförmige Spitze des Blattes damit

angefüllt war.

3. Versuch. — Stücke einer groszen Fliege wurden nahe der Spitze auf ein kräftiges Blatt gelegt,

ebenso der Hälfte des einen Randes entlang. Nach

2 Stunden 20 Minuten war eine entschiedene Einwärtskrümmung eingetreten, welche während des Nachmittags

[Abbildung     

Fig. 15.

(Pinguicula vulgaris.)

Umriszzeichnung eines

Blattes, dessen linker

Rand über eine Reihe

Fliegen eingebogen ist.]

noch ein wenig zunahm, aber sich am folgenden Morgen noch in demselben Zustande befand. In der Nähe der Blattspitze waren beide Ränder nach innen gebogen. Ich habe niemals einen Fall gesehen, wo sich

die Spitze selbst auch nur im geringsten gegen die Basis des Blattes zu

gekrümmt hätte. Nach 48 Stunden (immer von der Zeit an gerechnet,

wo die Fliegen zuerst auf das Blatt gelegt wurden) hatte der Rand

überall angefangen, sich wieder zu entfalten.

4. Versuch. — Ein groszes Stück einer Fliege wurde in der

Mittellinie etwas unterhalb der Spitze auf ein Blatt gelegt. In 3 Stunden waren beide seitlichen Ränder wahrnehmbar, und nach 4 Stunden

20 Minuten bis zu einem solchen Grade einwärts gekrümmt, dasz das

Stück von beiden Rändern umfaszt wurde. Nach 24 Stunden wurden die

beiden eingefalteten Ränder in der Nähe der Spitze (denn der untere

Theil des Blattes war durchaus nicht afficirt) gemessen; es fand sich,

dasz sie 0,11 Zoll (2,795 Mm.) auseinander standen. Die Fliege wurde

nun entfernt und ein Wasserstrom über das Blatt gegossen, um die Oberfläche zu waschen; nach 24 Stunden standen die Ränder 0,25 Zoll

(6,349 Mm.) auseinander, so dasz sie also bedeutend entfaltet waren. Nach

Verlauf von weiteren 24 Stunden waren sie vollständig wieder ausgebreitet. Nun wurde eine andere Fliege auf dieselbe Stelle gelegt, um zu

sehen, ob sich das Blatt, auf welchem die erste Fliege 24 Stunden gelegen


 

[page break] Pinguicula vulgaris. Cap. 16.

hatte, wieder bewegen würde; nach 10 Stunden war eine Spur von Einkrümmung vorhanden, dieselbe nahm aber während der nächsten 24 Stunden nicht zu. Desgleichen wurde ein Stückchen Fleisch auf den Rand

eines Blattes gelegt, welches vier Tage früher über einem Stück Fliege

stark eingekrümmt worden war und sich dann wieder ausgebreitet hatte;

das Fleisch verursachte auch nicht einmal eine Spur von Einkrümmung.

Im Gegentheil bogen sich die Ränder etwas zurück, als wären sie beschädigt, und blieben so die nächstfolgenden drei Tage lang, so lange

das Blatt beobachtet wurde.

5. Versuch. — Ein groszes Stück einer Fliege wurde halbwegs

zwischen die Mittelrippe und den einen Rand gelegt. Ein kurzer Abschnitt dieses Randes der Fliege gerade gegenüber zeigte nach 3 Stunden

eine Spur von Einkrümmung, und war nach 7 Stunden stark eingebogen. Nach 24 Stunden war der einwärts gefaltete Rand nur 0,16 Zoll

(4,064 Mm.) von der Mittelrippe entfernt. Der Rand fieng nun an, sich

wieder auszubreiten, trotzdem die Fliege auf dem Blatte liegen gelassen

wurde, so dasz am nächsten Morgen (d. h. 48 Stunden

von der Zeit an, wo die Fliege zuerst aufgelegt wurde)

der eingefaltete Rand beinahe vollständig seine ursprüngliche Stellung wieder erlangt hatte, da er nun 0,3 Zoll

(7,62 Mm.) (anstatt 0,16 Zoll) von der Mittelrippe entfernt war. Indessen war immer noch eine Spur von Biegung sichtbar.

6. Versuch. — Ein junges und concaves Blatt

wurde ausgesucht, dessen Ränder unbedeutend und auf natürliche Weise eingekrümmt waren. Zwei ziemlich grosze,

längliche, rechteckige Stückchen gerösteten Fleisches

wurden nun, 0,46 Zoll (11,68 Mm.) von einander entfernt, so aufgelegt, dasz ihre Enden den eingefalteten

Rand berührten. Nach 24 Stunden war der Rand bedeutend und gleichmäszig eingebogen (s. Fig. 16), und

zwar über die ganze Strecke und noch 0,12 oder 0,13

Zoll (3,048 oder 3,302 Mm.) oberhalb und unterhalb

eines jeden Stückes; es war daher der Rand zwischen

den beiden Stücken in einer gröszeren Ausdehnung afficirt worden, in Folge ihrer verbundenen Einwirkung,

[Abbildung      Fig. 16.

(Pinguicula vulgaris).

Umrisz eines Blattes,

dessen rechter Rand sich

gegen zwei viereckige

Stückchen Fleisch eingebogen hatte.]

als jenseits derselben. Die Fleischstückchen waren zu

grosz, um vom Rande umfaszt werden zu können, sie wurden aufgerichtet,

eines von ihnen so, dasz es beinahe senkrecht stand. Nach 48 Stunden

war der Rand beinahe ausgebreitet und die Fleischstückchen waren herabgesunken. Als das Blatt nach zwei Tagen wieder untersucht wurde, war

der Rand vollständig wieder ausgebreitet, mit Ausnahme des naturgemäsz

eingefalteten Randes, und eines der Fleischstückchen, deren Ende zuerst

die Kante berührt hatte, war nun 0,067 Zoll (1,70 Mm.) von ihr entfernt, so dasz dies Stückchen um so viel quer über die Blattscheibe geschoben worden war.

7. Versuch. — Ein Stückchen Fleisch wurde dicht an den eingekrümmten Rand eines ziemlich jungen Blattes gelegt und wurde, nachdem sich der Rand wieder ausgebreitet hatte, 0,11 Zoll (2,795 Mm.)


 

[page break] Cap. 16. Bewegungen der Blätter.

vom Rande entfernt liegen gelassen. Die Entfernung vom Rande bis zur

Mittelrippe des völlig ausgebreiteten Blattes betrug 0,35 Zoll (8,89 Mm.),

so dasz das Fleischstückchen nahezu ein Drittel des halben Durchmessers

des Blattes nach innen und quer über die Scheibe geschoben worden war.

8. Versuch. — Würfel von Schwamm, welche in einem starken

Aufgusz von rohem Fleische eingeweicht worden waren, wurden in dichte

Berührung mit den eingekrümmten Rändern zweier Blätter, eines jüngeren und eines älteren, gebracht. Die Entfernung von den Rändern zu

den Mittelrippen wurde sorgfältig gemessen. Nach 1 Stunde 17 Minuten

trat eine Spur von Einwärtskrümmung ein. Nach 2 Stunden 17 Minuten

waren beide Blätter deutlich eingebogen; die Entfernung zwischen den Rändern und den Mittelrippen betrug jetzt nur halb so viel als zuerst. Die Einwärtskrümmung nahm während der nächsten 4½ Stunden unbedeutend zu,

blieb aber die nächsten 17 Stunden 30 Minuten lang nahezu dieselbe. In

35 Stunden von der Zeit an, wo die Schwammstückchen auf die Blätter

gelegt wurden, waren die Ränder ein wenig entfaltet, und zwar bei dem

jüngeren Blatt in einem beträchtlicheren Grade als bei dem älteren. Das

letztere war nicht vor dem dritten Tage vollständig ausgebreitet und nun

wurden beide Schwammstückchen in einer Entfernung von 0,1 Zoll

(2,54 Mm.) von den Rändern gelassen, oder ungefähr ein Viertel der

Entfernung zwischen dem Rande und der Mittelrippe. Ein drittes Schwammstückchen hieng am Rande und wurde, wie sich der Rand wieder ausbreitete, rückwärts in seine ursprüngliche Stellung gezogen.

9. Versuch. — Eine zusammenhängende Reihe Fasern von geröstetem Fleisch, so dünn wie Borsten und mit Speichel befeuchtet, wurde einer

ganzen Seite entlang dicht an dem naturgemäsz eingekrümmten Rande

eines Blattes hingelegt. In 3 Stunden war diese Seite bedeutend seiner

ganzen Länge entlang einwärts gebogen und bildete nach 8 Stunden einen

Cylinder von ungefähr   Zoll (1,27 Mm.) Durchmesser, welcher das

Fleisch vollständig verbarg. Dieser Cylinder blieb 32 Stunden lang geschlossen, war aber nach 48 Stunden wieder entfaltet und nach 72 Stunden so offen wie die gegenüberliegende Seite, wo kein Fleisch gelegen

hatte. Da die dünnen Fleischfasern von dem Rande vollständig überdeckt

wurden, so wurden sie auch durchaus nicht quer über die Blattscheibe

geschoben.

10. Versuch. — Sechs Kohlsamen, welche eine Nacht hindurch

in Wasser gelegen hatten, wurden in einer Reihe dicht an den schmalen

eingekrümmten Rand eines Blattes gebracht. Wir werden später sehen,

dasz diese Samen den Drüsen auflösliche Substanz darbieten. In 2 Stunden

25 Minuten war der Rand entschieden eingebogen; in 4 Stunden ragte

er ungefähr über die halbe Breite der Samen herüber und in 7 Stunden über drei Viertel ihrer Breite, einen der innern Seite entlang

nicht ganz geschlossenen Cylinder von ungefähr 0,7 Zoll (17,78 Mm.)

Durchmesser bildend. Nach 24 Stunden hatte die Einbiegung nicht zugenommen, eher sogar vielleicht abgenommen. Die Drüsen, welche mit

der oberen Fläche der Samen in Berührung gebracht worden waren, sonderten jetzt reichlich ab. In 36 Stunden, von der Zeit an, wo die Samen

auf das Blatt gelegt worden waren, hatte sich der Rand bedeutend und

nach 24 Stunden vollständig wieder ausgebreitet. Da die Samen nicht

Darwin Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 22

[page break] Pinguicula vulgaris. Cap. 16.

mehr von dem eingerolltem Rande gehalten wurden und da die Absonderung aufzuhören begann, rollten sie eine Strecke weit in dem vom Rande

gebildeten Canal hinab.

11. Versuch. — Glasstückchen wurden auf die Ränder zweier

schöner junger Blätter gelegt. Nach 2 Stunden 30 Minuten wurde der

Rand des einen sicher unbedeutend eingebogen; die Einkrümmung nahm

aber nie zu und verschwand wieder in 16 Stunden 30 Minuten von der

Zeit an, wo die Stückchen zuerst aufgelegt worden waren. Am zweiten

Blatte war in 2 Stunden 15 Minuten eine Spur von Einwärtsbiegung

zu sehen, welche in 7 Stunden ausgesprochen war, aber nach 19 Stunden

30 Minuten deutlich abgenommen hatte. Die Bruchstückchen erregten

höchstens eine zweifelhafte und unbedeutende Zunahme der Absonderung

und in zwei anderen Versuchen konnte keine Zunahme bemerkt werden.

Stückchen Kohlenasche, die auf ein Blatt gelegt wurde, brachten keine

Wirkung hervor, entweder in Folge ihrer Leichtigkeit oder weil das Blatt

torpid war.

12. Versuch. — Ich wende mich jetzt zur Wirkung von Flüssigkeiten. Eine Reihe von Tropfen eines starken Aufgusses von rohem

Fleisch wurde den Rändern zweier Blätter entlang gelegt, während mit

demselben Aufgusz getränkte Schwammstückchen auf den gegenüberliegenden Rand gebracht wurden. Meine Absicht war, zu ermitteln, ob eine

Flüssigkeit so energisch einwirken würde wie ein Körper, welcher dieselbe

lösliche Substanz den Drüsen abgibt. Es war kein deutlicher Unterschied

nachweisbar, sicherlich keiner in Bezug auf den Grad der Einwärtskrümmung; es blieb aber die Einbiegung um die Schwammstückchen länger

bestehen, wie sich vielleicht aus dem Grunde hätte erwarten lassen, dasz

der Schwamm längere Zeit feucht blieb und stickstoffhaltige Substanz

darbot. Die Ränder mit den Tropfen wurden in 2 Stunden 17 Minuten

deutlich eingebogen Die Einwärtskrümmung nahm später etwas zu, hatte

aber nach 24 Stunden bedeutend abgenommen.

13. Versuch. — Tropfen desselben starken Aufgusses von rohem

Fleisch wurden der Mittelrippe eines jungen und ziemlich tief concaven

Blattes entlang aufgelegt. Die Entfernung quer über den breitesten Theil

des Blattes zwischen den naturgemäsz einwärts gebogenen Rändern betrug

0,55 Zoll (13,97 Mm.) In 3 Stunden 27 Minuten war die Entfernung

kleiner; in 6 Stunden 27 Minuten betrug sie genau 0,45 Zoll (11,43 Mm.)

und hatte daher um ⅒ Zoll (2,54 Mm.) abgenommen. Nach nur

10 Stunden 37 Minuten fieng der Rand an, sich wieder auszubreiten,

denn die Entfernung von Kante zu Kante war nun eine Spur gröszer,

und nach 24 Stunden 20 Minuten war sie innerhalb einer Haaresbreite

so grosz, wie sie es war, als die Tropfen zuerst auf das Blatt gebracht

wurden. Aus diesem Versuche sehen wir, dasz der motorische Impuls

bis zu einer Entfernung von 0,22 Zoll (5,59 Mm.) in querer Richtung

von der Mittelrippe nach beiden Rändern hin fortgeleitet werden kann;

es würde aber sicherer sein, zu sagen, 0,2 Zoll (5,08 Mm.), da die

Tropfen sich ein wenig über die Mittelrippe hinaus ausbreiten. Die hierdurch verursachte Einwärtskrümmung währte eine ungewöhnlich kurze Zeit.

14. Versuch. — Drei Tropfen einer Lösung von einem Theil

kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser (2 Gran auf 1 Unze)


 

[page break] Cap. 16. Bewegungen der Blätter.

wurden auf den Rand eines Blattes gelegt. Diese regten eine so beträchtliche Absonderung an, dasz in 1 Stunde 22 Minuten alle drei Tropfen

zusammenflossen; obgleich aber das Blatt 24 Stunden lang beobachtet

wurde, trat doch keine Spur von Einbiegung ein. Wir wissen, dasz eine ziemlich starke Lösung dieses Salzes, wenngleich sie die Blätter der Drosera

nicht verletzt, ihr Bewegungsvermögen lähmt, und ich zweifle nach diesem

und dem folgenden Falle nicht daran, dasz dies auch für Pinguicula gilt.

15. Versuch. — Eine Reihe Tropfen einer Lösung von einem Theile

kohlensauren Ammoniaks auf 875 Theile Wasser (1 Gran auf 2 Unzen)

wurde auf den Rand eines Blattes gebracht. In 1 Stunde war augenscheinlich eine unbedeutende Einwärtskrümmung da, und in 3 Stunden

30 Minuten war dieselbe gut ausgesprochen. Nach 24 Stunden war der

Rand beinahe vollständig wieder ausgebreitet.

16. Versuch. Eine Reihe groszer Tropfen einer Lösung von einem

Theile phosphorsauren Ammoniaks auf 4375 Theile Wasser (1 Gran auf

10 Unzen) wurde dem Rande eines Blattes entlang gelegt. Es trat keine

Wirkung ein, und nach 8 Stunden wurden demselben Rande entlang

frische Tropfen hinzugesetzt, aber ohne den mindesten Erfolg. Wir wissen,

dasz eine Lösung dieser Stärke kräftig auf Drosera einwirkt, und es ist

eben möglich, dasz die Lösung zu stark war. Ich bedaure, dasz ich nicht

eine schwächere Lösung versucht habe.

17. Versuch. — Da der Druck kleiner Glasstückchen Einwärtskrümmung verursacht, so kratzte ich die Ränder zweier Blätter einige

Minuten lang mit einer stumpfen Nadel; es wurde aber keine Wirkung

hervorgerufen. Die Oberfläche eines Blattes unterhalb eines Tropfens

eines starken Aufgusses von rohem Fleisch wurde gleichfalls 10 Minuten

lang mit dem Ende einer Borste gerieben, um die sträubenden Bewegungen eines Insects nachzuahmen; es bog sich aber dieser Theil des Blattrandes nicht eher als die anderen Stellen, auf denen die Aufgusztropfen

ungestört gelassen wurden.

Aus den vorstehend mitgetheilten Versuchen sehen wir, dasz die

Ränder der Blätter sich nach innen rollen, wenn sie durch den

bloszen Druck von Gegenständen, welche keinerlei Substanz abgeben,

gereizt werden, wenn sie durch Gegenstände, welche solche Substanz

darbieten, und wenn sie durch einige Flüssigkeiten gereizt werden,

nämlich durch einen Aufgusz von rohem Fleisch und eine schwache

Auflösung von kohlensaurem Ammoniak. Eine stärkere Lösung von

zwei Gran dieses Salzes auf eine Unze Wasser regt zwar eine reichliche Absonderung an, aber paralysirt das Blatt. Tropfen von Wasser

oder von einer Zucker- oder Gummilösung verursachten keinerlei Bewegung. Ein einige Minuten anhaltendes Kratzen der Oberfläche des

Blattes brachte keine Wirkung hervor. Es regen daher, so viel wir

bis jetzt wissen, nur zwei Ursachen Bewegung an, — nämlich leichter fortdauernder Druck und die Absorption stickstoffhaltiger Substanz.

22*

[page break] Pinguicula vulgaris. Cap. 16.

Es sind allein die Ränder des Blattes, welche sich biegen; denn die

Blattspitze krümmt sich niemals nach der Basis zu. Die Stiele der

drüsigen Haare haben kein Bewegungsvermögen. Ich beobachtete bei

mehreren Gelegenheiten, dasz die Oberfläche des Blattes da, wo Stückchen Fleisch oder grosze Fliegen lange gelegen hatten, unbedeutend

concav wurde; dies kann aber Folge einer durch Überreizung herbeigeführten Verletzung gewesen sein.

Die kürzeste Zeit, in welcher deutlich ausgesprochene Bewegung

beobachtet wurde, war 2 Stunden 17 Minuten; und dies trat ein,

wenn stickstoffhaltige Substanzen oder Flüssigkeiten auf die Blätter

gebracht wurden; ich glaube aber, dasz in einigen Fällen eine Spur

von Bewegung schon in 1 Stunde oder 1 Stunde 30 Minuten da war.

Der Druck von Glassplitterchen erregt Bewegung beinahe ebenso schnell

wie die Absorption stickstoffhaltiger Substanz, aber der Grad der hierdurch verursachten Einwärtskrümmung ist geringer. Nachdem ein

Blatt ordentlich einwärts gekrümmt gewesen war und sich wieder

ausgebreitet hat, antwortet es nicht bald einem frischen Reize. Der

Rand wurde in der Längenrichtung, aufwärts oder abwärts, in einer

Entfernung von 0,13 Zoll (3,302 Mm.) von dem gereizten Punkte, aber

in einer Entfernung von 0,46 Zoll zwischen zwei gereizten Stellen,

und quer über das Blatt bis zu 0,2 Zoll (5,08 Mm.) afficirt. Der

motorische Impuls wird nicht, was bei Drosera der Fall ist, von

irgend einer, eine vermehrte Absonderung verursachenden Einwirkung

begleitet; denn wenn eine einzeln Drüse stark gereizt wurde und

reichlich absonderte, so wurden die umgebenden Drüsen nicht im

mindesten afficirt. Die Einwärtskrümmung des Randes ist von einer

vermehrten Absonderung unabhängig; denn Glassplitterchen verursachen

nur geringe oder gar keine Absonderung und regen doch Bewegung

an, während eine starke Lösung von kohlensaurem Ammoniak schnell

reichliche Absonderung, aber keine Bewegung erregt.

Eine der merkwürdigsten Thatsachen in Bezug auf die Bewegung

der Blätter ist die kurze Zeit, während welcher sie eingekrümmt bleiben, wenn auch der reizende Gegenstand auf ihnen liegen gelassen

wird. In der Mehrzahl der Fälle war eine gut ausgesprochene Wiederausbreitung innerhalb 24 Stunden von der Zeit an, wo selbst grosze

Stückchen Fleisch u. s. w. auf die Blätter gelegt worden war, eingetreten und in allen Fällen innerhalb 48 Stunden. In einem Falle

blieb der Rand eines Blattes 32 Stunden lang dicht rund um dünne


 

[page break] Cap. 16. Bewegungen der Blätter.

Fasern von Fleisch eingebogen; in einem anderen Falle, wo ein Stückchen in einem starken Aufgusz von rohem Fleisch eingeweichten

Schwammes angewendet worden war, fieng der Rand sich in 35 Stunden wieder zu entfalten an. Glasstückchen halten den Rand kürzere

Zeit eingekrümmt als stickstoffhaltige Körper; denn im ersteren Falle

trat vollständige Wiederausbreitung in 16 Stunden 30 Minuten ein.

Stickstoffhaltige Flüssigkeiten wirken eine kürzere Zeit als stickstoffhaltige feste Substanzen; als z. B. Tropfen eines Aufgusses von rohem

Fleische auf die Mittelrippe eines Blattes gebracht waren, fieng der

eingebogene Rand sich in nur 10 Stunden 37 Minuten wieder zu entfalten an, was überhaupt der schnellste Act der Wiederausbreitung

war, der beobachtet wurde; es kann dies aber zum Theil Folge der

gröszeren Entfernung der Ränder von der Mittelrippe, wo die Tropfen

lagen, gewesen sein.

Wir werden naturgemäsz darauf geführt, zu untersuchen, was

der Nutzen dieser Bewegung ist, welche nur so kurze Zeit währt.

