RECORD: Darwin, C. R. 1881. Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. Translated by J. V. Carus. Stuttgart: Schweizerbart.

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Das Bewegungsvermögen der Pflanzen

von

 

Charles Darwin und Francis Darwin.

 

 

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In demselben Verlag ist erschienen:

Darwin, Ch., Reise eines Naturforschers um die Welt. Aus dem Engl. von J. V. Carus. Mit 14 Holzschn. 1875. Mk. 10. - geb. Mk. 11. -

Ueber die Entstehung der Arten durch natiirliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begilnstigten Rassen im Kampfe urn's Dasein. Aus dem Englischen von J. Victor Carus. Sec h s te Auflage. Mit dem Portrait des Verfassers. 8.. 1876. Mark 10. - geb. Mk. 11. -

Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.

; Aus dem Englischen iibersetzt von J. Victor Carus. 2 Bde. mit 43 Holz­ schnitten. Z we it e Auflage. gr. 8. 1873. Mk. 20. - geb. Mark 22. -

- Die Abstammung des :Menechen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Aus dem Englischen von J. V. Carus. Dr it t e giinzlich umgearbeitete Auflage. 2 Bde. mit 78 Holzschn. gr. 8. 1875. Mk. 18. - geb. Mk. 20. -

Der Ausdruck der Gemiitbsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. Aus dem Englischen von J. V. Carus. Z weit e Auflage. Mit 21 Holzschn. u. 7 heliogr. Tafeln. gr. 8. 1874. Mk. 10. - geb. Mk. 11. -

Ineectenfressende Pflanzen. Aus dem Englischen von J. V. Carus. Mit 30 Holzschnitten. 1876. Mark 9. - geb. Mk. 10. -

Die Bewegungen und Lebeneweiee der kletternden Pflanzen. Aus dem Englischen iibersetzt von J. V. Carus. Mit 13 Holzschnitten. gr. 8. 1876. Mark 3. 60. geb. Mk. 4. 60.

ttber den Bau und die Verbreitung der Corallen-Rift'e. Aus dem Englischen von J. V. Carus. Mit 3 Karten und 6 Holzschn. gr. 8. 1876.

Mark 8. - geb. Mk. 9. -

- Geologieche Beobachtungen iiber die Vulcanischen Inseln mit kurzen Bemerkungen iiber die Geologie von Australien und dem Cap der Guten Hoffnung. Aus dem Englischen iibersetzt von J. V. Carue. Mit 1 Karte und •14 Holzschnitten. 1877. . Mark 4. - geb. Mk. 5. -

Die Wirkungen der Kreuz- und Belbst-Befruchtung im Pflanzen­ reich. Aus dem Englischen iibersetzt von J. V. Carus. gr. 8. 1877.

Mark 10. - geb. Mk. 11. -

Die verschiedenen Einrichtungen durch welche Orchideen von Insecten befruchtet warden. Aus dem Englischen von J. V. Ca.rue. Mit 38 Holzschn. Zweite Auflage. 1877. Mark 6. - geb. Mk. 7. -

Die verechiedenen Bliithenformen an Pflanzen der nimlichen Art.

Aus dem Englischen von J. V. Carue. Mit 15 Holzschnitten. 1877.

" \ '• J . Mark 8. - geb. Mk. 9. -

',;.,,. :.Ge'&logische Beobachtungen iiber Bild-America und. Kleinere geo­ logi$'ehe Abhandlungen. Aus dem Englischen von J. V. Carue. Mit 7 Karten und Tafeln nebst 38 Holzschn. 1878. Mark 10. - geb. Mk. 11. -

 

Dub - Kurze Daretell :; der Lehre Darwin's. Mit 38 Holz- nitten. gr.8. 1870. Mark 6. -

Jliger, Dr. Gustav, In Bachan Darwin's insbesondere contra Wigand. Ein •

Beitrag zur Rechtfertigung und Fortbildung der Umwandlungslehre. 1875.

Mark 5. -

Kosmos. Zeitschrift filr einheitliche Weltanschauung auf Grund der Entwicke­ lungslehre. 1877-1881 (1.-5. Jahrgang). Jahrlich 12 Hefte.

Preis pro Quartal Mk. 6. -

 

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Das

 

Bewegungsvermogen der Pflanzen

von

 

Charles Darwin

 

mit Unterstfitzung von

Francis Darwin.

 

 

Aus dem Englischen iibersetzt

von

J. Victor Carns.

 

 

Mit 196 Holzechnitten.

 

 

 

STUTTGART.

E. Scbweizerbart'sche Verlagsbanqlung (E. Koch).

 

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Zu Guttenberg (Cart Grlilllnger) In Stuttgart.

 

 

 

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Inhalt.

Einleitung s. 1

Erstes Capitel,

Die circumnutirenden Bewegungen von Bamlingen.

Brassica oleracea, Circumnutation des Wiirzelchens, des gekriimmten Hypocotyls, solnnge er noch unter der Erde eingegraben, im Begriffe sich zu erheben und gerade zu strecken ist und wenn er aufrecht steht. - Circumnutation der Cotyledonen. - Schnelligkeit der Bewegung. - Analoge Beobachtungen iiber verschiedene Organe bei Arten von Githago, Gossypium, Oxalis, Tropaeolum, Citrus, .Aesculus, von verschiedenen Leguminosen- und Cucurbitaceen-Gattangen, Opuntia, Helianth-us, Primula, Cyclamen, Stapelia, Cerinthe, Nolana, Solanum, Beta, Ricinus, Quercus, Corylus, Pinus, Cycas, Canna, .Alliuin, .Asparagus, Phalaris, Zea, .Ai•ena, Nephrodium und Selaginella . . . . . S. 8

 

Zweites Capital,

Allgemeine Betrachtungen iiber die Bewegungen und dae Wachethum

von Pflanzensamlingen.

Allgemeinheit der circumnutirenden Bewegung. - Wiirzelchen, ihre Circumnutation ist von Nutzen. - Art und Weise, in welcher sie den Boden durchdringen.

Die Art, in welcher die Hypocotyle und andere Organe durch ihr Gekrl\mmt­ sein den Boden durchbrechen. - Eigenthl\mliche Keimungaweise bei Megar­ rhiza etc. - Fehlschlagen der Cotyledonen. - Circumnutation der Hypocotyle und Epicotyle, wahrend aie noch unter der Erde und gekriimmt sind. - 1hr Venn<igen sich zu strecken. - Bersten der Samenhiillen. - Vererbte Wirkung

des Krllmmungsprocessea bei unterirdischen Hypocotylen. - Circumnutation

von Hypocotylen und Epicotylen im aufrechten Zustande. - Circumnutation der Cotyledonen. - Pnlvini oder Gelenke der Cotyledonen , Dauer ihrer Thitigkeit, rudimentii.r bei Oxalis corniculata, ihre Entwickelung. - Empflnd­ lichkeit der Cotyledonen gegen das Licht und davon abhangige Srorung

ihrer periodischen Bewegungen. - Empfindlichkeit der Cotyledonen gegen

Berllhrung . . . . . . . . . . . . s. 55

 

[page break] VI Inhalt.

 

Drittas Capital,

Empftndlichkeit der Bpitze des Wiirzelchens gegen Beriihrung und

gegen andere Reize.

Art und Weise, iu welcher die Wiirzelchen sich biegen, wenn sie im Boden auf ein Hindernis treffen. - Vicia faba. Die Spitzen der Wilrzelchen im hohen Grade gegen Berilhrung und andere Reize empfindlich. - Wirkungen einer zu hohen Temperatur. - Vermogen, zwischen auf gegen\iberliegenden Seiten angehefteten Gegenstiinden zu unterscheiden. - Die Spitzen sec:undiirer Wur­ zelcben sensitiv. - Pisum. Spitzen der Wiirzelchen sensitiv. - Wirkungen einer derartigen Empfindlichkeit bei der Uberwindung des Geotropismus. - Secundare W\irzelcben. - Phaseolus. Spitzen der WUrzelchen gegen Ber\ih­ rnng kaum empfindlich, gegen ltzmittel aber in hohem Grade empfindlich, ebenso wie gegen die Entfernung eines Schnittchens. - Tropaeolum. - Gos­ sypium. - Cucurbita. - Raphanus. - Aesculus. Die Spitze gegen leichte Beriihrung nicht empfindlich, gegen ltzmittel in hohem Grade empfindlich.

- Quercus. Spitze gegen Beriihrung in hohem Grade emp:11.ndlich. - Unter­ scheidungsvermogen. - Zea. Spitze in hohem Grade empfindlich, secundiire Wiirzelchen. - Empfindlichkeit der Wiirzelchen gegen feuchte Luft. - Zu­ sammenfassung des Capitels . . . . . . . . •. S. 109

 

Viartas Capitel.

Die circumnutirenden Bewegungen der verschiedenen Theile erwach• sener Pflanzen.

Circumnutation der Stiimme: Schluszbemerkungen hier\iber. - Circumnntation von Stolonen: dadurch f\ir das Winden zwischen den Stiimmen umgebender P:11.anzen dargebotene Hiilfe. - Circumnutation der Blatter von Dicotyledonen.

Eigenthiimliche oscillatorische Bewegung der Blatter von.Dionaea. - Die Blatter von Cannabis senken sich des Nachts. - Blatter von Gymnospermen,

von Monocotyledonen, - Cryptogamen. - Schluszbemerkungen uber die Circumnutation von Bliittern: heben sich allgemein am Abend und senken sich am Morgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 172

 

Fiinftas Capital,

Modiftcirte Circumnutation: Kletterpftanzen; epinastiscbe und .hypo­

nastische Bewegungen.

Circumnutation durch innere Ursachen oder durch die Wirkung auszerer Beding­ ungen modificirt. - Innere Ursachen. - Kletterp:11.anzen; .A.hnlichkeit ihrer Bewegungen mit denen gewobnlicher Pfianzen; vermehrte Amplitude; gelegent­ liche Differenzpnnkte. - Epinastisches Wachsthum junger Blatter. - Hypo­ nastisches Wachsthum der Hypocotyle nnd Epicoty'le von Siimlingen. - Haken­ formige Spitzen von kletternden und anderen Pfianzen , Folge modificirter Circumnutation. - Ampelopsis tricuspidata. - Smithia Pfundii. - Gerade­ streckung der Spitze, Folge der Hyponastie. - Epinastisches Wachsthum und Circnmnutation der Bluthenstiele von Trifolium repens und Oxalis carnosa . . . . . . . • • • . . . . . . • • • . . S. 222

 

[page break] Inhalt. VII

 

Seohstes Capital,

Kodifl.cirte Oircumnuta.tion: Bohla.f- oder nyctitropische Bewegungen,

ihr Nutzen: Bchla.f der Ootyledonen.

Vorliiufige Skizze der nyctitropischen Bewegungen von Bliittern. - Anwesenheit von Polstern. - Die Verringerung der Strahlung als Endursache der nycti­ tropischen Bewegungen : Art und Weise, in welcher Experimente an den Bliitte n von Oxalis, .Arachis, Cassia, Melilotus, Lotus und Marsilea und an den Cotyledonen von ¥imosa angestellt wurden. - Schluszbemerkungen iiber die Strahlung von Bliittern. - Kleine Verschiedenheiten in den Bedingungen bringen eine grosze Verschiedenheit in dem Resultate hervor. - Beschreibung der nyctitropischen Stellung .nnd Bewegungen der Cotyledonen verschiedener Pflanzen. - Liste der Species. - Schluszbemerkungen. - Unabh!l.ngigkeit der nyctitropischen Bewegungen der Blatter und der Cotyledonen einer und derselben Species. - Grilnde fiir die Annahme, dasz die Bewegungen zu einem speciellen Zwecke erlangt worden sind . . . . . . . . . . . S. 237

Siebentes Oapitel,

Kodiflcirte Oircumnuta.tion: Nyctitropische oder Bchla.fbewegungen der

Blatter.

Flir diese Bewegungen nothwendige Bedingungen. - Lista der Gattungen und Familien, welche schlafende Pflanzen enthalten. - Beschreibung der Beweg­ ungen in mehreren Gattungen. - Oxalis: Blll.ttchen des Nachts gefaltet. -

.Averrhoa: rapide Bewegungen der Blattchen. - Porlieria: Blattchen schlieszen sich, wenn die Pflanze sehr trocken gehalten wird. - Tropaeolum: Blatter schlafen nicht, wenn sie wll.hrend des Tages nicht gut beleuchtet worden sind.

Lupinns: Verschiedene Weisen des Schlafs. - Meli'lotus : eigenthiimliche Bewegungen des terminalen Bliittchens. - Trifolium. - Desmodium: rudi­ mentiire seitliche Bliittchen, deren Bewegungen, an jungen Pflanzen nicht ent­ wickelt; Polster. Cassia: complicirte Bewegungen der Bliittchen. - Bau­ hinia: Blattchen des Nachts gefaltet. - Mimosa pudica: zusammengesebte Bewegungen der Blatter, eine Wirkung der Dunkelheit. - Mimosa albida: verkiimmerte Blattchen. - Schrankia: Abwiirtsbewegung der Fiedern. - Marsilea: die einzige cryptogame Pflanze von der bekannt ist, dasz sie schlaft.

Schluszbemerkungen und Zusammenfassung. - Nyctitropismus besteht in modificirter Circumnutation , durch den Wechsel von Licht nnd Dunkelheit regulirt. - Gestalt der ersten wahren Blatter . . . . . . . . S. 270

 

Aohtes Oapitel,

Kodifl.cirte Oircumnutation: Durch das Licht a.ngeregte Bewegungen. Unterschied zwiscben Heliotropismus und den Wirkungen des Lichte auf die Perio­ dicitiit der Bewegungen von Bliittern. - Heliotropiscbe Bewegungen von

Beta, Solanum, Zea und .Avena. - Heliotropiscbe Bewegungen nach einem

scbwachen Lichte hin bei .Apios, Brassica, Phalaris, Tropaeolum und Cassia. - A.pheliotropische Bewegungen der Ranken von Bignonia. - Der Bluthen­ stengel von Cyclamen. - Eingraben der Samenkapsel. - Heliotropismus und Apheliotropismus modificirte Formen von Circumnutation. - Schritte, durch

 

[page break] VIII Inhalt.

 

welche eine Bewegung in die andere umgewandelt worden ist. - Transversaler Heliotropismns oder Diaheliotropismus, beeinfluszt von Epinastie, dem Gewichte des Theils und Apogeotropismus. - Apogeotropismus wli.hrend der Mitte des Tags von Diaheliotropismus iiberwii.ltigt. - Wirkungen des Gewichts der Cotyledonscheiben. - Sogenannter Tagesschlaf. - Chlorophyll durch intensives Licht geschiidigt. - Bewegungen um intensives Licht zu vermeiden• S. 356

Neuntes Oapitel,

Empfl.ndlichkeit der Pftanzen gegen Licht; seine fortgeleiteten Wirkungen.

Nntzen des Heliotropismus. - Insectenfressende und kletternde Pflanzen nicht heliotropisch. - Ein und dasselbe Organ auf einer Altersstufe heliotropisch und auf einer andern nicht. - Anszerordentliche Empfindlichkeit einiger Pfl.anzen gegen das Licht. - Die Wirkungen des Lichts entsprechen nicht seiner Intensitli.t. - Wirkungen vorausgehcnder Beleucbtung. - Fiir die Wir­ kung des Licbts erforderliche Zeit. - Nacbwirkungen des Licbts. - Apogeo­ tropismus wirkt sobald das Licht feblt. - Genauigkeit, mit welcher Pflanzen sich nach dem Lichte biegen. - Dies biingt von der Beleuchtung der einen ganzen Seite des Theils ab. - Localisirte Empfindlichkeit gegen das Licht und seine fortgeleiteten Wirkungen. - Cotyledonen von Phalaris, Art sich zu biegen. - Resultate des Ausschlusses des Lichts von ihren Spitzen. - Unter die Oberfl.ache des Bodens fortgeleitete Wirkungen. - Seitliche Beleuchtung der Spitze bestimmt die Richtung der Kriimmung der Basis. - Cotyledonen von Avena, die Kriimmung des basalen Theils, Folge der Beleuchtung des oberen Theils. - A.hnliche Resultate bei den Hypocotylen von Brassica und Beta. - Wiirzelchen von Sinapis apheliotropisch, Folge der Empfindlichkeit ihrer Spitzen. - Schluszbemerkungen und Zusammenfassung des Capitels. - Mittel, durch welche die Circumnutation in Heliotropismus und Apheliotropismus umgewandelt worden ist S. 383

Zehntes Oapitel.

Kodiftcirte Circumnutation: Durch Gravitation angeregte Bewegungen. Beobachtungsmittel. - Apogeotropismus. - Cytisus. - Verbena. - Beta. -

Allmiihliche Umwandlung der Circumnutationsbewegung in Apogeotropismus

bei Rubus, Li"lium, Phalaris, Avena und Brassica. - Apogeotropismus durch Heliotropismus verlangsamt, - durch Hiilfe von Gelenken oder Polstern aus­ geftthrt. - Bewegungen der Bliitbenstengel von Oxalis. - Allgemeine Be­ merkungen ilber Apogeotropismus. - Geotropismus. - Bewegungen der Wilr­ zelchen. - Eingraben von Samenkapseln. - Nutzen des Vorgangs. - Tri­ foZium subterraneum. - Arackis. - Amphicarpaea. - Diageotropismus. - Schlusz • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 422

Elftes Oapitel,

Looalisirte Empfl.ndlichkeit gegen die Bchwerkraft und ihre t'ortgelei­

teten Wirkungen.

Allgemeine Betrachtungen. - Vicia faba: Wirkungen der Amputation der Spitzen der Wllrielchen. - Regeneration der Spitzen. - Wirkung der geotropischen

 

[page break] Inhalt. IX

 

Einwirkung, wenn die Spitzen kurze Zeit derselben ausgesetzt sind, und deren spitererer Amputation. - Wirkungen einer sehriigen Amputation ihrer Spitzen.

- Wirkungen der Atzung der Spitzen. - Wirkungen eines Fettl!berzuges auf die Spitzen. - Pisum sativum: Spitzen der Wiirzelehen quer und auf ihren oberen uud unteren Seiten eauterisirt. - Phaseolus: Cauterisation und Fett­ tlberzug der Spitzen. - Gossypium. - Cucurbita: Spitzen quer und auf ihren oberen und unteren Seiten eauterisirt. - Zea.: Spitzen eauterisirt. - Schlusz­ bemerkungen und Zusammenfassung des Capitels. - Vortheil der in den Spitzen der Wiirzelchen localisirten Empfindliehkeit flir Geotropismus S. 448

 

Zwolftes Oapitel,

Zusammenfaesung und Bchluezbemerkungen.

Natur der circumnutirenden Bewegung. - Geschichte eines keimenden Samenkorns.

Das Wiirzelchen tritt zuerst hervor und circumnutirt. - Seine Spitze in hohem Grade empfindlich. - Hervorbrechen des Hypocotyls und des Epicotyls aus der Ertle unter der Form eines Bogens. - Seine Circumnutation und die der Cotyledonen. - Der Siimling treibt einen blatttragenden Stamm. - Die Cireumnutation siimmtlicber Theile oder Organe. - Modifieirte Circumnutation.

Epinastie und Hyponastie. - Bewegungen kletternder Pflanzen. - Nycti­ tropisehe Bewegungen. - Durch Licht und Gravitation angeregte Bewegungen.

Localisirte Empfindlichkeit. - Ahnlichkeit zwischen den Bewegungen der Pflanzen und Thiere. - Die Spitze des Wiirzelchens wirkt wie ein Gehirn S. 469

 

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Einleitung.

 

Der hauptsachlichste Zweck des vorliegenden Werkes ist, mehrere grosze Gruppen von Bewegungserscheinungen, welche beinahe allen Pflanzen gemeinsam zukommen , zu beschreiben und mit einander in Verbindung zu bringen. Die am weitesten verbreitete Bewegung ist wesentlich von derselben Art wie die des Stammes einer kletternden Pflanze, welcher sich nach einander nach allen Punkten der Windrose hin bewegt, so dasz die Spitze rotirt. Diese Bewegung hat SACHS

,revolutive Nutation" genannt; ich babe es aber fiir zweckmasziger gefunden, die Ausdriicke Circumnu tat ion und circumnutiren zu brauchen. Da wir iiber diese Bewegung Vieles zu sagen haben, durfte es von Nutzen sein, hier kurz ihre Natur zu schildern.

Wenn wir einen circumnutirenden Stamm beobachten, welche:i; zur Zeit zuf'allig, wir wollen sagen, nach Norden gebogen ist, so werden wir finden, dasz er sich nach und nach immer mehr nach Osten biegt, bis er Osten gegenfi.bersteht, mid so fort nach Suden, dann naeh Westen und endlich wieder nach Norden. Wenn die Bewegung ganz regel­ maszig gewesen ware, wiirde die Spitze einen Kreis beschrieben haben, oder vielmehr, da der Stengel immer nach oben wachst, eine kreis­ formige Spirale. Sie beschreibt aber meistens unregelmaszige, ellip­ tische oder ovale Figuren; denn nachdem die Spitze nach irgend einer Richtung bin gewiesen hat, bewegt sie sich gewohnlich zwar nach der entgegengesetzten Seite, indessen nicht auf demselben Wege zuruck­ kehrend. Spater werden andere unregelmaszige Ellipsen oder Ovale nach einander beschrieben , deren liingere Achsen nach verschiedenen Punkten der Windrose hingerichtet sind. Wahrend die Spitze derartige Figuren beschreibt, bewegt sie sich oft in einer Zickzacklinie oder be­ schreibt kleine, untergeordnete Scblingen oder Dreiecke. Bei den Be­ wegungen der Blll.tter sind die Ellipsen meist eng.

DARWIN, llewog.ungsvermogen. (XIII.) 1

 

[page break] 2 Einleitung.

Bis vor kurzem glaubte man, dasz die Ursache aller solcber Beuge­ bewegungen Folge des vermebrten Wacbstbums derjenigen Seite sei, welcbe eine Zeit lang convex wird. Dasz diese Seite dann zeitweise scbneller wfichst als die concave Seite, ist sicber ermittelt worden; aber DE VRIES hat vor kurzem gezeigt, dasz ein derartiges, vermebrtes Wacbstbum einem vorausgebenden Zustande erhobter Turgescenz auf der convexen Seite folgt t. In den Fallen, wo Pflanzentheile mit einem sogenannten Gelenk, Kissen oder pulvinus versehen sind, welches aus einer Anbaufung kleiner Zellen besteht, die von einem sebr friihen Alter an• aufgehort baben an Grosze zuzunehmen, treffen wir ll.hnlicbe Bewegungen; und bier folgt, wie PFEFFER gezeigt hat 2, und wie wir im Verlaufe dieses Werkes seben werden, der erhobten Turgescenz der Zellen auf gegeniiberliegenden Seiten kein vermebrtes Wachstbum. WIESNER bestreitet fiir gewisse Falle die Ricbtigkeit von DE VRIES' Schluszfolgerung in Bezug auf die Turgescenz und behauptet 3, dasz die vermebrte Ausdebnbarkeit der Zellwandungen das bedeutungsvollere Element ist. Dasz eine derartige Ausdehnungs bigkeit die erhobte Turgescenz begleiten musz, damit sicb der Theil biegen kann, ist offen­ bar, und dies baben verschiedene Botaniker hervorgehoben; aber bei einzelligen Pflanzen musz es selbstverstitndlich das bedeutungsvollere

•Element sein. Im Ganzen konnen wir fiir jetzt folgern , dasz ver­

mehrtes Wacbsthum zuerst auf der einen und dann auf der andern Seite eine secunditre Wirkung ist, und dasz die vermehrte Turgescenz der Zellen in Verbindung mit der Ausdehnbarkeit ihrer Wandungen die primiire Ursache der Bewegung der Circumnutation ist 4•

Im Verlaufe des vorliegenden Bandes wird sich zeigen, dasz allem Anscheine nacb jeder wachsende Theil einer jeden Pflanze bestitndig in Circumnutation ist, wenn schon hli.ufig in einem geringen Masze. Selbst

1 Sachs wies zuerst (Lehrbuch der Botanik. 4. Aull. p. 762) den innigen Zusammenhang zwischen Turgescenz und Wachsthum nach. Wegen de Vries' interessanter Abhandlung "Wachsth)lIIlskrtlmmung mehrzelliger Organe" s. Botan. Zeitung, 19. Dec. 1879. p. 830.

2 Die periodischen Bewegungen der Blattorgane. 1875.

a Untersuchungen liber den Heliotropismus, in: Sitzungsber. d. kais. Akad.

d. Wiss. Wien, Math. nat. Cl. 81. Bd. 1. Abth. (Jan. 1880). p. 7.

+ S. Vine's ausgezeichnete Erorterung dieses verwickelten Gegenstands (Arbeit. d. botan. Instituts Wiirzb. 2. Bd. 1878. p. 142, 143). Hofmeister's Beobachtungen iiber die merkwilrdigen Bewegungen von Spirogyra, einer aus einer einzigen Reihe von Zellen bestehenden Pfl.anze (Jahreshefte d. Ver. vaterl. Naturk. in Wiirttemberg, 1874. p. 211), sind werthvoll in Bezug auf diesen Gegenstand.

 

[page break] Einleitung. 3

die Stamme von Samlingen circumnutiren, ehe sie den Erdboden durch­ brochen haben, ebenso wie ibre eingegrabenen Wi.irzelchen, soweit es

-der Druck der umgebenden Erde gestattet. In dieser allgemein vor­ handenen Bewegung baben wir die Basis oder die Grundlage fiir das Erlangen der verscbiedenartigsten Bewegungen in Obereinstimmung mit den Bedi.irfnissen der Pflanze. So sind die groszen Schwingungen, welcbe die Stllmme windender Pflanzen und die Ranken anderer Kletter­ pflanzen beschreiben, das Resultat einer einfachen Zunahme der Ampli­ tude der gewohnlichen Bewegung der Circumnutation. Die Stellung, welcbe junge Blil.tter und andre Organe endlicb annehmen, wird da­ durch erlangt, dasz die circumnutirende Bewegung in irgend einer be­ stimmten Richtung vermehrt war. Die Blil.tter verschiedener Pflanzen

:Schlafen des Nachts, wie man sagt, und es wird sich zeigen, dasz ihre Blattscheiben dann eine senkrechte Stellung durch eine modificirte Circumnutation annehmen , um ibre obere Flacbe gegen das Erkil.lten infolge der Ausstrablung zu schiitzen. Die Bewegungen verschiedener Organe nacb dem Lichte bin, welche durch das ganze Pflanzenreich

. so allgemein sind, und gelegentlich vom Lichte ab oder quer auf das Licht, sind alle modificirte Formen der Circumnutation, wie ebenso die gleichfalls allgemein verbreiteten Bewegungen der Stllmme u. s. w: nacb dem Zenith und der Wurzeln nach dem Mittelpunkt der Erde bin. In Obereinstimmung mit diesen Folgerungen ist eine betrilchtliche Schwierig­ keit in Bezug auf die Entwicklung beseitigt; denn man hiltte fragen konnen, wie sind alle diese verschiedenartigen Bewegungen zu den ver­ schiedensten Zwecken zuerst entstanden? Wie der Fall liegt, so wissen wir , dasz bestandig Bewegung im Gange ist, und ihre Weite oder Richtung oder beides braucht nur zum Besten der Pflanze in Beziehung zu inneren oder auszeren Reizen modificirt zu werden.

Es werden die verschiedenen , modificirten Formen der Circum­ nutation beschrieben, aber auszerdem noch einige andere Punkte erortert werden. Die zwei, welche uns am meisten interessirt haben, sind erstens die Thatsache, dasz bei einigen Pflanzensamlingen nur der oberste Theil fiir das Licht empfindlich ist und einen Einflusz auf den unteren Theil fortpflanzt, welcher diesen zu biegen veranlaszt. Wenn daher der obere Theil ganzlich gegen das Licht gescbiitzt ist, kann der untere ihm stundenlang ausgesetzt werden, und doch wird er nicht gebogen, obschon dies schnell eingetreten sein wiirde, wenn der obere Theil durch das Licht gereizt worden ware. Zweitens ist bei den

 

[page break] 4 Einleitung.

 

Wiirzelchen von Samlingen die Spitze gegen verschiedene Reize em­ pfindlich, besonders gegen sehr geringen Druck, und wenn sie so gereizt wird, pflanzt sie diesen Reiz auf den oberen Theil fort und veranlaszt ihn, sich von der gedriickten Seite abzubiegen. Wenn andrerseits die Spitze Wasserdampf ausgesetzt wird, welcher von einer Seite her kommt, so biegt sich der obere Theil des Wiirzelcbens nach dieser Seite bin. Ferner ist es die Spitze, welche, wie Crnsrn1sK1 angegeben hat, ob­ schon es von anderen geleugnet wird, fiir die Anziehung der Schwer­ kraft empfindlich ist und durch Uberlieferung dieser Einwirkung die benachbarten Theile des Wiirzelchens sich nach dem Mittelpunkt der Erde hin zu biegen veranlaszt. Diese verschiedenen Falle einer Wir­ kung der Beriihrung, anderer Reize, des Dampfes, Lichtes und der An­ ziehung der Scbwerkraft, welche von dem gereizten Theile eine geringe Entfernung weit dem in :Frage stehenden Organ entlang geleitet werden, haben in Bezug auf die Theorie aller derartiger Bewegungen eine bo­ deutende Tragweite.

•re r mi no 1o g i e. - Eine kurze Erklarung einiger Ausdriicke, WfJlcho bier gebraucl1t werden, musz jetzt eingeschaltet werden. Bei Samlingen ist der Stamm, welcher die Coty 1e done n (d. h. die Organe, welche die ersten Blatter darstellen) tragt, von vielen Botanikern der hypo­ cotyledone Stamm genannt worden. Der Kiirze wegen werden wir aber von ihm nur als dem Hypocotyl sprechen; der Stamm unmittolbar tiber den Cotyledonen wird der Epicotyl oder die plumula genannt werden. Das Wiirzelchen kann vom Hypocotyl nur durch das Yorhan­ densein von Wurzelhaaren und durch die Beschaffenheit ihrer Bedeckung unterschieden werden. Die Bedeutung des Wortes Cir cum nutation ist bereits erklii.rt worden. Die Botaniker sprechen von positivem und negativem Heliotropismus 5, d. h. dem Biegen eines Organs nach oder von dem Lichte; es ist aber viel zweckmasziger, deu Ausdruck Helio­ t r op ism us auf die Biegung nach dem Lichte bin zu beschranken und die Bieg•ung vom Lichte weg als A1lheliotropismus zu bezeichnen. Es gibt noch einen anderen Grund fiir diese Anderung; denn, wie wir beobachtet haben, ]assen die Schriftsteller gelegentlich die Adjectirn posit iv und neg at iv fallen und bringen daher, Verwirrung in ihre Discussionen. Diaheliotropismus mag eine mehr oder weniger quer zum Lichte stehende und von il1m veranlaszte Stellung bezeichnen. In gleicher Weise wird der positive Geotropismus oder das Biegen nach dem Mittelpunkte der Erde bin von uns einfach Ge o t r o lli s mus gen aunt werden ; Apo g eo tropism us bezeichnet das Biegen im Gegensatz zur Schwerkraft oder von dem Mittelpu11kt der Erde weg, und Diageotro-

 

5 Die hochst brnuchbaren Ausdriicke Heliotropismus und Geotropismus sind zuerst von Dr. A. B. Fr an k angewendet worden, s. dessen beachtenswerthe "Bei­ triige zur Pflanzenphysiologie", 1868.

 

[page break] Einleitung. 5

 

pi sm us eine mehr oder weniger quer auf den Radius der Erde gerichtete Stellung. Die Worte Heliotropismus und Geotropismus bezeichnen eigentlich den Act der Bewegung in Beziehung zum Lichte oder zur Erde; aber in derselben Weise, in welcher die Gravitation, obschon sie den Act des Strebens nach dem Mittelpunkte bezeichnet, haufig benutzt wird, um die Ursache des Fallens eines KOrpers zu bezeichnen, wird sich auch als zweckmaszig herausstellen, gelegentlich Heliotropismus und Geotropismus afs die Ursache der in Rede stehenden Bewegungen zu bezeichnen.

Der Ausdruck E pin a st i e wird jetzt hii.ufig in Deutsch land gebraucht und driickt ans, dasz die obere Flache eines Organs schneller wiichst als die untere Flache und hiordurch dasselbe nach unton zu biegen veranlaszt. Hypo n as tie ist das Umgekehrte hiervon und bezeichnet vermehrtes Wachsthum der unteren Flii.che entlang, wodurch der Theil nach oben zn

.biegen veranlaszt wird 6

Beobachtungsmethoden. - Die von uns beobachteten, zuweilen oSehr geringen, zuweUen in der Ausdehnung sehr betrachtlichen Be­ wegungen der verschiedenen Organe wurden in der Weise aufgezeichnet, wolche wir nach vielen Versuchen als die zweckmii.szigste erkannten, und welche wir beschreiben miissen. In Topfen wachsende Pflanzen wurden ganz gegen das Licht gesclriitzt oder erhielten das Licht von oben oder von einer Seite, wie es der Fall erforderte, und wurden von oben durch eine grosze horizontale Glasplatte mit einer anderen seukrecl1ten Platte an der einen Seite bedeckt. Ein Glasfaden, nicht dicker als ein Pferde­ haar• i'ind von einem bis drei Viertel Zoll Lange, wurde an den zu beobachtenden Theil mittelst in Alkohol aufgeHisten Schellacks befestigt. Wir lieszen die LOsung soweit verdunsten, bis sie so dick wurde, dasz sie in zwei oder drei Sekuuden hart wurde, und sie verletzte niemals die Gewebe, selbst nicht die Spitzen zarter WO.rzelchen, auf welche sie applicirt wurde. An das Ende des Glasfadens wurde ein a.uszerordentlich kleines 'fropfchen schwarzen Siegellacks gekittet, unter oder hinter welchem ein Stuckchen Cartons mit einem schwamm Punkt an einem in die Erde gesteckton Stock befestigt wurde. Das Gewicht des Fadens war so unbe­

-doutend, dasz selbst kleine Blatter nicht merk9ar niedergedruckt wurden.

• Eine andere Methode der Beobachtung, wo keine bedeutende Vergroszerung der Bewegung erfordert wurde, soll sofort beschrieben werden. Der Lack­ tropfen und der Punkt auf dem Carton wurden durch die horizontale oder verticale Glasscheibe (je nach der Stellung des Gegenstandes) boobachtet, 'und wenn das eine genau das andere deckte, wurde ein Punkt auf die Glasscheibe mit einem scharf zugespitzten, in dicke Tusche eingetauchten Stii.bchen gemacht. Weitere Punkte wurden in kurzen Zeitzwischenrii.umen gemacht, und dieso dann spii.ter durch gerade Linien verbunden. Die auf diese Weise gezeichneten Figuron waren daher winklig. Wenn aber alle

€in oder zwei Minuten Punkte gemacht worden wii.ren, wurden die Linien mehr gekriimmt sein, wie es eintrat, wenn man die Wiirzelchen ihren

€igenen Lauf an beruszten Glasplatten zeichnen liesz. Die Punkte genau zu machen, war die ganze Schwierigkeit und erforderte einige Ubung.

 

6 Diese Ausdriicke werden in dem angegebenen Sinne gcbraucht von cl e Vries, in: Arbeit. d. bot. Inst. Wiirzburg 1872. 2. Heft. p. 252.

 

 

 

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[page break] Einleitung.

 

Auch konnte dies nicht viillig genau gemacht werden , wenn die Be­ wegung stark vergriissert wurde, wie z. B. 30mal oder mehr. Aber selbst. in diesem Fallo konnte man sich auf den allgemeinen Gang der Bewegung­ verlassen. Um die Genauigkeit der obigen Beobachtungsmethode zu pril­ fen, wurde ein Faden an einem unbelebten Gegenstand befestigt, den man an einem geraden Rande hin gleiten liesz, wobei wiederholt auf eine Glas­ scheibe Punkte gemacht wurden. Wurden diese verbunden, so hii.tte das Resultat eine vollkommene gerade Linie sein miissen , und die Linie whr­ auch sehr nahezu gerade. Ich will noch hinzufiigen, dasz, wenn der Punkt auf dem Carton einen halben Zoll unter oder hinter dem 'l'ropfen von Siegel­ lack gemacht wurde, und wenn die Glasscheibe ( vorausgesetzt, dasz sie gehiirig gekriimmt. gewesen ware) in einer Entfernung von 7 Zoll davor gestanden hatte (die gewohnliche Entfernung), dann die Zeichnung die­ Bewegung des Siegellacktropfens l 5mal vergriissert darstellte.

Wenn keine bedentende Vergriiszerung der Bewegung erfordert wurde, wurde eine andere und in manchen Beziehungen noch bessere Methode­ der Beobachtung befolgt. Diese bestand darin, dasz zwei sehr kleine­ Dreiecke diinnen Pa piers, ungefahr 71.',; Zoll hoch, an die beiden Enden des angehefteten Glasfadens befestigt wurden, und sobald ihre Spitzen in eine Linie gebracht wurden, so dasz sie sich einander deckten, wurden wie vorhin Punkte auf die Glasscheibe gemacht. Nehmen wir an, dasz. die Glasscheibe in einer Entfernung von 7 Zoll von dem Ende des Schiisz­ lings, welcher den Glasfaden tragt, absteht, so werden die Punkte, wenn sie verbunden werden, nahezu dieselbe Pigur wiedergeben, als wenn ein

Zoll langer in 'l'inte eingetauchter Faden an den sich bewegenden Schiiszling befestigt worden ware und seinen eignen Verlauf auf die Scheibe­ niedergeschrieben hatte. Die Bewegung wird hierdurch betrachtlich ver­ griiszert; wenn z. B. ein 1 Zoll langer Schoszling sich biegt, und die­ Glasscheibe steht in der Entfernung von 7 Zoll ab, so wird die Bewegung 8mal vergriiszert werden. Es wilrde indessen sehr schwierig gewesen sein in jedem Falle zu ermitteln, ein wie langer Theil des Schiiszlings sich bog, und dies ist zur Ermittelung des Grades, in welcher die Bewegung vergriiszert wird, unentbehrlich.

Nachdem nach einer tler beiden obigen Methoden Punkte auf die- Glasscheiben gemacht worden waren, wurden diese auf Pauspapier copirt, durch gezogene Linien verbunden und durch Pfeile die Richtung der Be­ wegung angedeutet. Die nachtlichen Bewegungen sind durch gerade, unterbrochene (punktirte) Linien dargestellt. Der erste Punkt ist immer griiszer gemacht, als die ilbrigen, um das Auge sofort zu fesseln, wie man in den Figuren sehen wird. Die Piguren auf den Glasscheiben wurden oft in einem zu groszen Maszstabe gezeichnet, als dasz sie auf den Seiten des vorliegenden Buches batten reproducirt werden konnen. Das Verhalt- 11is, in welchem sie verkleinert worden sind, ist aber immer angegeben 7 Sobald sich nur annahernd sagen liesz, um wie vielmal die Bewegung vergriiszert worden war, wurde es angegeben. lch babe vielleicht eine zu grosze Anzahl von Zeichnungen hier eingefiigt, aber sie nehmen

 

1 Wir sind Mr. Cooper fiir die Sorgfalt, mit welcher er die Zeichnungen reducirt und geschnitten hat, sehr verbunden.

 

 

 

 

 

[page break] Einleitung. 7

weniger Raum ein als eine ausfiihrliche Beschreibung der Bewegungeu. Bei­ nahe alle Skizzen der schlafenden Pflanzen u. s. w. sind sorgialtig von Mr. GEORGE DARWIN filr uns gezeichnet worden. ,

Da Schoszlinge, Blatter u. s. w. bei dem Circumnutiren immer mehr und mehr erst in der einen Richtung und dann in der andern sich bieg1m, so wurden sie nothwendiger Weise in verschiedenen Zeiten mehr oder weniger schrii.g betrachtet, und da die Punkte auf einer ebenen Flii.che gemacht wurden, ist der scheinbare Betrag der Bewegung je nach dem Grade der Schragheit des Gesichtspunktes iibertrieben. Es lfUrde daher ein viel besserer Plan gewesen sein, hemisphii.risches Glas zu benutzen, wenn wir solches von allen Groszen gehabt batten, und wenn der sich biegende Theil des Schoszlings sich deutlich hii.tte einlenken und so stellen

!assen, dasz er einen der Halbmesser der Kugel gebildet hatte. Aber selbst in diesem Falla wurde es nothwendig gewesen sein, spii.ter die Figuren

auf Papier zu projiciren•, so dasz vollstandige Genauigkeit nicht bii.tte

erreicht werden konnen. Wegen der Verzerrung unserer Figuren in Folge der obigen Ursachen sind sie fiir diejenigen, welche den genauen Betrag der Bewegung oder den genauen Weg, der eingeschlagen wurde, zu kennen wiinschen, von keinem Nutzen; sie dienen aber ausgezeichnet dazu, zu ermitteln, ob ein Theil sich uberhaupt bewegte oder nicht, ebenso wie fiir den allgemeinen Character der Bewegung.

In den folgenden Capiteln werden die Bewegungen einer betril.cht­ lichen Anzahl von Pflanzen beschrieben, und die Species sind bier nach dem von HOOKER in LE MAour und DECAISNE's »Descriptive Botany« angenommenen System geordnet worden. Niemand, der den vorliegen­ den Gegenstand nicht selbst untersucht, braucht alle die Einzelnheiten zu lesen, welche wir indessen aufzufiihren fiir rll.thlich gehalten haben. Um dem Leser Miihe zu ersparen, sind die Schluszfolgerungen und das Meiste der wichtigeren Theile in grOszerer Schrift gedruckt worden als die andern Theile. Er mag, wenn er es fiir passend hll.lt, das letzte Capital zuerst lesen, da es eine Zusammenfassung des ganzen Buches enthll.lt, und er wird daraus sehen, welche Punkte ihn interes­ siren, und iiber welche er das volle Beweismaterial zu kennen wiinscht. Endlich kOnnen wir uns die Freude nicht versagen, unseren auf­ richtigsten Dank Sir JOSEPH HOOKER und Mr. W. THISELTON DYER fiir ihre grosze Freundlichkeit abzustatten, indem sie uns nicht blosz Pflanzen von Kew schickten, sondern auch andere aus verschiedenen Quellen her verscha:fften, wenn wir sie fiir unsere Beobachtungen bedurften, wie sie gleichfalls so freundlich waren, viele Arten uns zu bestimmen und iiber

verschiedene Punkte uns Aufschlflsse zu geben.

 

 

 

 

 

 

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Erstes Capitel.

Die circnmnntirenden Bewegnngen von Sii.mlingen.

Brassica oleracea, Circumnutation des Wiirzelchens,. des gekriimmten Hypocotyls. solange er noch unter der Erde eingegraben, im Begriffe sich zu erheben und gerade zu strecken ist und wenn er aufrecht steht. - Circumnutation der Cotyledonen. - Schnelligkeit der Bcwegung. - Analoge Beobachtungen Uber verschiedene Organe bei Arlen von Githago, Gossypium, Oxalis, Tropaeolum, Cit1-us, Aesculus, von verschiedenen Leguminosen- und Cucurbitaceen-Gattungen, Opuntia, Helianthus, Primula, Cyclamen, Stapelia, Cerinthe, Nolana, Solanum, Beta, Ricinus, Quercus, Corylus, Pinus, Cycas, Canna, Allium, Asparagu.-, Phalaris, Zea, Aiena, Nephrodium und Selaginella.

Das folgende Capitel ist den circumnutirenden Bewegungen der Wiirzelchen, Hypocotylen und Cotyledonen von Samlingen gewidmet, und wo die Cotyledonen sich nicht iiber den Boden erhoben, den Be­ wegungen des Epicotyls, In einem spateren Capitel werden wir aber auf die Bewegungen gewisser Cotyledonen, welcbe des Nacbts scblafen, zuriickzukommen baben.

 

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J,'ig. I.

JJrasatca oleracea: Circumnutation des Wilrzolchens, auf einer horlzontalcn Gla.spiatto verfolgt, vom 31. Jan. 9 n. m. bis 2. Febr. 9 p. m. Bewegung doi. Ln.ck­ tropfens am Ende des Fadens ungefiihr 40mal vergrOszert.

 

Brassica oleracea (Cruciferae). In diesem Falle werden ausfiihrlichere Details in Bezug auf die Bewegungen gP­ geben werden, als in irgend einem anderen, da schlieszlich hierdurch Raum und Zeit

erspart wird.

W ii r z e1eh en. -- Ein Same, dessen Wftrzelchen 0,05 Zoll vorsprang, wurde mit Schellack auf eine kleine Zinkplatte so befestigt, dasz das Wiirzelchen senkrecht in die Hohe stand und dann wurde ein feiner Glasfaden in der Nii.he seiner Basis; d, h. dicht bei den Samenhiillen, befestigt. Der Same wurde mit kleinen Stiickchen feuchten Schwammes umgeben und die Be­ wegung des Tropfens am Ende des Fadens wahrend 60 Stunden aufgezeichnet (Fig. 1). 1n dieser Zeit nahm das Wftrzelchen an

 

[page break] Cap. I. Brassica. 9

Lange von 0,05 Zoll bis zu 0,11 Zoll zu. Ware der Faden zu An­ fang dicht an der Spitze des Wiirzelchens befestigt worden und bli.tte er die ganze Zeit iiber da bleipen konnen, so wiirde die sich darbietende Bewegung viel groszer gewesen sein; denn am Ende unsrer Beobachtnngen war die Spitze sclbst, anstatt senkrecht in die Hohe zu stehen, durch Geotropismus so nach unten gebogen worden, dasz sie beinahe die Zink­ platte berilhrte. Soweit es sich durch Messungen, die mit dem Zirkel an anderen Samen ausgefiihrt wurden, in roher Weise ermitteln lie z, wurde allein die Spitze filr cine Lange von nur rl-.tel bis T¾-.tel Zoll von Geo­ tropismus beeinfluszt. Die Zeichnung zeigt aber, dasz der basale Theil des Wilrzelchens wahrend der ganzen Zeit unregelmaszig zu circumnutiren fortfuhr. Der factische auszerste Betrag an Bewegung des Tropfens am Ende des Fadens war beinahe 0,05 Zoll. Um wie vie! aber die Be­

wegung des Wilrzelchens durr.h den Faden, welcher nahezu 3/4 Zoll Jang war, vergroszert wurde, war unmoglich zu schatzen.

Ein andrer Same wurde in derselben Weise behandelt und beobach­ tet; das Wilrzelchen ragte aber in diesem Falle um 0,1 Zoll -vor und wurde nicht so befestigt,

dasz es ganz senkrecht

nach oben vorsprang. Dt1r (V

Faden wurde dicht an sei-

ner Basis befestigt. Die . '\ /_'\.. Zeichnung (Fig. 2, um diA

Halfte verkleinert) zeigt die

Bewegung vom 31. Januar \

friih 9 Uhr (a. m.) bis 2. Fe- F'ig. 2. Braaaica o/e,acee,: Circumnutirende und geotropischc bruar 7 Uhr Abends (p. m.). Bewogung des Wlirzelchens, durch 46 Stunden an elner horizon- Aber dieselbe dauerte with- tnlen Glasplatte aufgozeichnot.

rend des ganzen zweiten Februar in derselben allgemeinen Richtung und in derselben iihnlichen Zickzack-Art und Weise fort. Weil das Wiirzel­ chen, als der Faden angeheft11t wurde, nicht vollstii.ndig senkrecht stand, kam sofort Geotropismus ins Spiel, aber der unregelmii.szige Zickzackver­ lauf zeigt, dasz Wachsthum (wahrscheinlich nach vorausgegangener 'fur­ gescenz) zuweilen auf der einen und zuweilen auf der andern Seite mit eintrat. Gelegentlich blieb der 'fropfen fur ungerahr 1 Stunde stationiir, und dann war wahrscheinlich Wachsthum anf der Seite vorl1anden, welche derjenigen gegenilberlag, die die geotropische Krilmmung verursachte. In dem zuerst bE1schriebenen Falle wurde der basale Theil des sehr kurzeu Wiirzelchens, weil er vertical aufwarts gewendet war, anfangs sehr wenig von Geotropismus beeinfluszt. In zwei anderen Fallen wurde der Faden an verhii.ltnismii.szig langere und schrag vorspringende Wiirzelchen befestigt, und zwar an Samen, welche mit der oberen Seite nach unten gekehrt waren; und in diesem Falle waren die auf den horizontalen Glasplatten verzeichneten Linien nur unbedeutend zickzackformig, nnd die Bewegung fand immer in derselben allgemeinen Richtung statt, und zwar durch die Wirkung des Geotropismus. Alle diese Beobachtungen sind aus mehreren Ursachen Irrthiimern ausgesetzt. Wir glauben aber nach dem, was spater in Bezug auf die Bewegungen der Wilrzelchen anderer Pflanzen gezeigt werden wird, dasz man sich in groszer Ausdehl!ung auf sie verlassen kann.

 

[page break] 10 Circumnutation der Siimlinge. Cap. 1.

Hypocotyl. - Der Hypocotyl durchbricht die Samenhiillen als ein rechtwinkliger Vorsprung, welcher schnell zu einem Bog-en auswii.chst, wie der lateinische Buehstabe U nmgekehrt, Die Cotyledonen sind dabei noch innerhalb des Samens eingeschlossen. In welcher Stellung auch der Same in die Erde eingelegt oder auf andre Weise fixirt werden mag, beide Arme biegen sich durch Apogeotropismus nach oben und erheben sich hierdurch senkrecht iiber den Boden. Sobald dies stattgefunden hat oder selbst noch eher, wii.chst die innere oder concave Flache des Bogens schneller als die obere oder convexe Flache, und dies flihrt dazu, die zwei Schenkel von einander zu entfemen und hilft die Cotyledonen aus den sie umfas­ senden Samenhiillen hervorziehen. Durch das Wachsthum des ganzen Bogens werden die Cotyledonen schlieszlich aus dem Boden herausgezogen, selbst ans einer betrii.chtlichen Tiefe, und nun streckt sich der Hypocotyl schnell infolge des vermehrten Wachsthtims der concaven Seite.

Selbst wii.hrend der gebogene oder auf sich selbst zuriickgekriimmte Hypocotyl noch unter der Erde ist, circumnutirt er, soviel als der Druck des umgebenden Erdreichs es gestatten will; dies war aber schwierig zu beobachten, weil die beiden Schenkel, sobald der Bogen von seitlichem Drucke befreit wird, sich von oinander zn entfernen beginnen, selbst in einem sehr friihen Alter, und zwar, ehe der Bogen naturgemiisz die Ober­ fliiche erreicht haben wiirde. Es wurde Samen gestattet an der Oberfliiche feuchter Erde zu keimen, und nachdom sie sich durch ihre Wiirzelchen befestigt batt-en, und nachdem der bis jetzt nur unbedeutend gebogene Hypocotyl nahozu vertical geworden war, wurde ein Glasfaden bei zwei Gelegenheiten in der Nii.he der Basis des unteren Schenkels (d. h. des in Verbindung mit den Wilrzelchen stehenden) befestigt, und seine Be­ wegungen wurden in der Dunkelheit an einer horizontalen Glasscheibe ver­ zeichnet. Das Resultat war, dasz lange, beinahe in der Ebene des ver­

ticalen Bogens laufende Linien gebildet wurden, und zwar in Folge der frilhen Trennung der zwei nun vom Drucke befreiten Schenkel. Da aber die Linien im Zickzack ver­ liefen , was eine seitliche Bewegung andeutet, muss der Bogen circumnutirt

----- -------------------------------\ :;' ersef! !

inneren oder concaven Flii.che entlang gestreckt

 

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J.'ig. 3. llraaaica oleracea: Clrcumnutirende Bewegung des

eingeg1•abenen und gekriimmten Hypocotyl (trUbe von oben beleuchtet), wiibrend 45 Stunden an elner horizontalen Gla.,- 11Iatto aufgezeichnet. Di,, newegung des Laektropfens am Faden ungcfiihr 25mal vergr\iszert- und hler aur dill, Hiilfte der Originalzoichnung reducirt.

 

hatte.

Eine etwas verschie­ dene Beobachtungsmethode wurde nun zunii.chst be­

 

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folgt: Sobald die Erde oberhalb der Samen in einem Topfe zu bersten begann, wurde die Oberflii.che stellenweise bis zur Tiefe von 0,2 Zoll ent­ fernt, und ein Faden wurde an den basalen Schenkel eines noch ein-

 

[page break] Cap. 1. Brassica. 11

 

gegrabenen und gebogenon Hypocotyls dicht oberhalb der Spitze des Wllr­ zelchens befestigt. Die Cotyledonen waren noch beinahe vollstandig inner­ halb der vielzerklllfteten Samenhilllen eingeschlossen, und diese wiederum wurden von feuchter, klebriger, ziemlich fest niedergedriickter Erde bedeckt. Die Bewegung des Fadens wurde (Fig. 3) vom 5. Februar 11 Uhr a. m. bis zum 7. Februar 8 Uhr a. m. verfolgt. Zu dieser letzteren Zeit waren die Cotyledonen von unterhalb der niedergedriickten Erde in die Hohe gezogen worden, aber der obere Theil des Hypocotyls bildete noch immer nahezu einen rechten Winkel mit dem unteren Theil. Die Zeicbnung zeigt, dasz der gekrilmmte Hypocotyl in diesem frllhen Alter die Neigung darbietet, unregelmaszig zu circumnutiren. Am ersten Tage war die groszere Be­ wegung (in der Figur von rechts nach links) nicht in die Ebene des senkrechten und gebogenen Hypocotyls, sondern unter rechten Winkeln zu ibm oder in der Ebene dor beiden Cotyledonen, welche noch immer in dichter Beriihrung waren. Der basale Schenkel des Bogens war zu der Zeit, als der Faden an ihm befestigt wurde, bereits betrachtlich rllckwarts gebogen oder von den Cotyledonen ab; ware der Faden befestigt wordEm, ehe diese Biegung eintrat, so wtlrde die hauptsachlichste Bewegung recht­ winklig zu der in der Figur- dargestellten verlaufen sein. Ein Faden wurde an einen anderen eingegrabenen Hypocotyl von demselben Alter be­ fostigt und bewegte sich in eiuer ahnliehen allgemeinen Art, aber der zuriickgelegte Weg war nicht so complicirt. Dieser Hypocotyl wurde bei­ nahe gerade, und die CotyledonAn wurden am Abend des zweiten Tages von unterhalb des Bodens emporgezogen.

Ebe die obigen Beobachtungen gemacht wurden, wurden einige ge­ kriimmte Hypocotyle, welcbe in der Tiefe von 1/,i Zoll unter der Erde waren, freigemacht; und um es zu verhindern, dasz die beiden Schenkel des Bogens sofort auseinander zu weichen begannen, wurden sie mit feiner Seide zusammengebunden. Dies wurde zum Theil deshalb gethan, weil wir zu ermitteln wilnschten,

wie lange der Hypocotyl in sei­ nem gebogenen Zustande sich zu bewegen fortfahren wiirde und ob die Bewegung, wenn sie nicht durch den Procesz des Geradewerdens maskirt und ge­ stort wiirde, Circumnutation an­ zeigte. Zuerst wurde ein Faden an den basalen Schenkel eines gebogenen Hypocotyls dicht oberhalb der Spitze des Wiir­

 

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zelchens befestigt. Die Cotyle­ donen waren noch immer theil­ weise innerhalb der Samenhiiile eingeschlossen. Die Bewegung (Fig. 4) wurde vom 23. Decem­

 

}'lg. 4. R1•a1aiea oleracea: Clrcumnutlreude Bcwcgnng

elnes elngegrabenen und gekri.immten Hypocotyls, desst:in beide Schenkel zusammengebunden warcn, wiihrcnd 331/2 Stunden an elner horizontalen Glasplatte aufgezeichnet.

Die Bewegung des Lacktropfens am Farlon ungcfoltr 26mal vergrozsert und hier auf die Hiilfte der Original zeichnung reducirt.

 

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ber 9 Uhr 20 a. m. bis zum 25. December 6 Uhr 45 a. m. aufgezeichnet. Ohne Zweifel wurde die natO.rliche Bewegung dadurch, dasz die beiden Sch nkel zusammengebunden waren, bedeutend gesti!rt, wir sehen aber,

 

[page break] 12 Circumnutation der Siimlinge. Cap. 1.

dasz sie deutlich zickzackffirmig war, und zwar erst in einer Richtung und dann jn einer beinahe entgegengesetzten. Nach 3 Uhr p. m. am 24. blieb der gekrnmmte Hypocotyl zuweilen eine betrii.chtliche Zeit lang sta­ tionar und bewegte sich, wenn er nberhaupt in Bewegung kam, viel lang­ samer als vorher. Es wurde daher am Morgen des 25. der Glasfaden von der Basis des basalen Schenkels entfernt und horiznntal am Scheitel des

gebogenen befestigt, welcher, weil die Schenkel zusammengebunden waren , breit und beinahe flach ausgewachsen war. Die Bewegung wurde nun wii.hrend 23 Stunden (Fig. 5) verzeichnet, und wir sehen, dasz der Vorlauf noch immer zickzackfiirmig war, was auf eine Neigung znr Circumnu­ tation hinwoist. Die Basis des basalen Schenkrls hatte zu dil'ser Zeit beinahe vollstandig anfgehiirt sich zu bewegen.

Sobald die Cotyledonen auf

 

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Fig. 5. B1•at1aica oln•area: Circumnutation ,te rhci­ tels eine eingograbencn und gebogennn llypocot.yld, dessAu beiflr. Srhonkol zusammongebnnden wn.rcn, nn lner horizontalen Glasplatte aufg zcic:huet, 23 Stun­ den lnng. Bewegnng des Lacktropfcns am i, n,lon un­ gofiihr 58mal vergriiszert und auf don hnlbcn Masz- stnb des Originals rodut:irt.

 

natiirliche Weise iiber die Erde emporgezogen worden sind und d!lr Hypocotyl sich durch das Wachs­ thum entlang der inneren oder concaven Flii.che gostreckt hat, ist

 

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nichts mehr vorhanden, die freie Bewegung der Theile zn storon, und die. Circumnutation wird nun regelmii.sziger und deutlicher entfaltet, wie sich in den folgenden Fallen zeigt: Ein Sii.mling wurde nahe vor ein nach Nordost

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 6. B,•a. frn oleracf'a.: Veretnlgte Clrcumnut.o.tion des Hypocotyls un(l der Cotyledonen wiihrend 10 :Stunden und 45 Minuten. Dio Abbildung auf den halben MasZ'tab dos Originnls reducirt.

 

gehendes Fenster so gestellt, dasz eine die beiden Cotyledonen verbindende Linie dem Fenster parallel verlief. Er wnrdll den ganzen Tag so gelassen, damit er sich an das Licht accommodire. Am folgenden Morgen wurde ein

 

[page break] Cap. 1. Brassica. 13

 

Faden an die Mittelrippe des grllszeren und langeren Cotyledonen (welcher den anderen und kleineren, so lange sie noch in dem Samen sind, um­ hiillt) befestigt, und nachdem ein Zeichen dicht dahinter angebracht wor­ den war, wurde die Bewegung der ganzen Pflanze, d. h. des Hypocotyls und Cotyledons, bedeutend vergroszert an einer senkrechten Glasplatte verzeichnet. Anfangs beugte sich die Pflanze so stark nach dem Lichte zu, dasz es nutzlos war, einen Versuch zum Darstellen der Bewegung zu machen; aber um 10 Uhr des Morgans horte der Heliotropismus beinahe ganzlich auf, und es wurde nun der erste Punkt auf das Glas gemacht: der letzte wurde 8 Uhr 45 p. m. gemacht; im Ganzen wurden 17 Punkte in diesem Verlanfe von 10 Stunden 45 Minuten gemacht (s. Fig. 6). Es musz beachtet warden, dasz, als ich kurz nach 4 Uhr p. m. nachsah, der Tropfen von dem Glase weg

zeigte ; er kam aber um 5 Uhr

30 p. m. wieder zuriick, und der Verlauf wahrend dieses Intervalls

von 1 ½ Standen ist nach Gut-

diinken ausgefiillt worden; dies kann aber nicht sehr falsch sein.

Der Tropfen bewegte sich sieben­

mal von einer zur andern Seite

in 103 Stunden. Eine jede wurde /

und beschrieb hierbei 3t;2 Ellipsen

/4

im Mittel in 3 Stunden 4 Minuten

vollendet.

Am vorhergehenden Tage war II

ein andrer Samling unter ahn­

lichen Bedingungen beobachtet worden, ausgenommen dasz die Pflanze so gestellt war, dasz eino die beiden Cotyledonen verbindende Linie nach dem Fenster hinwies; auch war der Faden an dem klei­

neren Cotyledonen an der vom }'lg. 7. Bra11ica oleracea: Verelnigte Circumnutation

des Hypocotyls und der Cotyledonen, von 10.50 a. m. Fenster entferntesten Seite befestigt bls 8 a, m. des folgenden Morgens. Dlo Zeichnung worden. Uberdies war die Pflanze geschah an elner senkrechten Glasplatte.

jetzt zum ersten Male in diese Stellung gebracht worden. Die Cotyledonen bewegten sich bedeutend dem Lichte zu von 8 Uhr bis 10 Uhr 50 a. m., wo der erste Punkt gemacht wurde (Fig. 7). Wahrend der nachsten

12 Stunden bewegte sich der Tropfen 8mal in einer schragen Richtung auf und nieder und beschrieb 4, Ellipsen darstellende Figuren, so dasz er ziemlich mit derselben Schnelligkeit sich bewegte, wie im frilheren Falle. Wii.hrend der Nacht bewegte er sich infolge der Schlafbewegung der Coty­ ledonen aufwarts und fuhr fort in derselben Richtung sich zu bewegen bis

9 Uhr des Morgans am folgenden Tage; diese letztere Bewegung wilrde aber bei Sii.mlingen unter natiirlichen Bedingungen und dem Lichte voll ausgesetzt nicht eingetreten sein.

Um 9 Uhr 25 a. m. an diesem zweiten Tage hatte derselbe Coty­ ledon angefangen zu sinken, und es wurde an oiner frischen Glasplatte

 

[page break] 14 Circumnutation der Siimlinge. Cap. 1.

ein Punkt gemacht. Die Bewegung wurde bis 5 Uhr 30 p. m. verfolgt, wie in Fig. 8 dargestellt ist, welche mitgetheilt wird, weil der hier ein­ geschlagene Verlauf viel unregelmii.sziger als in den zwei frQheren Fallen war. Wii.hrend dieser 8 Stunden verii.nderte der Tropfen 10mal bedeu-

tend seinen Verlauf. Die nach oben

gerichtete Bewegung des Cotyledons

• wii.hrend des Nachmittags und des ersten 'fheils der Nacht ist hier deut­ lich ausgedrQckt.

Da die Faden in den drei letz­ ten 'iillen an einem der Cotyledonen befestigt waren, und da der Hypo­ cotyl freigelassen war, so zeigen die Darstellungen die Bewegungen bei­ der Organe in Verbindung, und wir wilnschten nun zu ermitteln, ob beide circumnutirten. Es wurden daher

 

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}'ig. 8. Bra8ai"ca oleracea: Veroinigte Circumnu­ tation des Hypocotyls und der Cotyledonen wah­ rend 8 Stunden. Die Figur auf ein Drittel dos Maszstabs des an einer senkrechten Platte auf gezeichneten Originals reducirt.