Wenn sehr kleine Gegenstände, wie Fleischfasern, oder mäszig kleine

Gegenstände, wie kleine Fliegen oder Kohlsamen, dicht an den Rand

gelegt werden, so werden sie entweder vollständig oder theilweise von

ihm umfaszt. Die Drüsen des sich umschlagenden Randes werden

dabei mit derartigen Gegenständen in Berührung gebracht und ergieszen ihr Secret, während sie später die verdaute Substanz aufsaugen. Da aber die Einwärtskrümmung eine so kurze Zeit dauert,

so kann jeder derartige Vortheil nur von unbedeutender Wichtigkeit

sein, vielleicht aber doch gröszer als er auf den ersten Blick erscheint.

Die Pflanze lebt in feuchten Bezirken, und die Insecten, welche an

allen Stellen des Blattes hängen bleiben, werden von jedem Regenschauer in den schmalen, von den natürlich einwärts gebogenen Blatträndern gebildeten Canal gewaschen. So legte z. B. mein Freund in

Nord-Wales mehrere Insecten auf einige Blätter und nach zwei Tagen

(in der Zwischenzeit war starker Regen gefallen) fand er, dasz einige

vollständig weggewaschen worden waren, während viele andere unter

den nun dicht eingebogenen Rändern in Sicherheit geborgen waren,

deren Drüsen rings um die Insecten sämmtlich ohne Zweifel absonderten. Wir können auch verstehen, woher es kommt, dasz so viele Insecten und Stücke von Insecten meist innerhalb der eingekrümmten

Blattränder liegend angetroffen werden.

Die in Folge der Gegenwart eines reizenden Gegenstandes ein

sind nach deren hinterem Ende zu gerichtet. Die viertheiligen und


 

[page break] Cap. 17. Art Beute zu fangen.

zweispaltigen Fortsätze sind ohne Zweifel den Papillen auf der Auszenseite der Blase und der Blätter homolog; und wir werden sehen, dasz

sie sich von äuszerst ähnlichen Papillen aus entwickelt haben.

Der Gebrauch der verschiedenen Theile. — Nach der

vorausgehenden langen, aber nothwendigen Beschreibung der einzelnen

Theile wollen wir uns zu ihrem Gebrauche wenden. Einige Autoren

haben vermuthet, dasz die Blasen als Schwimmapparate wirken; aber

Zweige, welche keine Blasen trugen, und andere, von denen die Blasen

entfernt worden waren, flottirten vollkommen, und zwar in Folge der

in den Intercellularräumen enthaltenen Luft. Blasen, welche todte und

gefangene Thiere enthalten, schlieszen gewöhnlich Luftblasen ein;

dieselben können aber nicht allein durch den Zersetzungsprocesz entstanden sein, da ich häufig Luft in jungen, reinen und leeren Blasen

gesehen habe; andererseits hatten manche alte Blasen mit viel sich

zersetzender Substanz keine Luftblasen.

Die wirkliche Function der Blasen ist, kleine Wasserthiere zu

fangen, und dies thun sie in einem groszen Maszstabe. Von der ersten

Anzahl Pflanzen, welche ich zeitig im Juli von dem New Forest erhielt, umschlossen verhältnismäszig viele der völlig erwachsenen

Blasen Beute; bei einer zweiten Sendung, welche ich anfangs August

erhielt, waren die meisten der Blasen leer; es waren indessen Pflanzen

ausgewählt worden, welche in ungewöhnlich reinem Wasser wuchsen.

Von der ersten Sendung untersuchte mein Sohn siebenzehn Blasen,

welche Beute irgend welcher Art umschlossen, und acht derselben

enthielten entomostrake Krustenthiere, drei Insectenlarven, von denen

eine noch lebendig war, und sechs so stark zersetzte Überreste von

Thieren, dasz ihre Natur nicht mehr unterschieden werden konnte.

Ich wählte fünf Blasen heraus, welche sehr voll zu sein schienen, und

fand in ihnen vier, fünf, acht und zehn Krustenthiere und in der fünften

eine einzige sehr lang gestreckte Larve. In fünf anderen Blasen,

welche ich gewählt hatte, weil sie Überreste enthielten, welche aber

nicht sehr voll erschienen, fanden sich ein, zwei, vier, zwei und fünf

Krustenthiere. Eine Pflanze von Utricularia vulgaris, welche in beinahe reinem Wasser gehalten worden war, wurde von Cohn eines

Abends in Wasser gethan, in welchem zahllose Kruster umherschwärmten, und am nächsten Morgen enthielten die meisten Blasen diese

Thiere gefangen und immer fort im Kreise in ihren Gefängnissen

umherschwimmend. Sie blieben mehrere Tage lang lebendig, giengen


 

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

aber endlich zu Grunde, an Erstickung, wie ich vermuthe, da der

ganze Sauerstoff des Wassers verbraucht worden war. Auch Süszwasser-Würmer wurden von Cohn in einigen Blasen gefunden. In

allen Fällen waren die Blasen mit zerfallenen Thierresten voll von

lebenden Algen vieler Arten, von Infusorien und anderen niederen

Organismen, welche offenbar als Eindringlinge dort lebten.

Die Thiere gelangen in der Weise in die Blase, dasz sie den

hintern freien Rand der Klappe abbiegen, welcher sich dann, da er

in hohem Grade elastisch ist, augenblicklich wieder schlieszt. Da die

Kante äuszerst dünn ist und dicht an den Rand des Kragens sich anlegt, wobei beide in die Blase vorspringen (s. Fig. 20), so wird es

offenbar für alle Thiere sehr schwierig sein, wieder herauszukommen,

wenn sie sich einmal gefangen haben; und allem Anscheine nach entschlüpfen sie niemals. Um zu zeigen, wie dicht der Rand schlieszt,

will ich erwähnen, dasz mein Sohn eine Daphnia fand, welche eine

ihrer Antennen in den Schlitz gesteckt hatte; und dadurch wurde sie

einen ganzen Tag lang fest gehalten. Bei drei oder vier Gelegenheiten

habe ich lange schmale Larven, sowohl todte als auch lebendige, zwischen die Klappe und den Kragen eingekeilt gefunden, wobei ihre

Körper halb innerhalb und halb auszerhalb der Blasen waren.

Da es mir sehr schwierig war, einzusehen, wie derartige minutiöse und schwache Thiere, wie sie so häufig gefangen werden, sich

ihren Eintritt in die Blasen erzwingen können, habe ich viele Versuche angestellt, um zu ermitteln, wie dies ausgeführt wird. Der

freie Rand der Klappe biegt sich so leicht, dasz man keinen Widerstand fühlt, wenn eine Nadel oder eine dünne Borste eingeführt wird.

Ein dünnes menschliches Haar, an einen Griff befestigt und so weit

abgeschnitten, dasz es kaum ¼ Zoll vorsprang, gieng mit etwas

Schwierigkeit hinein; ein längeres Stück gab nach, anstatt einzugehn.

Bei drei Gelegenheiten wurden äuszerst kleine Stückchen blauen Glases

(um leicht erkannt zu werden) auf Klappen gelegt, während sie unter

Wasser waren; als ich leise versuchte, sie mit einer Nadel zu bewegen, verschwanden sie so plötzlich, dasz ich, da ich nicht sah, was

passiert war, glaubte, ich hätte sie fortgeschnellt; als ich aber die

Blasen untersuchte, fand ich sie ganz sicher eingeschlossen. Dasselbe

passirte meinem Sohne, welcher kleine Würfelchen von grünem Buchsbaumholz (von ungefähr   Zoll oder 0,423 Mm. Seitenlänge) auf

einige Klappen legte; und dreimal kaum es während des Actes, sie


 

[page break] Cap. 17. Art Beute zu fangen.

aufzulegen oder sie leise auf eine andere Steile zu bewegen, vor, dasz

sich die Klappe plötzlich öffnete und sie verschluckt waren. Er legte

dann ähnliche Stückchen Holz auf andere Klappen und bewegte sie

eine Zeit lang auf ihnen herum; sie giengen aber nicht in die Blase.

Ferner brachte ich Stückchen von blauem Glas auf drei Klappen und

äuszerst minutiöse abgeschabte Stückchen Blei auf zwei andere Klappen; nach 1 oder 2 Stunden war keines eingetreten, aber in einer

Zeit von 2 bis 5 Stunden waren sie alle fünf eingeschlossen. Eines

der Glasstückchen war ein langer Splitter, dessen eines Ende schräg

auf der Klappe ruhte; nach wenig Stunden fand man es fixirt, halb

innerhalb der Blase und halb nach auszen vorspringend; wobei der

Rand der Klappe rings herum dicht anschlosz mit Ausnahme des

einen Winkels, wo eine kleine Stelle offen gelassen war. Es war so

fest eingekeilt, ähnlich der oben erwähnten Larve, dasz die Blase

von dem Zweig abgerissen und geschüttelt werden konnte, ohne dasz

der Splitter herausgefallen wäre. Mein Sohn legte auch kleine Würfelchen (ungefähr   Zoll oder 0,391 Mm.) von grünem Buchsbaumholz,

welche gerade schwer genug waren, um in Wasser unterzusinken, auf

drei Klappen. Dieselben wurden nach 19 Stunden 30 Minuten untersucht und wurden noch immer auf den Klappen liegend gefunden;

nach 22 Stunden 30 Minuten waren sie aber eingeschlossen. Ich will

hier erwähnen, dasz ich in einer Blase an einer in natürlichen Verhältnissen wachsenden Pflanze ein Körnchen Sand und in einer andern

Blase drei Körnchen fand; diese müssen durch irgend welchen Zufall

auf die Klappen gefallen und dann wie die Glastheilchen in die Blasen

gelangt sein.

Die langsame Biegung der Klappe unter dem Gewicht der Glasstückchen und selbst der Buchsbaumholzwürfelchen, trotzdem sie in

hohem Masze vom Wasser getragen werden, ist, wie ich vermuthe,

der langsamen Biegung colloider Substanzen analog. Es wurden beispielsweise Glasstückchen auf verschiedene Stellen schmaler Streifen

von angefeuchteter Gelatine gelegt; und diese gaben mit äuszerster

Langsamkeit nach und bogen sich. Es ist viel schwerer zu verstehen,

woher es kommt, dasz das leise Hin- und Herbewegen eines Stückchens von einem Theile der Klappe zu einem andern dieselbe veranlaszt, sich plötzlich zu öffnen. Um zu ermitteln, ob die Klappen mit

Irritabilität begabt wären, wurde die Oberfläche mehrerer mit einer

Nadel gekratzt oder mit einem feinen Camelhaarpinsel bestrichen, um


 

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

die kriechende Bewegung kleiner Crustaceen nachzuahmen; die Klappe

öffnete sich aber nicht. Einige Blasen wurden, ehe sie gepinselt

wurden, eine Zeit lang in Wasser verschiedener Temperaturen zwischen

26,6° bis 54,4° C. (80°—130° F.) gelegt, da dies, nach einer weit verbreiteten Analogie zu urtheilen, dieselben gegen Reizung empfindlicher

gemacht oder für sich selbst schon Bewegung erregt haben könnte;

es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht. Wir können daher

schlieszen, dasz Thiere einfach dadurch in die Blase gelangen, dasz

sie sich einen Eingang durch die schlitzförmige Öffnung erzwingen;

ihr Kopf dient dabei als Keil. Ich bin aber darüber überrascht, dasz

so kleine und schwache Geschöpfe, wie häufig gefangen werden (so

z. B. der Nauplius eines Krustenthieres und ein Tardigrade) stark

genug sein sollten, in dieser Weise vorzugehen, wenn ich daneben

bedenke, dasz es schwer war, das Ende eines ¼ Zoll langen Stückchen

Haares hineinzubringen. Demungeachtet ist es gewisz, dasz schwache

und kleine Geschöpfe wirklich eindringen; Mrs. Treat in New-Jersey

ist erfolgreicher als irgend ein anderer Beobachter gewesen und hat

häufig bei der Utricularia clandestina den Vorgang mit angesehen 5.

Sie sah ein tardigrades Thier langsam um eine Blase herumgehen,

wie zum Recognosciren; endlich kroch es in die Vertiefung, in welcher die Klappe liegt, und dann gieng es leicht hinein. Sie war

auch Zeuge von dem Fangen verschiedener sehr kleiner Krustenthiere.

Cypris "war ganz schlau, wurde aber demungeachtet häufig gefangen.

"Kam sie bis an den Eingang in die Blase, dann hielt sie für einen

"Augenblick still und schosz dann hinweg; andere male kam sie ganz

"nahe heran und wagte sich selbst ein Stückchen Wegs in den Ein"gang hinein, kehrte aber zurück, als fürchtete sie sich. Eine an"dere, unbedachtsamere, öffnete die Thüre und gieng hinein; sobald

"sie indessen drin war, zeigte sie Unruhe, sie zog ihre Füsze und

"Antennen ein und schlosz ihre Schale.‟ Wenn Larven, dem Anscheine nach von Mücken, "in der Nähe des Eingangs fraszen, so

"rannten sie ziemlich gewisz mit ihren Köpfen in das Netz, aus dem

"es kein Entrinnen gab. Ehe eine grosze Larve verschluckt wird,

"dauert es zuweilen drei oder vier Tage lang; der ganze Vorgang

"rief mir das Bild in das Gedächtnis, was ich erhielt, als eine kleine

"Schlange einen groszen Frosch verschlang.‟ Da aber die Klappe

5 New York Tribune, wieder abgedruckt in The Gardener's Chronicle, 1875,

p. 303.


 

[page break] Cap. 17. Art Beute zu fangen.

nicht im mindesten reizbar zu sein scheint, so musz der langsame

Procesz des Verschlingens die Folge der Vorwärtsbewegung der

Larve sein.

Es ist schwer, sich darüber eine Vermuthung zu bilden, was

wohl so viele Geschöpfe, fleisch- und pflanzenfressende Krustenthiere,

Würmer, Tardigraden und verschiedene Larven anreizen kann, in die

Blasen zu gehen. Mrs. Treat sagt, dasz die eben erwähnten Larven

von Pflanzennahrung leben und eine besondere Liebhaberei für die

langen Borsten rings um die Klappe haben; dieser Geschmack kann

aber den Eintritt von fleischfressenden Krustenthieren nicht erklären.

Vielleicht versuchen kleine im Wasser lebende Thiere gewohnheitsgemäsz in jeden kleinen Spalt einzutreten, wie in den zwischen Klappe

und Kragen, um Nahrung oder Schutz zu suchen. Es ist nicht wahrscheinlich, dasz die merkwürdige Durchsichtigkeit der Klappe ein zufälliger Umstand ist; der dadurch entstehende lichte Punkt könnte

als Führer dienen. Die langen Borsten rings um den Eingang dienen

allem Anscheine nach demselben Zwecke. Ich glaube deshalb, dasz

dies der Fall ist, weil die Blasen einiger epiphytisch und auf Marschboden lebender Species von Utricularia, welche entweder in verfilzter

Vegetation oder in Schlamm leben, keine Borsten um den Eingang

haben; diese würden unter solchen Bedingungen von keinem Nutzen

als Führer sein. Demungeachtet springen bei diesen epiphytischen

auf Marschboden lebenden Arten zwei Paare Borsten von der Oberfläche der Klappe wie in den wasserlebenden Arten vor; ihre Function

ist wahrscheinlich die, gröszere Thiere von einem Versuche, in die

Blase einzudringen, abzuhalten, damit nicht dadurch die Mündung

eingerissen werde.

Da unter günstigen Umständen die meisten Blasen im Fangen

von Beute Erfolg haben (in einem Falle selbst zehn Krustenthiere), —

da die Klappe so gut dazu angepaszt ist, den Thieren den Eingang

zwar zu gestatten, aber ihr Entweichen zu verhindern, — und da

die Innenseite der Blase eine so eigenthümliche Structur darbietet,

in ihrer Auskleidung mit unzähligen viertheiligen und zweigespaltenen

Fortsätzen, so läszt sich unmöglich daran zweifeln, dasz die Pflanze

speciell für das Fangen von Beute eingerichtet worden ist. Nach

Anologie mit der zu derselben Familie gehörigen Pinguicula erwartete ich natürlich, dasz die Blasen ihre Beute verdauen würden; dies

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 24

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

ist aber nicht der Fall, es sind auch keine zur Absonderung der gehörigen Flüssigkeit angepaszte Drüsen vorhanden. Nichtsdestoweniger

wurden, um ihre Verdauungsfähigkeit auf die Probe zu stellen, minutiöse Fragmente gerösteten Fleisches, drei kleine Würfelchen von Eiweisz und drei dergleichen von Knorpel durch die Mündung in die

Blasen kräftiger Pflanzen geschoben. Sie wurden einen bis drei und

einen halben Tage lang darin gelassen und die Blasen dann aufgeschnitten; aber keine einzige der erwähnten Substanzen liesz auch

nur das mindeste Zeichen von Verdauung oder Auflösung erkennen;

die Kanten der Würfel waren so scharf wie je. Diese Beobachtungen

wurden später gemacht als die an Drosera, Dionaea, Drosophyllum

und Pinguicula, so dasz ich mit der äuszern Erscheinung dieser Substanzen, wenn sie sich in den früheren oder letzten Stadien der Verdauung befinden, wohl vertraut war. Wir können daher schlieszen,

dasz Utricularia die Thiere, welche sie gewohnheitsgemäzs fängt,

nicht verdauen kann.

In den meisten Blasen sind die gefangenen Thiere so stark zersetzt, dasz sie eine blaszbraune, breiige Masse bilden, während ihre

chitinhaltigen Hüllen so zart geworden sind, dasz sie mit der gröszten Leichtigkeit in Stücke zerfallen. Der schwarze Farbstoff der

Augenflecke erhält sich besser als irgend etwas anderes. Gliedmaszen,

Kiefer u. s. w. werden häufig vollständig losgetrennt gefunden; und

dies ist, wie ich vermuthe, die Folge des vergeblichen Sträubens

der später gefangenen Thiere. Ich bin zuweilen über das geringe

Verhältnis gefangener Thiere in einem frischen Zustande verglichen

mit den gänzlich zerfallenen überrascht gewesen. Mrs. Treat gibt

mit Bezug auf die oben angeführten Larven an, dasz "gewöhnlich in

"weniger als zwei Tagen, nachdem eine grosze Larve gefangen war,

"der flüssige Inhalt der Blasen ein wolkiges oder trübes Aussehen

"anzunehmen begann und dasz er oft so dick wurde, dasz die Um"risse des Thieres aus dem Gesichte verschwanden.‟ Diese Angabe

regt die Vermuthung an, dasz die Blasen irgend ein Ferment absondern, welches den Procesz des Zerfalls beschleunigt. An und für sich

liegt in dieser Vermuthung nichts unwahrscheinliches, wenn man bedenkt, dasz Fleisch, welches 10 Minuten lang in, mit dem milchigen

Safte des Traubenbaums (papaw) gemischtem Wasser eingeweicht wird,

völlig weich wird und, wie Browne in seiner Naturgeschichte von

Jamaica bemerkt, bald in einen Zustand von Fäulnis übergeht.


 

[page break] Cap. 17. Art Beute zu fangen.

Mag der Zerfall der gefangen gehaltenen Thiere auf irgend eine

Weise beschleunigt werden oder nicht, so ist doch sicher, dasz durch

die viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze Stoffe aus ihnen absorbirt werden. Die äuszerst zarte Beschaffenheit der Membran, von

welcher diese Fortsätze gebildet werden, und die grosze Oberfläche,

welche sie darbieten, — in Folge ihrer groszen dicht gedrängt über

die ganze innere Fläche der Blase verbreiteten Zahl, — sind Umstände, welche alle den Procesz der Aufsaugung begünstigen. Viele

vollkommen reine Blasen, welche niemals irgend welche Beute gefangen hatten, wurden geöffnet; es konnte aber mit einem Hartnack'schen Objectivglas Nr. 8 innerhalb der zarten structurlosen, protoplasmatischen Auskleidung ihre Arme nichts unterschieden werden,

ausgenommen das in jedem vorkommende einzelne gelbliche Körperchen oder der modificirte Kern. Zuweilen waren zwei oder selbst

drei derartige Körperchen vorhanden; in diesem Falle aber konnten

meist Spuren zerfallender Substanz entdeckt werden. Andererseits

boten die Fortsätze in Blasen, welche entweder ein groszes oder mehrere kleinere zerfallene Thiere enthielten, ein gänzlich verschiedenes

Ansehen dar. Sechs derartige Blasen wurden sorgfältig untersucht:

eine enthielt eine langgestreckte, aufgerollte Larve, eine andere ein

einzelnes groszes entomostrakes Krustenthier, und die übrigen von

zwei bis fünf kleinere, sämmtlich in einem zersetzten Zustande. In

diesen sechs Blasen enthielt eine grosze Zahl der viertheiligen Fortsätze durchsichtige, häufig gelbliche, mehr oder weniger zusammenflieszende sphärische oder unregelmäszig geformte Massen von Substanz. Einige von den Fortsätzen enthielten indessen nur fein granulirte Substanz, deren Theilchen so klein waren, dasz sie mit dem

System Hartnack Nr. 8 nicht deutlich definirt werden konnten. Die

zarte, ihre Wandungen auskleidende Schicht von Protoplasma war in

einigen Fällen etwas eingeschrumpft. Bei drei Gelegenheiten wurden

die eben erwähnten Substanzmassen beobachtet und nach kurzen

Intervallen gezeichnet; sie hatten ganz sicher ihre Stellungen im Verhältnis zu einander wie zu den Wandungen der Arme geändert. Einzelne Massen flossen zuweilen zusammen und theilten sich dann wieder.