 

Faden horizontal an zwei Hypocotyle dicht unter dem Stengel ihrer Coty­ ledonen befestigt. Diese Sii.mlinge hatten zwei Tage lang in der nam­

 

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lichen Stellung vor einem nach Nordost gelegenen Fenster gestanden. Am

Morgen bis ungefiihr um 11 Uhr bewegten sie sich in Zickzacklinien dem Lichte zu, und wiihrend der Nacht wurden sie wieder beinahe anfrecht durch Apogeotropismus. Ungefahr nach 11 Uhr a. m. bewegten sie sich ein wenig vom Lichte zuriick, ihren friiheren Weg bii.ufig in Zickzack­ linien immer wieder kreuzend. Der Himmel wechselte an diesem Tage in Bezug auf seine Helligkeit bedeutend, und diese Beobachtungen bewiesen einfach, dass die Hypocotyle sich bestandig in einer der Circumnutation ahnlichen Weise bewegten. An einem friiheren Tage, welcher gleichformig bewolkt war, wurde ein Hypocotyl an einem kleinen Stabe fest gemacht, und ein Faden wurde an dem groszeren der beiden Cotyledonen befestigt und seine Bewegung dann an einer senkrechten Glasscheibe verzeichnet. Er sank bedeutend von 8 Uhr 52 a. m., wo der erste Punkt gemacht wurde, bis 10 Uhr 55 a. m.; dann erhob er sich bedeutend bis 12 Uhr 17 p. m.; spater sank er wieder ein wenig und beschrieb eine Schlinge, aber um 2 Uhr

22 p. m. hatte er sich etwas erhoben und fuhr bis 9 Uhr 23 p. m. sich zu erheben fort, wo er eine andre Schlinge beschrieb, und um 10 Uhr 30 p. m. war er wieder in steigender Bewegung. Diese Beobachtungen zeigen, dasz die Cotyledonen sich den ganzen Tag lang senkrecht auf und nieder bewegen, und da eine geringe seitliche Bewegung dabei war, circum­ nutiren sie.

Der Kohl war eine der ersten Pflanzen, deren Sii.mlinge von uns beobachtet wurden, und wir wuszten damals nicht, wie stark die Circum­ nutation der verscbiedenen Theile durch das Licht beeinfluszt wurde. Es wurden daher junge Sii.mlinge in vollkommener Dunkelheit gehalten mit Ausnahme von ein oder zwei Minuten wii.hrend jeder Beobachtung, wo sie von einem kleinen Wachskerzchen, welcbes fast senkrecht ii.her sie gehalten wurde, belcuchtet wurden. Wii.hrend des ersten Tags verll.nderte der

 

[page break] Cap. 1. Brassica. 15

Hypocotyl des einen seinen Verlauf 13mal (s. Fig. 9), und es verdient Beachtung, dasz die langeren Axen der hier beschriebenen Figuren haufig einander unter rechtem oder beinahe rech­

tem Winkel kreuzen. Ein anderer Sa.mling wurde in derselben Weise beobachtet; er war aber viel alter, denn er hatte bereits ein echtes, einen Viertel Zoll langes Blatt gebildet und der Hypocotyl war 13/s Zoll hoch. Die aufgezeichnete Figur war eine

sehr complicirte, obschon die Beweguug der Ausdehnung nach nicht so grosz war, wie in dem letzten Falla.

Der Hypocotyl eines and0ren Samlings von demselben Alter wurde an einem kleinen Stabe feet gemacht; und nachdem ein Faden an die Mittelrippe eines der Cotyle­ donen befestigt worden war, wurde die Be­ wegung des Tropfens wahrend 14 Stunden 15 Minuten in der Dunkelheit aufgezeichnet (s. Fig. 10). Es ist zu beachten, dasz die hauptsachliche Bewegung der Cotyle­

 

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donen, namlich die auf und nieder, an einer horizontalen Glasscheibe nur dadurch sich darstellt, dasz die Linien in der Richtung der Mittelrippe (d. h. auf und nieder, wie die Fig.10 bier steht) ein wenig verliingert oder verkiirzt werden, wa.hrend jede seitliche Bewegung sehr deutlich aus­ ,'

 

I

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gedrtickt warden wird. Die vorliegende Darstellung zeigt, dasz der Cotyledon sich wirklich in dieser Richtung seitlich (d. h. von einer Seite zur andern in der Dar­ stellung) 12mal in den 14 Stunden

15 Minuten der Beobachtung bewegte. Es circumnutirten die Cotyledonen daher wirk­ lich, obschon die hauptsii.chlichste Bewegung auf- und .abwa.rts in einer verticalen Ebene war.

Schnelligkeit der Bewegun•g. - Die Bewegungen der Hypocotyle und Co­ tyledonen von Kohlsamlingen verschiedenen Alters sind nun hinreichend erlautert wor­ den. Was die Schnelligkeit betrifft, so wurden Samlinge unter das Microscop ge­ bracht, dessen 'l'isch entfernt und welches mit einem Ocularmicrometer so abgemessen versehen war, dasz: jeder Theilstrich 11h Zoll gleich war. Die Pflanzen wur­ den durch Licht erleuchtet, welches durch

 

 

Fig. 9. Braa,ica oleracea : Circumnu­ tation des Hypocotyl In Dunkelheit, an einer horizontalen Glasplatte aufgezoich­ net von 9.15 a. m. bis 8.30 a. m. des folgenden Morgen; der Glasfaden mlt dem Lacktropfen war quer auf den Gipf,,l befestigt. Die Flgur bier 1st anf den balben Maszstab deoOrlginal reducirt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 10. Bra11ica oleracea: Circumnu­ tation eines Cotyledonen (der Hypocotyl war an einen Stab befestlgt) auf einer horizontalen Glasplatte In der Dunkel• belt von 8.15 a. m. bis 10.80 p. m. auf. gezelchnet. Bewegung des Lacktropfen am Faden 13mal vergroszert.

 

[page break] 16 Circumnutation der Siimlin.ge. Cap. l.

!line Losung von doppeltchromsaurem Kali gieng, um Heliotropismus zu i.liminiren. Unter diesen Umstii.nden war es interessant zu beobachten, wie rapid die circumnutirende Spitze eines Cotyledonen quer ilber die Theilstriche des Micrometers hinweggieng. Wahrend die Spitze in einer Richtung fortschritt, schwankte sie meist rilckwii.rts und vorwarts bis zu lh und zuweilen sogar bis naho vh Zoll. Diese Schwankungen wa-ren von den durch irgend welche Storungen in demselben Zimmor oder durch das Schlieszen einer entfernten Thiir verursachten Erzitterungen ganz verschieden. Der zuerst beobachtete Siimling war nahezu zwei Zoll hoch und war etiolirt, da er in Dunkelheit gezogen war. Die Spitze des Cotyledonen bewegte sich in 6 Minuten 40 Sekunden iiber 10 Theilstriche des Micrometers, d. 11. ilber -h Zoll. Kurze Glasfiiden wurden dann senkrecht au die Hypocotyle mehrerer Siimlinge so befestigt, dasz sie ein wenig iiber die Cotyledonen vorsprangen uml dadurch die Schnelligkeit der Bewegung noch iibertrieben. Es sind aber nur wenige von den in dieser Weise gemachten Bcobachtungen der Mittheilnng werth. Die tnerk­ wiirdigste Thatsache war die oben beschriebene oscillatorische Bewegung und die Verschiedenheit der Schnelligkeit, mit welcher die Spitze die Theil­ striche des Micrometers nach kurzen Zeitzwischenraumen kreuzte. Es war

z. B. ein hoher, nicht etiolirter Samling 14 Stnnden Jang in Dunkelheit gehalten worden; er wurde vor einem nach Nordost gelegenen Fenster nur zwei oder drei Minuten dem Lichte ausgesetzt, wii.hrend ein Glasfaden senkrecht an den Hypocotyl befestigt wurde. Dann wurcle er wieder fur eine halbe Stunde in Dunkelheit gebracht und spiiter unter Licht, welches durch doppeltchromsaures Kali gegangen war, beobachtet. Die Spitze,

welche wie gewohnlich schwankte, kreuzte in 1 Minute 30 Sekunden 5 Theil­ striche des Micrometers (d. h. Th Zoll). Der Samling wurde dann 1 Stunde Jang in Dunkelheit gehalten, und er bedurfte jetzt 3 Minuten 6 Sekunden einen Theilstrich zu kreuzen, d. h. 15 Minuten 30 Sekunden wiirde er gebraucht

haben 5 'l'heilstriche zu kreuzen. Ein anderer Siimling, welcher gelegentlich im hinteren Theile eines nach Norden gelegenen Zimmers beobachtet und halbe Stunden Jang in volliger Dunkelheit gelassen worden war, kreuzte fiinf Theilstriche in der Richtung des Fensters in 5 Minuten, so dasz wir zu dem Schlusse kamen, die Bewegung sei heliotropisch. Dies war aber wahrscheinlich nicht der .Fall; denn er wurde dicht an ein Nordostfenster gestellt und hier 25 Minuten gelassen, nach welcher Zeit er, statt sich noch schneller nach dem Lichte hin zu bewegen, wie sich biitte erwarten

!assen, nur mit der Geschwindigkeit von 12 Minuten 30 Sekunden fiir filnf 'l'heilstriche sich bewegte. Er wurde dann wieder 1 Stuude Jang in volliger Dunkelheit gehalten, und die Spitze bewegte sich nun in der­ selben Richtung wie vorher, aber mit der Geschwindigkeit von 3 Minuten

18 Sekunden fiir fiinf Theilstriche.

Wir werden auf die Cotyledonen der Kohlpflanzen in einem spateren Capitel zuriickzukommen haben, wenn wir von deren Schlafbewegungen handeln werden. Auch die Circumnutation der Blatter vollig entwickelter Pflanzen wird spater beschrieben werden.

Githago segetum (Caryophylleae). - Ein junger Samling wurde schwach von oben beleuchtet und die Circumnutation des Hypocotyls wah­ rend 28 Stunden beobachtet, wie in Fig. 11 dargestellt ist. Er bewegte

 

[page break] Cap. 1. Gossypium. 17

sich nach allen Richtungen; die Linien von rechts nach links in der Figur sind den Blattflii.chen der Cotyledonen parallel. Die wirkliche Ent­ fernung, welche von dem Gipfel des Hypocotyls von einer Seite zur andern zuriickgelegt wurde, betrug ungefahr 0,2 Zoll; es war aber unmoglich in Bezug hierauf genau zu sein, da, je schrii.ger die Pflanze, nachdem sie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 11. Githaga soget1tm: Circumnutation des Hypocotyls, von 8.15 a. m. bis 12.15 p. m. am

folgonden Tage a:n einer horizontalen Glasplatte mittelst eines quer auf seinen Gipfel befestigten

:Fadens gezeichnet. Bewegung des Lacktropfens am }'aden ungofiihr 13mal vergri:iszert, hir.r anf den halbon Maszstab des Originals reducirt.

 

sich eine Zeit bewegt hatte, gesehen wurde, die Entfernung auch um so mehr iibertrieben wurde.

Wir bemiihten uns die Circumnutation der Cotyledonen zu beobachten, da sie sich aber dicht an einander legen, wenn sie nicht einem miiszig hellen Lichte ausgesetzt werden, und da der Hypocotyl auszerordentlich heliotropisch ist, so waren die nothwendigen Einrichtungen zu miihsam. Wir werden auf die nachtlichen oder Schlafbewegungen der Cotyledonen in einem spii.teren Capitel zuriickkommen.

Gossypium (Var. Nanking-Baumwolle) (Malvaceae). - Die Circum­ nutation eines Hypocotyls wurde im Warmhaus beobachtet. Die Bewegung wurde aber so stark iibertrieben, dasz der Lacktropfen zweimal eine Zeit Jang auszer Gesicht kam. Es war indessen offenbar, dass zwei etwas

 

 

 

 

 

Fig. 12. Ga,,ypium: Circumnutatlon des Hypocotyls an einer horizontalen Glasplatte von 10.30 a. m. bis 9.30 a. m. am folgenden Morgen mittelst eines quer anf seinem Gipfel befestlgten Fadens auf­ gezelchnet. Bewegung des Lacktropfens am Faden ungefiibr zweimal vergroszert; der Siimling von oben beleuchtet.

 

unregelmaszige Ellipsen in 9 Stunden ziemlich vollendet wurden. Es wurde dann ein anderer, ziemlich 1 ½ Zoll hoher Sii.mling wii.hrend 23 Stunden

beobachtet; die Beobachtungen wurden aber nicht in hinreichend kurzen Zwischenrii.umen gemacht, wie die wenigen Punkte in Fig. 12 angeben, und die Zeichnung wurde auch jetzt nicht hinreichend vergroszert. Nichts desto weniger konnte iiber die Circumnutation des Hypocotyls, welcher in

12 Stunden eine, drei unregelmii.szige Ellipsen von ungleicher Grosze dar­ stellende Figur beschrieb, kein Zweifel bestehen.

DARWl!'I", Bewegungsvermogen. (XIII.) 2

 

[page break] 18 Circumnutation der Siimlinge. Cap. I.

Die Cotyledonen sind wli.hrend des ganzen Tages in bestii.ndiger Be­ wegung auf und nieder, und da sie den ungewohnlichen Fall darbieten, sich spat am Abend und in dem ersten Theile der Nacht abwii.rts zu bewegen, wurden viele Beobachtungen iiber dieselben angestellt. Ein Faden wurde in der Mitte des einen befestigt und seine Bewegung an einer senkrechten Glasplatte verzeichnet; die Zeichnung wird aber nicht mit­ getheilt, da der Hypocotyl nicht so befestigt war, dasz es unmoglich war, deutlich zwischen seinen Bewegungen und denen des Cotyledonen zu unter­ scheiden. Die Cotyledonen erhoben sich von 10,30 Uhr a. m. bis unge­ fli.hr 3 Uhr p. m.; dann sanken sie aber bis 10 Uhr p. m., stiegen aber in dem letzten Theile der Nacht bedeutend in die Hohe. Die Winkel oberhalb des Horizontes, in welchen die Cotyledonen eines andern Sli.m­ lings zu verschiedenen Stunden standen, w11rden in der folgenden kurzen Tabelle angeftihrt:

Oct. 20. 2,50 p. m. 25° iiber dem Horizont

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5,20

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15°

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9,11 p. m.

10° unter dem Horizont.

Die Stellung der beiden Cotyledonen wurde in verschiedenen Stunden mit demselben allgemeinen Resultate skizzirt.

Im folgenden Sommer wurde der Hypocotyl eines vierten Sli.mlings an einen kleinen Stab befestigt uud ein Glasfaden mit Dreiecken von Papier an einen der Cotyledonen fixirt. Seine Bewegungen wurden nun auf einer senkrechten Glasscheibe unter einem doppelteu Oberlichte im Hause verzeichnet. Der erste Punkt wurde um 4,20 p. m. am 20. Juni gemacht, und der Cotyledon fiel in einer nahezu geraden Linie bis 10,15

p. m. Unmittelbar nach Mitternacht wurde er eiu wenig niedriger und etwas nach einer Seite gesenkt gefunden. Am zeitigen Morgen um 3,45

a. m. war er bedeutend gestiegen, aber um 6,20 a. m. ein wenig wieder gefallen. Wahrend dieses ganzen Tages (21.) fiel er in einer unbedeu­ tend zickzackformigen Linie, aber sein normaler Verlauf wurde durch den Mangel hinreichender Beleuchtung gestort; denn wii.hrend der Nacht erhob er sich nur wenig und bewegte sich wahrend des ganzen folgenden '£ages und der ganzen Nacht bis 22. Juni unregelmli.szig. Die auf- und absteigenden Linien, welche wii.hrend dieser drei Tage gezeichnet wurden, fielen nicht zusammen, so dasz die Bewegung eine Circumnutationsbewe­ gung war. Dieser Sii.mling wurde dann in da.s Warmhaus zurfickgebracht und nach ffinf Tagen um 10 Uhr p. m. besichtigt, wo die Cotyledonen so nahezu senkrecht herabhli.ngend gefunden wurden, dasz man mit vollem Rechte sa.gen kl>nnte, sie seien eingeschlafen. Am folgenden Morgen batten sie ihre gewohnliche horizontale Stellung wieder eingenommen.

Oxalis rosea (Oxalideae). - Der Hypocotyl wurde an einen kleinen Stab befestigt und ein ii.uszerst dunner Glasfaden mit zwei Dreiecken von Papier an einen der Cotyledonen angebracht, welcher 0,15 Zoll lang war. In dieser und der folgenden Species ist das Ende des Blattstieles, wo er sich mit der Scheibe verbindet, zu einem Kissen entwickelt. Die Spitze

 

[page break] Cap. 1. Oi:alis. 19

des Cotyledons stand nur 5 Zoll von der senkrechten Glasscheibe ab, so dasz seine Bewegung, so lange sie nahezu horizontal blieb, nicht bedeu­ tend vergrliszert wurde; aber im Verlaufe des Tages erhob sie sich sowohl betrii.chtlich uber eine horizontale Stellung als sie auch unter dieselbe sank, und dann wurde natflrlich die Bewegung bedeutend iibertrieben. In Fig. 13 wird ihr Verlauf von dem 17. Juni 6,45 a. m. bis 7,40 a. m. am folgenden Morgen verzeichnet. Wir sehen hier, dasz sie wahrend des Tages im Verlaufe von 11 Stunden 15 Minuten dreimal nach unten und

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Fig. 18. O:,alia rinea : Clrcumnutatlon der Cotyledonen, der Hypocotyl an elnem Stabe befeetlgt; Beleuchtung von oben. Flgur hler Im h.tben Jrlaszstab des Ori- ginals gegeben.

 

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Fig. 14. O:,ali4 roaea: Vereinlgto Circumnutatton der Cotyledonen und des Hypocotyls, von 8.12

a. m. am 18.. Juni bis 7.30 a. m. am 19. verzelrhnet. D ,, Spitze des Cotyledon stand nur 33/ Zoll von der senkr.chten Glasplatte ab. Die Flgur bier Im halben Jrlaszstab des Originals gegdben.

 

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zweimal nach oben sich bewegte. Nach 5,45 p. m. bewegte sie sich sehr schnell abwarts und hieng in einer oder zwei Stunden senkrecht nach unten. In dieser Weise blieb sie die ganze Nacht schlafend. Diese Stellung

2*

 

[page break] 20 Circumnutation der Samlinge. Cap. 1.

 

konnte an der verticalen Glasscheibe eben so wenig wie in der hier mitgetheilten Figur dargestellt werden. Um 6,40 a. m. am folgenden Morgen (18.) waren beide Cotyledonen bedeutend gestiegen und fuhren bis

8 Uhr a. m. zu steigen fort, wo sie beinahe horizontal standen. lhre Bewegung wurde wahrend dieses ganzen Tags und bis zum niichsten Mor­ gen aufgezeichnet; eine Darstellung wird aber nicht mitgetheilt, da sie der Fig. 13 auszerst ahnlich ist, ausgenommen, dasz die Linien noch mehr im Zickzack verliefen. Die Cotyledonen bewegten sich 7mal entweder auf­ oder abwii.rts, und ungefii.hr um 4 Uhr p. m. begann die bedeut.ende nacht­ liche Senkungsbewegung.

Ein anderer Sii.mling wurde in einer ahnlichen Weise nahezu 24 Stun­ den hindurch beohachtet, jedoch mit dem Unterschiede, dass der Hypocotyl frei gelassen wurde. Auch wurde die Bewegung weniger vergroszert. Zwi­ schen 8,12 a. m. und 5 Ubr p. m. am 18. bewegte sich die Spitze des Cotyledon 7mal auf- und abwiirts (Fig. 14). Die nachtliche Senkungs­ bewegung, welche nur eine bedeutende Vergroszernng einer der taglichen Schwankungen ist, begann ungefiihr um 4 Uhr p. m.

Oxalis Valdiviana. - Diese Species ist

 

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deshalb interessant, weil die Cotyledonen wahrend der Nacht senkrecht so aufsteigen, dasz sie in eine• dichte Beriihrung kommen, anstatt, wie in dem Falle von 0. 1•osea, senkrecht abwarts zu sinken. Ein• Glasstab wurde an eiuem Cotyledon hefestigtr der 0,17 Zoll lang war, und der Hypocotyl frei­ gelassen. Am ersten Tage wurde der Siimling zu entfernt von der senkrechten Glasplatte gestellt, so dasz die Zeichnung enorm iibertrieben war, und die Bewegung nicht verzeichnet werdPn konnte, wenn der Cotyledon entweder bedeutend stieg oder sank; es zeigte sich aber deutlich, dasz die Cotyle­ donen zwischen 8,15 a. m. und 4,15 p. m. dreimal sich erhoben und zweimal sanken. Zeitig am fol­ genden Morgen (19. Juni) wurde die Spitze eines

8

 

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Glasplatte entfernt gehalten. Um 6,40 a. m. stand er horizontal, dann fiel er "bis 8,35 und erhoh sich dann wieder. Im Ganzen erhob er sich im Verlaufe von 12 Stunden dreimal und fiel dreimal, wie in Fig. 15 zu sehen ist. Die bedeutende nii.cht­

a g.... liche Erhebung des Cotyledonen begann gewohnlich

ungefii.br um 4 oder 5 Uhr p. m. und am folgen­

 

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J<'lg. 15. Oxali Valdiviana: Vereinigte Circumnutation eines Cotyledonen und des Hypocotyls 24 Stunden Ieng an elner senkreohten Glas­ platte aufgezeicbJOet. Die Figur hier Im halben Masz­ stab des Originals; der •Him ling von oben beleuch tct.

 

den Morgen waren sie ausgebreitet oder standen• um ungefahr 6,30 a. m. horizontal. lndessen begann in dem vorliegenden Falle die bedeutende niichtlicho Steigung nicht vor 7 Uhr p. m.; dies war aber eine Folge davon, dasz der Hypocotyl aus irgend einer unbekannten Ursache zeitweise

 

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nach der linken Seite gebogen war, wie in der Darstellung sich zeigt. Um positiv zu ermitteln, dasz der Hypocotyl circumnutirte, wurde urn

 

[page break] <:ap. 1. Tropaeolum. 21

-8,15 p. m. hinter die beiden nun geniiherten und senkrechten Cotyledonen

-0in Zeichen angebracht, und die Bewegung eines Glasfadfms, welcher auf- recht an die Spitze des Hypocotyls befestigt war, wurde bis 10,40 p. m. verzeichnet. Wiihrend dieser Zeit bewegte er sich von einer Seite zur

.andern ebenso wie vorwiirts und riickwiirts, hiermit deutlich Circumnutation

.anzeigend; doch war ,lie Bewegung in ihrer Ausdehnung gering. Es stellt daher Fig. 15 ziemlich richtig die Bewegungen der Cotyledoncn allein dar mit Ausnahme der einen groszen Nachmittagskriimmung nach der linken Sei te.

0 x al is corn i cul at a (var. cuprea). - Die Cotyledonen erheben sich

.des Nachts bis zu einem bedeutenden Grade iiber den Horizont, meist unge­ fiihr 45°, diejenigen an einigen zwischen 2 und 5 Tage alten Siimlingen

-0rgaben sich als den ganzen Tag lang in bestiindiger Bewegung begriffen;

.die Bewegungen waren aber einfacher als in den letzten zwei Species. Dies kann zum 'fheil ein Resultat davon sein, dasz sie, wahrend sie be­ obachtet wurden, nicht hinreichend beleuchtet wurden, was sich daraus er­ gibt, dasz sie nicht eher als sehr spat. am Abend sich zu erheben begannen.

Oxalis (Biophytum) sensitiva. - Die Cotyledonen sind wegen der Weite und Schnelligkeit ihrer Bewegungen wahrend des Tages im hohen Grade merkwiirdig. Die Winkel, unter denen sie iiber oder unter dem Horizont standen, wurden in kurzen Zeitzwischenriiumen gemessen, und wir bedauern, dasz ihr Verlauf nicht wiihrend des ganzen 'fages verzeichnet wurde. Wir wollen nur wenige von den Messungen anfiihren, welche an­

gestellt wurden, als die Siimlinge einer Temperatnr von 22i/2 bis 241/2° C. ausgesetzt waren. Ein Cotyledon erhob sich in 11 Minuten um 70°, ein

.anderer an einem verschiedenen Siimling fiel in 12 Minuten um 80°.

Unmittelbar vor dieser letzten Senkung l1atte sich derselbe Cotyledon von

-0iner senkrechten, nach abwiirts gerichteten Stellung in 1 Stunde 48 Mi­ nuten zu einer senkrecht nach oben gerichteten erhoben und hatte sich

.daher in weniger als 2 Stunden durch 180° bewegt. Wir haben keinen

.andern Fall einer circumnutirenden Bewegung von einer gleichgroszen Amplitude von 180° angetroffen, eben so wenig eine iihnliche Schnellig­ keit der Bewegung wie der Durchgang durch 80° in 12 Minuten. Die Cotyledonen dieser Pflanze schlafen des Nachts in der Weise, dasz sie

.sich senkrecht erheben und in dichte •Beriihrung mit einander kommen. Diese Bewegung nach oben weicht von einer der bedeutenden taglichen,

-0ben beschriebenen Sc 1wankungen nur darin ab, dasz die Stellung with­ rend der Nacht permanent ist, und dasz sie periodisch eintritt, da sie immer spat am Abend beginnt.

Tropaeolum minus (?) (var. Thom Thumb) (Tropaeoleae).

Die Cotyledoncn sind unterirdisch (hypogiiisch) oder erheben sich niemals iiber den Boden. Bei Entfernung der Erde fand sicb ein eingegrabener Epicotyl oder Plumula, dessen Spitze sich plotzlich nach unten kriimmte wie der gekriimmte Hypocotyl des friiber beschriebenen Kohlsamliugs. Ein Glasstab mit einem Lacktropfen am Ende wurde an die basale Halfte oder den basalen Schenkel dicht oberhalb des unterirdischen Cotyledons befestigt, welcher wiedenim beinabe rings mit loser Erde umgeben wurde. Die Zeichnung (Fig. 16) zeigt den Verlauf des Tropfens wahrend 11 Stun-

 

[page break] 22 Circumnutation der Simlinge. Cap. 1.

den. Nachdem die letzten Punkte in der Figur gemacht worden waren, bewegte sich der Tropfen bis zu einer bedeutenden Entfernung und end­ lich von der Glasscheibe in einer Richtung ab, welche durch die punktirte Linie angedeutet wurde. Diese bedeutende Bewegung, Folge des vermehrten Wachsthums entlang der concaven Flache des Bogens, wurde dadurch ver­ anlaszt, dasz der basale Schenkel von dem oberen Theile zurilckgebogen wurde, d. h. in einer der herabhll.ngenden Spitze entgegengesetzten Rich­ tung, in derselben Weise, wie es bei dem Hypocotyl des Kohls eintrat. Ein anderer vergrabener und gekrummter Epicotyl wurde in derselben Weise beobachtet, au!lgenommen, dasz die zwei Schenkel des Bogens mit feiner Seide zu dem Zwecke zusammengebunden wurden, die grosze eben erwahnte Bewegung zu verhuten. Er bewegte sich indessen am Abend in derselben Richtung wie vorher, die eingehaltene Linie ist aber nicht so gerade. Wahrend des Morgans bewegte sich der zusammengebundene Bogen in einem unregelmaszigen, kreistormigen, stark zickzackartigen Ver­ lauf und bis zu einer groszeren Entfernung als im friiheren Fulle, wie es sich in einer 18mal vergroszerten Darstellung zeigte. Die Bewegungen einer jungen, einige wenige Blatter tragenden und einer reifen Pfl.anze warden spater beschrieben werden.

 

 

 

 

 

 

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Fig. 18. Tropa,olum minu, /1): Cir­ cumnut&llon des vergrabenen und ge­ kriimmten Eplcotyls, von 9.20 a. m. bis

8.15 p. m. an elner horlzontalen Glas­ schelbe aufgezelchnet. Die Bewegung des Laottropfens am Faden 27mal ver-

groszert.

 

Fig. 17. Citrtu aurantium: Circumnu­ tation des Eplcotyls mlt elnem In dcr Nihe der Spitze quer angebrachten Glas­ faden, von 12,13 p. m. am 20. Febr. bis

8.55 a. m. am 22. an einor horlzont&len Glasplatte aufgezeichnet. Die Bewegung des Lacktropfens am Faden wurde zuerst 2lmal, oder in der bier gegbenen Figur 101f2mal, spiiter 36mal, oder bier 18mal vergrOszert; der Simling wurde von oben

beleuchtet.

 

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Citrus aurantium (Orange) (Aurantiaceae). - Die Cotyledonen sind hypogaisch. Die Circumnutation eines Epicotyls, welcher beim Schlusse unserer Beobachtungen 0,59 Zoll (15 mm) ftber den Boden hoch war, ist ist in der beistehenden Figur (Fig. 17) nach einer Beobachtungsperiode von 44 Stunden 40 Minuten dargestellt.

Aesculus kippocastanum (Hippocastaneae). - Keimende Samen wurden in einen innen feucht gehaltenen Zinnkasten gethan mit einer schra-

 

[page break] Cap. 1. Aesculus. - Phaeeolus. 23

gen Schicht feuchten, thonigen Sandee, auf welcher 4 beruszte Glasplatten in einer Neigung von 70 und 65° gegen den Horizont lagen. Die Spitzen der Wiirzelchen waren so gestellt, dasz sie eben das obere Ende der Glas­ platten beriihrten, und da sie nach abwarts wuchsen, driickten sie in Folge des Heliotropismus leicht auf die beruszten Flachen und hinterlieszen die Spuren ihres Verlaufs. In dem mittleren Theile einer jeden solchen Spur wurde das Glas reingewischt, die Rander waren aber stark gestort und unregelmaszig. Copien von zweien dieser Ziige (alle vier waren nahezu gleich) wurden auf Pauspapier angefertigt, welches auf die Glasplatten• gelegt wurde, nachdem sie gefirniszt worden waren, und sie sind so genau wie moglich, in Anbetracht der Bescbaffenheit der Rander (Fig. 18). Sie

 

 

 

 

 

 

 

A B

Fig. 18. .A.,acu/ua hippoca,tanum: Umrisse der auf beruszten Glasplatten von den Spltzen der Wiirzelehen zuriickgelassenen Spuren. llel A war die Platte unter 70 o gegen den Horlzont g neigt, das Wiirzelchen war 1,9 Zoll Jang und 0,23 Zoll an der Basis Im Durcbmesser. Bel B war die Platte unter 65 gegen den Horizont genelgt, das Wiirzelcben war unbedeutend grozer.

geniigen, um iu zeigen, dasz etwas Seitenbewegung, beinahe schlangenartig gewunden, dabei vorhanden war, und dasz die Spitzen in ibrer Abwarts­ bewegung mit ungleicher Kraft auf die Glasplatten driickten, so dasz die Spuren in der Breite variirten. Die vollkommner serpentinen Zilge, welcbe die Wiirzelchen von Phaseolus multifiorus und Vicia faba (die sofort be­ schrieben werden sollen) auf den Glasplatten hinterlieszen, machen es bei­ nahe sicher, dasz die Wilrzelchen der vorliegenden Pflanze circumnutirten. Phaseolus multifiorus (Leguminosae). - Vier beruszte Glas­ platten wurden in derselben Weise, wie unter Aesculus beschrieben wurde, angeordnet, und die von den Spitzen von vier Wiirzelchen der genannten P:ffanze wahrend ihres Abwii.rtswachsens hinterlassenen Spuren wurden als

 

 

 

 

 

 

A B C

Fig. 19. Phaa,olu multiftoru,: Von den Spitzen der Wiirzclchen beim Abwiirtswachsen auf ge­ neigten beruszten Glasplatten zuriickgelassene Spuren. Bel A und O waren die Platten unter 60°, bei B unter 68° gegen den Horizont genelgt.

durchsichtige Gegenstande photographirt. Drei von ihnen sind bier genau copirt worden (Fig. 19). Jhr serpentiner Verlauf zeigt, dasz die Spitzen sich regelmaszig von einer Seite zur andern bewegten; sie driickten auch abwechselnd mit groszerer oder geringerer Kraft auf die Glasplatten, erhoben sich zuweilen und verlieszen sie fiir eine sehr kurze Entfernung

 

[page break] 24 Circumnutation der Samlinge. Cap. 1.

ganz; dies war auf den Originalplatten besser zu sehen als in den Copien. Es bewegten sich daher diese Wftrzelchen bestandig nach alien Richtuugen

d. h. sie circumnutirten. Die Entfernung zwischen den iiuszersten linken und rechten Stellungen des Wiirzelchens A in seiner seitlichen Be­ wegung betrug 2 mm, wie es durch Messung mit einem Ocularmicro­ meter ermittelt wurde.

Vicia faba (gemeine Bohne) (Leguminosae). - Wiirzelchen. - Einigen Bohnen wurde gestattet auf bloszem Sande zu keimen, und nach-

dem eines ihrer Wtirzelchen bis zu einer Lange von 0,2 Zoll vorgetriebeu war, wurde sie mit der oberen Seite nach unten gedreht, so dasz das Wiirzelchen, welches in feuchter Luft gehalten wurde, nun aufrecht stand. Ein nahezu ein Zoll langer Faden wurde schrag in der Niihe der Spitze befestigt, und die Bewegung des am Ende befestigten Tropfens wurde von 8,30 a. m. bis 10,30 p. m. verzeich­ net, wie Fig. 20 angibt. Das Wur­ zelchen veranderte zuerst seine Rich­

 

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Fig. 20. Yicla faba: Circumnutation cines Wtirzelchens, das anfangs senkrecht nach oben wies, in Dunkelheit gehaltcn, 14 Stun­ den Jang an elner horizontalen Glasplatte aufgezeichnet.. Bewegung des Lacktropfeus am Faden 23mnl vergrOszort, in der l! igur hior auf die Hiilfte dos Maszstabs des Ori- ginals rcducirt.

 

tung zweimal plotzlich, machte dann

eine kleine Schlinge und beschrieb darauf eine grOszere Zickzackkriim­ rnung. Wiihrend der Nacht und bis

11 Uhr a. m. am folgenden Morgen bewegte sich der Lacktropfen bis zu

 

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einer bedeutenden Entfernung in einer nahezu geraden Linie in der in der

Figur durch die punktirte Linie angegebenen Richtung. Dies war das Resultat davon, dasz die Spitze sich schnell abwiirts bog, da sie nun be­ deutend geneigt stand und dadurch eine Stellung erlangt hatte, welche der Einwirkung des Geotropismus in hohem Grade gi.instig war.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A B C D

Fig. 21. Vicia jaba: Auf geuoigten beruszten Gla.splatten zuriickgel ssene Spuren von Spitzcn von Wlirzclchen, die abwiirts wuchscm, Platte C war unter 63 o, die Platten A und D untcr 71 Platto B unter 75 11, und Platte E nur wenige Grade unter den Horizont geneigt.

 

Wir experirnentirten nun an beinahe zwanzig Wiirzelchen, indem wir ihnen gestatteten, iiber geneigte 'fafelu beruszten Glases nach abwiirts

 

[page break] Cap. 1. Vicia. 25

 

zu wachsen, genau in derselben Weise wie bei Aesculus und Phaseolus. Einige von den Platten waren nur wenige Grade unter den Horizont geneigt, die meisten von ihnen aber zwischen 60° und 75°. In den letzteren Fallen wurden die Wiirzelchen bei dem Abwii.rtswachsen nur wenig von ihrer Richtung abgelenkt, welche sie bei dem Keimen in Siigespiinen einge­ schlagen hatten, und sie drfickten unbedeutend auf die Glasplatten (l!ig. 21). Fiinf der deutlichsten Ziige sind hier copirt, und sie sind alle unbedeutend sinuos, sie zeigen Circumnutation. Uberdies ergab eine genaue Unter­ suchung beinahe jedes einzelnen von diesen Zfigen deutlich, dasz die Spitzen in ihrem Verlaufe nach abwarts abwechselnd mit grosze\er oder geringerer Kraft auf die Platten gedriickt und zuweilen sich so erheben hatten, dasz sie dieselben fiir kurze Zeit beinahe verlassen hatten. Die Entfernung zwischen den iiuszersten rechten und linken Stellungen des Wfirzelchens A betrug 0,7 mm, in derselben Weise ermittelt wie bei Phaseolus.

Epic o t y1. - An dem Punkte, wo das Wfirzelchen von einer auf ihre Seite gelegten Bohne vorgetrieben hatte, sprang ein abgeplattetes, solides Kliimpchen 0,1 Zoll in derselben horizontalen Ebene mit der Bohne vor. Diese Vorragung bestand aus dem convexen Gipfel des gebogenen Epicotyls und als er sich entwickelte, krfirnmten sich die beiden Schenkel des Bogens seitwiirts nach oben und zwar in Folge des Apogeotropismus in einer solchen Schnelligkeit, dasz der Bogen nach 14 Stunden stark geneigt und in 48 Stunden senkrecht stand. Ein Glasstab wurde an dem Gipfel der Vorragung, ehe noch irgend ein Bogen sichtbar war, befestigt, aber die basale Hiilfte wuchs so schnell, dasz am zweiten Morgen das Ende des Stabes bedeutend nach abwiirts gebogen war. Er wurde daher entfernt und weiter nach unten befestigt. Die wiihrend dieser zwei Tage aufgezeichnete Linie verlief in derselben allgemeinen Richtung, war stellen­ weise nahezu gerade und an anderen Stellen deutlich zickzack und ergab damit einen gewissen Beleg fiir Circum utation.

Da der gebogene Epicotyl, in welche Stellung er auch gebracht wer­ den mag, schnell durch Apogeotropismus sich nach oben biegt, und da die beiden Schenkel in einem sehr frfihen Alter sich von einander zu ent­ fernen streben, sobald sie von dem Drncke der umgebenden Erde befreit werden, so war es schwer, mit Sicherheit zu ermitteln, ob der Epicotyl, so lange er gekrfimmt blieb, circumnutirte. Es wurden daher einige ziem­ lich tief vergrabene Bohnen frei gemacht, und die beiden Schenkel des Bogens wurden zusammengebunden, wie es mit dem Epicotyl von Tro­ paeolwn und dem Hypocotyl des Kohls geschehen war. Die Bewegungen der zusammenge bundenen Bogen wurden in der gewohnlichen Weise bei zwei Gelegenheiten wii.hrend dreier Tage verzeichnet. Die Zeichnungen wurden aber unter so unnatfirlichen Bedingungen gemacht, dasz es sich nicht verlohnt sie mitzutlrnilen; es braucht nur gesagt zu werden, dasz die Linien entschieden zickzackformig waren, und dass gelegentlich kleine Schlingen gebildet wurden. Wir konnen daher schlieszen, dasz der Epi­ cotyl circumnutirt, so lauge er noch gekriimmt ist, und ehe er lang genug gewachsen ist, um durch die Oberfliiche des Bodens durchzubrechen.

Um die Bewegungen des Epicotyls in einem etwas vorgeschritteneren Alter zu beobachten, wurde ein Stab in der Nii.he der Basis eines be­ festigt, welcher nicht mehr gekriimmt war; denn seine obere Halfte bildete

 

[page break] 26 Circumnutation der Samlinge. Cap. 1.

nun mit der unteren einen rechten Winkel. Diese Bohne hatte auf bloszem feuchten Sande gekeimt, und der Epicotyl begann sich viel frfther gerade zu strecken , als es eingetreten sein wilrde, wenn sie gehlirig gepfl.anzt worden ware. Der wahrend 50 Stunden eingescblagene Verlauf (von 9 Uhr

a. m. des 26. December bis 11 Uhr a. m. des 28.) iat bier dargestellt (Fig. 22); und wir sehen, dasz der Epicotyl wahrend dieser ganzen Zeit circumnutirte. Sein basaler Theil wuchs wahrend dieser 50 Stunden so bedeutend, dasz der Faden beim Ende unsrer Beobachtungen in der Hohe von 0,4 Zoll oberhalb der Oberfl.ache der Bohne befestigt war, statt dicht an ihr. Wenn die Bohne ordentlich gepfl.anzt gewesen ware, wftrde dieser Theil des Epicotyls noch immer unterhalb der Erde gewesen sein.

Spat am Abend des 28., einige Stunden nachdem die obigen Beobach­ tungen vollendet wurden, war der Epicotyl viel gerader gewachsen; denn der obere Theil bildete nun mit dem unteren einen weit offenen Winkel. Ein Faden wurde an den aufrechten basalen Theil htiher hinauf als vor­ her befestigt, dicht unterhalb des untersten schuppenartigen Vorsprungs

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Fig. 22. Vicia faba: Oircumnutatlon eines jungen Eplcotyls Im Dunkeln wahrend 50 Stunden An einer borizontalen Glasplatte aufgczelcbnet. Bowegung des Lacktropfens am Glasfaden 20mal vergroszert, hler auf die Halfte des l\Iaszstabs des Originals reducirt.

 

--->-.....

}'ig. 23. Vicia Jaba : Uircumnutation des selben Epicotyls, wie in :Fig. 22, etwas wciter im Alter vorgeschritten, unter i.holichen Be­ dingungen wie vorher von 8.40 a. m. am

28. Uec. bis 10.50 a. m. am 30. aufgczeichnet. Bewegung des Lacktropfens bier 20mal ver-

grOszert.

 

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oder des Homologon eines Blattes; seine Bewegung wurde wahrend 38 Stun­ den verfolgt (Fig. 23). Auch hier haben wir wieder deutliche Beweise einer fortdauernden Circumnutation. Ware die Bohne gehorig eingepfl.anzt gewesen, so wftrde der Theil des Epicotyls, an welchem der Faden befestigt wurde, und dessen Bewegung bier dargestellt ist, wahrscheinlich soeben iiber die Oberfl.ache des Bodens emporgestiegen sein.

Lathyrus nissolia (Leguminosae). - Die Pfl.anze wurde deshalb zur Beobachtung ausgewahlt, wail sie eine abnorme Form mit grasartigen Blattem ist. Die Cotyledonen sind hypogaisch und der Epicotyl durch­ bricht den Boden in einer gekriimmten Form. Die Bewegungon eines 1,2 Zoll hohen Stammes, welcher aus droi Internodien bestand, dessen

 

[page break] Cap. 1. Cassia. 27

unterer beinahe ganz subterran war, wii.hrend der obere ein kurzes schmales Blatt trug, sind in Fig. 24 dargestellt. Es wurde kein Glasfaden ange­ bracht, sondern unter die Spitze des Blattes wurde ein Zeichen gemacht. Die factiscbe Lange der lii.ngeren der beiden Ellipsen, welche den Stamm beschrieb, war ungefii.hr 0,14 Zoll. Am vorhergebenden Tage war die

 

 

 

 

Fig. 24. Latl,yru, niuolia: Clrcumnutatiou des Stammes elnes jungen Siimlings, in der Dunkelheit auf einer horlzontalen Glaplatte van 6,45 a. m., 22. Nov., bis 7 a. m., 23. Nov., aufgezeicbnet. Bewegung des Blattende ungefahr 12mal vergroszert, bier auf die Hiilfte des Maszstabs des Ori ginals reducirt.

 

Hauptlinie 4er Bewegnng beinahe rechtwinklig auf die in der Figur dar­ gestellte und war einfacher.

Cassia torai (Leguminosae). - Ein Sii.mling urde vor ein nach Nordosten gelegenes Fenster gestellt; er bog sich sehr wenig nach ihm hin, da der Hypocotyl, welcher freigelassen wurde, ziemlich alt und daher nicht in hohem Grade heliotropisch war. Ein Faden war an die Mittel­ rippe eines der Cotyledonen befestigt worden, und die Bewegung des gan­ zen Sii.mlings wurde wii.hrend zweier Tage aufgezeichnot. Die Circum­ nutation des Hypocotyls ist vollig unbedeutend verglichen mit dtJr der Cotyledonen. Diese erheben sich des Nachts senkrecht nach oben und kommen in dichte Ber1ihrung, so dasz man sagen kann sie schlafen. Dieser Sii.mling ar so alt, dasz ein sehr kleines echtes Blatt entwickelt worden war, welches des Nachts von den geschlossenen Cotyledonen vollstii.ndig verhiillt wurde. Am 24. September zwischen 8 Uhr a. m. und 5 Uhr p. m. bewegten sich die Cotyledonen fiinfmal aufwii.rts und fiinfmal abwii.rts; sie beschrieben daher f1inf unregelmii.szige Ellipse_n im Verlaufe von 9 Stun­ den. Die grosze nii.chtliche Erhebung fieng ungefii.hr um 4,30 p. m. an. Am folgenden Morgen (25. Sept.) wurde die Bewegung des nii.mlichen Cotyledons wiederum in derselben Weise wii.hrend 24 Stunden aufgezeichnet, und eine Copie der Zeichnung wird bier mitgetheilt (Fig. 25). Der Mor­ gen war kalt und das Fenster war zufii.llig eine kurze Zeit lang offen­ gelassen worden, was die Pflanze erkii.ltet haben mag; dies hinderte sie wahrscheinlich, sich ebenso stark zu bewegen wie am vorausgehenden Tage.

•Denn wii.hrend des Tags stieg sie nur viermal in die Hohe und sank nur

viermal, wobei eine der Schwankungen sehr klein war. Um 7,10 a. m., als der erste Punkt gemacht wurde, waren die Cotyledonen noch nicht vollstii.ndig geoffnet oder erwacht ; sie fuhren sich zu offnen fort bis unge­ fii.hr 9 Uhr a. m., um welche Zeit sie etwas unter den Horizont gesunken waren: um 9,30 a. m. waren sie gestiegen und schwankten dann auf- und abwii.rts, aber die nach oben und unten gerichteten Linien fielen nie voll­ stii.ndig zusammen. Ungefii.hr um 4,30 p. m. begann die starke nachtliche

 

1 Samen dieser Pflanze, welche in der Nii.he des Strandes wuchs, wurden uns von Fritz Millier aus Siid-Brasilien geschiekt. Die Siimlinge gediehen und bliihten bei nns nicht gut; sie wurden nach Kew geschickt nnd flir von G. tora nieht zu unterseheiden erkliirt.

 

[page break] 28 Circumnutation der Siimlingc. Cap. 1.

Erhebung. Um 7 Uhr a. m. am folgenden Morgen (26. Se1it.) nahmfc'u sie nahezu dieselbe Hohe ein wie am vorausgehenden l'tlorgen, wie es in der J<'igur dargestellt ist: dann begannen sie sich zu iiffnen, oder in der gewohnlichen Weise zu sinken. Die Zeichnung veranlaszt zu der Annahme,

dasz die grosze porimlischo tii.gliche Hebung 1111d Senkung nicht wesent­ lir:h, mit Ausnahme der Amplitude, von dt'n Schwankungen wiihrend der Mitte des Tag-s abweicht.

Lotui; Jacoha eu. (Legumi­ nosae). - Die Cotylr!donon dieser Pflanze erhoben sich nach don wenigeu ersteu Tagen ihres Lebrns so, dasz sie beinahe, obschon selteu vollkommen, dt's Nachts senkrecht

stehen. Sie fahren eine Jange Zeit

selbst nach der Entwickelung ri11iger der walmm Blatter sich in der­ selben Weise zu benl'luneu fort. Bei 3 Zoll hohen Siimlingen, welchr fiinf oder sechs Blatter trag-rn, er­ heben sie sich des Nachts um uu­ gefiihr 456 Sie fuhreu hiermit fort fiir ungefiihr weitere vierzehn Tage. Spilter bliehen sie des Nachts hori­ zontal, obschon sie noch immer griin waren, und fielen zuletzt ab. lhre Erhebung des Nachts, so dasz sie beinahe senkrocht standen, scheint in hohem Grade von der Temperatnr

lrll.lP abzubii.ngen. Denn als die Silmlinge

 

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}"'lg. 25. Caa&ia tora: Vorcinigte Circumnutation dor Cotylodoucn und des } picotyls, auf cincr senkrcchten Glnsplatto von 7,10 a. m., 25. So1lt., bit- 7.30 a. m., 26., aufgezoichnct. Die hicr ge. gebeue l'igur ist auf die Jlillfto des Maszstabcs des Originals reducirt.

 

in einem kiihlen Hause gehalten wur­ den, wurden die Cotyledonen, ob­ schon sie noch fortfohren zu wach- sen, doch des Nachts nicht senk­

 

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recht. Es ist merkwiirdig, dasz die Cotyledonen nicht ganz allg•emein wahrend der ersten vier oder fiinf Tage nach dem Keimen sich des Nachts in irgend einem auffallenden Masze erheben; es war aber bei Siim­ lingen, die unter den namlichen Bedingungen gehalten wurden, die Periode auszerst verii.nderlich, und viele wurden beobachtet. Gl:isfilden

mit sehr kleinen Papierdreiecken wurden an die Cotyledonen (1 ½ mm

breit) zweier Samlinge, die nur 24 Stunden alt waren, befestigt, und der Hypocotyl wurde an einen Stab fest gemacht; ihre Bewegungen wurden bedeutend vergroszert aufgezeichnet, und sie circumnutirten sicherlich die gauze Zeit in einem sehr kleinen Maszstabe; sie boten aber hinerlei deut­ liche niichtliche und tiigliche Bewegung dar. Als die Hypocotylen frei gemacht wurden, circumnutirten sie in einem sehr weiten Umfange.

Ein anderer und viel alterer Samling, welcher ein l1albes entwickeltes Blatt trug, wurde mit seinen Bewegungen in einer iihnlichen Weise

 

[page break] Cap. 1. Mimosa. 29

wahrend der ersten drei Tage und Nachte des Juni aufgezeichnet; es schei­ nen aber Samlinge dieses Alters gegen Lichtmangel sehr empfindlich zu sein; sie wurden unter einem ziemlich triiben Oberlichte in einer Tem­ peratur von zwischen 16--17%° C. beobachtet; und allem Anschein nach in Folge dieser Umstande horte die grosz,e Tagesbewt>gung der Cotyledonen am dritten 'fage auf. Wahrend der ersten zwei 'fage begannen sie zeitig am Nachmittag sich in einer nahezu geraden Linie zu erheben, bis sie zwischen 6 und 7 Uhr p. m. beinahe senkrecht standen. Wahrend des spateren 'fheiles der Nacht oder wahrscheinlicher am zeitigen Morgen fiengen sie an zu sinken oder sich zu offnen, so dasz sie um 6,45 a. m. voll entfaltet und horizontal standen. Sie fuhren eine Zeit Jang langsam zu sinken fort und beschrieben wahrend des zweiten Tages eine einzige kleine Ellipse zwischen 9 a. m. und 2 Uhr p. m., auszer der groszen tiiglichen Bewegung. Der wiihrend der ganzen 24 Stunden eingeschlagene Lauf war weit weniger complicirt, als in dem vorhergehenden. Falle bei der Cassia. Am dritten Morgen fielen sie sehr bedeutend und circum­ nutirten dann in einem geringen Masze um den niimlichen Punkt; um 8,20 p. m. zeigten sie keinerlei Neigung sich Nachts zu erheben. Auch erhoben sich die Cotyledonen keines der vielen anderen, in dem niimlichen Topfe gehaltenen Samlinge; so verhielt es sich auch in der folgenden Nacht des 5. Juni. Der Topf wurde dann in fas Warmhaus zuriickgebracht, wo er der Sonne ausgesetzt wurde; und in der folgenden Nacht erhoben sich die sammtlichen Cotyledonen wiederum bis zu einem betrachtlichen Winkel, standen aber nicht vollstandig senkrecht. An jedem der oben erwahnten Tage fiel die die grosze nachtliche Erhebung darstellende Linie nicht mit der der groszen taglichen Senkung zusammen, so dasz schmale Ellipsen beschrieben wuraen, wie es die gewohnliche Regel bei circumnutirenden Organen ist. Die Cotyledonen sind mit einem Pnlvinus versehen und ihre Entwickelung wird spater beschrieben werden.

Mimosa pitdica (Leguminosae). - Die Cotyledonen erheben sich des Nachts senkrecht, so dasz sie sich vollstandig schlieszen. Zwei Sam­ linge wurden im Gewiichshaus beobachtet (Temperatur 16-17° C.). lhre Hypocotyle wurden an Stabe befestigt, und Glasfaden, welche kleine Papier­ dreiecke trugen, wurden an die Cotyledonen beider angebracht. Ihre Be­ wegungen wurden an einer senkrechten Glassche be wahrend 24 Stunden am 13. November aufgezeichnet. Der Topf hatte eine Zeit lang in der nilmlichen Stellung gestanden, und sie waren hauptsachlich durch das Glasdach belenchtet worden. Die Cotyledonen eines dieser Siimlinge be­ wegten sich des Morgens bis 11,30 a. m. nach abwiirts und erhoben sich dann, wobei sie sich am Abend rapid bewegten, bis sie senkrecht standen, so dasz in diesem Falle einfach eine einzige grosze tiigliche Er­ hebnng und Senknng vorhanden war. Der andere Siimling benahm sich ziemlich verschieden. Denn des Morgens sank er bis 11,30 a. m. und erhob sich dann, sank aber nach 12,10 p. m. wiederum, und die grosze Abenderhebung begann nicht vor 1,22 p. m. Am folgenden Morgen war dieser Cotyledon von seiner verticalen Stellung um 8,15 a. m. bedeutend gesnnken. Zwei andere Siimlinge (einer sieben und der andere acht Tage alt) waren friiher unter ungiinstigen Umstanden beobachtet worden, wo die Temperatur nur zwischen 13,3° nnd 13,8° betrug. Sie muszten

 

[page break] 30 Circumnutation der Siimlinge. Cap. I.

iiberdies gegen Seitenlicbt geschiltzt wuden und waren vielleicht nicbt hin­ reichend beleuchtet. Unter diesen Umstii.nden bewegten sich die Cotyle­ donen einfach von 7 Ubr a. m. bis 2 Uhr p. m. abwiirts, nach welcher Zeit und wii.hrend eines groszen Theils der Nacht sie fortfohren sich zu erheben. Zwischen 7 und 8 Uhr a. m. des folgenden Morgens sanken sie wieder; aber an diesen zwei und gleichfalls am dritten 'fage warden die Bewegungen unregelmii.szig und zwischen 3 und 10,30 p. m. circum­ nutirten sie in einem geringen Grade um einen und den nii.mlichen .Fleck, sie erhoben sich aber nicht des Nachts. Nichts desto weniger erhoben sie sich in der folgenden Nacht wie gewohnlich.

Cytisus fragrans (Legmninosae). - An dieser Pflanze wurden nur wenige Beobachtungen angestellt. Der Hypocotyl circumnutirte in

einer betrii.chtlichen Ausdehnung, aber in einer einfachen Weise, - nii.m­ Jich zwei Stunden Jang in einer Richtung und dann viel langsamer in einem Zickzackverlauf wieder riickwli.rts fast parallel der ersten Linie und bis jenseits des Ausgangspunktes bin. Er bewegte sich die ganze Nacht in derselben Richtung, fieng aber am Morgen an zurilckzukehren. Die Co­ tyledonen bewegten sich fortwii.hrend aufwii.rts und abwii.rts und seitlich; sie erhoben sich aber des Nachts nicht in einer augenfii.lligen Weise.

Lupinus luteus (Leguminosae). - Es wurden Siimlinge dieser

Pfianze deshalb beobachtet, weil die Cotyledonen so dick sind (ungefii.hr 0,08 Zoll), dasz es unwahrscheinlich schien, dasz sie sich iiberhaupt be­ wegten. Unsere Beobachtungen waren nicht sehr erfolgreich, da die Sii.m­ linge stark heliotropisch sind, und ihre Circumnutation in der Na.he eines Nordostfensters nicht genau beobachtet werden konnte, obschon sie wli.h­ rend des vorausgehenden Tages in derselben StAllung gehalten worden waren. Es wurde dann ein Sii.mling -in Dunkelheit gebracht und sein Hypocotyl an einen Stab befestigt; beide Cotyledonen erhoben sich anfangs ein wenig und sanken dann wahrend des ubrigen 'fages; am Abend zwischen 5 und 6 Uhr p. m. bewegten sie sicb sehr langsam ; wii.hrend der Nacht fuhr der eine fort zu sinken, uqd der andere erhob sich, ob­ schon nur ein wenig. Die Aufzeichnung wurde nicht sehr vergroszert, und da die Linien deutlich zickzack waren, miissen sich die Cotyledonen ein wenig StJitwii.rts bewegt haben, d. h. sie miissen circumnutirt haben. Der Hypocotyl ist ziemlich dick, ungefii.hr 0,12 Zoll, nichts desto weniger circumnutirte er in einem complicirten Verlaufe, obschon in ge­ ringer Ausdehnung. Die Bewegung eines alten Samlings mit zwei echten, zum Theil schon entwickelten Blii.ttern wurde im Dunkeln beobachtet. Da die Bewegung ungefii.hr 1 00mal vergroszert wurde, ist sie nicht zu­ verlii.ssig und wird nicht mitgetlleilt. Es konnte aber dariiber kein Zweifel bestehen, dasz der Hypocotyl sich nach allen Richtungen wahrend des Tages bowegte, wobei er seinen Lauf 19mal verii.nderte. Die auszerste factische Entfernung von einer Seite zur andern, durch welche der obere

Theil des Hypocotyls im Verlaufe von 14 % Stunden hindurchgieng, be­

trug nur w'lr Zoll, er bewegte sich zuweilen mit der Geschwindigkeit von

Zoll in der Stunde.

Ou urbita ovifera (Cucurbitaceae). - Wiirzelchen: Ein Same, welcher auf feuchtem Sande gekeimt hatte, wurde so befestigt, dasz das unbedeutend gekrilmmte Wiirzelchen, welches nur 0,07 Zoll lang war, fast

 

[page break] Cap. 1. Cucurbita. 31

senkrecht nach oben stand, in welcher Stelluug der Geotropismus zunachst mit geringer Kraft nur wirken kommt. Ein Faden wurde in dAr Nii.he seiner Basis angebracht und stand in ungefii.hr einem Winkel von 456 iiber den Horizont vor. Der allgemeine Gang, welcher wahrend der

11 Stunden der Beobachtung und wii.hrend der folgenden Nacht ein­ gehalten wurde, ist in der beistehenden Zeichnung angegeben (Fig. 26) und

 

 

 

 

 

Fig. 26, Oucurbita ovif<ra; Der von elnem Wiirzelchen belm geotropischen Abwiirtsbiegen zuriick­ i:olegte Weg, an einer horizontalen Glasplatte zwischen 11.25 a. m, und 10.25 p. m. aufgezelchnet; die Richtung wiihrend der Nacht ist durrh die untorbrochene Llnie angedeutet. Bewegung des Larktropfens 14mal vergroszert.

 

war offenbar Folge des Geotropismus; es war aber gleichfalls deutlich, das.z das Wiirzelchen circumnutirte. Am nii.chsten Morgen hatte sich die Spitze so viel nach abwarts gekriimmt, dasz der Faden statt 45° iiber den Horizont vorzuspringen, nahezu horizontal stand. Ein anderer keimender Same wurde mit der Oberseite nach unten gedreht und mit feuchtem Sand bedeckt; ein Faden wurde an das Wiirzelchen so befestigt, dasz er in einem Winkel von ungefahr 506 iiber den Horizont vorsprang; dieses Wiirzelchen war 0,35 Zoll lang und ein wenig gekriimmt. Der ein­ geschlagene Weg wurde wie in dem letzten Falle hauptsachlich durch Geo­ tropismus bestimmt, aber die wahrend 12 Stunden aufgezeichnete und wie vorhin vergroszerte Linie war noch starker im Zickzack, wiederum auf Circumnutation hinweisend.

Vier Wiirzelchen wurdo gestattet, iiber Platten vou berusztom Glas, dio unttir einem Winkel von 70° zum Horizont geneigt ware , unter den namlichen Bedingungen wie bei Aesculus, Phaseolus

und Vicia nach abwarts zu wachsen. Von zwei dieser Ziige werden bier Facsimiles mitgetheilt (Fig. 27); und ein dritter kurzer war beinahe ebenso deutlich schlangenformig wie der bei •A. Die groszere oder geringere Menge von Rusz, welche von den Glasplatten abgefegt worden war, machte es offenbar, dasz die Spitzen abwechselnd mit groszerer oder geringerer

Kraft auf dieselbe aufgedriickt batten. Es musz daher A B

 

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mindestens in zwei an"1einander rechtwinklig stehenden

 

Fig. 27, Oucurbila ovi

f,,.a, Von den Spttzen

 

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Ebenen Bewegung eingetreten SAin. Diese WUrzelchen A_0bnwa !':ce !:niibe!t:

waren so zart, dasz sie nur selten so viel Kraft hatten, ruszte, unter 70° gegen

 

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die Glasplatte ganz rein zn fegen. Eines von ihnen

 

den Horlzont geneigte Giasplatten zuriickgelas

 

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hatte einige seitliche oder secundiire Wurzelfii.dchen sene Spuren. entwickelt, welche einige wenigA Grade unter dem Horizont vorsprangen; und es ist eine bedeutungsvolle Thatsache, dasz drei von ihnen deutlich schlangenformige Ziige auf der beruszten Oberflii.cho zuriicklieszen, was iiber allen Zweifel beweist, dasz sie, wie das Haupt- oder Primar-Wiir­ zelchen auch circumnutirt batten. Aber die Ziigo waren so unbedeutend,

 

[page break] 32 Circumnutation der Siimlinge. Cap. I.

dasz sio nicht nacbgezeichnet und copirt werden konnten, nachdem die beruszte Flii.che mit .l<'irnisz uberzogen war.

Hypo cot y 1. - Ein auf feuchtem Sand liegender Same wurde durch zwei kreuzweis gezogene Drii.hte und durch sein eigenes wachsendes Wur­ zelcben sicber befestigt. Die Cotyledonen waren noch innerhalb der Samen­ htillen eingescblossen, und der kurze Hypocotyl, zwischrn der Spitze des Wiirzelchens und den Cotyledonen, war bis jetzt nur unhedeutend gekriimmt. Ein Glasfaden (0,85 Zoll lang) wurde unter einem Winkel von 35° uber den Horizont an die den Cotyledonen naheliegrnde Seite des Bogens be­ festigt. Dieser Theil stellt schlieszlich das obere. Ende des Hypocotyls dar, nachdem er sich gerade gestreckt hat und vertical aufgewachsen ist. Ware der Same ordentlich gepflanzt worden , so wiirde der Hypocotyl in diesem Wachsthumsstadium tief unter die Oberflache eingegrnben worden sein. Der von dem Lacktropfen des Glasfadeus eingeschlagene Weg ist in Fig. 28 dargestellt. Die hauptsiichlichsten Bewegungslinien von links nach rechts in der Figur waren der Ebene der beiden vereinigten Coty­ ledonen nnd des abgeplatteten Samens parallel; und diese Bewegung wiirde ihr Herauszieben aus den Samenhfillen unterstutzt haben, welche durch eine specielle Structureinrichtung, die spater beschrieben werden soil, nieder­ gehalten werden. Die rechtwinklig auf die obigen Linien eintretende Be­ wegung war Folge davon, dasz der• gebogene Hypocotyl bei der Zunahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Fig. 28. Cucurbita ov,fe,.a: Circuurnutntion des gobogenen Hypocotyls in sebr frilbcm Alter, in Dunkelhcit an einer horizontalen li-lnsplntte von 8 a. m. bis 10.20 a. m. am folgendcn Tnge aufgezeicbnet. Bewegung des Lacktropfcns 20mal vergrOszert, bier auf dio Hiilfto des Masz- stabes des Originals reducirt.

 

Fig. 2°9. r:ucurfJt•ta or{fe1•a: Cin•mniiutation cines gcrade gestrecktcn untl senkred1ten Hypo­ cotyls mit einem qucr nuf scin oberes Ende be­ fostigten i...nden, in Dunkel/wit ,•on 8.aO a. m. bis 8.30 p. m. auf einer horizontalt-n. Glnsplatte aufgezeichnet, Die llewcgnng- des cndstiindigcn Lncktropfens ursprUnglicll lSmal, hier uur 41/2mal

vorgri.iszert.

 

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an Hohe noch mehr gebogen wurde. Die vorstehenden Beobachtungen beziehen sich auf den den Cotyledonen zunachst gelegenen Schenkel des Bogens, aber der andere, dem Wurzelchen anliegende Schenkel circum­ nutirte gleichfalls in einem gleich friihen Alter.