Eine einzelne kleine Masse schickte einen Fortsatz ab, welcher sich

nach einiger Zeit lostrennte. Es konnte daher daran kein Zweifel

sein, dasz diese Massen aus Protoplasma bestanden. Bedenkt man

aber, dasz viele reine Blasen mit gleicher Sorgfalt untersucht wurden,

24*

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

und dasz diese keine solche Erscheinung darboten, so können wir getrost annehmen, dasz in den oben erwähnten Fällen das Protoplasma

durch die Aufsaugung stickstoffhaltiger Substanz aus den sich zersetzenden Thieren sich erzeugt hatte. In zwei oder drei Blasen, welche

anfangs völlig rein erschienen, fanden sich nach sorgfältigem Suchen

einige wenige Fortsätze, deren Auszenseite mit etwas brauner Substanz bedeckt war, woraus hervorgieng, dasz irgend ein kleines Thier

gefangen war und sich zersetzt hatte: hier schlossen die Arme sehr

wenige mehr oder weniger sphärische und zusammengeballte Massen

ein; die Fortsätze an anderen Stellen der Blasen waren leer und

durchscheinend. Andererseits musz noch angegeben werden, dasz in

drei, todte Krustenthiere enthaltenden Blasen die Fortsätze gleichfalls leer waren. Diese Thatsache kann dadurch erklärt werden, dasz

die Thiere nicht hinreichend weit zersetzt waren oder dasz für die

Bildung von Protoplasma nicht genug Zeit gelassen worden war, oder

dasz es später absorbirt und anderen Theilen der Pflanze zugeführt

worden war. Wir werden nachher sehen, dasz in drei oder vier andern Species von Utricularia die viertheiligen Fortsätze in Berührung

mit zerfallenden Thieren gleichfalls zusammengeballte Massen von

Protoplasma enthielten.

Über die Absorption gewisser Flüssigkeiten durch die

viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze. — Diese

Versuche wurden angestellt, um zu ermitteln, ob gewisse Flüssigkeiten, welche zu diesem Zwecke passend zu sein schienen, dieselben

Wirkungen auf die Fortsätze hervorbringen würden, wie die Absorption zerfallner thierischer Substanz. Derartige Experimente sind indessen mühsam; denn es ist nicht hinreichend, einen Zweig einfach in

die Flüssigkeit einzulegen, da die Klappe so dicht schliest, dasz die

Flüssigkeit dem Anscheine nach sobald nicht, wenn überhaupt, eindringt. Selbst als Borsten in die Mündungen gesteckt wurden, wurde

sie in mehreren Fällen so dicht ringsum von dem dünnen biegsamen

Rande der Klappe umgeben, dasz die Flüssigkeit allem Anscheine

nach ausgeschlossen wurde. Die beste Methode würde gewesen sein,

die Blasen anzustechen; hieran dachte ich aber nicht eher, ausgenommen in einigen wenigen Fällen, als bis es zu spät war. In allen

derartigen Versuchen kann es indessen nicht positiv ermittelt werden,

ob die Blase, obschon sie durchscheinend ist, nicht irgend ein minutiöses Thier auf dem letzten Stadium des Zerfalls enthalte. Es wur


 

[page break] Cap. 17. Absorption durch die viertheiligen Fortsätze.

den daher die meisten meiner Experimente so angestellt, dasz die

Blasen längsweise in zwei Hälften zerschnitten wurden; die viertheiligen Fortsätze wurden dann mit dem System Hartnack Nr. 8 untersucht und, während sie unter dem Deckgläschen lagen, mit wenig

Tropfen der zum Versuche dienenden Flüssigkeit befeuchtet, in einer

feuchten Kammer erhalten und nach bestimmten Zwischenräumen mit

derselben Vergröszerung wie vorher wieder untersucht.

Vier Blasen wurden zuerst, als Controlversuch, in der so eben geschilderten Weise in einer Auflösung von einem Theil arabischen Gummis

auf 218 Theile Wasser, und zwei Blasen in einer Auflösung von einem

Theil Zucker auf 437 Theile Wasser versucht; in keinem der beiden

Fälle war nach 21 Stunden weder in den viertheiligen noch in den zweitheiligen Fortsätzen irgend eine Veränderung bemerkbar. Vier Blasen

wurden dann in derselben Weise mit einer Lösung von einem Theile

salpetersauren Ammoniaks auf 437 Theile Wasser behandelt und nach

21 Stunden wieder untersucht. In zweien von diesen erschienen nur die

viertheiligen Fortsätze voll von sehr fein granulirter Substanz, und ihre

protoplasmatische Auskleidung oder der Primordialschlauch war ein wenig

geschrumpft. In der dritten Blase schlossen die viertheiligen Fortsätze

deutlich sichtbare Körnchen ein, und der Primordialschlauch war nach

nur 8 Stunden ein wenig geschrumpft. In der vierten Blase war der

Primordialschlauch in den meisten der Fortsätze hier und da in kleinen

unregelmäszigen, gelblichen Flecken verdickt; und nach den Abstufungen,

welche in diesen und andern Fällen verfolgt werden konnten, schienen

diese Flecke die gröszeren freien Körnchen entstehen zu lassen, welche

innerhalb einiger der Fortsätze enthalten waren. Andere Blasen, welche,

so weit es beurtheilt werden konnte, niemals irgend eine Beute gefangen

hatten, wurden angestochen und in der nämlichen Lösung 17 Stunden

lang liegen gelassen; ihre viertheiligen Fortsätze enthielten nun sehr fein

granulirte Substanz.

Eine Blase wurde in zwei Hälften geschnitten, untersucht und mit

einer Lösung von einem Theile kohlensauren Ammoniaks auf 437 Theile

Wasser betropft. Nach 8 Stunden 30 Minuten enthielten die viertheiligen Fortsätze ziemlich viele Körnchen und der Primordialschlauch war

etwas geschrumpft; nach 23 Stunden enthielten die viertheiligen und

zweigespaltenen Fortsätze viele Kugeln hyaliner Substanz; in einem Arm

wurden vierundzwanzig derartige Kugeln von mäsziger Grösze gezählt.

Zwei durchgeschnittene Blasen, welche vorher 21 Stunden lang in der

Gummiauflösung (ein Theil auf 218 Theile Wasser) liegen gelassen worden

waren, ohne afficirt worden zu sein, wurden mit der Lösung von kohlensaurem Ammoniak benetzt; und in beiden wurden die viertheiligen Fortsätze in nahezu derselben Art und Weise modificirt wie oben beschrieben

wurde, und zwar in der einen nach nur 9 Stunden und in der andern

nach 24 Stunden. Zwei Blasen, welche noch niemals irgend eine Beute

gefangen zu haben schienen, wurden angestochen und in die Lösung gelegt; die viertheiligen Fortsätze der einen wurden nach 17 Stunden unter


 

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

sucht und leicht opak gefunden; die viertheiligen Fortsätze der andern

hatten bei ihrer Untersuchung nach 45 Stunden mehr oder weniger geschrumpfte Primordialschläuche mit verdickten gelblichen Flecken, denen

ähnlich, welche in Folge der Einwirkung des salpetersauren Ammoniaks

auftraten. Mehrere unverletzte Blasen wurden in derselben Lösung, eben

so wie in einer schwächeren von einem Theile auf 1750 Theile Wasser,

oder 1 Gran auf 4 Unzen, liegen gelassen; nach zwei Tagen waren die

viertheiligen Fortsätze mehr oder weniger opak, ihr Inhalt fein granulirt;

ob aber die Lösung durch die Mündung eingetreten ist oder von der

äuszern Seite absorbirt worden war, weisz ich nicht.

Zwei durchschnittene Blasen wurden mit einer Lösung von einem

Theil Harnstoff auf 218 Theile Wasser benetzt; als aber diese Lösung

angewandt wurde, vergasz ich, dasz sie einige Tage lang in einem warmen

Zimmer gehalten worden war und daher wahrscheinlich etwas Ammoniak

erzeugt hatte; wie dem auch sein mag, nach 21 Stunden waren die viertheiligen Fortsätze so afficirt, als wenn eine Auflösung von kohlensaurem

Ammoniak gebraucht worden wäre; denn der Primordialschlauch war in

Flecken verdickt, welche in sich lösende Körnchen überzugehen schienen.

Die durchschnittenen Blasen wurden auch mit einer frischen Lösung von

Harnstoff benetzt; nach 21 Stunden waren die viertheiligen Fortsätze viel

weniger afficirt als in dem ersteren Falle; nichtsdestoweniger war der

Primordialschlauch in einigen der Arme ein wenig geschrumpft und in

andern in zwei beinahe symmetrische Schläuche getheilt.

Drei durchschnittene Blasen wurden, nachdem sie untersucht worden

waren, mit einem fauligen und sehr stark übel riechenden Aufgusse von

rohem Fleische benetzt. Nach 23 Stunden waren in den viertheiligen

und zweigespaltenen Fortsätzen aller drei Exemplare ungemein viel minutiöse, sphärische Massen vorhanden, und einige von den Primordialschläuchen waren etwas geschrumpft. Drei durchschnittene Blasen wurden auch

mit einem frischen Aufgusz von rohem Fleisch benetzt; und zu meiner

Überraschung erschienen in einer von ihnen nach 23 Stunden die viertheiligen Fortsätze fein granulirt, der Primordialschlauch etwas geschrumpft

und mit verdickten gelblichen Flecken gezeichnet, so dasz die Flüssigkeit

in derselben Art und Weise auf sie gewirkt hatte wie der faulende Aufgusz oder die Ammoniaksalze. In der zweiten Blase hatte die Flüssigkeit in ähnlicher Weise, wennschon in einem sehr unbedeutenden Grade,

auf die viertheiligen Fortsätze eingewirkt, während die dritte Blase durchaus nicht afficirt war.

Nach diesen Experimenten ist es klar, dasz die viertheiligen und

zweigespaltenen Fortsätze das Vermögen haben, kohlensaures und salpetersaures Ammoniak, und Substanz von irgend welcher Art aus einem

faulenden Aufgusse von rohem Fleische zu absorbiren. Es wurden

Ammoniaksalze zum Versuche gewählt, weil bekannt ist, dasz sie

sich bei der Zersetzung thierischer Substanz in Gegenwart von Luft

und Wasser auszerordentlich schnell erzeugen und sich daher auch

innerhalb der, gefangene Beute enthaltenden Blasen bilden werden.


 

[page break] Cap. 17. Absorption durch die viertheiligen Fortsätze.

Der auf die Fortsätze durch Einwirkung dieser Salze und eines faulenden Aufgusses von rohem Fleisch hervorgebrachte Erfolg weicht von

dem durch die Zersetzung der auf natürlichem Wege gefangenen Thiere

hervorgebrachten nur darin ab, dasz die zusammengeballten Massen

von Protoplama im letztern Falle von bedeutenderer Grösze sind; es

ist aber wahrscheinlich, dasz die feinen Körnchen und die kleinen

hyalinen Kugeln, welche die Lösungen erzeugen, zu gröszeren Massen

verschmelzen würden, wenn man ihnen genug Zeit liesze. Wir haben

bei Drosera gesehen, dasz die erste Wirkung einer schwachen Auflösung von kohlensaurem Ammoniak auf den Zelleninhalt die Erzeugung

der feinsten Körnchen ist, welche sich später zu gröszeren, mehr oder

weniger abgerundeten Massen zusammenballen, und dasz die Körnchen

in der Protoplasmaschicht, welche rings um die Zellenwände herumflieszt, schlieszlich mit diesen Massen verschmelzen. Veränderungen

dieser Art sind indessen bei Drosera viel rapider als bei Utricularia.

Da die Blasen nicht das Vermögen besitzen, Eiweisz, Knorpel oder

geröstetes Fleisch zu verdauen, so war ich überrascht, dasz, mindestens in einem Falle, aus einem frischem Aufgusse von rohem Fleisch

Substanz absorbirt wurde. Auch war ich, nach dem, was wir sofort

in Bezug auf die Drüsen rings um die Mündung sehen werden, überrascht, dasz eine frische Auflösung von Harnstoff nur eine mäszige

Wirkung auf die viertheiligen Fortsätze ausübte.

Da die viertheiligen Fortsätze sich aus Papillen entwickelt haben,

welche anfangs denen auf der Auszenseite der Blasen und auf der

Oberfläche der Blätter sehr ähnlich sind, so will ich hier noch anführen, dasz die zwei halbkugligen Zellen, welche auf der Spitze dieser

letztern Papillen stehen und welche in ihrem natürlichen Zustande

vollkommen durchsichtig sind, gleichfalls kohlensaures und salpetersaures Ammoniak absorbiren; denn nach einem 23 Stunden langen

Eintauchen in Auflösungen von einem Theile dieser beiden Salze auf

437 Theile Wasser waren die Primordialschläuche ein wenig geschrumpft und von einer blasz-braunen Färbung, auch zuweilen fein

granulirt. Dasselbe Resultat erfolgte, als ein ganzer Zweig nahezu

drei Tage lang in eine Auflösung von einem Theile des kohlensauren

Salzes auf 1750 Theile Wasser gelegt worden war. Auch wurden

die Chlorophyllkörner in den Zellen der Blätter an diesem Zweige an

vielen Stellen zu kleinen grünen Massen zusammengeballt, welche

häufig durch die feinsten Fäden mit einander verbunden wurden.


 

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

Über die Absorption gewisser Flüssigkeiten durch

die Drüsen an der Klappe und dem Kragen. — Die Drüsen

rund um die Mündungen der Blasen, welche noch jung sind oder

welche lange in mäszig reinem Wasser gehalten worden sind, sind

farblos; und der Primordialschlauch in ihren Zellen ist nur unbedeutend

oder kaum irgendwie körnig. Aber in der Mehrzahl der Pflanzen im

Naturzustande — und hier müssen wir uns daran erinnern, dasz sie

meistens in sehr fauligem Wasser wachsen — und in Pflanzen, welche

in einem Aquarium mit faulem Wasser gehalten werden, sind die

meisten Drüsen von einer blasz-bräunlichen Färbung; der Primordialschlauch ihrer Zellen war mehr oder weniger geschrumpft, zuweilen gerissen und der ganze Zelleninhalt häufig grob granulirt oder zu kleinen

Massen zusammengeballt. Dasz dieser Zustand der Drüsen eine Folge

davon ist, dasz sie Stoffe aus dem umgebenden Wasser absorbirt

haben, daran kann ich nicht zweifeln, denn wie wir sofort sehen werden, tritt dasselbe Resultat ein, wenn sie wenige Stunden lang in

verschiedene Lösung gelegt werden. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dasz diese Aufsaugung nutzlos ist, wenn wir sehen, dasz sie bei

Pflanzen, welche im Naturzustande wachsen, die Fälle ausgenommen,

wo das Wasser merkwürdig rein ist, beinahe ganz allgemein ist.

Die Stiele der Drüsen, welche dicht an der schlitzförmigen Mündung sowohl auf der Klappe als auch auf dem Kragen stehen, sind

kurz; während die Stiele der entfernter stehenden Drüsen sehr verlängert sind und nach innen vorspringen. Hiernach sind die Drüsen

ganz gut dazu angeordnet, dasz sie von jeder, durch die Mündung

aus der Blase tretenden Flüssigkeit umspült werden. Nach den Erfolgen eines Einlegens unverletzter Blasen in verschiedenartige Lösungen zu urtheilen, schlieszt die Klappe so dicht an, dasz es zweifelhaft ist, ob irgend welche faulige Flüssigkeit für gewöhnlich nach

auszen tritt. Wir müssen uns aber daran erinnern, dasz eine Blase

meistens mehrere Thiere fängt, und dasz jedes Mal, wenn ein frisches

Thier in dieselbe eintritt, ein Stosz fauligen Wassers austreten und

die Drüsen umspülen musz. Überdies habe ich wiederholt gefunden,

dasz, wenn man Blasen, welche Luft enthalten, sanft drückt, äuszerst

kleine Luftbläschen durch die Mündung nach auszen getrieben werden;

und wenn eine Blase auf Löschpapier gelegt und leicht gedrückt wird,

so quillt Wasser heraus. Sobald in diesem letzteren Falle mit dem

Drucke nachgelassen wird, wird Luft eingezogen und die Blase erhält


 

[page break] Cap 17. Absorption durch die Drüsen.

ihre frühere Form wieder. Wenn sie nun unter Wasser gelegt und

wieder leicht gedrückt wird, so kommen sehr kleine Luftbläschen zu

der Öffnung und nirgends anders heraus, wodurch bewiesen wird,

dasz die Wände der Blase nicht gesprengt sind. Ich erwähne dies

deshalb, weil Cohn eine Angabe von Treviranus anführt, dasz Luft

nicht aus einer Blase herausgepreszt werden könne, ohne sie zu zersprengen. Wir können daher schlieszen, dasz, wenn überhaupt Luft

in einer bereits mit Wasser erfüllten Blase abgesondert wird, etwas

Wasser langsam durch die Mündung ausgetrieben werden wird. Ich

kann daher kaum daran zweifeln, dasz die rings um die Mündung

dicht gedrängt stehenden Drüsen dazu angepaszt sind, Stoffe aus dem

fauligen Wasser zu absorbiren, welches gelegentlich aus Blasen, die

zerfallende Thiere enthalten, ausflieszen wird.

Um diese Schluszfolgerung zu prüfen, stellte ich Versuche mit verschiedenen Flüssigkeiten an den Drüsen an. Wie bei den viertheiligen

Fortsätzen wurden auch hier Ammoniaksalze versucht, da sich diese bei

dem endlichen Zerfall thierischer Substanz unter Wasser erzeugen. Unglücklicherweise können die Drüsen nicht sorgfältig untersucht werden,

während sie noch an den Blasen in ihrem unverletzten Zustande angeheftet sind. Es wurden daher die Scheitel der Blasen, welche die Klappe,

den Kragen und die Antennen enthielten, aufgeschlitzt und der Zustand

der Drüsen beobachtet; sie wurden dann, während sie unter einem Deckgläschen lagen, mit den Lösungen benetzt und nach einiger Zeit mit

der nämlichen Vergröszerung wie vorher, nämlich mit dem System Hartnack Nr. 8, wieder untersucht. In dieser Weise wurden die folgenden

Experimente angestellt.

Zu einem Controlversuch wurden zuerst Auflösungen von einem Theile

weiszen Zuckers und von einem Theile Gummi auf 218 Theile Wasser

benutzt, um zu sehen, ob diese in den Drüsen irgendwelche Veränderungen hervorrufen. Es war auch nothwendig, darüber Beobachtungen anzustellen, ob die Drüsen durch das Abschneiden der Gipfel der Blasen afficirt

waren. Es wurden in dieser Weise vier Blasenscheitel versucht; der eine wurde

nach 2 Stunden 30 Minuten und die andern drei nach 23 Stunden untersucht; es war aber in den Drüsen nicht eines einzigen von ihnen eine

ausgesprochene Veränderung eingetreten.

Zwei Blasenscheitel, welche völlig farblose Drüsen trugen, wurden

mit einer Lösung kohlensauren Ammoniaks von derselben Stärke (nämlich

ein Theil auf 218 Theile Wasser) benetzt, und in 5 Minuten war der

Primordialschlauch der meisten Drüsenzellen etwas zusammengezogen; er

war auch in Flecken oder Punkten verdickt und hatte eine blasz-bräunliche Färbung angenommen. Als die Drüsen nach 1 Stunde 30 Minuten

wieder betrachtet wurden, boten die meisten von ihnen ein etwas verschiedenes Ansehen dar. Ein drittes Präparat wurde mit einer schwächeren Lösung, von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 437 Theile


 

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

Wasser, behandelt, und nach 1 Stunde waren die Drüsen blasz braun

und enthielten zahlreiche Körnchen.

Vier Scheitel wurden mit einer Lösung von einem Theile salpetersauren Ammoniaks auf 437 Theile Wasser benetzt. Der eine wurde nach

15 Minuten untersucht, wo die Drüsen etwas afficirt zu sein schienen;

nach 1 Stunde 10 Minuten war die Veränderung bedeutender; der Primordialschlauch war in den meisten Zellen etwas geschrumpft und enthielt

viele Körnchen. In dem zweiten Exemplar war nach 2 Stunden der Primordialschlauch in den Zellen beträchtlicher eingeschrumpft und bräunlich. Ähnliche Wirkungen wurden in den beiden übrigen Exemplaren beobachtet; doch wurden diese nicht vor Ablauf von 21 Stunden untersucht.

Die Kerne vieler der Drüsenzellen hatten augenscheinlich an Grösze zugenommen. Fünf Blasen an einem Zweige, welcher lange Zeit in mäszig

reinem Wasser gehalten worden war, wurden abgeschnitten und untersucht; ihre Drüsen waren sehr wenig modificirt. Der Rest dieses Zweiges

wurde in die Lösung des salpetersauren Salzes gelegt, und nach 21 Stunden wurden zwei Blasen untersucht; alle ihre Drüsen waren bräunlich,

der Primordialschlauch ihrer Zellen etwas geschrumpft und fein granulirt.

Der Scheitel einer andern Blase, deren Drüsen sich in einem wunderschönen klaren Zustande befanden, wurde mit einigen wenigen Tropfen

einer gemischten Lösung von salpetersaurem und phosphorsaurem Ammoniak,

jede von einem Theile auf 437 Theile Wasser, benetzt. Nach 2 Stunden

waren einige wenige von den Drüsen bräunlich. Nach 8 Stunden waren

beinahe sämmtliche oblonge Drüsen braun und viel opaker als sie vorher

gewesen waren; ihr Primordialschlauch war etwas eingeschrumpft und

enthielt ein wenig zusammengeballte granulöse Substanz. Die sphärischen

Drüsen waren noch immer weisz, aber ihre Primordialschläuche waren in

drei oder vier hyaline Kugeln aufgebrochen, mit einer unregelmäszig zusammengezogenen Masse in der Mitte des basalen Theils. Diese kleineren

Kugeln änderten im Laufe einiger wenigen Stunden ihre Form, und einige

von ihnen verschwanden. Am nächsten Morgen, nach 23 Stunden 30

Minuten, waren sie sämmtlich verschwunden und die Drüsen waren braun;

der Primordialschlauch der Zellen bildete nun eine kuglige zusammengeschrumpfte Masse in der Mitte. Der Primordialschlauch in den Zellen

der oblongen Drüsen war sehr wenig geschrumpft, der Inhalt war aber

etwas zusammengeballt. Endlich wurde der Scheitel einer Blase, welche

vorher 21 Stunden lang mit einer Lösung eines Theils Zucker auf 218

Theile Wasser ohne irgend welche Wirkung benetzt worden war, mit der

erwähnten gemischten Lösung behandelt; und nach 8 Stunden 30 Minuten wurden alle Drüsen braun, ihr Primordialschlauch unbedeutend geschrumpft.