Die Bewegung des namlichen Hypocotyls, nachdem er gerade und

senkrecht geworden war, aber bei nur theilweise entfalteten Cotyledonen, ist in Fig. 29 dargestellt. Der wii.hrend 12 Stunden eingehaltene Lauf

stellt 41/ 2 Ellipsen oder Ovale dar, wobei die lii.ngere Axe der ersten unter nahezu rechtem Winkel zu denen der andern stand. Die lii.ngeren

 

[page break] Cap. 1. Cucurbita. 33

Axen aller standen zu einer die gegenstandigen Cotyledonen verbindendeu Linie schrag. Die factische auszerste Entfernung von einer Seite zur andern, welche der Gipfel des Jangern Hypocotyls im Verlaufe von 12 Stun­ (len durchmessen hatte, war 0,28 Zoll. Die Originalfigur wurde im groszen Maszstabe aufgezeichnet, und wegen der Schragheit der Gesichtslinie sind die auszeren Theile der Zeichnung bedeutend ubertrieben.

Cotyledon en. - Bei zwei Gelegenheiten wurden die Bewegungen der Cotyledonen auf einer senkrechten Glasplatte verzeichnet, und da die aufsteigenden und absteigenden Linien nicht vollstandig zusammenfielen, wurden sehr enge Ellipsen beschrieben, daher circumnutirten dieselben. Solange sie jung sind, steigen sie des Nachts senkrecht in die Hohe, ihre Spitzen bleiben aber immer zurilckgebogen; am folgenden Morgen sinken sie wieder nach abwii.rts. Bei einem in vollstandiger Dunkolheit gehaltenen Sii.mling bewegten sie sich in derselben Weise; denn von 8,45 a. m. bis 4,30 p. m. sanken sie; dann begannen -sie sich zu erheben und blieben bis 10 Uhr p. m. dicht bei einander, um welche Zeit sie zuletzt beob­ achtet wurden. Um 7 Uhr a. m. am folgenden Morgen waren sie so weit entfaltet, wie in irgend einer Stunde des vorhergehenden Tages. Die Cotyledonen eines anderen jungen dem Lichte ausgesetzten Sii.mlings waren vollstii.ndig eroffnet zum ersten Male an einem bestimmten Tage, wurden aber um 7 Uhr a. m. am folgenden Morgen vollstii.ndig geschlossen ge­ funden. Sie begannen bald sich wieder auszubreiten und fuhren damit bis ungefii.hr 5 Uhr p. m. fort; dann fiengen sie wieder an zu steigen und standen um 10,30 p. m. senkrecht und waren beinahe geschlossen. Um 7 Uhr a. m. am dritten Morgen waren sie nahezu senkrecht und entfalteten sich wiederum wii.hrend des Tages; am vierten Morgen waren sie dicht geschlossen, sie offneten sich aber im Verlaufe des Tags ein wenig und stiegen in der folgenden Nacht wieder ein wenig. Um diese Zeit war ein sehr kleines echtes Blatt entwickelt worden. Bei einem andern noch ii.lteren, ein wohl entwickeltes Blatt tragenden Sii.mlinge wurde ein scharfer steifer Faden an einen seiner Cotyledonen (85 mm Jang) befestigt, welcher seine eigenen Bewegungen an einer sich um­ drehenden mit berusztem Papier uberzogenen Trommel niederschrieb. Die Beobachtungen wurden im Warmhause angestellt, wo die Pflanze gelebt hatte, so dasz weder in Temperatur noch Licht eine Verii.nderung eintrat. Die Niederschrift begann um 11 Uhr a. m. am 18. Februar, und von dieser Stunde an bis 3 Uhr p. m. :fiel der Cotyledon; dann erhob er sich rapid bis 9 Uhr p. m., stieg dann sehr allmahlich bis 3 Uhr a. m. am

19. Februar, nach welcher Zeit er allmii.hlich bis 4,30 p. m. sank, aber die Bewegung nach abwii.rts wurde durch eino unbedeutende Erhebung oder Schwankung ungefii.hr um 1,30 p. m. unterbrochen. Nach 4,30 p. m. (19.) stieg der Cotyledon bis 1 Uhr a. m. (in der Nacht zum 20. :E'ebruar) und sank dann sehr allmii.lich bis 9,30 a. m , wo wir unsore Beobach­ tungen schlossen. Der Betrag an Bewegung war am 18. bedeutender als am 19. oder am Morgen des 20.

Cucurbita au1•antia. - Ein bogenformig gekrilmmter Hypocotyl wurde ein wenig unter der Oberflii.che des Bodens eingegraben gefunden, und um seine schnelle Streckung zu verhind.ern, wenn er von dern umgebenden Drucke der Erde befreit wiirde, wurden die zwei Schenkel des Bogens

D. RWIN, Beweg110gsvcrmogcn. (XIII.) 8 •

 

Digitized v

 

[page break] 34 Circumnutation der Siimlinge. Cap. I.

 

zusammengebunden. Dann wurde der Same leitht mit loser feuchter Erde bedeckt. Ein Glasfaden mit einem Lacktropfen am Ende wurde an den basalen Schenkel befestigt, dessen Bewegungeu wahrend zwei(r Tage i11 der gewohnlichen Weise beobachtet wurden. Am erstrn Tage bewegtP sich der Bogen in einer Zickzacklinie nach der Seite des basalen Schenkels hin. Am nii.chsten Tage, in welcher Zeit die herabhiingeuden Cotyledonen iiber die Flii.che der Erde herausgezogen worden waren, veriinderte dt'I' zusammengebundene Bogen neunmal im Verlaufe von 14½ Stunden seineu Lauf bedeutend. Er beschrieb eine grosze, iiuszerst unregelmiiszige, kreis-

formige Figur, wobei er des Nachts nahezu auf denselben Fleck zuriickkam , von dem er zeitig am Morgen ausgrgangen war. Die Linie war so stark zickzackformig, dasz sie dem Anscheine nach fiinf Ellipsen darstellte, deren liingere Axen nach verschiedenen Richtungen hinwiesen. In Bezug auf die periodischen Bewegungen der Cotyledoneu bildeten diejenigen mehrerer jungen Siimlinge um

4 Uhr p. m. zusammen einen Winkel von un­ gefiihr 60° und um 10 Uhr p. m. standen ihre unteren Theile senkrecht und waren in Berfihrung; ihre Spitzen waren indessen, wie es gewiihnlirh bei dieser Gattung der Fall ist, zuruckgebogen. Diese Cotyledonen waren um 7 Uhr a. m. am folgenden Morgen wiederum gut ausgebreitet.

Lagenaria vulgaris (var. Miniaturflaschen­ kfirbis) (Cucurbitaceae). - Ein Siimling offnetP

seine Cotyledonen, deren Bewegungen allein be­ obachtet wurden, unbedeutend am 27. Juni und schlosz sie des Nachts; am nii.chsten Tage, des Mittags (28.), schlossen sie einen Winkel von

50 ein und um 10 Uhr p. m. waren sie in dichter Berfihrung, so dasz jeder von ihnen 26½0

 

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...

103o'p. t.s'••

utfi af!-

Flg. 30. Lagenaria tJUlgaria: Olrcumnntatlon einea 11/2 Zoll Jangen Ootyledonen; die Spitze stand nur 43/, Zoll von der senk­ rechten Glasplatte ab, aur wel­

cher seine Bewegungen von 7,35

a. m., ll, Juli, bis Y.5 a. m., 14., aufgezeichnet wurden. Die bier mitgetheilte Flgur lot auf ein Drlttel des ursprtinglichen Masz-

stabes reducirt.

 

sich erhoben hatte. Am Mittag des 29. schlossen sie einen Winkel von 118° und um 10 Uhr

p. m. einen Winkel von 54° ein, jeder wa1• da­ her 32° gestiegen. Am folgenden Tage waren sie noch weiter geoffnet und die nachtliche Erhebung war bedeutender, die Winkel wurden aber nicht gemessen. Es wurden noch zwei andere Samlinge beobachtet, die sich wii.hrend dreier Tage in einer sehr ahnlichen Weise benahmen. Es offnen sich daher die Cotyledonen an jedem folgenden Tage immer mehr und mehr und erheben sich in jeder Nacht ungefiihr um 30°, in Folge dessen stehen

 

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sie wiihrend der ersten Beriihrung.

 

zwei Nachte ihr " Lebens vertical und kommen in

 

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Um noch genauer die Natur dieser Bewegungen zu ermitteln, wurde der Hypocotyl eines Siimlings, dessen Cotyledonen gut entfaltet waren, an einem kleinen Stab befestigt und ein Faden mit Papierdreiecken an

 

[page break] Cap. 1 Cucnmis. - Opuntia. 35

 

einen der Cotyledonen angebracht. Die Beobar.htungen wurden unter einem ziemlich triiben Oberlichte angestellt und clie Temperatur betrug wahrend der ganzen Zeit zwischen 17 ½-18° C. Ware die Temperatur hoher und das Licht heller gewesen, wiirden die Beweg11ngen wahrscheinlich groszer gewesen sein. Am 11. Juli (s. Fig, 30) sank der Cotyledon von 7,35 a. m. bis 10 Uhr a. m.; dann erl10b er Rich (nach 4 Uhr p. m. rapid), bis er um 8,40 p. m. vollstandig senkrecht stand. Wahrend des friihen Morgens des nachsten Tages (12.) sank er und fubr bis 8 Uhr a. m. fort zu sinken, nach welcher Stunde er sich wieder erhob, dann sank und sich wieder erhob, so dasz er um 10,35 p. m. viel Mher stand, als er am Morgen gestanden hatte, war aber nicht senkrecht wie in der vorher­ gehenden Nacbt. Wahrend des_ folgenden zeitigen Morgens und des ganzen Tages (13.) sank und circumnutirte er, war aber, als er spat am Abend noch beobachtet wurde, nicht gestiegen; und dies war wahrscheinlich Folge des Mangels von Warme oder Licht oder von- beidem. Wir sehen hieraus, dasz die Cotyledonen um Mittag an jedem folgenden Tage immer weiter geMl'net wurden, und dasz sie jede Nacht betriichtlich stiegen, obschon sie mit Ausnahme der ersten zwei Nachte keine senkrechte Stellung erreichten.

Cucumis dudaim (Cucurbitaceae). - Zwei Siimlinge batten ihre Cotyledonen znm ersten Male wiihrend des Tages geofinet, - einer bis zu 90° und der andere eher noch weiter. Sie blieben nahezu in derselben Stellung bis um 10,40 p. m.; aber um 7 Uhr a. m. am folgenden Tage waren die Cotyledonen des einen, welche vorher bis zu 90° ofien gewesen waren, senkrecht und vollstiindig geschlossen, und die Cotyledonen des andern Siimlings waren nahezu geschlossen. Spiiter am Morgen offneten sie sich in der gewohnlichen Weise. Es geht daher hieraus hervor, dasz die Cotyledonen dieser Pflanze sich in etwas verschiedenen Perioden von denen der vorhergehenden Species der verwandten Gattungen Cucurbita nd Lagenaria ofinen und schlieszen.

Opuntia basilaris (Cacteae).

- Ein Siimling wurde deshalb sorg­ fii.ltig beobachtet, weil es in Anbe­ tracht seiner iiuszeren Erscheinung und der Natur der reifen Pflanze sehr unwahrscheinlich schien, dasz entwe­ der der Hypocotyl odor die Cotyle­ donen in einer merkbaren Ausdeh­ nung circumnutirten. Die Cotyledonen waren gut entwickelt, 0,9 Zoll lang,

 

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0,22 breit und 0,15 dick. Der bei­ nahe cylindrische Hypocotyl, der jetzt eine minutiose dornartige Knospe an seinem Gipfel trug, war nur 0,45 Zoll hoch und 0,19 im Durchmesser. Die Zeichnung (Fig. 31) zeigt die com­ binirte Bewegung des Hypocotyls und

 

J.i'ig. 31. Opuntt'a ba$ilaris: Vcreinigto Circum­ nuto.tion doj Hypocotyls und Cotyltldous; der Glasfaden war litngsweiso auf dem Cotyledon bo­ festigt und die Bewogung wurde 66 :--tundon an einer horizontalen Gta plattc verzckhnot. B<>­ wegung des terminalon Lacktropfeus ungcfiihr 30mat vergrOszert, bier auf cin Drittel des Maszstabs reducirt. Der Silmling ,vurdo im Warmhause gehulten und schwach vou oben 1Jr- leuchtct.

 

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eines der Cotyledonen von 4,45 p. m. am 28. Mai bis 11 Uhr a. m. am

31. Am 29. wurde eine nahezu vollkommene Ellip8e vollendet. Am 30.

3*

 

[page break] 36 Circumnutation der Sii.mlinge. Cap. L

bewegte sich der Hypocotyl aus irgend einer Ursache in derselben all­ gemeinen Richtung zickzackformig; aber zwischen 4,30 und 10 Uhr p. m. vollendete er beinahe eine zweite kleine Ellipse. Die Cotyledonen be­ wegten sich nur wenig auf und nieder: so standen sie um 10,15 p. m. nur 10° hoher als um Mittag. Der Hauptsitz der Bewegung liegt daher, wenigstens wenn die Cotyledonen ziemlich alt sind, wie in dem vorliegen­ den Falle im Hypocotyl. Die am 29. beschriebene Ellipse hatte ihre lii.ngere Axe nahezu rechtwinklig auf eine Linie gestellt, welche die beiden Cotyledonen verband. Der factische Betrag an Bewegung des Lacktropfens am Ende des Glasfadens war, so weit ermittelt werden konnte, ungefii.hr 0,14 Zoll.

Helianthus annuus (Compositae). - Der obere Theil des Hypo­ cotyls bewegte sich wahrend der Tagzeit iri der in der beistehenden Pigur dargestellten Weise (Fig. 32). Da die Linie nach verschiedenen Rich­

tungen hingeht und sich mehrere Male selbst kreuzt, so kann die Be­ wegung als eine Circumnutationsbewe­ gung betrachtet werden. Die auszerste factische Entfernung, welche durch­ laufen wurde, betrug mindestens 0,1 Zoll. Es wurden die Bewegungen der Cotyledonen zweier Samlinge be­ obachtet. Der eine stand einem Nordostfenster gegeniiber und der

 

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Fig. 82. Helianthtu annuu,: Circumnutation des Hypocotyls, mit quer an soinom Glpfel an­ gebrachtem :Faden, an einer horizontalen Glas­ scheibe irn Dunkeln aufgezoichnet, von R.45 a. m. bis 10.45 p. m. und eine Stunde lang am fol genden Morgen. l3ewegung des Lacktropfens 2lmal vergroszert, hier auf die Hiilfte de, Masz- stabs des Originals reducirt.

 

andere war so schwach von oben

beleuchtet, dasz er beinahe im Dun­ keln war. Sie fuhren bis ungefahr um Mittag zu sinken fort, um welche Zeit sie sich zu erheben begannen; aber zwischen 5 und 7 oder 8 Uhr

 

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p. m. sanken sie entweder ein wenig oder bewegten sich nach der Seite und fiengen dann wiederum an sich zu erheben. Um 7 Uhr a. m. am folgenden Morgen batten sich diejenigen der vor dem Nordostfenster stehenden Pflanzen so wenig geoffnet, dasz sie unter einem Winkel von 73° iiber dem Horizont standen, und wurden nicht lii.nger beobachtet; die an dem Samlinge, welcher in beinahe vollstandiger Dunkelhe.it gehalten worden war, sanken wahrend des ganzen Tages ohne um die Mittagszeit sich zu erheben, erhoben sich aber wahrend der Nacht. Am dritten und vierten Tage fuhren sie zu sinken fort, ohne irgend eine dazwischen tre­ tende aufsteigende Bewegung, und dies war ohne Zweifel Folge des Mangels an Licht.

Primula sinensis (Primulaceae). - Ein Samling wurde mit den

beiden Cotyledonen parallel einem Nordostfenster an einem Tage gestellt, als das Licht nahezu gleichformig war, und an einem derselben wurde ein Glasfaden befestigt. Nach spii.ter an einem anderen Samlinge, dessen Stamm an einen Stab befestigt war, angestellten Beobachtungeu musz der groszere Theil der in der b igegebenen Figur (Fig. 33) dargestellten Be­ wegung die des Hypocotyls gewesen sein, obschon sich die Cotyledonen bestimmt bis zu einer gewissen Ausdehnung sowohl wahrend des Tages

 

[page break] Cap. 1. Cyclamen. - Stapelia. 37

als der Nacht anf und nieder bewegten. Die Bewegungen des na.mlichen Sa.mlings wurden mit nahezu demselben Resultat am anderen Tage

.-•••••••• > ---------------------:4.

•••-

 

 

'ig. 33. Primula ainenaia: Verelnlgte Circumnutation rles H pocotyls und Cotyledons, an oinor senkrechten Glasschoibe, von 8.40 a. m. bis 10.45 p. m. aufgezeichnet- Bewegung des Lacktropfens ungefiihr 26mal vergroszert.

 

beobachtet, und hier kann iiber die Circumnutation des Hypocotyls kein Zweifel bestehen.

Cyclamen persicum (Primulaceae). - Es wird allgemein ange­ oommen, dasz diese Pflanze nur einen einzigen Cotyledon hervorbringt. Dr. H. GRESSNER 2 hat aber gezeigt, dasz nach einem langen Zeitintervall ein zweiter entwickelt wird. Der Hypocotyl wird in einen kugligen Stammestheil verwandelt, selbst ehe der erste Cotyledon mit seiner dicht zusammengefalteten Scheibe und mit seinem in der Form eines Bogens gekriimmten Stengel, ahnlich dem gekriimmtcn Hypocotyl oder Epicotyl irgend einer gewohnlichen dicotyledonen Pflanze, die Erde durchbrochen hat. Ein Glasfaden wurde an einen 0,55 Zoll hohen Cotyledon befestigt, dessen Stiel sich gerade gestreckt hatte und nahezu senkrecht stand, dessen Scheibe aber noch nicht vollstandig entfaltet war. Seine Bewegungen wurden wahrend 24½ Stunden an einer horizontalen Glasscheibe 50mal vergroszert aufgezeichnet, und in diesem Zeitabschnitte beschrieb er zwei unregelmii.szige kleine Kreise; er circumnutirte also, obschon in einem li.uszerst kleinen Maszstabe.

Stapelia sarp edon (Asclepiadeae). - Wenn diese Pflanze reif ist, ist sie einem Cactus ahnlich. Der abgeplattete Hypocotyl ist fleischig, im oberen Theile verdickt und tragt zwei rudimentare Cotyledonen. Er durchbricht die Erde in einer gebogenen Form mit den rudimentaren

 

 

 

 

 

Fig. 34. Stapelia aarpedon: Circumnutntion des Hypocotyls, von obon beleuchtet, an einer hori zontalen Glasplatto von 6.45 a. m., 26. Juni, bis 8.45 a. m., 28., aufgezelchnet, Temperatur 23-24° C. Bcwegung des J.acktropfens 2lmal vergroszort.

 

Cotyledonen geschlossen oder in Ileriihrung. Ein Glasfaden wurde bei­ nahe senkrecht an den Hypocotyl eines einen halben Zoll hohen Samlings befestigt; und seine Bewegungen wnrden wahrend 50 Stunden an einer horizontalen Glasplatte verzeichnet (Fig. 34). Ans irgend einer unbekannten Ursache beugte er sich nach einer Seite, und da dies in einem Zickzack­ verlaufe geschah, circumnutirte er wahrscheinlich; aber bei kaum irgend

 

1 Botan. Zeitung, 1874. p. 837.

 

[page break] 38 Circumuutation der Samlinge. Cap. 1.

einem anderen von uns beobachteten Samlinge stellte sich diese Bewegung so undeutlich dar.

Ipomoea coerulea oder Pharbitis nil (Convolvulaceae). - Es wurden Samlinge dieser Pflanze beobachtet, weil dieselbe eine windende

Pflanze ist, deren obere Internodien a11gen• fallig circumnutiren. Wie aber bei anderen windenden Pflanzen sind die ersten wenigen Internodien, welche sich iiber den Grund er­ heben, steif genug sich zu tragen uml circumnutiren daher nieht in irgend einer deut­ lich erkennbaren Weise8 In diesem beson deren Falle war das fiinfte Internodium (mit Einschlusz des Hypocotyls) das erste, welches deutlich circumnutirte und sich um einen Stab wand. Wir wiinschteu daher zu er• fahren, ob Circumnutation am Hypocotyl beobachtet warden konnte, wenn er in un• sorer gewohnliehen Art und Weise sorg• ialtig beobacl1tet wiirde. Zwei Sii.mlinge wur­ den im Dunkeln beobachtet, bei denen Glas­ iaden an den oberen Theil ihrer Hypoeotylo befestigt waren. Aber in Folge von Um­ standen, die nicht einer Anseinandersetzung werth sind , wurden ihre Bewegungen nur eine kurze Zeit hindurch verfolgt. Der eine bewegte sich im Laufe von 3 Stunden 15 Mi­ nuten dreimal vorwii.rts und zweimal riick• warts in einander nahezu entgegengesetzten Richtungen, der andere in 2 Stunden 22 Mi nuten zweimal vorwii.rts und zweimal riick­ warts. Der Hypocotyl circumnutirte daher in einer merkwiirdig rapiden Geschwindigkeit. Es mag noch hinzugefilgt werden , dasz ein Faden quer an den Gipfel des zweiten Inter• nodiums oberhalb der Cotyledonen einer kleinen 3f/2 Zoll hohen Pflanze befestigt wurde, und seine Bewegungen auf einer horizontalen Glasplatte verfolgt wurden. Er

 

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Fig. 35. Ipomoea co,rul,a: Circunmu

tation des Cotyledon an elner verticalen Glasscbelbe verzeichnet, von 6.10 a. m.,

21. Junl, bis 6.45 a. m., 22. Junl. Der Cotyledon mlt Stiel 1,6 Zoll lang, Spitze oeiner Scheibe 4,1 Zoll vom senkrecb­ ten Glue entrernt, die Bewegung daher nlcbt bedentend vergro,zert. Tempe-

ratur 200 O.

 

circumnutirte und die factische, von ihm von der einen Seite zur andern zuriickgelegte Distanz betrug einen Viertelzoll, was ein zu kleiner Betrag war, um ohne die Hilfe von Zeichen bemerkt zu warden.

Die Bewegungen der Cotyledonen sind

 

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wegen ihrer Complexitat und Schnelligkeit und in einigen anderen Be­ ziehungen interessant. Der (2 Zoll hohe) Hypocotyl eines kraftigen Sam­ lings wurde an einen Stab befestigt und ein Glasfaden mit Papierdreiecken

 

s Ch. Darwin, Beweg. u. Lebensweise d. kletternden Pflanzen. Ubersetz. p. 26.

 

[page break] Cap. 1. Cerinthe. 39

an den einen der Cotyledonen angebracht. Die Pflanze wurde den ganzcn Tag im Warmhause gehalten, und um 4,20 p. m. (20. Juni) im Hause unter ein Oberlicht gebracht und gelegentlich wiihrend des Abends und der Nacht beobachtet. Der Hypocotyl sank in einer unbedeutenden Zick­ zacklinie in einer miiszigen Ausdehnung von 4,20 p. m. bis um 10,15 p. m. Als kurz nach Mitternacht (12,30 a. m.) nach ihm gesehen wurde, hatte er sich ein wenig erhoben und um 3,45 a. m. betriichtlich. Als um 6,10

a. m. am 21. wieder nach ihm gesehen wurde, war er betriichtlich ge­ fallen. Es wurde nun eine neue Zeichnung begonnen (s. Fig. 35), und bald darauf, um 6,42 a. m. batte sich der Cotyledon ein wenig erboben. Wiihrend des Vormittags wurde er ungefiihr alle Stunden eimnal beobachtet, aber zwischen 12,30 und 6 Uhr p. m. jede halbe Stunde. Wenn die Be­ obachtungen wahrend des ganzen Tags in diesen knrzfn Zwischenriiumen angestellt worden waren, wiirde die Figur zu verwickelt geworden sein, um copirt werden zu klinnen. Wie sie sich darstellte, bewegte sich der Cotyledon im Laufe von 16 Stunden 20 Minuten (d. h. zwischen 6,10

a. m. und 10,30 p. m.) l 3mal auf und nieder.

Die Cotyledonen dieses Siimlings sanken wiihrend beider Abende und des ersten Theils der Nacht nach abwarts, stiegen aber wiihrend des spa­ teren 'fheils der. Nacht wieder empor. Da dies eine ungewlihnliche Be­ wegung ist, wurden die Cotyledonen zwlilf anderer Siimlinge beobachtet; sie standen um Mittag beinahe oder vollstiindig horizontal und waren um 10 Ubr p. m. siimmtlich nach verschiedenen Winkeln geneigt. Der gewlihn­ lichste Winkel betrug zwischen 30 und 35°, aber drei standen unter un gefahr 50 ° und einer selbst unter einem Winkel von 70° unter dem Ho­ rizont. Die Blattscheiben aller dieser Cotyledonen hatten beinahe ihre

vollstiindige Grlisze erreicht, namlich von 1-1 ½ Zoll Lange der Mittel­

rippe entlang gemessen. Es ist eine merkwil.rdige Thatsache, dasz so lange sie jung sind - d. h. wenn sie weniger als i/2 Zoll lang sind in derselben Weise gemessen - , sie am Abend nicht nacb abwiirts sinken.

Es kam daher wahrscheinlich ihr Gewicht, welches, wenn sie beinahe voll­ stiindig entwickelt sind, betriichtlich ist, bei der urspriinglichen Anregung zu der nach abwiirts gerichteten Bewegung mit ins Spiel. Die Periodicitat dieser Bewegung wird durch den . Grad der Beleuchtung, welcher die Samlinge wahrend Iles Tages ausgesetzt sind, bedeutend beeinfluszt; denn drei an einem dunklen Orte gebaltene fiengen ungefahr um Mittag an• zu sinken, anstatt erst spat am Abend; und diejenigen eines anderen Sam­ lings waren beinahe geliihmt, weil sie wiihrend zweier ganzen Tage in iihnlicber Weise gehalten worden waren. Die Cotyledonen mehrerer anderer Species von Ipomoea sinken gleicbfalls spat am Abend nach abwarts. Oerinthe major (Boragineae). - Die Circumnutation des Hypo­ cotyls eines jungen Samlings mit kaum entfalteten Cotyledonen ist in der bcistehenden Figur (Fig. 36) dargestellt, welche allem Anscheine nach vier oder fiinf unregelmiiszige, im Verlaufe von wenig iiber 12 Stunden beschriebene Ellipsen zeigt. • Zwei iiltere Samlinge wurden in ahnlicher Weise beobacht.et, ausgenommen, dasz einer von ihnen im Dunkeln ge­ halten wurde; ihre Hypocotyle circumnutiren gleichfalls, aber in einer einfacheren Weise. Die Cotyledonen eines dem Lichte ausgesetzten Siim­ lings sanklln vom zeitigen Morgen bis ein wenig nach Mittag und fuhren

 

[page break] 40 Circumnutation der Samlinge. Cap. I.

dann fort bis um 10,30 p. m. oder noch spitter sich zu erheben. Die Cotyle­ donen dieses namlichen Samlings benahmen sich in derselben all­ gemeinen Art wahrentl der zwei folgenden Tage. Es waren vorher mit ihm im Dunkeln Versuche angestellt worden und nachdem er nur 1 Stunde

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 36, Otrint1', major: Circumnntat.ion des Hypocotyls, mlt einom quer am Gipfel befestigten

Glasstab, von oben beleuchtet, an einer horizontalen Glasplatto verzoichnet, von 9.26 a. m. bi::4

9.53 p. m., am 25. Oct. llewegung _des Lacktropfcns 80mal vergroszert, bier auf eln Drittel dos

ursprlinglichen Maszstabs reducirt.

 

40 Minuten so gehalten worden war, fiengen die Cotyledonen um 4,30 p. m. zu sinken an, anstatt bis spat am Abend mit dem Steigen fortzufahren. Nolana prostrata (Nolaneae). - Die Bewegungen wurden nicht aufgezeichnet. Es wurde aber ein Topf mit Samlingen, welcher 1 Stunde lang im Dunkeln gehalten worden war, unter das Microscop gebracht, wobei das Micrometerocular so eingestellt wurde, dasz jeder Theilstrich

nir Zoll gleich kam. Die Spitze eines der Cotyledonen durchkreuzte etwas

schrag in 13 Minuten vier Theilstriche, auch sank er, was dadurch er­ wiesen wurde, dasz er aus dem Gesichtsfelde heraustrat. Die Samlinge wurden wieder eine zweite Stunde in Dunkelheit gebracht, und nun durch­ kreuzte die Spitze zwei Theilstriche in 6 Minuten 18 Sekunden, d. h. bei­ nahe in genau derselben Schnelligkeit wie vorher. Nach einer andern Stunde, in welcber der Samling wieder in Dunkelheit gehalten wurde, kreuzte die Spitze zwei Theilstriche in 4 Minuten 15 Sekunden, daher mit einer groszeren Geschwindigkeit. Nach eincm lii.ngeren Aufenthalte im Dunkeln am Nachmittag war die Spitze bewegungslos, fieng aber nach einiger Zeit, wenn auch langsam, sich wieder zu bewege.n an; vielleicht war das Zimmer zu kalt. Nach friiheren Fallen zu urtheilen laszt sich kaum daran zweifeln, dasz dieser Samling circumnutirte.

Solanum lycopersicum (Solaneae). - Die Bewegungen des Hypo­ cotyls zweier Tomatensii.mlinge warden wii.hrend sieben Stunden beobachtet, und es liesz sich nicht zweifeln, dasz beide circumnutirten. Sie wurden von oben beobachtet, aber durch einen Zufall fi.el ein wenig Licht von der einen Seite ein und in der beistehenden Figur (Fig. 37) lii.szt sich erkennen, dasz der Hypocotyl sich uach dieser Seite (der oberen in der Figur) bewegte, indem er kleine Schlingen und Zickzacke in seinem Ver­ laufe beschrieb. Die Bewegungen der Cotyledonen wurden gleichfalls sowohl an verticalen als horizontalen Glasplatten verzeichnet, auch wurden ihre Winkel gegen den Horizont zu verschiedenen Stunden gemessen. Sie fielen von 8,30 a. m. (17. Oct.) bis ungefii.hr um Mittag, bewegten sich dann in einer Zickzacklinie nach der Seite und fiengen ungefahr um 4 Uhr p. m.

 

 

Digitized b;

 

[page break] Cap. 1. Solanum. 41

wieder an zu steigen; sie fuhren hierin bis 10,30 p. m. fort, zu welcher Zeit sie vertical standen und schliefen. Um welche Stunde der Nacht

-0der des ze.itigen Morgens sie zu fallen begannen, wurde nicht ermittelt. Infolge der seitlichen Bewegung kurz nach Mittag fielen die auf- und

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 37. Solanum lyeoperat'cum: Circnmnutn.tion des Hypocotyls mit eincm quer an seinem Glpfel befestigton Glasfadeu, an einer horizontalen Glasplatte von 10 a. m. bis 5 p. m., 24. Oct., ver zeichnet. Schriig von oben llclenchtot. Bowegung des Lacktropfens ungefiihr 35mal vergrOszert, hier anf ciu Drittel rlos Mn:,11.stabs dos Originals redncirt.

 

absteigenden Linien nicht zusammen, und es wurden wii.hrend jeder 24 Stun­ den unregelmii.szige Ellipsen beschrieben. Die regelmii.szige Periodicitii.t wird, wie wir spitter sehen werden, gestort, wenn die Samlinge im Dunkeln gehalten warden.

Solanum palin acantltum. - Mehrere gebogene Hypocotyle, welche beinahe 0,2 Zoll iiber dem Boden vorstanden, aber deren Cotyledonen noch unter der Oberflache begraben waren, wurden beobachtet, und die Aufzeichnungen bewiesen, dasz sie circumnutirten. Uberdies waren in mehreren Fallen kleine, offene, kreisformige Flecken oder Spalten in dem thonigen Sande, welche die gebogenen Hypocotyle umgeben, sichtbar, und diese scheinen dadurch hervorgebracht worden zu sein, dasz die Hypo­ cotyle sich zuArst nach der einen und dann nach dAr andern Seite bogen, als sie aufwarts wuchsen. In zwei Fallen wurde beobachtet, da.sz die

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 38. Bolanwn palinacanthum: Circumuutation eines gebogenen eben aus dem Boden vortreten­ den Hypocot.yls, dcssen zwei Schenkel znsnmmengcbunden waren, im Dunkeln an elner horizontalen Glasplatte, ,on 9.20 a. m., 17. Dec., bis 8.30 a. m., nm 19., verzeichnet. Bewegung des Lar.k­ tropfens 13mal vergr(iszert; dcr Olasfaden, wolcher schriig an den Scheitel des Bogens befesti1:t

,var, war aber von ungowOhnticher Liinge.

 

verticalen Bogen sich bis zu einer betrachtlichen Entfernurig rilckwii.rts von dem Punkte aus b(lwegten , wo die Cotyledonen eingegraben lagen; diese Bewegung, welche in einigen anderen Fallen bemerkt wurde und

 

[page break] 42 Circumnutation der Siimlinge. Cap. 1.

 

welche das Herausziehen der Cotyledonen aus den eingegrabenen Samen­ htillen zu unterstiitzen scheint, ist Folge der beginnenden Streckung des Hypocotyls. Um diese letztere ,Bewegung zu verhindern, wurden die beiden Schenkel eines Bogens, dessen Gipfel in einem Niveau mit der Oberflii.che des Bodens lag, zusammengebunden; die Erde war vorher bis eine geringe Tiefe ringsum entfernt worden. Die Bewegung des Bogens unter diesen unnatilrlichen Bedingungen wii.hrend 4 7 Stunden ist in der umstehenden Figur (Fig. 38) dargestellt.

Die Cotyledonen einiger Sii.mlinge im Warmhause waren ungefii.hr um Mittag am 13. December horizontal; um 10 Uhr p. m. waren sie bis zu einom Winkel von 27° iiber den Horizont gestiegen; um 7 Uhr a. m. am folgenden Morgen, ehe es hell war, waren sie bis zu 59° iiber den Horizont gestiegen und am Nachmittage desselben Tages wurden sie wieder horizontal gefunden.

 

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}'ig. 39. Beta t1ulgaris: Circum­ nutation des Hypocotyls, mit einem schriig am Gipfel befestlg­ tcn Gla aden, an elnor horizon­ talen Glasplatte im Dunkcln, von 8.25 a. m. bis 5.30 p. m., 4. Nov., verzeichnet. Beregung des Lack­ tropfeus 23mal vergrOszert, hier auf ein Drittel des Maszsta bs des

Originals reducirt. .

 

Beta vulgaris (Chenopodeae). - Die Sam­

linge sind gegen das Licht auszerst empfindlich, so dasz sie, obschon sio am ersten Tage nur wli.hrend zwei oder drei Minuten bei jeder Beobachtung unbedeckt blieben, sich sli.mmtli& beharrlich nach der Seite des Zimmers hin bewegten, von wo das Licht herkam, und die Aufzeichnungen be­ standen nur aus unbedeutenden Zickzacklinien, die nach dem Lichte hingerichtet sind. Am nli.chsten 'fage wurden die Pflanzen in ein voll­ stli.ndig dunkles Zimmer gobracht und wurden bei jeder Beobachtung so viel als moglich senkrecht von oben her mit einem kleinen Wachszi.'mder be­ leuchtet. Die beistehende Figur (Fig. 39) zeigt die Bewegung des Hypocotyls wii.hrend 9 Stun­ den unte1• diesen Umstanden. Ein zweiter Sam­ ling wurde zu derselben Zeit in ii.hnlicher Weise beobachtet, und die Aufzeichnung hatte den­ selben eigenthiimliclien Character infolge davon, dasz der Hypocotyl sich baufig in nahezu paral­

 

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lelen Linien bewegte und wieder zuriickkehrte. Die Bewegung eines dritten Hypocotyls wich bedeutend hievon ab.

Wir gaben uns Miihe die Bewegungen der Cotyledonen zu verfolgen, und zu diesem Zwecke wurden einige Samlinge im Dunkeln gebalten; sie bewegten sich aber in einer abnormen Weise; sie stiegen bestli.ndig von 8,45 a. m. bis 2 Uhr p. m., bewegten sich dann nach der Seite und sanken dann von 3-6 Uhr p. in., wahrend Cotyledonen, welche den ganzen Tag dem Lichte ausgesetzt worden waren, am Abend sich so er­ hoben, dasz sie zur Nacht senkrecht stehen. Doch gilt diese • Angabe nur filr junge Samlinge. An sechs Samlingen im Gewacbshause waren z. B. die Cotyledonen zum erstem lfale am Morgen des 15. November zum Theil geoffn t, und um 8,45 p. m. waren sie sli.mmtlich vollstli.ndig ge­ schlossen, so dasz man eigentlich hli.tte sagen konnen, sie schliefen. Ferner waren am Morgen des 27. November die Cotyledonen vier anderer Sii.m­ linge, welche mit einem Kragen von braunem Papier umgeben waren, so

 

[page break] Cap. I. Ricinus. - Quercus. 43

dasz sie das Licht nur von oben erhielten, bis zu 39° geoffnet; um 10 Uhr

p. m. waren sie vollstiindig gescblossen; am niichsten Morgen (27. No­ vember) um 6,45 a, m., wiihrend es noch dunkel war, waren zwei von ihnen theilweise geoffnet, und alle l}ffneten sich im Laufe des Morgens; aber um 10,20 p. m. waren alle vier (neun anderer nicht zu gedenken, welche am Morgen, und sechs anderer, welche bei einer andern Gelegen­ heit geoffnet waren) wiederum vollstandig geschlossen. Am Morgen des

29. waren sie offen, aber des Nachts waren nur die von einem unter den vieren geschlossen; bei den drei andern waren die Cotyledonen viel mehr gestiegen. In der Nacht des 30. batten sich die Cotyledonen nur unbe­ deutend erhoben.

Ricinus bo1•boniensis (Euphorbiaceae). - Es wurden unter dem vorstehenden Namen Samen gekauft, wahrscheinlich eine Varietat der ge­ meinen Ricinuspflanze. Sobald ein gebogener Hypocotyl sich rein iiber dem Boden erhoben hatte, wurde ein Glasfaden an den oberen, die Coty­ ledonen tragenden Schenkel, welche noch immer unter die Oberflache ein­ gegraben waren, befestigt, und die Bewegung des Lacktropfens wurde an einer horizontalen Glasplatte wiihrend einer Periode von 34 Stunden be­ obachtet. Die aufgezeichneten Linien waren stark zickzackartig, und da der Tropfen zweimal nahezu parallel zu seinem ersten Verlaufe in zwei verschiedenen Richtungen zuriickkehrte, liiszt sich daran nicht zweifeln, dasz der gebogene Hypocotyl circumnutirte. Bei dem Schlusse der 34 Stun­ den fieng der obere Theil an sich zu erheben und zu strecken und zog die Cotyledonen aus dem Boden empor, so dasz die Bewegungen des Lack­ tropfens nicht ]anger an der Glasplatte beobachtet. werden konnten.

Quercus (Americanische Species). (Cupuliferae). - Eicheln einer americanischen Eiche, welche in Kew gekeimt liatten, wurden im Gewiichs-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 40. Qudrcu., (Americanische Sp.): Circumnutatlon eines jungen Stammes, an einor horizontalen Gl platt.e von 12.50 p. m., 22. Febr., bis 12.60 p. m., am 24., aufgezelchnet. Bowe ung dos Lack­ tropfeno zuerst bedeutond, gegen das Ende der lleobachtung nur unbodoutend, im .Mitlel ungofiihr

!Oma! vergroszert.

 

[page break] 44 Circnmnutation der Siimlinge. Cap. 1.

hause in einen 'fopf gepflanzt. Diese Umpflanzung unterbrach ihr Wachs­ thum; aber nach einiger Zeit wuchs die eine bis zur Hohe von 5 Zoll, bis zu den Spitzen der kleinen zum Theil nicht entfalteten Blatter am Gipfel gemessen, und sah nun ganz kraftig aus. Sie bestand aus se!hs s11hr dfinnen Internodien von ungleicher Lange. In Anbetracht dieser Umstande und der Natur der Pflanze erwarteton wir kaum, dasz sie circumnutiren wilrde, aber die umstehende Figur (Fig. 40) zeigt, dasz sie dies in einer augenfalligen Weise that, i;ie veranderte ihren Lauf wii.hrend der 48 Be­ obachtungsstunden vielmals und gieng nach alien Richtungen hin. Die Figur scheint filnf oder sechs unregelmaszige Ovale oder Ellipsen darzu­ stellen. Der factische Betrag an Bewegung von einer Seite zur andern (mit Ausschlusz einer groszen Biegung nach links hin) war ungefii.hr 0,2 Zoll; dies war jedoch schwer abzuschatzen. da infolge des rapiden Wachsthums des Stammes der angeheftete Glasfaden beim Schlusse der Be­ obachtung viel weiter von dem Zeichen unterhalb entfernt war, als er am Anfange derselben gestanden hatte. Es verdient Beachtung, dasz der Topf in einem nach Nordost gelegenen Zimmer innerhalb einer tiefen Kiste stand, deren Deckel anfangs nicht bedeckt war, so dasz die Seite ihres Innern, welche nach dem Fenster hinsah, etwas mehr bel1mchtet wurde, als die gegenilberliegende Seite; und wahrend des ersten Morgens bewegte sich der Stamm eine groszere Strecke weit in dieser Richtung hin (nach links in der Figur), als er spater that, wo die Kiste vollstfmdig gegen das Licht geschfitzt wurde.

Quercus robitr. - Es wurden Beobachtungen angestellt ilber die Bewegungen der Wilrzelchen an keimenden Eicheln, denen gestattet wurde in der friiher beschriebenen Weise nach abwarts ilber Platten Yon berusztem Glas zu wachsen, die unter Winkeln von zwischen 65° und 69°

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A B C

}'lg. 4]. Qut1•cus roliur: Auf gencigton borusztcn Glasplnttcn von den Spitzen abwiirts wnchsender

,viirzelchon zuriickgelMseno Spuren oder Ziige. Die Pint.ton A und C warou zu 050, die Platte D zu 680 gegen don Horizont g-encigt.

 

zum Horizonte geneigt waren. In vier Fallen waren die hinterlassenen ' Spuren beinahe gerade, die Spitzen hatten aber zuweilen mit groszerer und zuweilen mit geringerer Kraft gegen das Glas gedrilckt, wie es durch die wechselnde Dicke der Ziige und durch die kleinen, zwischen ibnen zurilckgelassenen Brficken von Rusz dargestellt wird. Im filnften Falle war die Spur in unbedeutendem Grade schlangenformig, d. b. die Spitze

 

[page break] Cap. 1. Corylus. 45

 

hatte sich ein wenig von der einen zur andern Seite bewegt. Im sechsten Falle (Fig. 41 A) war sie deutlich schlangenformig, und die Spitze hatte wii.hrend ihres ganzen Verlaufs beinahe gleichformig auf das Glas gedriickt

. Im siebenten Falle (B) hatte sich die Spitze sowohl seitlich bewegt, als auch abwechselnd mit ungleicher Kraft auf das Glas gedrii.ckt, so dasz sie sich ein wenig in zwei rechtwinklig aufeinander stehenden Ebenen bewegt hatte. Im achten und letzten Falle (C) hatte sie sich sehr wenig seitlich bewegt, hatte aber abwechselnd die Glasscheibe verlassen und war dann wieder mit ihr in Beriihrung gekommen. Es kann dariiber kein Zweifel bestehen, dasz in den letzten vier Fallen das Wiirzelchen der Eiche wii.hrend seines Abwii.rtswachsthums circumnutirte.

Corylus avellana (Corylaceae). - Der Epicotyl bricht in einer gekriimmten Form durch die Erde; in dem Exemplar aber, welches zuerst untersucht wurde, war die Spitze abgestorben, und der Epicotyl wuchs eine Strecke lang in einer gewundenen, beinahe horizontalen Richtung wie eine Wurzel durch den Boden. Infolge dieser Verletzung hatte er in der Nii.he der unterirdischen Cotyledonen zwei secundii.re Schoszlinge getrieben, und es war merkwiirdig, dasz diese beiden gebogen waren gleich dem normalen Epicotyl in gewohnlichen Fallen. Der Boden wurde rings um einen dieser gekriimmten secundii.ren Schoszlinge entfernt und ein Glas­ faden an den basalen Schenkel befestigt. Das Ganze wurde unter einem Metallkasten mit einer Glasdecke feucht gehalten und in dieser Weise Iiur von oben beleuchtet. Augenscheinlich infolge davon, dasz der seitliche Druck der Erde entfernt war, fieng der terminale und niedergebogene Theil des Schoszlings auf einmal an sich nach oben zu bewegen, so dasz er nach 24 Stunden mit dem unteren Theile einen

rechten Winkel bildete. Auch dieser untere 'fheil,

an welchem der Glasfaden befestigt war, streckte sich und bewegte sich ein wenig riickwii.rts von dem oberen Theile ab. Infolge dessen wurde auf der horizontalen Glasplatte eine lii.ngere Linie aufgezeichnet, und diese war zum Theil gerade, zum Theil entschieden zickzackformig und dadurch Circumnutation anzeigend.

Am folgenden Tage wurde der andere secun­ dii.re Schoszling beobachtet; er war ein wenig weiter im Wachsthum vorgeschritten, denn der

 

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obere Theil stand, anstatt senkrecht nach abwarts zu hii.ngen, unter einem Winkel von 45° iiber dem Horizont. Die Spitze des Schoszlings sprang schrii.g 0,4 Zoll iiber den Boden vor, aber am Schlusse uuserer Beobachtungen, welche 47 Stun­ den dauerten, war er, hauptsii.chlich nach seiner Basis zu, bis zu einer Hohe von 0,85 Zoll ge­

 

Fig. 42. Oorylu, avellana: Oir­ cumnutation eines jungen vom Epicotyl, dessen Spltze verletzt war, getrlcbenen SchOszlings, von 9 a. m., 2. 'ebr., bis 8 a. m. am 4., an elner horizontalen Glasplatte aufgezelchnet. Be­ wegung dos Lacktropfens unge- fiihr 2imal vergrOszert.

 

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wachsen. Der Glasfaden war quer auf die basale und beinahe aufrechte Hii.lfte des Schoszlings befestigt, dicht unter dem untersten schuppenartigen

Anhange. Der hier eingeschlagcne circumnutirende Verlauf ist in der bei­ stehenden Figur (Fig. 42) dargestellt. Die factische, von einer Seite zur andern durchmessene Entfernung betrug ungefii.hr 0,04 Zoll.

 

[page break] 46 Circnmnntation der Siimlinge. Cap. 1.

Pinus pinaste1• (Coniferae). - Ein junger Hypocotyl, an dem die Spitzen der Cotyledonen noch innerhalb der SamenhOllen eingeschlossen waren, war anfangs nur 0,35 Zoll hoch; der obere Theil wuchs aber so schnell, dasz er am Ende unserer Beobachtungen 0,6 Zoll hoch war, und um diese Zeit wurde der Glasfaden eine Strecke abwii.rts am kleint>n Stengel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 43. Pinua pinaater: Circumnutation des Hypocotyls, a.n dPssen Spitze der Glasfadon quer he­ festigt war, an einer horizo_ntalen Olasplatte von 10 a, m., 21. Miirz, bis 9 a. m., 23., aufi,:ezeichnet.

Siimling im Dunkeln gehalten. Bewegung des Lacktropfens ungefii.hr 35mal \'ergrOszert.

 

befestigt. Aus irgend einer unbekannten Ursache bewegte sich der Hypo­ cotyl weit nach links hin; es konnte aber nicht daran gezweifelt werden (Fig. 43), dasz er circumnutirte. Ein anderer Hypocotyl wurde in ii.hn­ licher Weise beobachtet, und auch er bewegte sich in einer starken Zick­ zacklinie nach derselben Seite. Diese seitliche Bewegung war nicht durch die Befestigung der Glasfii.den, auch nicht durch die Einwirkung des Lichtes verursacht; denn es wurde, als jede der Beobachtungen angestellt wurde, kein Licht eingelassen, ausgenommen senkrecht von oben.

Der Hypocotyl eines Siimlings wurde an einen kleinen Stab fest­ gemacht; er trug neun, dem Anschein nach verschiedene Cotyledonen, die in einem Kreise angeordnet waren. Es wurden die Bewegungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A B

Fig. 44. Pinua pinaiete,•: Circurnuutation zwoior gcgcntiberstehcnder Cotylcdonen, von 8.45 a. m. bis 8.Sa p. m., 25. Nov., im Dunkeln an einer horizontalen Glasplatte aufgt zoichnr.t. Die He­ wegung dor Spitze bei A ungefiihr 22mal vergroszort, bier auf die Hiilfte des Maszstabs des Ori- ginals reducirt.

 

zweier nahezu gegenstii.ndiger beobachtet. Die Spitze des einen wurde weisz angestrichen mit einem darunter angebrachten ZeicbPn, und die von ihm beschriebene Figur (Fig. 44 A) zeigt, dasz er im Verlaufe von

 

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Cap. 1. Cycas. - Canna. 47

ungefii.hr 8 Stunden einen unregelmiiszigen Kreis beschrieb. Wiihrend der Nacht bewegte er sich bis zu einer betriichtlichen Entfernung in der durch die punktirte Linie angedeuteten Richtung. Ein Glasfaden wurde der Lange nach an den anderen Cotyledon angeheftet, und dieser beschrieb in ungefiihr 12 Standen nahezu vollstiindig (Fig. 44 B) eine nnregel­ miiszige, kreisformige Figur. Auch er bewegte sich wiihrond der Nacht bis zn eirn1r betriichtlichen Entfernung in der durch die unterbrochene Linie angedenteten Richtung. Die Cotyledonen circumnutiren daher unab­ hii.ngig von der Bewegung des Hypocotyls. Obgleich sie sich wiihrend der Nacht viel bewegten, niiherten sie sich doch nicht so, dasz sie senk­ rechter standen als wii.hrend des 'J'ages.

Cy cas p e c tin at a (Cycadeae). - Die groszen Samen dieser Pflanze treiben beim Keimen zuerst ein einziges Blatt vor, welches den Boden mit einem zn einem Bogen gekrO.mmten Stengel und mit eingerollten Bliittchen durchbricht. Ein in diesem Zustande befindliches Blatt, welches am Ende nnserer Beobachtungen 2½ Zoll hoch war, verzeichnete seine Bewegungen in einem warmen Gewiichshause mittelst eines Papierdreiecke

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

}'lg. 45, Oyca, pectinata: Circumnutatlon elnes Jungen Blattes beim Hervortreten aus der Erde, schwach von oben beleuchtet, von 5 p. m., 28. Mai, bis 11 a. m., 81., an elner senkrechten Glas­ platte aufgezeichnct. Die Bewegung 7mal vergroszert, bier auf zwei Drlttel des Originals reduclrt.

 

tragenden, quer an seiner Spitze angehefteten Glasfadens. Die Zeichnung (Fig. 45) zeigt, wie grosz, complicirt und rapid die circumnutirenden Be­ wegungen waren. Die auszerste Entfernung von einer Seite zur andern, welche es durchlief, betrug zwischen 0,6 und 0,7 Zoll. ,

Canna Warscewiczii (Cannaceae). - Ein Sii.mling, dessen Plumula einen Zoll iiber den Boden vorragte, wurde beobachtet, aber nicht unter giinstigen Bedingungen, da er aus dem Warmhause gebracht worden war und in einem nicht hinreichend warmen Zimmer gehalten wurde. Nichtsdestoweniger zeigt die Zeichnung (Fig. 46), dasz er im Verlanfe von 48 Stunden zwei oder drei unvollstii.ndige unregelmiiszige

 

[page break] 48 Circumnutation der Siimlinge.

Kreise oder Ellipse beschrieb. Die Plumula ist gerade, w1d dies war d..r erste von uns beobachtete Fall, in welchem dieser 'fhPil zuerst den Bo,l<n nicht gekrtimmt durchbricht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 46. Canna Waracewiczii: Circumnutatiou dcr l")lumula, der Ghtsfatltiu schriig au da.:; iiuszcrt:'J scheidenartige Blatt befestigt, an elncr horizontalen Glnsplntte von 8.45 a. m., 9. Xov., bis 8,h)'

a. m., amJll., im Dunkeln aufgezeichnet. Die n weguug des Larktropfens 6mal vergr08z1;,rt.

 

Allium cepa (Liliaceae). - Das schmale grilne Blatt, welches aus dem Samen der gemeinen Zwiebel als ein Cotyledon 4 vortritt, durchbricht den Boden in der Form eines Bogens in derselben Weise wie der Hypo­ cotyl oder Epicotyl einer dicotyledonen Pflanze. Lange nachdem der Bogen oberhalb der Oberflache erschienen ist, bleibt die Spitze innerhalb der Samenhiillen, offen bar den noch immer sehr reichlich vorhandenen Inhalt aufsaugend. Der Schoitel oder die Krone des Bogens ist, wenn er zuorst aus dem Samen hervortritt und uoch immer unter der Erde be­ graben ist, einfach abgerundet; aber ehe or die Oberflache erreicht, ist er zu einer conischen Hervorragung von weiszer Farbe (infolge der Ab­ wesenheit von Chlorophyll) entwickelt, wahrend die benachbarten Theile griin sind, seine Epidermis ist augenscheinlich etwas <licker und zaher als an anderen Stellen. Wir konnen daher schlieszen, dasz diese conische• Hervorragung eine specielle Anpassung zum Durchbrechen des Bodens ist5, und dasz sie diesem Zwecke ebenso entspricht, wie die messerformige weisze Leiste am Scheitel des geraden Cotyledons der Gramineen. Nach einiger Zeit wird die Spitze aus den leeren Samenhiillen hervorgezogen und hebt sich in die Rohe, einen rechten Winkel oder noch haufiger einen noch groszeren Winkel mit dem unteren Theile bildend, und gelegentlich wird das Ganze nabezu gerade. Die conische Protuberanz, welche ur­ spriinglich den Sclieitel des Bogens bildete , sitzt nun an einer Seite und erscheint wie ein Gelenk oder Knie , welches, well es nun Chlorophyll erhalt, griin wird und an Grosze zunimmt. Darin, dasz diese Cotyledoneu selten oder nie vollkommon gerade werden, weichen sie merkwlirdig von

 

Dies ist der von Sachs in seinem Lehrbuch der Botanik gebrauchte Ausdruck.

& Hab e rla n d t hat (Die Schutzeinrichtungen der Keimpflanze, 1877, p. 77)

kurz dies merkwnrdige .Gebilde und den Zweck, dem es dient, beschrieben. Er flihrt an, dasz gute Abbildungen des Cotyledon der Zwiebel von Tit tm an n und. von Sachs in seiner Experimental-Physiologie p. 93 gegeben worden sind.

 

[page break] Cap. 1. Asparagus. 49

dem endlichon Zustande der gekriimmten Hypocotyle oder Epicotyle dicotyledoner Gewachse ab. Es ist aber ein eigenthiimlicber Umstand, dasz die verdiinnte Extremitat der oberen, gebogenen Partie ausnahmslos ver­ welkt und abstirbt.

Ein 1,7 Zoll langer Glasfaden wurde nahezu aufrecht unterhalb des Knies an den basalen und senkrechten Theil eines Cotyledons befestigt, unq seine Bewegungen wurden wii.hrend 14 Stun-

den in der gewohnlichen Weise aufgezeichnet. Die hier gegebene Zeichnung (Fig. 47) zeigt Cir­ cumnutation an. Die Bewegung des oberen Theils, oberhalb des Knies des namlichen Cotyledons, • welcher ungefahr unter einem Winkel von 45° uber den Horizont vorsprang, wurde zu gleicher Zeit beobachtet. Es wurde kein Glnsfaden an ihn be­ festigt, sondern ein Zeichen wurde unter die Spitze angebracht, welche, weil sie zu verwelken begann , beinahe weisz war, und in dieser

 

[page break]

Weise wurden seine Bewegungen aufgezeichnet. Die beschriebene Figur war ziemlich nahe der oben gegebenen ii.hnlich, und dies zeigt, dasz der Hauptsitz der Bewegung in dem un­ teren oder basalen Theile des Cotyledon sich be­ findet.

 

Fig. 47. A.Ilium c,•pa: Oircum­ nutatlon der basalen Hiilfte eines gekriimmten Cotyledon, Im Dun­ keln an elner horlzontalen Glas­ platte von 8.Ui a. m. bis 10 p. m. am 31. Oot., aufgezeichnet. Die Bewegung des Lacktropfens unge- fiihr l 7ma1 vergrOszert.

 

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Aspa1•agus officinalis (Asparageae). - Die Spitze einer geraden Plumula oder eines Cotyledons (denn wir wissen nicht, wie der Theil genannt werden musz) wurde in einer Tiefe von 0,1 Zoll uut51r der Ober­ flache gefunden, und die Erde wurde dann ringsum bis zur Tiefe von 0,3 Zoll entfernt. Ein Glasfaden wurde schrag an denselben befestigt, und die Bewegung des Lacktropfens wurde 17mal vergroszert in der Dunkelheit aufgezeichnet. Wahrend der ersten 1 Stunde 15 Minuten bewegte sich die Plumula nach rechts, und wahrend der niichsten zwei Stunden kehrte sie in einer ungefahr parallelen, aber stark zickzack­ formigen Route zuriick. Aus irgend einer unbekannten Ursache war sie in einer geneigten Richtung durch die Erde emporgewachsen und bewegte sich nun durch Apogeotropismus nah&zu 24 Stunden lang in derselben allgemeinen Richtung ;\ber in einer unbedeutend zickzack­ fOrmigen Weise, bis sie aufrecht wurde.• Am folgenden Morgen veriinderte sie ihren Lauf vollstandig. Man kann daher kaum zweifeln, dasz die Plumula circumnutirt, wiihrend sie im Boden begraben ist, soweit es der Druck der Erde gestattet. Die Oberfliiche der Erde im Topfe wurde nun mit einer dilnnen Schicht sehr feinen thonigen Sandes bedeckt, wolcher feucht gehalten wurde; und nachdem die spitz zulaufenden Samlingo einige wenige Zehntel-Zoll an Hohe gewachsen waren, fand sich ein jeder von einem kleinen offenen Raume oder kreisformigen Spalt umgeben; und dies konnte nur dadurch erkliirt werden, dasz sie circumnutirt und dabei den Sand auf allen Seiten fortgeschob&n batten. Denn es fand sich keine Spur eines Spaltes an irgend einer anderen Stelle.

Um zu beweisen, dasz Circumnutation stattfand, wurden die Be­ wegungen von fiinf Samlingen, die in der Hohe von 0,3 Zoll bis zu 2 Z.oll

DARWIN, Bewegungsvermogen. (XIII.) 4

 

[page break] 50 Circumnutation der Siimlinge. Cap. I.

 

variirten, verfolgt. Sie wurden in einen Kasten gestollt und von oben beleuchtet; aber in alien fiinf Fallen waren die liingeren Axen der be­ schriebenen Figuren nahezu auf denselben Punkt gerichtet, so dasz mehr Licht durch das Glasdach des Gewiichshauses auf einer Seite eingedrungen zu sein schien, als auf allen anderen. Alie fiinf Zeichnungen waren ein­ ander in einer gewissrn Ausdehnung iihnlich, und es wird hinreichen zwei von ihnen zu geben. In A (Fig. 48) war der Siimling nur 0,45 Zoll

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A B

}l'ig. 48, .d.aparagu, offtcinali,: Circumuutation der Plumulae, deren Spitzen welsz gef"a'.rbt und darunter mit Zeichen versehen waren, au einer horizontalen Glasplatte aufgezeichnet. A junge Plumula, Bewegung von 8.30 a. m., 30. Nov., bis 7.15 a. m. des uiichsten Morgrms gezolahnet, Un gefahr Slimal vergroszert. B altere Plumula; Bewegung,von 10.15 a. rn. bis 8.10 p. m., am 29, Nov., gezetchnet, 9mal vergrOazert, aber hier auf die Hiilfte des .Maszstabs des Originals reducirt.

 

hoch und bestand aus einem einzigen an seinem Scheitel eine Knospe tragenden Intemodium. Die Spitze beschrieb zwischen 8,30 a. m. und 10,20 p. m. (d. h. wiihrend nahezu 14 Stunden) eine Figur, welche wahr­ scheinlich aus 31/ 2 Ellipsen bestanden haben wurde, ware der Stengel nicht bis 1 Uhr p. m., nach welcher Stunde er sich zuriickbewegte, nach einer Seite gezogen worden. Am folgenden Morgen war er von dem Punkte,

von dem er zuerst ausgegangen war, nicht weit entfernt. Der factische Betrag an Bewegung der Spitze von einer Seite zur andern war sehr klein, niimlich ungefii.hr tr,; Zoll. Der Siimling, dessen Bewegungen in

Fig. 48B dargestellt sind, war 1¾ Zoll hoch und bestand auszer der

Knospe am Gipfel aus drei Internodien. Die Figur, welche wiihrend

10 Stunden beschrieben wurde, stellt offenbar zwei unregelmiiszige und ungleiche Ellipsen oder Kreise dar. Der factische Betrag an Bewegung der Spitze in der nicht vom Lichte beeinfluszten Richtung war 0,11 Zoll, und in der vom Lichte beeinfluszten 0,37 Zoll. Bei einem zwei Zoll hohen Siimlinge war es selbst ohne die Hilfe irgend einer Zeichnung offenbar, dasz der oberste Theil des Stengels nach einander sich nach allen Punkten der Windrose hinbog, wie der Stengel einer windenden Pflanze. Eine geringe Zunahme in dem Vermogen zu circumnutiren und in der Bieg­

.samkeit des Stengels wiirde den gemeinen Spargel in eine windende Pflanze umwandeln, wie es bei einer Species dieser Gattung, namlich bei A. scan­ dens eingetreten ist.

 

[page break] Cap. 1. Phalaris. 51

Phalaris canariensis (Gramineae). - Bei den Gramineen ist der Theil, welcher sich zuerst iiber den Boden erhebt, von einigen Autoren der Pileolus genannt worden, und verschiedene Ansichten sind iiber die homologe Bedeutung desselben vorgebracht worden. Er wird von einigen bedeutenden Autoritaten als ein Cotyledon angesehen, welchen Ausdruck wir gebrauchen werden, ohne damit wagen zu wollen, irgend eine Mei- 11ung iiber diesen Gegenstand auszudriicken 6 Er besteht im vorliegenden Falle aus einer unbedeutend abgeplatteten, rothlichen Scheide, welche nach oben in eine scharfe weisze Kante ausgeht; er schlieszt ein echtes griines Blatt ein, welches durch eine schlitzformige Offnung dicht unter und recht­ winklig zum scharfen Rande an der Spitze aus der Scheide vortritt. Diese Scheide ist nicht gebogen, wenn sie zuerst den Boden durchbricht.

Es wurden zuerst die Bewegungen dreier ziemlich alter , ungefahr 1 i/2 Zoll hoher Samlinge kurz vor dem Hervortreten der Blatter auf­ gezeichnet. Sie wurden ausschlieszlich von oben beleuchtet; sie sind, wie

spiiter gezeigt werden wird, auszerst empfindlich gegen den Einflusz des Lichtes, und wenn irgend welches selbst nur zeitweise von einer Seite eintritt, bewegen sie sich einfach in unbedeutenden Zickzacklinien nach

 

 

 

 

 

 

 

E ig. 49. Phalaria canarien,i,: Circumnutation eines Cotyledon mlt einem uuterhalb der Spitze an­ gebr&chten Zeichen, von 8.35 a. m., 26. Nov.1 bis 8.45 a. m., am 27., an einer horizontalen Glas platte verzeichnet. Bewegung der Spitze 7mal vergrOszert, hier auf die Hiilfte reduoirt,

 

dieser Seite hin. Von den drei Zeichnungen wird hier nur eine (Fig. 49) gegeben. Waren die Beobachtungen wahrend der 12 Standen haufiger gewesen, wiirden zwei ovale Figuren beschrieben .worden sein, deren langere Axen rechtwinklig auf einander standen. Der factische Betrag an Be­ wegung der Spitze von einer Seite zur andern, war ungefahr 0,3 Zoll. Die von den zwei anderen Samlingen beschriebenen Figuren waren in einer gewissen Ausdehnung den bier mitgetheilten ahnlich.

Ein Sii.mling, welcher eben den Boden durchhrochen hatte und nur Zoll iiber die Oberflache vorstand, wurde in derselben Weise wie friiher

nun zunachst beobachtet. Es war nothwendig die Erde rings um die Sam­ linge herum bis zu einer gewissen Tiefe wegzurii.umen, um ein Zeichen unterhalb der Spitze anzubringen. Die Figur (Fig. 50) zeigt, dasz die Spitze sich nach einer Seite bin bewegte, aber ihren Verlauf wii.hrend der

10 Stunden der Beobachtung zehnmal verii.nderte, so dasz kein Zweifel ilber ihre Circumnutation bier aufkommen kann. Die Ursache der

 

e Wir verdanken Prof. Hens1ow eine Ubersicht der Ansichten, welche ilber diesen Gegenstand vorgebracht worden sind, in Verbindung mit litterarischen Nachweisen.

4*

 

[page break] 52 Circumnutation der Siimlinge. Cap. 1.

allgemeinen Bewegung in einer Richtung konnte kaum• dem Eintritte seit­ lichen Lichtes zugeschrieben warden, da dies sorgialtig vermieden wurd•e; und wir vermuthen, dasz es in irgend welcher Weise mit der Entfernung der Erde rings um den kleinen Samling zusammenhieng.

 

 

 

 

 

 

J,'ig. 50. Phala1'ia canarienai,: Circunrnutatlon eines se11r jungen Cotyledons, mit einem unterhalb der Spltze angebrachten Zeicben, von 11.87 a. m. bis 9.30 p. m., 13. Dccbr., an elner horizontalen Glasplatte aufgezelchnet. Bewegung der Spltze bedeutend vergroszert, hier auf eln Viertel des

.Maezstabs des Originals roducirt.

Endlich wurde die Erde in dem namlichen Topfe mit Hilfe einer Lupe durchsucht, und es wurde die weisze, messerformige Spitze eines Sii.mlings genau im Niveau mit der umgebenden Flache gefunden. Die Erde wurde rings um die Spitze bis zur Tiefe von einem Viertelzoll ent­ fernt, der Same selbst aber bedeckt gelassen. Der Topf wurde gegen seitliches Licht geschiitzt und unter das Microscop gebracht, dessen Micro­ meterocular so angeordnet war, dasz jeder 'l'heilstrich "l"h Zoll gleich kam. Nach einem Verlaufe von 30 Minuten wurde die Spitze beobachtet, und man sah, dasz sie ein wenig schrag zwei Abtheilungen des Micro­ meters in 9 Minuten 15 Secunden durchschritt, und nach wenigen Minu­ ten durchkreuzte sie denselben Raum in 8 Minuten 50 Secunden. Der Samling wurde wieder nach einem Intervall von 3/4 Stunden beobachtet,

und nun durchschritt die Spitze etwas schrag zwei Theilstriche in 10 Minu­

ten. Wir k!innen daher schlieszen , dasz .sie sich ungefahr mit der Geschwindigkeit von -h Zoll in 45 Minuten bewegte. Wir konnen auch aus dieser und den friiheren Beobachtungen schlieszen, dasz die Samlingf> von Phalaris beim Durchbrechen der Oberflache der Erde soviel circum­ nutiren, als es der umgebende Druck gestattet. Diese Thatsache erklart (wie in dem vorher• mitgetheilten Falle von Asparagus) das- Vorhandensein eines kreisformigen , engen, offenen Raumes oder Spaltes , welcher ring;; um mehrere Samlinge deutlich sichtbar war, die durch sehr feinen, thonigen, gleichformig feucht gehaltenen Sand durchgetreten waren.

Zea mays (Gramineae). - Ein Glasfaden wurde schrag an die Spitze eines Cotyledonen befestigt, der 0,2 Zoll iiber den Grund in die Hohe stand; aber am dritten Morgen war er genau zur dreifachen Hohe heran­ gewachsen, so dasz die Entfernung des Lacktropfens von dem Zeichen darunter bedeutend vergrOszert war. Infolge dessen war die Zeichnung (Fig. 51) am ersten Tage viel starker vergroszert als am zweiten. Der obere Theil des Cotyledons veranderte seinen Verlauf um mindestens einen rechten Winkel sechsmal an jedem der beiden Tage. Die Pflanze wurde durch ein triibes Licht senkrecht von oben beleuchtet. Dies war einf> nothwendige Vorsicht, da wir an dem vorigen Tage die Bewegungen von Cotyledonen verfolgt batten, die in einen tiefen Kasten gestellt waren, dessen Inneres auf der einen Seite von einem enifernten Nord-0stfenster und bei jeder Beobachtung durch ein Wachslichtchen, welches eine oder

 

[page break] Cap. 1. Zea. - Avena. 53

zwei Minuten auf derselben Seite gehalten ward, beleuchtet wurde; das Resultat war, dasz die Cotyledonen den ganzen Tag lang sich nach dieser Seite bewegten, obschon sie in ihrem Verlaufe einige augenfii.llige Biegungen machten, aus welcher Thatsache wir allein

schon schlieszen konnten, dasz sie circum­ nutirten. Wir hielten es aber fur rathsam die oben gegebene Zeichnung auszufuhren. Wftrzelc hen. - Glasfaden wurden

.an zwei kurzen Wftrzelchen befestigt, die so gestellt wurden , dasz sie beinahe auf­ recht standen; wii.hrend sie sich durch

-Geotropismus nach unten wendeten, waren ihre Bewegungen stark zickzackformig; aus

diesem letzteren Umstande hii.tte man auf j

 

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Circumnutation schlieszen konnen , waren nicht ihre Spitzen nach den ersten 24 Stun­ den, trotzdem sie begossen wurden und die Luft sehr feucht war, in geringem Grade verwelkt. Zunii.chst wurden nun neun

 

.,-,:....- ---••.

Fig. 51. Zea may,: Clrcumnutatlon des Cotyledons, an elner horizontalen Glas platte von 8.30 a. m., 4. Febr., bis 8

a. m., 6. Febr., gezeichnet. Bewegung des Lacktropfens im MUtel ungefahr

25mal vergroszert.

 

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Wftrzelchen in der frillier beschriebenen Weise angeordnet, so dasz sie

bei dem Abwartswachsen Spuren an beruszten Glasplatten hinterlieszen, die in verschiedenen Winkeln zwischen 45° und so0 unter den Horizont geneigt waren. Beinahe jeder dieser Zuge

bot in seiner groszeren oder geringeren Breite an verschiedenen Stellen, oder da- durch, dasz kleine Brucken von Rusz un- berfthrt gelassen waren, Beweise dar, dasz die Spitze abwechselnd in mehr oder weniger dichte Beruhrung mit dem Glas gekommen war. In de!" beistehenden Figur (Fig. 52)

 

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haben wir eine genaue Copie eines solchen Zuges. Nur in zwei Fallen (und in diesen waren die Glasplatten sehr stark geneigt) war ein geringer Beleg fur eine unbe­ deutende seitliche Bewegung vorhanden.

 

J

Fig. 52. Zea may,: Auf elner genelgten beruszten Glaspl&tte von der Spltze des Wiirzelchens belm Abwartswachsen zu- riicltgelassene Spur.

 

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Wir vermuthen daher, dasz die Reibung der Spitze an der beruszten Flii.che, so gering dieselbe gewesen sein kann , hinreichte , die Bewegung dieser zarten Wurzelchen von einer Seite zur andern zu hemmen.

Avena sativa (Gramineae). - Ein 1t/2 Zoll hoher Cotyledon wurde

vor ein Nordostfenster gestellt , und die Bewegung der Spitze wurde wahrend zweier Tage an einer horizontalen Glasplatte verzeichnet. Er bewegte sich nach dem Lichte hin in einer unbedeutenden Zickzacklinie von 9-11,30 a. m. am 15. October. Dann bewegte er sich ein wooig rfickwii.rts und stark im Zickzack bis 5 Uhr p. m., nach welche.r S.tunde und wahrend der Nacht er sich nach dem Fenster hin zu bewegen fortfu]lr. Am folgen(Wlll Morgen wurde dieselbe Bewegung in einer nahezu geraden Linie bis 12,4:0 p. m. fortgesetzt, wo der llhnmel bis 2,35 infolge von Ge­ witterwolken auszerordentlich dunkel blieb. Wii.hrend dieses Intervalls ivon

1 Stunde 45 Minuten, wii.hrend das Licht triib war, war es interessant

 

[page break] 54 Circumnutation der Simlinge. Cap. 1.

zu beobachten, wie die Circumnutation den Heliotropismus iiberwand; denn anstatt dasz die Spitze fortfuhr sich nach dem Fenster zu in einer un­ bedeutenden Zickzacklinie zu bewegen, kehrte sie ihren Lauf viermal um, dabei zwei kleine enge Ellipsen beschreibend. Eine Darstellung dieses Falles wird in dem Capital ii.her Heliotropismns gegeben warden.

Zunii.chst wurde nun ein Faden an einen nur t/,. Zoll hohen Co­

tyledon befestigt, der ausschlieszlich von oben beleuchtet wurde und, da er in einem warmen Gewii.chshause gehalten wurde, rapid wuchs; und nun konnte tlber seine Circumnutation kein Zweifel bestehen, denn er beschrieb in 5ifa Stunden eine Figur von acht, eben so wie von zwei kleinen Ellipsen.

Nephrodium molle (Filices). - Ein Samlingfarn dieser Species gieng durch Zufall in einem Blumentopf neben seiner Elternpflanze auf. Der jetzt nur noch unbedeutend gelappte Wedel war nur 0,16 Zoll lang und 0,2 breit und wurde von einer Rhachis getragen, die so fein wie

ein Haar und nur 0,23 Zoll hoch war. Ein sehr diinner Glasfaden, welcher in einer Lange von 0,36 Zoll vorsprang, wurde an das Ende des Wedels befestigt. Die Bewegung wurde so stark vergroszert, dasz man sich auf die Figur (Fig. 53) nicht vollstandig verlassen kann; es

bewegte sich aber der Wedel bestandig in einer complicirten Route, und der Lacktropfen ver­ anderte in den 12 Stunden der Beobachtungen 18mal bedeutend seinen Lauf. Innerhalb einer halben Stunde kehrte er hii.ufig in einer sei­

nutation eines sehr jungen Wedels, nem friiheren Verlaufe beinahe parallelen Linie im Dnnkeln an einer h?rizontalen zuriick Der grOszte Betrag an Bewegung Glasplatte von 9 • m. bis 9 p. m.,

Oct., verzeichnet. Bewegung des Jram zwiscben 4 und 6 Ubr p. m. vor. Dio

 

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Lacktropfens 48mal vergroszert. c•ircumnut

 

at'10n

 

d'10ser

 

Pflanze 1•ts

 

' mt

 

eressant ,

 

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weil die Arten in der G:attung Lygodium sehr bekannt dafiir sind, dasz sie augenfallig circumnutiren und sich um einen jeden in der Niihe uefind­ lichen Gegenstand winden.

Selaginella Kraussii (?) (Lycopodiaceae). - Eine sehr junge, nur 0,4 Zoll hohe Pflanze war in einem Topfe im Treibbause aufgegangen. Ein ii.uszerst feiner Glasfaden wurde an das Ende des wedelartigen Stengels

 

 

 

 

Fig. 54, Se/agintlla Krau.. ii (1): Circumnutation einer Jungen im Dunkeln gehaltenen Pllanze, TOD

8.45 a. m. bis 10 p. m. am 31. Oct. aufgezekbnet.

befestigt und die Bewegung des Lacktropfens an einer horizontalen Glas­ platte verzeichnet. Er verii.nderte seinen Lauf, wii.hrend er 13 Stunden

15 Minuten beobachtet wurde, wie in Fig. 54 dargestellt ist, mehrere Male und kehrte des Nachts zu einem von dem, von welchem er am Morgen ausgegangen war, nicht weit entfernten Punkte zuriick. Es liiszt sich nicht zweifeln, dasz diese kleine Pflanze circumnutirte.

 

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. Zweites Capital.

Allgemeine Betrachtungen ttber die Bewegnngen nnd dM

Wachsthum von Pflanzensamlingen.

Allgemeinheit der circumnutirenden Bewegung. - Wiirzelchen, ihre Circumnutation ist von Nutzen. - Art und Weise, in welcher sie den Boden durchdringen.

- Die Art, in welcher die Hypocotyle und andere Organe durch ihr Gekrllmmt­ sein den Boden durchbrechen. - Eigenthiimliche Keimungsweise bei Megar­ rhiza etc. - Fehlschlagen der Cotyledonen. - Circumnutation der Hypocotyle und Epicotyle, wiihrend sie noch unter der Ertle und gekriimmt sind. - Ihr Vermogen sich zu strecken. - Bersten der Samenhiillen. - Vererbte Wirkung des Kriimmungsprocesses bei unterirdischen Hypocotylen, - Circumnutation von Hypocotylen und Epicotylen im aufrechten Zustande. - Circumnutation der Cotyledonen. - Pulvini oder Gelenke der Cotyledonen, Dauer ihrer Thitigkeit, rudimentir bei Oxalis corniculatn, ihre Entwicklung. - Empfind­ lichkeit der Cotyledonen gegen das Licht und davon abhingige Storung ihrer periodischen Bewegungen. - Empfindlichkeit der Cotyledonen gegen Beriihrung.

Die circumnutirenden Bewegungen der verschiedenen Theile oder Organe einer betrachtlichen Zahl von Pflanzensamlingen sind im ersten Capitel beschrieben worden. Es wird bier eine Liste der Familien, Cohorten, Unterclassen etc. beigefiigt, zu denen jene geMren, nach der von HooKERt angenommenen Classification geordnet und numerirt. Ein Jeder, welcher diese Liste betrachtet, wird sehen, dass die jungen zur Beobachtung ausgewlihlten Pflanzen ziemlich die ganze Pflanzen­ reihe reprasentiren, mit Ausnahme der niedrigsten Cryptogamen, und die Bewegungen einiger dieser letzteren im Reifezustand werden spMer beschrieben werden. Da alle die S!l.mlinge, welche beobachtet wurden, mit Einschlusz der Coniferen, Cycadeen und Farnkrauter, welche zu den altesten Typen unter den Pflanzen geMren, in bestandiger circum­ nutirender Bewegung waren, so mussen wir schlieszen, dasz diese Art von Bewegung jeder Art von Samlingen gemein ist.

1 Wie sie im .General System of Botany" von Le Maout und Decaisne

gegeben wird.

 

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56 Bewegung des Wiirzelchens. Cap. 2.

U n t err eic h I. Phanerogame Pflanzen.

Class!'. Dicotyledonen.

Unterclasse. An gios perm en. Familie : Coliorte :

 

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14. Cruciferae.

26. Caryophylleae.

36. Malvaceae.

41. Oxalideae.

49. Tropaeoleae.

52. Aurantiaceae.

70. Hippocastaneaf'.

75. Leguminosae.

106. Cucurbitaceae.

109. Cacteae.

122. Compositae.

135. Primulaceae.

145. Asclepiadeae.

151. Convolvulaceae.

154. Borragineae.

156. Nolaneae.

15 7, Solaneete.

181. Chenopodieae.

202. Euphorbiaceae.

Cupuliferae.

Corylaceae.

 

Parietales.

IV. Caryophyllales.

Malvales.

Geraniales.

"

Sapin"dales.

Rosales.

Passiflorales.

XIV. Ficoidales.

XVII. Astrales.

XX. Primulales.

Gentianales.

PolAmoniales.

",,

Solanales.

XXVII. Chenopodiales.

XXXII. Eupborbiales.

XXXVI. Quernales.

,,

 

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II. Unterclasse. Gymnosperme n.

Coniferae.

Cycadeae.

II. Classe. • Monocotyledonen.

 

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2. Can11aceae.

34. Liliaceae.

41. Asparageae.

55. Gramineae.

Un t err e i ch II.

Filices.

6, Lycopodiaceae.

 

II. AmomalPs.

XI. Liliales.

n

XV. Glumales.

Cryptogame P:flanzen.

I. Filicales.

,,

 

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W ii r z e1c h e n. - In allen den keimenden, von uns beobachteten Samen ist die erste Veranderung das Vortreiben des Wiirzelchens, welches sich unmittelbar nach abwarts krttmmt und versucht den Boden zu durchbohren. Um dies zu bewirken, ist es beinahe nothwendig, dasz der Samen nach unten gedriickt wird, so dasz er einigen Wider­ stand darbietet, wenn nicht der Boden auszerordentlich locker ist. Denn im andern Falle wird der Same in die Hobe gehoben, statt dasz

 

[page break] Cap. 2. Bewegung des Wiirzelchens. 57

das Wiirzelchen die Oberfli1che durchbohrt. Es werden aber hil.ufig Samen mit Erde bedeckt, entweder dmch grabende Si1ugethiere oder scbarrende Veigel, durch die Rtihren der Regenwtirmer, durch Excrement­ haufen, durch die abgestorbenen Zweige von Bauman u. s. w. und werden auf diese Weise nacb unten gedriickt ; auch miissen sie in Spalten oder in H<iblen fallen, wenn die Erde trocken ist. Selbst bei Samen, welche auf der nackten Oberfllicbe des Bodens liegen, sind die zuerst sich entwickelnden Wurzelhaare dadurch, dasz sie an Steine oder andere Geg&nstande an der OberfHiche angeheftet werden, im Stande, den obercn Theil des Wiirzelcbens nach unten zu balte;n, wabrend die Spitze den Boden durcbbohrt. SACHS hat gezeigt 1, wie gut und eng sich Wurzel­ haare durch Wachsthum an die unregelmaszigsten Theilchen im Boden anpassen und fest an sie angeheftet werden. Diese Anheftung scheint dadurch bewirkt zu werden, dasz die auszere Oberflll.che der Wandung des Haares erweicht und verfliissigt und spater fest wird, wie es bei

€iner spateren Gelegenheit ausfiihrlicher bescbrieben warden wird.

Diese innige Vereinigung spielt nach SACHS bei der Absorption von Wasser uud der unorganischen in ihm gel<isten Substanz eine bedeutungs­ volle Rolle. Die mechanische, von den Wurzelhaaren bei der Durcb­ bobrung des Bodens dargebotene Hilfe ist wabrscheinlich nur ein secundilrer Dienst.

Sobald die Spitze des Wiirzelchens aus den Samenhtillen vordringt, beginnt sie zu circumnutiren, und der ganze wacbsende Theil fahrt hiermit fort wabrscheinlich so lange, als das Wachsthum fortdauert.. Diese Bewegung des Wiirzelcbens ist bei Brassica, Aesculus, Phaseolus Vicia, Cucurb#a, Quercus und Zea beschrieben worden. Die Wahr­ scheinlichkeit ihres Vorkommens wurde von SACHS daraus geschlossen 3 dasz senkrecht aufwarts gestellte Wiirzelcben von Geotropismus be­ einfluszt werden (wie wir gleichfalls gefunden baben, dasz es der Fall ist); denn wenn sie absolut senkrecht geblieben waren: wilrde die

 

2 Pflanzenphysiologie (franzos. Ubersetzung) 1868, p. 199. 205.

8 Uber das Wachsthum der Wurzeln, in: Arbeiten des botan. Institute in Wiirzburg, 3. lift. 1873, p. 460. Diese Abhandlung vcrdient, abgesehen von ihrem groszen Interesse an sich, als Muster einer sorgfaltigen Untersuchung studirt zu werden; wir werden wiederholt Veranlassnug haben, auf sie zu verweisen. Dl'. Fr an k hatte vorher (Beitriige zur Pflanzenphysiologie, 1868, p. 21) die That­ sache besprochen, dasz senkrecht aufwiirts gestellte Wiirzelchen von Geotropismus beeinfluszt werden, und er erkliirt dies durch die Annahme, dasz ihr Wachsthum nicht auf alien Seiten gleich sei.

 

[page break] 58 Bewegung des Wiirzelchens. Cap. 2.

Anziehung der Schwerkraft nicht veranlaszt haben konnen, dasz sie sich nach irgend einer Seite biegen. In den oben speciell angefiihrten Fallen wurde Circumnutation entweder in der Weise beobachtet, dasz

a.uszerst feine Glasfaden in der friiher beschriebenen Art an die Wiir­ zelchen befestigt wurden, oder dasz man.sie ilber geneigte, angeruszte Glasplatten nach abw!\rts wacbsen liesz, auf welchen sie dann ihre

Spuren zurilcklieszen. In den letzteren Fallen zeigte der serpentine Verlauf (s. Fig. 19, 21, 27, 41) unzweideutig, dasz sich die Spitze bestiindig von einer Seite zur andern bewegt hatte. Diese seitliche Bewegung war in ihrer Ausd(lbnung gering; sie betrug in dem Falle von Phaseolus hochstens ungefahr 1 mm von einer :Mittellinie ans nach beiden Seiten. Es war aber auch Bewegung in einer verticalen, auf den geneigten Glasplatten senkrecht stehenden Ebene vorhanden. Dies wurde dadurch erwiesen, dasz die Spuren baufig abwechselnd ein wenig breiter und scbmlHer waren infolge davon, dasz die Wiirzelchen ab­ wechselnd mit groszerer oder geringerer Kraft an die Platten andriickten. Gelegentlich wurden auch kleine Brucken von Husz zwischen den Spuren gelassen, welcher Umstand bewies, dasz die Spitzen an diesen Stellen abgehoben worden waren. Diese letztere Thatsache kam besonders gern vor, wenn das Wiirzelchen, anstatt gerade am Glase nach ah­ warts sich zu bewegen, eine halbkreisformige Krfimmung machte; aber Fig. 52 zeigt, dasz dies auch eintreten kann, wenn die Spur gerad­ linig ist. Durch eine Erhebung in dieser Weise war die Spitze in

. einem Falle im Stande eine Borste zu iibersteigen, welche quer auf •

einer geneigten Glasflache angekittet war; aber Holzstfickchen von nur rir Zoll Dicke veranlaszten das Wiirzelchen immer sich recht­

winklig nach einer Seite zu biegen, so dasz die Spitze auch nicht bis zu dieser geringen Hohe dem Geotropismus entgegen sich erhob.

In denjenigen Fallen, in welchen Wiirzelchen mit angehefteten Fiiden so gestellt wurden, dasz sie beinahe senkrecht standen, kriimmten sie sich durch Wirkung des Geotropismus nach abwarts, circumnutirten gleichzeitig, und ihr Weg war infolge dessen zickzackiormig. Zu­ weilen indessen beschrieben sie grosze, kreisformige Schwingungen, deren Linien gleichfalls zickzackiormig waren.

Es konnen dicht von Erde umgebene Wiuzelchen, selbst wenn die letztere durchaus angefeuchtet und erw()icht ist, vielleicht vollig am Circumnutiren gebindert werden. Wir miissen uns aber daran erinnern, dasz die circumnutirenden, scheidenartigen Cotyledonen von Phalaris, die

 

[page break] Cap. 2. Bewegung des Wtirzelchens. 59

Hypocotyle von Solanum und die Epicotyle von Asparagus rings um sie herum kleine kreisf'Ormige Spalten oder Furchen in einer ober­ flllchlichen Schicht feucbten thonigen Sandes bildeten. Sie waren aucb ebenso, wie die Hypocotyle von Brassica im Stande in feuchtem Sande gerade Furchen zu bilden, !l!.hrend sie circumnutirten und sich nacb einem seitlichen Lichte beugten. In einem spateren Capitel wird ge­ zeigt werden, dasz das Dreben oder die circumnutirende Bewegung der Bluthenkopfe von Trifolium subterraneum dazu beitrligt, sie einzu­ graben. Es ist daher wabrscbeinlich, dasz die Circumnutation der Spitze des Wfirzelchens dasselbe in ge1ingem Grade unterstiitzt den Boden zu durchbohren; und in mebreren der frfiber gegebenen Abbildungen laszt sich beobachten, dasz die Bewegung bei Wfirzelchen starker aus­ gesprochen ist, wenn sie zuerst aus dem Samen vordringen, als in einer etwas spateren Periode; ob dies indessen ein zufalliges oder ein adaptives Zusammentreffen ist, wollen wir nicht entscbeiden. Als junge Wfirzelcben von Phaseolus multifiorus senkrecbt dicht fiber feuchten Sand fixirt wurden in der Erwartung, dasz sie, sobald sie denselben erreichten, kreisf6rmige Furch en bilden wfirden, trat dies trotzdem nicbt• ein, - eine Thatsacbe, welcbe, wie wir meinen, dadurch er­ klart werden kann, dasz die Furche , sobald sie gebildet war, durch Dickenzunahme in der Spitze des Wiirzelcbens ausgefullt ward. Mag nun ein Wiirzelchen, wenn es von erweichter Erde umgeben wird, bei der Bildung eines Durchganges fur sicb durcb Circumnutation unter­ stfitzt werden oder nicht, es kann diese Bewegung kaum anders als von hoher Bedeutung in so fern sein, .dasz sie das Wiirzelchen einer Linie des geringsten Widerstandes entlang fiihrt, wie im nacbsten Capitel gezeigt werden wird, wo wir von der Empfindlichkeit der Spitze gegen Berfihrung handeln. Wenn indessen ein Wiirzelchen bei seinem Abwartswacbsthum scbrag in irgend einen Spalt oder eine durch eine zerfallene Wurzel gebildete Hohle einbricht oder in eine von der Larve eines Insectes oder speciell von Wiirmern gebildete, so wird die circum­ nutirende Bewegung der Spitze es wesentlich darin unterstutzen, einen solchen offenen Durchgang zu verfolgen;. und wir haben beobachtet, dasz Wurzeln gewohnlich in den alten Wurmbohlen abwarts wachsen 4

s. auch Prof. Hensen 's Angaben in gleichem Sinne (Zeitschr. f. wiss. Zool. 28. Bd. p, 354. 1877). Er geht so weit zu behaupten, dasz Wurzeln nur mittelst der von Wiirmern gemachten Hohlen im Stande sind, den Boden in be­ deutende Tiefe zu durchdringen.

 

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60 Bewegung des W iirzelehens. Cap. 2.

Wenn ein Wiirzelcben in eine borizontale oder geneigte Stellung gebracbt wird, so biegt sicb der terminale wacbsende Theil, wie be­ kannt ist, abwlirts nacb dem Mittelpunkte der Erde zu; und SACHS hat gezeigt6, dasz wl1brend dieser Kriimmung das Wacbstbum der unteren Flllcbe bedeutend verzogert wird , wl1brend das der oberen Fll!.cbe mit der normalen Scbnelligkeit fortdauert oder selbst etwas vergroszert sein kann. Er bat ferner durcb Anbeftung eines iiber eine Rolle laufenden 'adens an ein horizontales Wiirzelchen bedeutender Grosze, nl1mlich an das der gemeinen Bohne, gezeigt, dasz es nur im Stande war, das Gewicht von 1 Gramm, oder 15,4 Gran zu heben. Wir konnen daber scblieszen, dasz Geotropismus dem Wiirzel­ chen nicht die binreicbende Kraft gibt, den Grund zu durchbobren, sondern ihm immer nur (wenn ein solcber Ausdruck bier erlaubt ist) sagt, welcben Weg es einzuscblagen bat. Ebe wir SACHS' genauere Beobaclitungen kannten, bedeckten wir eine platte Flache von feuch­ tem Sande mit dem dilnnsten Stanniol, welcbes wir auftreiben konnten (0,02-0,03 mm oder 0,00012-0,00079 Zoll Dicke), und stellten ein Wiirzelcben dicht dariiber in eine solche Stellung, dasz es beinahe senkrecbt nach abwlirts wuchs. Als die Spitze mit der gegll!.tteten ebenen Fll!.che in Berfihrung kam, wendete sie sicb unter rechtem Winkel ab und glitt dariiber bin, ohne irgend einen Eindruck zu hinterlassen; und doch war das Stanniol so biegsam, dasz eine Spitze von weichem Holz, welche ebenso zugespitzt war wie das Ende des Wiirzelchens und mit einem Gewicbte von nur einer Viertel-Unze (120 Gran) beschwert war, deutlicb das Stanniol eindriickte.

Wiirzelchen sind im Stande den Grund zu dnrchbo ren infolge

der ihr Lllngen- und Querwachsthum begleitenden Kraft; die Samen selbst werden dabei dm:ch das Gewicht des dariiber liegenden Bodens niedergehalten. Bei der Bohne ist die von der Wurzelkappe geschfitzte Spitze seharf, und der wachsende, von 8 bis 10 mm lange Theil ist, wie SACHS gezeigt bat, starrer als der Theil unmittelhar dariiber, welcher an Ll1nge zuzunebmen aufgehOrt hat. Wir versucbten den Druck des wacbsenden Theiles nacb unten dadurch zu ermitteln, dasz wir keimende Bohnen zwiscben zwei kleine Metallplatten legten, deren obere mit einem bekannten Gewicbt beschwert war; dem Wiirzelchen

1 Arbeiten des botan. lnstituts in Wiirzburg, I. Bd. 1878. p. 461. s. aueh

p. 897 in Bezug auf die Lange des wachsenden Theils, und p. 451 iiber die Kraft des Geotropismus.

 

[page break] Cap. 2. Bewegung des Wiirzelchens. 61

wurde dann gestattet, in ein enges Loch in Holz zwei oder drei Zehntel Zoll tief und am Boden gescblossen hineinzuwachsen. Das Holz war so geschnitten, dasz der kurze Theil' des Wurzelchens zwiscben der Mtin­ dung des Locbes und der Bohne sich nach drei Seiten bin seitlich nicht biegen konnte; es war aber unmoglich die vierte, dicbt an der Bohne liegende Seite zu schutzen. Infolge dessen wird, solange das

Wiirzelcben an Lange zuzunebmen fortfubr und gerade blieb•, die be­

scbwerte Bohne in die Bobe gehoben worden sein, nacbdem die Spitze den Boden des seicbten Locbes erreicbt hat. In dieser Weise zu­ bereitete Bohnen, die mit feucbtem Sand umgeben wurden, boben in 24 Stnnden, nachdem die Spitze des Wurzelcbens in das Loeb ein­ getreten war, ein Viertel-Pfund in die Bobe, bei einem grOszeren Gewichte wurden die Wurzelcben immer nach der nicbt beschiitzten Seite gekrummt; dies wiirde aber wahrscheinlicb nicbt eingetreten sein, wenn sie auf allen Seiten von dichter Erde dicbt umgeben gewesen waren. In diesen Versucben fand sich indessen eine mogliche, wenn auch nicht wabrscheinlicbe Fehlerquelle, denn es wurde nicht ermittelt, oh die Bohnen selbst, nacbdem sie gekeimt haben, mebrere Tage lang weiter scbwellen wurden, nachdem sie in der Weise behandelt worden waren, wie sie in unseren Versuchen behandelt wurden; namlich sie wurden zuerst 24 Stunden lang in Wasser liegen gelassen; dann liesz man sie in sehr feuchter Luft keimen, und dann wurden sie uber das Loch gelegt und in einem verschlossenen Kasten beinabe ganz von feuchtem Sand umgeben.

Es gelang uns besser, die Kraft zu ermitteln, welche diese Wur­

zelchen in querer Ricbtung ausuben. Zwei von ihnen wurden so ge­ stellt, dasz 'sie kleine, in kleinen Staben angebrachte Locher durcb­ dringen muszten, von denen eins in der Form ausgescbnitten war, wie

 

 

 

J<'ig, oS. Umrisz eines Stiickchen Holz (auf die Hiilfto der natiirlichen Grosze reduclrt) mlt einem Loch , durch welches das Wilrzelchen elner .Bohne wuchs. Die Dicke des Holzea betrug am scbmalen Ende 0,08 Zoll, am breiten Ende 0,16, Tlefe des Locbes 0,1 Zoll.

 

sie bier genau copirt ist (Fig. 55). Das kurze Ende des Holzstuck­ chens jenseits des Loches wurde absicbtlicb gespalten, aber nicbt an dem anderen Ende. Da das Holz in hobem Grade elastiscb war, ver­ scblosz sich der Spalt oder Schlitz unmittelbar, nacbdem er gemacht worden war. Nach sechs Tagen wurde das Holzstuckchen- und die

 

[page break] 62 Bewegung des Wiirzelcbens. Cap. 2.

Bohne aus dem feuchten Sande ausgegraben, und es zeigte sich, dasz das Wiirzelchen iiber und unter dem Loche bedeutend verdickt war. Der Schlitz, welcher zuerst vollig geschlossen war, war jetzt in einer Weite von 4 mm geoffnet; sobald das Wiirzelchen herausgezogen war,

schlosz sich das Loch sofort bis zu einer Weite von 2 mm. Das Holzstiickchen wurde dann horizontal an einem feinen Drahte auf­ gehangen, welcher dw-ch das vor klll•zem noch von dem Wiirzelchen erfiillte Loch gezogen war, und ein kleines Schalchen wurde dartinter gebangt, das Gewicht aufzunehmen; es be­ durfte das Gewicht von 8 Pfund 8 Unzen, die Spalte bis zur Weite von 4 mm zu erwei­ tern, d. h. bis zu der Weite, welche sie zeigte, ehe die Wurzel herausgezogen war. Der Theil der Wurzel aber (nur 0,1 Zoll lang), welcher in dem Loche eingescblossen war, iibte wahr­ scheinlich einen noch groszeren queren Druck aus als 8 Pfund 8 Unzen, denn er hatte das solide Holz in einer Lange von etwas mehr

 

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Fig. 56. llolzerne Klammer

durch eine messingene Spiral­

feder geschlossen gehalten mit

<>inem (0,14 Zoll Im Durchmesser haltendon und 0,6 Zoll tiefen) Loche in dem schmalen ge­ schlossenen Theile, durch wel­ ches man das Wiirzelchen eincr Bohne keimen liesz. Tempera- tur 10-130 C.

 

als einem Viertel-Zoll (genau 0,275 Zoll) ge­ spalten , und dieser Spalt ist in Fig. 55 dar­ gestellt. Ein zweites Holzstiickchen wurde in derselben Weise mit beinahe genau dem­ selben Resultate versucht.

 

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Wir folgten dann einem besseren Plane. Es wurden Locher nahe an dem schmalen Ende zweier bolzerner Pincetten oder Klammern (Fig. 56) gebohrt, die durcb messingene Spiralfedern gescblossen ge­ halten wurden. Zwei Wiirzelchen in feuchtem Sand liesz man <lurch diese Loeber wachsen. Die Klammern ruhten auf Glasplatten, um die Reibung am Sande zu verringern. Die Locher waren etwas groszer (namlich 0,14 Zoll) und betrachtlich tiefer (namlich 0,6 Zoll) als bei den Versucben mit den Holzstiickcben, so dasz eine groszere Lange eines im Ganzen dickeren Wiirzelchens einen queren Druck ausiibte. Nach 13 Tagen wurden sie herausgenommen. Die Entfernung zweier Punkte (s. die Abbildung) an den langeren Enden der Pincetten wurde nun sorgfaltig gemessen: die Wiirzelchen wurden dann aus den Locbern berausgenommen, und die Pincetten schloszen sich natiirlich nun. Sie

 

[page break] Cap. 2. Hypocotylc und Epicotyle. 63

wurden nun horizontal in derselben Weise aufgehlingt, wie die Holz­ stuckchen , und es war ein Gewicht von 1500 Gramm (oder 3 Pfund 4 Unzen) bei einer der Klammern nothwendig, sie bis zu derselben Wei.te zu offnen, wie es durch das quere Wachstbum des Wtirzelchens geschehen war. Sobald dieses Wiirzelcb die Klammer unbedeutend geoffnet hatte, war es in einer abgeplatteten Form weiter gewachsen• und war ein wenig jenseits aus dem Loche herausgetreten; sein Durch­ messer betrug in der einen Ricbtung 4,2 mm und rechtwinklig darauf 3,5 mm. Hll.tte dies Austreten und Abplatten verhindert werden konnen, so wiirde das Wiirzelchen wahrscheinlich einen noch groszeren Druck als 3 Pfund 4 Unzen au,sgeiibt haben. Bei der anderen Klammer trat das Wiirzelchen noch wei er aus der Roble heraus, und das Ge­ wicht, welcbes nothwendig war, sie zu offnen, betrug nur 600 Gramm. Mit diesen Thatsachen vor uns scheint es nicht schwierig zu sein,

zu verstehen, wie ein Wurzelchen den Boden durchbohrt. Das Ende ist zugespitzt und von der Wurzelhaube geschiitzt; der terminale wa.chsende Theil ist starr und nimmt an Lange mit einer Kraft zu, die , soweit wir uns auf unsere Beobachtungen verlassen konnen, dem Drucke von wenigstens ein Viertel-Pfund gleich ist, wabrscbeinlicb

mit einer viel groszeren Kraft, wenn er an dem Biegen nach irgend

€iner Seite durch die umgebende Erde gehindert wird. Wabrend er in dieser Weise an Lange zunimmt, nimmt auch seine Dicke zu und

-0riickt dabei die feuchte Erde auf allen Seiten mit einer Kraft von tiber 8 Pfund in dem einen Falle und von 3 Pfund in einem .andern Falle fort. Es war unmoglich zu entscheiden, ob die eigentliche Spitze im Verbaltnisse zu ihrem Durcbmesser denselben queren Druck aus­ tibt, wie die Theile ein wenig hoher hinauf; es scheint aber kein Grund vorbanden zu sein daran zu zweifeln, dasz dies der Fall ist. Der wachsende Theil wirkt daher nicht wie ein Nagel, welcher in ein Brett geschlagen wird, sondern mehr wie ein Holzkeil, welcher, wahrend er langsam in einen Spalt eingetrieben wird, sich bestllndig

durch die Absorption von Wasser ausdehnt , und ein in dieser Weise wirkender Keil wird selbst eine Steinmasse sprengen.

 

Art und Weise, in welcher Hypocotyle, Epicotyle

u. s. w. aufsteigen und die Erde durchbrechen. - Nachdem das Wiirzelchen den Grund durchbohrt und den Samen be­ festigt hat, durchbrechen die Hypocotyle aller der dicotyledonen

 

[page break] 64 Art wie Hypocotyle und Epicotyle Cap. 2.

Samlinge, die wir beobachtet haben und welche ihre Cotyledonen iiber die Oberflache erheben, den Boden in Form eines Bogens. Wenn die Cotyledonen hypogaisch sind, d. h. in der Erde vergraben bleiben, wird der Hypocotyl kaum entwickelt, und der Epicotyl oder die Plu­ mula steigt in gleicher Weise als ein Bogen durch den Boden auf. In allen oder wenigstens in den meisten derartigen Fallen bleibt die nach abwi!.rts gebogene Spitze eine Zeit lang innerbalb der Samen­ htillen eingeschlossen. Bei Corylus avellana sind die Cotyledonen hypogaisch, und der Epicotyl ist gebogen; aber in dem besonderen, im letzten Capital beschriebenen Falle war die Spitze verletzt und wuchs seitwarts durch den Boden wie eine Wurzel; und in Folge hier­ von hatte sie zwei secundi!.re Sproszlinge getrieben, welche gleichfalls als Bogen den Boden durcbbrachen.

Cyclamen bringt keinen gesonderten Stamm hervor und es er­ scheint zuerst nur ein einzelner Cotyledon 6 ; sein Stiel durchbricht den Boden in der Form eines Bogens (.l!'ig. 57). Abronia hat gleich­ falls nur einen einzigen vollentwickelten Cotyledon; aber in diesem

 

 

C

 

 

 

 

 

 

.

I'ig. 57. Cyclamen per,icum: Siimling, Figur vergroszert: c Scheibe des Cotyledons, noch nicht ent­

faltet, der gekriimmte Stiel beglnnt sich gerade zu strecken; h Hypocotyl In elnen Wurzelstock

entwickelt; r secund&re Wilrzelchen.

 

Falle ist es der Hypocotyl, welcher zuerst hervortritt und gekriimmt ist. Abronia umbellata bietet indessen die Eigenthiimlichkeit dar, dasz die zusammengefaltete Scheibe des einen entwickelten Cotyledon (mit dem eingeschlossenen Endosperm), wahrend er noch unter der Ober­ fliiche ist, ihre Spitze parallel zu dem absteigenden Schenkel des ge­ bogenen Hypocotyls aufwarts gewendet hat; er wird aber durcb das fortdauernde Wachsthum des Hypocotyls mit nach abwi!.rts weisender Spitze aus dem Boden heraufgezogen. Bei Cycas pectinata sind

 

ll Dies ist der Schlusz, zu welchem Dr. H. Gressner gelangt (Botan. Zei­ tung, 1874, p. 837). Er behauptet, dasz das, was von andern Botanikern filr das erste echte Blatt angesehen wird, in Wirklichkeit der zweite, in seiner Entwick­ l1111g sehr zurtlckgebliebene Co_tyledon ist.

 

[page break] Cap. 2. die Erde durchbrechen. 65

die Cotyledonen bypogllisch, und ein wirkliches Blatt durcl1bricht den Boden mit einem einen Bogen bildenden Stiel.

In der Gattung Acanthus sind die Cotyledonen gleichfalls hypo­ gaisch. Bei A. mollis durcbbricht zuerst ein einzelnes Blatt mit ge­ bogenem Stiele den Boden, dessen gegenstllndiges. Blatt viel weniger entwickelt, kurz, gerade, von gelblicher Farbe ist, mit einem anfangs nicbt halb so dicken Stiele wie dem des andern Blattes. Das unent­ wickelte Blatt wird dadurch gescbiitzt, dasz es unter seinem gebogenen Gegenstiick steht, und es ist eine instructive Thatsache, dasz es nicht gebogen ist, da es sich nicbt selbst einen

Weg durch den Boden zu erzwingen hat. In cler beistehenden Skizze (Fig. 58) hat sich der Stiel des ersten Blattes bereits theilweise gerade gestreckt, und die Scheibe beginnt sich zu entfalten. Das kleine zweite. Blatt wachst schlieszlich zu einer gleichen Grosze mit dem ersten aus, aber dieser Procesz wird bei verschiedenen Indi- viduen in sebr verschiedenen Geschwindig­ keiten bewirkt: in einem Falle erschien

 

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das zweite Blatt nicbt vollstandig iiber dem Boden bis sechs Wochen nach dem ersten Blatte. Da die Blatter in der ganzen Familia der Acantbaceen entweder einan­ der gegenstandig oder in Wirteln steben, und da dieselben von gleicher Grosze sind, ist die bedeutende Unglembheit zwischen

 

 

Fig. 58, Acanthua mollis: Siim ling, an dem der unterirdiseho Cotyledon der dem Bese;hauer zu niichst gelegenen Seite entferilt 11nd die Wilrzolehen abge1 chnitten sind: a Scheibe dos ersten Blattes im Deginn sich zu entfalten, der Stiel noch zum Thell gekrilmmt; b zwei­ tos gegenstiindlges Blatt, nooh sehr unvollkommen entwickelt; c unter­ irdlscher Cotyledon der gogcnliber­ liogenden Soito.

 

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den ersten zwei BHlttern eine eigentbiimliche Thatsache. Wir konnen wohl verstehen, wie diese Ungleichheit der Entwickelung und das Krummen des Blattstiels allmiihlich erlangt worden sein kann, wenn dies fur die Sllmlinge dadurch, dasz es ihr Hervorbrechen begiinstigte, wohlthlltig gewesen ist; denn bei A. candelabrum, spinosus und lati­ folius bestand in der Ungleichheit zwischen den ersten zwei Blattern und in der Kriimmung ihrer Blattstiele eine grosze Variabilitil.t. Bei einem Samlinge von A. candelabrum war das erste Blatt gebogen nnd neunmal so lang wie das zweite, welches letztere aus einem ein­ fachen, kleinen, gelblich-weiszen, geraden, behaarten Griffel bestand. In anderen Samlingen verhielt sich die Verschiedenheit .der Lange

D.\RWlli, Bewegungsvcrmogen. (XIII.) 5

 

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66 Art wie Hypocotyle und Epicotyle Cap. 2.

zwischen den zwei Bllittern wie 3:2, oder 4:3, oder nur 0,76: 0,62 Zoll. In diesen letzteren Fallen war das erste und langere Blatt nicht ordent­ lich gekriimmt. Endlich bestand bei einem andern Slimlinge nicht die geringste Verschiedenheit an Grosze zwischen den zwei ersten Blattern, und bei eiden von ihnen. waren die Blattstiele gerade; ihre Blattscheiben waren entfaltet und driickten gegeneinander, bildeten dabei eine lanzenformige Spitze oder einen Keil, mittelst <lessen sie durch den Boden durchgebrochen waren. Es durchbricht daher bei verschiedenen Individuen dieser selben Species von Acanthus das erste Paar Blatter den Boden nach zwei sehr verschiedenen Methoden, und wenn eine von ihnen sich als entschieden vortheilhaft oder schlidlich erwiesen hatte, wiirde ohne Zweifel eine von ihnen sehr bald vor­ geherrscht haben.

AsA GRAY hat die eigenthiirnliche Art der Keimung von drei sehr verschiedenen Pflanzen beschrieben 7, bei denen der Hypocotyl iiber­ haupt kaum sich entwickelt hat. Es wurden daher dieselben von uns in Bezug auf unseren vorliegenden Gegenstand beobachtet.

Delphi ni u m nu di c a 1t le. - Die verllingerten Blatts tiele der beiden Cotyledonen sind zusammengeflossen (wie es zuweilen auch ihre Scheiben an der Basis sind), und sie brechen in der Form eines Bogens durch die Erde. In dieser Weise sind sie in einer auszerst tauschenden Art einem Hypocotyl ahnlich. Anfangs sind sie solid, werden aber nach einiger Zeit rohrig, und der basale Theil unterhalb der Oberflache wird in eine hohle Kammer erweitert, innerhalb deren die jungen Blatter sich ohne irgend eine vorspringende Plumula ent­ wickeln konnen. Auszerlich werden an den zusammenflieszenden Blatt­ stielen Wurzelhaare entweder ein wenig oberhalb oder in gleicbem Niveau mit der Plumula entwickelt. Das erste Blatt ist auf einer friihen Wacbsthumsperiode, und wabrend es nocb innerbalb der Kam­ mern liegt, vollkommen gerade, aber der Stiel wird bald gekriimmt, und die Anschwellung dieses Theiles (und wahrscheinlicb die Scheibe) offnet eine Seite der Kammern spaltf6rmig, und dann tritt das Blatt hervor. Der Spalt ergab sicb in einem Falle als 3,2 mm lang und lag auf der Verwachsungslinie der zwei Blattstiele. Wenn das Blatt zuerst aus der Kammer hervortritt, ist es nocb unterhalb des Bodens vergraben, und nun wird ein oberer Theil des Blattstiels iu der Na.be

 

Botanical Text-book, 1879. p. 22.

 

[page break] Cap. 2. die Ertle durchbrechen. 67

der Scheibe in der gewohnlichen Weise gebogen. Das zweite Blatt tritt aus dem Spalt entweder gerade oder etwas gebogen hervor, aber spater krummt sich der obere Theil des Blattstiels, sicher in einigen. und wir glauben in alle.n Fallen, - wahrend er sich einen vYeg durch den Boden erzwingt.

Megarrhiza calif o rnica. - Die Cotyledonen dieses Kflrbis befreien sich niemals von den Samenhullen und sind hypogaisch. llue Blattstiele flieszen vollstandig zusammen und bilden ein Rohr, welches nach unten in eine kleine solide Spitze ausgeht, die aus einem sehr kleinen Wfirzelchen und einem Hypocotyl besteht, wahrend die gleich­ falls minutiose Plumula innerhalb der Basis des Rohrs eingeschlossen ist. Diese Bildungsweise wurde von einem abnormen Exemplar gut dargeboten, an welchem einer der beiden Cotyledonen keinen Blattstiel entwickelte, wahrend der andere einen solchen bildete, der aus einem o:tfenen, in eine scharfe Spitze ausgehenden Halbcylinder bestand, der aus den eben beschriebenen Theilen gebildet wurde. Sobald die zu­ sammenflieszenden Blattstiele aus den Samen hervortreten, biegen sie sich abwarts, da sie stark geotropisch sind und durchbohren den Boden. Der Same selbst beMlt seine ursprfingliche Stelhmg bei, entweder an der Oberflache oder in einiger Tiefe vergraben, wie es der Fall geben mag. Wenn indessen die Spitze der zusammenflieszenden Blattstiele im Boden irgend ein Hindernis trifft, wie es bei den von AsA GRAY beschriebenen 8 und abgebildeten Samlingen eingetreten zu sein scheint, werden die Cotyledonen uber die Erde heraufgehoben. Die Blattstiele sind mit Wurzelhaaren gleich denen an einem echten Wiirzelchen be­ kleidet, und sie sind Wiirzelchen auch darin ahnlich, dasz sie bei dem Eintauchen in eine Losung v-0n i\bermangansaurem Kali braun werden. Unsere Samen wurden einer hohen Temperatur ausgesetzt und im Ver­ laufe von drei oder vier Tagen durchbohrten die Blattstiele den Boden senkrecht bis zu einer Tiefe von 2-2½ Zollen, und nicht friiber als nun fi.eng das echte Wiirzelchen zu wachsen an. In einem Exemplar, welches sorgfaltig beobachtet wurde, erreicbt_!)n die Blattstiele 1n sieben Tagen nach ihrem ersten Hervortreten eine Lange von 2½ Zoll, und das Wiirzelcben war in dieser Zeit gleichfalls ordentlich entwickelt. Die noch innerhalb des Rohres eingeschlossene Plumula war nur 0,3 Zoll lang und vollkommen gerade; aber weil sie an Dicke zugenommen

 

8 American. Journal of Science, Vol. 14. 1877, p. 21.

 

[page break] 1:38 Art wie Hypocotyle und Epicotyle Cap. 2.

hatte, hatte sie soeben angefangen, den unteren Theil der Blattstiele auf einer Seite, der Linie ihres Verschmelzens entlang, aufzuspalten.

.Am folgenden Morgen hatte sich der obere Theil der Plumula in

einem rechten Winkel gebogen, und die con­ vexe Seite war hierdurch ans dem Spalt heraus­ gezwangt worden. Es spielt daher die Bie­ gung der Plumula bier dieselbe Rolle wie bei Delphinium die Blattstiele. Wie die Plu­ mula zu wachsen fortfuhr, wurde die Spitze noch mehr gekriimmt, und im Verlaufe von sechs Tagen trat sie durch die 2½ Zoll dariiber liegende Erde hervor, noch immer ihre ge­ kriimmte Form beibehaltend. Nachdem sie die Oberflache erreicht hatte, streckte sie sich in der gewohnlichen Weise gerade. In der bei­ stehenden Figur (Fig. 58 A) haben wir eine Skizze eines Samlings in diesem vorgeschrit­ tenen Entwickelungsstadium; die Oberflache

 

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l-'ig. 58 A. M,ga,rhiza califo,•­ nt'ea: Skizzc eines Siimlings, nach A< Gray copirt, auf die halbe OrOsze redncirt: c Cotyledonen innerhalb der Samt'nhiillen; p die zwei zusammenfiieszen­ den Stlele; h und r Hyporotyl mHl ,vurzelchcn; pi Plumula; G ...GObcrfiiichc <lcs Bot.lens.

 

des Bodens wird durch die Linie G G dar­

gestellt.

Das Keimen der Samen in ihrer califor- nischen Heimath geht in einer etwas verschie­ denen Weise vor sich, wie wir aus einem inter­

 

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essanten Briefe von Mr. RATTAN, den uns Professor AsA GRAY geschickt hat, sehen. Die Blattstiele treten aus qen Samen bald nach den Herbstregen hervor und durchbohren den Boden allgemein in einer senkrechten Richtung bis zu einer Tiefe von 4 bis selbst 6 Zoll. Mr. RATTAN fand sie wahrend der Weihnachtsferien in diesem Zu- stande mit den Plumulae noch innerhalb der Rohren eingeschlossen, und er macht die Bemerkung, dasz, wenn die Plumulae sich sofort entwickelt und die Oberfliiche erreicht batten (wie es bei unseren Samen eintrat, welche ei_ner hohen Temperatur ausgesetzt waren), sie sicher durch den Frost getodtet worden sein wurden. Wie der Fall liegt, so bleiben sie in einiger Tiefe unter der Oberflache ruhen und werden dadurch gegen die KiHte geschutzt, und die Wurzelhaare an den Blattstielen versehen sie mit hinreichender Feuchtigkeit. Wir werden spater sehen, dasz viele Samlinge dnrch einen sehr verschie­ denen Vorgang gegen den Frost geschiitzt w1:1rden, namlich dadurch.

 

[page break] Cap. 2. die Ertle dnrchbrechen.

 

dasz sie durch die Zusammenziehung ihrer Wurzelchen unter die Ober­ fliiche hinabgezogen werden. Wir konnen indessen annehmen, dasz die auszerordentliche Art der Keinmng bei Me_qarrhiza noch einen anderen und secundliren Vortheil hat. Das Wurzelchen beginnt in wenig Wochen sich zu einem kleinen Knollen zu vergroszern, welcher dann sehr reich an Starkemehl und nur unbedeutend bitter ist. Es wiirde daher sebr leicht von Thieren verzehrt werden, wenn es nicht, so lange es jung und zart ist, dadurch geschutzt wiire, dasz es in einer Tiefe von einigen Zoll unter der OberfHiche eingegraben liegt. Scblieszlich wlichst es zu einer ungeheuren Grosze heran.

Ip omoea le p toph y lla. - In den meisten Arten dieser Gat­

tung ist der Hypocotyl gut entwickelt und durchbricht den Boden als tin Bogen. Aber die Samen der vorliegenden Species verhalten sich beim Keimen gleich denen von 1lfegarrhiza, mit Ausnahme des Um­ standes, dasz die Cotyledonen nicht zusammenfl.ieszen. Nacbdem sie aus dem Samen vorgetreten sind, sind sie an ihren unteren Enden mit dem unentwickelten Hypocotyl und unentwickelten Wfirzelchen, welche zusammen eine ungeflihr nur 0,1 Zoll lange Spitze bilden, vereinigt. Sie sind anfangs in hohem Grade geotropisch und durchbohren den Boden bis zu einer Tiefe von etwas mehr als einem halben Zoll. Dann flngt das Wiirzelchen zu wachsen an. Bei vier Gelegenheiten wurden die Blattstiele , nachdem sie eine kurze Strecke lang senkrecht abwiirts gewachsen waren, in feuchter Luft im Dunkeln in eine horizontale Stellung gebracht und im Verlaufe von 4 Stunden waren sie wiederum

• senkrecht. nach abwarts gekriimmt, wobei sie in dieser Zeit 90° durch­ laufen batten. Ihre Empfi.ndlichkeit gegen Geotropismus dauert indessen nur 2 oder 3 Tage; und nur der terminale Theil ist auf einer Lange von zwischen 0,2 und 0,4 Zoll in dieser Weise empfindlich. Obschon die Blattstiele unserer Exemplare den Boden zu keiner groszeren Tiefe als ungefahr einen halben Zoll durchbohrten, fuhren sie doch einige Zeit lang rapid zu wachsen fort und erreichten endlich die bedeutende Lange von ungeflihr 3 Zoll. Der obere Theil ist apogeotropisch und wachst daher senkrecht aufwllrts, ausgenommen einen kurzen Theil dicht an den Blattscheiben, welcher in einer friihen Periode abwarts gekriimmt und gebogen wird und in dieser Weise den Boden durch­ bricht. Spiiter streckt sich dieser Theil, und die Cotyledonen machen sich von den Samenhullen frei. Wir haben hiernach im vorliegenden Falle in verschiedenen Theilen eines und desselben Organs sehr

 

[page break] 70 .Art wie Hypocotyle unJ Epicotylc Cap. 2.

verschiedene Arten von Bewegung und von Empfindlichkeit; denn der basale Theil ist geotropisch, der obere Theil apogeotropisch, und eine Partie in der Nahe der Blattscheiben kriimmt sich zeitweise und ganz spontan. Die Plumula wird eine knrze Zeit noch nicht entwickelt, und da sie zwischen den Basen der parallelen und dicht an einander ge­ naherten Blattstiele der Cotyledonen, welche beim Durchbrechen des Bodens einen beinahe offenen Dnrcltgang gebildet haben, emporsteigt, so braucht sie nicht gekriimmt zu sein nnd ist daher immer gerade. Ob die Plumula in ihrem Heimathlande vergraben und eine Zeitlang schlnmmernd bleiht und dadurch gegen die Winterkalte geschiitzt wird, wissen wir nicht. Das Wiirzelchen wachst gleich dem von Jlegar­ rhiza zu einer knollenartigen Masse aus, welche schlieszlich eine be­ deutende Grosze errt>icht. Dies ist auch der Fall bei lpo111oea J>t111- 1l11mta, deren Keimung, wie uns ASA GHAY mittheilt, der von

I. fr1itoph ylla iihnlich ist.

Der folgende Fall ist im Zusammenhange mit der wurzelahnlichen Natur der Blattstiele interessant. Das Wiirzelchen eines Samlings wurde abgeschnitten, da es vollstandig abgestorben war, nnd die zwei nun getrennten Cotyledonen wurden gepflanzt. Sie schickten ans ibren Basen Wurzeln ab und blieben zwei Monate lang griin urnl gesund. Die Scheiben von beiden waren verwelkt und bei dem Ent­ fernen der Erde zeigten sich die Basen der Blattstiele (anstatt des Wiirzelchens) zu kleinen Knollen vergroszert. Ob dieselben die Fahig­ keit gehabt haben wiirden, zwei selbstandige Pflanzen im folgenden Sommer zu entwickeln, wissen wir nicht.

Bei Quercus virens sind nach der Angabe von Dr. ENGELMANN9 die beiden Cotyledonen und ihre Blattstiele zusammenflieszend. Die letzteren wachsen bis zu einer Lange "von einem Zoll oder selbst noch mehr"; und wenn wir ihn richtig verstehen, bohren sie sich in den Boden, so dasz sie geotropisch sein miissen. Die Nahrnng innerhalb der•coty­ ledonen wird dann schnell nach dem Hypocotyl oder Wiirzelchen iibertragen, welches dadurch zu einem spindelformigen Knollen ent­ wickelt wird. Die Thatsache, dasz Knollen von den vorstehend erwahnten, sehr verschiedenen Pfl.anzen gebildet werden, fiihrt uns zn der Annahme , dasz ihr Schutz vor Thieren in einem friihen Alter, und so lange sie zart sind, wenigstens einer der Vortbeile ist, welcher

 

9 Transact. Acad. St. Louis, Vol. 4. p. 190.

 

[page break] Cap. 2. die Ertle durchbrechen. 71

durch die merkwiirdige Verllingerung der Stiele der Cotyledonen erreicht wird, zusammen mit ibrem Vermogen den Boden wie Wurzeln unter der Leitung des Geotropismus zu durchbohren.

Die folgenden Falle mogen hier angefiibrt werden, da sie sich auf unseren vorliegenden Gegenstand, wenn scbon nicht auf die Sllmlinge bezieben. Der Bliithenstengel der parasitiscben Lathraea squamaria, welcher keine echten Blatter hat, durchbricht den Boden in der Form eines Bogens10 Dasselbe geschieht mit dem Bltithenstengel der para­ sitischen und blattlosen Monotropa hypopitys. Bei Helleborus niger durchbrechen die Bliithenstengel, welche unabhangig von den Blattern sich erheben, gleichfalls den Boden als Bogen. Das ist auch der Fall mit den bedeutend verlangerten Bliithenstengeln eben so wie mit den Blattstielen von Epirnedium pinnatum. Dasselbe ist der Fall mit den Blattstielen von Ranunculus ficaria, wenn sie den Boden zu <lurch-

10 Der Durchtritt des Bliithenstengels von Lathraea musz natiirlich durch die auszerordentliche Menge Wasser, welche zu dieser Jahreszeit von den unter­ irdischen sQliuppenartigE>n Bliittern abgesondert wird, bedeutend erleichtert werden; es ist aber kein Grund zur Annahme vorhanden, dasz dies eine specielle Anpassung fiir diesen Zweck ist; es ist wahrscheinlich die Folge davon , dasz im zeitigen Friihjahr von den parasitischen Wurzeln eine grosze Menge Saftes absorbirt wird. Nach einer langen, vollig regenlosen Zeit war die Erde hellgefiirbt und sehr trocken geworden; sie war aber bis zu einer Entfernung von mindestens sechs Zoll rings um einen jeden Bliithenstengel dunkel gefiirbt und feucht, stellenweise ganz nasz. Das Wasser wird von Driisen abgesondert (von Cohn beschrieben, Berichte der botan. Section. , Schles. Gesellsch. 1876, p. 113), welche die jedes schuppen­ artige Blatt durchlaufende Liingscanale auskleiden. Eine grosze Pfianze wurde ausgegraben, dnrch Waschen die Erde entfernt, dann eine Zeit lang ablaufen gc­ lassen und am Abend auf eine trockene Glasplatte gelegt und mit einem Glassturz bedeckt; am Morgen hatte sie einen groszen Teich von Wasser abgesondert. Die Glasplatte wnrde trocken gewischt nnd im Verlaufe der niichsten 7 oder 8 Stunden war wieder eine kleine Pfiitzc ahgcsondert, nnd nacb weiteren 16 Stunden mehrere grosze Tropfon. Eine klcinere Pfianze wurde gewaschen uud in ein hohes Glas gethan, welches eine Stumlc lang gencigt gehalten wnrde; nach dieser Zeit fiosz kein Wasser mehr ab. Das Glas wurde dann gerade gestellt und geschlossen; nach 23 Stunden wurden zwei Drachmen Wassers vom Boden gesammelt und nar.h weiteren 25 Stunden nnch etwas mehr. Die Bliithenstengel wurden nun ai>ge­ schnitten, denn sie sondern nicht ab; das Gewicht des unterirdischen Theils der Pflanze ergab sich zn 106,8 Gramm (1611 Gran) nnd das wiihrend dcr 48 Stun­ den abgesonderte Wasser wng 11,9 Gramm (183 Gran), - d. i. ein Neuntel des ganzen Gewichts der Pfianze mit Ausschlnsz der Bliithenstengel. Wir miissen uns daran erinnern, dasz Pfianzen im Naturzustande wahrscheinlich in 48 Stunden vie! mehr als die obige Menge absondcrn; denn ihre Wurzeln werden wiihrrml der ganzen Zeit fortfahren, aus der Pflanze, auf welcher sie parasitisch leben, Saft zn absorbircn.

 

[page break] 72 Art wie Hypocotyle 1111,l Epicotyle Cap. :!.

brechen haben. Entspringen sie aber ron der Spitze rles Knollens ober­ halb des Bodens, so sind sie ron Anfang an Yollkommen gerade, und dies ist eine der Beachtung werthe Thatsache. Die Rhachis des Adler­ farnkrautes (Pteris aquiliua) und einiger anderen, wahrscl1einlich vieler Farne erhebt sich gleichfalls unter der Form eines Bogens iiber dem Boden. Ohno Zweifel lieszen sich bei sorgf.iltigem Ruchen andere, analoge Falle auffinden. Bei allen gewohnlichen Fallen von Zwie­ beln, Rhizomen, Wurzelstocken u. s. w., welche untf!r der Ertle bP­ graben liegen, wird die Oberfli1che durch cinen von den jungen, dach­ ziegelformig angeordneten Bliittern gehildeten Kegel dnrchhrochPn, deren combinirtes Wachsthum ihnen zu diesem Zwecke hinreichendP Kraft gibt.