Vier Scheitel wurden mit einem fauligen Aufgusse von rohem Fleisch

benetzt. Einige Stunden lang wurde in den Drüsen keine Veränderung

bemerkbar; aber nach 24 Stunden waren die meisten derselben bräunlich

geworden und opaker und körniger als sie vorher gewesen waren. In

diesen Exemplaren, ebenso wie in den mit den Ammoniaksalzen befeuchteten, schienen die Kerne sowohl an Grösze als auch an Festigkeit zugenommen zu haben, sie wurden aber nicht gemessen. Fünf Scheitel wurden auch mit einem frischen Aufgusse von rohem Fleisch benetzt; von


 

[page break] Cap. 17. Absorption durch die Drüsen.

diesen waren drei in 24 Stunden durchaus gar nicht afficirt; die Drüsen

der beiden andern waren aber vielleicht etwas körniger geworden. Eines

der Exemplare, welches nicht afficirt worden war, wurde dann mit der

gemischten Lösung des salpetersauren und phosphorsauren Ammoniaks benetzt und nach nur 25 Minuten enthielten die Drüsen von vier oder fünf

bis zu einem Dutzend Körnchen. Nach weiteren 6 Stunden war ihr

Primordialschlauch bedeutend geschrumpft.

Der Scheitel einer Blase wurde untersucht und sämmtliche Drüsen

farblos gefunden, auch war der Primordialschlauch ihrer Zellen durchaus

nicht eingeschrumpft; doch enthielten viele von den oblongen Drüsen

kleine, mit dem System Hartnack No. 8 gerade noch auflösbare Körnchen.

Er wurde dann mit einigen wenigen Tropfen einer Lösung von einem

Theil Harnstoff auf 218 Theile Wasser benetzt. Nach 2 Stunden 25 Minuten waren die sphärischen Drüsen noch immer farblos, während die

länglichen und zweiarmigen von einer bräunlichen Färbung und ihre Primordialschläuche bedeutend geschrumpft waren, auch einige deutlich sichtbare Körnchen enthielten. Nach 9 Stunden waren einige der kugligen

Drüsen bräunlich und die oblongen Drüsen waren noch mehr verändert,

sie enthielten aber weniger einzelne Körnchen; andererseits erschienen ihre

Kerne gröszer, als wenn sie Körnchen absorbirt hätten. Nach 23 Stunden waren sämmtliche Drüsen braun; der Primordialschlauch ihrer Zellen

war bedeutend geschrumpft und in vielen Fällen durchbrochen.

Es wurde nun mit einer Blase ein Versuch gemacht, welche bereits

etwas von dem umgebenden Wasser afficirt worden war; denn obschon

die sphärischen Drüsen farblos waren, war doch der Primordialschlauch

in ihren Zellen unbedeutend geschrumpft: auch waren die oblongen Drüsen bräunlich und deren Primordialschläuche bedeutend, aber unregelmäszig

eingeschrumpft. Der Scheitel wurde mit der Harnstoffauflösung behandelt,

wurde aber in 9 Stunden wenig von ihr afficirt; nichtsdestoweniger waren

in 23 Stunden die sphärischen Drüsen braun, der Primordialschlauch ihrer

Zellen mehr geschrumpft; mehrere von den andern Drüsen waren noch

brauner und ihr Primordialschlauch in unregelmäszige kleine Massen zusammengezogen.

Zwei andere Scheitel, deren Drüsen farblos und deren Primordialschläuche nicht geschrumpft waren, wurden mit derselben Harnstofflösung

behandelt. Nach 5 Stunden boten viele der Drüsen einen Stich in's

Braune dar, auch war der Primordialschlauch unbedeutend geschrumpft.

Nach 20 Stunden 40 Minuten waren einige wenige von ihnen ganz braun

und enthielten unregelmäszig zusammengeballte Massen; andere waren

noch immer farblos, trotzdem der Primordialschlauch geschrumpft war;

aber die gröszere Anzahl war nicht bedeutend afficirt. Dies war ein gutes

Beispiel dafür, wie ungleich die Drüsen an einer und der nämlichen Blase

zuweilen afficirt werden; wie es auch häufig bei Pflanzen vorkommt, die

in faulem Wasser wachsen. Zwei andere Scheitel wurden mit einer Auflösung behandelt, welche während mehrerer Tage in einem warmen Zimmer

gehalten worden war; als sie nach 21 Stunden untersucht wurden, waren

ihre Drüsen durchaus gar nicht afficirt.

Eine schwächere Auflösung von einem Theile Harnstoff auf 437

Theile Wasser wurde dann an den Scheiteln von sechs Blasen versucht,


 

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

welche sämmtlich sorgfältig untersucht wurden, ehe sie benetzt wurden.

Der erste wurde nach 8 Stunden 30 Minuten untersucht: die Drüsen, mit

Einschlusz der sphärischen, waren braun; bei vielen von den oblongen

Drüsen war der Primordialschlauch der Zellen bedeutend geschrumpft und

umschlosz Körnchen. Der zweite Scheitel war, ehe er mit der Lösung benetzt wurde, etwas von dem umgebenden Wasser afficirt worden, denn die

sphärischen Drüsen waren in ihrer äuszeren Erscheinung nicht völlig

gleichförmig; auch waren einige wenige der oblongen braun und ihr Primordialschlauch geschrumpft. Von den oblongen Drüsen waren diejenigen,

welche vorher farblos gewesen waren, in 3 Stunden 12 Minuten nach der

Benetzung braun, der Primordialschlauch schrumpfte zusammen. Die sphärischen Drüsen wurden nicht braun, aber ihr Zelleninhalt wurde dem

Aussehn nach verändert und war nach 23 Stunden noch mehr verändert

und granulirt. Die meisten der oblongen Drüsen waren jetzt dunkel braun,

aber ihre Primordialschläuche waren nicht sehr eingeschrumpft. Die vier

andern Präparate wurden nach 3 Stunden 20 Minuten, nach 4 Stunden

und nach 9 Stunden untersucht; es wird genügen, kurz ihren Zustand zu

schildern. Die sphärischen Drüsen waren nicht braun, einige von ihnen

aber waren fein körnig. Viele von den andern Drüsen waren braun; und

bei diesen, ebenso wie bei andern, welche noch immer farblos blieben,

war der Primordialschlauch in den Zellen mehr oder weniger geschrumpft,

bei einigen unter ihnen enthielt er kleine zusammengeballte Massen von

Substanz.

Zusammenfassung der Beobachtungen über Absorption. — Nach den jetzt mitgetheilten Thatsachen kann darüber kein

Zweifel sein, dasz die verschiedenartig geformten Drüsen auf der

Klappe und rings um den Kragen die Fähigkeit haben, Stoffe aus

schwachen Auflösungen von gewissen Ammoniaksalzen und von Harnstoff und aus einem fauligen Aufgusse von rohem Fleisch zu absorbiren. Professor Cohn glaubt, dasz sie eine schleimige Substanz absondern; ich war aber nicht im Stande, irgend eine Spur einer solchen

Thätigkeit wahrzunehmen, ausgenommen, dasz nach Eintauchen in

Alkohol zuweilen äuszerst feine Linien sich strahlenförmig auf ihren

Oberflächen verbreitend gesehen werden konnten. Die Drüsen werden

durch die Aufsaugung verschiedenartig afficirt; sie werden oft braun,

zuweilen enthalten sie sehr feine Körnchen oder mäszig grosze Körner,

oder unregelmäszig zusammengeballte kleine Massen; zuweilen scheinen die Kerne an Grösze zugenommen zu haben; der Primordialschlauch ihrer Zellen ist meistens mehr oder weniger geschrumpft und

zuweilen durchbrochen. Genau die nämlichen Veränderungen sind an

den Drüsen von Pflanzen zu beobachten, welche in faulem Wasser

wachsen und gedeihn. Die sphärischen Drüsen werden meistens etwas


 

[page break] Cap. 17. Zusammenfassung über Absorption.

verschieden afficirt von den oblongen und zweiarmigen. Die erstern

werden nicht so gewöhnlich braun und die Einwirkung auf dieselben

ist langsamer. Wir können daher schlieszen, dasz sie in ihren natürlichen Functionen etwas von einander abweichen.

Es ist merkwürdig, wie ungleichmäszig die Drüsen an den Blasen

an einem und demselben Zweige und selbst die Drüsen der nämlichen

Art an einer und derselben Blase durch das faulende Wasser, in welchem die Pflanzen gewachsen sind, ebenso wie durch die Lösungen,

welche zur Anwendung kommen, afficirt werden. Im erstgenannten

Falle vermuthe ich, dasz dies Folge ist entweder von kleinen, Stoffe

zu einigen Drüsen aber nicht zu andern hinzuführenden Strömungen,

oder von unbekannten Verschiedenheiten in ihrer Constitution. Wenn

die Drüsen an der nämlichen Blase verschiedentlich von einer Lösung

afficirt werden, so können wir vermuthen, dasz einige von ihnen vorher schon eine geringe Menge von Substanz aus dem Wasser absorbirt hatten. Wie sich dies aber auch verhalten mag, wir haben auch

gesehn, dasz die Drüsen an einem und demselben Blatte der Drosera

sehr ungleich afficirt wurden, ganz besonders, wenn sie der Einwirkung gewisser Dämpfe ausgesetzt wurden.

Wenn Drüsen, welche bereits braun geworden waren und deren Primordialschlauch bereits eingeschrumpft war, mit einer der wirksamen

Lösungen benetzt werden, so erfolgt gar keine oder nur eine unbedeutende und langsame Einwirkung. Ich habe niemals irgend eine

Erscheinung gesehn, welche es wahrscheinlich machte, dasz Drüsen,

welche durch die Absorption von Substanz irgend welcher Art stark

afficirt waren, ihren ursprünglichen, farblosen und homogenen Zustand

und das Absorptionsvermögen wieder zu erlangen im Stande wären.

Nach der Natur der zu den Versuchen dienenden Lösungen nehme

ich an, dasz von den Drüsen Stickstoff absorbirt wird; aber weder

ich selbst noch mein Sohn haben jemals gesehn, dasz der modificirte,

bräunliche, mehr oder weniger eingeschrumpfte und zusammengeballte

Inhalt der oblongen Drüsen jene spontanen Formveränderungen erlitten

hätte, welche characteristisch für das Protoplasma sind. Andererseits

trennte sich der Zelleninhalt der gröszeren sphärischen Drüsen häufig

in kleine hyaline Kügelchen oder unregelmäszig geformte Massen,

welche ihre Form sehr langsam veränderten und schlieszlich verschmolzen, um eine centrale zusammengeschrumpfte Masse zu bilden.

Was auch immer die Natur des Zelleninhalts der verschiedenen Drüsen


 

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

arten sein mag, so ist es, nachdem faulendes Wasser oder eine der

stickstoffhaltigen Lösungen eingewirkt haben, wahrscheinlich, dasz die

in dieser Weise erzeugte Substanz für die Pflanze von Nutzen ist und

schlieszlich nach andern Theilen weiter geschafft wird.

Die Drüsen absorbiren augenscheinlich schneller als die viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze: und nach der oben aufgestellten

Ansicht, nämlich dasz sie Substanz aus dem gelegentlich aus den

Blasen abflieszenden faulenden Wasser absorbiren, müssen sie auch

schneller wirken als die Fortsätze; die letzteren bleiben ja in beständiger Berührung mit gefangenen und sich zersetzenden Thieren.

Die Schluszfolgerung endlich, zu welcher wir durch die vorstehend geschilderten Experimente und Beobachtungen geführt werden,

ist die, dasz die Blasen nicht die Fähigkeit haben, animale Substanz

zu verdauen, obschon augenscheinlich die viertheiligen Fortsätze von

einem frischen Aufgusse von rohem Fleisch etwas afficirt werden.

Es ist sicher, dasz die Fortsätze innerhalb der Blasen und die Drüsen

auszerhalb derselben Substanz aus Ammoniaksalzen, aus einem faulenden Aufgusz von rohem Fleisch und aus Harnstoff absorbiren. Eine

Auflösung von Harnstoff wirkt augenscheinlich stärker und ein Aufgusz von rohem Fleisch weniger stark auf die Drüsen ein als auf

die Fortsätze. Die Thatsache mit dem Harnstoff ist besonders interessant, weil wir gesehen haben, dasz er auf Drosera keine Wirkung hervorbringt, deren Blätter dazu angepaszt sind, frische animale

Substanz zu verdauen. Aber die bedeutungsvollste Thatsache von

allen ist, dasz in der vorliegenden wie in den folgenden Arten die

viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze von Blasen, welche zerfallene Thiere enthalten, kleine Massen von sich spontan bewegendem

Protoplasma einschlieszen, während derartige Blasen in vollkommenen

reinen Blasen niemals zu sehen sind.

Entwickelung der Blasen. — Mein Sohn und ich verwandten viel Zeit auf diesen Gegenstand, aber mit geringem Erfolge.

Unsere Beobachtungen beziehen sich auf die vorliegende Art und auf

Utricularia vulgaris, wurden aber hauptsächlich an der letzteren angestellt, da dort die Blasen zweimal so grosz sind wie an der Utricularia neglecta. In der ersten Zeit des Herbstes endigen die Stengel

in groszen Knospen, welche abfallen und während des Winters ruhend

auf dem Boden liegen. Die jungen, diese Knospen bildenden Blätter

tragen Blasen auf verschiedenen Stufen früher Entwickelung. Wenn


 

[page break] Cap. 17. Entwickelung der Blasen.

die Blasen der Utricularia vulgaris ungefähr   Zoll (0,254 Mm.)

im Durchmesser haben (oder   Zoll bei Utricularia neglecta), so

haben sie einen kreisförmigen Umrisz, eine schmale, beinahe geschlossene, quere Mündung, welche in eine mit Wasser gefüllte Höhle

führt; die Blasen sind aber schon hohl, wenn sie noch viel unter 

Zoll Durchmesser haben. Die Mündungen sehen nach innen oder nach

der Axe der Pflanze hin. Auf diesem früheren Stadium sind die

Blasen in der Ebene, in welcher die Mündung liegt, und daher rechtwinklig auf die Stellung der reifen Blasen abgeplattet. Sie sind

äuszerlich mit Papillen verschiedener Grösze bedeckt, von denen viele

einen elliptischen Umrisz haben. Ein aus einfachen verlängerten

Zellen gebildetes Gefäszbündel läuft den kurzen Stiel hinauf und theilt

sich an der Basis der Blase. Ein Zweig desselben erstreckt sich die

Mitte der dorsalen Fläche, das andere die Mitte der ventralen Fläche

hinauf. Bei völlig ausgewachsenen Blasen theilt sich das ventrale

Bündel dicht unterhalb des Kragens und die beiden Zweige laufen an

jeder Seite bis nahe zu der Stelle, wo sich der Kragen mit den Winkeln der Klappen vereinigt; diese Zweige konnten aber an jungen

Blasen nicht erkannt werden.

Die beistehende Figur (Fig. 23) stellt einen Durchschnitt dar,

welcher zufällig genau durch die Mitte gieng, den Stiel hinauf und

zwischen den sich entwickelnden Antennen einer Blase von Utricularia

vulgaris von   Zoll im Durchmesser. Das Exemplar war weich

und die junge Klappe löste sich vom Kragen

in einem bedeutenderen Grade ab, als es natürlich ist, und wurde, so dargestellt. Wir sehn

hier deutlich, dasz die Klappe und der Kragen

faltenartige Verlängerungen der Wandungen der

Blase nach innen sind. Selbst in diesem frühen

Alter konnten Drüsen an der Klappe entdeckt

werden. Der Zustand der viertheiligen Fortsätze wird sofort beschrieben werden. Die Antennen bestehn auf dieser Entwickelungsperiode

aus sehr kleinen zelligen Vorsprüngen (in der

[Abbildung     

Fig. 23. (Utricularia vulgaris.)

Längsdurchschnitt durch eine

junge Blase,   Zoll lang, mit

weit offener Mündung.]

obigen Figur nicht mit gezeichnet, da sie nicht in der mittleren

Ebene liegen), welche bald Ansätze von Borsten tragen. In fünf

Fällen waren die jungen Antennen nicht von vollständig gleicher

Länge; und diese Thatsache ist verständlich, wenn ich in der Annahme


 

[page break] Utricularia neglecta. Cap. 17.

Recht habe, dasz sie zwei Abtheilungen des Blattes entsprechen,

welche vom Ende der Blase ausgehn; denn bei echten Blättern sind,

so lange sie sehr jung sind, nach dem, was ich gesehen habe, die

Fiedertheile niemals genau einander gegenüber gestellt. Sie müssen

sich daher eine nach der andern entwickeln, und das wird auch mit

den beiden Antennen der Fall sein.

Auf einem viel früheren Stadium, wenn die halb entwickelten

Blasen nur   Zoll (0,0846 Mm.) Durchmesser haben oder wenig

mehr, bieten sie ein gänzlich verschiedenes Ausehn dar. Eine solche

ist auf der linken Seite der beistehenden Figur dargestellt (Fig. 24).

[Abbildung      Fig. 24. (Utricularia vulgaris.) Junges Blatt aus einer Winterknospe, welches auf

der linken Seite eine Blase in ihrem frühesten Entwickelungsstadium zeigt.]

Die jungen Blätter haben in diesem Alter breite abgeplattete Segmente, an welchen die späteren Theilungen durch Vorragungen angedeutet sind, wie auf der rechten Seite der Figur eine solche gezeichnet

ist. In einer groszen Anzahl von Präparaten, welche mein Sohn untersucht hat, erschienen die jungen Blasen so, als würden sie durch

das schräge Überschlagen der Spitze und des mit einer Vorragung

versehenen einen Randes gegen den gegenüberstehenden Rand gebildet.

Die kreisförmige Höhlung zwischen der eingefalteten Spitze und der

eingefalteten Vorragung zieht sich augenscheinlich zu der engen Mündung zusammen, worin die Klappe und der Kragen entwickelt wird,

während die Blase selbst durch den Zusammenflusz der einander gegenüberliegenden Ränder des übrigen Blattes gebildet wird. Gegen diese

Ansicht lassen sich aber schwere Einwendungen erheben; denn wir

müssen in diesem Falle vermuthen, dasz die Klappe und der Kragen

unsymmetrisch von den Seiten der Spitze und Vorragung aus entwickelt


 

[page break] Cap. 17. Entwickelung der Blasen.

werden. Überdies haben sich Bündel von Gefäszgewebe in Zügen zu

bilden, welche zu der ursprünglichen Form des Blattes in gar keiner

Beziehung stehn. So lange noch nicht die Existenz von Übergangsformen zwischen diesem frühesten Stadium und einer jungen, aber

doch vollkommen entwickelten Blase nachgewiesen werden kann, musz

die Sache zweifelhaft bleiben.

Da die viertheiligen und zweispaltigen Fortsätze eine der gröszten

Eigenthümlichkeiten dieser Gattung darbieten, beobachtete ich deren

Entwickelung bei Utricularia neglecta. Bei Blasen von ungefähr 

Zoll Durchmesser ist die innere Oberfläche dicht mit Papillen bedeckt,

welche sich von kleinen, an der Verbindungsstelle gröszerer stehenden

Zellen aus erheben. Diese Papillen bestehn aus einem zarten conischen

Vorsprung, welcher sich in einen sehr kurzen Stiel verschmälert und

an seiner Spitze zwei äuszerst kleine Zellen trägt. Sie nehmen danach dieselbe relative Stellung ein, wie die Papillen an der Auszenseite der Blasen und auf den Flächen der Blätter, sind diesen auch

sehr ähnlich, ausgenommen dasz sie kleiner und eher etwas vorspringender sind. Die zwei endständigen Zellen der Papillen verlängern sich zuerst in einer der inneren Oberfläche der Blase parallelen

Richtung. Dann wird eine jede durch eine Längsscheidewand getheilt.

Bald trennen die sich hierdurch bildenden halben Zellen von einander;

wir haben nun vier Zellen vor uns oder einen beginnenden viertheiligen Fortsatz. Da für die zwei neuen Zellen kein Platz vorhanden

ist, in ihrer ursprünglichen Ebene an Breite zuzunehmen, gleitet die

eine theilweise unter die andere. Ihre Art zu wachsen verändert sich

nun, und anstatt ihrer Spitzen fahren nun ihre äuszeren Seiten zu

wachsen fort. Die zwei untern Zellen, welche theilweise unter die

beiden oberen geglitten sind, bilden das längere und aufrechter stehende

Fortsatzpaar, während die beiden oberen Zellen das kürzere und horizontalere Paar bilden, so dasz nun alle vier zusammen einen vollkommenen viertheiligen Fortsatz bilden. Eine Spur der anfänglichen

Theilung zwischen den beiden Zellen auf dem Scheitel der Papillen

kann man noch zwischen den Basen der längeren Fortsätze sehn.

Die Entwickelung der viertheiligen Fortsätze wird sehr leicht unterbrochen. Ich habe eine   Zoll lange Blase gesehn, welche nur ursprüngliche Papillen umschlosz, und eine andere Blase, ungefähr von

der halben vollen Grösze, in welcher die viertheiligen Fortsätze sich

noch auf einem frühen Entwickelungsstadium befanden.

Darwin, Insectenfressende Pflanzen (VIII.) 25

[page break] Utricularia vulgaris. Cap. 17.