Bei dem Keimen monocotyledoner Samen, von denen wir indesz keine grosze Anzahl beobachtet haben, sind die Plumulae, beispiels­ weise die von Asparagus und Canna, wahrend sie den Boden durch­ brechen, gerade. Bei den Gramineen sind die scheidenartigen Coty­ ledonen gleichfalls gerade, sie endigen indessen in einer scharfen Kante, welche weisz und etwas verhartet ist, und diese Bildung erleichtert offenbar ihr Heraustreten ans der Erde; die ersten wahren Blatter treten aus der Scheide <lurch einen Schlitz unter der meiselartigen Spitze und rechtwinklig auf sie hervor. Bei der Zwiebel ( Allium cepa) begegnen wir wiederum einem Bogen; der blattartige Cotyledon ist plotzlich gebogen, wenn er den Bogen durchbricht, und die Spitze noch immer innerhalb der Samen eingeschlossen. Der Scheitel des Bogens wird, wie friiher beschrieben wurde, zu einem weiszen conischen Vor­ sprunge entwickelt, von dem wir ruhig annehmen konnen, dasz er eine zu diesem Zwecke auftretende specielle Anpassung ist.

Die Thatsache, dasz so viele Organe verschiedener Arten - Hypo­ cotyle und Epicotyle, die Blattstiele mancher Cotyledonen und einiger ersten echten Blatter, die Cotyledonen der Zwiebel, die Rhachis einiger Farnkrlluter und einige Bliithenstengel - sammtlich gebogen sind, wlihrend. sie den Boden durchbrechen, beweist, wie richtig Dr. HABER­ LANDT's BemerkungenH iiber die Bedeutung des Bogens fur Pflanzen­ samlinge sind. Er schreibt die hauptsachlichste Bedeutung dem zu,

 

11 Die Schutzeinrichtungen in der Entwickelung der Keimpflanze, 1877. Wir haben aus dieser interessanten Abhandlung viel gelernt, obschon uns unsere Be­ obachtungen auf Dift'erenzen von dem Verfasser in Bezug auf einige Pnnkte ge­ fiihrt hahen.

 

[page break] Dap. 2. die Erde durchbrechen. 73

flasz die oberen jungen und zarteren Theile des Hypocotyls oder Epicotyls bierdurch vor dem Gerieben- und Gedriicktwerden beim Durch­ brechen des Bodens geschfitzt werden. Wir glanben indessen, dasz einige Bedeutung aucb dem zngeschrieben• werden dfirfte, dasz der Hypocotyl, Epicotyl oder ein anderes Organ, wenn es zuerst gebogen ist, vermebrte Kraft erhalt; denn. beide Schenkel des Bogens nehmen an Lange zu, und beide baben Widerstandspunkte, so lange die Spitze innerbalb der Samenbiillen eingescblossen bleibt; und bierdurcb wird

<ler Scheitel des Bogens <lurch die Erde mit zweimal so viel Kraft

<lurchgetrieben, als diejenige betragt, welche ein gerader Hypocotyl

u. s. w. ausiiben konnte. Sobald indessen das obere Ende sich frei­ gemacbt bit, ist die ganze Arbeit von dem basalen Schenkel allein ans­ zufiihren. Bei der gemeinen Bohne wuchs der basale Schenkel (die Spitze batte sich von den Samenhfillen freigemacht) mit einer Kraft ach aufwarts, welche binreichte, eine diinne mit 12 Unzen bescbwerte Zinkplatte emporzuheben. Es wurden zwei weitere Unzen hinzugefugt, und die 14 Unzen wurden bis zu einer sebr geringen Robe erhoben; dann gab der Epicotyl nach und bog sich nach einer Seite.

In Bezug auf die ursprfingliche Ursacbe des Beugungsprocesses glaubten wir bei vielen Samlingen, dasz derselbe der Art und Weise zugeschrieben werden konne, in welcber der Hypocotyl oder Epicotyl innerhalb der Samenhfillen zusammengepackt und gekriimmt• sei, nnd dasz die gekriimmte, hierdurch erlangte Form einfach so lange bei­ behalten wfirde, bis die in Frage stehenden Theile die Oberflache der Erde erreichten. Es ist aber zweifelhaft, ob dies in allen Fallen wirk­ lich der ganze Hergang ist. Denn es ist z. B. bei der gemeinen Bohne der Epicotyl oder die Plumula in einem Bogen gekriimmt, wll.hrend er durch die Samenhiille hindurchbricbt, wie es in Fig. 59 (p. 77) gezeigt ist. Die Plumula treibt zuerst einen soliden Hocker (e in A) hervor, welcher nacb einem 20stiindigen Wacbsthum sich als die Krone des Bogens (e in B) herausstellt. Nichts desto weniger ent­ wickelten sicb bei mehreren Bohnen, welche in feucbter Luft gekeimt batten und aucb in anderer Weise in einer unnatiirl chen Art und Weise behandelt worden waren, kleine Plumulae in den Acbseln der Blattstiele beider Cotyledonen, und diese waren ebenso vollkommen gekrfimmt, wie die normale Plumula, und <loch waren sie keinerlei mngeschlossensein oder Druck ausgesetzt, denn die Samenhtillen waren vollstandig zerrissen, und sie wuchsen in der freien Luft. Dies

 

[page break] i4 Art wie Hypocotyle 1111tl Epicot}le Cap. :!.

beweist, dasz die Plumula eine eingeborene oder spontane Neigung sich zu krtimmen besitzt.

Jn einigen anderen Fallen dringt der Hypocotyl oder Epicotyl zuerst nur unbedeutend gebogen aus den Samen hervor, die lleugung nimmt aber spater, unabhlingig von irgend einem Drucke, zu. Hier­ durch wird der Bogen eng gernacht; die beiden Schenkel, welche zu­ weilen sehr verlangert sind, liegen parallel und dicht aneinander, und hierdurch wird er fur das Durchbrechen des Bodens gut angepaszt. Bei vielen Pflanzenarten liegt das Wiirzelchen, wahrend es noch innerhalb des Samens eingeschlossen ist und ehenso noch nach seinem ersten Vordringen, in einer geraden Linie mit dem kiinftigeu Hypo­

cotyl und mit der Langenaxe der Cotyledonen. Dies is,t der Fall bei

Oucurbita ovifem; trotzdem kam der Hypocotyl, in welcher Stellung

auch die Samen eingegraben wurden, immer in einer besonderen Rich­ tung gekrtimmt hervor. Sameu wurden in zerreiblichen Torf in einer Tiefe von ungefahr einem Zoll in einer senkrechten Stellung gepfianzt, mit dem Ende, aus dem das Wiirzelchen vordringt, nach unten. Es nahmen daher sammtliche Theile dieselben relativen Stellungen ein, welche sie schlieszlich einnehmen wiirden, uachdem die Samlinge sich frei iiber die Oberflache erhoben baben wiirden. Trotz dieser Tbat­ sache kriimmte sich der Hypocotyl und da der Bogen aufwarts durch den Torf wuchs, wurden die eingegrabenen Samen entweder mit der oberen -Seite nach unten gewendet .oder lagen horizontal und wurden spater iiber den Boden hervorgezogen. Schlieszlich streckte sich der Hypocotyl in der gewohnlichen Weise gerade; und nun nahmen die verschiedenen Theile nach diesen slimmtlichen Bewegung-en die namliche Stellung in Bezug zu einander und zum Mittelpunkte der Ertle ein, welche sie eingenommen hatten , als die Samen zuerst eingegraben wurden. Aber in diesen und andern derartigen Flillen konnte man folgern, dasz der Same, wenn der Hypucotyl aufwarts <lurch den Boden wachst, beinahe sicher nach der einen Seite gewendet werde, und dann wiirde der obere Theil des Hypocotyls wegen des Widerstandes, welchen er wlihrend seiner weiteren Erhebung ausiiben musz, auf sich selbst zuriickgebeugt und daher bogenformig gekriimmt werden. Diese An­ sicht scheint um so wahrscheinlicher, weil bei Ranunwlus ficarin nur die Blattstiele, welche einen Gang durch die Erde sich erzwingen, bogenfOrmig gekriimmt werden , und nicht diejenigen, welche ans den Spitzen der Knollen oberhalb der Ertle entspringen. Nichts desto

 

[page break] Cap. 2. die Erde durchbrechen. 75

weniger gilt diese Erklarung fur Cucurbita nicht, denn .als keimende Samen in feuchter Luft in verschiedenen Stellungen durch Nadeln, welche durch die Cotyledonen gesteckt wurden, an die Innenseite der Deckel von Glasgefaszen befestigt aufgehangt wurden, in welchem Falle die Hypocotyle keinerlei Reibung oder Nothigung ausgesetzt wnrden, wurde <loch der obere Theil spontan bogenformig gekrilmmt. Diese Thatsache beweist iiberdies, dasz es nicht das Gewicht der Cotyledonen ist, welcbes die Kriimmung verursacht. Samen von Helianthus annuus und von zwei Species von Ipomoea (die von L bona nox sind fiir die Gattung grosz und schwer) wurden in derselben Weise an Nadeln be­ festigt und die Hypocotyle wnrden spontan gebogen. Die Wiirzelchen, welche senkrecht hinabgehangen batten, uahmen in Folge hiervon eine horizontale Stellung ein. Bei Ipomoea leptopltylla sind es die Stiele der Cotyledonen, welche beim Aufsteigen <lurch den Boden bogen­ formig gekriimmt werden, und dies trat spontan ein, wenn die Samen an die Glasdeckel befestigt wurden.

Es laszt sich indesz mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuthen, dasz die bogenformige Kriimmung urspriinglich durch mechanischen Zwang verursacht worden ist in Folge der Einschlieszung der in Frage stehenden Theile innerhalb der Samenhiillen oder der Reibung, wahrend sie nach aufwarts gezogen wurden. Ist dies aber der Fall, so miissen wir nach den eben gegebenen Fallen annebmen, dasz in dem oberen Theile der verschiedenen speciell angefiihrten Organe eine Neigung, sich nach abwarts zu biegen und in dieser Weise gekrtlmmt zu werden jetzt bei vielen Pflanzen fest vererbt ist. Die Kriimmung, von welcher Ursache sie auch abhangen mag, ist das Resultat modificirter Circum­ nutationen in Folge von vermehrtem Wachsthum entlang der convexen Seite des Theiles; ein derartiges Wachsthum ist nur zeitweilig; denn der Theil streckt sich spater immer durch vermehrtes Wachs­ thum der concaven Seite entlang, gerade, wie spater beschrieben werden wird.

Es ist eine merkwiirdige Thatsache, dasz die Hypocotyle einiger Pflanzen, wenn sie nur wenig entwickelt sind, und welche ilue Coty­ ledonen niemals iiber den Boden erheben, nichts desto weniger eine geringe Neigung sich bogenformig zu kriimmen erben, obschon diese Bewegung fiir sie von nicht dem geringsten Nutzen ist. Wir bezieben uns bier auf eine von SACHS bei den Hypocotylen der Bohne und einiger anderer Leguminosen beobachteten Bewegung, welche auch in dcr

 

[page break] 76 Art wie Hypocotyfo uud Epicotyle Cap. 2.

beistehenden aus seiner Abhandlung 12 copirten Figur (Fig. 59) dargestellt ist. Der Hypocotyl und das Wiirzelchen wachsen zuerst senkrecht nach abwlirts, wie bei A, und biegen sich dann, hliufig im Verlaufe von 24 Stunden in die bei B gezeigte Stellung. Da wir spliter hliufig auf diese Bewegung zuriickzukommen haben werden, wollen wir der Kiirze halber dieselbe ,,Sachs' Krf1mmung" nennen. Auf den ersten Blick mochte man meinen, dasz die veranderte Stellung des Wfir­ zelchens bei B giinzlich eine Folge des Hervorwachsens des Epicotyls

(e) sei, wobei der Stiel als Angelpunkt diente, und es ist wahr­ scheinlich, dasz dies zum Theil die Ursache ist. Aber der Hypocotyl und der obere Theil des Wiirzelchens werden selbst unbedeutend gekriimmt.

Die obige Bewegung bei der Bohne wurde wiederholt von uns gesehen; unsere Beobachtungen wurden aber hauptsachlich an Phaseolus multifiorus angestellt, dessen Cotyledonen gleichfalls unterirdisch sind. Es wurden zuerst einige Samlinge mit gut entwickelten Wiirzelchen in eine Losung ,on iibermangansaurem Kali eingetaucht, und nach den Veranderungen der Farbung zu urtheilen (obschon diese nicht sehr deutlich bestimmt waren), ist der Hypocotyl ungefahr 0,3 Zoll lang. Gerade, diinne, schwarze Linien von dieser Lange wurden nun von den Basen der kurzen Blattstiele aus entlang den Hypocotylen von 23 keimen- • den Samen gezogen, welche an Nadeln befestigt an Glasdeckel mit dem Hylum nach abwarts und mit ihren Wfirzelchen nach dem Mittel­ punkte der Erde hinweisend aufgehiingt wurden. Nach einem Zwischen­ raume von 24-48 Stunden waren die schwarzen Linien an den Hypo­ cotylen von 16 unter den 23 Samlingen deutlich gekriimmt, aber in sehr verschiedenen Graden, und zwar in derselben relativen Richtung, wie bei B in Fig. 59 gezeigt ist. (Die Kriimmung hatte Radien zwi­ scben 20 und 80 mm an SACHS' Cyclometer.) Da der Geotropismus ()ffenbar diese Kriimmung aufzubeben streben wiirde, lieszen wir sieben Samen mit den gehorigen Vorsichtsmaszregeln betreffs ihres Wacbs­ thums in einem Klinostat 13 keimen, durch welches Mittel Geotropismus beseitigt wurde. Die Stellung der Hypocotyle wurde wll.brend vier aufeinander folgender Tage beobacbtet, und sie fubren fort sich nacb

 

11 Arbeiten des botan. Instituts Wiirzburg, 1. Bd. 1873. p. 403.

13 Ein von Sachs angegebenes Instrument, welches wesentlich aus einer sich langsam umdrehenden Axe besteht, anf welcher die zu bP-obachtende Pflanze be­ festigt wird. s. Arbeiten d. botan. Institute Wilrzburg, 1879. p. 209.

 

[page break] Cap. 2. die Ertle durchbrechen. 77

dem Hylum und der unteren Flache des Samens zu biegen. Am vierten Tage waren sie unter einem mittleren Winkel von 63° von einer senk­ recht auf die nntere Flacbe gezogenen Linie abgebogen und waren

B

 

 

 

 

e

,,,,,,,,c} -------

 

r

 

 

J

 

 

Fig, 59. Vicia jaba: Keimende Samen in feuchter Luft aufgehiingt: A mit senkrecht nacb ab­ "iirts waohsenden ,vurzelchen ; B dieselbe Bohne nach 24 Stunden und nachdem das Wiirzolchen sich gekriimmt hat;• ,vurzelchen; lo kurzer Hypocotyl; e, Eplcotyl In A als Knopf, in B als Bogen erschelnend; p Stiel des Cotyledone , der letztere in der Samenhiillc elngeschlossen.

 

daher betrachtlich mehr gekriimmt als der Hypocotyl und das Wiirzel­ chen bei B (Fig. 59), obschon in derselben relativen Richtung.

, Es wird, wie wir vermuthen, angenommen werden, dasz alle Legu­ minosen-Pfl.anzen mit unterirdischen Cotyledonen von Formen abstam­ meu, welche friiher ibre Cotyledonen in der gewohnlichen Weise iiber die Erde emportrieben; und w.enn sie dies thaten, ist es beinabe sicber, dasz ihre Hypocotyle eine plotzlicbe Kriimmung gemacht haben werden, wie es bei jeder anderen dicotyledonen Pfl.anze der Fall ist. Dies ist besonders klar bei Phaseolus ; denn unter fiinf Species, deren Si\mlinge wir beobachteten, ni\mlich Ph. multifiorus, Caracalla, vulgaris, Her­ nandezii und Roxburghii (Bewohner der alten und neuen Welt) baben die drei zuletzt genannten Species gut entwickelte Hypocotyle, welche den Boden in der Form von Bogen durchbrechen. Wenn wir uns nun vorstellen, dasz ein S!lmling der gemeinen Bohne oder von Ph. multi­ fiorus sich so beni\bme, wie seine Urerzeuger es frfther thaten, so wiirde der Hypocotyl (h, Fig. 59), in welcher Stellung der Same nur immer eingegraben worden sein mag, so bedeutend bogenf'Ormig ge­ krtimmt werden, dasz der obere Theil dem unteren parallel nach unten

 

[page break] 78 Rudimentiire Cotyle,lonen. Cap. 2.

gefaltet wird, und dies ist grnau die Art von Krfimmung, welchf' factisch bei diesen zwei Pflanzen, wenn schon in einem viel geringeren Grade eintritt. Wir konneu daher kaum daran zweifeln, dasz ihre kurzen Hypocotyle durch Vererbung eine Neigung sich in derselben Art und Weise zu krtimmen beibehalten hal,en, wie sie es zu einer friiheren Periode thaten, wo diese Bewegung im hohen Grade bedeutungs­ voll fiir sie war, in Bezug auf das Durchbrechen des Bodens, obschon

€S jetzt dadurch nutzlos geworden ist, weil die Cotyledonen hypogiiisch sind. Rudimentilre Bildungen sind in den meisten Fallen in hohem Grade variabel, und wir konnen erwarten, dasz rudimentare oder obso­ lete Functionen es gleichfalls sind; und Sachs' Kriimmung variirt der Ausdehnung nach auszerordentlich und schlagt zuweilen vollstandig fehl. Dies ist der einzige uns bekannte Fall von einer Vererbung von Bewegungen, wenn schon in einem schwachen Grade, welche durch Veranderungen, die die Species erlitten hat, iiberfliissig geworden sind.

Rudimentare Cotyledon en. - Einige wenige Bemerkungen i.iber diesen Gegenstand mogen bier eingeschaltet werden. Es ist wohl bekannt, dasz einige dicotyledone Pflanzen nur einen einzigen Cotyledon hervorbringen, z. B. gewisse Species von Ranunc11lus, Corydalis,

Chaerophyllum; und wir wollen versuchen zu zeigen, dasz der Verlust

c

C

 

 

 

 

r 1'

 

 

A. B.

!ni;. 60. OitrutJ aurantium • z,,ei junge a.ml111ge: c grilszerer Cotyledon; c' klcincrer Cotyledon; It ,erdickter Hypocotyl, r ".,.tirzclchen. Bei A 1:-;t der Ep1cotyl uoch bogenformig gekrilmmt., bei B ist er aufrecht geworden.

-des einen oder beider Cotyledonen allem Anschein nach eine Folge

-davon ist, dasz ein Vorrath von Nahrung in irgend einem anderen Theile der Pflanze, wie im Hypocotyl oder in einem der zwei Coty­ ledonen oder in einem der secundaren Wiirzelchen aufgespeichert wird. Bei der Orange (Citrus aurantium) sind die Cotyledonen unterirdisch, und der eine ist groszer als der andere, wie bei A (Fig. 60) zu sehen

 

[page break] Cap. 2. Rudimentiire Cotyledonen. 79

ist. Bei B ist die Ungleichheit noch etwas groszer, und der Stamm ist zwischen den lnsertionspunkten der zwei Blattstiele gewachsen. sodasz sie nicht einander gegenstandig sind; in einem andern Palle betrug die Entfernung zwischen ihnen ein Funftel Zoll. Der kleinere Cotyledon eines Samlings war auszerst diinn und uicht halb so lang, wie' der groszere, sodasz er dentlich rudimentar wurde 14 Bei allen diesen Samlingen war der Hypocotyl vergroszert oder angeschwollen. Bei Abronia umbellata ist der eine von- den Cotyledonen voll­ standig rudimentar, wie bei c in Fig. 61 zu sehen ist. In diesem Exemplar bestand er aus einem kleinen griinen Lappchen, welches

,', Zoll lang, ohne Stiel und mit Driisen be­ deckt war gleich denjenigen auf einem voll­ standig entwickelten Cotyledon (c). Anfangs stand er dem groszeren Cotyledon gerade gegeniiber; aber wie der Stiel des letzteren an Lange zunahm und in derselben Richtung wie der Hypocotyl (h) wuchs, erscliien das Rudi­ ment bei alteren Samlingen, als wenn es eine Strecke weit am Hypocotyl hinab slisze. Bei Abronia arenaria findet sich ein abnliches Rudiment, welches in einem Exemplar nur -dIT,

in einem anderen ir1ir Zoll lang war; es erschien Fig. 61. A/,,-onin mnl,e/lata:

 

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schlieszlich

 

Siimllng, doppelto nnttirliche

! G1,;S1.e: C Cotylt'don, c' rudimen­

tiirer Cotylmlon; h vorgri-i. zcrter

 

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cotyl abwarts sasze. In diesen beiden Species llypocotyl mit einem fcrsenfiir-

roigen Vorsprnng (h') am uatern

ist der Hypocotyl so bedeutend vergroszert, be- Ende; ,. Wlirzelchen.

sonders in einem sehr friihen Alter, dasz er fast ein Wurzelstock genannt werden konnte. Das untere Ende bildete eine Hacke oder einen Vor­ sprung, dessen Nutzen spliter beschrieben werden wird.

Bei Cyclamen persicum ist der Hypocotyl, selbst solange er noch innerhalb des Samens liegt, zu einem regelmaszigen Stock 15 vergroszert, und zuerst ist nur ein einziger Cotyledon entwickelt (s. die friihere

14 Bei Pachira aquatica ist, wie es Mr. R. J. Lynch (Journ. Linn. Soc. Vol. 17, 1878. p. 147) beschrieben hat, einer der unterirdischen Cotyledonen vo11 ungeheurer Grosze; der andere ist klein und fiillt bald ab; beide stehen nicht immer einander gegeniiber. Bei einer andern, sehr verscbiedenen Wasserpflanze, Tmpa na.tans, ist der eine der beiden Cotyledonen, mit mehliger Substanz ge­ fiillt, vie! groszer als der andere, welcher, wie Aug. De C andolle (Physiologie veget. T. 2. p. 834, 1832) angibt, kaum sichtbar ist.

u Dr. H. Gressner, in: Botan. Zeitung, 18i4, p. 824.

 

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RmlimPntiirc Cotylc,lo11en Cap. Z

 

Fig. 57). Bei Rm11t111•nl11s ficaria wenlen die beiden Cotyledonen nie gebildet, und bier ist nun eines der secundaren Wiirzelchen in einem friihen Alter zu einem sogenannten Knollen 16 entwickelt. Ferner bringen gewisse Species von Cltaerophyllum und Corydalis nur einen einzigen Cotyledon hervor 17; bei den ersteren ist der Hypocotyl und boi den letzteren das Wiirzelchen nach den Angaben von IRMISCH in einen Knollen vergroszert.

In den verschiedenen vorstehenden Fallen ist einer der Cotyledonen in•seiuer Entwicklung aufgehalten oder an Grosze reducirt oder rudi­ mentar geworden oder vollstandig fehlgeschlagen. Aber in anderen Fallen sind beide Cotyledonen <lurch blosze Rudimente reprll.sentirt. Bei Opuntia basilaris ist dies nicht der Fall, denn beide Cotyledonen sind dick und grosz, und der Hypocotyl zeigt zuerst keinerlei Anzeigen von Vergroszerung; aber spater, wenn die Cotyledonen verwelkt sind und sich losgelost haben, wird er verdickt und erscheint wegen seiner sicb zuspitzeuden Form in Verbindung mit seiner glatten, zahen, braunen Haut, wenn er schlieszlich bis auf einige Tiefe in den Boden hinab­ gezogen ist, wie eine Wurzel. Auf der andern Seite ist bei mehreren anderen Cacteen der Hypocotyl von Anfang an bedeutend vergroszert, und beide Cotyledonen sind beinahe oder volb;tandig rudimentAr. So sind bei Cereus Landbeckii zwei kleine, dreieckige Vorspriinge, welche die Cotyledonen reprli.sentiren, schmaler als der Hypocotyl, welcber birnenformig ist, mit der Spitze nach abwarts. Bei Rhipsalis cassytha sind die Cotyledonen durch blosze Spitzen an dem vergroszerten Hypo­ cotyl dargestellt. Bei Echinocactus viridescens ist der Hypocotyl kuglig mit zwei kleinen Vorspriingen an seinem Gipfel. Bei Pilocereus Houlletii ist der im oberen Theile bedentend angeschwollene Hypocotyl auf dem Scheitel einfach eingekerbt, und jede Seite der Kerben reprasentirt olfenbar einen Cotyledon. Stapelia Sarpedon, eio Glied der groszen verschiedenen Familie der Asclepiadeen, ist fleischig wie ein Cactus, und hier wiederum ist der obere Theil des abgeplatteten Hypocotyls bedeutend verdickt und tragt zwei minutiose Cotyledonen, welche

 

16 Irmisch, Beitriige znr Morphologie der Pfla.nzen, 1854, p. 11, 12; Botan. 1;eitung, 1874, p. 805.

n Delpino , Rivista. Botanies, 1877 , p. 21. Aus Va u c her 's Schildernng von der Keimung der Sa.men von mehreren Species von Corydalis (Hist. phys. des Plantes d'Europe . T. 1, 1841, p. 149) geht offenbar hervor, da.sz die Zwiebel oder ilcr Knollen sich in einem iinszerst frilhen Alter zu bilden beginnt.

 

[page break] Cap. 2. Rudiment/ire Cotyledonen. 81

innen gemessen nur 0,15 Zoll Iang und in Breite nicht einem Viertel des Durchmessers des Hypocotyls in seiner schmaleren Achse gleich waren; und doch sind diese minutiosen Cotyledonen wahrscheinlich nicht voll­ standig nutzlos; denn wenn der Hypocotyl in der Form eines Bogens durch die Erde durchbricht, sind sie geschlossen oder gegeneinander angedriickt und schiitzen auf diese Weise die Plumula. Sie offnen sich spater.

Nach den verschiedenen bier mitgetheilten Fallen, welche sieh auf sehr verschiedene Pflanzen beziehen, konnen wir schlieszen, dasz zwischen der reducirten Grosze eines oder beider Cotyledonen und der Bildung einer sogenannten Knolle oder Zwiebel durch Vergroszerung des Hypocotyls oder des Wiirzelchens eine enge Bezielmng besteht. Aber man kann fragen, .neigten die Cotyledonen zuerst dazu zu abor­ tiren, oder wurde zuerst eine Zwiebel gebildet? Da alle dicotyledonen Gewachse naturgemasz zwei wohl entwickelte Cotyledonen hervorbri'ngen, wahrend die Dicke des Hypocotyls und des Wiirze chens bei verschie­ denen Pflanzen bedeutend verschieden ist, so erscheint es wahrschein­ lich, dasz diese letzteren Organe zuerst aus irgend einer Ursache sich verdickten - in mehreren Fallen otfenbar in Beziehung zu der flei­ schigen Beschaffenheit der reifen Pflanze, - so dasz sie einen fiir den Samling hinreichenden Nahrungsvorrath enthielten, und dass dann einer oder beide Cotyledonen, weil sie nun flherfliissig waren, an Grosze ah­ nahmen. Es ist nicht iiberraschend, dasz ein Cotyledon allein zuweilen in dieser Weise beeinfluszt word en ist, denn bei gewissen Pflanzen, wie beispielsweise bei dem Kohl, sind die Cotyledonen zuerst von un­ gleicher Grosze, offenbar in Folge der Art und Weise, in welcher sir innerhalb des Samens zusammengepackt sind. Es folgt indessen ans dem oben erwilhnten Zusammenhange nicht, dasz, wo nur immer ein Knollen in einem friihen Alter gebildet wird, auch einer oder beide Cotyledonen nothwendigerweise iiberfliissig und in Folge <lessen mehr oder weniger rudimentar werden. Endlich bieten diese Falle eine Art von Illustration des Princips der Compensation oder des Ausgleichs des Wachsthums dar, oder wie es GOETHE ausdriickt, um auf der einen Seite ausgeben zu konnen, ist die Natur gezwungen, auf der andern Seite zu sparen."

 

Circumnutation und andere Bewegungen der Hypo­ cotyle und Epicotyle, wahrend sie noch gekriimmt und

HARWIN, Jlewegungsvermogen. (XIII.) 6

 

[page break] 82 Circumnutation und Bewegung-en <ler Hypocotylc Cap. 2.

unter derErde begraben liegen, nnd wahrend siedurch dieselbe durchbrechen. - .Je nach der Stellnng, in welcher ein Same zufallig eingegraben ist, wird der bogenformig gekriimmte Hypocotyl oder Epicotyl anfangen in einer horizontalen oder mehr oder weniger geneigten oder in einer senkrechten Ebene hervorzutreiben; ausgenommen wenn er bereits senkrecht nach ohen steht, werden beide Schenkel des Bogens von der friihesten Periode an durch Apogeo­ tropismus beeinfluszt werden. In Folge dessen biegen sich beide nach oben, bis der Bogen senkrecht wird. Wahrend dieses ganzen Processes, selbst ehe der Bogen durch den Boden durchgebrochen ist, versucht er bestandig in einer gewissen A_usdehnnng zu circumnntiren, wie er es gleichfalls thut, wenn er zufallig znerst schon senkrecht nach ohen steht, - welche sammtliche Falle beobachtet und mehr oder weniger ausfiihrlich im ersten Capitel beschrieben worden sind. Nachdem der Bogen bis zu einer gewissen Rohe nach oben gewachsen ist, hort der basale Theil zu circumnutiren anf, wahrend der obere noch fortfahrt dies zu thun.

Dasz ein bogenformig gekriimmter Hypocotyl oder Epicotyl, dessen beicle Schenkel in dem Boden fixirt sind, im Stande sein sollte zu circumnutiren, erschien uns, bis wir Prof. WrnsNER's Beobachtungen gelesen batten, eine unerklarliche Thatsache. Er hat bei gewissen Samlingen, deren Spitzen nach abwarts gekriimmt sind (oder welche nutiren), gezeigt 18, dasz wahrend die hintere Seite •der oberen oder herabhangenden Partie am schnellsten wachst, d_ie vordere und ehtgegen­ gesetzte Seite der basalen Partie des namlichen lnternodiums am schnellsten wachst; diese beiden Partien sind <lurch eine indifferente Zone von einander getrennt, wo das Wa-0hsthum auf allen Seiten gleich ist. Es konnen sogar an einem und demselben lnternodium mehr als eine indifferente Zone bestehen; und die gegeniiberliegenden Seiten der Theile iiber oder unter einer jeden solehen Zone wachsen am schnellsten. Diese eigenthiimliche Wachstbumsweise wird von WIESNER "unduli­ rende Nutation" genannt. Die Circumnutation hangt davon ab, dasz eine Seite eines Organs am schnellsten wachst (wahrscheinlich nach vorausgegangener vermehrter Turgescenz), und dasz dann eine andere, meist die• beinahe gegeniiberliegende am scbnellsten wachst. Wenn wir nun einen Bogen wie diesen betrachten und annehmen, dasz

18 Die undulirende Nutation der Internodien in: Sitzungsber. Wien. Akad. Wiss. Math. nat. Cl. 1. Abth., 77. Bd. 17. Jan. 1878. p. 15. Separat-Abdruck p. 32.

 

[page break] Cap. 2. so lange sie gekrilmmt sind. 83

die ganze eine Seite - wir wollen sagen die ganze convexe Seite heider Schenkel - an Lange zunimmt, so wird diese nicbt die Bogen ver­ anlassen sich nacb irgend einer Seite zu biegen. Wenn aber die auszere Seite oder Oberfl.acbe des link611 Scbenkels an Lange zunebmen sollte, so wird der Bogen nach rechts biniiber gedrangt, und dies wiirde noch dadurcb unterstiitzt werden, dasz die innere Seite des rechten Schenkels an Lange zunimmt. Wenn spater der Process umgekebrt wiirde, so wiirde der Bogen nacb der entgegengesetzten oder linken Seite hiniiber­ gedrangt u. s. w. abwechselnd, d. h. er wiirde circumnutiren. Da ein bogenf6rmig gekriimmter Hypocotyl, <lessen beide Schenkel in der Erde fixirt sind, sicherlich circumnutirt, und da er aus einem einzigen Inter­ nodium besteht, so konnen wir scblieszen, dasz er in der von WIESNER bescbriebenen Weise wacbst. Wir konnen noch hinzufiigen, dasz der Scheitel des Bogens nicht wachst oder sehr langsam wacbst; denn er nimmt nicht bedeutend in der Breite zu, wahrend der Bogen selbst bedeutend an Rohe zunimmt.

Die circumnutirenden Bewegungen gekriimmter Hypocotyle und Epicotyle werden notbwendigerweise dieselben beim Durchbrecben der

Erde unterstiitzen, wenn diese feucht und weich ist, obschon ohne Zweifel ihr Hervortreten bauptsa blich von der von ibrem Langenwachs­ tbum ausgeiibten Kraft abhangt. Obgleich der Bogen nur in einer geringen Ausdehnung circumnutirt und wahrscheinlich nur mit geringer Kraft, so ist er doch im Stande den Boden in der Nabe der Ober­ flache zu bewegen, trotzdem er nicht im Stande sein diirfte, dies in einer maszigen Tiefe zu thun. Ein Topf mit Samen von Solanum

palinacanthum•, <lessen langer gekriimmter Hypocotyl hervorgetreten

war und ziemlich langsam wuchs, wurde mit feinem, thonigen, feucht gehaltenen Sand bedeckt, und dieser umgab anfangs dicht die Basen der Bogen ; bald wurde aber eine scbmale, offene Spalte rings um einen jeden derselben gebildet, welche nur dadurch erklart werden konnte, dasz sie den Sand auf allen Seiten fortgeschoben batten; denn keinerlei derartige Spalten umgaben kleine Stabcben und Nadeln, welche in den Sand gesteckt worden waren. Es ist bereits mitgetheilt worden, dasz die Cotyledonen von Phalaris und Avena, die Plumula von Asparagus und die Hypocotylen von Brassica gleicbfalls im Stande waren, die namliche Art von Sand wegzudriicken, entweder wahrend sie einfach circumnutirten , oder wabrend sie sicb nach einem seitlichen Lichte hinbewegten.

 

[page break] Circumnutation und Bewegungen der Hypocotyle etc. Cap. 2.

 

Solange ein gekriimmter Hypocotyl oder Epicotyl unter der Erde vergraben bleibt, konnen sich die zwei Schenkel nicht von einander trennen, ausgenommen in geringer von dem Nachgeben des Boden abhangiger Ausdehnung; sobald aber der Bogen iiber die Erde herror­ ragt oder, wenn der Druck der umgehenden Erde kiinstlich entfernt wird, in einer friiheren Periode, fangt der Bogen unmittelbar an sich gerade zu strecken. Dies ist ohne Zweifel Folge des Wachsthums der gan z en inneren Oberflache beider Schenkel des Bogens entlang; das Wachsthum ist gehemmt oder wird verbindert, solange die zwei Schenkel des Bogens fest zusammengepreszt sind. Wenn die Erde rings um einen Bogen herum entfernt wird und die zwei Schenkel an ihren Dasen zusammengebunden werden, verursacht das Wachsthum auf der unteren Seite des Gipfels, dasz derselbe nach einiger Zeit viel abgeplatteter und breiter wird, als es natiirlich vorkommt. Der Process des Geradestreckens besteht aus einer modificirten Form dcr Circum­ nutation; denn die wahrend dieses Processes beschriebenen Linien (Ro beim Hypocotyl von Brassica uud den Epicotylen von Vicia und Corylus) waren haufig deutlich zickzackformig und zuweilen bildeten sie Schlingen. Nachdem die Hypocotyle oder Epicotyle aus dem Boden hervorgetreten sind, werden sie schneU vollkommen gerade. Von ihrer friiheren plotzlichen Kriimmung erhalt sich keine Spur mit Ansnahme von Allium cepa, in welchem Falle. der Cotyledon selten vollkommen gerade wird wegen der im Gipfel des Bogens sich entwickelnden Pro­ tuberanz.

Das vermehrte Wachsthum entlang der inneren FI.ache des Bogens, welches denselben gerade macht, beginnt offenbar am basalen Schenkel oder an dem, welcher mit dem Wiirzelchen in Verbindung steht; denn, wie haufig beobachtet wurde, wird dieser Schenkel zuerst vom andern Schenkel ab riickwarts gebogen. Diese Bewegung erleichtert das Herausziehen der Spitze des Epicotyls oder der Cotyledonen, je nach dem betreffenden Falle, aus den Samenhiillen oder ans der Ertle. Die Cotyledonen treten aber haufig aus dem Boden noch immer dicht inner­ halb der Samenhiillen eingeschlossen hervor, welche offenbar dazu dienen sie zu schf1tzen. Die Samenhiillen werden spater gesprengt und abgeworfen in Folge der Anschwellung der dicht verbundenen Cotyledonen und nicht durch irgend eine Bewegung oder selbstii.ndige Entfernung beider von einander.

 

[page break] Cap. 2. Bersten der Snmenhiillen. 85

Nicbts desto weniger werden in einigen wenigen Fallen besonders bei den Cucurbitaceen die Samenhiillen durch eine merkwiirdige von Mr. FLAHAULTt9 bescbriebene Einrichtung gesprengt. An der einen Seite des Gipfels des Wtirzelchens oder der Basis des Hypocotyls ent­ wickelt sich ein fersenf"ormiger Vorsprung oder Zapfen, und dieser hlllt die untere Halfte der Samenhiillen (wahrend das Wiirzelchen in den Boden fixirt war) nieder, wahrend das fortdauernde Wacbsthum des gekriimmten Hypocotyls die obere Halfte nach oben zwangt und die Samenbtillen an dem einen Ende zerreiszt, die Cotyledonen werden dann leicht herausgezogen. Die beistehende Figur (Fig. 62) wird diese Beschreibung nocb verstandlicber machen. Einundvierzig Samen von Cucurbita ovifera wurden auf zerreiblicbem Torf gelegt, mit einer Schicbt von ungefah_r einem'Zoll Dicke bedeckt und nicht stark nieder­ drtickt, so dasz die Cotyledonen, wahrend sie

heraufgezogen wurden, sehr geringer Reibung ausgesetzt wurden. Und doch kamen vierzig von ihnen nackt hervor, wahrend die Samen­ hiillen im Torf vergraben zurtickblieben. Dies war sicher eine Folge dieses Zapfens, denn als er in seiner Wirkung gehindert wurde, wur­ den die Coytledonen, wie wir sofort sehen werden, noch immer in ihren Samenhiillen eingeschlossen emporgehoben. Dieselben wur­ den indessen im Verlaufe zweier oder dreier Tage durch die Anschwellung der Cotyledonen

abgeworfen. Bis dies eintritt, ist das Licht

 

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ausgeschlossen, und die Cotyledonen konnen Kohlensaure nicht zersetzen ; wahrscheinlich wird aber niemand geglaubt haben, dasz der durch ein wenig friiheres Abwerfen der Samen­ hiillen erlangte Vortheil geniigen wiirde, die

 

Fig. 62. ru,.urbita ol'ifl'1•a: Keimendnr Samon, den ant' der eineu Soite vom Gipfel des zelchcns vorrngonden Ferscnvor­ sprung odot• Zapfon zeigend, wol­ cher die nuure Spitze dcr Samenhiille nhitlArhiilt; di1:se sin<l durch das \Vad1;,;thum dm1 bogeu­ fi.;rmig gokrii111mten Hypo('otyls.

thoilweiso gospreugt.

 

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Entwickelung des Zapfens zu erklaren. Und doch stehen nach der Angabe des Mr. FLAHAULT Silmlinge, welche verhindert wurden ihre Samenhiillen noch innerhalb der Erde abzuwerfen, denen nach, welche mit ihren Cotyledonen nackt und zum Functioniren bereit hervor­ getreten sind.

 

rn Bull. Soc. Botan. de France, T. 24. 1877, p. 201.

 

[page break] 86 Bersten der Samenhiillen. Cap. 2. I

Der Zapfen wird mit auszerordentlicher Geschwindigkeit entwickelt; denn an zwei Samlingen, welcbe 0,35 Zoll lange Wiirzelchen batten, konnte er nur eben erkannt werden; aber nach einem Verlaufe von nur 24 Stunden war er an beiden ordentlich entwickelt. Nach FLAHAULT bildet er sich durch die Vergroszerung der Schichten des corticalen Parenchyms an der Basis des Hypocotyls. Wenn wir indessen nach den Wirkungen einer Losung von iibermangansaurem Kali urtheilen, wird er genau auf der Verbindungslinie zwischen dem Hypocotyl und Wurzelchen entwickelt; denn die flache untere Flache wurde ebenso wie die' Rander braun gefarbt gleich den Wiirzelchen, wahrend die obere unbedeutend geneigte Flacbe ungefarbt blieb wie der Hypocotyl, allerdings mit Ausnahme eines eingetauchten Samlings unter 33, bei welchem ein groszer Theil der oberen Flache braun gefarbt wurde. Secundare Wurzeln entspringen zuweilen rnn der unteren Flache des Zapfens, welcher hiernacb in allen Beziehungen die Natur des Wiirzel­ chens zu theilen scheint. Der Zapfen wird immer auf der Seite ent­ wickelt, welche durch die Kriimmung des Hypocotyls concav wird, und er wiirde von keinerlei Nutzen sein, wenn er auf irgend einer andern Seite gebildet wiirde. Er wird auch immer so entwickelt, dasz die platte untere Seite, welcbe, wie eben angegeben wurde, ein Theil des Wiirzelcbens bildet, in rechtem Winkel zu diesen und in einer horizontalen Ebene steht. Diese Thatsache zeigte sich deutlich , als einige der diinnen flachen Samen in derselben Stellung wie bei Fig. 62 eingegraben wurden, ausgenommen, dasz sie nicht auf der platten, breiten Seite, sondern mit der einen Kante nach unten gestellt wurden. Neun Samen wurden in dieser Weise gepflanzt, und der Zapfen ent­ wickelte sich in derselben Stellung in Bezug auf das Wiirzelchen wie in der Figur; in Folge biervon lag er nicht auf der platten Spitze der unteren Halfte der Samenbiillen, sondern war wie ein Keil zwischen die zwei Spitzen eingefiigt. Wie der gekriimmte Hypocotyl auf warts wuchs, strebte er den ganzen Samen heraufzuziehen und der Zapfen rieb sich nothwendig gegen beide Spitzen, hielt aber weder den einen noch den andern nach unten. Das Resultat war, dasz die Cotyledonen von fiinf unter den neun Samen, die so gestellt waren, iiber den Boden noch innerhalb ihrer Samenhiillen eingeschlossen erhoben wurden. Vier Samen wurden so eingegraben, dasz das Ende, von welchem das Wiirzel­ chen vorspringt, senkrecht nach unten vorsprang. und in Folge des Umstandes, dasz der Zapfen sich immer in der namlichen Stellung

 

[page break] Cap. 2. Bersten der Samenhiillen. 87

entwickelte, kam nur seine Spitze mit der Hullenspitze der einen Seite in Beriihrung und rieb sich gegen dieselbe; das Resultat war, dasz die Cotyledonen aller vier Samen noch innerhalb der Samenhiillen ein­ geschlossen hervorkamen. Diese Falle zeigen uns, wie der Zapfen in Ubereinstimmung mit der Stellung wirkt, welche die platten, dunnen, breiten Samen beinahe immer einnehmen werden, wenn sie natiirlicb ausgesiit werden. Wenn die Spitze der unteren Halfte der Samen­ hiillen abgeschnitten wurde, fand FLAHAULT (wie wir gleichfalls), dasz der Zapfen nicht wirken konnte, da er nichts hatte, auf was er driicken konnte, und die Cotyledonen wurden uber den Boden noch mit nicht abgeworfenen Samenhiillen emporgehoben. Endlich zeigte un die Natur selbst den Nutzen des Zapfens; denn in der einen uns bekannten Cucurbitaceengattung, in welcher die Cotyledonen unterirdisch sind, und ihre Samenhiillen nicht abwerfen, namlich bei Megarrhiza, findet sich keine Spur eines Zapfens. Dies Gebilde scheint in den meisten der anderen Gattungen dieser Familie, nach FLAHAULT's Angaben zu urtheilen, v'orhanden zu sein; wir fanden es bei Trichosanthes anguina, bei welcher wir kaum erwarteten ihn zu finden, da die Cotyledonen­ etwas dick und fleischig sind, wohl entwickelt und gehorig wirkend. Es lassen sich wenige Fiille anfiihren, in denen ein Gebilde fiir einen speciellen Zweck besser angepaszt ist, als den vorliegenden.

Bei llimosa pudica tritt das Wfirzelchen <lurch eine kleine Hob­ lung an dem scharfen Rande des Samens vor; und auf seinem Gipfel, wo es mit dem Hypocotyl verbunden ist, entwickelt sich in einem friihen Alter eine quere Leiste, welche offenbar das Spalten der ziihen Samenhullen unterstiitzt; es hilft aber nicht dazu dieselben abzuwerfen,

da dies spiiter durch die Anschwellung der Cotyledonen bewirkt wird,

nachdem sie iiber den Boden erhoben sind: die Leiste oder der Fersen­ vorspnmg wirkt daher etwas verschieden von dem iihnlichen Gebilde bei Cucurbita. Ihre untere Flache nnd die Riinder wurden durch iibermangansaures Kali braun gef'arbt, aber nicht die obere Fliicbe. Es ist eine eigenthiimliche Thatsache, dasz, nachdem die Leiste ihre Arbeit gethan hat und aus den Samenhiillen hervorgetreten ist, sie zu einer Krause rings um die Spitze des Wiirzelchens entwickelt wird 20

 

10 Unsere Aufmerksamkeit wurde durch eine Angabe von o b be in seinem Handbuch der Samenkunde, 1876, p. 215, auf diesen Fall gelenkt; dort findet sich aueh eine Abbildung eines Samlings von Martynia mit einem Fersenvorsprung oder einer Leiste an der Verbindungsstelle des Wiirzelchens und Hypocotyls. Dieser

 

[page break] 88 Bersten der Samenhiillen. Cap. 2.

An der_ Basis des verdickten Hypocotyls von Abronia umbellata, wo daselbe in das Wiirzelchen iibergeht, findet sich ein Vorsprung oder fersenformiger Anhang, welcher in der Form variirt, aber sein Umrisz ist in unserer friiheren Figur (Fig. 61) zu winklig. Das Wiirzel­ chen tritt anfangs aus einem kleinen Loche an einem Ende der zahen, ledrigen, gefliigelten Frucht hervor. In dieser Periode ist der obere Theil des Wiirzelchens innerhalb der Frucht parallel zu dem Hypo­ cotyl eingepackt, und der einzige Cotyledon ist parallel zu dem letz­ teren auf sich selbst riickwarts gekriimmt. Die Anschwellung dieser drei Theile und speciell die rapide Entwickelung des dicken Persen­ vorsprungs. zwischen dem Hypocotyl und Wiirzelchen an dem Punkte, wo sie zuriickgebogen sind, sprengt die zahe Frucht am oberen Ende und gestattet dem gekriimmten Hypocotyl hervorzutreten; und dies scheint die Function des Fersenvorsprunges zu sein. Ein Samen wurde aus der Frucht herausgeschnitten und in feuchter Luft keimen gelassen, und nun entwickelte sich rings um die Basis des Hypocotyls eine diinne platte Scheibe und wuchs zu einer auszerordentlichen Breite heran, ahnlich der bei Mimosa beschriebenen Krause, nur etwas breiter. FLAHAULT sagt, dasz . bei Mirabilis, einem •Mitgliede der nil.mlichen Familie wie Abronia, ein Fersenvorsprung oder Kragen rings um die Basis des Hypocotyls, aber mehr auf der einen Seite als auf der andern entwickelt wird, und dasz derselbe die Cotyledonen aus ihren Samen­ hiillen befreit. Wir untersuchten nur alte Samen, und diese wurden durch die Aufsaugung von Feuchtigkeit gesprengt unabbangig von irgend einer Hiilfe Seiten des Fersenvorsprunges und vor a.em Vor­ treiben des Wiirzelchens; aus tmserer Erfahrung ergibt sich aber nicht, dasz frische und zahe Friichte sich in gleicher Weise benehmen wiirden.

Beim Schlusse dieser Abtheilung des vorliegenden Capitels diirfte es zweckmaszig sein in der Form eines Beispiels die gewohnlichen Bewegungen der Hypocotyle und Epicotyle von Samlingen, wahrend . sie <lurch den Boden durchbrechen und unmittelbar darauf, summarisch darzustellen. Wir wollen annehmen, dasz ein Mensch auf seine Hllnde und Kniee niedergeworfen wurde und zu derselben Zeit auf eine Seite, und zwar <lurch eine auf ihn fallende Last Heu. Er wird zuerst

 

Same besitzt eine sehr harte und zii.he Hiille und diirfte wohl zum Bersten und Befreien der Cotyledonen einer Hiilfe bediirfen.

 

[page break] Cap. 2. Circumnutation der Hypocotyle etc. im aufrechten Zustande. 89

versucben seinen gekriimmten Rucken aufrecbt zu bringen, zu derselben Zeit nacb allen Ricbtungen bin versuchend sicb ein wenig von dem umgebenden Drucke zu befreien; und dies wird die vereinigten Wir­ kungen des Apogeotropismus und der Circumnutation darstellen, wenn

ein Same so eingegraben is.t, dasz der gekriimmte Hypocotyl oder

Epicotyl zuerst in einer horizontalen oder geneigten Ebene vortritt. Der Mensch wird dann nocb immer sicb windend seinen gekriimmten Rucken so bocb, als er nur kann emporbeben, und dies kann das Wacbsthum und die fortdauernde Circumnutation eines gekrummten HypocotyJs oder Epicotyls darstellen, ebe dasselbe die Oberflll.che des Bodens erreicbt bat. Sobald der Mensch sicb nur iiberhaupt frei fublt, wird er den oberen Theil seines Korpers erbeben, wahrend er nocb immer auf den Knieen liegt und sicb nocb windet und dies kann die Riickwartsbiegung des basalen Scbenkels des Bogens darstellen, welche in den meisten Fll.llen das Herauszieben der Cotyledonen aus den ver­ grabenen und gesprengten Samenbullen unterstutzt, ebenso wie die spatere Streckung des ganzen Hypocotyls oder Epicotyls, wabrend die Circumnutation noch immer fortdauert.

Circumnutation der Hypocotyle und Epicotyle im aufrecbten Zustande. - Die Hypocotyle, Epicotyle und ersten Sprossen der vielen, von uns beobachteten Samlinge circumnutirten fortdauernd, nacbdem sie gerade und aufrecht geworden waren. Die verscbicdenartigen, von ibnen beschriebenen Figuren, baufig wabrend zweier aufeinander folgender Tage, sind in den Holzschnitten des letzten Capitals dargestellt worden. Man musz sich erinnern, dasz die Punkte durcb gerade Linien mit einander verbunden wurden, so dasz die Figuren winklig sind; wenn aber die Beobachtungen jede paar Minn­ ten gemacht worden waren, wurden die Linien mehr oder weniger krummlinig gewesen sein, und es wurden unregelmaszige Ellipsen oder Ovale oder vielleicbt gelegentlicb aucb Kreise gebildet worden sein. Die Ricbtung der langeren Acbsen der Ellipsen, welche wabrend eines und desselben Tages oder an aufeinander folgenden Tagen b.eschrieben wurden, anderte meist vollstandig, so dasz sie recbtwinklig zu einander standen. Die Anzabl unregelmasziger Ellipsen oder Kreise, welcbe innerhalb einer gegebenen Zeit bescbrieben wurden , ist bei verscbie­ denen Species sebr verschieden. So wurden bei Brassica oleracea, Cerinthe major und Cucurbita ovif era ungefahr vier solcber Figuren

 

[page break] 90 Circumnutation der Hypocotyle etc. im aufrechten Zustande. Cap. 2.

in zwolf Stunden vollendet, wahrend bei Solanum palinacanthum und Opuntia basilaris kaum mehr als eine beschrieben wurde. Die Figuren sind auch der Grosze nach bedeutend verschieden; so waren sie bei Stapelia sehr klein und in einem gewissen Grade zweifelhaft, bei Brassica u. s. w. grosz. Die von Lathyrus nissolia und Brassica beschriebenen Ellipsen waren schmal, wli.hrend die von der Eiche be­ schriebenen breit waren. Die Figuren sind haufig d,urch kleine Schlingen und Zickzacklinien complicirt.

Da die meisten Samlingspflanzen vor der Entwicklung echter Blatter von niedriger, zuweilen sehr niedriger Statur sind, war der Auszerste Betrag an Bewegung von einer Seite zur andern bei illl'en circumnutirenden Stammen klein;• so betrug die Bewegung des Hypo­ cotyls von Githa_go segetum ungefahr 0,2 Zoll, die von Cucurbita ovifera ungefahr 0,28. Ein sehr junger Schoszling von Lathyrus nissolis be­ wegte sich ungefahr 0,14, der einer amerikanischen Eiche 0,2, der der gemeinen Haselnusz nur 0,04 und ein etwas langerer Schoszling des Spargels 0,11 Zoll. Der auszerste Betrag an Bewegqng des scheiden­ artigen Cotyledon von Phalaris canariensis war 0,3 Zoll. Er bewegte sich aber nicht sehr schnell. Bei einer Gelegenheit durchkreuzte die Spitze 5 Theilstricbe des Micrometers, d. h. 1¼-o-Zoll, in 22 Minuten 5 Sekunden. Ein Samling von Nolana prostrata durchlief dieselbe Entfernung in 10 Minuten 38 Sekunden. Kohlsamlinge circumnutirten viel geschwinder, denn die Spitze eines Cotyledon durchkreuzte 1¼0 Zoll im Micrometer in 3 Minuten 20 Sekunden, und diese rapide, von be­ standigen Schwankungen begleitete Bewegung war unter dem Microscop betrachtet ein wunderbarer Anblick. •

Die Abwesenheit von Licht, wenigstens einen Tag lang, stort nicht im mindesten die Circumnutation der Hypocotyle, Epicotyle oder jungen Schoszlinge der verschiedenen, von uns beobachteten dicoty­ ledonen Samlinge, auch nicht die der jungen Schoszlinge einiger Mono­ cotyledonen. In der That war die Circumnutation viel deutlicher im Dunkeln als im Lichte, denn wenn das Licht nur irgendwie seitlich war, bog s_ich der Stamm in einem mehr oder weniger zickzackformigen Verlaufe nach ihm hin.

Endlich werden die Hypocotyle vieler Samlinge wahrend des Win­ ters in den Boden hinein oder selbst unter denselben gezogen, so dasz sie versch winden. Dieser merkwftrdige Process, welcher offenhar dazu dient, sie zu schiitzen, ist von DE VRIES ausfiihrlich beschrieben

 

[page break] Cap. 2. Circumnutation der Cotyledonen. 91

worden 21 Er zeigt, dasz er durch die Zusammenziehung der Parenchym­ zellen der Wurzel bewirkt wird. Aber der Hypocotyl selbst zieht sich in einigen Fallen bedeutend zusammen und wird, obschon er anfangs glatt ist, mit Zickzackrunzeln bedeckt, wie wir bei Githago segetum beobachteten. Welchen Antheil an dem Hinabziehen und Eingraben des Hypocotyls von Opuntia basilaris die Zusammenziehung dieses Theils, und welchen Antheil die des Wiirzelchens hatte, haben wir nicht beobachtet.

Circumnutation der Cotyledonen. - Bei allen denim letzten Capitel beschriebenen Samlingen von Dicotyledonen \varen die Cotyledon en in einer bestandigeu Bewegung, hauptsachlich in einer senkrechten Ebene und gewohnlich im Verlaufe von 24 Stunden ein­ mal nach oben und einmal nach unten. Es fanden aber viel Aus­ nahmen von dieser Einfachheit der Bewegung statt; so bewegten sich die Cotyledonen von Ipomoea coerulea im Verlaufe von 16 Stunden 18 Minuten 13mal entweder aufwarts oder abwarts; die von Oxalis

rosea bewegten sich in derselben Weise 7mal im Verlaufe von 24 Stun­ den, und die von Cassia tora beschrieben in 9 Stunden 5 unregel­ maszige Ellipsen. Die Cotyledonen einiger Individuen von Mimosa pudica und von Lotus Jacobaeus bewegten sich in 24. Stunden nur einmal auf und nieder, wahrend diejenigen anderer Individuen innerhalb der namlichen Periode auszerdem noch eine kleine Oscillation aus­ fiihrten. Es bestanden hiernach bei verscbiedenen Species und bei ver­ schiedenen Individuen einer und clerselben Species viele Abstufungen von einer einzigen taglichen Bewegung bis zu Schwankungen, die so complicirt waren, wie bei Ipomoea und Cassia. Die gegenstandigen Cotyledonen an einem und demselben Siimling bewegten sicb bis zu einer gewissen Ausdebnung unabhangig von einander. Dies war deut­ lich erkennbar bei denen von Oxalis sensitiva, bei welchen man sehen konnte, dasz der eine Cotyledon wahrend des Tages emporstieg, bis er senkrecht stand, wabrend der gegenstandige sich nach abwarts bewegte.

Obgleich die Bewegungen der Cotyledonen allgemein in nahezu derselben verticalen Ebene stattfanden, fielen doch ihre aufwarts und

 

21 Botan. Zeitung, 1879, p. 649. s. auch Winkler in: Verhandl. d. Botan. Vereins der Pr. Brandenburg, 16. Jahrg. p. 16, citirt von Haberlandt, Schutz­ einrichtungen der Keimpflanze, 1877, p. 52.

 

 

°

 

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abwarts eingehaltenen Wege niemals genau zusammen, so dasz mehr oder weniger enge Ellipsen beschrieben wurden, und man getrost sagen konnte, dasz die Cotyledonen circumnutirten. Auch konnte diese That­ sache nicht durch die blosze Langenzunahme der Cotyledonen in Folge von Wachsthum erklart werden, denu diese wiirde an sich keinerlei seitliche Bewegung veranlassen. Da z seitlidie Bewegung in einigen Fallen wie bei den Cotyledonen des Kohls, stattfand, war offenbar; denn dieselben veranderten auszerdem, dasz sie sich auf- und abwarts bewegten, in 14 Stunden 15 Minuten zwolfmal ihren Lauf von rechts nach links. Bei Solanum lycopersicum bewegten sich die Cotyledonen, nachdem sie wahrend des Vormittags gesuuken wareu, zwischen 12 und 4 Uhr p. m. zickzackformig von einer Seite zur andern und dann fiengeu sie an sich zu erheben. Die Cotyledonen von Lupinus lttteus sind so dick (ungefahr 0,08 Zoll) und :fleischig 22, dasz es sehr wenig wabr­ scbeinlich erscbien, dasz sie sich bewegten, und daher wurden sie mit besonderem Interesse beobachtet. Sie bewegten sich sicherlich be­ deutend auf und abwarts, und da die zuriickgelegte Linie zickzack­ f0rmig war, fand auch etwas seitliche Bewegung statt. Die neun Cotyledonen eines Sainlings von Piuus pinaster circnmnutirten deutlich, und die beschriebenen Figuren naherten sich unregelmaszigen Kreisen noch mehr als unregelmaszigen Ovalen oder Ellipsen. Die scheiden­ artigen Cotyledonen der Gramineen circumnutiren, d. h. bewegen sich nach allen Seiten eben so deutlich, wie es die Hypocotyle oder Epi­ cotyle irgend welcher dicotyledonen P:flanzen thun.. Endlich circum­ nutirten auch die sehr jungen Wedel ines Farnes und einer Selaginella.

In einer groszen Majoritat von Fallen, welche sorgfaltig be­ dbacht.et wurden, sinken die Cotyledonen am Vormittage ein wenig nach abwarts und steigen am Nachmittage oder Abend ein wenig empor. Sie stehen hiernach wahrend der Nacht etwas hoher geneigt als wahrend der '-mittleren Tageszeit, um welche Zeit sie beinahe horizontal ausge­ breitet sind. Die circumnutirende Bewegung ist hiernach wenigstens theil­ weise periodisch, und wie wir spater sehen werden, ohne Zweifel im Zu­ sammenhange mit den taglichen Abwechselungen von Licht und Dunkel­ heit. Die Cotyledonen mehrerer Pflanzen bewegen sich wahrend der Nacht

 

22 Obschon die Cotyledonen hellgriin sind, sind sie doch in einem gewissen Grade unterirdischen iihnlich; siehe die interessante Erorterung von Ha.berlandt (Schutzeinrichtungen u. s. w. 1877. p. 95) iiber die bei Leguminosen sich findenden Abstufungen zwischen in der Luft und unter der Erde lebenden Cotyledonen.

 

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so bedeutend aufwarts, dasz sie nahezu oder vollstandig senkrecht stehen, und in diesem letzteren Falle kommen sie rnit einander in dichte Be­ ruhrung. Auf der andern Seite sinken die Cotyledonen einiger weniger Pflanzen wlibrend der Nacht beinahe oder vollstandig senkrecht abwlirts. Und in diesem letzteren Falle umfassen sie den oberen Theil des Hypo­ cotyls. In einer und derselben Gattung Oxalis stehen die Cotyledonen gewisser Species wlihrend der Nacht senkrecht aufwarts und die anderer Species senkrecht abwarts. In allen solchen Fallen kann man sagen, dasz die Cotyledonen schlafen, denn sie handeln in derselben Weise, wie es die Blatter vieler schlafenden Pflanzen thun. Dies ist eine Bewegung zu einem speciellen Zwecke und wird daher in einem spateren, diesem Gegenstaude gew'l.dmeten Capitel betrachtet werden. Um einen oberflachlichen Begritf von der verhaltnismaszigen An­

zahl von Fallen zu erlangen. in denen die Cotyledonen dicotyledoner Pflanzen (unterirdische naturlich ausgeschl,men) ihre Stellung wahrend der Nacht in einer anffallenden Art nnd Weise veranderten, wurden auszer den im vorigen Capitel beschriebenen Arten noch eine oder mehrere in verschiedenen Gattungen beilaufig beobachtet. Es wurden hiernach im Ganzen 153 Gattungen, so vielen Familien, als wir uns nur verschaffen konnten, angehorig, von uns beobachtet. Die Coty­ ledonen wurden in der Mitte des Tages und dann wieder in der Nacht nachgesehen, lilld diejenigen wurden als schlafend verzeichnet, welche entweder senkrecht oder in einem Winkel von mindestens 60° ftber oder unter dem Horizont standen. Solcher Gattungen finden sich 26. und bei 21 von ihnen stiegen die Cotyledonen einiger ihrer Species. und nur in 6 sanken sie wahrend der Nacht, und einige dieser letz­ teren Fa.lie sind etwas zweifelhaft aus Grfmden, welche in dem Ca­ pitel iiber den Schlaf d r Cotyledonen auseinander gesetzt werden. Wenn Cotyledonen, welche um Mittag nahezu horizontal waren, des Nachts mehr als 20° und weniger als 60° uber dem Horizont standen, wurden sie verzeichnet als .deutlich gestiegen", und derartiger Gat­ tungen fanden sich 38. Wir begegneten keinen deutlichen Beispiell:'n von Cotyledonen, welche nur einige wenige Grade rles Nachts sanken, obschon ohne Zweifel solche Falle vorkommen. Wir l1aben nun 64 Gat­ tungen unter den 153 angefuhrten aufgefiihrt, und es bleiben noch 89, bei denen die Cotyledonen ihre Stellung des Nacbts um nicht so viel als 20° verandern, d. h. in einer deutlich wahrnehmbaren Weise, welche leicht mit dem bloszen Auge uud nach der Erinnerung nacbgewieRen

 

[page break] 94 Die Pulvini der Cotyledonen. Cap. 2.

werden konnte. Man darf aber ans dieser Angabe nicht schlieszen, dasz diese Cotyledonen sich durchaus nicht bewegten, denn in einigen Fallen wurde ein Steigen um wenige Grade bemerkt, als sie sorgfaltig beobachtet wurden. Die Zahl 89 hatte noch ein wenig vergroszert werden konnen, denn in einigen Species einiger weniger Gattungen,

z. B. Trifvlium und Geranium, welche nnter die schlafenden Pflanzen gerechnet werden, blieben die Cotyledonen des Nachts beinahe hori­ zontal; derartige Gattung-en hlitten daher den 8H hinzugefiigt werden konnen. Ferner erhoh eine Species von Oxali. meist ihre Cotyledonen um mehr als 20° und um weniger als 60° iiber den Horizont, so dasz diese Gattung in zwei Categorien hatte gebracht werden konnen. Da aber mehrere Species einer und d'erselben Gattung nicht haufig be­ obachtet wurden, sind solche doppelte Eintrage vermieden worden. In einem spateren Capitel wird gezeigt werden, dasz die Blatter vieler Pflanzen, welche nicht schlafen, am Abend und wahrend des friihen Theils der Nacht um wenige Grade sich erheben, und es wird

zweckmaszig sein die Betrachtung der Periodicitat der Bewegungen der Cotyledonen bis dorthin zu verschieben.

Uber die Pulvini oder Gelenke bei Cotyledon en. - Bei mehreren der in diesem und dem vorhergehenden Capitel beschrie­ benen Samlingen ist die Spitze des Blattstiels zu einem Pnlvinus, Polster oder Gelenk (wie dies Organ verschiedentlich genannt worden ist) entwickelt gleich dem, mit welchem viele Blatter versehen sind. Es besteht ans einer Masse kleiner Zellen, welche wegen der Abwesen­ heit von Chlorophyll von blasser Farbe sind, und besitzt einen mehr oder weniger convexen Umrisz, wie in der beistel1enden Figur gezeigt ist. Bei Oxalis sensitiw sind zwei Drittel des Blattstiels und bei Mimosa pudica allem Anschein nach die ganzen kurzen Stielchen der Blattchen in Polster entwickelt. Bei mit Polster versehenen Blattern hangt ihre periodische Bewegung nach der Angabe von PFEFFER 23 davon ab, dasz die Zellen des Pulvinus sich abwechselnd auf der einen Seite schneller ausdehnen als auf der andern, wahrend die ahnlichen Be­ wegungen von nicht mit Pulvinis versehenen Blattern davon abhangen, dasz ihr Wachsthum abwechselnd auf der einen Seite rapider ver­ lauft als auf der andern 24 Solange ein mit einem Pulvinus versehenes

 

23 Die periodischen Bewegungen der Blattorgane, 1875.

2 Ba ta Ii n, Flora, 1. Oct. 1873.

 

[page break] Cap. 2. Die Pulvini der Cotyledonen. 95-

Blatt jung ist und zu wachsen fortfahrt, hangt seine Bewegung von diesen . beiden Ursachen zusammen ab 25, und wenn die gegenwartig von vielen Botanikern vertretene Ansicht richtig

ist, namlich dasz dem Wachsthum immer die 6

Ausdebnung der wachsenden Zellen vorausgebt, 6

dann wird der Unterschied zwischen den mit Hilfe von Polstern ausgefiibrten nnd den ohne die Hilfe soleher eintretender Bewegungen darauf reducirt , dasz die Ausdebnung der Zellen im ersten Falle kein Wachsthum im Gefolge hat, wahrend im letzten der Aus­ dehnung Wacbstbum folgt.

Es wurden Punkte mit Tuscbe der Mittelrippe beider mit Polster versehener Cotyledonen eines ziemlich alten Samlings von Oxalis Valdiviana entlang angebracht. Ibre Abstande wurden wah­

 

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rend 83/4 Tagen wiederholt mit einem Ocular­ micrometer gemessen, und sie boten nicht die mindeste Spur von Zunahme dar. Es ist daher beinahe sicher, dasz der Pulvinus selbst da­ mals nicht wuchs. Nichts desto weniger erhoben

 

}'ig. 63. Oxali roaea, Liingen­ durchschnitt eines Pulvinus am. Gipfel des Stiels eines Cotyledon, mit der Camera lucida gezeichnet, 75mal vergrOszert: p, p, •Stiel;

/ Fibrovnsculiirblindel; b, b An­ fang der Blat ,chelbe dos Coty- ledon.

 

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sich wahrend dieser ganzen Zeit und nocb 10 Tage lang spi\ter diese Cotyledonen jede Nacb.t senkrecht in die Hohe. Bei Samlingen, welcbe aus unter dem Namen von Oxalis fioribunda gekauften Samen gezogen waren, fuhren die Cotyledonen eine Zeit hindurch fort, sicb des Nachts senkrecht nach abwarts zu bewegen, und die Bewegungen hiengen offen­ bar ansscblieszlich von den Polstern ab; denn ihre Blattstiele waren bei jungen und bei alten Samlingen , welche echte Blatter producirt batten, von nahezu derselben Lange. Andrerseits war es bei einigen Species von Cassia ohne irgend welche Messung offenbar, dasz die mit Polstern versehenen Cotyledonen wiihrend einiger Wochen fort­ fubren bedeutend an Lange zuzunebmen, so dasz bier die Ausdebnung der Zellen der Polster und das Wacbsthum des Blattstiels wahr­ scheinlicb combinirt waren und deren verlangerte periodische Be­ wegungen veranlaszten. Es war gleichfalls offenbar, dasz• die Coty­ ledonen vieler P:flanzen, die nicbt mit Polstern versehen waren, rapid

n Pfeffer, a. a. 0. p. 5.

 

[page break] 96 Die Pulvini der Cotyle<lone11. Cap. 2.

an Lange zunahmen und deren periodiscl1e Bewegungen waren ohne Zweifel ausschlieszlich Folge des Wachsthums.

In Ubereinstimmung mit der Ansicht, dasz die periodischen Be­ wegungen aller Cotyledonen an erster Stelle von der Ausdehnung der Zellen abhangen, mochte derselben Wachsthum folgen oder nicht, konnen wir die 'fhatsache verstehen, dasz in der Art oder Form von Bewegungen in diesen beiden Classen von Fallen nnr wenig Ver­ schiedenheit besteht. Dies ist auch bei einem Vergleiche der in dem vorhergehenden Capitel gegebenen Zeichungen zu sehen. So sind die Bewegungen der Coty]edonen von Brassica oleracea und von lpomoPa coerulea, welche nicht mit Polstern ven;ehen sind, so complicirt, wiP

-diejenigen von Oxalis und Cassia, welche mit Polstern versehen sind. Die mit Polstern versehenen Cotyledonen einiger Indi viduen von Mimosa pudica und Lotus Jacobaeus machten nur eine einzige Oscillation, wahrend diejenigen von anderen Individuen sich im Laufe von 24 Stunden zweimal auf und ab bewegten; dies war aucb gelegentlich bei den Cotyledonen von Cucurbita ovifera der Fall, welche keinen Pulvinus besitzen. Diese Bewegungen von mit Polstern versehenen Cotyledonen sind meist der Ausdehnung nach groszer als die von Cotyledonen olme

-ein Polster; trotzdem bewegten sich einige von den letzteren durch einen Winkel von 90°. Es besteht indessen eine bedeutungsvolle Ver­ schiedenheit zwischen beiden Classen von Fallen; die nachtlichen Be­ wegungen von Cotyledonen ohne Polster, so z. B. die bei Cruciferen, Cucurbitaceen , bei Githago und Beta, dauern niemals auch nur eine Woche Iang in irgend einem auffalligen Grade. Andrerseits fahren mit Polster versehene" Cotyledonen eine vie] langere Periode hindurch fort sich des Nachts zu erheben, selbst Uber einen Monat, wie wir mm sehen werden. Die Zeit hangt aber ohne Zweifel in hohem Masze von der Temperatur ab, welcher die Samlinge ausgesetzt sind, und von

-der hieraus folgenden Schnelligkeit der Entwickelung.

 

Oxalis Valdiviana. - Einige Cotylr,donen, welche sich am

6. Marz Mittags weit geiiffnet batten nnd horizontal standen, standen des Nachts senkrecht in die Hiihe; am 13. war das erste echte Blatt gebildet und wurde des Nachts von den Cotyledonen umfaszt: Am 9. April, nach einem Intervall von 35 Tagen, waren sechs Blatter entwickelt, und doch erhoben sich die Cotyledonen des Nachts beinahe senkrecht. Die CotylP­

•donen eines andern Samlings, welcher, als er zuerst beobachtet wurde, bereits ein Blatt producirt hatte, standen des Nachts senkrecht und fuhren hiermit weitere 1l Tage fort. Nach 16 'fagen von der ersten Beobachtung

 

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an waren zwei Blatter entwickelt, und die Cotyledonen erhoben sich noch des Nachts bedeutend. Nach 21 Tagen waren die Cotyledonen wahrend des Tages unter den Horizont herabgebogen, erhoben sich aber des Nachts 45° ftber den Horizout. Nach 24 Tagen von der ersten Be­ obachtung an (begonnen, nachdem ein echtes Blatt entwickelt war) horten die Cotyledonen auf, sich des Nachts zu erheben.

Oxalis (Biophytum) sensitiva. - Die Cotyledonen mehrerer Samlinge standen 45 Tage nach ihrer ersten Ausbreitung des Nachts nahezu senkrecht und umfaszten dicht entweder ein oder zwei echte Blatter, welche um diese Zeit gebildet worden waren. Diese Samlin81' waren in einem sehr warmen Hause gehalten worden, und ihre Entwickelung war rapid gewesen.

Oxalis corniculata. - Die Cotyledonen stehen des Nachts nicht vertical, erheben sich aber meist bis zu einem Winkel von ungefahr 45° iiber den Horizont. Sie fuhren dies zu thun 23 Tage nach ihrer ersten Ausbreitung fort, in welcher Zeit zwei Blatter entwickelt worden waren; selbst nach 29 Tagen erhoben sie sich noch immer maszig iiber ihre horizontale oder niederwarts gebeugte Tagesstellung.

Mimosa pudica. - Die Cotyledonen waren zum ersten Male am

November ausgebreitet und standen des Nachts vertical. Am 15. wurde das erste Blatt gebildet, und des Nachts waren die Cotyledonen senkrecht. Am 28. benahmen sie sich in derselben Art und Weise. Am 15. December,

d. h. also nach 44 Tagen, wurden die Cotyledonen des Nachts noch immer betrachtlich erhoben;• aber die eines andern nur einen 'rag alteren Sam­ lings warden sehr wenig erhoben.

Mimosa albida. - Ein Samling wurde nur wahrend 12 Tagen beobachtet, in welcher Zeit sich ein Blatt gebildet batte, und die Coty­ ledonen standen dann des Nachts vollkommen senkrecht.

1'rifolium subterraneum. - Ein acht Tage alter Samling hatte seine Cotyledonen um 10,30 a. m. horizontal nd um 9,15 p. m. senk­ recht. Nach Verlauf zweier Monate, in welcher Zeit die ersten und zweiten echten Blatter entwickelt waren, fiihrten die Cotyledonen noch immer die namlichen Bewegungen aus. Sie batten nun bedeutend an Griisze zu­ geuommen und waren oval geworden, und ihre Stiele waren factisch 0,8 Zoll lang!

1'rif olium strictum. - Nach 17 Tagen erboben sich die Coty­ ledonen noch immer des Nachts, wurden aber spater nicht mehr beobacbtet. Lotus Jacob a eus. - Die Cotyledonen einiger Samlinge mit gut entwickelten Blattern stiegen bis zu einem Wiukel von ungefabr 45 des Nachts in die Hiihe; und selbst nachdem drei oder vier Blattwirtel ge­ bildet worden waren, erhoben sich die Cotyledonen des Nacbts betracht­

licb iiber ihre horizontale ragesstellung.

Cassia mimosoides. - Die Cotyledonen dieser indischen Species etauden 14 Tage nacb ihrer ersten Ausbreitung, und als ein Blatt gebildet worden war, wahrend des Tages horizontal und des Nachts seukrecht.

Cassia sp. ? (ein groszer siidbrasilianischer Baum aus Samen ge­ zogen, den uns FRITZ MOLLER gescbickt hatte). - Die Cotyledonen hntten nach 16 Tagen von ihrer ersten Ausbreitung an bedeutend an Griisze

DARWIN, Beweg11ugsvermogeu. (XIII.) 7

 

[page break] 98 Die Pulvini der l'otyledunen. Ca.p. 2.

zugP11omm<11 und zwei Bliithr waren elJPn l!ehi]dPt.. SiP staud..n wii.hrf'nd des Tal!>'S horizontal nnd d,-.s Nachts 8PllkrPcht, wurd..n ahrr spatn nicht

 

Ca. : ia neglectrt. (Ghkhfall,1 P-ine siidhrasilianisrhe SpeciPs). - Ein Samling war :}4 Ta e na,:h d<ir <irstPn A nsbrPitnng- seinPr Cotyledon en zwischen 3 und 4 Zoll hoch, mit drei gut e ntwi,:kelten BliittPrn, und die Cotyledonen, welche wahrend des Tags nahnu horizontal waren, standen des Nachts s1mkrecht unJ umfaszten did1t JPn jungPn Stamm. Die Co­ tyledon1m ein,i:i andern Siimlings dPssP)brn A.Jt.,rs von 5 Zoll Hiihe mit vier gut ,iniiwickPlt1m BliittPrn h,inahmPn ;;id1 ,lPs Nachts in genau df'r- 8elbPn Art und Weise.

Es ist bekannt 26, dasz zwischen den oberen nnd unteren Halften der Pulvini von Bl!tttem kein Unterschied der Structur besteht, welcher hinreichte, ibre nach oben und unten gerichteten Bewegungen zn er­ klaren. In dieser Beziebung bieten Cotyledonen eine ungewohnlich gute Gelegenheit dar, die Structnr der beiden Halften zu vergleichen; denn die Cotyledonen von 0xalis Valdiviana steigen des Nachts senk­ recht empor, wahrend die von 0. rosea senkrecht abwarts sinken. Und doch konnte, wenn Dnrcbscbnitte ibrer Pulvini gemacht wurden. kein deutlicher Unterschied zwischen den entsprechenden Hlllften dieser Organe an den beiden Species, welche sich o verscbieden bewegen, nachgewiesen werden. Bei 0xalis 1•osea indessen finden sich in der unteren Halfte etwas mehr Zellen als in der oberen, und dies war gleicbfalls bei einem Exemplar von 0. Valdiviana der Fall. Die

Cotyledonen beider Species (31/:1 mm lang) wurden am Morgen unter­ sucht, wahrend sie horizontal ausgebreitet waren, und dann war die obere Flliche des Pulvinus von 0. rosea gerunzelt, woraus bervorgieng, dasz sie in einem Zustande von Compression sich fand; und das hatte

erwartet werden konnen, da die Cotyledonen des Nachts sinken; bei

0. Valdiviana war es die untere Halfte, welche gefaltet war, und ihre Cotyledonen erheben sich des Nacbts.

Trif olium ist eine natiirliche Gattung, und die Bllitter aller von uns gesehenen Species sind mit Polstern versehen ; so ist es auch mit den Cotyledonen von T. subterra.neum und strictum der Fall, welche das Nachts senkrecht emporstehen, wlihrend die von T. resupinatum keine Spur eines Polsters darbieten und ebenso wenig irgend einer nlichtlichen Bewegung. Dies wurde dadurch ermittelt, dasz die Ent­ fernung zwischen den Spitzen der Cotyledonen von vier Samlingen um

 

16 Pfeffer, Die periodischen Bewegungen, 1875, p. 157.

 

[page break] Cap. 2. Die Pulvini der Cotyledonen. 99

Mittag und in der Nacht gemessen wurde. Indessen erhebt sich bei dieser Species wie bei den anderen das zuerst geformte Blatt, welches einfacb und nicht • dreitheilig ist, empor und schlaft wie das terminale Blattchen an einer reifen Pflanze.

In einer anderen natiirlichen •Gattung, 0xalis, sind die Cotyledonen von 0. Valdiviana, rosea, fioribunda, articulata und sensitiva mit Polstern versehen, und alle bewegen sich des Nachts in eine aufwarts oder abwarts gerichtete senkrechte Stellung. Bei diesen verschiedenen Species liegt das Polster dicht an der Scheibe des Cotyledon, wie es die gewohnliche Regel bei den meisten Pflanzen ist. 0.wlis corni­ culata (var. atropurpurea) weicht in mehreren Beziebungen ab; die Cotyledonen erheben sich des Nachts in einer sebr variablen Aus­ dehnung, selten iiber 45°, und bei einem Satz von Samlingen (unter dem Namen von 0. tropaeoloides gekauft, aber sicher zu der eben erwiihnten Varietat gehorig) erhoben sie sich our von 5-15° iiber den Horizont. Das Polster ist unvollkommen entwickelt und in einem auszerst variablen Grade, so dasz es allem Anscbeine nach sich auf dem Wege befindet fehlzuschlagen. Bis jetzt ist, wie wir meinen, noch kein derartiger Fall beschrieben worden. Es ist, da seine Zellen Chlorophyll enthalten, griin gefarbt, und es sitzt nahe der Mitte des Blattstiels anstatt am oberen Ende wie in allen iibrigen Species. Die nachtliche Bewegung wird zum Theil durch seine Vermittlung und zum Theil durch das Wachsthum des oberen Theiles des Blattstiels ausgefiihrt , wie es bei Pfianzen, denen ein Pulvinus fehlt, der Fall ist. Aus diesen verschiedenen Grunden, und da wir zum Theil die Entwickelung des Pulvinus von einem sehr friihen Alter an verfolgt haben, scheint der Pall der Beschreibung mit einiger Ausfiihrlichkeit werth zu sein.

A.ls die Cotyledonen von 0. corniculata aus einem Samen heraus­ geschnitten wurden, aus welchem sie naturgemasz bald herausgetreten sein wiirden, kounte keine Spur eines Pulvinus nachgewiesen werden, und sammt­ liche den kurzen Stiel bildende Zellen, der Zahl nach 7 in einer Langs­ reihe, waren von nahezu gleicher Grosze. Bei einen oder zwei Tage alten Sii.mlingen war der Pulvinus so undeutlich, dasz wir anfangs glaubten, er existire gar nicht; aber in der Mitte des Stiels konnte man eine undeut­ lich umschriebene quere Zone von Zellen sehen, welche viel kiirzer waren, als die sowohl dariiber als darunter liegenden, obschon sie die namliche Breite, wie diese, batten. Sie boten das A.ussehen dar, als wiiren sie durch die quere Theilung langerer Zellen so eben gebildet worden, und es laszt sich nicht daran zweifeln, dasz dies der Fall gewesen war; denn die Zellen an dem Blattstiele, welche aus dem Samen herausgeschnitten worden war,

7*

 

[page break] 100 Die Pulvini der Cotyledonen. Cap. 2.

maszen in mittlerer Liinge sieben Theilstrich,i des Micrometers (jeder Theil­ strich war 0,003 mm gleich) und waren ein wenig liinger als die einen gut entwickelten Pulvinus bildenden Zellen, welche zwischen 4 und 6 dieser niimlichen Theilstriche variirten. Nach einigen wenigm weiteren Tagen wird die undeutlich umschriebene Zone von Zellen doutlich, und obschon sie sich nicht quer tlber die ganze Breite des Blattstiels erstreckt, obschon die Zellen wegen des darin enthaltenen Chlorophylls von grtlner Fiirbung sind, stellen sie doch sicher ein Polster dar, welches, wie wir sofort sehen werden , als solches auch wirkt. Diese kleinen Zellen waren in Langs­ reihen angeordnet und variirten der Zahl nach von 4-7; dif! Zellen selbst variirten in ihrer Lango in verschiedenen Theilen eines solchen Pulvious und bei verschiedenen Individuon. In den beistehenden Figuren A und B (I<'ig. 64) haben wir Ansichten der Epidermis 17 im mittleren Thi>ilr der

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

B.

Fig. 64. Oreali1 corniculata: A uud B die beinahe rudimeutaren Pulvlnl der Cotyledonen zweier et,vas alter Siimlinge, als durchsichtige Gegenstande betrachtet, SQmal vergroszert.

 

Blattstiele zweier Samlinge, bei welchen der Pulvinus ftlr diese Species gut entwickelt war. Sie bieten einen auffallendeu Contrast zu dem Pul­ vinus von 0. rosea {is. die frtlhere Fig. 63) oder von 0. Valdiviana dar. Bei den fii.lschlich 0. tropaeoloides genannten Samlingen, deren Cotyledonen des Nachts sehr wenig emporsteigen, war die Zahl der kleinen Zellen nocb geringer, und es bildeten dieselben zum Theil eine einzige quere .Reihe, an anderen Stellen kurze Langsreihen von nur zwei oder drei Zellen. Trotzdem gentlgten dieselben das Auge zu fesseln, wenn der ganze Blatt­ stiel als durchsichtiger Gegenstand unter dem Microscop betrachtet wurde. Bei diesen S11.mlingen liesz sicb kaum daran zweifeln, dasz der Pulvinus rudimentar wurde und zu verschwinden neigte. Und dies erklart seine grosze Variabilitiit in Bau und Function.

In folgender Tabelle werden einige Messungen von Zellen in ziem­ lich gut entwickelten Polstern von 0. corniculata mitgetheilt:

 

11 Liingsscbnitte zeigen, dasz die Fonnen der Epidenniszellen als ziemlich gute Reprasentanten der den Pluvinus bildenden Zellen angesehen werden konnen.

 

[page break] Cap. 2. Die Pulvini der Cotyledonen. 101

Theilstriche des Micrometers as

 

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Siimling, einen Tag alt, mit 2,8 mm Jangem Cotyledon,

Mittlere Lange der Zellen des Pulvinus . . . Lange der langsten Zelle unter dem Polster . . Lange der liingsten Zelle iiber dem Polster , .

 

 

6-7

18

20

 

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Siimling, 5 Tage alt, Cotyledon 8,1 mm lang, der Pulvinus vollstiindig deutlich.

Mittlere Lange der Zellen des Polsters 6

L!l.nge der Jangsten Zelle unter dem Polster 22

L!l.nge der liingsten Zelle iiber dem Polster 40

Siimling, 8 Tage alt, Cotyledon 5 mm Jang, mit einem entwickelten, aber noch nicht ausgebreiteten echten Blatte.

Mittlere Lange der Zellen des Pulvinus 9

Lange der liingsten Zelle unter dem Polster. 44

Lange der liingsten Zelle i\ber dem Polster . . 70

Siimling, 18 Tage alt, Cotyledon 4,5 mm Jang, mit einem kleinen vollstll.ndig entwickelten echten Blatte.

Mittlere Lange der Zellcn des Pulvinus 7

Lange der liingsten Zelle unter dem Pulvinus 80

Lange der liingsten Zelle iiber dem Pulvinus 60

Wir sehen hier, dasz die Zellen des Pulvinus nur wenig mit vor­ schreitendem Alter an Lange zunehmen im Vergleich mit denen des Blatt­ stiels dar1iber und darunter; sie fahren aber der Breite nach zu wachsen fort und halten sich in dieser Beziehung mit den anderen Zellen des Blattstiels gleich. Die Wachstbuinsgeschwindigkeit indessen• variirt in allen Zellen der Cotyledonen wie aus den Messungen des 8 Tage alten Samlings zu sehen ist.

Die Cotyledonen vori nur 1 'l'ag alten Siimlingen erheben sich des Nachts betrachtlich, zuweilen so viel wie spitter; doch bestand in dieser Beziehung viel V11riation. Da das Polster anfangs so undeutlich war, hangt die Bewegung zu dieser Zeit wahrscheinlich nicht von der Aus­ dehnung seiner Zellen, sondern von periodisch ungleichem Wachsthum im Blattstiel ab. Aus der Vergleichung von Samlingen verschiedenen bekannten Alters gieng offenbar hervor, dasz der Hauptsitz des Wachsthums des Stiels in dem oberen Theile zwischen dem Pulvinus und der Blattscheibe lag, und dies stimmt mit der Thatsache iiberein (in den oben angegebenen Messungen dargelegt), dasz die Zellen im oberen 'fbeile zu einer bedeuten­ deren Lange heranwachsen, als in dem unteren Theile. Bei einem 11 Tage alten Samling fand sich, dasz das nachtlicbe Steigen in groszem Masze von der Wirkung des Pulvinu•s abhieng; denn der Blattstiel war des Nachts an diesem Punkte nach oben gekriimmt; und wahrend des Tags war, wahrend der Blattstiel horizontal war, die untere Flache des Pulvinus gerunzelt, wahrend die obere Flache gespannt war. Obschon die Cotyle­ donen in vorgeschrittenerem Alter des Nachts zu keiner Mheren Neigung emporsteigen, als wenn sie jung sind, so haben sie doch durch einen

2s Jeder Theilstrich war = 0,008 mm.

 

[page break] 102 Die Pulvini der Cotyledonen. Cap. 2.

 

grossen Winkel (in einem Falle bis zu 63°) sich zu bewegen , um il1re nii.chtliche Stellung zu erreichen, da sie meist wii.hrend des Tags unter den Horizont herabgebogen sind. Selbst bei einem 11 Tage alten Sam­ linge hieng die Bewegung nicht ausschlieszlich vom Kissen ab, denn die Scheibe war da, wo sie an den Stiel angegliedert war, nach oben ge­ kriimmt, und dies musz ungleichem Wachsthum zugeschrieben werden. Es hangen daher die periodischen Bewegungen der Cotyledonen von Oxalis corniculata von zwei verschiedenen, aber verbundenen Wirkungen ab, nii.mlich von der Ausdehnung der Zellen des Pulvinus und von dem Wachs­ thum des oberen Theils des Blattstiels mit Einschlusz der Basis der Scheibe.

L o tu s Jaco b ac u s. - Die Samlinge dieser Pfl.anze bieten einen dem von Oxalis corniculata in einigen Beziehungen parallelen Fall dar, in anderen einen einzig in seiner Art dastehenden , soweit wir bis jetzt gesehen haben. Die Cotyledonen bieten wahrend der ersten vier oder fiinf Tage ihres Lebens keinerlei deutliche nachtliche Bewegungen dar; sie stehen aber spater des Nachts senkrecht oder beinahe senkrecht in die H1ihe. Es be­ steht indessen in Bezug hierauf ein geringer Grad von Variabilitat, offenbar in Abhii.ngigkeit von der Jahreszeit und von dem Grade, bis zu welchem sie wiihrend des Tages beleuchtet worden sind. Bei altereu Sii.mlingen mit

4 mm Jangen Cotyledonen, welche des Nachts sich betrii.chtlich erheben, findet sich ein gut entwickelter Pulvinus dicht an der Scheibe, fa.rbJos und etwas schmaJer, aJs der Rest des BlattstieJs, von dem er pl1itzlich abgesetzt ist. Er wird aus einer Masse kJeiner Zellen von einer mittJeren Lange von 0,0'21 mm gebildet, wahrend• die Zellen im unteren Theile des Stiels ungefahr 0,06 mm und die in der Blattscheibe von 0,034 bis 0,04 mm Jang sind. Die Epidermiszellen im unteren 'fheile des Stieles springen kugelformig vor und weichen hiernach der l!'orm nach von denen iiber dem Pulvinus ab.

Wenden wir uns nun zu sehr jungen Sii.mlingen, deren Cotyledonen des Nachts nicht emporsteigen und nur von 2-2 1/2 mm lang sind, so bieten ihre Blattstiele keine deutliche Zone kleiner Zellen dar, denen Chlorophyll fehlt, und welche in ihrer Form ii.uszerlich von den unteren verschieden sind. Nichts desto weniger sind die Zellen an d.er Stelle, wo spitter ein PuJ­ vinus entwickelt wird, kJeiner (im Mittel 0,015 mm Jang), als diejenigen

in den unteren Theilen des nii.mlichen Blattstieles, welche allmii.hlich bei dem Hinabschreiten groszer werden; die gr1iszten sind 0,030 mm lang. In diesem friihen Alter sind die Zellen der Blattscheibe ungefii.hr 0,027 mm lang. Wir sehen hieraus, dasz der Pulvinus ans den Zellen im obersten Theile des Blattstiels gebildet wird, welche eino kurze Zeit lang an Lange zuzunehmen fortfahren, dann in ihrem Wachsthum aufgehalten worden, wo­ mit der Verlust ihrer ChJorophyllk1irner verbunden ist, wii.hrend die Zellen im unteren Theile des Blattstiels eine lange Zeit hindurch an Lange zuzu­ nehmen fortfahren und die der Epidermis mehr kegelf1irmig werden. Die eigenthllmliche Thatsache , dasz die Cotyledonen dieser Pfl.anze nicht dos Nachts schlafen, ist daher eine Folge davon , dasz das Kissen nicht in einem friihen Alter entwickelt wird.

 

[page break] Cap. 2. Storung der periodischen Bewegungen. 108

Wir sehen aus diesen zwei Fallen von Lotus und Oxalis, da z die Entwickelung eines Pnlvinus Folge davon ist, dasz das Wachsthum der Zellen iiber einen kleinen bestimmten Raum des Blattstiels iu eir\em fruhen Alter beinahe aufgehalten wird. Bei Lotus Jacobaeus nehmen die Zellen anfangs ein wenig an Lange zu: bei Oxalis corni­ culata nehmen sie ein wenig ab in Folge von Selbsttheilung. Eine Masse solcher kleiner ein Kissen bildender Zellen kann daher von verschiedenen Species in einem und demselben naturlichen Genus oboe irgendwelche Schwierigkeit entweder erlangt oder verloren werden, und wir wissen, dasz bei Sl.lmlingen von 'l'rifolium, Lotus und Oxalis einige von ihren Species ein gut entwickeltes Kissen haben, und andere haben keines oder nur eins im rudiment!i.ren Zustande. Da die von der abwechselnden Turgescenz der Zellen in den zwei Halften eines Polsters verursachten Bewegungen in hohem Masze durch die Ausdehn­ barkeit und spatere Zusammenziehung ihrer Wandungen bestimmt werden miissen, so konnen wir vielleicht verstehen, warum eine grosze Anzahl kleiner Zellen . wirksamer sein wird als eine kleine Anzahl groszer Zellen, die den namlichen Raum einnehmen. Da ein Kissen durch die Hemmung .des Wachsthums seiner Zellen gebildet wird, konnen Bewegungen, die von ihrer Thatigkeit abhllngen, lange fortdauern, obne dasz der hiermit versehene Theil irgendwie an Lange zunimmt; und der­ artige lang fortgesetzte Bewegungen scheinen einen der hauptsil.chlich­ sten, durch die Entwickelung eines Kissens erreichten Zwecke zu bilden. Lang fortgesetzte Bewegung wiirde in einem jeden Theile oboe ein ungeMriges Langenwachst um unmoglich sein, wenn der Turgescenz der Zellen immer Wacbsthum folgte.

 

Storung der periodischen Bewegungen der Cotyle­ donen du r c h d as Licht. - Die Hypocotyle und Cotyledonen der meisten Pflanzensil.mlinge sind bekanntlich auszerst Jieliotropisch; aber Cotyledonen werden auszer dem, dasz sie heliotropisch sind, von dem Lichte noch paratonisch (um SACHS' Ausdruck zu gebrauchen) afticirt,

d. h. ihre taglichen periodischen Bewegungen werden bedeutend und schnell durch Veril.nderungen in der Intensitil.t oder durch den Mangel des Lichts gesto.rt. Nicht dasz sie im Dunkeln zu circamnutiren auf­ Mrten, denn in allen den viel.en von uns beobachteten Fallen fahren sie hiermit fort ; aber die normale Ordnung ihrer Bewegungen in Bezug auf das Abwechseln von Tag und Nacht wird sehr gestort oder voll-

 

[page break] 104 Stornng der periodischen Bewegungen, Cap. 2.

stllnaig aufgehoben. Dies gilt auch ffir die Species, deren Cotyledonen' des Nacbts so bedeutend sicb erbeben oder senken, dasz man sie als sehlafend• bezeichnen kOnnte, ebenso wie fur andere, welcbe sich nur wenig erheben. Aber verschiedene Species werden von Ver!lnderungen in der Beleuchtung in sebr verschiedenen Graden beeinfluszt.

So bewegten sich beispielsweise die Cotyledonen von Beta vulgaris, Solanum lycopersicum, Cerinthe major und Lupinus luteus, wenn sie in das Dunkle gebracht wurden, wahrend des Nachmittags und des Anfangs der Nacbt, anstatt sich zu erheben, wie sie es gethan haben wilrd!>n, wenn sie dem Lichte ausgesetzt gewesen waren, abwarts. Nicht alle lndividuen des Solanum benahmen sich in derselben Art, denn die Cotyledonen eines circumnutirten zwischen 2,30 und 10 Uhr p. m. um einen und den namlichen Punkt. Die Cotyledonen eines Samlings von Oxalis corniculata, welcher schwach von oben beleuchtet wurde, bewegten sich wahrend des ersten Morgans in der normalen Weise abwli.rts, am zweiten Morgen aber be­ wegten sie sich nach oben. Die Cotyledonen vou Lotus Jacobaeus wurden durch einen vierstiindigen Aufenthalt in vollstli.ndiger Dunkelheit nicht afficirt; wurden sie aber unter ein doppeltes Oberlicht gebracht und in dieser Weise schwach beleuchtet, so verloren sie am dritten Morgi:m ihre periodischen Bewegungen vollstandig. Auf der andern Seite bewegten si.ch die Cotyledonen von Cucurbi'ta ovifera wahrend eines ganzen Tages im Dunkeln in der normalen Weise.

Samlinge von Githago segetum wurden am Morgen, ehe ihre Cotyledo­

nen sich entfaltet batten, schwach von ohen beleuchtet, und sie blieben in den nachsten 10 Standen geschlossen. Andere Samlinge wurden in das Dunkle gebracht, nachdem ihre Cotyledonen sich am Morgen geoffnet batten, und diese fiengen nicht eher an sich zu schlieszen, bis ungefii.hr vier Stunden verflossen waren. Die Cotyledonen von Oxalis rosea sanken senkrecht abwli.rts, nachdem sie 1 Stunde 20 Min. in Dunkelheit gelassen worden waren, diAjenigen einiger anderen Snecies von Oxalis aber wurden durch den Aufenthalt von mehreren Stunden im Dunkeln nicht afficirt. Die Cotyledonen mehrerer Species von Cassia sind auszerst ernpfindlich filr Veranderungen in der Lichtstarke, welcher sie ausgesetzt werden. So wurden Sarnlinge einer ungenannten siidbrasilianischen Species (eines groszen und scMnen Baurnes) ans dem Warmhause genornmen und auf den Tisch in der Mitte eines Zimrners mit zwei Nordost- und einem Nordwestfenster gestellt, so dasz sie ziemlich gut beleuchtet waren, obgleich natiirlich weniger als in dem Warmhause. Der Tag war maszig hell; und nach 36 Minuten stiegen die Cotyledonen, welche horizontal gewesen waren, senkrecht nach oben und schlossen sich, als wenn sie schliefen; nachdem sie 1 Stunde

15 Min. Jang auf dem Tische so geblieben waren, fiengen sie an sich zu r,ffnen. .Die Cotyledonen junger Sii.mlinge einer anderen brasilianischen Species und von C. neglecta, die in derselben Art beha,ndelt wurden, be­ nabmen sich ahnlich, ausgenornmen, dasz sie sich nicht vollig so stark erhoben: nach ungefll.hr einer Stunde wurden sie wieder horizontal.

Das Folgende ist ein noch interessanterer Fall: In zwei TOpfen be­ findliche Sii.rnlinge von Cassia tora, welche einige Zeit Jang auf dem

 

[page break] Cap. 2. Empfindlichkeit der Cotyledonen gegen Beriihrung. 105

Tische in dem eben beschriebenen Zimmer gestanden hatten, hatten hori­ zontal stehende Cotyledonen. Ein Topf wurde nun zwei Stunden lang tril bem Sonnenschein ansgesetzt, und die Cotyledonen blieben; horizontal, er wurde dann auf den 'l'isch zurilckgebracht und nach 50 Minuten waren di1;1 Cotyledonen 68° iiber den Horizont gestiegen. Der andere Topf wurde wii.hrend der nii.mlichen zwei Stunden hinter einen Schirm in dcmselben Zimmer gebracht, wo das Licht sehr triib war, und die Cotyledonen er­ hoben sich 63° ilber den Horizont, der Topf wurde dann auf den Tisch zuriickgebracht, und nach 50 Minuten batten sich die Cotyledonen um 33° gesenkt. Diese zwei Topfe mit Siimlingen desselben Alters standen dicht bei einander und wurden genau derselben Menge von Licht ausgesetzt, und doch erhoben sich die Cotyledonen in dem einen Topfe, wii.hrend die in dem anderen Topfe in derselben Zeit sich senkten. Diese Thatsache er­ lii.utert in einer auffallenden Art und Weise, dasz ihre Bewegungen nicht durch den factischen Betrag an Licht, sondern durch eine Veranderung in seiner Intensitii.t oder in seinem Grade beherrscht werden. Ein ahn­ liches Experiment wurde mit zwei Satzen von Sii.mlingen angestellt, welche beide, aber in verschiedenem Grade, einem trilben Lichte ausgesetzt wurden, und das Resultat war das nii.mliche. Die Bewegungen der Cotyledonen dieser Cassia werden indessen (wie in vielen anderen Fallen) in hohem Masze durch Gewohnheit oder Vererbung best1.mmt unabhii.ngig vom Lichte; denn Sii.mlinge, welche wahrend des Tages mii.szig beleuchtet wurden, wurden die ganze Nacht hindurch und am folgenden Morgen in vollstii.ndiger Dunkelheit gehalten; und doch waren die Cotyledonen am Morgen theil­ weise getiffnet und blieben in der Dunkelheit ungefli.hr sechs Stunden lang offen. Die bei einer anderen Gelegenheit ahnlich behandelten Cotyledonen in einem anderen Topfe waren um 7 Uhr a. m. offen und blieben itn Dunkeln 4 Stunden 30 Min. Jang offen, nach welcher Zeit sie sich zu schlieszen begannen. Und doch erhoben diese nii.mlichen Sii.mlinge, wenn sie in der Mitte des Tages aus einem mii.szig hellen in ein nur maszig trilbes Licht gebracht wurden, wie wir gesehen haben, ihre Cotyledonen flber den Horizont.

Empfindlichkeit der Cotyledonen gegen Berilhrung. - Dieser Gegenstand besith nicht viel Interesse, da es nicht bekannt ist, dasz Empfindlichkeit die er Art fur Pflanzensamlinge von irgend welchen Diensten ist. Wir haben nur in vier Gattungen Falle beobachtet, obschon wir die Cotyledonen vieler anderen vergebens beobachtet haben. Die Gattung Cassia scheint in dieser Beziehung besonders hervorragend zu sein: So wurden die Cotyledonen von C. tora, wenn sie horizontal aus­ gebreitet waren, beide mit einem sehr dilrmen Zweige drei Minuten Jang leicht gestoszen, und im Verlauf einiger weniger Minuten bildetc-n sie mit einander einen Winkel von 90°, so dasz jeder um 45° gestiegen war. Ein einzelner Cotyledon eines anderen Siimlings wurde in gleicher Weise eine Minute lang gestoszen und in neun Minuten stieg er um 27°, und nach

weiteren acht Minuten war er um 1 o0 mehr gestiegen; der gegenilber­

stehende Cotyledon, welcher nicht berilhrt worden war, bewegte sich ilberhaupt kaum. Die Cotyledonen wurden in allen diesen Fallen in weniger als einer halben Stunde wiederum horizontal. Das Kissen ist der empfind­ licbste Theil, denn nach leicbtem Stecl10n dreier Cotyledonen mit einer

 

[page break] 106 Empfindlichkeit der Cotyledonen gegen Berlihrung. Cap. 2.

 

Nadel an diesem Theile, erhoben sie sich senkrecht in die Hohe; aber auch die Blattscheibe ergab sich als sensitiv, wobei Sorge darauf verwendet war, das Kissen nicht zu beriihren. Wassertropfen, ruhig auf diese Coty­ ledonen gebracht, bewirkten keinerlei Effect, aber ein auszerst feiner aus einer Spritze hervortretender Wasserstrahl veranlaszte sie sich aufwarts zu bewegen. Wenn ein Topf mit Samlingen rapid mit einem Stock ge­ troffen und in dieser Weise erschiittert wurde, erhoben sich die Cotyledonen

unbedeutend. Wenn ein auszerst kleiner Tropfen Salpetersii.ure auf beide Pulvini eines Samlings gebracht wurde, erhoben sich die Cotyledonen so schnell, dasz man sie leicht sich bewegen sehen konnte, und beinahe un­ mittelbar danacb fiengen sie an, sich zu senken; die Pulvini wal"en aber getodtet worden und wurden hraun.

Die Coiyledonen einer unbenannten Species von Cassia (ein groszer Baum aus Siid-Brasilien) erhoben sich um 31° im Verlaufe von 26 Minuten, nachdem die Pulvini und die Blattscbeiben eine Minute lang beide mit einem Stabchen gerieben worden waren; wurde aber die Scheibe allein in ahnlicber Weise gerieben, so erhoben sich die Cotyledonen nur um 8°. Die merkwiirdig langen und scbmalen Cotyledonen einer dritten unbekannttm Species aus Siid-Brasilien bewegten sich nicbt, als bei sechs Gelegenheiteu ihre Scheiben mit einem spitzen Stabe 30 Sekunden oder 1 Minute lang gerieben wurden; wurden aber die Pulvini gerieben und leicht mit einer Nadel gestochen, so erhoben sich die Cotyledonen im Verlauf einigf'l• weniger Minuten durch einen Winkel von 608 Mehrere Cotyledonen von

C. neglecta (gleichfalls von Siid-Brasilien) erboben sich in der Zeit von 5 bis 15 Minuten in verschiedenen Winkeln zwischen 16° und 34°, nachde.m sie eine Minute lang mit einem Zweige gerieben worden waren. Ihre Empfindlichkeit bleibt bis in ein ziemlich vorgeschrittenes Alter bestehen, denn die Cotyledonen einer kleinen Pflanz(l von C. neglecta, welche 34 Tage alt war und drei echte Blatter trug, erhoben sich, wenn sie zwischen dtin Fingern leicht gedriickt wurden. Einige Sii.mlinge wurden 30 Minuten lang (bei einer Temperatur von 10° C.) einem Winde ausgesetzt, welcher hinreicbende Starke hatte, die Cotyledonen erzittern zu machen. Doch veranlaszte dies zu unserer ltberraschung keinerlei Bewegung. Die Coty­ ledonen von vier Samlingen cler indischen C. glauca wurden entweder mit einem dilnnen Stii.bchen zwei Minuten lang gerieben oder leicht gedriickt: der eine sticg um 348, ein zweiter nur um 6°, ein dritter 13° und ein vierter 17°. Ein ahnlich behandelter Cotyledon von C. fiorida erhob

sich 9°, einer von C. corymbosa stieg um 71/2 und einer der sehr ver­ schiedenen C. mimosoides stieg nur 6°. Die Cotyledonen von C. pubescens schienen nicht im mindesten seusitiv zu sein, e,ben so wenig waren es die

von C. nodosa. Diese letzteren sind aber ziemlich dick und fleischig und erheben sich oder schlafen des Nachts nicht.

Smithia sensitiva. - Diese Pflanze gehort zu einer andern Unterordnung der Leguminosen als Cassia. Beide Cotyledonen eines alt­ licheu Samlings, an welchem das erste echtP- Blatt zu.m Theil entfaltet war, wurde eine Minute lang mit einem diinnen Stabchen gerieben, uud in fiinf Minuten erhob sich jeder 3211; sie blieben 15 Minuten lang in dieser Stellung; als aber 40 Minuten nach dem Reiben wieder nach ihnen gesehen wurde, war ein jeder um 14° gefallen. Beide Cotyledonen eines

 

[page break] ap. 2. Empfindlichkeit der Cotyledonen gegen Beriihrung•.

 

107

 

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anderen und jiingeren Sii.mlings wurden in derselben Weise eine Minntf' lang gerieben, und nach Verlauf von 52 Minuten '!ar ein jeder um 306 gestiegen. Gegen einen feinen Wasserstrahl waren sie durchaus kaum empfindlich. Die Cotyledonen von S. Pfundii, einer africanischen Wasser­ pflanze, sind dick und fleischig, sie sind weder sensitiv, noch schlafen sie.

Mimosa pudica und albida. - Die Blattscheiben mehrerer Cotyledo­ nen dieser beiden Pflanzen wurden eine oder zwei Minuten lang gerieben oder leicht mit einer Nadel gekratzt, sie bewegten sich nicht im mindesten. Als aber die Pulvini von sechs Cotyl donen von M. pudica in dieser Weise• gekratzt wurden, erhoben sich zwei von ihnen unbedeutend. In diesen beiden Fallen wurde vielleicht der Pulvinus zufitllig gestochen; denn als der Pulvinus eines anderen Cotyledon gestochen wurde, erhob er sich ein wenig. Es geht hieraus hervor, dasz die Cotyledonen von Mimosa weniger empfindlich sind, als diejenigen der vorher erwahnten Pflanzen 29

Oxalis sensitiva. - DieBlattscheiben undPulvinizweierCotyledonen, welche horizontal standen, wurden 30 Secunden lang mit einer feinen, gespaltenen Borste gerieben oder gewissermaszen gekitzelt, und in 10 Min. war jeder um 486 gestiegen. Als 35 Min., nachdem sie gerieben worden waren, wieder nach ihnen gesehen wurde, waren sie um 46 mehr gestiegen, nach weiteren 30.Min. standen sie wiederum horizontal. Wurde ein Topf rapid mit einem Stock eine Minute lang geschlagen, so waren die Coty­ ledonen zweier Samlinge im Verlaufe von 11 Miuuten betrachtlich gestiegen. Ein Topf wurde eiM kurze Strecke lang auf einem Brette getragen und dadurch geschiittelt; die Cotyledonen von vier Silmlingen waren in 10 Min. sii.mmtlich erhoben; nach 17 Min. war der eine um 56°, ein zweiter um 45°, ein dritter beinahe um 90° und ein vierter 90° erhoben. Naci1 einem weiteren Verlaufe von 40 Min. hatten sich drei von ihnen in einer betrachtlichen Ausdehnung wieder ausgebreitet. Diese Beobachtungen wur­ den gemacht, ehe wir Kenntnis davon batten, in welcher auszerordentlich rapiden Geschwindigkeit die . Cotyledonen circumnutiren und sind daher einem Irrthum am;gesetzt. Nichts desto weniger ist es ii.uszerst unwahr­ scheinlich, dasz sich die Cotyledonen in den acht mitgetheilten Fallen sii.mmtlich gerade in der Zeit, wo sie gereizt wurden, erhoben batten. Dif' Cotyledonen vou Oxalis Valdiviana und rosea wurden gerieben und zeigten keinerlei Empfindlichkeit.

 

Endlich scheint zwischen der Gewohnheit der Cotyledonen sich des Nachts senkrecht zu erheben oder einzuschlafen und ihrer Empfind­ lichkeit, besonders ihrer Pulvini, gegen Beriihrung eine gewisse Be­ ziehung zu bestehen, denn s!immtliche oben genannten Pflanzen schlafen des Nachts. Andrerseits gibt es viele Pflanzen, deren Cotyledonen schlafen und nicht im mindesten sensitiv sind. Da die Cotyledonen

 

29 Die einzi Notiz iiber Empfindlichkeit der Cotyledonen, welcher wir be­ gegnet sind, bezieht sich auf Mimosa, denn Auo. P. De Candolle sagt (Physiol. Veget. T. 2. p. 865): .les cotyledons du M. 21udica tendent se rapprocher par leurs faces superieures lorsqu'on les irrite.

 

[page break] 108 Empfindlicbkeit der Cotyledonen gegen Beriihrung. Cap. 2.

 

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mehrerer Species von Cassia

 

 

sowohl <lurch unbedeutend vermindertes

 

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'Licht als durcb Berubrung leicht afficirt werden, glaubten wir; dasz diese beiden Arten von Empfindlichkeit im Zusammenhange stehen mochten; doch ist dies nicht nothwendig der Fall, denn die Cotyle­ donen von Oxalis sensitiva erhoben sich nicht, als sie bei einer Ge­ legenheit anderthalb Stunden lang, bei einer zweiten Gelegenheit nahezu 4 Stunden lang in einem dunklen Gemache gehalten wurden. Einige andere Cotyledonen, wie die von Githago segetum, werden durch ein schwaches Licht bedeutend afficirt, bewegen sich aber nicht, wenn sie mit einer Nadel gekratzt werden. Dasz bei einer und derselben Pflanze zwischen der Empfindlichkeit ihrer Cotyledonen und Bllltter eine ge­ wisse Beziehung besteht, erscheint im hohen Grade wahrscheinlich. Denn die oben beschriebenen Smithia und Oxalis sind beide sensiti-va genannt worden, wail ihre Blll.tter sensitiv sind; und obgleich die Blatter mehrerer Species von Cassia gegen Berilhrung nicht empfind­ lich sind, nehmen sie doch, wenn ein Zweig erschilttert oder mit Wasser bespritzt wird, zum Theil ihre niichtliche, nach abwiirts hiingende Stellung wieder ein. Es ist aber die Beziehung zwischen der Empfindlicbkeit gegen Beruhrung bei Cotyledonen und bei Bliittern einer und der nAmlicben Pflanze nicht sehr nahe, wie sich daraus schlieszen lilszt, dasz die Cotyledonen von Mimosa pudica nur unbe­ deutend sensitiv sind, wahrend von den Blllttern es sehr bekannt ist, dasz sie es im hohen Grade sind. Ferner sind die Bllitter von Nep­ tunia. oleracea gegen Berilhrung sehr empfindlich, wabrend die Cotyle­ donen dies in durchaus keinem Grade zu .sein scheinen.

 

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Drittes Ca.pitel.

Empflndllchkelt der Spltze des Wiirzelchens gegen Beriihrung und gegen andere Reize.

Art und Weise, iu welcher die Wiirzelchen sich biegen , wenn sie im Boden auf ein Hindernis treffen. - Vicia faba. Die Spitzen der Wiirzelchen im hohen Grade gegen Berllbrung und andere Reize empfindlich. - Wirkungen einer zu hohen Temperatur. - Vermc>gen, zwischen auf gegeniiberliegenden Seiten angehefteten Gegenstinden zu unterscbeiden. - Die Spitzen secundirer Wiir­ zelchen sensitiv. - Pisum. Spitzen der Wiirzelchen sensitiv. - Wirknngen einer derartigen Empfindlichkeit bei der Uberwindung des Geotropismus. - Secundiire Wiirzelchen. - Phaseolus. Spitzen der Wiirzelchen gegen Beriih­ rung kaum empfindlicb, gegen Atzmittel aber in bobem Grade empfindlicb. ebenso wie gegen die Entfernung eines Schnittchens. - Tropaeolum. - Gos­ sypium. - Cucurblta. - Raphanus. - Aesculus. Die Spitze gegen leichte Beriihrung nicbt empfindlicb, gegen Atzmittel in hohem Grade empfindlich.

- Quercus. Spitze gegen Beriibrung in hohem Grade empfindlich. - Unter­ scheidungsvermllgen. - Zea. Spitze in hohem Grade empfindlicb, secundiire Wiirzelchen. - Ernpfindlichkeit der Wiirzelchen gegen feuchte Luft. - Zu­ sammenfassung des Capitels.

Um zu sehen, wie die Wfuzelcben von S11mlingen iiber Steine, Wurzeln und andere Hindernisse, welche sie im Boden bestandig an treffen miissen, binwegkommen, wurden keimende Bohnen (Vicia faba) so gestellt, dasz die Spitzen der Wiirzelchen beinabe recbtwinklig oder

unter einem hohen Winkel mit darunterliegenden Glasplatten in Be­ rtibrung kamen. In anderen Fll.llen wurden die Bohnen herumgedreht, wlibrend ibre Wurzelcben wuchsen, sodasz sie nahezu senkrecbt auf ibrer eigenen, beinabe platten, breiten, oberen Flache hinabstiegeu. Die zarte Wurzelkappe wurde, wenn sie zuerst irgend eine direct ent­ gegenstehende Fli1cbe beruhrte, ein wenig quer abgeplattet. Die Ab­ plattung wurde bald schr1lg und verschwand in einigcn wenigen Stunden, vollstandig. Die Spitze wies nun unter rechtem Winkel oder nahezu rechtwinklig auf ihren fruberen Verlauf. Dann schien das Wiirzelchen

 

[page break] 110 Empflndlichkeit des Wttrzelchens. Cap. 3.

in seiner neuen Richtung iiber die Flache, welche ihr entgegengestellt war, zu gleiten und nur mit sebr geringer Kraft auf sie zu driicken. In wie weit solche pMtzlicbe Anderungen in seinem friiberen Verlauf durch die Circumnutation der Spitze unterstiitzt werden, inusz zweifel­ haft gelassen werden. Diinne Scheibchen Holz wurden auf mehr oder weniger steil geneigte Glasplatten, rechtwinklig auf die ihnen entlang hinabgleitenden Wftrzelchen gekittet. Entlang dem wachsenden ter­ minalen Theile einiger dieRer Wiirzelchen waren gerade Linien auf­ gemalt word en, ehe sie das entgegenstehende Holzstiickcben trafen; und in zwei Stunden, nachdem die Spitze in Beriihrung mit dem Stiick­ chen gekommen war, waren die Linien merklich gekriimmt. In einem Falle war die Wurzelkappe eines Wftrzelchens, welches ziemlich lang­ sam wuchs , nachdem es ein rauhes Stiickchen Holz unter rechten Winkeln getroffen hatte, zuerst unbedeutend quer abgeplattet; nach Verlauf von 2 Stunden 30 Min. wurde die Abplattung schrag, und nach weiteren 3 Stunden war die Abplattung vollstandig verschwunden; die Spitze wies nun rechtwinklig auf ihren friiheren Verlauf. Dann fuhr sie fort dem Holzstiickchen entlang in ihrer neuen Richtung zu wacbsen, bis sie zum Ende desselben kam , um welches sie sich rechtwinklig herumbog. Als sie bald darauf an den Rand der Glasplatte kam, wurde sie wiederum unter einem groszen Winkel gebogen und hieng senkrecht in den feuchten Sand binab.

Wenn Wiirzelchen, wie in den obigen Fallen, ein Hindernis unter rechtem Winkel auf ihren Wegen begegnete, wurde der terminale, wachsende Theil in einer Lange von zwischen 0,3 und 0,4 Zoll (8 bis 10 mm), von der Spitze aus gemessen, gekriimmt. Dies zeigte sich sehr gut durch die schwarzen Linien, welche vorher auf sie gemalt worden waren. Die erste und augenscheinlichste Erkl!irung der Kriim­ mung ist die, dasz sie einfach ein Resultat des mechanischen Wider­ standes gege das Wachsthum des Wiirzelchens in seiner urspriing­ lichen Richtung ist. Trotzdem scbien nns diese Erklarung nicht ge­ niigend zu sein. Die Wiirzelchen boten nicht das Ansehen dar, als seien sie einem hinreichenden Drucke ausgesetzt gewesen, um ibre Krilmmung daraus zu erklllren; und SACHS 1 hat gezeigt, dasz der wachsende Theil steifer ist, als der Tbeil unmittelbar dariiber, welcher zn wachsen aufgehort hat, so dasz man batte erwarten kOnnen, dasz

 

1 Arbeiten des Botan. Institute Wiirzburg, 3. Heft 1873 p. 398.

 

[page break] Cap. :l. Empfindlichk"lit des Wilrzelchens. 111

der letztei:e nachgebe nnd gekriimmt werde, sobald die Spitze einen nicht nachgebenden Gegenstand triife, wlihrend es der steife wachsende Theil ist, welcher gekrtimmt wird. Uberdies wird ein Gegenstand, welcher mit der gr1iszten Leichtigkeit nachgibt, ein Wlirzelchen ab­ lenken : als, wie wir gesehen haben, die Spitze des Wlirzelchens der Bohne die polirte Oberflache einer iiuszerst dlinnen Stanniolplatte, welche auf weichem Sande lag, traf, blieb kein Eindruck auf ihr zuriick, und doch wurde das Wiirzelchen rechtwinklig abgebogen. Es fiel uns eine zweite Erklarung ein , niimlich , dasz selbst der leichteste Druck das Wachsthum der Spitze aufhalten k0nnte, und in diesem Falle wlirde das Wachstbum nur auf einer Seite fortdauern, und das Wlirzelchen wlirde hiernach eine rechtwinklige Form annehmen ; diese Ansicht lliszt aber die Kriimmung des oberen Theils in einer Ausdebnung von einer Liinge von 8-10 mm vollstitndig unerklilrt.

Wir wurden daher zu der Vermuthung geflihrt, dasz die Spitze gegen Beriihrung empfindlich sei, und dasz eine Wirkung von ihr aus dem oberen Theile des Wiirzelchens iibermittelt wiirde, welches hier­ durch angeregt wurde, sich von dem beriihrenden Gegenstande abzu­ biegen. Da eine klcine Schleife feinen Fadens, an eine Ranke oder an den Stiel einer blattkletternden Pflanze gehangen, die Biegung dieser Theile verursacht , so glaubten wir, dasz irgend ein kleiner barter Gegenstand, an die Spitze eines frei aufgehiingten und in feuchter Luft wachsenden Wurzelchens befestigt, es veranlassen k1innte sich zu biegen wenn es sensitiv ware, und wurde doch keinerlei mechanischen Wider­ stand gegen sein Wachsthum ausliben. Wir wollen ausfuhrliche De­ tails der angestellten Versuche mittheilen, da das Resultat sich als ein merkwurdiges herausstellte. Die Thatsache, dasz die Spitze eines Wurzelchens gegen Beriihrung empfindlich ist, ist niemals beobachtet worden, obschon, wie wir spitter sehen werden, SACHS entdeckt bat dasz das Wiirzelcben ein wenig oberhalb der Spitze sensitiv ist und gleich einer Ranke n ac h dem beruhrten Gegenstande hi n sich beugt Wenn aber eine Seite der Spitze durch irgend einen Gegenstand ge­ druckt wird, biegt sich der wachsende Theil v o m Gegenstande a b,. und dies scheint eine wundervolle Anpassung zu sein, um Hindernisse am Boden zu vermeiden, und , wie wir spitter sehen werden, um den Richtungen des geringsten Widerstandes zu folgen. Viele Organe beugen sich bei der Beriihrung in einer feststehenden Richtung, so die Staub­ faden von Berberis, die Blattlappen von Dionaea etc., und viele

 

[page break] 112 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

Organe, so Ranken, mogen sie modificirte Blatter oder Bluthenstengel sein, und einige wenige Stamme, biegen sicb nacb einern beriibrenden Gegenstande bin; aber, wie wir meinen, ist kein Fall bekannt, in dem sich ein Organ von einern beruhrenden Gegenstande abbiegt.

 

Empfindlichkeit de1• Spitze des Wurzelcbens von Vic i a fa b a. - Nachdem gemeine Bohnen 24 Stunden lang in Wasser eingeweicht worden waren, wurden sie mit dem Hilum abwarts (in der von SACHS schon befolgten Art) angestochen an die Innenseite der Korkstopsel von Glasgefli.szen gehangt, welche halb mit Wasser gefiillt waren. Die Seiten und die Korke wurden gut befeucbtet und

Licht wurde ausgeschlossen. Sobald die Bohnen Wurzelchen vor­ getrieben batten, einige bis zu einer Lange von weniger als lo Zoll und andere bis zu einer Llinge von mehreren Zehnteln, wurden kleine viereckige oder oblonge Stiickchen Cartons auf die kurzen abfallenden

Seiten ihrer conischen Spitzen befestigt. Die kleinen Vierecke biengen

<laher schrag in Bezug zur Langenachse des Wiirzelchens; und dies ist eine sehr notbwendige Vorsicht; denn wenn die Cartonstuckchen zufallig aus dieser Stellung kamen oder durch den angewendeten Kleb­ stotf aus derselben gezogen wurden, sodasz sie parallel zur Seite des Wiirzelchens biengen, wenn schon nur eine geringe Entfernung oberhalb

<ler conischen Spitze, bog sich das Wiirzelchen doch nicbt in der eigen­ thiimlichen Art und Weise, welche wir bier betrachten. Vierecke von ungefahr lo Zoll (d. h. ungefahr ½ mm) oder oblonge Stiickchen von nahezu derselben Grosse wurden als die zweckmliszigsten un<l wirk­ samsten befunden. Wir wendeten zuerst gewohnlichen diinnen Carton

an, so wie von Visitenkarten, oder Stiickchen sehr diinnen Glases und verschiedene andere Gegenstande; aber spate1• wurde hauptslichlich Sandpapier angewendet, denn es war beinahe so steif wie dunner Car­ ton, und die rauhe Oberflache begiinstigte sein Anhiingen. Anfangs benutzte.n wir allgemein sebr dickes Gummiwasser; und dies trocknete natiirlich unter den gegebenen Verhaltnissen nicht im Mindesten, im Gegentheil es schien uns zuweilen Wasser zu absorbiren, sodasz die Cartonstiickchen durch eine Schicht von Fliissigkeit von der Spitze getrennt wurden. Fand keine derartige Absorption statt, und wurde der Carton nicht aus seiner Stellung gebracht, so wirkte dasselbe ganz gut und veranlaszte das Wiirzelchen sich nach der entgegengesetzten Seite zu biegen. lch musz noch hinzufiigen, dasz dickes Gummiwasser

 

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allein keinerlei Wirkung hervorbringt. In den meisten Fallen wurden die Cartonstiickchen mit einer auszerst geringen Quantitat einer Losung ron Schellack in Spiritus beriihrt, welchen man hatte verdampfen

lassen, bis sie dick wurde; sie wurde dann in einigen wenigen Secunden liart und fixirte die Cartonstiickchen ganz gut. Wenn kleine Tropfen

-0er Schellacklosung auf die Spitze gebracht wurden ohne irgend welchen Carton, so trockneten sie zu kleinen harten Perlen ein, und diese wil'kten wie jeder andere harte Gegenstand und veranlaszten die Wiirzel­ ehen sich nach der entgegengesetzten Seite zu biegen. Selbst iiuszerst minutiose Schellacktropfchen wirkten gelegentlich in einem unbedeuten­

-0en Grade, wie spater beschrieben werden wird. Dasz es aber die Cartonstiickchen waren, welche hauptsachlich in unseren vielen Ver­

-snchen wirkten, wurde dadurch bewiesen, dasz die eine Seite der Spitze rnit einem kleinen Stiickchen Goldscblagerhiiutchen (welches fiir sich

:allein kaum wirkt) bekleidet und dann ein Stiickchen Carton auf das Hautchen mit Schellack, welcber mit dem Wiirzelchen nie in Beriih­ nmg kam, fixirt wurde. Trotzdem bewegte sich das Wiirzelchen von

{lem angehefteten Carton in der gewobnlichen Weise ab.