Soweit ich es ermitteln konnte, entwickeln sich die zweispaltigen

Fortsätze in der nämlichen Weise wie die viertheiligen, ausgenommen

dasz die zwei endständigen Zellen sich niemals theilen und nur an

Länge zunehmen. Die Drüsen auf der Klappe und dem Kragen erscheinen in einem so frühen Alter der Blase, dasz ich ihre Entwickelung nicht verfolgen konnte; wir können aber vernünftigerweise

vermuthen, dasz sie sich aus Papillen entwickeln ähnlich denen auf

der Auszenseite der Blase, aber ohne dasz sich ihre terminalen Zellen

in zwei theilen. Die beiden, die Stiele der Drüsen bildenden Segmente

entsprechen wahrscheinlich der conischen Protuberanz und dem kurzen

Stiel der viertheiligen und zweitheiligen Fortsätze. Ich werde in dieser Annahme, dasz sich die Drüsen aus Papillen entwickeln, welche

denen an der Auszenseite der Blase gleich sind, durch die Thatsache

bestärkt, dasz sich bei Utricularia amethystina die Drüsen der ganzen

ventralen Oberfläche der Blase entlang bis dicht an den Stiel hin

erstrecken.

Utricularia vulgaris.

Ich erhielt durch Dr. Hooker lebende Pflanzen aus Yorkshire. Diese

Art weicht von der vorhergehenden darin ab, dasz die Stengel und Blätter

dicker und gröber sind; ihre Fiedertheilungen bilden einen spitzeren Winkel gegen einander; die Einschnitte an den Blättern tragen drei oder

vier kurze Borsten anstatt einer, und die Blasen sind zweimal so grosz,

oder ungefähr ⅕ Zoll (5,08 Mm.) im Durchmesser. In allen wesentlichen

Beziehungen sind die Blasen denjenigen der Utricularia neglecta ähnlich,

aber die Seiten des Peristoms sind vielleicht ein wenig mehr vorspringend

und tragen immer, so weit ich es gesehen habe, sieben oder acht lange

vielzellige Borsten. An jeder Antenne finden sich elf lange Borsten, mit

Einschlusz des terminalen Paares. Fünf, Beute irgend welcher Art enthaltende Blasen wurden untersucht; die erste enthielt fünf Cypris, einen

groszen Copepoden und einen Diaptomus, die zweite eine Cypris, die

dritte ein einziges ziemlich groszes Krustenthier, die vierte sechs und die

fünfte zehn Crustaceen. Mein Sohn untersuchte die viertheiligen Fortsätze in einer Blase, welche die Überreste von zwei Krustenthieren enthielt und fand einige derselben voll von sphärischen und unregelmäszig

geformten Massen von Substanz, welche in Bewegung und Verschmelzung

beobachtet wurden. Es bestanden daher diese Massen aus Protoplasma.

Utricularia minor.

Diese seltene Art wurde mir durch die Freundlichkeit des Mr. John

Price im lebenden Zustande aus Cheshire geschickt. Die Blätter und

Blasen sind viel kleiner als die der Utricularia neglecta. Die Blätter

tragen weniger und kürzere Borsten und die Blasen sind kugliger. Die

Antennen sind, anstatt vorn vor den Blasen vorzuspringen, unter die

Klappe gebogen und mit zwölf oder vierzehn äuszerst langen vielzelligen,

meistens paarweise angeordneten Borsten bewaffnet. Dieselben bilden mit


 

[page break] Cap. 17. Utricnlaria clandestina.

sieben oder acht langen Borsten an beiden Seiten des Peristoms eine Art

von Netz über der Klappe, welches allen Thieren, ausgenommen sehr

kleinen, den Eintritt in die Blase verwehren dürfte. Die Klappe und der

Kragen haben dieselbe wesentliche Structur wie in den beiden vorigen

Species; aber die Drüsen sind nicht ganz so zahlreich: die oblongen sind

eher etwas mehr verlängert, während die zweiarmigen eher etwas kürzer

sind. Die vier Borsten, welche schräg vom untern Rande der Klappe

vorspringen, sind kurz. Ihre Kürze, verglichen mit denen an den Klappen

der vorausgehenden Species, ist verständlich, wenn meine Ansicht richtig

ist, dasz sie dazu dienen, zu grosze Thiere daran zu hindern, sich einen

Eingang durch die Klappe zu erzwingen und sie dabei zu verletzen; denn

die Klappe wird bereits in einem gewissen Grade durch die eingebogenen

Antennen, in Verbindung mit den seitlichen Borsten beschützt. Die zweispaltigen Fortsätze sind denen in den vorausgehenden Species gleich; aber die viertheiligen sind dadurch von jenen verschieden, dasz die vier Arme (Fig. 25)

nach der nämlichen Seite hingerichtet sind; die zwei längeren

stehn in der Mitte und die beiden kürzeren an der äuszeren

Seite.

Die Pflanzen wurden in der Mitte des Juli gesammelt;

es wurde der Inhalt von Blasen untersucht, welche wegen

ihrer opaken Beschaffenheit voll von Beute zu sein schienen.

Die erste enthielt nicht weniger als vierundzwanzig sehr

kleine Süszwasser-Crustaceen, von denen die meisten aus

[Abbildung     

Fig. 25. (Utricularia minor). Viertheiliger Fortsatz,

stark vergröszert.]

leeren Schaalen bestanden, oder nur einige wenige Tropfen rother öliger

Substanz einschlossen; die zweite enthielt zwanzig, die dritte fünfzehn,

die vierte zehn, unter denen einige gröszer als gewöhnlich waren; und

die fünfte, welche ganz voll gestopft zu sein schien, enthielt nur sieben,

aber von diesen waren fünf von ungewöhnlich bedeutender Grösze. Nach

diesen fünf Blasen zu urtheilen besteht daher die Beute ausschlieszlich

aus Süszwasser-Crustaceen, von denen die meisten von den in den Blasen

der zwei früheren Arten gefundenen verschiedene Species zu sein scheinen. In einer Blasen enthielten die viertheiligen Fortsätze, welche mit

einer zerfallenden Masse in Berührung standen, zahlreiche Kugeln granulirter Substanz, welche langsam ihre Form und Stellung änderten.

Utricularia clandestina.

Diese nordamericanische Species, welche gleich den drei vorhergehenden im Wasser lebt, ist von Mrs. Treat in New Jersey beschrieben worden, deren ausgezeichnete Beobachtungen bereits vielfach angeführt wurden. Ich habe bis jetzt noch keine ausführliche Beschreibung der Blase

durch Mrs. Treat gesehen, es scheint aber, als sei sie mit viertheiligen

Fortsätzen ausgekleidet. Eine ungeheure Anzahl gefangener Thiere wurde

innerhalb der Blasen gefunden, einige davon waren Crustaceen, aber die

grosze Mehrzahl waren zarte, gestreckte Larven, ich vermuthe von Culiciden. An einigen Stengeln »enthielten reichlich neun unter je zehn

Blasen derartige Larven oder ihre Überreste.« Die Larven »boten noch

Lebenszeichen dar in einer Zeit von vierundzwanzig bis sechsunddreiszig

Stunden, nachdem sie gefangen worden waren,« und giengen dann schnell

zu Grunde.

25*

[[388]/0402]

Achtzehntes Capitel.

Utricularia (Fortsetzung).

Utricularia montana. — Beschreibung der Blasen an den unterirdischen Wurzelstöcken. — Beute, welche die Blasen bei Pflanzen im Culturzustande und im

Naturzustande fangen. — Absorption durch die viertheiligen Fortsätze und

durch die Drüsen. — Knollen, welche als Wasserbehälter dienen. — Verschiedene andere Arten von Utricularia. — Polypompholyx. — Genlisea: verschiedene Natur der Falle zum Fangen von Beute. — Verschiedenartige Methoden,

durch welche sich Pflanzen ernähren.

Utricularia montana. — Diese Species bewohnt die tropischen

Theile von Süd-America und soll epiphytisch leben; aber nach dem

Zustande der Wurzeln einiger getrockneten Exemplare in dem Herbarium

in Kew zu urtheilen, gedeiht sie gleichfalls in

der Erde, wahrscheinlich in Felsenspalten. In

englischen Gewächshäusern wird sie in Torfboden gezogen. Lady Dorothy Nevill war so

freundlich, mir eine schöne Pflanze zu geben,

und eine andere erhielt ich von Dr. Hooker.

Die Blätter sind ganz, anstatt wie in den vorhergehenden, im Wasser lebenden Species sehr

zertheilt zu sein. Sie sind verlängert, ungefähr

1½ Zoll breit, und mit einem deutlichen Stiel

versehn. Die Pflanze bringt zahlreiche farblose

Rhizome hervor, so dünn wie Fäden, welche

kleine Blasen tragen und gelegentlich zu Knollen

[Abbildung      Fig. 26. (Utricularia montana.) Wurzelstock in einen

Knollen angeschwollen; die

Zweige tragen sehr kleine Blasen; natürliche Grösze.]

anschwellen, wie später beschrieben werden wird.

Diese Rhizome erscheinen genau wie Wurzeln, aber schicken gelegentlich grüne Schöszlinge ab. Sie durchdringen das Erdreich gewöhnlich

bis zur Tiefe von mehr als 2 Zoll; aber wenn die Pflanze als Epiphyt


 

[page break] Cap. 18. Beschreibung der Blasen.

wächst, müssen sie zwischen dem Moos, den Wurzeln, verwester

Rinde etc., mit welchen die Bäume jener Länder dicht bedeckt sind,

zwischen durchkriechen.

Da die Blasen an die Rhizome befestigt sind, so sind sie jedenfalls unterirdisch. Sie werden in auszerordentlicher Anzahl hervorgebracht. Eine meiner Pflanzen, obgleich jung, musz mehrere hundert

getragen haben; denn ein einziger Zweig aus einem verwirrten Haufen

hatte zweiunddreiszig, und ein anderer Zweig, ungefähr 2 Zoll lang,

(aber sein Ende und ein Seitenzweig war abgebrochen), hatte dreiundsiebzig Blasen 1. Die Blasen sind zusammengedrückt und abgerundet;

ihre untere Fläche, oder die zwischen der Spitze des langen zarten

Stieles und der Klappe, ist auszerordentlich kurz (Fig. 27). Sie sind

[Abbildung      Fig. 27. (Utricularia montana.) Blase, ungefähr 27 mal vergröszert.]

farblos und beinahe so durchsichtig wie Glas, so dasz sie kleiner erscheinen als sie wirklich sind; die gröszte war unter   Zoll (1,27

Mm.) in ihrem längeren Durchmesser. Sie werden von ziemlich groszen

eckigen Zellen gebildet, an deren Verbindungen oblonge Papillen vorspringen, welche denen auf der Oberfläche der Blasen bei den vorher

1 Prof. Oliver hat eine Pflanze von Utricularia Jamesoniana abgebildet

(Proceed. Linn. Soc. Vol. IV. p. 169), welche ungetheilte Blätter und Rhizome

gleich denen unserer Species hat; aber die Ränder der terminalen Hälften einiger

Blätter sind in Blasen verwandelt. Diese Thatsache weist deutlich darauf hin, dasz

die Blasen auf den Rhizomen der gegenwärtigen und der folgenden Arten modificirte Segmente des Blattes sind; sie werden dadurch mit den an die getheilten

und schwimmenden Blätter der in Wasser lebenden Arten gehefteten Blasen in

Übereinstimmung gebracht.


 

[page break] Utricularia montana. Cap. 18.

gehenden Species entsprechen. Gleiche Papillen sind in groszer Menge

auf den Rhizomen und selbst auf den ganzen Blättern vorhanden,

aber sie sind etwas breiter auf den letzteren. Gefäsze, die mit parallelen Balken, anstatt mit einer Spirallinie gezeichnet sind, laufen

die Stiele hinauf und treten gerade in die Basen der Blasen; aber

sie theilen sich nicht gabelförmig und erstrecken sich nicht die

dorsalen und ventralen Flächen hinauf wie in den vorhergehenden

Arten.

Die Antennen sind von mäsziger Länge und laufen in eine feine

Spitze aus; sie sind von den vorher beschriebenen in so fern augenfällig verschieden, dasz sie nicht mit Borsten bewaffnet sind. Ihre

Basen sind so plötzlich gebogen, dasz ihre Spitzen gewöhnlich eine

auf jeder Seite der Mitte der Blase liegen, aber manchmal nahe dem

Rand. Ihre gekrümmten Basen bilden so ein Dach über der Höhlung,

in welcher die Klappe liegt; aber es ist immer auf jeder Seite ein

kleiner runder Gang in die Höhlung frei gelassen, wie in der Zeichnung zu sehen ist, ebenso wie ein schmaler Gang zwischen den Basen

der beiden Antennen. Da die Blasen unterirdisch sind, würde die

Höhlung, in welcher die Klappe liegt, wenn nicht das Dach vorhanden wäre, leicht mit Erde und Abfällen verstopft werden; so dasz

die Krümmungen der Antennen eine nützliche Einrichtung ist. Es

sind keine Borsten auf der Auszenseite des Kragens oder Peristoms

vorhanden, wie in den vorhergehenden Species.

Die Klappe ist klein und steil geneigt und stöszt mit ihrem

freien hinteren Rand gegen einen halbkreisförmigen, tief niedersteigenden Kragen an. Sie ist mäszig durchsichtig und trägt zwei Paar

kurze steife Borsten, in derselben Stellung wie in den andern Arten.

Das Vorhandensein dieser vier Borsten, im Gegensatz zu der Abwesenheit jener an den Antennen und dem Kragen, zeigt an, dasz sie

von functioneller Wichtigkeit sind, nämlich, wie ich glaube, um zu

verhindern, dasz grosze Thiere sich einen Eintritt durch die Klappe

erzwingen. Die vielen Drüsen verschiedener Formen, welche an die

Klappe und ringsum den Kragen in den vorhergehenden Species geheftet sind, fehlen hier, mit Ausnahme von ungefähr einem Dutzend

der zweiarmigen oder quer verlängerten Art, welche nahe dem Rand

der Klappe sitzen und auf sehr kurze Stiele geheftet sind. Diese

Drüsen sind nur   Zoll (0,019 Mm.) lang; obgleich sie so klein

sind, fungiren sie doch als aufsaugende Organe. Der Kragen ist dick,


 

[page break] Cap. 18. Gefangene Thiere.

steif und beinahe halbkreisförmig; er wird von demselben sonderbaren

bräunlichen Gewebe gebildet, wie in den früheren Species.

Die Blasen sind mit Wasser gefüllt, und schlieszen manchmal

Luft ein. Sie tragen innen ziemlich kurze, dicke, viertheilige Fortsätze in annähernd concentrischen Reihen angeordnet. Die zwei

Paar Arme, aus denen sie gebildet werden, variiren nur wenig in der

Länge, und stehen in einer eigenthümlichen Stellung (Fig. 28); die

zwei längeren bilden eine Linie und die zwei kürzeren eine andere

[Abbildung      Fig. 28. (Utricularia montana.) Einer der viertheiligen Eortsätze;

stark vergröszert.]

parallele Linie. Jeder Arm schlieszt eine kleine kuglige Masse von

bräunlicher Substanz ein, welche, wenn sie zerdrückt wird, in eckige

Stücke zerbricht. Ich habe keinen Zweifel daran, dasz diese Kugeln

Kerne sind, denn sehr nahe ähnliche sind in den Zellen vorhanden,

welche die Wände der Blasen bilden. Zweispaltige Fortsätze, welche

ziemlich kurze ovale Arme haben, erheben sich in der gewöhnlichen

Stellung von der inneren Seite des Kragens.

Diese Blasen gleichen daher in allen wesentlichen Theilen den

gröszeren der vorhergehenden Species. Sie weichen von ihnen hauptsächlich in der Abwesenheit der zahlreichen Drüsen auf der Klappe

und rings um den Kragen herum ab, indem nur einige wenige kleine

einer Art an der Klappe vorhanden sind. Noch augenfälliger sind sie

durch die Abwesenheit der langen Borsten an den Antennen und an

der Auszenseite des Kragens von jenen verschieden. Die Anwesenheit

dieser Borsten in den früher erwähnten Arten hängt wahrscheinlich

mit dem Fangen von Wasserthierchen zusammen.

Es schien mir eine interessante Frage zu sein, ob die kleinen

Blasen der Utricularia montana wie in den vorhergehenden Arten

dazu dienten, Thiere zu fangen, welche in der Erde oder in der dichten, die Bäume, auf denen diese Art epiphytisch wächst, bedeckenden

Vegetation leben; denn in diesem Falle würden wir eine neue Unterclasse von fleischfressenden Pflanzen haben, nämlich solche, die sich

unterirdisch ernähren. Es wurden daher viele Blasen untersucht, und

zwar mit den folgenden Resultaten:


 

[page break] Utricularia montana. Cap. 18.

1) Eine kleine Blase, weniger als   Zoll (0,847 Mm.) im Durchmesser, enthielt eine kleine Masse von brauner sehr verwester Substanz;

und in dieser wurde ein Tarsus mit vier oder fünf Gliedern, mit einer

doppelten Klaue endend, deutlich unter dem Mikroskop unterschieden.

Ich vermuthe, dasz es ein Überbleibsel von einem der Thysanuren war.

Die viertheiligen Fortsätze, welche in Berührung mit diesen verwesten

Überbleibseln waren, enthielten entweder kleine Massen durchscheinender

gelblicher Substanz, gewöhnlich mehr oder weniger kuglig, oder feine

Körner. In entfernten Theilen derselben Blase waren die Fortsätze durchsichtig und ganz leer, mit Ausnahme ihrer soliden Kerne. Mein Sohn

machte nach kurzen Zwischenräumen Skizzen von den oben erwähnten

zusammengeballten Massen, und fand, dasz sie unaufhörlich und vollständig ihre Form änderten, manchmal sich von einander trennend und wieder vereinigend. Augenscheinlich war Protoplasma durch die Aufsaugung

von irgend einem Elemente aus der verwesenden thierischen Substanz erzeugt worden.

2) Eine andere Blase umschlosz einen noch kleineren Fleck von verwester brauner Substanz, und die anstoszenden viertheiligen Fortsätze

enthielten zusammengeballte Substanz genau wie im letzten Fall.

3) Eine dritte Blase umschlosz einen gröszeren Organismus, welcher

so sehr verwest war, dasz ich nur erkennen konnte, dasz er stachelig

oder haarig war. Die viertheiligen Fortsätze waren in diesem Fall nicht

sehr afficirt, ausgenommen, dasz die Kerne in den verschiedenen Armen

in der Grösze sehr verschieden waren; einige derselben enthielten zwei

Massen, welche ein ähnliches Ansehn hatten.

4) Eine vierte Blase enthielt die Überreste eines Gliederthieres, denn

ich sah deutlich die Reste eines Glieds, welches in einer Klaue endigte.

Die viertheiligen Fortsätze wurden nicht untersucht.

5) Eine fünfte umschlosz sehr verweste Substanz, augenscheinlich

von einem Thier, aber ohne wieder erkennbare Züge. Die viertheiligen

Fortsätze in Berührung mit ihr enthielten zahlreiche Kugeln von Protoplasma.

6) Einige wenige Blasen auf der Pflanze, welche ich von Kew erhielt, wurden untersucht; in einer war ein wurmförmiges Thier, sehr wenig verwest, zusammen mit dem deutlichen Rest eines ähnlichen stark

verwesten, vorhanden. Mehrere Anne von den Fortsätzen, welche in Berührung mit diesen Resten standen, enthielten zwei solche kuglige Massen,

wie der einfache solide Kern, welcher eigentlich in jedem Arm gefunden

wird. In einer andern Blase war ein kleines Körnchen Quarz, welches

mich an zwei gleiche Fälle bei der Utricularia neglecta erinnerte.

Da es mir wahrscheinlich schien, dasz diese Pflanze in ihrem Geburtslande eine gröszere Anzahl Thiere fangen würde, als im Zustande der

Cultur, erhielt ich Erlaubnis, kleine Theilchen der Rhizome von getrockneten Exemplaren in dem Herbarium in Kew zu entfernen. Zuerst merkte

ich nicht, dasz es räthlich war, die Rhizome zwei oder drei Tage lang

aufzuweichen und dasz es nöthig war, die Blasen zu öffnen und ihren

Inhalt auf Glas auszubreiten; wegen des Zustandes von Verwesung, in

dem dieser sich befand, und da er getrocknet und gepreszt war, konnte

nämlich seine Natur anderweitig nicht erkannt werden. Mehrere Blasen


 

[page break] Cap. 18. Gefangene Thiere.

von einer Pflanze, welche in Neu-Granada in schwarzer Erde gewachsen

war, wurden zuerst untersucht; und vier dieser umschloszen Thierreste.

Die erste enthielt einen haarigen Acarus, so sehr verwest, dasz nichts

übrig war als seine durchsichtige Haut; auch ein gelber chitinisirter

Kopf von irgend einem Thier mit einer inneren Gabel, an welcher der

Oesophagus aufgehangen war; ich konnte aber keine Mandibeln sehen;

ferner die doppelte Kralle des Tarsus irgend eines Thiers; dann ein längliches, stark verwestes Thier; und endlich ein sonderbarer flaschenförmiger

Organismus, dessen Wände von gerundeten Zellen gebildet wurden. Professor Claus hat diesen letzten Organismus angesehn, und denkt, dasz es

die Schale eines Rhizopoden, wahrscheinlich einer Arcellide ist. In dieser

Blase sowohl wie in mehreren andern fanden sich einige einzellige Algen

und eine vielzellige Alge, welche ohne Zweifel als Eindringlinge dort gelebt hatten.

Eine zweite Blase enthielt einen viel weniger als der frühere verwesten Acarus, dessen acht Beine erhalten waren; ebenso auch die Überresto von mehreren andern Gliederthieren. Eine dritte Blase enthielt das

Ende des Abdomen mit den beiden hinteren Gliedmaszen eines Acarus,

wie ich glaube. Eine vierte enthielt Reste von einem deutlich gegliederten borstigen Thier, und von mehreren anderen Organismen sowohl als

viel dunkel braune organische Substanz, deren Natur nicht erkannt werden konnte.

Einige Blasen von einer Pflanze, welche als ein Epiphyt auf Trinidad

in Westindien gelebt hatte, wurden zunächst untersucht, aber nicht so

sorgfältig wie die andern; auch waren sie nicht lange genug aufgeweicht

worden. Vier derselben enthielten viel braune durchscheinende körnige

Substanz, augenscheinlich organisch, aber mit keinen unterscheidbaren

Theilen. Die viertheiligen Fortsätze in zweien derselben waren bräunlich und ihr Inhalt körnig; und es war augenscheinlich, dasz sie Substanz aufgesaugt hatten. In einer fünften Blase war ein flaschenförmiger

Organismus, wie der oben erwähnte, vorhanden. Eine sechste enthielt ein

sehr langes, stark verwestes, wurmförmiges Thier. Endlich enthielt eine

siebente Blase einen Organismus, aber von welcher Art, konnte nicht

entschieden werden.

Nur ein Experiment wurde an den viertheiligen Processen und

den Drüsen in Bezug auf ihr Aufsaugungsvermögen angestellt. Eine

Blase wurde fein angestochen und 24 Stunden lang in einer Lösung

von einem Theil Harnstoff auf 437 Theile Wasser gelassen; die viertheiligen und zweispaltigen Fortsätze wurden stark afficirt gefunden.

In einigen Armen war nur eine einzige symmetrische kuglige Masse,

gröszer als der gewöhnliche Kern, vorhanden, welche aus gelblicher

Substanz bestand, meistentheils durchscheinend, aber zuweilen körnig;

in andern waren zwei Massen von verschiedener Grösze, die eine

grosz und die andere klein; und in noch anderen waren unregelmäszig geformte Körner, so dasz es schien, als ob der flüssige Inhalt


 

[page break] Utricularia montana. Cap. 18

der Fortsätze, in Folge der Aufsaugung von Substanz aus der Lösung,

um den Kern herum zusammengeballt worden wäre, zuweilen auch

zu separaten Massen, und als ob diese dann sich wieder zu vereinigen

strebten. Der Primordialschlauch oder das Protoplasma, welches die

Fortsätze auskleidete, war auch hie und da zu unregelmäszigen und

verschiedentlich geformten Flecken von gelblicher durchsichtiger Substanz verdickt, wie es bei Utricularia neglecta bei einer ähnlichen

Behandlung vorkam. Diese Flecken veränderten augenscheinlich ihre

Form nicht.

Die kleinen zweiarmigen Drüsen auf der Klappe wurden auch

durch die Lösung afficirt; denn sie enthielten nun mehrere, manchmal bis zu sechs oder acht, beinahe kuglige Massen von durchsichtiger Substanz, mit einem Stiche in's Gelbe, welche ihre Formen

und Stellungen langsam veränderten. Solche Massen wurden niemals

in diesen Drüsen in ihrem gewöhnlichen Zustande beobachtet. Wir

können daher folgern, dasz diese zum Aufsaugen dienen. Sobald nur

immer etwas Wasser aus einer Blase, welche Thierreste enthält, ausgetrieben wird (durch die früher speciell angeführten Mittel, besonders

durch die Erzeugung von Luftblasen), wird es die Höhlung, in welcher die Klappe liegt, füllen; und so werden die Drüsen fähig sein,

verweste Substanz, welche andernfalls sonst nutzlos sein würde, zu

verwerthen.

Da endlich zahllose kleine Thiere von dieser Pflanze in ihrem

Heimathslande und wenn sie cultivirt wird, gefangen werden, so

kann kein Zweifel darüber sein, dasz die Blasen, trotzdem sie so klein

sind, sich durchaus nicht in einem rudimentären Zustande befinden;

im Gegentheil stellen sie sehr wirksame Fallen dar. Ebensowenig

kann ein Zweifel darüber sein, dasz Substanz aus der verwesten Beute

durch die viertheiligen und zweispaltigen Fortsätze aufgesaugt wird,

und dasz Protoplasma hierdurch gebildet wird. Was die Thiere so

verschiedener Arten verführt, sich in die Höhlung unter den gebognen

Antennen zu begeben, und dann ihren Weg durch das kleine schlitzartige Loch zwischen der Klappe und dem Kragen in die mit Wasser

gefüllten Blasen zu erzwingen, darüber kann ich nicht einmal eine

Vermuthung äuszern.

Knollen. — Diese Organe, deren eines in einer früheren Figur

(Fig. 26) in natürlicher Grösze dargestellt ist, verdienen einige wenige

Bemerkungen. Es wurden zwanzig auf den Rhizomen einer einzigen


 

[page break] Cap. 18. Wasser-Reservoirs.

Pflanze gefunden, aber sie können nicht genau gezählt werden; denn

auszer den zwanzig waren alle möglichen Abstufungen von einer kurzen,

eben bemerkbar geschwollnen Strecke eines Rhizoms und einer so stark

geschwollnen Strecke vorhanden, dasz sie zweifelhafterweise schon ein

Knollen genannt werden könnte. Wenn gut entwickelt, sind sie oval

und symmetrisch, mehr als es in der Figur erscheint. Der gröszte,

den ich sah, war 1 Zoll (25,4 Mm.) lang und 0,45 Zoll (11,43 Mm.)

breit. Sie liegen gewöhnlich nahe der Oberfläche, aber einige sind

bis zur Tiefe von 2 Zoll begraben. Die begrabnen sind schmutzig

weisz, aber die dem Lichte theilweise ausgesetzten werden durch die

Entwicklung von Chlorophyll in ihren oberflächlichen Zellen grünlich.

Sie enden in einem Rhizom, aber dies verwelkt manchmal und fällt


 


 

ab. Sie enthalten keine Luft und sinken im Wasser unter; ihre Oberflächen sind mit den gewöhnlichen Papillen bedeckt. Das Bündel

Gefäsze, welches in jedem Rhizom hinaufläuft, theilt sich, sobald es

in den Knollen eintritt, in drei verschiedene Bündel, welche sich am

entgegengesetzten Ende wieder vereinigen. Ein ziemlich dicker Schnitt

eines Knollen ist beinahe so durchsichtig wie Glas, und besteht aus

groszen eckigen Zellen voll Wasser, welche weder Stärke noch irgend

eine andere solide Substanz enthalten. Einige Schnitte wurden mehrere Tage in Alkohol liegen gelassen; aber nur einige wenige auszerordentlich kleine Körnchen Substanz schlugen sich an den Wänden

der Zellen nieder; und diese waren viel kleiner und der Zahl nach

weniger als diejenigen, welche sich an den Zellenwänden der Rhizome

und Blasen niederschlugen. Wir können daher schlieszen, dasz die

Knollen nicht als Nahrungsbehälter dienen, sondern als Wasserbehälter

während der trocknen Jahreszeit, welcher die Pflanze wahrscheinlich

ausgesetzt ist. Die vielen kleinen mit Wasser gefüllten Blasen würden demselben Zwecke dienen.

Um die Richtigkeit dieser Ansicht zu prüfen, wurde eine kleine

Pflanze, welche in leichtem Torfboden in einem Topfe (nur 4½ zu

4½ Zoll äuszeres Masz) wuchs, häufig begossen, und dann ohne einen

Tropfen Wasser im Gewächshause gelassen. Zwei der oberen Knollen

wurden vorher unbedeckt und gemessen und dann wieder leicht zugedeckt. Nach der Zeit von vierzehn Tagen schien die Erde in dem

Topf auszerordentlich trocken zu sein; aber nicht vor dem fünfunddreiszigsten Tage wurden die Blätter im geringsten afficirt; sie wurden dann leicht zurückgebogen, obgleich sie noch weich und grün


 

[page break] Utricularia montana. Cap. 18.

waren. Diese Pflanze, welche nur zehn Knollen trug, würde ohne

Zweifel der Trockenheit noch eine viel längere Zeit widerstanden

haben, wenn ich nicht vorher drei von den Knollen entfernt und

mehrere lange Rhizome abgeschnitten hätte. Als am fünfunddreiszigsten Tage die Erde aus dem Topfe geschüttet wurde, war sie so

trocken, wie der Staub auf der Landstrasze. Alle Knollen hatten

sehr gerunzelte Oberflächen anstatt platt und straff zu sein. Sie waren

alle eingeschrumpft, aber ich kann nicht genau angeben, um wie viel;

denn da sie anfangs symmetrisch oval waren, masz ich nur ihre

Länge und Dicke; sie zogen sich aber der Quere nach viel mehr in

einer Richtung als in einer andern zusammen, so dasz sie bedeutend

abgeplattet wurden. Einer der zwei Knollen, welche gemessen worden waren, hatte nun nur drei Viertel seiner ursprünglichen Länge,

und zwei Drittel seiner ursprünglichen Dicke in der Richtung, in

welcher er gemessen worden war; aber in einer andern Richtung nur

ein Drittel seiner früheren Dicke. Der andere Knollen war ein Viertel

kürzer und ein Achtel weniger dick in der Richtung, in welcher er

gemessen worden war, und nur halb so dick in einer andern Richtung.

Ein Scheibchen wurde von einem dieser zusammengeschrumpften

Knollen ausgeschnitten und untersucht. Die Zellen enthielten noch

viel Wasser und keine Luft, aber sie waren abgerundeter und weniger

eckig als vorher; auch waren ihre Wände nicht so gerade; es war

daher klar, dasz sich die Zellen zusammengezogen hatten. Die Knollen

haben, so lange sie lebendig bleiben, eine starke Anziehungskraft für

Wasser; der zusammengeschrumpfte, von welchem eine Scheibe abgeschnitten worden war, wurde 22 Stunden 30 Minuten lang in Wasser

gelassen, und seine Oberfläche wurde so glatt und so straff wie sie

ursprünglich gewesen war. Auf der andern Seite schwoll ein geschrumpfter Knollen, welcher durch Zufall von seinem Rhizome getrennt worden wor, und abgestorben schien, nicht im Geringsten an,

obgleich er mehrere Tage in Wasser gelassen wurde.

Bei vielen Arten Pflanzen dienen ohne Zweifel die Knollen, Zwiebeln u. s. w. theilweise als Behälter für Wasser; aber ich weisz von

keinem Fall, auszer dem vorliegenden, wo solche Organe allein zu

diesem Zweck entwickelt worden wären. Prof. Oliver theilt mir mit,

dasz zwei oder drei andere Arten von Utricularia mit diesen Anhängen versehen sind; und die Gruppe, welche diese umfaszt, hat in

Folge davon den Namen orchidioides erhalten. Alle die andern Arten


 

[page break] Cap. 18. Utricularia nelumbifolia.

von Utricularia sowohl als von gewissen nahe verwandten Gattungen

sind entweder Wasser- oder Marsch-Pflanzen; es wird daher nach

dem Grundsatze, dasz nahe verwandte Pflanzen gewöhnlich von gleicher Constitution sind, ein niemals versiegender Vorrath von Wasser

wahrscheinlich von groszer Bedeutung für unsere vorliegende Art

sein. Wir können hiernach die Bedeutung der Entwickelung ihrer

Knollen und deren groszen Zahl auf einer und derselben Pflanze, die

in einem Falle bis zu wenigstens zwanzig anstieg, verstehen.

Utricularia nelumbifolia, amethystina, Griffithii, caerulea, orbiculata,

multicaulis.

Da ich zu ermitteln wünschte, ob die Blasen auf den Rhizomen

andrer Arten von Utricularia und von Arten gewisser nahe verwandter

Gattungen dieselbe wesentliche Structur, wie diejenigen der Utricularia

montana hätten und ob sie Beute fiengen, bat ich Prof. Oliver, mir

Stücke aus dem Herbarium in Kew zu schicken. Er suchte freundlichst einige von den verschiedensten Formen aus, welche ganze Blätter haben, und von denen man glaubt, dasz sie marschigen Boden

oder Wasser bewohnen. Mein Sohn, Francis Darwin, untersuchte sie

und hat mir folgende Beobachtungen mitgetheilt; aber man musz im

Auge behalten, dasz es auszerordentlich schwer ist, die Structur solcher kleiner und zarter Gegenstände, nachdem sie getrocknet und gepreszt worden waren, zu erkennen 2.

Utricularia nelumbifolia (Orgel-Berge, Brasilien). — Der Wohnort dieser Art ist merkwürdig. Seinem Entdecker, Herrn Gardner 3,

zufolge lebt sie im Wasser, aber "wird nur in dem Wasser wachsend

"gefunden, welches sich auf dem Grunde der Blätter einer groszen

"Tillandsia ansammelt, welche sehr reichlich auf luftigen felsigen

"Theilen der Berge in einer Höhe von ungefähr 5000 Fusz über dem

"Meeresspiegel vorkommt. Auszer der gewöhnlichen Methode durch

"Samen pflanzt sie sich auch durch Ausläufer fort, welche sie von

"der Basis des Blüthenstiels ausschickt; diesen Ausläufer findet man

"immer nach der nächsten Tillandsia hingerichtet, wo er seine Spitze

2 Prof. Oliver hat (Proc. Linn. Soc. Vol. IV, p. 169) Abbildungen von den

Blasen zweier südamericanischer Species, nämlich Utricularia Jamesoniana und

peltata gegeben; er scheint aber diesen Organen keine besondere Aufmerksamkeit

gewidmet zu haben.

3 Travels in the Interior of Brazil, 1836—41, p. 527.


 

[page break] Utricularia Griffithii. Cap. 18.

"in das Wasser bringt, und so die Entstehung einer neuen Pflanze

"verursacht, welche dann ihrerseits andere Schöszlinge aussendet.

"Auf diese Weise habe ich nicht weniger denn sechs Pflanzen ver"bunden gesehen.‟ Die Blasen gleichen denen der Utricularia montana in allen wesentlichen Beziehungen, selbst in der Anwesenheit

einiger kleiner zweiarmigen Drüsen auf der Klappe. Innerhalb einer

Blase war der Rest von dem Abdomen irgend einer Larve oder eines

Krusters von bedeutender Grösze, welche an der Spitze eine Bürste

von langen scharfen Borsten hatte. Andere Blasen umschlossen Reste

von gegliederten Thieren, und viele derselben enthielten abgebrochene

Stücke eines merkwürdigen Organismus, dessen Natur von Niemand,

dem er gezeigt wurde, erkannt wurde.

Utricularia amethystina (Guiana). — Diese Art hat kleine ganze

Blätter, und ist augenscheinlich eine Marsch-Pflanze; aber sie musz

in Gegenden, wo Kruster existiren, wachsen, denn es fanden sich zwei

kleine Arten solcher innerhalb einer der Blasen. Die Blasen sind

beinahe von derselben Form wie die der Utricularia montana, und sind

auszen mit den gewöhnlichen Papillen bedeckt; aber sie weichen in merkwürdiger Weise darin von jenen ab, dasz die Antennen auf zwei kurze

Spitzen reducirt sind, welche durch eine in der Mitte ausgehöhlte

Membran verbunden sind. Diese Membran ist von unzähligen, länglichen, auf langen Stielen stehenden Drüsen bedeckt, von denen die

meisten in zwei nach der Klappe zu convergirenden Reihen angeordnet sind. Einige sitzen indessen an den Rändern der Membran; auch

ist die kurze ventrale Oberfläche der Blase, zwischen dem Stiel und

der Klappe, dicht mit Drüsen bedeckt. Die meisten der Köpfe waren

abgefallen und nur die Stiele waren geblieben, so dasz die ventrale

Oberfläche und die Mündung, unter schwacher Vergröszerung betrachtet, wie mit feinen Borsten bekleidet erschien. Die Klappe ist

schmal und trägt ein Paar beinahe sessiler Drüsen. Der Kragen,

gegen welchen der Rand schlieszt, ist gelblich und bietet die gewöhnliche Structur dar. Nach der gröszeren Anzahl Drüsen auf der ventralen Fläche und um die Mündung ist es wahrscheinlich, dasz diese

Art in sehr faulem Wasser lebt, von welchem es ebenso wohl wie

aus der gefangenen und verwesenden Beute Substanz aufsaugt.

Utricularia Griffithii (Malay und Borneo). — Die Drüsen sind

durchsichtig und klein; eine, welche gemessen wurde, war nur 

Zoll (0,711 Mm.) im Durchmesser. Die Antennen sind von mäsziger


 

[page break] Cap. 18. Polypompholyx.

Länge, und springen gerade vor; sie sind eine kurze Strecke an ihren

Basen durch eine Membran verbunden und tragen eine mäszige Anzahl von Borsten oder Haaren, nicht wie bisher einfache, sondern mit

Drüsen versehene. Die Blasen sind auch darin merkbar von denen

der vorhergehenden Arten verschieden, dasz innen keine viertheiligen,

sondern nur zweispaltige Fortsätze vorhanden sind. In einer Blase

war eine kleine wasserbewohnende Larve; in einer andern fanden sich

die Reste von irgend einem gegliederten Thier, und in den meisten

Sandkörner.

Utricularia caerulea (Indien). — Die Blasen sind denen der letzten Art ähnlich, sowohl in dem allgemeinen Character der Antennen,

als auch dadurch, dasz die Fortsätze innen ausschlieszlich zweispaltig

sind. Sie enthielten Reste von entomostraken Krustern.

Utricularia orbiculata (Indien). — Die kreisförmigen Blätter und

die Stämme, welche die Blasen tragen, schwimmen augenscheinlich

im Wasser. Die Blasen sind nicht sehr von denen der zwei letzten

Arten verschieden. Die Antennen, welche eine kurze Strecke an ihren

Basen verbunden sind, tragen an ihren äuszern Flächen und Gipfeln

zahlreiche lange vielzellige Haare, welche Drüsen an ihrer Spitze

tragen. Die Fortsätze in den Blasen sind viertheilig, und die vier

divergirenden Arme sind von gleicher Länge. Die Beute, welche sie

gefangen hatten, bestand aus entomostraken Krustern.

Utricularia multicaulis (Sikkim, Indien, 7000 bis 11,000 Fusz).

— Die Blasen, welche an die Rhizome geheftet sind, sind wegen der

Structur der Antennen merkwürdig. Diese sind breit, abgeplattet

und von bedeutender Grösze; sie tragen an ihren Rändern vielzellige

Haare mit Drüsen an ihren Spitzen. Ihre Basen sind zu einem einzigen ziemlich schmalen Stiel verbunden, und sie erscheinen dadurch

wie eine grosze fingerförmige Ausbreitung an einem Ende der Blase.

Innen haben die viertheiligen Fortsätze divergirende Arme von gleicher Länge. Die Blasen enthielten Reste von gegliederten Thieren.

Polypompholyx.

Diese Gattung, welche auf das westliche Australien beschränkt

ist, ist dadurch characterisirt, dasz sie einen "viertheiligen Kelch‟

hat. In andrer Hinsicht ist sie, wie Prof. Oliver bemerkt 4, "ganz

eine Utricularia.‟

4 Proceed. Linn. Soc Vol. IV, p. 171.


 

[page break] Genlisea ornata. Cap. 18.

Polypompholyx multifida. — Die Blasen sind in Wirteln rings

um die Spitzen steifer Stiele angeordnet. Die zwei Antennen werden

durch eine kleine membranöse Gabel dargestellt, deren basaler Theil

eine Art Kappe über der Mündung bildet. Diese Kappe breitet sich

in zwei Flügel auf jeder Seite der Blase aus. Ein dritter Flügel

oder Kamm scheint durch die Ausbreitung der dorsalen Fläche des

Stiels gebildet zu werden; aber die Structur dieser drei Flügel konnte

in Folge der Beschaffenheit der Exemplare nicht klar ermittelt werden. Die innere Oberfläche der Kappe ist mit langen einfachen Haaren

ausgekleidet, welche zusammengeballte Substanz enthalten, wie die

in den viertheiligen Fortsätzen der früher beschriebenen Species, wenn

sie in Berührung mit verwesten Thieren gekommen waren. Diese

Haare schienen daher als aufsaugende Organe zu dienen. Eine Klappe

wurde gesehen, aber ihre Structur konnte nicht ermittelt werden.

Auf dem Kragen um die Klappe finden sich anstatt der Drüsen zahlreiche einzellige Papillen, welche sehr kurze Stiele haben. Die viertheiligen Fortsätze haben divergirende Arme von gleicher Länge.

Reste von entomostraken Krustern wurden in den Blasen gefunden.

Polypompholyx tenella. — Die Blasen sind kleiner als jene der

letzten Art, aber haben dieselbe allgemeine Structur. Sie waren voll

zerfallner, augenscheinlich organischer Substanz, aber es konnten keine

Reste von Gliederthieren darin unterschieden werden.

Genlisea.

Diese merkwürdige Gattung wird, wie ich von Prof. Oliver

höre, technisch dadurch von Utricularia unterschieden, dasz sie einen

fünftheiligen Kelch hat. Arten davon werden in mehreren Theilen

der Welt gefunden, und gelten für "herbae annuae paludosae.‟

Genlisea ornata (Brasilien). — Diese Art ist von Dr. Warming

beschrieben und abgebildet worden 5, welcher angibt, dasz sie zwei

Arten Blätter trägt, die er spatelförmig und schlauchtragend nennt.

Die letzteren umschlieszen Höhlungen; und da diese von den Blasen

der vorhergehenden Arten sehr verschieden sind, so wird es zweckmäszig sein, von ihnen als "Schläuchen‟ zu sprechen. Die beistehende

Abbildung (Fig. 29) eines der schlauchtragenden Blätter, ungefähr

dreimal vergröszert, wird die folgende Beschreibung von meinem Sohn

illustriren, welche in allen wesentlichen Punkten mit der von

5 Bidrag til Kundskaben om Lentibulariaceae. Copenhagen, 1874.


 

[page break] Cap. 18. Structur der Blätter.