Es wurden noch einige sofort zu beschreibende vorlaufige Versucl1e angestellt, durch welche die gehorige Temperatur bestimmt wurde, und dann wurden die folgenden Versuche ausgefiihrt. Es musz voraus­ geschickt werden, dasz die Bohnen immer so an die Korkstopsel be­ festigt wurden, - der Bequemlichkeit der Handhabung wegen - dasz

-0er Rand, aus welchem das Wiirzelchen und die Plumula hervortraten, nach auszen stand; und es musz daran erinnert werden, dasz in Folge dessen, was wir SACHS' Kriimmung genannt haben, die Wiirzel­

ehen, anstat.t senkrecbt nach unten zu wachsen, hiiufig etwas und selbst his zu ungefahr 25° nach innen oder unter die aufgeliangte Bohne

hinein sich biegen. Wenn daher ein Cartonviereck an der Spitze vorn fixirt wurde, tlel die Kriimmung desselben, welche hierdurch veranlaszt wurde, mit SACHS' Kriimmung zusammen und konnte von ihr nur da­ durch unterschieden werden, dasz sie starker ausgepragt war oder

-schneller eintrat. Um diese Zweifelsquelle zu vermeiden, wnrden die kleinen Vierecke entweder hinten befestigt, so• dasz sie eine Kriim­ mnng in geradem Gegensatze zu SACHS' Kriimmung verursachten oder noch gewohnlicher auf der rechten oder linken Seite. Der Kiirze wegen wollen wir von den Cartonstiickchen u. s. w. als vorn oder hinten oder seitlich befestigt sprechen. Da die Hauptkriimmung des

lHRWIS, Jlewegungsvermogen. (XIII.) 8

 

[page break] 114 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

Wftrzelcbens in einer geringen Entfernung von der Spitze lag, und da die auszersten Theile, der terminale und hasale, nahezu gerade sind,.ist eg moglich in einer groheren Art und Weise den Betrag der Kriimmun!{

<lurch einen Winkel abzuscbll.tzen, und wenn gesagt wird, dasz das Wiirzelcben unter irgend einem Winkel von der Senkrechtcn abgelenH wird, so beiszt das, dasz die Spitze um so und soviel Grad von der Ricbtung nach abwarts, welche sie naturgem:isz eingeschlagen haben wurde, und nach der Seite, welche der, auf welcher der Carton befestigt wurde, entgegenlag, in die HOhe gewendet wurde. Damit der Leser eine deutlicbe Idee von der Art von Bewegung, die durch die Stf1ck­

.chen angehefteten Cartons erregt wurde, erhalte, fiigen wir bier genaue Skizzen dreier keimender Bohnen, die in dieser Weise hehandelt wurden,

A B C

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FI . 65. Vicia Jaba: A das WUrzelchon bcginnt slch von dem kleinen angehefteten CArtonvlereck w<>g zu blegen; B unt.er rechtem Winkel gcbogcn; C in elne11 Kreis oder eine Scbllnge gebogen;

dlo Spitze beginnt durch die Einwirkung des Geotropismus sich abwiirts zu blegen.

 

und die aus mebreren Exemplaren ausgewahlt sind, bei, um die Ab­ stufungen in den Graden der Kriimmung zu zeigen. Wir wollen nun im Einzelnen eine Reihe von Experimenten mittheilen und spater eine Zusammenfassung der Resultate geben.

In den ersten zwolf Versuchen wurden kleine Vierecke odcr Oblonge von Sandcarton von 1,8 mm Lange nnd 1,5 oder nur 0,9 mm Breite (d. h. 0,071 Zoll Lange nnd 0,059 oder 0,035 Zoll Breite) mit Schei-

 

[page break] Cap. 3. des Wiirzelchens der Bohne. 115

lack an die Spitze der Wilrzelchen befestigt. In den spateren Versuchpu wurden die kleinen Vierecke nur gelegentlich geme:1sen, waren aber un­ gefahr von derselben Grosze.

Ein junges, 4 mm langes Wiirzelchen mit einem Cartonstiickchen hinten befestigt: nach 9 Stun den in di:,r Ebene, in welcher die Bohne ab­ geplattet ist, 50° von der Senkrechten und vom Carton abgebeugt, im Gegensatz zu SACHS' Kriimmung: am nachsten Morgen, 23 Stunden von ller Zeit der Befestigung an, keine Veranderung.

Wiirzelchen 5,5 mm lang:, Cartonstiickchen hinten befestigt: nach

9 Stunden in der Ebene der Ifohne 20° von der Senkrechten und• vom Carton abgebeugt im Geg•ensatz zu SAcns' Kriimmung: nach 23 Stunden keine Verii.nderung.

Wiirzelchen 11 mm lang, Cartonstiickchen hinten befestigt: nach

9 Stunden in der Ebene der Bohne 40 von der Senkrechten und vom Carton abgcbeugt im Gegensatz zu SAcHs' Kriimmung. Die Spitze des Wiirzelchens mehr gekriimmt als der obere Theil, aber in derselben Ebene. Nach 23 Stunden war die auszerste Spitze unbedeutend nach dem Carton zu gebogen, wahrend die allgemeine Kriimmung des Wiirzelchens dieselbe geblieben war.

Wiirzelchen 9 mm lang, Cartonstiickchen hinten und ein wenig seitlich befestigt: nach 9 Stunden in der Ebene der Bohne nur ungefahr

7 oder 8 von der Senkrechten und vom Carton abgebogen im Gegen­ satz zu SACHS' Kriimmung. Auszerdem bestand noch eine unbedeutendr seitliche, theilweise vom Carton apgerichtete Kriimmung. Nach 23 Stunde11 keine Veranderung.

Wiirzelchen 8 mm lang, Cartonsti.ickchen beinahe seitlich befestigt: nach 9 Stunden 30 von der Senkrechten in der Ebene der Bohne urnl im Gegensatz zu SACHS' Kriimmung abgebeugt, also in einer Ebene all­

.gebogen, welche rechtwinklig zu der obigen lag und zwar 20 von der Senkrechten: nach 23 Stunden keine Verandorung.

Wiirzelchen 9 mm lang, Cartonstiickchen vorn befestigt: nach

9 Stunden in der Ebene der Bohne ungefahr 40 von der Senkrechten abgebeugt, von dem Cartonstiickchen weg und in der Richtung von SACHS' Kriimmung. Wir haben daher hier keinen Beweis dafiir, dasz das Carton­ stiickchen die Ursache der Abbiegung war, ausgenommen, dasz sich ein Wiirzelchen niemals, soweit wir gesehen haben, von selbst so stark wie 40 im Laufe von 9 Stunden bewegte. Nach 23 Stunden keine Veranderung.

Wiirzelchen 7 mm lang, Cartonstiickchen auf dem Riicken befestigt: nach 9 Stunden war der terminale Theil des Wiirzelchons in der Ebene der Bohne 20 von der Senkrechten, vom Cartonstilckchon weg und im Grgensatz zu SACHS' Kriimmung abgebogen. Nacll. 22 Stunden 30 Min. war dieser Theil des Wiirzelchens gerade geworden.

Wiirzelchen 12 mm lang, Cartonstiickchen beinahe seitlich befestigt: nach 9 Stunden seitwarts in einer rechtwinklig zu der der Bohne stehen­ den Ebene zwischen 40 und 50 von der Senkrechten und vom Carton­ stiickchen abgebogen. In der Ebene der Bohne selbst betrug die Ab­ lenkung 8 oder 9 von der Senkrechten und vom Cartonstiickchen weg im Gegensatz zu SACHS' Kriimmung. Nach 22 Stunden 30 Min. war die iinszerste Spitze unbedeutend nach dem Carton hin gekriimrut worden.

8'"

 

[page break] 116 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

 

Cartonstiickchen seitlich befestigt: nach 11 Stunden 30 M.in. noch keine Wirkung. Das Wiirzelchen stand noch immer beinahe senkrecht.

Cartonstiickchen beinahe seitlich befestigt: Nach 11 Stunden

30 Min. 90 von der Senkrechten und von dem Carton in einer Ebene abgebogen, welche zwischen der der Bohne selbst und einer rechtwinklig darauf stehenden zwischen inne liegt. Das Wilrzelchen folglich zum Theii von SACHS' Kr!llnmung abgebogen.

Spitze des Wiirzelchens mit Goldschlii.gerl1ii.utchen geschiitzt und ein Viereck von Carton von den gewolijilichen Dimensionen mit Schellack darauf befestigt; nach 11 Stunden bed1rntend in der Ebene der Bohne in der Richtuug von SACHS' Kriimmung abgebogen , aber in einem vie! h!iheren Grade und in geringerer Zeit als jemals von selbst eintritt.

Spitze des Wnrzelchens wie in dem letzten Falle geschntzt; nacl1

11 Stundeu keine Wirkung, aber nach 24 Stunden 40 Min. war das Wiirzelch£1n deutlich vom Carton abgebog1m. Diese langsame Wirkung war wahrscheinlich Folge davon, dasz eine Partie des Goldschlii.gerhaut­ chens sich herumgerollt hatte und die gegeniiberliegende Seite der Spitze leicht beriihrte und sie dadurch reizte.

Bei einem Wiirzelchen von betrachtlicher Lange wurde ein kleines Viereck von Carton mit Schellack seitlich an die Spitze befestigt; nach nur 7 Stunden 15 Min. war ein Stiick von 0,4 mm Lange von der Spitze, der Mitte entlang gemessen , betrii.chtlich von der das Cartonstiickchen tragenden Seite weggekriimmt.

'all wie der letzte in allen Beziehungen ausgenommen, dasz nur ein Stiick von 0,25 Zoll Lange des Wiirzelcl1ens in dieser Weise ab­ gebogen wurde,

Ein kleines Viereck von Carton war mit Schellack an die Spitze eines jungen Wiirzelchens befestigt: nach 9 Stunden 15 Min. war es 90 von der Senkrechten und vom Carton abgebogen. Nach 24 Stunden hatte die Abknkung bedeutend abgenommen und war nach einem weiteren '!'age bis zu 23 von der Senkrechten reducirt worden.

Cartonviereck mit Schellack hinter der Spitze eines Wiirzelchens

befestigt, welches, weil seine Stellung wahrencl des Wachsthums verandert worden war, sehr gekriimmt worden war: die terminale Partie war aber gerade, und diese wurdP. bis ungefiihr 45 von der Senkrechten und vom Ca_rton im Gegensatz zu SAcHs' Kriimmung abgebogen.

Cartonviereck mit Schellack befestigt: nach 8 Stuuden war das

Wiirzelchen unter rechtem Winkel von der Senkrechten und von dem Carton abgekriimmt. Nach 15 weiteren Stunden hatte die Kriimmung bedeutend abgenommen.

Cartonviereck mit Schellack befestigt: nach 8 Stunden keine Wirkung; nach 23 Stunden 3 Min., von der Zeit der Anheftung an, war das Wiirzelchen bedeutend von dem Viereck abgekriimmt.

Cartonviereck mit Schellack befestigt. Nach 24 Stunden keine Wirkung. Das Wiirzelchen war aber nicht gewachsen und schien krank zu sein.

 

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Cartonviereck mit Schellack befestigt. Wirkung.

 

Nach 24 Stunden keinP

 

 

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22. Cartonviereck mit Schellack befestigt; nach 24 Stunden waren die Wilrzelchen von beiden Bohnen zu ungefahr 45° von der Senkrechten nnd von den Cartonstiickchen weggekrilmmt.

Cartonviereck mit Schellack an ein junges Wiirzelchen befestigt: nach 9 Stunden war es sehr unbedeutend vom Carton weggekriimmt; nach 24 Stunden war die Spitze nach dem Carton hingekrilmmt. Ein neues Viereck seitlich befestigt: nach 9 Stunden deutlich vom Carton ab­ gekrilmmt und nach 24 Stunden rechtwinklig von der Senkrechten und vom Carton weggekriimmt.

Ein ziemlich groszes oblonges Stiick Carton mit Schellack an die Spitze befestigt: nach 24 Stunden keine Wirkung. Es fand sich aber, dasz der Carton die Spitze nicht bertihrte. Es wurde nun von neuem ein kleines Viereck mit Schellack befestigt; nach 16 Stunden unbedeutende Abbiegung von der Senkrechten und vom Carton ab; nach einem weiteren Tage wurde das Wiirzelchen beinahe grade.

Cartonviereck seitlich an die Spitze eines jungen Wiirzelchens befestigt: nach 9 Stunden war die Ablenkung von der Senkrechten be­ trachtlich, nach 24 Stunden war sie vermindert. Ein frisches Viereck mit Schellack befestigt: nach 24 Stunden betrug die Abbiegung ungefahr 40° von der Senkrechten und vom Carton.

Ein sehr kleines Cartonviereck mit Schellack an die Spitze eines jungen Wiirzelchens befestigt: nach 9 Stunden betrug die Abbiegung von der Senkrechten und von dem Carton nahezu einen rechten Winkel; nach

9 Stunden war die Abbiegung bedeutend vermindert und nach weiteren 24 Stunden war das Wiirzelchen beinahe grade.

Cartonviereck mit Schellack an die Spitze eines jungen Wiirzel­ chens befestigt: nach 9 Stunden betrug die Biegung von dem Carton und von der Senkrechten einen rechten Winkel; am nachsten Morgen war das Wiirzelchen vollkommen gerade. Es wurde ein neues Viereck seitlich mit Schellack befestigt: nach 9 Stunden ein wenig Abbiegung, welche nach 24 Stunden bis nahezu 20° von der Senkrechten und vom Carton zunahm.

Cartonvioreck mit Schellack befestigt: nach 9 Stunden etwas Abbiegung; am nachsten Morgen fiel das Cartonstiickchen ab; mit Schellack von neuem befestigt; es wurde wieder locker und von neuem befestigt; und nun wurde bei dem dritten Versuche das Wiirzelchen nach 14 Stunden unter rechtem Winkel von dem Carton abgebogen.

Ein kleines Cartonviereck wurde zuerst mit dickem Gummiwasser an der Spitze befestigt. Es brachte eine geringe Wirkung hervor, fiel aber bald ab. Ein ahnliches Viereck wurde nun seitlich mit Schellack befestigt: nach 9 Stunden war das Wiirzelchen nahezu 45° von der Senk­ rechten und vom Carton abgebogen; nach weiteren 36 Stunden war der Abbiegungswinkel bis auf 30° reducirt.

Ein sehr kleines, weniger als 7fo Zoll im Geviert groszes Stiick diinnen Stanniols wurde mit Schellack an die Spitze eines jungen Wiirzel­ chens befestigt: nach 24 Stunden keine Wirkung. Stanniol entfernt und ein kleines Viereck von Sandcarton mit Schellack befestigt; nach 9 Stunden Abbiegung unter nahezu rechtem Winkel von den Senkrechten und von dem Carton. Am nachsten Morgen war die Abbiegung bis auf ungefahr

40° von der Senkrechten reducirt.

 

[page break] 118 Empfimllichkeit der Spitze Cap. 3.

 

Ein Splitterchen diinnen Glases wurde an die Spitze mit Gum111i befestigt: nach 9 Stunden keine Wirkung. Es fand sich aber dann, dasz es die Spitze des Wurzelclrnns nicht beriihrte. Am niichsten Morgen wurd ein Cartonviereck mit Schellack an dasselbe befestigt und nach 9 Stunden war das Wiirzelchen bedeutrmd vom Carton weggebogt:>n. Nach zwei weiteren Tagen hatte die Abbicgung ahgenommen und betrug nur 35 von der Senkrechten.

Eiu kleines Viereck von Sandcarton wurtlP- mit dickem Gummiwasser seitlich an die Spitze eines langen, geraden Wiirzelcheus angeheftet: nac!J.

6 Stuuden war dies bedeutend von der Senkrechten und vom Carton ab­ gebogen. Die Kriimmung erstreckte sich anf eine Liing•e von 0,22 Zoll von der Spitze an. Nach drei weiteren Stunden war die terminale Partie rechtwinklig von der Senkrechfon abgebogen. Am niir:hsten Morgen war die gekriimmtA Partie 0,36 Zoll Jang.

Cartonviereck mit Gnmmi an die Spitze befestigt: nach 15 Stunden unter nahezu 90° von der Senkrechten und vom Carton abgebogen.

Kleine oblonge Stiickchen Sandcartons an die Spitze mit Gummi befestigt: nach 15 Stunden um 90° von der Senkrechten und vom Carton abgebogen: im Verlaufe der drei folgenden Tage wurde die terminale Partie stark zusammengedreht und schlieszlich zu einer dichten Spirale aufgerollt.

Cartonviereck mit Gummi an die Spitze befestigt: nach 9 Stunden vom Carton abgebogen; nach 24 Stunden von der Zeit der Befestigung an war die Spitze bedeutend schriig und zum Theil im Gegensatz zu SACHS' Kriimmung abgebogen.

Kleines Stiick Carton, etwas kleiner als ,/r; Zoll im Geviert, mit

Gummi an die Spitze befestigt: in 9 Stunden betriichtlich vom Carton und im Gegensatz zu SACHS' Kriimmung abgebogen; nach 24 Stunden bedeutend in derselben Richtung abgebogen. Nach einem weiteren Tage war die iiuszerste Spitze nach dem Carton zu gAkriimmt.

Ein mit Gummi an die Spitze vorn befestigtes Cartonviereck verursachte nach 8 Stunden 30 Minuten kaum irgend welche Wirkung; ein frisches, seitlich angeheftetes Viereck bog das W iirzelchen nach 15 Stunden beinahe unter 90° von der Senkrechten und vom Carton ab. Nach zwei weiteren Tagen war die Abbiegung bedeutend reducirt.

Cartonviereck mit Gummi an die Spitze befestigt: nach 9 Stunden bestand scbon bedeutende Abbiegung, welche nach 24 Stunden , von der Zeit der Befestigung an, bis zu beinahe 90° zunahm. Nach einem weiteren 'fage war die Endportion in eine Schlinge und am folgenden Tage in eine Schneckenspirale aufgerollt.

Kleines, oblonges Cartonstiick mit Gummi an die Spitze beinahe vorn, aber ein wenig nach einer Seite hin befestigt: in 9 Stunden un­ bedeutend in der Richtung von SACHS' Kriimmung, aber etwas schriig uud nach der dem Carton entgegenstehenden Seite abgebogen. Am niichsten Tage in derselben Richtung mehr gekriimmt und nach zwei weiteren Tagen in einen Ring aufgerollt.

Cartonviereck mit Gummi an die Spitze befestigt: nach 9 Stunden unbedeutend vom Carton weggekriimmt: am nii.chsten Morgen war das Wlirzelchen gerade und die Spitze war iiber dPn Carton hinausgewachsen.

 

[page break] Cap. 3. des Wiirzelchens der Bohne. 119

Ein anderes Viereck wurde seitlich mit Schellack befestigt: in 9 Stunden seitwii.rts abgebogen, aber auch in der Richtung von SAcHs' Kriimmung. Nach zwei weiteren Tagen hatte die Krilmmung bedeutend in derselben Richtung zugenommen.

Ein kleines Viereck von Stanniol wurde mit Gummi auf eine Seite der Spitzo eines jungen und kurzen Wilrzelchens befestigt: nach 15 Stunden keine Wirkung. Das Stanniolstilckchen war aber aus der Lage gekommen. Es wurde nun ein kleines Cartonviereck an die eine Seite der Spitze mit G-ummi befestigt: nach 8 Stunden 40 Minuten war die Spitze unbedeutend abgebogen. In 24 Stunden von der Zeit der Befestigung an betrug die Abbiegung 906 von der Senkrechten und vom Carton; nach 9 weiteren Stunden wurde das Wiirzelchen• hakenformig, wobei die Spitze nach dem Zenith hinwies. In drei Tagen von der Zeit der Befestigung an bildete die Endpartie des Wilrzelchens einen Ring oder Kreis.

Ein kleines Viereck von dickem Briefpapier wurde an die Spitze eines Wilrzelchens befestigt, welches nach 9 Stunden von ihm abgebogen war. In 24 Stunden nach der Zeit, wo das Papier angeheftet war, hatte die Abbiegung bedeutend zugenommen und nach zwei weiteren Tagen be­ trug sie bis zu 506 von der Senkrechten und vom Papier ab.

Ein schmales Schnittchen einer Federspule wurde mit Schellack an die Spitze eines Wiirzelchens befestigt: nach 9 Stunden keine Wirkung; nach 24 Stunden maszige Abbiegung; aber nun hatte das Spulenstiickchen aufgehort, die Spitze zu beriihren. Das Spulenstiickchen entfernt und ein kleines Cartonvierock an die Spitze mit Gummi befestigt, welcbes nach

Stunden unbedeutende Abbiegung verursachte. Am vierten Tage nach der ersten Anheftung irgend eines Gegenstaudes war die ii.uszersto Spitze nach dem Carton hingekriimmt.

Ein etwas langes und schmales Splitterchen ii.uszerst diinnen Glases wurde mit Schellack an die Sp ze befestigt. Es verursachte in

Stunden unbedeutende Abbiegung, welche in 24 Stunden verschwand; es ergab sich dann, dasz der Splitter die Spitze nicht boriihrte. Er wurde zweimal von neuem befestigt mit nahezu denselben Rcsultaton, d. h. er verursachtc unbedeutende Abbiegung, welcbe bald verschwand. Am vierten Tage von der Zeit der ersten Anheftung an war die Spitze nach dem Splitter hingebogen.

 

Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dasz die Spitze des Wiirzelchens der Bohne gegen Beriihrung empfindlich ist, und dasz diese den oberen Theil von dem beriihrenden Gegenstande wegzubiegen veranlaszt. Ebe wir aber eine Zusammenfassung der Resultate geben, wird es zweckmilszig sein, in Kiirze einige wenige andere Beobachtungen mitzutheilen. Stiickchen sehr diinnen Glases und kleine Vierecke ge­ wohnlichen Cartons wurden mit dickem Gummiwasser an die Spitzen der Wiirzelchen von sieben Bohnen befestigt, als vorlilufiger Versuch. Sechs von diesen wurden deutlich beeinfluszt, und in zwei Filllen wurden die Wiirzelchen in vollstilndige Schlingen aufgerollt. Ein Wiirzelchen

 

[page break] 120 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

wurde in einer so kurzen Zeit wie 6 Stunden 10 Minuten in einen Halbkreis gekriimmt. Das siebente Wiirzelchen, welches nicht beein­ fluszt wurde, war allem Anschein nach kranklich, da es am folgenden• Tage braun wurde, so dasz es keine wirkliche Ausnahme bildete. Einige von diesen Versuchen wurden im zeitigen Friihjahre wahrend kalten Wetters in einem Wohnzimmer und andere in einem Gewachs­ hause angestellt; die Temperatur wurde aber nicht aufgezeichnet. Diese sechs auffallenden Falle iiberzeugten nns beinahe, dasz die Spitze empfindlich sei, aber wir entschlossen uns natiirlich viel mehr Ver­ suche anzustellen. Da wir bemerkt batten, dasz die Wiirzelchen viel schneller wuchsen, wenn sie betrachtlicher Wiirme ansgesetzt sind, und da wir uns vorstellten, dasz Warme auch ihre Empfindlicl1keit erhohen werde, wurden Gefasze mit keimenden Bohnen in feuchter Luft iiber den Kamin gestellt, wo sie wahrend des groezeren Theiles des Tages einer Temperatur von zwischen 16½ und 22,2° C. ausgesetzt waren; einige wurden indessen in das Warmhaus gebracht, wo die Temperatur noch etwas hoher war. Uber zwei Dutzend Bohnen wurden in dieser Weise dem Versuche unterworfen, und wenn ein Viereck von Glas oder Carton nicht wirkte, wnrde es entfernt und ein frisches befestigt. Dies wurde haufig dreimal mit einem und demselben Wiirzel­ chen gethan. Es wurden daher im Ganzen zwischen fiinf und sechs Dutzend Versuche angestellt. ijs trat aber eine maszig deutliche Ab­ biegung von der Senkrechten und von dem angehefteten Gegenstande nnr in einem Wiirzelchen nnter dieser groszen Anzahl von Fallen ein. In fiinf anderen Fallen fand sich sehr unbedeutende und zweifel­ hafte Abbiegung. Wir waren iiber dieses Resultat erstaunt und schlossen, dasz wir in .den ersten sechs Experimenten irgend ein unerklarliches Versehen gemacht batten. Ebe wir aber schlieszlich den Gegenstand verlieszen, beschlossen wir noch einen weiteren Versucb zu machen; denn es kam uns der Gedanke, dasz die Empfindlichkeit leicht von auszeren Bedingungen beeinfluszt werde, nnd dasz natiirlich in der

Erde im zeitigen Friihjahr wachsende Wiirzelchen keiner auch nahezu so hohen Temperatur wie 21° C. ausgesetzt sein dfirften. Wir lieszen

daher die Wiirzelchen von zwolf Bohnen in einer Temperatur von zwischen 12,7 und 15½° C. wachsen. Das Resultat war, dasz in jedem einzelnen dieser Falle (welche in den oben beschriebenen Versuchen eingescblossen sind) das Wiirzelchen im Verlaufe einiger "'weniger Stunden vom angehefteten Gegenstande abgebogen war. Alle die oben

 

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berichteten erfolgreichen Versuche und einige andere sofort mitzuthei­ lende wurden in einem Wohnzimmer bei der oben speciell angeffihrten

Temperatur angestellt. Es scheint daher, dasz eine Temperatur von ungef'ahr, oder etwas uber 21° C. die Empfindlichkeit der Wurzelchen

entweder direct oder indirect <lurch abnorm bes<ihleunigtes Wachsthum zerstl'.>rt; und diese merkwiirdige Thatsache erklilrt wahrscheinlicb, warum SACHS, welcber ausdriicklich angibt, dasz seine Bohnen unter einer hohen Temperatur gehalten wurden, verg bens die Empfindlich­ keit der Spitze des Wurzelchens zu finden versuchte.

Aber noch andere Ursachen storen diese Empfindlichkeit. Acht­ zehn Wftrzelchen wurden dem Versuche unterworfen, denen kleine Vier­ ecke von Sandcarton bei einigen mit Schellack, bei einigen mit Gummi­ wasser wahrend der wenigen letzten Tage von 1878 und der ersten Tage des nachsten Jahres angeheftet wurden. Sie wurden in einem Zimmer in der gewohnlichen Temperatur wahrend des Tages gehalten, standen aber wahrscheinlich des Nachts zu kalt, da um diese Zeit ein barter l!'rost eintrat. Die Wftrzelchen sahen gesund ans, wucbsen aber sehr langsam. Das Resultat war, dasz nur sechs von diesen achtzebn von den angehefteten Cartonstftckchen abgebogen wurden, und dies nur in unbedeutendem Grade und mit sehr geringer Geschwin­ digkeit. Diese Wurzelcben boten daher einen auffallenden Contrast

zu den 44 oben beschriebenen dar. Am 6. und 7. Marz, als die Tem­ peratur des Zimmers zwischen 11,5 und 15° C. schwankte, wurden

an elf keimenden Bohnen in derselben Art Versuche angestellt , nnd nun wurde jedes einzelne der Wftrzelchen von den Cartonstiickchen weggekriimmt, wenngleich eines nur unbedeutend gebogen wurde. Einige Gartner meinen, dass gewisse Arten von Samen in der Mitte des Win­ ters nicht ordentlich keimen, obgleich sie in der richtigen Temperatur gehalten werden. Wenn wir.klich irgend eine besondere Zeit fiir die eimung besteht, konnte der schwache Grad von Empfindlichkeit der obigen Wiirzelchen das Resultat davon sein, dasz der Versuch in der Mitte des Winters ange!!tellt wurde, und nicht einfach davon, dasz die Wiirzelchen zu kalt waren. Endlich wnrden die Wftrzelchen von vier Bohnen, welche aus irgend einer innern Ursache spater als alle die ubrigen desselben Satzes keimten, und welche langsam wuchsen, obschon sie gesund aussahen, in ll.hnlicher Weise dem Versuche unter­ worfen und selbst nach 24 Stunden waren sie kaum irgend wie von den angehefteten Cartonstiickchen abgebogen. Wir konnen daher

[page break] 122 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

schlieszen, dasz irgend welche Ursache, welche das Wachsthum der Wiirzelchen entweder langsamer oder schneller als die gewohnliche Geschwindigkeit macht, die Empfindlichkeit ihrer Spitzen s-egen Be­ riihrung verringert oder vernichtet. Es verdient besondere Aufmerk­ samkeit, dasz, wenn die angehefteten Gegenstande keine Wirkung aus­ iibten, keinerlei Biegung irgend welcher Art eintrat, ausgenommen SACHS' Kriimmung. Die Beweiskraft unsrer Versuche wiirde bedeutend geschwacht werden, wenn gelegentlich, obschon selten, die Wiirzelchen in irgend einer von den angehefteten Gegenstiinden unabhl!.ngigen Rich­ tung gekriimmt . worden wiiren. In den vorstehend mit Zahlen an­ gefuhrten Versnchen indessen kann man bemerken, dass die auszerste Spitze zuweilen nach einem betrachtlichen Zeitverlaufe plotzlich gegen das Cartonstiickchen gekriimmt wird; dies ist aber eine gil.nzlich ver­ schiedene .Erscheinung, wie sofort erklart werden wird.

Zusammenfassung der Resultate der vorstehenden Ex­ perimente an den Wiirzelchen von Viciafaba. -ImGanzen wurden kleine Vierecke (ungef'ahr -,/0 Zoll grosz) meistens von Sandpapier, welches so steif war wie dunner Carton (zwischen 0,15 und 0,20 mm dick), zuweilen von gewohnlichem Carton oder kleinen Bruchstiicken sehr dunnen Glases u. s. w. zu verschiedenen Zeiten auf die eine Seite der conischen Spitzen von 55 Wiirzelchen befestigt. Die elf zuletzt erwahnten Fil.He, aber nicht die vorlaufigen, werden bier mit ein­ geschlossen. Die Vierecke u. s. w. wurden am haufigsten mit Schellack befestigt, aber in 19 Fallen mit dickem Gummiwasser. Wenn das letztere gebraucht wurde, fand sich, dasz die Vierecke, wie friiher an­ gegeben wurde, zuweilen von der Spitze des Wurzelchens <lurch eine Schicht dicker Flflssigkeit getrennt waren, so dasz keine Berlihrung stattfand und in Folge <lessen auch keine Biegung des Wiirzelchens, und derartige wenige Falle wurden nicht aufgefiihrt. In jedem Ji'alle aber, in welchem Schellack angewendet wurde, wurde, wenn das Viereck nicht sehr bald abfiel, das Resultat mitgetheilt. In mehreren Fallen; wo die Vierecke aus ihrer Lage kamen, so dasz sie parallel zu dem Wiirzelchen standen, oder wo sie <lurch die Fltissigkeit von der Spitze getrennt wurden oder bald abfielen, wurden frische Vierecke angeheftet, und diese Falle (unter der gezahlten Reihe aufgeftihrt) sind bier mit eingeschlossen. Unter 55 Wlirzelchen, an denen unter der gehorigen Temperatur Experimente angestellt wurden, wurden 52 meist in he­ trachtlicher Ausdehnung von der Senkrechten und von der Seite weg-

 

[page break] Cap. 3. des Wlirzelchens dcr Bohne. 123

gebogen, an welcher der Gegenstand befestigt war. Von den drei fehlgeschlagenen Versuchen kann der eine dadurch erklart werden, dasz das Wiirzelchen am folgenden Tage kranklich war; ein zweites wurde nur 11 Stunden 30 Minuten lang beobachtet. Da in mehreren Filllen die terminal wachsende Partie des Wiirzelchens einige Zeit fortfuhr, sich von dem angehefteten Gegenstande wegzubiegen, bildete es einen Haken, <lessen Spitze nach dem Zenith hinwies, oder selbst einen Ring und gelegentlich eine Spirale oder Schneckenwindung. Es ist merk­ wiirdig, dasz diese letzteren Falle haufiger vorkamen, wenn Gegen­ stande mit dickem Gummiwasser angeheftet wurden, welches niemals trocken wurde, als wenn Schellack angewendet wurde. Die Kriimmung war oft in einer Zeit von 7 Stunden bis 11 Stunden gut ausgesprochen; und in einem Falle wurde ein Halbkreis in 6 Stunden 10 Minuten von der Zeit der Anheftung an gebildet. Um aber die Erscheinung so gut entfaltet zu sehen, wie in den oben beschriebenen :Fallen, ist es un-

. erlaszlich, dasz die Cartonstiickchen u. s. w. dicht an eine Seite der

conischen Spitze zum Anhangen gebracht werden, dasz gesunde Wiirzel­ chen ausgewahlt und in weder zu hoher noch zu niedriger Temperatur gehalten werden, und, allem Anscheine nach, dasz die Versucbe nicht in der Mitte des Winters angestellt werden.

In zebu Fallen wurden Wiirzelchen, welche von einem Carton­ viereck oder einem anderen an ihren Spitzen befestigten Gegenstande weg gekr'iimmt worden waren, bis zu einem gewissen Grade oder selbst vollstandig im Laufe von einem oder zwei Tagen von der Zeit der Anheftung an, wieder gerade gestreckt. Dies trat besonders gern dann

ein, wenn die Kriimmung unbedeutend war, aber in einem Falle (Nr. 27) wurde ein Wiirzelchen, welches in 9 Stunden ungeiahr 90° von der

Senkrechten abgelenkt worden war, in 24 Stunden von der Zeit der Anheftung an vollkommen gerade. Bei Nr. 26 wurde das Wiirzelchen in 48 Stunden beinahe gerade. Wirschrieben diesen Geradestreckungs­ procesz dem Umstande zu, dasz die Wiirzelchen an einen unbedeutenden Reiz gewohnt wiirden, in derselben Weise, wie eine Ranke oder eiu sensitiver Blattstiel an eine sehr leichte Schlinge von Zwirn gewohnt wird und sich aus der Kriimmung herausbewegt, trotzdem die Schlinge noch immer angehangt bleibt; SACHS gibt aber an 2, dasz Wiirzelchen der Bohne, welche horizontal in feuchte Erde gelegt wurden, nachdem sie sich durch Geotropismus nach abwarts gekrfimmt batten, sich eiu

2 Arbeiten Bot. Inst., Wiirzburg, Heft III, p. 456.

 

[page break] 124 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

wenig durch Wachsthum ihrer unteren oder concaven Seite strecken. Warnm dies eintritt, ist nicht ganz klar, aber vielleicht trat es gleich­ falls in den obigen zehn Fllllen ein. Es findet sich auch noch eine andere gelegentliche Bewegung, welche nicht iibergangen werden darf: Die Spitze des Wiirzelchens in einer Lange von ungeiahr 2-3 mm fand sich in sechs Ffillen nach einem Verlaufe von ungef'Ahr 24 oder mehr Stunden nach dem Stiickchen noch immer angehefteten Cartons hingebogen, - d. b. in einer Ricbtung, die der friiher berbeigefiihrten Kriimmung des ganzen wacbsenden Tbeils in einer Lllnge von 7-8 mm genau entgegengesetzt ist. Dies tritt hauptsllchlich ein, wenn die erste Kriimmung gering war und wenn ein Gegenstand mehr als einmal an die Spitze eines und desselben Wiirzelchens befestigt worden war. Die Anheftung eines Stuckchens Cartons mit Schellack an eine Seite der zarten Spitze diirfte zuweilen mechanisch sein Wachsthum verhindern; oder die Anwendung dicken Gummiwassers mebr als einmal auf ein und dieselbe Seite dfirfte sie scbadigen; und dann wiirde unterbrochenes Wachsthum auf dieser Seite mit fortdauerndem Wachsthum auf der entgegengesetzten und nicht afficirten Seite die umgekehrte Kriimmung der Spitze erklaren.

Verschiedene Versuche wurden angestellt, soweit wir es konnten, die Natur und den Grad des Reizes zu ermitteln, welchem die Spitze ausgesetzt werden musz, damit der terminale wachsende Theil sich abbiegt, als wollte er die Ursache der Reizung vermeiden. Wir haben in den mit Zahlen versehenen Experimenten gesehen, dasz ein kleines Viereck von ziemlich dickem Briefpapier an die Spitze mit Gummi befestigt, eine betrl!.chtliche Ablenkung, wenn auch langsam, veranlaszte. Nach verschiedenen Fallen zu urtheilen, in denen verschiedene Gegen­ stitnde mit Gummi angeheftet und bald von der Spitze durch eine Lage von Fliissigkeit getrennt worden waren, ebenso wie nach einigen Versuchen, bei denen Tropfen dicken Gummiwassers allein angewendet worden waren, verursachte diese Fliissigkeit niemals eine Biegung. Wir baben auch in den der Zahl nach aufgefiihrten Experimenten ge­ sehen, dasz schmale Splitterchen von Spule oder sebr diinnem Glase mit Schellack befestigt nur einen unbedeutenden Grad von Ablenkung verursachen, und diese kann vielleicht eine Folge des Scbellacks selbst sein. Kleine Vierecke von Goldschlligerhautchen, welches auszerordent­ licb diinn ist, wurden angefeuchtet und dadurcb ;mm Anhangen an eine Seite der Spitze von zwei Wiirzelchen gebracht. Eines derselben

 

[page break] Cap. 3. des Wlirzelchens der Bohne. 125

brachte nach 24 Stunden keine Wirkung hervor, ebenso wenig that es das andere in 8 Stunden, innerhalb welcher Zeit Cartonvierecke gewohnlich wirken; nach 24 Stunden war aber eine unbedeutende Ab­ lenkung vorhanden.

Eine ovale Perle oder vielmehr Platte getrockneten Schellacks von 1,01 mm Lange und 0,63 mm Breite verursachte ein Wiirzelclien im Verlaufe von nur 6 Stunden, sich unter nahezu rechtem Winkel ab­ zubiegen; nach 23 Stunden hatte es sich aber beinahe wieder gerade gestreckt. Eine sehr kleine Menge aufgelosten Schellacks wurde iiber ein Stiickchen Carton ausgebreitet, und die Spitzen von 9 Wiirzelchen wurden seitlich mit ihm beriihrt; nur zwei von ihnen wurden .nach der Seite abgebogen, welche derjenigen gegeniiberlag, die den Fleck getrockneten Schellacks trug, und sie streckten sich spll.ter wieder gerade. Diese Fleckchen wurden entfernt und beide zusammen wogen

weniger als Th Gran, so dasz ein Gewicht von etwas weniger als

2h Gran (0,32 mgr) geniigte, in zwei unter neun Wiirzelchen Be­ wegung zu erregen. Wir haben allem Anscheine nach hier das Mi­ nimum des Gewichts erreicht, welches eine Wirkung hervorbringt.

Eine mil.szig dicke Borste, welche beim Messen sich als etwas

abgeplattet ergab (indem sie 0,33 mm in einem Durchmesser und 0,20 mm im and..ern masz), wurde in kleine, ungef"ahr -,l(i Zoll lange Stiickchen zerschnitten. Nachdem dieselben mit dickem Gummiwasser

beriihrt worden waren, wurden sie auf die Spitzen von elf Wiirzelchen

gelegt. Von diesen wurden drei afficirt; eines wurde in 8 Stunden 15 Minuten bis zu einem Winkel von ungefahr 90° von der Senkrechten

abgebogen; ein zweites war in demselben Grade abgebogen, als nach

9 Stunden nach ihm gesehen wurde ; nach 24 Stunden aber von der Zeit der ersten Anheftung an hatte die Abbiegung bis zu nur 19° ab­ genommen; das d1itte war nach •9 Stunden nur unbedeutend abgebogen, und es fand sich dann, dasz das Stiickchen Borste die Spitze nicht

beruhrte. Es wurde wieder in seine Lage zuriickgebracht, und nach 15 weiteren Stunden betrug die Abbiegung 26° von der Senkrechten.

Die iibrigen acht Wiirzelchen wurden durcbaus von dem Stiickchen Borste gar nicht beeinfluszt, so dasz wir bier nahezu das Minimum der Grosze eines Gegenstandes erreicht zu haben scheinen, welcher auf das Wiirzelchen der Bohne eine Wirkung auszert. Bs ist aber merk­ wiirdig, dasz, wenn die Borstenstf1ckchen einwirkten, sie dies so schnell nnd so kraftig thaten.

 

[page break] 126 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

Da die Spitze eines Wurzelchens beim Durcbbobren des Erd­ bodens auf allen Seiten gedriickt werden musz, wtinschten wir zn erfahren, ob es zwischen Mrteren oder widerstehenderen und weicheren Substanzen unterscheiden konne. Ein Viereck des mit Sand iiber­ zogenen Papiers, beinahe so steif wie Carton, und ein Viereck von auszerst diinnem Papier (zn diinn um darauf zu scbreiben) von genau

derselben Grosze (ungefahr -ir; Zoll) wurden mit Schellack anf die ent­

gegengesetzten Seiten der Spitzen von zwolf aufgebangten Wiirzelcben befestigt. Das Sandpapier war zwischen 0,15 und• 0,20 mm (oder 0,0059 und 0,0079 Zoll) und das dfume Papier nur 0,045 mm (oder 0,00176 Zoll) dick. In acht unter den zwolf Fallen konnte dariiber kein Zweifel bestehen, dasz das Wiirzelchen von der Seite, auf welcher das cartonahnlicbe Papier befestigt wurde, ab und nacb der entgegen­ gesetzten Seite, welcbe das sebr diinne Papier trug, bin gebeugt wurde. Dies trat in einigen Fallen in 9 Stunden, aber in anderen nicht eher, als bis 24 Stunden verflossen waren, ein. Uberdies konnen einige von den vier nicht erfolgreichen Versuchen kaum als wirkliche Fillle von Fehlschlagen betracbtet werden. So ergab sich in einem von ibnen, in welcbem das Wiirzelchen vollstilndig gerade blieb, das Viereck von diinnem Papier, als beide von der Spitze entfernt wurden, so dick mit Schellack iiberzogen, dasz es beinahe so steif wie C111ton war; in dem zweiten Falle war das Wiirzelchen in einem Halbkreis nach oben ge­ bogen, aber die Abbieguug war nicht direct von der Seite weg, welche den Carton trug, und dies erklilrte sicb daraus, dasz die beiden Vier­ ecke seitlich mit einander verkittet waren und eine Art steifer Gabel bildeten, von welcher das Wiirzelchen weggebogen wurde: im dritten Fall war das Cartonviereck aus Versehen vorn befestigt worden, und obschon eine geringe Abbeugung von ibm weg vorhanden war, kann dies auch Folge von SACHs' Kriimmuilg gewesen sein: in dem vierten Falle allein konnte kein Grund bezeichnet werden, warum das Wtir­ zelchen iiberhaupt nicht abgebeugt worden war. Diese Experimente reicben bin um zu beweisen, asz die Spitze des Wiirzelchens das auszerordentliche Vermogen besitzt, zwischen diinnem Carton und sehr diinnem Papier zu unterscheiden, und von der Seite weggebeugt wird, welche von der resistenteren oder Mrteren Substanz gedriickt wird. Es wurden nun zunachst einige Versuche gemacht, in denen die Spitzen gereizt wurden, obne dasz irgend ein Gegenstand mit ihnen in Beriihrung gelassen wurde. An neun Wiirzelchen, die iiber Wasser

 

[page break] Cap. 3. des Wiirzelchens der Bohne. 127

aufgehangt waren, nrde die Spitze einer jeden secbsmal mit einer Nadel gerieben und zwar mit binreichender Kraft, dasz die Bohne erschuttert wurde; die Temperatur war giinstig, namlich ungeflihr 17° C. In sieben unter diesen Fallen wurde gar keine Wirkung her­ orgebracht; im achten Falle wnrde das Wiirzelcben unbedentend von der geriebenen Seite weg und im neunten Falle unbedeutend nacb ihr bin gebogen; aber diese zwei letzteren entgegengesetzten Kriimmungen waren wahrscheinlich zuflillig, da Wiirzelchen nicht immer vollkom­ men gerade nach abwarts wachsen. Die Spitzen zweier anderer Wiir­ zelchen wurden in derselben Weise fiir 15 Secnnden mit einem kleinen runden Stabchen gerieben, zwei andere fiir 30 Secunden und zwei andere 1 Minute lang, aber ohne dasz irgend welche Wirkung hervor­ gebracht wurde. Wir konnen daher aus diesen 15 Versuchen schlieszen, dasz die Wiirzelchen gegen temporare Beriihruug nicht empfindlich sind, sondern nur durch verliingerten, wenn auch sehr unbedeutenden Druck beeinfluszt werden.

Wir untersuchten dann die Wil'kungen des Wegschneidens eines

sehr diinnen Scheibcb'ens parallel zu einer der abfallenden Seiten der Spitze, da wir glaubten, dasz die Wunde einen fortdauernden Reiz verursacben konne, welcher eine Biegung nacb der entgegengesetzten Seite ebenso veranlassen wiirde, wie in dem Falle, wo ein Gegenstand angeheftet wird. Zwei vorlaufige Versuche wurden zunachst angestellt erstens wurden Scheibchen von den Wiirzelchen von secbs in feuchter Luft aufgeMngten Samlingen mit einer Scheere abgeschnitten, welchet wenngleicb scharf, wahrscbeinlicb betrachtliches Zerdriicken verursachtll. und es folgte keine Kriimmung; zweitens wurden mit einem Rasit•­ messer diinne Scbeibcben schrag von den Spitzen dreier in abnlicher Weise aufgeMngten Wiirzelcben abgeschnitten und nach 44 Stunden fand sicb, dasz zwei deutlicb von der geschnittenen Flache weggebogen waren, und das dritte, an welchem die ganze Spitze durcb Zufall schrllg abgeschnitten worden war, war aufwiirts iiber die Bohne weggerollt. Es wurde aber nicbt deutlich ermittelt, ob die Kriimmung zuerst von der geschnittenen Oberflache weg gericbtet war. Diese Resultate fiibrten uns darauf, das Experiment weiter zu verfolgen, und an 18 Wiirzelchen, welcbe in feuchter Luft senkrecht abwiirts gewachsen waren, wurde eine Seite ihrer conischen Spitzen mit einem Rasirmesser abgeschnitten. Den Spitzen wurde in den Gl!isern eben in das Wasser zu treten gestattet, und sie wurden einer Temperatur von 14- 16° C.

 

[page break] 128 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

ausgesetzt. Die Beobacbtungen wurden zu verscbiedenen Zeiten ge­ macbt. Drei wurden 12 Stunden, nacbdem sie geschnitten worden waren, untersucht und. waren sammtlich von der geschnittenen Ober­ flacbe weggekriimmt; nar.h weiteren 12 Stunden hatte die Kriimmung betrachtlich zugenommen. Acht wurden nacb 19 Stunden, vier nach 22 Stunden 30 Minuten und drei nach 25 Stunden untersucht. Das endliche Resultat war, dasz unter den acbtzehn in dieser Weise dem Yersucbe unterworfenen Wtirzelchen dreizehn deutlich von der ge­ schnittenen Flacbe nacb den oben angegebenen Zeitintervallen ab­ gebogen waren, und ein anderes wurde so nacb einem weiteren Verlaufe von 13 Stunden 30 Minuten, es wurden daber nur 4 unter den 18 Wiirzelchen nicht beeinfluszt. Diesen achtzebn Fallen sollten die drei vorhin erwahnten noch binzugefiigt werden. Es kann daher die Folge­ rung gezogen werden, dasz die mit dem Rasirmesser bewirkte Ent­ fernung eines dfmnen Scheibchens von einer Seite der coniscben Spitze des Wiirzelchens eine Reizung verursacht, gleicb der durcb einen an­ gehefteten Gegenstand, und eine Kriimmnng von der verletzten Flache weg yeranlaszt.

Endlich wurde ein trockenes Atzmittel (Salpetersaures Silber) an­ gewendet, die eine Seite der Spitze zu reizen. Wenn eine Seite der Spitze oder des ganzen terminalen wacbsenden Theiles eines Wiirzel­ chens durcb irgend ein !\iittel getodtet oder schwer beschlidigt wird, falut die andere Seite zu wachsen fort, und dies veranlaszt den Theil sich nach der verletzten Seite hinuber zu biegen 3 In den folgenden Versuchen bemiihten wir uns aber, und zwar meist mit Erfolg, die Spitzen auf einer Seite zu reizen, ohne sie bedenklich zu verletzen. Dies wurde so ausgefubrt, dasz wir zuerst die Spitze, so weit es mog­ lich war, mit Loschpapier trockneten, obschon es immer noch etwas feucht blieb, und dann sofort mit vollstandig trockenem Hollenstein beriihrten. Siebzehn Wiirzelchen wurden in dieser Weise behandelt

und wurden in feucbter Luft ii.her Wasser bei einer Temperatur von 14f/2°C. aufgehangt. Sie wurden nach Verla?f von 21 Stunden oder

8 C i e s i e ls k i fand, nachdern er eine Seite eines WUrzelchen rnit erhitztem Platin gebrannt hatte, dasz dies der Fall war (Untersuchungen Uber die Abwii.rts­ krilmmung der Wurzel, 1871, p. 28). Dasselbe fanden wir, als wir der Liinge nach die balbe Lange von 7 Uber Wasser aufgebiingten Wlirzelchen mit einem dicken Lager von Fett Uberstricben batten, welches fUr wachsende Theile sebr schl\dlich oder selbst todtlich ist; denn nach 48 Stunden waren fUnf dieser WUrzelcben nach cler mit Fett bestricbenen Seite hin gebogen, zwei blieben gerade.

 

[page break] Cap. 3. des Wiirzelchens der Bohne. 129

24 Stunden untersncht. Die Spitzen von zweien ergahen sich als gleich­ miiszig ringsum geschwarzt, so dasz sie nichts aussagen konnten, und verworfen wurden. Es blieben daher fiinfzehn. Von diesen waren zehn von der Seite, welche beriihrt worden war, wo sich ein sehr kleines, hraunes oder schwarzes Zeichen fand, weggekriimmt. Fiinf dieser Wtirzelchen, von denen drei bereits unbedeutend abgebogen wai'en, wurde gestattet in das Wasser im Glase einzutreten, und wurden sie nach einem weiteren Verlaufe von 27 Stunden (d. h. 48 Stunden nach der Anwendung des Atzmittels) wieder untersucht; und nun waren vier von ihnen hakenformig geworden, indem sie von der entfiirbten Seite weggebogen nnd mit ihren Spitzen nach dem Zenith hin gerichtet waren; das fiinfte blieb nnafficirt und gerade. Es waren daher elf Wiirzelchen unter den fiinfzehn beeinfluszt worden. Aber die Kriim­ mung der vier socben beschriebenen war so deutlich, dasz sie allein hingereicht haben wiirde, zu beweisen, dasz die Wiirzelchen der Bohne von der Seite der Spitze sich wegbiegen, welche leicht mit einem Atzmittel gereizt worden ist.

Die Wirkung eines Reizmittels auf die Spitze des W ii r z e1eh en s de r Bohne, v e r g1i c h en mi t de r des Ge o t r o­ p ism us. - Wir wissen, dasz, wenn ein kleines Viereck von Carton oder ein anderer Gegenstand an eine Seite der Spitze eines senkrecht herabhiingenden Wiirzelchens hefestigt wird, der wachsende Theil sich von ihm haufig in einen Halbkreis abbiegt, und zwar im Gegensatze zu dem Geotropismus, we\che Kraft durch die Wirkung der Reizung durch den angehefteten Gegenstand iiberwunden wird. Es wurden daher Wiirzelchen, horizontal in feuchter Luft ausgestreckt, bei der zur vollstandigen Empfindlichkeit geborigen niederen Temperatur ge­ halten und Vierecke von Carton mit Schellack an die un teren Seiten ihrer Spitzen befestigt, sodasz, wenn die Vierecke wirkten, der terminale wachsende Theil sich nach oben kriimmen wiirde. Erstens wurden acht Bohnen so gestellt, dasz ihre kurzen, jungen, horizontal aus­ gestreckten Wtirzelchen gleichzeitig sowohl <lurch Geotropismus und

<lurch SACHS' Kriimmung beeinfluszt werden wtirden, wenn die letztere mit in's Spiel kani, und sie wurrlen alle acht nacb dem Mittelpunkte der l< rde in 20 Stunden hingebogen, mit Ausnabme eines, welches nur unbedeutend beeinfluszt wnrde. Zwei von ihnen wurden in nur 5 Stunden ein wenig nach abwarts gebogen ! Es schienen daher die an die unteren Seiten ihrer Spitzen befestigten Cartonstuckchen keinc

DAitWJ , RPwrgnngsvcrm()gen. (XIII.) 9

 

[page break] 130 Emvfin,Uichkeit der Spitze Cap. 3.

Wirkung hervorzubriugen, und Oeotropisnms iiberwand leicht die Wir-

. kung der hierdurch veranlaszten Reizung. Zweitens wurden 5 Utlicbe­ Wiirzelchen von 1 ½ Zoll Lllnge nnd daher weniger empfindlicb als die oben erwlihnten jilngeren lihnlich gestellt und in ahnlicher Weise­

behandelt. Nach dem, was bei vielen anderen Gelegenheiten gesehen woi•den ist, Hiszt sich mit Sicherheit scblieszen, dasz, wenn sie senk­ recht aufgehangen worden w!lren, sie von den Cartonstfickchen ab­ gebogen worden waren, und wenn sie horizontal ausgestreckt word en waren obne an sie befestigte Cartonstf1ckchen, wiirden sie sich schnell senkrecht nach abwllrts in Folge von Geotropismus gebogen haben; das Resultat war aber, dasz zwei von diesen Wiirzelcben nach 23 Stun­ den noch irnmer horizontal waren; zwei wurden nur unbedeutend, und das ffmfte bis zu 40° unter den Horizont gekriimmt. Drittens wurden

5 Bohnen mit ihren platten Fllichen parallel zum Korkstopsel be­ festigt, so dasz SACHS' Krf1mmnng nicht dahin wirken konnte, die­ horizontal ausgestreckten Wiirzelchen entweder aufw!lrts oder abwarts

,m kriimmen, und kleine Cartonvierecke wurden wie vorhin an die unteren Seiten ihrer Spitzen befestigt. Das Resultat war, dasz alle fiinf Wiirzelcben nach unten gebogen wurden oder nach dem Mittel­ punkte der Ertle bin, und zwar nach nur 8 Stunden 20 Minuten. In derselben Zeit und innerhalb derselben Glaser wurden drei Wiirzelchen von demselben Al er mit an eine Seite befestigten Cartonvierecken senkrecht aufgehangt; und nach 8 Stunden 20 Minuten waren sie be­ trachtlich von den Cartonstflckchen abgebogen und daher im Gegen­ satz zum Geotropismus nach oben gekriimmt. In diesen letzteren Pallen hatte die Reizung von den Cartonvierecken den Geotropismus f1berw!iltigt, wlihrend in den friiheren Fallen, in denen die Wiirzelchen horizontal ausgestreckt waren, der Geotropismus die Reizung iiber­ waltigt hatte. Von den innerhalb derselben Glasgeiasze befindlichen Wiirzelchen krummten sich daher einige in derselben Zeit aufw!irts und andere ahwarts, wobei diese entgegengesetzten Bewegungen davon abhiengen, ob die WUrzelchen, als die Cartonvierecke zuerst an sie be­ festigt wurden, senkrecht nach unten vorsprangen .oder horizontal aus­ gestreckt waren. Diese Verschiedenheit in ihrem Benehmen scheint zuerst unerklllrlich, kann aber, wie wir meinen, einfacb erkl!irt werden dnrch die Verschiedenheit zwischen der Anfangswirkung der zwei Krafte unter den obigen Umstl1nden in Verbindung mit dem bekannten Princip fler Nnchwhiknng eines Reizf's. Wenn ein junges nnd empfin<l-

 

[page break] Cap. 3. des Wiirzelchens der Bohne. 131

liches Wiirzelchen horizontal ausgestreckt wird mit einem an <lit> untere Seite der Spitze befestigten Cartonvierecke, so wirkt der Geotropismus rechtwinklig auf dasselbe und ist dann, wie wir geseben haben, otfen­ bar wirksamer, als die Reizung die von dem Viereck ausgeht; die Kraft des Geotropismus wird ferner in jeder spateren Periode durch seine friihere Wirkung, d. b. also durch seine Nacbwirkungen ver­ starkt werden. Wenn andererseits ein Cartonviereck an ein senkrecht herabhl!.ngendes Wiirzelcben befestigt wird, und die Spitze beginnt sich aufwarts zu kriimmen, so wird dfoser Bewegung der Geotropismus entgegenwirken, der aber nur unter einem sebr schrltgen Winkel wirkt, und die Reizung aurch das CartonsUickch.en wird durch seine Anfangs­ wirkung verstarkt werden. Wir konnen daher schlieszen , dasz die Anfangswirkung eines Reizes auf die Spitze des Wiirzelchens der Bohne geringer ist, als die des Geotropismus, we.nn er unter rechtem Winkel wirkt, aber groszer, als die des Geotropismus, :wenn dieser schriig auf dasselbe einwirkt.

Empfindlichkeit der Spitzen der secund.aren Wur­ z e 1 c h en d er Bohne g e gen Be r ii h run g. - Alle die vorigen Beobachtungen bezieben sich auf das Haupt- oder Primarwurzelchen. Einige an Korkdeckel hefestigte, mit ibren Wiirzelehe in Wasser tauchende Bohnen batten seoundare oder seitlicbe Wurzelchen entwickelt, welche spi\ter in sehr feuchter Luft bei der gehorigen niederen Tern- peratur zur Entwickelung der vollen Empfuldliohkeit gehalten wurden. Sie spran en , wie gewohnliob, beinabe horizontal v-0r miit einer nur unbedeutenden Krfimmung nacb abwarls und behielten diese Stellung wahrend mehrerer Tage. SACHS hat gezeigt , dasz d se secundaren Wurzeln in einer eigenthiimlichen Weise d11rch Geotropismus beein­ fluszt werden, so dasz, wenn sie .a.us der Lage gebracht werden, sie ihre friihere subh0rizontale Stellung wieder annehmen und sich nicht senkrecht nach abwarts biegen wie das Primarwiirzelchen. Sehr kleine Vierecke des steifen Sandpapiers wurden mittelst Scbellac\ (in einigen l!'allen aber mit dickem Gummiwasser) an die Spitzen von 39

Secundarwiirzelchen verschiedenen Alters, meist an die obersten, be­ festigt. Die meisten Vierecke wurden an die unteren Seiten der Spitze befestigt, so dasz, wenn sie wirkten, das Wiirzelchen sich nach oben biegen wiirde; einige wurden aber seitlich nnd einige wenige auf die

 

Arbeiten des botan. lnstituts Wiirzburg, 4. Heft, 1874, p. 605-617.

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[page break] 132 Empfindlichkeit ,!er Spitze Cap. 3.

obcre Seite befestigt. Wegen der auszersten Diinnheit dieser Wtirzel­ chen ist es sebr schwer das kleine Viereck• an die factiscbe 8pitze zu heften. Mag es in Folge dieses oder irgend eines anderen Umstandes sein, es veranlaszten nur nenn von diesen Vierecken irgend eine Kriim­ mung. Die Kriimmung betrng in einigen Fallen nngefabr 45° iiher dem Horizont, in anderen 90°, und dann wies die Spitze nach dem Zenith. In einem Falle wurde eine deutliche Kriimmung nach oben in 8 Stunden 15 Minuten beobachtet, gewi:ihnlich aber nicht eber, als bis 24 Stunden verlaufen waren. Obgleicb nur neun unter den 39 Wiirzelchen afficirt wurden, war docb die Kriimmung in mehreren von ihnen so deutlicb, dasz darflber kein Zweifel bestehen konnte, dasz die Spitze gegen leichte Heriihrung empfindlich ist, und dasz der wachsende Theil von dem beriihrenden Gegenstande sich wegbiegt. Es ist mog­ licb, dasz einige secundare Wiirzelchen empfindlicher sind als andere. Denn SACHS hat die interessante Thatsache nachgewiesen 6, dasz jedes individuelle secundare Wiirzelchen seine eigene eigenthftmliche Consti­ tution besitzt.

Empfindlichkeit des Primarwiirzelchens gegen Be­ ruhrung ein wenig oberhalb der Spitze bei der Bohne (Vicia faba) und Erbse (Pisum sativum). - Die Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens in den vorhergehend beschriebenen Fallen und die in Fo\ge davon eintretende Kriimmung des oberen Theils von dem beriihrenden Gegenstande oder einer anderen Reizquelle weg ist um so merkwflrdiger, weil SACHS gezeigt bat 6, dasz Druck in der Entfernung von einigen wenigen Millimetern oberhalb der Spitze das Wiirzelcben sich wie eine Ranke zu biegen veranlaszt, und zwar nach dem beriihrenden Gegenstande hin. Durch die Befestigung von Nadeln in der Weise, dasz sie gegen die senkrecht in feuchter Luft aufgehangten Bohnen driickten, sahen wir diese Art von Kriimmung; aber ein Reiben des Theils mit einem Stabchen oder einer Nadel fiir einige wenige Minuten br,i.chte keine Wirkung hervor. HABERLANDT bemerkt 7, dasz diese Wiirzelchen beim Durchbrechen der Samenhiillen oft gegen die gebrochenen Rander reiben nnd drflcken und in Folge dessen sich um sie herum biegen. Da kleine Vierecke des cartonahnlichen Papiers mit Schellack an die Spitzen befestigt in hohem Grade wirksam waren, dasz

Arbeiten des botan. Instituts Wiirzburg, 4. Heft, 1874, p. 620.

6 Ebenda, 3. Heft, 1873, p. 437.

7 Die Schutzeinrichtungen der Keimpflanze, 1877, p. 25.

 

[page break] Cap. 3. ,les \ViirzelchenH der Bohne. 133

die Wiirzelchen sich von denselben wegzubiegen veranlaszt wurden, so wurden :ihnliche Stuckchen (von ungefahr lo Zoll im Geviert oder eher noch weniger) in derselben Art nnd Weise an die eine Seite des

Wiirzelchens in einer Entfernung von a oder 4 mm uber der Spitze

befestigt. In unserem ersten Versuch e an fiinfzehn Wfirzelchen wurde keine Wirkung hervorgebracht. In einem zweiten Versuche an der­ selben Anzahl wurden drei innerhalb 24 Stunden plotzlich (aber nur eines starker) nach dem Carton hingekrtimmt. Aus diesen Fallen konnen wir schlieszen, dasz der Druck vim einem Stiickchen mit 8chellack auf eine Seite oberlialb der Spitze befestigten Cartons kaum ein geni.igender Reiz ist, dasz er aber gelegentlich veranlaszt, dasz sich das Wiirzel­ chen wie eine Ranke nach dieser Seite hinbiegt.

Wir versuchten nun zunachst die Wirkung des Reibens mehrerer Wi.irzelchen rnit Hollenstein in einer Entfernung von 4 mm von der, Spitze einige wenige Secunden lang, und obschon die Wiirzelchen trocken gewischt worden waren, uud der Hollensteinstift trocken war, wurde doch der geriebene Theil verletzt und ein leichter Eindruck blieb zuriick. In solchen Fallen fahrt die entgegengesetzte Seite zu wachsen fort, nnd das Wi.lrzelchen wird nothwendigerweise nach der verletzten Seite hingebogen. Wenn aber ein 4 mm von der Spitze entfernter Punkt mit trockenern Hollenstein bertihrt wurde, wnrde er nur leicht ent­ fii rbt, und kein dauernder Schaden wurde verursaclit. Dies zeigte sich dadurch, dasz mehrere so behandelte Wiirzelchen sich nach einem oder zwei Tagen wieder streckten, und <loch wurden sie zuerst nach der beriihrten Seite hi n gekriimmt, als wenn sie dort einem leichten, fortdauernden Drucke ausgesetzt gewesen waren. Diese Falle verdienen Beachtung, weil, wenn eine Seite der Spitze nur eben mit dem Hollen­ stein beriihrt wurde, das Wiirzelchen, wie wir gesehen haben, sich in einer entgegengesetzten Richtung, d. h. von der bertihrten Seite we g kriimmte.

Das Wurzelchen der gemeinen Brbse ist an einem Punkte ein wenig oberhalb der Spitze etwas empfindlicher gegen fortdauernden Druck als das der Bohne und biegt sich nach der gedriickten Seite bin 8 Wir experimentirten an einer Varietat (Yorkshire Hero), welche eine sehr gerunzelte, zahe Haut hat, zu grosz fiir die eingeschlossenen Cotyledonen, so dasz unter W Erbsen, welche 24 Stunden Jang

 

8 Sachs, Arbeiten des botan. Instituts Wiirzburg, 3. Heft. p. 438.

 

[page break] 134 Empfindlichkeit der Kpitze Cap. 3.

eingeweicht worden und auf feuclitem Sande keimen gelassen wurden, die Wilrzelchen von Dreien nicht im Stande waren herauszutreten und in einer fremdartigen Weise innerhalb der Haut gekrftmmt wurden. Vier andere Wilrzelchen wurden abrupt rund um die Rander der zerrissenen Haut gekrfimmt, gegen welche sie gedriickt batten. Derartige Ab­ normit!iten diirften wahrscheinlich niemals oder sehr selten bei im Naturzustande entwickelten und der natilrlichen Zucbtwahl unterworfenen Formen vorkommen. Eines der eben erwltbnten vier Wiirzelchen kam beim Zuriickfalten auf sich selbst mit der Nadel in Beriihrung, durch welche die Erbse an den Korkdeckel befestigt war, und nun bog es unter rechtem Winkel um die Nadel herum in einer von der ersten. in Folge der Beriihrung mit der zerrissenen Haut auftretenden Kriim­ mung vollstandig verschiedenen Richtung: hiedurch bot es eine gute Illustration fiir die rankenl!.lmliche Empfindlichkeit des Wurzelchens ein wenig oberhalb der Spitze dar.