Dr. Warming gegebenen übereinstimmt. Der Schlauch (b) wird von

einer unbedeutenden Erweiterung der schmalen Scheibe des Blattes gebildet. Ein hohler Hals (n), nicht weniger als fünfzehn Mal so lang

wie der Schlauch selbst, bildet einen Gang von der schrägen schlitzartigen Mündung (o) in die Höhlung des Schlauchs. Ein Schlauch.

welcher in seinem längeren Durchmesser   Zoll (0,705 Mm.) masz,

hatte einen Hals, welcher   Zoll (10,583 Mm.)

lang und   Zoll (0,254 Mm.) breit war. Auf

jeder Seite der Mündung ist ein langer spiraler

Arm oder eine Röhre (a), deren Bauart am Besten

durch folgende Erklärung verstanden werden wird.

Man nehme ein schmales Band und winde es spiral

um einen dünnen Cylinder, so dasz seine Ränder

der ganzen Länge entlang in Berührung kommen,

dann drücke man die beiden Bänder etwas zusammen, so dasz sie eine kleine Leiste bilden,

welche sich natürlich um den Cylinder windet,

wie ein Faden um eine Schraube. Wenn der Cylinder nun entfernt wird, wird man eine Röhre

haben, welche einem der spiralen Arme gleich ist.

Die zwei vorspringenden Ränder sind nicht thatsächlich verbunden, und eine Nadel kann leicht

zwischen ihnen durchgeschoben werden. Sie sind

in der That an vielen Stellen ein wenig von einander getrennt, dadurch schmale Einlässe in die

Röhre bildend; aber dies kann das Resultat des

Trocknens der Exemplare sein. Die Platte, aus

der die Röhre gebildet wird, scheint eine seitliche

Verlängerung der Lippe der Mündung zu sein;

und die spirale Linie zwischen den zwei vorspringenden Kanten steht mit dem Winkel der Mündung in continuirlichem Zusammenhange. Wenn

[Abbildung     

Fig. 29. (Genlisea ornata.)

Schlauchtragendes Blatt.

ungefähr dreimal vergrössert.

l Oberer Theil der Blattscheibe.

b Schlauch oder Blase.

n Hals des Schlauches.

o Mündung.

a Spiral gewundne Arme,

ihre Enden abgebrochen.]

eine feine Borste einen der Arme hinunter gestoszen wird, so geht

sie in die Spitze des hohlen Halses ein. Ob die Arme an ihren Enden

offen oder geschlossen sind, konnte nicht ermittelt werden, da alle

Exemplare zerbrochen waren; es scheint auch, als hätte sich Dr. Warming nicht über diesen Punkt vergewissert.

So viel über den äuszeren Bau. Innerlich ist der untere Theil

Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 26

[page break] Genlisea ornata. Cap. 18.

des Schlauchs mit sphärischen, aus vier Zellen (manchmal acht, nach

Dr. Warming) gebildeten Papillen bedeckt, welche augenscheinlich den

viertheiligen Fortsätzen in den Blasen der Utricularia gleichkommen.

Diese Papillen verbreiten sich eine kleine Strecke die dorsale und

ventrale Fläche des Schlauchs hinauf; und nach Dr. Warming können

einige wenige in dem oberen Theil gefunden werden. Diese obere

Region ist durch viele quere Reihen, eine über der andern, von kurzen, dicht an einander stehenden Haaren bedeckt, welche mit den

Spitzen nach unten gerichtet sind. Diese

Haare haben breite Basen und ihre Spitzen

werden durch je eine besondere Zelle gebildet. Sie fehlen im unteren Theil des

Schlauches, wo die Papillen äuszerst zahlreich vorhanden sind. Der Hals ist gleichfalls durch seine ganze Länge mit queren

Reihen von langen, dünnen, durchsichtigen

Haaren ausgekleidet, welche breite bulböse

(Fig. 30) Basen und ähnlich gebaute scharfe

Spitzen haben. Sie entspringen von kleinen

vorspringenden Leisten, welche aus rechtwinkligen Epidermis-Zellen gebildet werden.

Die Haare variiren ein wenig in Länge, aber

ihre Spitzen reichen meistens hinunter bis

zu der zunächst darunter befindlichen Reihe,

so dasz, wenn der Hals aufgeschlitzt und

flach auseinander gelegt wird, die innere

Oberfläche einem Stecknadelbriefe gleicht:

die Haare stellen die Nadeln, und die kleinen

schrägen Leisten die Papierfalten, durch

welche die Nadeln gestoszen sind, dar. Diese

[Abbildung      Fig. 30. (Genlisea ornata.)

Theil der Innenfläche des in den

Schlauch führenden Halses; stark

vergröszert; zeige die mit ihren

Spitzen abwärts gerichteten Borsten und die kleinen viertheiligen

Zellen oder Fortsätze.]

Reihen Haare sind in der vorhergehenden

Figur (Fig. 29) durch zahlreiche quere, den Hals kreuzende Linien

angedeutet. Das Innere des Halses ist auch mit Papillen besetzt;

jene im unteren Theil sind sphärisch und werden von vier Zellen gebildet, wie im unteren Theil des Schlauchs; jene im oberen Theil

werden von zwei Zellen gebildet, welche nach abwärts unterhalb

ihres Befestigungspunktes sehr verlängert sind. Diese zweizelligen

Papillen entsprechen augenscheinlich den zweispaltigen Fortsätzen im


 

[page break] Cap. 18. Gefangene Beute.

oberen Theil der Blasen der Utricularia. Die schmale quere Mündung (o, Fig. 29) liegt zwischen den Basen der zwei spiralen Arme.

Keine Klappe konnte hier entdeckt werden; auch hat Dr. Warming

keine irgend derartige Bildung hier gesehen. Die Lippen der Mündung sind mit vielen kurzen, dicken, scharf zugespitzten, etwas eingebognen Haaren oder Zähnen bewaffnet.

Die zwei vorspringenden Ränder der spiral gewundenen Platte,

welche die Arme bilden, sind mit kurzen eingebognen Haaren oder

Zähnen, genau gleich denen auf den Lippen, versehen. Diese springen

nach innen im rechten Winkel zu der Spirallinie der Verbindung zwischen den beiden Rändern vor. Die innere Oberfläche der Platte

trägt zweizellige verlängerte Papillen, welche denen im oberen Theil

des Halses gleich sind, aber Dr. Warming zufolge darin leicht von

ihnen verschieden sind, dasz ihre Stiele von Verlängerungen groszer

Epidermis-Zellen gebildet werden, während die Papillen im Halse

auf kleinen, zwischen die gröszeren eingelassenen Zellen ruhen. Diese

spiralen Arme bilden einen auffallenden Unterschied zwischen der

vorliegenden Gattung und Utricularia.

Endlich ist ein Bündel von Spiralgefäszen da, welches den unteren

Theil des linearen Blattes hinauf laufend sich dicht unter dem Schlauche

theilt. Ein Zweig erstreckt sich die dorsale und der andere die ventrale Seite sowohl des Schlauches als des Halses hinauf. Von diesen

zwei Zweigen tritt einer in den einen spiralen Arm, der andere Zweig

in den andern Arm.

Die Schläuche enthielten viel Abfall oder schmutzige Substanz,

welche organisch zu sein schien, obgleich keine bestimmten Organismen erkannt werden konnten. Es ist in der That kaum möglich,

dasz irgend ein anderer Gegenstand in die kleinen Mündungen eintreten und den langen schmalen Hals hinunter gehen könnte, auszer

einem lebenden Wesen. In den Hälsen jedoch von einigen Exemplaren wurde ein Wurm mit zurückgezognen hörnigen Kinnladen, das

Abdomen irgend eines Gliederthieres, und Flecke von Schmutz, wahrscheinlich die Reste von andern kleinen Geschöpfen, gefunden. Viele

der Papillen sowohl in den Schläuchen als in den Hälsen waren misfarbig, als ob sie Substanz aufgesaugt hätten.

Aus dieser Beschreibung geht zur Genüge hervor, wie Genlisea

sich ihrer Beute versichert. Kleine Thiere, welche in die schmale

Mündung eintreten — (aber was sie bewegt, da hinein zu gehen, ist

26*

[page break] Genlisea ornata. Cap. 18.

ebenso wenig bekannt, wie im Fall der Utricularia) — werden ihren

Wiederaustritt durch die scharfen eingebogenen Haare auf den Lippen

erschwert finden, und sobald sie ein kleines Stück den Hals hinuntergegangen sind, wird es für sie kaum möglich sein umzukehren in

Folge der vielen queren Reihen von langen geraden, mit den Spitzen

nach unten gerichteten Haaren, zusammen mit den Leisten, von welchen diese vorspringen. Solche Geschöpfe werden daher entweder in

dem Hals oder im Schlauche umkommen; und die viertheiligen und

zweispaltigen Fortsätze werden aus ihren zerfallenen Resten Substanz

aufsaugen. Die queren Reihen Haare sind so zahlreich, dasz sie blosz

um das Entkommen der Beute zu verhindern, überflüssig scheinen,

und da sie dünn und zart sind, so fungiren sie wahrscheinlich als

weitere aufsaugende Organe, in derselben Weise, wie die biegsamen

Borsten auf den eingebogenen Rändern der Blätter von Aldrovanda.

Die Spiralarme fungiren ohne Zweifel als accessorische Fallen. Bis

nicht frische Blätter untersucht worden sind, kann man nicht sagen,

ob die Verbindungslinie der spiral gewundenen Platte ihrem ganzen

Verlaufe entlang oder nur stellenweise etwas offen ist, aber ein kleines Geschöpf, welches seinen Weg an irgend einem Punkt in die Röhre

erzwang, würde durch die eingebogenen Haare am Entkommen verhindert werden, und würde einen offnen Pfad nur die Röhre hinunter

in den Hals und dadurch in den Schlauch finden. Wenn das Geschöpf

in den Spiralarmen umkäme, würden seine verwesenden Reste von den

zweispaltigen Papillen aufgesaugt und verwerthet werden. Wir sehen

hieraus, dasz Thiere von Genlisea gefangen werden, nicht mittelst

einer elastischen Klappe wie in den vorgehenden Arten, sondern durch

eine, einer Aal-Falle ähnliche, wenngleich complicirtere Einrichtung.

Genlisea africana (Süd-Africa.) — Reste der schlauchtragenden

Blätter dieser Art boten dieselbe Bauart dar, wie die der Genlisea

ornata. Ein beinahe vollkommener Acarus wurde in dem Schlauch

oder Hals eines Blattes gefunden, aber in welchem von den beiden

Theilen wurde nicht berichtet.

Genlisea aurea (Brasilien). — Ein Rest des Halses eines Schlauches war mit queren Reihen von Haaren ausgekleidet und mit verlängerten Papillen versehn, genau so wie die im Hals der Genlisea

ornata. Es ist demzufolge wahrscheinlich, dasz der ganze Schlauch

ähnlich gebaut ist.

Genlisea filiformis (Bahia, Brasilien). — Viele Blätter wurden


 

[page break] Cap. 18. Schlusz.

untersucht, und keine wurden mit Schläuchen versehen gefunden,

während solche Blätter in den drei vorhergehenden Arten ohne Schwierigkeit gefunden worden waren. Auf der andern Seite tragen die

Rhizome Blasen, welche dem wesentlichen Character nach denen an

den Rhizomen der Utricularia ähnlich sind. Diese Blasen sind durchsichtig und sehr klein, nämlich nur   Zoll (0,254 Mm.) lang. Die

Antennen sind an ihren Basen nicht verbunden und tragen augenscheinlich einige lange Haare. Auf der Auszenseite der Blasen sind

nur einige wenige Papillen und innerlich sehr wenig viertheilige

Fortsätze vorhanden. Diese letzteren jedoch sind von ungewöhnlich

bedeutender Grösze im Verhältnis zu der Blase; ihre vier divergirenden Arme sind von gleicher Länge. In diesen kleinen Blasen war

keine Beute zu sehen. Da die Rhizome dieser Art mit Blasen versehen waren, wurden die der Genlisea africana, ornata und aurea

sorgfältig untersucht, aber es waren keine zu finden. Was sollen wir

aus diesen Thatsachen schlieszen? Besaszen die drei eben genannten

Arten, wie ihre nahen Verwandten, die verschiedenen Arten der Utricularia, ursprünglich Blasen an ihren Rhizomen, welche sie später

verloren, wogegen sie an ihrer Stelle schlauchtragende Blätter erhielten? Um diese Ansicht zu unterstützen, könnte hervorgehoben werden, dasz die Blasen der Genlisea filiformis wegen ihrer geringen

Grösze und wegen der geringen Zahl ihrer viertheiligen Fortsätze,

auf dem Wege zu verkümmern begriffen zu sein scheinen; aber

warum hat diese Art nicht schlauchtragende Blätter erhalten, wie

ihre Gattungsgenossen?

Schlusz. — Es ist nun gezeigt worden, dasz viele Arten von

Utricularia und zweier nahe verwandter Gattungen, welche die von

einander entferntesten Theile der Welt — Europa, Africa, Indien, den

malayischen Archipel, Australien, Nord- und Süd-America — bewohnen, wunderbar schön dazu angepaszt sind, auf zwei Methoden kleine

wasser- oder landlebende Thiere zu fangen, und dasz sie die Produkte

von deren Zerfall aufsaugen.

Gewöhnliche Pflanzen der höheren Classen verschaffen sich die

nöthigen unorganischen Elemente aus dem Boden mittelst ihrer Wurzeln und absorbiren Kohlensäure aus der Luft mittelst ihrer Blätter

und Stengel. Wir haben aber in einem früheren Theile dieses Werkes gesehen, dasz es eine Classe von Pflanzen gibt, welche thierische


 

[page break] Schlusz. Cap. 18.

Substanz verdauen und nachher aufsaugen, nämlich alle Droseraceae,

Pinguicula und, wie Dr. Hooker entdeckt hat, Nepenthes; und dieser

Classe werden beinahe sicher bald noch andere Arten hinzugefügt

werden. Diese Pflanzen können Substanz aus gewissen vegetabilischen

Stoffen, wie Pollen, Samen und Stückchen von Blättern auflösen.

Ohne Zweifel saugen ihre Drüsen gleichfalls die ihnen vom Regen

zugeführten Ammoniaksalze auf. Es ist auch gezeigt worden, dasz

einige andere Pflanzen Ammoniak durch ihre drüsenartigen Haare aufsaugen können; und diese werden auch aus dem ihnen vom Regen zugeführten Nutzen ziehen. Es ist auch noch eine zweite Classe von

Pflanzen da, welche, wie wir so eben gesehen haben, nicht verdauen

können, aber die Produkte des Zerfalls von Thieren, welche sie fangen,

aufsaugen, nämlich Utricularia und ihre nahen Verwandten; und

nach den ausgezeichneten Beobachtungen von Dr. Mellichamp und

Dr. Canby kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, dasz Sarracenia

und Darlingtonia dieser Classe zugefügt werden können, obgleich die

Thatsache bis jetzt noch kaum als vollständig bewiesen angesehen

werden kann. Es gibt eine dritte Classe Pflanzen, welche, wie nun

allgemein zugegeben wird, von Produkten des Zerfalls vegetabilischer

Substanz leben, wie z. B. eine Orchidee (Neottia) u. s. w. Endlich

findet sich noch die bekannte vierte Classe von Parasiten (so z. B.

die Mistel), welche sich von den Säften lebender Pflanzen ernähren.

Die meisten jedoch der Pflanzen, welche zu diesen vier Classen gehören, erhalten einen Theil ihres Kohlenstoffes wie die gewöhnlichen

Arten aus der Luft. Dieses sind die verschiedenen Mittel, durch

welche, so weit bis jetzt bekannt ist, höhere Pflanzen ihren Unterhalt gewinnen.


 

[[407]/0421]

Register.

A.

Absorption bei Dionaea, 267; bei Drosera, 15; bei Drosophyllum, 305; bei

Pinguicula, 344; durch drüsige Haare,

311; durch Drüsen bei Utricularia,

376, 380; durch viertheilige Fortsätze

bei Utricularia, 372, 380; bei Utricularia montana, 393.

Aether, Wirkung auf Dionaea, 275;

Wirkung auf Drosera, 198.

Aggregation, s. Zusammenballung.

Alaunsalze, Wirkung auf Drosera, 166.

Alkohol, verdünnter, Wirkung auf

Drosera, 69, 196.

Aldrovanda vesiculosa, 290; Absorption

und Verdauung, 293; Varietäten, 296.

Algen, Zusammenballung in Blättern, 57.

Alkalien hemmen den Verdauungsprocesz bei Drosera, 84.

Ameisensäure, Wirkung auf Drosera,

172.

Ammoniak, Menge im Regenwasser,

154;

—, kohlensaures, Wirkung auf erwärmte Blätter von Drosera, 60;

Kleinheit der Dosen, die bei Drosera

Zusammenballung bewirken, 128; Wirkung auf Drosera, 125; Dampf von

den Drüsen der Drosera absorbirt,

125; Kleinheit der Dosen, die bei Drosera Einbiegung bewirken, 128, 151;

—, phosphorsaures, Kleinheit der

Dosen, die bei Drosera Einbiegung

bewirken, 136, 151; Grösze der

Theilchen, welche Drosera afficiren,

155;

—, salpetersaures, Kleinheit der

Dosen, die bei Drosera Einbiegung verursachen, 131, 151;

—, -Salze, Wirkung auf Drosera,

120; Wirkung durch vorheriges Eintauchen in Wasser und verschiedene

Lösungen beeinflusst, 192; bewirken

Zusammenballung bei Drosera, 38;

Ammoniak, verschiedene Salze, bewirken Einbiegung bei Drosera, 149.

Antimon, weinsteinsaures, Wirkung

auf Drosera, 166.

Äpfelsäure, Wirkung auf Drosera, 175.

Arsenige Säure, Wirkung auf Drosera, 167.

Atropin, Wirkung auf Drosera, 183.

B.

Barytsalze, Wirkung auf Drosera, 164;

Basen der Salze, vorwiegende Wirkung der — auf Drosera, 168.

Belladonna-Extract, Wirkung auf

Drosera, 74.

Bennett, A. W., über Drosera, 1. Anm.;

Schalen der Pollenkörner von Insecten

nicht verdaut, 103.

Benzoësäure, Wirkung auf Drosera,

175.

Bernsteinsäure, Wirkung auf Drosera, 175.

Berührungen, wiederholte, bewirken

Einbiegung bei Drosera, 30.

Bewegung, Ursprung des Vermögens

der —, 328.

Bewegungen der Blätter von Pinguicula, 335; der Tentakeln von Drosera, Mittel, 230; der Dionaea, Mittel, 283.

Binz, über die Wirkung von Chinin auf

die weiszen Blutkörperchen, 181; über

die giftige Wirkung des Chinins auf

niedrige Organismen, 182.

Blätter, Rücken der Drosera- —

nicht empfindlich, 209.

Blausäure, Wirkung auf Dionaea,

275; Wirkung auf Drosera, 176.

Bleichlorid, Wirkung auf Drosera,

166.

Borsäure, Wirkung auf Drosera, 172.

Brillenschlange, Wirkung des Giftes auf Drosera, 186.


 

[page break] Brunton. Register. Exosmose.

Brunton, Lauder, über Verdauung von

Gelatine, 98; über die Zusammensetzung des Casein, 102; über die

Verdauung von Harnstoff, 110; über

die Verdauung von Chlorophyll, 111;

über die Verdauung von Pepsin, 109.

Byblis, 310.

C.

Cadmium-Chlorid, Wirkung auf

Drosera, 165.

Caesium-Chlorid, Wirkung auf Drosera, 163.

Campher, Wirkung auf Drosera, 188.

Canby, Dr., über Dionaea, 272, 279,

283; über Drosera filiformis, 255.

Carbolsäure, Wirkung auf Drosera,

173.

Casein, verdaut von Drosera, 101.

Cellulose, nicht von Drosera verdaut, 110.

Chinin, Wirkung des — auf weisze

Blutkörperchen, 181; giftige Wirkung

auf niedere Organismen, 182;

— -Salze, Wirkung auf Drosera, 181.

Chitin, nicht von Drosera verdaut, 110.

Chloroform, Wirkung auf Dionaea,

275; Wirkung auf Drosera, 197.

Chlorophyll, die Körner in lebenden

Pflanzen von Drosera verdaut, 111;

reines, nicht von Drosera verdaut, 111.

Chondrin, verdaut von Drosera, 99.

Chromsäure, Wirkung auf Drosera,

167.

Citronensäure, Wirkung auf Drosera, 175.

Cobra, Wirkung des Gifts auf Drosera, 186, s. auch 188, 203.

Cohn, Prof., über Aldrovanda, 290;

über contractile Gewebe bei Pflanzen,

328; über Bewegungen der Staubfäden

der Compositen, 232; über Utricularia, 357.

Colchicin, Wirkung auf Drosera, 184.

Crystallin, verdaut von Drosera, 106.

Curare, Wirkung auf Drosera, 184.

Curtis, Dr., über Dionaea, 272.

D.

Darwin, Francis, über die Wirkung

eines inducirten galvanischen Stromes

auf Drosera, 32; über die Verdauung

von Chlorophyllkörnern, 111; über

Utricularia, 397

Delpino, über Aldrovanda, 290; über

Utricularia, 357.

Dentin, verdaut von Drosera, 94.

Digitalin, Wirkung auf Drosera, 182.

Dionaea muscipula, geringe Grösze der

Wurzeln, 259; Structur der Blätter,

260; Empfindlichkeit der Filamente,

261; Absorption, 266; Absonderung,

267; Verdauung, 272; Wirkung des

Chloroforms auf —, 275; Art Insecten

zu fangen, 276; Fortleitung des motorischen Impulses, 283; Wiederausbreitung der Lappen, 288.

Dohrn, Dr, A., über rhizocephale Kruster, 322.

Donders, Prof., geringe Menge von

Atropin, welche die Iris des Hundes

afficirt, 155.

Drosera anglica, 252;

—, binata vel dichotoma, 255;

—, capensis, 253;

—, filiformis, 255;

—, heterophylla, 258;

—, intermedia, 253;

—, rotundifolia, Structur der Blätter, 3;

Wirkung stickstoffhaltiger Flüssigkeiten, 67; Wirkung der Wärme, 58;

ihr Verdauungsvermögen, 76; Rücken

der Blätter nicht empfindlich, 209;

Fortleitung des motorischen Impulses,

212; allgemeine Zusammenfassung,

238;

—, spathulata, 254.

Droseraceae, Schluszbemerkungen, 321;

ihre Empfindlichkeit mit der der Thiere

verglichen, 330.

Drosophyllum, Structur der Blätter, 301;

Absonderung, 302; Absorption, 305;

Verdauung, 307.

Drüsenhaare, Absorption durch —,

311; Zusammenfassung über —, 319.

E.

Eisenchlorid, Wirkung auf Drosera, 167.

Eiweisz, von Drosera verdaut, 82;

flüssiges, Wirkung auf Drosera, 70.

Elastisches Fasergewebe, nicht

von Drosera verdaut, 108.

Empfindlichkeit, Localisirung der

—, bei Drosera, 208; der Dionaea,

262; der Pinguicula, 335.

Erbsen, Abkochung von —, Wirkung

auf Drosera, 73.

Erica tetralix, Drüsenhaare, 317.

Ernährung, verschiedene Mittel der

— bei Pflanzen, 405.

Essigsäure, Wirkung auf Drosera,

172.

Euphorbia, Zusammenballung in den

Wurzeln, 56.

Exosmose, an dem Rücken der Blätter

bei Drosera, 210.


 

[page break] Faserknorpel. Register. Klein.

F.

Faserknorpel, von Drosera verdaut, 92.

Faserstoff, s. Fibrin.

Fayrer, Dr., über die Natur des Giftes

der Cobra, 186; über die Wirkung des

Cobra-Giftes auf thierisches Protoplasma, 188; über die lähmende Wirkung des Cobra-Giftes auf Nervencentren, 203.

Ferment, Natur des — s im Secret der

Drosera, 83, 86.

Fett, nicht von der Drosera verdaut,

112

Fibrin, von Drosera verdaut, 100.

Fleisch, Aufgusz von —, bewirkt Zusammenballung bei Drosera, 44; Aufgusz von —, Wirkung auf Drosera,

70; verdaut von Drosera, 87.

Flüssigkeiten, stickstoffhaltige, Wirkung auf Drosera, 67.

Fortleitung des motorischen Impulses bei Dionaca, 283; bei Drosera,

212.

Fournier, über Säuren, die in den

Staubfäden der Berberis Bewegung

verursachen, 177.

Frankland, Prof., über die Natur der

Säure im Secret der Drosera, 79.

G.

Gallussäure, Wirkung auf Drosera,

175.

Galvanismus, ein Strom erzeugt Einbiegung bei Drosera, 32; Wirkung auf

Dionaea, 288.

Gardner, über Utricularia montana,

397.

Gefäsze in Blättern von Dionaea, 225;

—, in Blättern von Drosera, 284.

Gelatine, reines, verdaut von Drosera,

98; unreines, Wirkung auf Drosera, 71.

Genlisea africana, 404;

—, filiformis, 404;

—, ornata, Structur, 400; Art Beute zu

fangen, 403.

Geruch nach Pepsin, an den Blättern

von Drosera, 79.

Gewebe, durch welche der motorische

Impuls fortgeleitet wird, bei Dionaea,

283; bei Drosera, 224.

Gift der Cobra und Otter, Wirkung auf

Drosera, 186.

Globulin, von Drosera verdaut, 106.

Glycerin, bewirkt Zusammenballung

bei Drosera, 45; Wirkung auf Drosera, 192.

Gold-Chlorid, Wirkung auf Drosera,

166.

Gorup-Besanez, über das Vorhandensein eines Lösungsmittels in Wickensamen, 327.

Gras, Abkochung von —, Wirkung auf

Drosera, 74.

Gray, Asa, über Droseraceae. 2. Anm.

Grönland, über Drosera, 1, 5, Anm.

Grundsubstanz, fibröse, der Knochen,

von Drosera verdaut, 96.

Gummi, Wirkung auf Drosera, 68.

H.

Haematin, von Drosera verdaut, 107.

Haare, drüsige, Absorption, 311; Zusammenfassung über —, 318.

Harn, Wirkung auf Drosera, 70.

Harnsäure, Wirkung auf Drosera, 176.

Harnstoff, nicht von Drosera verdaut, 109.

Hausenblase, Lösung von —, Wirkung auf Drosera, 71.

Heckel, Staubfaden der Berberis nach

Reizung, 37.

Hippursäure, Wirkung auf Drosera,

176.

Hofmeister, Druck hemmt die Bewegungen des Protoplasma, 54.

Holland, über Utricularia, 357.

Hooker, Dr., über fleischfressende

Pflanzen, 2; über das Verdauungsvermögen von Nepenthes, 86; Geschichte der Beobachtungen an Dionaea, 259.

Hyoscyamus, Wirkung auf Drosera, 185.

I.

Jod- und Jodwasserstoffsäure,

Wirkung auf Drosera, 171.

Johnson, Dr., über Bewegung des

Blüthenstiels bei Pinguicula, 344.

K.

Kali-Salze, Wirkung auf Drosera,

161; bewirken Zusammenballung bei

Drosera, 44;

—, phosphorsaures, durch Drosera

nicht zersetzt, 168.

Kalk, kohlensaurer, präcipitirt, bewirkt Einbiegung bei Drosera, 28;

—, phosphorsaurer, Wirkung auf

Drosera, 97.

Kalk-Salze, Wirkung auf Drosera,

164.

Käse, von Drosera verdaut, 103.

Klein, Dr., über das mikroskopische

Aussehn halbverdauten Knochens, 93;

über den Zustand halbverdauten Faserknorpels, 93; über die Grösze von

Mikrocokken, 155.


 

[page break] Knight. Register. Primula.

Knight, über das Füttern von Dionaea,

272.

Knochen, von Drosera verdaut, 93.

Knollen, von Utricularia montana, 394.

Knorpel, von Drosera verdaut, 91.

Kobalt-Chlorid, Wirkung auf Drosera, 167.

Kohl, Abkochung von —, Wirkung auf

Drosera, 73.

Kohlensäure, Wirkung auf Drosera,

200; verzögert Zusammenballung bei

Drosera, 51.

Körperchen, minutiöse Grösze der —,

welche Einbiegung bei Drosera bewirken, 24, 28.

Kossmann, über rhizocephale Kruster, 322.

Kreide, präcipitirte, bewirkt Einbiegung bei Drosera, 28.

Kümmel-Oel, Wirkung auf Drosera,

191.

Kupfer-Chlorid, Wirkung auf Drosera, 167.

L.

Legumin, von Drosera verdaut, 103.

Lemna, Zusammenballung in den Blättern von, 56.

Leim, verdaut von Drosera, 104.

Libelle von Drosera gefangen, 2.

Lithion-Salze, Wirkung auf Drosera,

163.

M.

Magnesia-Salze, Wirkung auf Drosera, 164.

Mangan-Chlorid, Wirkung auf Drosera, 167.

Marshall, W., über Pinguicula, 333.

Milch, bewirkt Zusammenballung bei

Drosera, 45; Wirkung auf Drosera,

70; von Drosera verdaut, 100.

Milchsäure, Wirkung auf Drosera,

174.

Mirabilis longiflora, Drüsenhaare, 318.

Mittel der Bewegung bei Dionaea,

283; bei Drosera, 130.

Moggridge, Traherne, über Säuren,

die Samen verletzen, 113.

Moore, Dr., über Pinguicula, 353.

Morphium, essigsaures, Wirkung auf

Drosera, 185.

Motorischer Impuls bei Dionaea,

212, 234; bei Drosera, 283.

Mucin, nicht von Drosera verdaut.

108.

Müller, Fritz, über rhizocephale Kruster, 322.

N.

Natron-Salze, bewirken Zusammenballung bei Drosera, 158; Wirkung

auf Drosera, 44.

—, phosphorsaures, von Drosera

zersetzt, 168.

Nepenthes, Verdauungsvermögen, 86.

Nelken-Oel, Wirkung auf Drosera, 191.

Nickel-Chlorid, Wirkung auf Drosera, 167.

Nicotiana tabacum, Drüsenhaare, 318.

Nicotin, Wirkung auf Drosera, 183.

Nitschke, Dr., Hinweise auf seine Arbeiten über Drosera, 1; über Empfindlichkeit des Blattrückens bei Drosera.

210; über die Richtung der eingebogenen Tentakeln bei Drosera, 221;

über Aldrovanda, 291.

Nuttall, über Wiederausbreitung bei

Dionaea, 288.

O.

Oel, Oliven-, Wirkung auf Drosera, 69,

112.

Oelsäure, Wirkung auf Drosera, 173.

Oliver, Prof., über Utricularia, 397—400.

Otter, Gift-, Wirkung des Giftes auf

Drosera, 186.

Oxalsäure, Wirkung auf Drosera, 175.

P.

Papaw, s. Traubenbaum.

Pelargonium zonale, Drüsenhaare, 317.

Pepsin, Geruch von, bei Drosera, 79;

nicht von Drosera verdaut, 109; von

Thieren nur nach Absorption abgesondert, 114.

Peptogene, 114.

Phosphorsäure, Wirkung auf Drosera, 172.

Pinguicula grandiflora, 352.

—, lusitanica, 353.

—, vulgaris, Structur der Blätter und

Wurzeln, 332; Zahl der gefangenen

Insecten, 333; Bewegungsvermögen,

334; Absonderung und Absorption, 344;

Verdauung, 344; Wirkung des Secrets

auf lebende Samen, 352.

Platin-Chlorid, Wirkung auf Drosera,

167.

Pollen, von Drosera verdaut, 103;

Schalen der — körner von Insecten

nicht verdaut, 103.

Polypompholyx, Structur, 399.

Price, John, über Utricularia, 386.

Primula sinensis, Drüsenhaare, 314;

Zahl der Drüsenhaare, 320.


 

[page break] Propionsäure. Register. Tanninsäure.

Propionsäure, Wirkung auf Drosera.

173.

Protoplasma, Zusammenballung bei

Drosera, 33; bei Drosera durch kleine

Dosen kohlensauren Ammoniaks bewirkt, 129; bei Drosera eine Reflexwirkung, 220.

—, zusammengeballtes, Wiederauflösung, 47.

—, Zusammenballung bei verschiedenen Species von Drosera, 252; bei

Dionaea, 262, 272; bei Drosophyllum,

305, 306; bei Pinguicula, 334, 352;

bei Utricularia, 371, 374, 386, 389,

392.

Q.

Quecksilber- Superchlorid, Wirkung

auf Drosera, 165.

R.

Ralfs, über Pinguicula, 353.

Ransom, Dr., Wirkung von Giften auf

den Dotter von Eiern, 204.

Regenwasser, Ammoniakmenge in,

154.

Richtung der eingebogenen Tentakeln

bei Drosera, 221.

Roridula, 309.

Rubidium-Chlorid, Wirkung auf

Drosera, 163.

S.

Sachs, Prof., Wirkung der Wärme auf

Protoplasma, 58. 61; über die Auflösung von Protëinverbindungen in

den Geweben von Pflanzen, 327.

Salpeter-Aether, Wirkung auf Drosera, 199.

Salpetersäure, Wirkung auf Drosera,

170.

Salze und Säuren, verschiedene Wirkung auf die spätere Anwendung von

Ammoniak, 194.

Salzsäure, Wirkung auf Drosera, 171.

Samen, lebende, Wirkung der Drosera

auf, 112; Wirkung der Pinguicula

auf, 348. 352.

Sanderson, Burton, über Eiweiszgerinnung durch Hitze, 65; über die die

Salzsäure bei der Verdauung ersetzenden Säuren, 79; über die Verdauung

der fasrigen Grundsubstanz der Knochen, 96; über die Verdauung von

Leim, 105; über die Verdauung von

Globulin, 106; über die Verdauung

von Chlorophyll, 111; über die verschiedene Wirkung von Kali und

Natron auf Thiere, 168; über elektrische Ströme bei Dionaea, 288.

Säure, Natur der, im verdauenden Secret der Drosera, 78; Natur der — in

der verdauenden Flüssigkeit verschiedener Arten von Drosera, Dionaea,

Drosophyllum und Pinguicula, 252,

273, 307, 344.

Säuren, verschiedene, Wirkung auf

Drosera, 169; der Essigreihe ersetzen

Salzsäure bei der Verdauung, 79;

—, arsenige und Chrom-, Wirkung

auf Drosera, 167.

—, verdünnte, veranlassen negative

Osmose, 178.

Saxifraga umbrosa, 312.

Schieszbaumwolle, nicht von Drosera

verdaut, 110.

Schiff, Salzsäure löst geronnenes Eiweisz auf, 77; über die Art der Eiweiszverdauung, 82; über Veränderungen im Fleisch während der Verdauung, 88; über Milchgerinnung, 101;

über Verdauung von Casein, 102; über

Verdauung von Schleim, 109; über

Peptogene, 114.

Schleim, Wirkung auf Drosera, 70.

Schloesing, über Stickstoffabsorption

bei Nicotiana, 318.

Schwefeläther, Wirkung auf Dionaea,

275; Wirkung auf Drosera, 198.

Schwefelsäure, Wirkung auf Drosera, 172.

Scott, über Drosera, 1.

Secret der Drosera, allgemeine Schilderung, 11; seine antiseptische Kraft,

13; wird bei Reizung sauer, 77; Natur seines Ferments, 83. 86.

— der Dionaea, 266.

— von Drosophyllum, 302.

— von Pinguicula, 344.

Silber, salpetersaures, Wirkung auf

Drosera, 163.

Sondera heterophylla, 258.

Sorby, über Farbstoffe der Drosera,

4, Anm.

Spectroskop, seine Kraft verglichen

mit Drosera, 153.

Speichel, Wirkung auf Drosera, 71.

Stärke, Wirkung auf Drosera, 69, 112.

Stein, über Aldrovanda, 290.

Strontiansalze, Wirkung auf Drosera,

165.

Strychnin-Salze, Wirkung auf Drosera, 179.

Syntonin, Wirkung auf Drosera, 90.

T.

Tait, über Drosophyllum, 300.

Tanninsäure, Wirkung auf Drosera,

175.


 

[page break] Taylor. Register. Zusammenballung.

Taylor, Alfred, über die Entdeckung

äuszerst kleiner Menge von Giften,

153.

Tentakeln der Drosera bewegen sich,

wenn die Drüsen abgeschnitten werden, 31. 208; Richtung der Einbiegung, 221; Mittel der Bewegung, 230;

Wiederausbreitung, 235.

Terpentin-Oel, Wirkung auf Drosera, 192.

Thee, Aufgusz von, Wirkung auf Drosera, 69.

Thein, Wirkung auf Drosera, 184.

Traube, über künstliche Zellen, 195.

Traubenbaum, Saft des, beschleunigt Fäulnis, 370.

Treat, Mrs., über Drosera filiformis,

255; über Dionaea, 281; Utricularia,

369. 387.

Trécul, über Drosera, 1. 5, Anm.

U.

Utricularia clandestina, 387.

— minor, 386.

— montana, Structur der Blasen, 389;

Thiere von ihr gefangen, 391; Absorption, 393; Knollen als Reservoirs,

394.

— neglecta, Structur der Blasen, 358;

Thiere von ihr gefangen, 365; Absorption, 372; Zusammenfassung über

Absorption, 380; Entwickelung der

Blasen, 382.

Utricularia, verschiedene Species, 397.

— vulgaris, 386.

V.

Veratrin, Wirkung auf Drosera, 184.

Verdauung verschiedener Substanzen

von Dionaea, 273; von Drosera, 76;

von Drosophyllum, 307; von Pinguicula, 344.

—, Ursprung des —svermögens, 326.

Vogel, über Wirkungen des Campher

auf Pflanzen, 188.

W.

Wärme, bewirkt Zusammenballung bei

Drosera, 46; Wirkung auf Drosera, 58;

Wirkung auf Dionaea, 266. 289.

Warming, Dr., über Drosera, 1, 6;

über Wurzeln von Utricularia, 359;

über Trichome, 324; über Genlisea,

400; über Parenchymzellen in den

Tentakeln der Drosera, 229.

Wasser, Tropfen bewirken keine Zusammenballung bei Drosera, 31; seine

Kraft bei Drosera Zusammenballung

zu bewirken, 46; seine Kraft bei Drosera Einbiegung zu bewirken, 123;

und verschiedene Lösungen, Wirkung

auf spätere Einwirkung von Ammoniak, 192.

Weinsteinsäure, Wirkung auf Drosera, 175.

Wiederausbreitung kopfloser Tentakeln bei Drosera, 208; der Tentakeln

bei Drosera, 235; bei Dionaea, 288.

Wilkinson, über Utricularia, 359. 360.

Wurzeln der Drosera, 15; Zusammenballung, 53; absorbiren kohlensaures

Ammoniak, 125.

— der Dionaea, 259.

— von Drosophyllum, 300.

— von Pinguicula, 333.

Z.

Zahnbein, von Drosera verdaut, 94.

Zahnschmelz, von Drosera verdaut, 94.

Zellgewebe, von Drosera verdaut, 91.

Ziegler, seine Angaben in Bezug auf

Drosera, 21, Anm.; Versuche mit Gefäszdurchschneidung bei Drosera, 226.

Zink-Chlorid, Wirkung auf Drosera,

165.

Zinn-Chlorid, Wirkung auf Drosera,

166.

Zuckerlösung, Wirkung auf Drosera,

68; bewirkt Zusammenballung bei

Drosera, 45.

Zusammenballung des Protoplasma

bei Drosera, 33; durch Ammoniaksalze

bewirkt, 38; durch kleine Dosen kohlensauren Ammoniaks bewirkt, 145;

als Reflexwirkung, 220; bei verschiedenen Arten von Drosera, 252; bei

Dionaea, 263, 272; bei Drosophyllum,

305, 306; bei Pinguicula, 334, 352;

bei Utricularia, 371, 374, 386, 387, 392.

Druck der E. Schweizerbart'schen Buchdruckerei in Stuttgart.


 

[0427]


 

[0428]

In der E. Schweizerbart'schen Verlagshandlung (E. Koch) in Stuttgart

ist erschienen:

Bach, H., Geologische Karte von Central-Europa bearbeitet nach den besten

bekannten Quellen. In Farbendruck mit 28 Farben. Folio. Zweiter

Abdruck. 1868. Mark 8. —

Blum, Dr. J. R., Lehrbuch der Mineralogie (Oryktognosie). Vierte verbesserte und vermehrte Auflage. 1874. Mark 12. —

Bronn, Dr. H. G., Untersuchungen über die Entwicklungs-Gesetze der

organischen Welt während der Bildungs-Zeit unserer Erd-Oberfläche.

Eine von der französichen Akademie im Jahre 1858 gekrönte Preisschrift.

gr. 8. 1858. Mark 6. —

Burbidge, F. W., Die Orchideen des temperirten und kalten Hauses. Aus

dem Englischen von M. Lebl. Mit 23 Holzschniten und 4 Farbendruckbildern. 1875. Mark 8. —

Fischer, H., Nephrit und Jadeit, nach ihren mineralogischen Eigenschaften sowie nach ihrer urgeschichtlichen und ethnographischen Bedeutung. Mit 131

Holzschnitten und 2 Farbentafeln. 1875. Mark 14. 40.

Gartenzeitung, illustrirte, Eine monatliche Zeitschrift für Gartenbau, Obstbau

und Blumenzucht. Verantwortlicher Redacteur Hofgärtner Lebl in Langenburg. Zwanzigster Jahrgang 1876. Preis eines Jahrgangs von 12 Heften

mit je 1 Abbildung in schönstem Farbendruck und 1 schwarze Tafel

nebst prachtvoller Prämie in Farbendruck. Mark 9. —

Klein, Karl, Einleitung in die Krystallberechnung. Mit 196 Holzschnitten

und 12 Tafeln. 1875. Mark 12. —

Illustrirter Rosengarten. Eine Zeitschrift für Rosenfreunde und Rosengärtner.

Herausgegeben von M. Lebl. Neue Folge: Erstes bis drittes Heft. Mit

je vier Blatt in Farbendruck. 1875. à Mark 5. —

Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen. Herausgegeben von Prof. Dr.

Franz Baur in Hohenheim. Jährlich 12 Hefte. Zwanzigster Jahrgang.

1876. Mark 10. —

Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie. Herausgegeben

von Professor Dr. G. Leonhard in Heidelberg und Professor H. B. Geinitz

in Dresden. Jahrgang 1876. Mark 24. —

Pynaert, E., Die Frucht-Häuser. Eine vollständige Abhandlung über die Treibund die künstliche Cultur der Obstbäume und der Beerensträucher unter

Glasschutz. Aus dem Französischen von M. Lebl. Mit 65 Holzschnitten.

1874. Mark 4. —

Reuss, Dr. G. Ch., Pflanzenblätter in Naturdruck mit der botanischen Kunstsprache für die Blattform. 42 Foliotafeln mit erläuterndem Text. Zweite

Auflage. 1872. Mark 22. —

Stohmann, F., und Carl Engler, Handbuch der technischen Chemie. Nach

der fünften Auflage der "Chimie industrielle‟ von A. Payen frei bearbeitet.

I. Band mit 193 Holzschnitten und 17 Kupfertafeln. Mark 12. —

II. Band mit 209 Holzschnitten und 33 Kupfertafeln. Mark 16. —

Druck der E. Schwelzerbart'schen Buchdruckerel in Stuttgart.


Return to homepage

Citation: John van Wyhe, ed. 2002-. The Complete Work of Charles Darwin Online. (http://darwin-online.org.uk/)

File last updated 25 September, 2022