Kleine Vierecke des cartonartigen Papiers wurden zunachst an Wiirzelchen der Erbse 4 mm oberhalb der Spitze in derselben Art und Weise wie bei der Bohne befestigt. Achtundzwanzig iiber Wasser senkrecht aufgehangte WO.rzelchen wurden in dieser Weise bei ver­ schiedenen Gelegenheiten behandelt und dreizehn von ihnen wurden nach dem Carton bin gekriimmt. Der hochste Grad der Krummung betrug 62° von der Senkrechten, aber ein so groszer Winkel wurde nur einmal gebildet. Bei einer Gelegenheit war eine leichte Krfimmung nach

5 Stunden 45 Minuten bemerkbar und war im Allgemeinen nach 14 Stunden gut ausgesprochen. Es laszt sich daher daran nicbt zweifeln, dasz bei der Erbse die durch ein Cartonstuckchen, welches an eine Seite des Wiirzelchens oberhalb der Spitze befestigt war, hervorgebrachte Reizung genfigte, eine Kriimmung herbeizufuhren.

Cartonvierecke wurden an die eine Seite der Spitze von 11 Wfirzel­ chen innerbalb derselben Glasgefasze befestigt, in welchen die obigen Versuche gemacht wurden, und funf von ihnen wurden deutlich und nur eines unbedeutend von dieser Seite weggekrfimmt. Andere analoge Fi!lle werden sofort bescbrieben werden. Die Thatsache wird hier er­ walmt, weil es ein auffallender Anblick war, welcher die Verschieden­ heit in der Empfiudlichkeit des Wfirzelchens an verschiedenen Stellen nachwies, in einem und demselben Glase einen Satz von Wurzelchen zu sehen, die von den Vierecken an ihren Spitzen weggekrfimmt waren, und einen andern Satz, dessen Wflrzelchen nach den ein wenig hoher

 

[page break] Cap. 3. des Wlirzelchens der Erbse. 135

hinauf befestigten Cartonvforeckcben sich hinkriimmten.- Uberdies ist

<lie Art der Kriimmung in den zwei Fallen verschieden. Die oberhalb der Spitze befestigten Vierecke verursachen das Wurzelchen , sich plotzlicb zu biegen, wahrend der Theil darfiber und darunter nahezu grade bleibt, so dasz sich bier wenig oder gar keine fortgeleitete Wirkung vorfindet. Andererseits afficiren die an der Spitze befestigten Vierecke das Wurzelchen in einer Lange von ungefahr 4 bis selbst zu 8 mm, in den meisten Fallen eine symmetrische Krummung veranlassend, so dasz bier ein geringer Reiz von der Spitze ans auf dieser Strecke dem Wurzelchen entlang fortgepflanzt wird.

Pisum sativum (Var. Yorkshire Hero): Empfindlichkeit

<ler Spitze des Wurzelchens. - Kleine Vierecke des namlichen eartonartigen Papiers wurden (24. April) mit Schellack an die cine Seite der Spitze von zehn senkrecht aufgehitngten Wiirzelchen befestigt: die Temperatur des Wassers auf dem Boden der Glasgefasze war lSf/2-16° C. Die meisten dieser Wurzelchen waren in 8 Stunden 30 Minuten afficirt; acbt von ihnen wurden im Verlauf von 24 Stunden augenflllig, und die iibrigen zwei unbedeutend von der Senkrechten und von der die angehefteten Vierecke tragenden Seite abgebogen. Die Wirkung auszerte sich daher auf alle; es wird aber hinreicben, zwei

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A B

l'ig. 66. Piattm aatirmm.: Ablenkung innerhalb 24 Stunden, im Wachsthum senkrecht. herahliilugfn­ der Wilrzelchen durrh Befestigung kleiner Cartonvierecke an die eiue 8eite der S1,itze mit .ScliPI lack hervorgebracht: A untP,r rechtem \Vinkel g4'bogen, It hakenfOrmig.

 

augenfallige Falle zu beschreiben. In dem einen wurde die Endpartie des Wiirzelchens nach 4 Stnnden rechtwinklig gebogen (A Fig. 66); und in dem andern (B) war es in dieser Zeit hakeniormig geworden, mit der Spitze nach dem Zenith weisend. Die zwei hier gebrauchten Cartonstiickchen waren 0.07 Zoll lang und 0.04 Zoll breit. Zwei andere

 

[page break] 18ti Emptindlichkeit Jcr 81,itze Cap. 3.

Wflrzelchen, welche nach 8 Stunden 30 Minuten masz1g abgebogen waren, wurden nach 24 Stunden wiederum gerade. Ein anderer Versuch wurde in derselben Weise mit 15 Wiirzelchen angestellt; aber aus nicht der Erwahnung werthen Umstanden wurden sie nur einmal und ganz kurz nach dem kurzen Verlaufe von 5 Stunden 30 Minuten unter­ sucht; wir notirten in umierem Protokoll einfach: "beinahe alle un­ "bedeutend von der Senkrechten und von den Vierecken weggebogen

Die Ablenkung betrug in einem oder zwei Flillen nahezu einen rechten "Winkel." Diese zwei Gruppen von Fallen, besonders die erste, be­ weisen, dasz die Spitze des Wiirzelchens gegen leichte Beriihrung em­ pfindlich ist, und dasz der obere Theil von dem beruhrenden Gegen­ stande sich abbiegt. Nichts desto weniger wurden am 1. und 4. Juni an 8 anderen Wtirzelchen in derselben Weise bei einPr Temperatur von 14½-15½° C. Versuche angestellt, und nach 24 Stunden war nur eins entschieden von dem Carton weggebogen , 4 unbedeutend, 2 zweifelhaft und 1 nicht im mindesten. Die Grosze der Krummung war unerkliirlich klein; aber alle Wtirzelchen, welche tiberhaupt ge­ bogen wurden, waren von dem Carton weggebogen.

Wir stellten nun Versuche an iiber die Wirkungen sehr verschiede­ ner 'Temperaturen auf die Empfindlichkeit dieser Wiirzelchen mit kleinen, an ihren Spitzen befestigten Cartonstuckchen; zuerst an 13 Erbsen,

,•on denen die meisten sehr kurze und "junge Wiirzelchen batten; sie

wurden in einen Eiskasten gestellt, in welchem die Temperatur wahrend dreier Tage von 6½ auf 81/2°C. stieg. Sie wuchsen langsam, aber 10

unter diesen 13 wurden im Verlaufe der drei Tage sehr unbedeutend von den Vierecken weggekriimmt; die andern dri:li wurden nicht afficirt; es ist daher diese Temperatur zu niedrig fur irgend einen hohen Grad von Empfindlichkeit oder fiir starke Bewegung. Glasgefasze mit 13 anderen Wiirzelchen wurden zunachst iiber einen Kamin gestellt, wo sie einer Temperatur von zwischen 20 und 22° C. ausgesetzt waren, unJ nach 24 Stunden waren 4 augenfallig von den Cartonstiickchen weggekrummt, 2 unbedeutend und 7 durchaus nicht, so dasz diese Temperatur etwas zu hoch war. Endlich wurden 12 Wtirzelchen einer

zwischen 22° und 29½° C. schwankenden Temperatur ausgesetzt, und

0

keines \'Oll ihnen wurde \'On den Cartonsttickchen im mindesten afficirt. Die obigen verschiedenen Versuche, besonders der ersterwahnte, weisen daranf hin, dasz die giinstigste Temperatur fur die Empfindlichkeit des Wiirzelchens der Erbse ungefahr 15½° C. ist.

 

[page break] Cap. a. des Wilrzelchens der Erbse. 137

Die Spitzen von 6 senkrecht herabhangenden Wiirzelchen wurden einmal mit trockenem Atzstift beriihrt in der bei Vicia faba be­ schriebenen Art und Weise. Nach 24 Stunden waren vier von ihnen von der, einen sehr kleinen schwarzen l!'leck tragenden Seite abgebogen, und die Kriimmung nahm in einem Falle nach 38 Stunden, in einem andern nach 48 Stunden zu, bis der terminale Theil beinahe horizontal vorsprang. Die zwei iibrigen Wiirzekhen wurden nicbt afficirt.

Bei Wiirzelcben der Bohne iiberwand, wenn sie horizontal in feuchter Luft au s g e s t re ck t waren , der Geotropismus immer die Wirkung der <lurch die Cartonvierecke, die an den unteren Seiten ih rer Spitzen angeheftet wurden, verursachten Reizung. Ein ahnliches Ex­ periment wurde an 13 Wiirzelchen der Erbse angestellt; die Vierecke wurden mit Schellack angeheftet, u•nd die Temperatur betrug zwischen 14½ und 15½° C. Das Resultat war etwas verschieden; denn der Geotropismus wirkt entweder weniger stark auf diese Wiirzelchen•, oder, was noch wahrscheinlicher ist, sie sind gegen Beriibrung empfindlicher. Nach einiger Zeit herrschte der Geotropismus immer vor, seine Wirkung wurde aber oft aufgehalten, und in drei Fallen bestand ein auszerst merkwiirdiger Kampf zwischen Geotropismus und der durch die Carton­ stiickcben verursachten Reizung. Vier von den 13 Wiirzelcben wurden innerhalb 6 oder 8 S unden, immer von der Zeit au gerechnet, wo die Vierecke zuerst angebeftet wurden , ein wenig nacb unten gekriimmt, und nacb 23 Stunden zeigten drei von ihnen senkrecht abwarts, und das vierte stand unter einem Winkel von 45° unter dem Horizont. Die_se vier Wurzelchen schienen daher durch die angehefteten Carton­ vierecke gar nicht afficirt worden zu sein. Auf vier andere wirkte der Geotropismus innerhalb d.er ersten 6 oder 8 Stunden nicht, aber nach 23 Stunden waren sie bedeutend abwarts gebogen. Zwei andere blieben 23 Stunden lang beinahe horizontal, wurden aber spater beeinfl.uszt. In diesen letzteren sechs Fallen wurde daher die Wirkung des Geotro­ pismus bedeutend verzogert. Das elfte Wiirzelchen wurde nach 9 Stun­ den unbedeutend abwarts gekriimmt; als wir aber wiederum nach 23 Stunden nach ihm sahen, war der terminale Theil aufwarts ge­ kriimmt; ware es langer beobachtet worden, so wiirde die Spitze ohne­ Zweifel wieder abwarts gekriimmt gefunden worden sein, und sie wiirde, wie in dem folgenden Falle, eine Schlinge gehildet haben. Das zwolfte Wurzelchen war nach 6 Stunden unbedeutend abwarts gekriimmt, als aber nach 21 Stunden wieder nach ihm gesehen wurde, war diese

 

[page break] 138 Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens der Erbse. Cap. 3.

Krtimmung verschwunden, und die Spitze zeigte anfwl!.rts; uach 80 Stun­

-den bildete das Wtirzelcben einen Haken, wie es A (Fig. 67) zeigt, welcher Haken nach 44 Stunden in eine Schlinge (B) umgewandelt war. Das dreizebnte Wiirzelcben war nach 6 Stunden unbedeutend abwil.rts gekrtimmt, war aber innerhalb 21 Stunden betrachtlich aufwarts ge­ t>ogen und dann wiederum unter einem Winkel von 45° unter den

 

 

 

 

 

 

A ll

lttg. 67, Pi,um ,ativttm: Ein in fenchtel' Luft horizontal ausgestreckte Wilrzelchen mlt einem au die untere Seite seiner Spitze angehefteten klelnen Cartonvlereck, wclches as sich aufwirtB, im Gegensatz zum Geotropismus, zu blegen veranla.szte. Die Ablenkung des WUrzelchens nach 21 Stunden ist b,,I A, und die desselben Wiirzelchens, nun elne Schleife blldend, naeh 45 Stundon bei B dnrgestellt.

Horizont; spater wurde es senkrecht. In diesen drei letzten Fallen wechselten Geotropismus und die <lurch die angehefteten Cartonvierecke verursachte Reizung in Bezug auf das Vorherrschen ihrer Wirkung in einer sehr merkwtirdigen Weise ab. Zuletzt war der Geotropismus siegreich.

Ahnliche Experimente waren nicht immer vollig so erfolgreich wie in den obigen Fallen. So wurden am 8. Juni bei einer gehorigen Temperatur Versuche an 6 horizontal ausgestreckten Wtirzelchen mit

.angehefteten Cartonvierecken angestellt, und nach 7 Stunden 30 Min. war keineis von ihnen im mindesten aufwarts gekrtimmt und keines war deutlich geotropisch, wil.hrend von 6 Wiirzelchen ohne irgend welchen angehefteten Carton, welche als Maszstab zum Vergleiche oder zur Controle dienten, innerhalb derselben 7 Stunden 30 Min. drei un­ bedeutend und drei beinahe rechtwinklig geotropisch wurden; aber nach 23 Stunden waren beide Satze in gleichem Masze geotropisch. Am

10. Juli wurde ein anderer Versuch mit sechs horizontal ausgestreckten Wurzelchen gemacht, unterhalb deren Spitze in derselben Weise Carton­ vierecke angehangt waren, und nacb 7 Stunden 30 Min. waren vier unbedeutend geotropisch, eines blieb horizontal und eines war aufwarts

-gekrtimmt im Gegensatz zur Schwerkraft oder zum Geotropismus. Dieses letztere Wiirzelchen bildete nach 28 Stunden eine Scblinge, wie

-das bei B (Fig. 67) gezeichnete.

 

[page break] Cap. 3. Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens von Phaseolus. 139

Es wurde nur ein analoger Versuch gemacht, aber anstatt Vier­ ecke von Carton an die unteren Seiten der Spitzen anzuheften, wurden diese mit dem trockenen Atzstifte beriihrt. Die Einzelnheiten des Versuchs werden in dem Capitel uber Geotropismus mitgetheilt werden, und es wird bier genugen, anzufuhren, dasz 10 Erbsen mit horizontal ausgestreckten und nicht cauterisirten Wiirzelchen auf und unter feuch­ ten, zerreiblichen Torf gelegt wurden; diese, welche als V_ergleichs­ oder Controlerbsen dienten, ebenso wie 10 andere, welche auf der obe re n Seite mit dem A.tzstift beruhrt worden waren, wurden sammt­ lich in 24 Stunden stark geotropisch. Bei neun Wiirzelchen in ahn­ licher Stellung wurden die Spitzen auf der u nt ere n Seite mit dem A.tzstift beruhrt, und nach 24 Stunden waren drei unbedeutend geotro­ pisch, zwei blieben horizontal und vier wurden aufwll.rts gebogen im Gegensatz zur Schwerkraft und zum Geotropismus. Diese Aufwarts­ kriimmung war in 8 Stunden 45 Min., nachdem die unteren Seiten der Spitzen cauterisirt wurden, deutlich sichtbar.

Kleine Cartonvierecke wurden mit Schellack bei zwei Gelegenheiten

an die Spitzen von 22 jungen und kurzen sec u n daren Wfirzelchen befestigt, welche von dem primaren Wurzelchen, wahrend es im Wasser wuchs, ausgesendet worden waren, welche aber nun in feuchter Luft aufgehll.ngt wurden. Auszer der Schwierigkeit, die Vierecke an derartig fein zugespitzte Gegenstande zu befestigen, wie diese Wiirzelchen waren, war die Temperatur zu hoch, - sie schwankte bei der ersten Gelegen­

heit von 22-25° C., und hielt sicb bei der zweiten beinahe stetig auf

25f/2°C., und dies verminderte wahrscheinlich die Empfindlichkeit der

Spitze. Das Resultat war, dasz nach einem Verlaufe von 8 Stunden 30 Min. sechs unter den 22 Wurzelchen aufwarts gebogen waren (eins von ihnen bedeutend) im Gegensatze zur Schwerkraft, und 2 seitlich; die ubrigen 14 waren nicht afficirt. Betrachten wir die ungiinstigen Umstande, und erinnern wir uns des Falls bei der Bohne, so scheinen die Belege hinreichend zu sein, um zu zeigen, dasz die Spitzen der secundiiren Wiirzelchen der Erbse gegen leichte Beruhrung empfind­ lich sind.

Plta. eolus multiflorus: Empfindlichkeit der Spitze des Wurzelchens. - Es wurden Versuche mit neunundfiinfzig Wiirzelchen angestellt, bei denen Vierecke von verschiedener Grosze aus demselben cartonartigen Papier, auch Stuckchen diinnen Glases und eckige Schlackenstiickchen mit Schellack an die eine Seite der Spitze

 

[page break] 140 Empfindlichkeit der Spitze Cap. 3.

befestigt wurden. Es wurden aucb zieml ch grosze Tropfen von auf­ gelostem Schellack auf sie gelegt, die wir zu harten Perlen fest werden lieszen. Die Exemplare wurden verschiedenen Temperaturen zwischen 15½ und 22° C., gewohnlich ungetahr der letzteren, ausgesetzt. Aber unter dieser betrachtlichen Anzahl von Versuchen wurden nur 5 Wiirzel­ chen deutlich gebogen und 8 andere unbedeutend oder selbst zweifel­ haft, und zwar von den angehefteten Gegenstanden weg. Die i\brigen

46 wurden durcbaus nicht beeinfluszt. Es ist daher klar, dasz die Spitzen der Wiirzelchen dieses Phaseolus viel weniger empfindlich gegen Beriihrung sind, als die der Bohne oder Erbse. Wir glaubten, dasz sie gegen starkeren Druck empfindlich sein mochten, aber nach mebreren Versuchen konnten wir keine Methode ausfindig machen, um auf eine Seite der Spitze starker zu driicken, als auf die andere, ohne zu der­ selben Zeit seinem Wacbsthum ein mechanisches Hindernis zu bereiten. Wir versucbten es daher mit anderen Reizmitteln.

Die Spitzen von 13 Wiirzelchen wurden mit Loschpapier getrocknet und dreimal auf der einen Seite mit trocknem Hollenstein beriihrt oder eben leise gerieben. Sie wurden dreimal gerieben, weil wir nach den vorausgehenden Versuchen annahmen, dasz die Spitzen in keinem hohen Grade empfindlich seien. Nach 24 Stunden fand sich, dasz die Spitzen bedentend geschwarzt waren; 13 waren gleichmaszig rund herum ge­ schwarzt, so dasz keine Krfimmung nach irgend einer Seite hin erwartet werden konnte; 6 waren auf der einen Seite in einer Langenausdehnung von ungefahr 1\- Zoll bedeutend gesch warzt, und dieses Stuck wurde rechtwinklig nach der gescbwarzten Oberflache hingekriimmt, und die Krtimmung nahm spater in mebreren Fallen zu, bis kleine Haken ge­ bildet waren. Bs war offenbar, dasz die geschwarzte Seite so stark verletzt war , dasz sie nicht wachsen konnte, wahrend die gegentiber­ stebende Seite zu wachsen fortfubr. Ein Wiirzelchen allein unter diesen dreizebn wurde von der gescbwiirzten Seite weggekriimrnt und die Kriimmung erstreckte sich eine geringe Entfernung oberhalb der Spitze. Nach der bierdurcb erlangten Erfahrung wurden die Spitzen von sechs beinahe trockenen Wiirzelchen einmal mit dem trocknen Atzstifte auf einer Seite beriihrt, und nach einem Verlaufe von 10 Min. lieszen

wir es in Wasser eintreten, welches auf einer 'l'emperatur von 18½

bis HJ½° C. gehalten wurde. Das Resultat war, dasz nach Verlauf von 8 Stunden ein minutioser schwarzer Fleck eben noch auf einer Seite der Spitze von fiinf dieser Wiirzelchen unterscbieden werden

 

[page break] Cap. 3. des Wiirzelchens von Phaseolus. 141

konnte, welche sammtlich nach der entgegengesetzten Seite hin - in zwei Fallen ungefahr unter einem Winkel von 45° - in zwei anderen Fallen nahezu unter einem rechten Winkel und in einem Falle in einem noch groszeren als rechten Winkel - gekriimmt wurden, so dasz die Spitze im letzteren Falle ein wenig hakenformig wurde; in diesem letzteren Falle war der schwarze Fleck etwas groszer als in den iibrigen. Nach

24 Stnnden von der Anwendung des Atzstiftes an war die Kriimmung von dreien dieser Wiirzelchen (mit Einschlnsz des hakenformigen) ver­ mindert; im vierten blieb sie dieselhe, und im fiinften hatte sie zn­ genommen, da die Spitze nun hakenformig war. Es ist oben gesagt worden, dasz nach 8 Stunden schwarze Flecken auf einer Seite der Spitze von fiinf unter den sechs Wurzelchen zu sehen waren; beim sechsten war der Fleck , welcher auszerst minutios war, an der wirk­ lichen Spitze und daher central; und dies Wiirzelchen allein wurde nicht gekriimmt. Es wurde daher wiederum an einer Seite mit Hollen­ stein beriihrt, und nach 15 Stunden 30 Min. fand sich, dasz es von der Senkrechten und von der geschwarzten Seite unter einem Winkel

von 3411 gekriimmt war, welcher Winkel in neun weiteren Stunden bis zu 54° zunahm.

Es ist daher sicher, dasz die Spitze des W(irzelchens dieses Phaseolus gegen Atzmittel auszerst empfindlich ist, und zwar mehr als diis der Bohne, obschon das letztere gegen Druck weit empfindlicher ist. In den eben mitgetheilten Experimenten erstreckt sich die Kriim­ mung v on der unbedeutend cauterisirten Seite der -"pitze we g dem Wiirzelchen entlang in einer Strecke von nahezu 10 mm Lange, wah­ rend in der ersten Reihe von Experimenten, wo die Spitzen von mehreren Wiirzelchen bedeutend geschwarzt und auf einer Seite verletzy waren, so dasz ihr Wachsthum .aufgehalten wurde, ein Stiick von weniger als 3 mm Lange nach der stark geschwarzten Seite h in gekriimmt wurde, in Folge des fortdauernden Wachsthums der entgegengesetzten Seite. Diese Verschiedenheit in den Resultaten ist interessant, denn sie zeigt, dasz ein zu starker Reiz keinerlei fortgeleitete Wirkung veranlaszt, und den benachbarten oheren und wachsenden Theil des Wiirzelchens nicht sich zu biegen veranlaszt. Wir hahen analoge Falle bei Drosera; denn eine starke Losung von kohlensaurem Ammoniak, wenn sie von den Driisen absorbirt wird, oder zu grosze plotzlich auf sie treffende Warme oder ein Zerdrucken derselben verursacht den hasalen Theil der Tentakel nicht sich zu hiegen, wahrend eine schwache

 

[page break] 142 Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens von Tropaeolum. Cap. 3.

Losung des kohlensauren Salzes oder eine mliszige Wlirme wie leichter Druck immer eine solcbe Beugung berbeifiihrt. lbnliche Resultate wurden bei Dionaea und Pinguicula beobachtet.

Es wurde nun zunlichst die Wirkung des mit einem Rasirmesser ausgefiihrten Abschneidens eines diinnen Scheibchens von einer Seite der coniscben Spitze von 14 jungen und kurzen Wiirzelchen versucht. Sechs von ihnen wurden, nachdem die Operation an ihnen ausgefiihrt war, in feuchter Luft aufgehAngt; die Spitzen der anderen acht, die

ahnlich aufgehangt waren, lieszen wir in Wasser bei einer Temperatur

von ungeflihr 181/°1 C. eintreten. Es wurde in jedem einzelnen Falle

notirt, von welcher Seite der Spitze ein Scheibchen abgeschnitten war, und wenn sie spliter untersucht wurden, wurde die Richtung der Kriim­ mung notirt, ehe die vorhergebende Notiz nachgesehen wurde. Bei

den secb-s Wiirzelchen in feuchter Luft waren die Spitzen von dreien

nach einem Verlaufe von 10 Stunden 15 Minuten direct von der ge­ schnittenen Flii.che weggekriimmt, wahrend die andern drei nicht afficirt waren und gerade blieben ; nichts desto weniger wurde eine von ilmen nach 13 weiteren Stunden unbedeutend von der gescbnittenen Flliche weggekriimmt. Von den acht Wiirzelchen, deren Spitzen in Wasser getaucht waren, waren sieben nach 10 Stunden 15 Minuten deutlich von der geschnittenen Flliche weggekriimmt, und was das achte betrifft, welches vollkommen ger_ade hlieb, so war hier ein zu dickes Scheibchen znflillig entfernt worden, so dasz es kaum eine wirkliche Ausnahme von dem iibrigen allgemeinen Resultat bildete. Als nach Verlauf von 23 Stunden von der Zeit des Schneidens an wiederum nach den Wiirze]­ chen gesehen wurde, waren zwei von ihnen verdreht; vier waren unter einem Winkel von ungef'Ahr 70° von der Senkrechten und von der ge­ schnitteneu Flache weggekriimmt, und eines war nahezu unter 90° weggebogen, so dasz es fast horizontal vorsprang, aber die auszerste Spitze begann nun dnrch die Wirkung des Geotropismus sich abwlirts zu biegen. Es ist daher offenbar, dasz ein diinnes, von einer Seite der conischen Spitze abgeschnittenes Scheibchen es verursacht, dasz. der obere wachsende Theil des Wiirzelchens dieses Pltaseolus sich durch die fortge]eiteten Wirkungen der Reizung von der gescbnittenen Fli\che wegbiegt.

'/',-opaeolum majus: Empfindlichkeit der Spitze des W ii r z e1c h en s ge gen Be r ii h run g. - Kleine Cartonvierecke wnrden mit Schellack auf der einen Seite der Spitzen von 19 Wiirzelchen

 

[page break] Cap. 3. Empfindlicbkeit der Spitze des Wiirzelchens von Gossypium. 143:

angebeftet, von denen einige einer Temperatur von 251/2°C., an­ dere einer viel niedrigeren Temperatur ausgesetzt wurden. Nur drei wurden deutlich von den Vierecken weggekriimmt, fiinf unbedeutend vier zweifelbaft und sieben durchaus nicht. Diese Samen waren, wie wir glaubten, alt; wir besorgten nns daher einen friscben Satz, und nun waren die Resultate sehr verschieden. Mit 23 wurden die Ver­ suche in derselben Weise angestellt; bei fiinf brachten die Vierecke keine Wirkung hervor, aber drei von diesen Fll.llen waren keine wirk­ licben Ausnabmen, denn bei zwei von ihnen waren die Vierecke ver­ schoben und der Spitze parallel, und bei dem dritten war der Scbellack in Ubermasz aufgetragen und hatte sich gleichmiiszig rings um die ganze Spitze ausgebreitet. Ein Wiirzelchen war nur unbedeutend von

der Senkrechten und von dem Carton weggekriimmt, wllhrend sieben­

zehn deutlich abgebogen waren. Die Winkel scbwankten in mehreren von diesen letzteren Fallen zwischen 40° nnd 65° ,•on der Senkrecbten, und an zweien von ihnen betrug er nach 15 oder 16 Stunden ungeiahr 90°. In einem Falle wurde in 16 Stunden eine Schlinge beinahe vol,. lendet. Es kann daher dariiber kein Zweifel bestehen, dasz die Spitze im hohen Grade gegen leichte Beriihrung empfindlich ist, und dasz der obere Theil des Wiirzelchens sich von dem beriihrenden Gegen­ stande weg biegt.

Gossypium herbaceum: Empfindlichkeit der Spitze­ des W Ii r z e l c h e n s. - Es wnrden an den Wiirzelchen in derselben Weise wie vorher Versucbe angestellt, sie erwiesen sich aber als fiir unseren Zweck schlecht passend, da sie bald krllnkelten, wenn sie in feuchter Luft aufgebangt wurden. Unter acbtunddreiszig Wiirzelchen, die in dieser Weise bei zwiscben 19 und 20½° C. schwankenden Temperaturen mit Cartonvierecken an ihren Spitzen befestigt auf­ gehllngt wurden, wurden 9 deutlich und 7 unbedeutend oder selbst zweifelbaft von den Cartonstiickchen und von der Senkrechten weg­ gebogen; 22 wurden nicht afficirt. Wir glaubten, dasz vielleicht die, obige Temperatur nicht hoch genug sei, es wurden daher 19 Wurzel­

chen mit angehefteten Cartonvierecken gleicherweise in feuchter Luft aufgehiingt und einer Temperatur von 23½- 26° C. ausgesetzt, aber

nicht eins unter ibnen wurde beeinfluszt, und sie wurden bald krank. Endlich wurden 19 Wiirzelchen in Wasser bei einer Temperatur von 21-24° C. aufgehangt, an deren Spitzen Stiickchen Glas oder Carton­ vierecke mittels Canadabalsam oder Asphalt angeheftet waren, welcher

 

[page break] 144 Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens von Gossypium. Cap. 3.

nuter W,1sser etwas hesser anhaftete als Schellack. Die Wiirzelchrn blieben riicht lange gesund. Das Resultat war, 1lasz secbs deutlich und 2 zweifelbaft von den angebefteten Gegenstrrnden und von drr Senkrechten ahgeheugt wurden; 11 wurden nicht afficirt. Das Bewei ­ material iflt in Folge biervon kanm entscheidend, obschon es nach den zwei Gruppen von Fallen, die bei einer maszigen Temperatur an­ gestellt wurden, wahrscheinlich ist, dasz die Wurzelcben g-egen Be­ ruhrung empfindlich sind, und sie wilrden es unter giin$tigen Iledingungen noch mebr sein.

Fiinfzehn Wi.irzelcben, welche in zerreiblichem Torf gekeimt batten, wurden senkrecht iiber Wasser aufgehangt. Sieben von ihnen dienten

.als Controle, und sie blieben wahrend 24 Stunden vollkommen gerade. Die Spitzen der anderen acht Wiirzelchen wurden mit trockenem Atz­ stift auf der einen Seite eben beriihrt. Nach nur 5 Stunden 10 1Ji­ nuten waren fiinf von ihnen unbedeutend von der Senkrecbten und Yon

-0.er die kleinen scbwarzen Flecke tragenden Seite abgebogen. Naeh

8 Stunden 45 Minuten waren vier unter diesen ffmf in Winkeln von zwischen 15 und 65° von der Senkrechten abgehogen. Auf der andern Seite wurde eines, welches nach 5 Stunden 10 Minuten unbedeutend gekriimmt worden war, nun gerade. Nach 24 Stunden hatte die Kriimmung in zwei Fallen betrachtlich zugenommen; auch in vier

.anderen Fallen, aber diese letzteren Wiirzelchen waren jetzt verdreht worden, einige waren aufwarts gewendet, so dasz es nicht Hinger mehr ermittelt werden konnte, oh sie noch immer von der cauterisirten Seite weggekrii.mmt wurden. Die als Controle dienenden Exemplare zeigten keinerlei solch irnregelmasziges Wachsthum, und die beiden Satze boten einen auffallenden Contrast dar. Unter den acht Wiirzel­ ehen, wefohe mit dem A.tzsti ft beriihrt worden waren, waren nur zwei nicht afficirt worden, und die an ihren Spitzen von dem A.tzstift her­ vorgehrachten Zeichen waren auszerst minutios. In allen Fallen waren

<liese Flecken oval oder langlich; sie wurden in drei Fallen gemessen und ergaben sicb als von nahezu derselben Grosze, namlich ¾ mm an Lange. Halten wir diese Thatsache vor Augen, so. ist zu beach ten,

<lasz die Lange des gekriimmten Tbeiles des Wiirzelchens, welches im Verlaufe von 8 Stunden 40 Minuten von der cauterisirten Seite weg­ gebeugt wurde, in den drei Fallen sich als von 6, 7 und P mm Lange ergab.

 

[page break] Cap. 3. Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens von Cucurbita. 145

 

Cucurbi'.ta ovifera: Empfindlichkeit der Spitze des W ii r z e l c h e n s. - Die Spitzen erwiesen sich als scblecht geeignet fiir die Anheftung von Cartonstiickchen, da sie auszerst fein und bieg­ sam sind. Uberdies wird, weil die Hypocotyle bald entwickelt und bogenformig gekriimmt werden, das ganze Wiirzelchen schnell aus der Lage gebracht und dadurch Confusion verursacht. Eine grosze Anzahl von Versuchen wurde angestellt, aber ohne irgend ein definitives Resultat, ausgenommen bei zwei Gelegenbeiten, wo unter 23 Wiirzel­ chen 10 von den angehefteten Cartonvierecken abgebogen und 13 nicht afficirt wurden. Etwas grosze Vierecke, obschon sie schwierig zu be-• festigen waren, schienen wirksamer zu sein als sehr kleine.

Mit dem Atzmittel waren wir viel erfolgreicher; aber in unserem ersten Versuche wurden 15 Wiirzelchen zu stark cauterisirt, und nur zwei wurden von der geschwarzten Seite weggekriimmt, die anderen wurden entweder auf der einen Seite getodtet oder gleicbmaszig rings herum geschwarzt. In unserem nachsten Versuche wurden die ge­ trockneten Spitzen von 11 Wiirzelchen momentan mit trockenem 1tz­ stifte beriihrt und nach einigen wenigen Minuten in Wasser eingetaucht.

Die hierdurch verursachten langlichen Flecke waren uiemals schwarz, nur braun, und ungefahr 1½ Il)m lang, oder selbst noch weniger. In 4 Stunden 30 Minuten nach der Cauterisation warei, 'sechs v-0n ihnen deutlich von der Seite mit dem braunen Flecken weggekriimmt, vier unbedeutend und eines gar nicht. Das letztere erwies sicb als krank und wuchs nie; tind die'Flecke auf zwei von den vier unbedeutend ge­ kriimmten Wiirzelchen waren auszerst minutios; das eine war nur mit Hilfe einer Lupe zu unterscheiden. Von 10 Controlexemplaren, die zu derselben Zeit . in demselben Glasgefasze versucht wurden, war nicht

eines im mindesten gekriimmt. In 8 Stunden• 40 Minuten nach der Cauterisation waren fiinf Wiirzelcben unter den zehn (das eine kranke wurde weggelassen) in einem Winkel von ungefahr 90° und drei un­ gefahr zu 45° von der Senkrechten und von der den braunen Fleck tragenden Seite abgebogen. Nach 24 Stunden batten alle 10 Wiirzel­ chen auszerordentlich an Lll.nge zugenommen ; bei fiinf von ihnen war die Kriimmung nahezu dieselbe, bei zweien batte sie zugenornmen und bei dreien batte sie abgenommen. Der von den 10 Controlexemplaren dargebotene Contrast, sowobl nacb dem Verlaufe der 8 Stunden 40 Mi­ nuten als der 24 Stunden, war sel1r grosz; denn sie batten fortgefahren senkrecht abwlirts zu wacbsen, mit Ausnahme von zweien, welche in

lh1tw1x, Rewt!l;ung,Yermogcn. (XIII.) 10

 

[page break] 146 Empfincllichkeit der Spitze des Wiirzelchcns von Raphanus. Cap. s.

Folge irgend einer unbekannten Ursacbe etwas gewnnden worden waren.

Im Capitel iiber Geotropismus werden wir seben, dasz zebn Wiir­ zelcben dieser Pflanze auf und unter feucbtem, zerreiblichem Torf aus­ gestreckt wurden, unter welchen Bedingungen sie besser und nahirlicher­

wacbsen als in feucbter Luft; ibre Spitzen wurden leicht auf der­ unteren Seite cauterisirt, wodurcb braune, ungeiahr ½ mm lange Flecke­

verursacht wurden. Nicbt cauterisirte und abnlich gelegte Exemplare­ wurden durcb Geotropismus im Laufe von 5 oder 6 Stunden stark

abwarts gebogen. Nach 8 Stunden waren nur drei von den cauteri­ sirten nacb abwarts gebogen, und dies in einem unbedeutenden Grade; 4 blieben horizontal und 3 wurden im Gegensatz zum Geotropismus aufwarts und von der den braunen Fleck tragenden Seite abgekrtimmt. Bei zebn anderen Exemplaren wurden die Spitzen zu derselben Zeit und in demselben Grade an der oberen Seite cauterisirt, und wenn dies irgend eine Wirkung hervorbrilchte, so wurde es dal1in streben, die­ Kraft des Geotropismus zu erhohen ; und alle diese Wtirzelchen waren auch nach 8 Stunden stark abwarts gebogen. Nach den verschiedenen vorstehenden Thatsachen laszt sich nicht daran zweifeln, dasz die­ A.tzung der Spitze des Wurzelchens djeser Cucurbita. auf einer Seite, wenn es leicht genug geschehen ist, es verursacht, dasz der ganze wachsende Theil sich nach der entgegengesetzten Seite biegt.

 

Rap hanus sativ us: Empfindli c h k eit d er S pitze des W ii rz e1chens. - Wir sind bier in unseren Versuchen auf viele Schwierigkeiten gestoszen, sowohl mit Cartonvierecken als mit Atz­ mitteln; denn als Samen an einen Korkdeckel mit Nadeln befestigt wurden, wuchsen viele• von den Wurzelcben, an denen nichts geschehen war, unregelmaszig und kriimmten sich hll.ufig aufwarts, als wenn sie­ von der feuchten Flache dariiber angezogen wtirden, und auch wenn sie in Wasser eingetaucht wurden, wuchsen sie haufig unregelmaszig_ Wir durften daher unseren Versucben mit angehangten Cartonvierecken­ kein Vertrauen schenken; nichts desto weniger schienen einige von ihnen am:udeuten, dasz die Spitzen gegen Beriibrung empfindlich sind.. Unsere Versuche mit Atzmitteln schlugen meist wegen der Scbwierig­ keit fehl, die auszerst feinen Spitzen nicht zu stark zu verletzen. Unter sieben in dieser Weise behandelten Wiirzelchen wurde eins nach 22 Stunden unter einem Winkel von 60°, ein zweites von 400,

 

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und ein drittes sehr unbedeutend von der Senkrechten und von der

cauterisirte_n Seite weggebogen.

Aesculus hippocastanum: Empfindlichkeit der Spitze des Wurzelchens. - Glasstiickcben und Cartonvierecke wurden mit Schellack oder Gummiwasser an die Spitzen von 12 Wurzelchen der Roszkastanie befestigt, und wenn diese Gegenstande abfielen, wurden sie von neuem befestigt; aber nicht in einem einzigen Falle wurde hierdurch irgend eine Kriimmung verursacht. Diese massiven Wurzel­ chen, von denen eines uber 2 Zoll lang war, und 0,3 Zoll an seiner Basis im Durchmesser hatte, schienen gegen einen so leichten Reiz von irgend einem kleinen angehefteten Gegenstand unempfindlich zu sein. Wenn die Spitze bei ilirem Wege nach abwarts irgend ein Hindernis traf, so wurde trotzdem der wachsende Theil so gleichformig und symmetrisch gekriimmt, dasz seine Erscheinung nicht blosz mechanische Biegung andeutete, sondern vermehrtes Wachsthum der ganzen convexen Seite entlang, und zwar in Folge der Reizung der Spitze.

Dasz dies die richtige Ansicht ist, kann aus den Wirkungen des kraftigen Reizes eines Atzmittels geschlossen werden. Die Biegung von der cauterisirten Seite weg trat viel langsamer ein als in der vorausgebend besprocbenen Species, und es ist violleicht der Miihe werth, unsere Versuche im Einzelnen anzufiihren.

Die. Samen keimten in Sagespiihnen und eine Seite der Spitzen der Wiirzelchen wurde leicht einmal mit trockenem Hollenstein gerieben und nach einigen wenigen Minuten liesz man sie in Wasser eintauchen. Sie wurden einer ziemlich schwankenden Temperatur ansgesetzt, meist zwischen

11 und 14½ C. Einige wenige Falfo haben wir nicht fiir dor Mittheilung werth gehalten , in denen die ganze Spitze gr,schwarzt wurde oder in denen der Samling bald krankelte.

Das WiirzPlchen wurde in einem Tage (d. h. in 24 Stunden) unbedeutend von der cauterisirtert' Seite weggebogen; in drei Tagen stand es zu ea. 60 von der Senkrechten, in vier 'l'agen zu 90 am fiinften Tage war es ungefahr 40 ilber dem Horizont aufwartH gokriimmt, so dasz es in den fiinf 'l'agen durch einen Winkel von I 30 gewandert war, und dies war die hedeutendste Grosz<' von Kriimmung, die •beobachtet wurde.

In zwei Tagen war das Wiirzelchen unbedeutend abgebogen; nach sieben 'fagen war es 69 von der Senkrechten und von dr,r cauteri­ sirten Seite abgobogen; nach acht Tagen betrug der WinkPl nahezu 90

Nach einem Tage unbednutendA Ablenkung. Der cauterisirte Fleck war aber so schwach, dasz die niimliche Seite nochmals mit dem Atzmittel beriihrt wurde. In vier Tagen von der ersten Berilhrung an bPtrug die Abbiegung 78 und erhiihte sich in einem weiteren 'fagfl auf 90

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[page break] 148 Empfindlichkeit der Spitze des WUrzelcheus von Aesculus. Cap. 3.

Nach zwei 'fagen nnbedeutende Ab biegung, welclrn wiihrend der niichsten drei Tage sicher zunahm, aber niemals bedeutend wurde; das Wftrzelchen wui:hs nicht gut und Rtarb am achten Tage ab.

Nach zwei 'l'agen sehr unbedeutende Abbiegung; dieselbe betrug aber am vierten Tage 56 von der Senkrechten und von der cauterisirten Seite ab.

Nach drei 'fagen zweifelhaft, aber nad1 vier Tagen sicher vo11 der cauterisirten Seite abgebogen. Am fiinften Tage betrug die Ablenkung

45 von der Senkrechten und sie nahm am siebenten Tage bis ungefiihr 90° zu.

Nach zwei Tagen unbedeutend abgebogen; am dritten Tage betrug die Ablenkung 25 von der Senkrechten nnd sie nahm spitter nicht weiter zu.

Nach einem Tage war die Ablenkung deutlich; am dritten 'fage betrug sie 44 und am vierten Tage 72 von der Senkrechten und vou der cauterisirten Seite ab.

Nach zwei 'l'agen war die Ablenkung unbedeutend, doch deutlich; am dritten Tage wurde die Spitze wiedernm auf derselben Seite mit Hollenstein beriihrt und dadurch getiidtet.

Nach einem Tage unbedeutende Ablenkung. Diesel be nahrn nach sechs Tagen bis 50 von der Senlrrechten und der cauterisirten Seite weg zu.

Nach einem Tage entschiedene Ablenkung, welche nach sechs

Tagen bis zu 62 von der Senkrechten und von der cauterisirten Seite zunahm.

Nach einem Tage unbedeutende Ablenkung, welche am zweiten 'fage 35°, am vierten Tage 50 und am sechsten Tage 63 von der

Senkrechten und der cauterisirten Seite betrug.

Die ganze Spitze geschwiirzt, aber mehr auf einer Seite als auf der andern; am vierten Tage unbedeutend und am sechsten Tage bedeutend von der starker geschwiirzten Seite abgebogen; die Ablenkung betrug am neunten Tage 90 von der Senkrechtm.

Die gauze Spitze in derselben Art wie in dem letzten Falle geschwiirzt; am zweiten Tage entschiedene Abbiegung von der starker geschwiirzten Seite; dieselbe nahm am siebenten Tage bis nahezu 90 zu; am folgenden Tage erschien das Wiirzelchen krank.

Hier hatteu wir den abnorme'n J!'all, dasz sich ein Wi\rzelchen am ersten Tage unbedeutend n ach der cauterisirten Seite hi n beugte und

. wahrend der niichsten drei Tage dies zu thun fortfuhr, wo dann die Ab­ lenkung bis ungefahr 90 von der Senkrechten betrug. Die Ursache schien in • der rankeniihnlichen Empfindlichkeit des oberen Theils des Wiirzelchens zu liegen, gegen welchen die Spitze eines groszen dreieckige Lappens der Samenhiillen mit betriichtlicher Gewalt driickte, und diese Reizung iiberwand allem Anschein nach die, welche von der cauterisirten Spitze ausgieng..

 

Diese verschiedenen Falle zeigen iiber allen Zweifel , dasz die Reizung einer Seite der Spitze den oberen Theil des Wtirzelchens

 

[page break] Cap. 3. Empfindlkhkeit der Spitze des Wiirzelchens von Quercus. 149"

anregt, sich langsam nach der entgegengesetztcn Seite binzubiegen. Diese Thatsache wurde von einem Satze von funf an den Korkdeckel eines Glasgeiaszes mit Stecknadeln befestigten Sarnen sebr gut dargeboten; denn als nach seclis 'l'agen der Deckel mit der Oberseite nach unten gekehrt und direct von oben betrachtet wurde, waren die kleinen chwarzen, von dem Hollenstein herriihrenden Fiecke jetzt sammtlich auf der Oberseite der Spitzen der seitlich abgebogenen Wurzelchen deutlich sichtbar.

Ein dunnes Scheibchen wurde mit einem Rasirmesser von <ler einen Seite der Spitzen von 22 Wiirzelcben in der hei der gemeiuen Bohne beschriebenen Weise abgeschnitten; diese Art von Reizung erwies sich aber nicht sebr wirksam. Nur sieben unter den 22 Wiirzelchen wurden in drei bis fiinf Tagen von der geschnittenen Fliiche miiszig abgebogen, und mehrere von den anderen wuchsen unregelmaszig. Dies Beweis material ist daher bei weitem nicht entscheidend.

Qiiercus robiir: Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens. - Die Spitzen der Wiirzelchen der gcmeinen Eiche sind reichlich so empfindlich gegen leichte Berf1hrung, wie es die aller anderen von uns untersuchten Pflanzen sind. Sie hlieben in feuchter Luft zehn Tage lang gesund, wuchsen aber langsam. Vierecke von dem cartonartigen Papier wurden mit Schellack an die Spitzen von 15 Wurzelchen befestigt und zehn derselben wurden augenflHlig von der Sen.krechten und von den Viereckchen weggebeugt, zwei unbedeutend und drei gar nicht. Aber zwei von den letzteren waren keine wirk lichen Ausnahmen, da sie zuerst schon sehr kurz waren und spitter kaum; wuchsen. Einige von den merkwiirdigeren Fallen sind der Be­ schreibung werth. Die Wiirzelchen wurden an jedem aufeinander fol­ genden Morgen nahezu zu derselben Stunde, d. h. in Zwischenraumen von 24 Stunden untersucht.

Nr. 1. Dieses Wtirzelchen litt nnter einer Reihe von Zufii.lligkeiten und benahm sich in einer abnormen Art und Weise; denn die Spitze erschien zuerst unempfindlich und spii.ter empfindlich gegen Berilhrung. Das erste Cartonviereck wurde am 19. Octobet• angeheftet; am 21. war das Wtirzelclrnn durchaus nicht gekrtimmt und das Viereckchen wurde zufallig abgestoszen; es wurde am 22. von neuem befestigt , nnd das Wiirzelchen wurde unbedeutend von dem Cartonstiickchen abgebogen, die Kriimmung verschwand aber am 23., wo das Viereck entfernt und von neuem befestigt wurde. Es erfolgte keine Kriimmung, und das Viereck wurde wiedernm zuiallig abgestoszen und von neuem befestigt. Am Morgen des 27. wurde es abgelost, da es das Wasser auf dem Boden

 

[page break] 150 Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens von Quercu . Cap. 3.

 

des Gefaszes erreicht hatte. Das Viereckchen wurde von neuem befestigt und am 29., d. h. zehn Tage nachdem das erste Cartonviereckchen befestigt worden war und zwei Tage nach der Befestigung des letzten Vie.reeks

war das Wiirzelchen bis zu der bedeutei1den Lange von 3.2 Zoll gewachsen und jetzt war der termi­ nale wachsende Theil von dem Cartonviereck weg zn einem Haken gebogen (s. Fig. 68).

Nr. 2. Cartonviereck am 19. befestigt: am

war das Wiirzelchen unbedeutend von dem­ selben und von der Senkrechten abgebogen; am

unter nahezu rechtem Winkel abgebogen; es blieb wahrend der nachsten zwei Tage in dieser Stellung, aber am 25. wurde die Aufwartskriim­ mung durch die Wirkung des Geotropismus ver­ mindert und am 26. noch mehr.

Nr. 3. Cartonviereck am 19. befestigt;

 

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Fig. 68. Quercu, robur: Wiirzel­ chen mit an einer Seite der Spitze angehiingtem Cartonviereck, wel­ ches aie hakenformlg zu werden veruraachte. Zeichnung In halber natiirllcher Grosze.

 

am 21. eine Spur von Kriimmung von dem Viereck weg, welche am 22. ungefahr 40 und am 23.

53 von der Senkrechten weg betrug.

Nr. 4. Viereck am 21. befestigt; am 22. eine Spur von Kriimmung von dem Cartonstiick­

 

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chen weg; am 23. vollstandig hakenformig mit der Spitze aufwarts nach dem Zenith gerichtet. Drei Tage spater (d. h. am 26.) war die Kriim­ mung vollstandig verschwunden und die Spitze wies senkrecht abwarts. Nr. 5. Viereck am 21. befestigt; am 22. entschiedene, wenn schon unbedeutende Kriimmung von dem Cartonstiickchen weg. Am 23. hatti> sich die Spitze aufwarts iiber den Horizont gekriimmt und war am 2-i. hakenfOrmig mit der Spitze fast nach dem Zenith weisend, wie bei Fig. 68. Nr. 6. Viereck am 21. befestigt; am 22. unbedeutend von dem Viereck abgebogen; am 23. starker gekriimmt; am 25. betrachtlich gr­ kriimmt; am 27. alle Kriimmung verloren und das Wiirzelchen war nnn

senkrer.ht abwarts gerichtet.

Nr. 7. Carton viereck am 21. befestigt; am 22. eine Spur vo11 Kriimmung von dem Cartonstiickchen weg, welche am nachsten Tage zunahm und am 24. bis zu einem rechten Winkel betrug.

 

Es ist daher offenbar, dasz die Spitze des Wiirzelchens der Eiche in hohem Grade empfindlich gegen Beriihrung ist und ihre Empfind­ lichkeit wahrend mehrerer 'l'age behlilt. Die hierdurch veranlaszte Bewegung war indessen langsamer als in irgend einem der voraus­ gegangenen Falle mit Ausnahme des von Aesculus. Wie bei der Bohne streckte sich der terminale wacbsende Theil nach der Beugung zuweilen selbst wieder <lurch die Wirkung des Geotropismus, obgleicb der Gegeu­ stand noch immer an der Spitze befestigt blieb.

Es wurde nun das niimliche merkwflrdige Bxperiment rersucht wie bei der Bohne; namlich kleine Vierecke von genau derselben Gri:isze

 

[page break] Cap. 3. Ernpfindlichkeit der !;pitze des Wilrzelchens von Zea. 151

des cartonartigen Sandpapiers und sebr dilnnen Papiers (die Dickcn­ verMltnisse derselben sind unter Vicia faba mitgetheilt worden) wur­ den mit Schellack an gegenuberliegende Seiten (so genau als es aus­ gefuhrt werden konnte) an die Spitzen von 13 Wurzelchen, die in feucbter Luft bei einer Temperatur von lSt/:,1-19° C. aufgehangt waren, befestigt. Das Resultat war auffallend, denn 9 unter diesen 13 Wilrzel­ ehen wurden deutlich und eins sehr unbedeutend von dem dicken Pa­ piere weg nach der Seite hin, welche das diinne Papier trug, gekriimmt. In zwei unter diesen Fallen wurde die Spitze nach zwei 'l'agen voll­ standig hakenformig; in vier Fallen betrug die Ablenkung von der Senkrechten und von der das dicke Papier tragenden Seite in einer Zeit von zwei bis vier Tagen Winkel von 90°, 72°, 60° und 49°, aber in zwei anderen Filllen nur 18° und 15°. Es musz indessen angefuhrt werden, dasz in dem Falle, in welc em die Ablenkung 49° betrug, die zwei Viereckchen zufallig auf einer Seite der Spitze in Berfihrung ge­

kommen waren und dadurch eine seitliche Gabel gebildet batten; und die Ablenkung war zum Theil von dieser Gabel ab, zum Theil von

-dem dicken Papier weg gerichtet. Nur in drei Fallen wurden die Wiirzelchen durch den Unterschied in der Dicke der J>apierviereckchen, die an ibren Spitzen befestigt waren , nicht afficirt, und bogen sich folglich auch nicht von der das steifere Papier tragenden Seite ab.

Zea mays: Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzel­ chens gegen Beriihrung. - Eine grosze Anzahl von Versuchen wurde mit dieser Pflanze angesiellt, da sie die einzige Monocotyledone war, an welcher wir experimentirten. Eine Ubersicht der Resultate wird hinreichen. An erster Stelle wurden 22 keimende Samen an Korkdeckel mit Nadeln festgesteckt, ohne dasz irgend ein Gegenstand n ihre Spitze befestigt wurde. Einige wurden einer Temperatur ron 18½ bis 19° C. und andere einer solchen von 231/2 bis 26° C. aus­

gesetzt, und keines von ihnen wurde gekrilmmt, obschon einige ein

wenig nach einer Seite geneigt waren. Einige wenige wurden aus­ gewahlt, welche, da sie auf Sand gekeimt batten, verkrilmmt waren, aber, als sie in feuchter Luft aufgehangt wurden, mit dem terminalen Tbeile gerade nach abwarts wuchsen. Nachdem diese Thatsache ermittelt worden war, wurde!l kleine Vierecke des cartonartigen Papiers bei ver­ schiedeuen Gelegenheiten an die Spitzen von 68 Wiirzelchen mit Schei­ lack befestigt. Von diesen wurde der terminale wachsende Theil ron 3 innerbalb 24 Stunden augenflillig von den ai1gebefteten Vierecken und

 

[page break] 152 Empfincllichkeit der Spitze des Wilrzelchens von Zea. Cap. 3.

von der Senkrechten abgekriimmt; 13 unter diesen 39 bildeten Haken mit nach dem Zenith gerichteten Spitzen, und 8 bildeten Schlingen. lJberdies waren sieben andere Wiirzelchen unter den 68 unbedeutend und zwei zweifelhaft von den Cartonstiickchen abgebogen. Es bleiben also noch 20, welcbe nicht afficirt wurden; aber zebn von diesen sollten nicht gerechnet werden, denn eins war krank, bei zweien waren die Spitzen vollstandig mit Schellack umgeben und bei sieben waren die Vierecke so gerutscht, dasz sie mit der Spitze parallel standen, anstatt schrag zu ihr zu stehen. Es waren daher nur zehn unter den 68, welche mit Sicherheit nicht beeinfluszt wurden. Einige von den Wiirzelchen , an welchen der Versuch gemacht wurde, waren jung und kurz; die meisten von ihnen waren von masziger Lange und zwei oder drei waren Hinger als 3 Zoll. Die Kriimmung in den obigen Fallen trat innerhalb 24 Stunden ein, sie war aber haufig innerhalb einer viel kiirzeren Periode sichtbar. So war beispielsweise der terminale wachsende Theil eines Wiirzelchens in 8 Stunden 15 Minuten und bei einem andern in 9 Stunden aufwarts unter rechtem Winkel gebogen. Bei einer Gelegenbeit wurde in 9 Stun­ den ein Haken gebildet. Sechs von den Wiirzelchen, die in einem neun Samen enthaltenden, auf einem Sandbad von einer zwischen 241/2

und 28° C. schwankenden Ternperatur stehenden Glasgefasze befestigt

waren, waren, als zuerst nach 15 Stunden nach ihnen gesehen wurde, hakenformig, und ein siebentes bildete eine vollstlindige Schleife.

Die beistehenden Figuren von vier keimenden Samen (Fig. 69) zeigen erstens ein Wiirzelchen (A), dessen Spitze so bedeutend von dem angehefteten Cartonstiickchen abgebogen wurde, dasz sie einen Haken bildete. Zweitens (B), der Haken ist durch die fortdauernde Reizung der Cartonstiickchen vielleicht mit Unterstutzung des Geotropismus in einen beinahe vollstllndigen Kreis oder eine Schlinge umgewandelt. Die Spitze reibt sich im Acte der Schlingenbildung meist gegen den oberen Theil des Wurzelchens und stoszt dabei das angeheftete Cartonviereck ab; die Schlinge zieht sich dann zusammen oder schlieszt sich, ver­ schwindet aber niemals. Die Spitze wllchst spater senkrecht nach abwarts, da sie nun nicht lllnger durch irgend einen angebefteten Gegenstand gereizt wird. Dies trat hliufig ein uncl ist hei C dargestellt. Das obenerwabnte Glasgefasz mit den sechs hakenformigen Wiirzelchen und ein anderes Gefasz wurden zwei weitere Tage lang noch gehalten, um zu beobachten, wie die Haken modificirt werden wurden. Die moisten von ihnen wurden in einfache Schlingen verwandelt gleich der bei C

 

[page break] Cap. 3. Empfindlichkeit der Spitze des WUrzelchens von Zea. 153

abgebildeten; aber in einem Falle rieb sich die Spitze nicht gegen den oberen Theil des Wurzelchens, entfernte daher das Cartonstuckchen nicht, und in Folge der fortdauernden Reizung von dem Carton bildete

A B

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

C D

}'ig. 1.m. Zea maya: ,viirzelchen in Folge der Reizung der kleinen, an eine Seite lhrer Spitze­ angeheftetcn Carton,•iereeke von dicsen wcggekrUmmt.

 

sie zwei vollstandige Scblingen, d. h. eine Scbneckenwindung von zwei 8piralen, welche spater dicht an einander gedriickt wurden. Dann herrschte der Geotropismns vor und verursachte es, dasz das Wiirzelchen senkrecht nach abwarts wuchs. In einem anderen, bei D abgebildeten Falle trat die Spitze des Wiirzelchens bei der Bildung eines zweiten Umgangs oder einer zweiten Spirale durch die erste Schlinge, welche anfangs weit offen stand , und stiesz dabei das Cartonstuckchen ab ; dann wucbs sie senkrecht abwl!.rts und zog sich dadurch in einen Knoten zusammen, welcher bald eng wurde !

Secundare Wfirzelchen von Zect. - Kurze Zeit nachdem

das erste Wftrzelchen erschienen ist, treiben andere aus dem Samen hervor, aber nicht. seitlich von dem primaren Wiirzelchen. Zehn von diesen secundaren Wiirzelchen, welche schrag nach abwarts gerichtet waren, wurden dem Versuche unterworfen mit sehr kleinen Carton­ vierecken, die mit Schellack an die untere Seite ihrer Spitzen befestigt

 

[page break] 154 Empfindlichkeit des Wiirzelchens Cap. 3.

 

wurden. Wenn daher die Vierecke wirkten , so muszten sich die Wurzelchen aufwl!.rts im Gegensatze zu der Schwerkraft biegen. Das Glasgefasz stand (gegen das Licht geschutzt) auf einem Sandbad, welcbes zwiscben 241/2 und 28° C. in der Temperatur schwankte. Nach nur 5 Stunden war das eine ein wenig von dem Viereckchen abgebogen und bildete nach 20 Stunden eine Schlinge. Vier andere waren nach

20 Stunden betrll.chtlich von den Vierecken abgebogen , und drei von ihnen wurden hakenformig mit nach dem Zenith gerichteten Spitzen, das eine nach 29 Stunden und die zwei anderen nach 44 Stunden. Um diese letztere Zeit war ein sechstes Wurzelchen rechtwinklig von der das Cartonviereck tragenden Seite abgebogen worden. Es wurden hier­ nach im Ganzen sechs unter den zehn secundiiren Wurzelchen beeinfluszt und vier nicht. Es kann daber daruber kein Zweifel bestehen , dasz die Spitzen dieser secundaren Wurzelchen gegen leichte Beruhrung em­ pfindlich sind, und dasz, wenn sie in dieser Weise gereizt werden, sie den oberen Theil von dem beriihrten Gegenstande sich wegznbiegen veranlassen; aber meistens, wie es scheint, nicht in einer so knrzen Zeit, wie bei den znerst gebildeten Wurzelchen.

 

Emp.flndllchkeit der Spltze des WUrzelchens gegen feuchte Luft.

SACHS hat vor einigen wenigen Jahren die interessante Entdeckung gemacht, dasz die Wurzelchen vieler Pflanzensamlinge sich nach einer benachbarten feuchten Oberflacbe hinbiegen 9 Wir wollen uns bemuben nachznweisen, dasz diesze eigenthumlicbe Form von Empfindlichkeit in den Spitzen der Wiirzelchen ruht. Die Bewegung ist genau das Umgekehrte von der, welche durch die bis jetzt betrachteten Reizmittel erregt wird, welche den wachsenden Theil des Wurzelchens veranlassen, sicb von der Quelle des Reizes wegzubiegen. In unseren Experimenten befolgten wir SAcHs' Plan. Es wurden Siebe mit in feucbten Sage­ spahnen keimenden Samen so aufgehangt, dasz der Boden im Allgemeinen unter 40° gegen den Horizont geneigt war. Wenn die Wurzelchen nur von Geotropismus beeinfluszt worden waren, wurden sie aus dem Boden des Siebes senkrecht nach abwarts gewachsen sein•; da sie aber durch die benachbarte feuchte Oberflache angezogen wurden, so bogen sie sich nach dieser bin und wurden 50° von der Seni(rechten abgebogen. Um zu ermitteln, ob die Spitze oder der ganze wachsende Theil des

 

9 Arbeiten des botan. Instituts Wiirzliurg, 1. Bd. 1872, p. 209.

 

[page break] Cap. 3. gcgen feuchte Luft. 155

Wiirzelchens gegen feuchte Luft empfindlich ist, wurde in einer be­ stimmten Anzahl von Fallen ein von 1-2 mm langes Stuck mit einer Mischung von Oliven{>! und Lampenrusz iiberzogen. Diese Mischung wurde deshalb gemacht, um dem ?le Consistenz zu geben , so dasz eine dicke Fettschicht aufgetragen werden konnte, welche wenigstens in einem hohen Grade die feuchte Luft ausschlieszen konnte und l.eicl1t sichtbar war. Eine noch groszere Zahl von Versuchen als die , die wirklich angestellt wurden, wiirden nothwendig gevvesen sein, Mtte es sich nicht deutlich herausgestellt, dasz die Spitze des Wiirzelchens der Theil ist, welcher gegen verschiedene andere Reizmittel empfindlich ist.

 

Phaseolus multiflorus. - Neunundzwanzig Wiirzelchen, an denen nichts gethan worden war, und welche aus dem Siebe heraus­ wuchsen, wurden zur namlichen Zeit wie andere beobachtet, deren Spitzen mit 01 iiberzogen waren, und auch eine gleich lange Zeit. Von den

29 kriimmten sich 24 so, dasz sie mit dem Boden des Siebes in dichte Beruhrung kamen. Der Sitz der ganzen Kriimmung lag meist in eineP Entfernung von 5 - 6 mm von der Spitze. Bei 8 Wiirzelchen waren die

Spitzen in einer Lange von 2 mm eingeolt und bei zwei anderen in einer von 1 ½ mm. Diese wurden bei einer 'femperatur von 15-16° C. ge­ halten. Nach Verlauf von 19 Stunden bis 24 Stunden hiengen sie siimmt­

lich noch immer senkrecht oder beinahe senkrecht herab, denn einige von ihnen batten sich nach der benachbarten feuchten Fliiche unter ungefii.hr

hingebogen. Die feuchtere Luft auf einer Seite hatte daher nicht oder nur unbedeutend auf sie eingewirkt, obgleich der ganze obere Theil

frei exponirt war. Nach 48 Stunden wurden drei von diesen Wiirzelchen betrachtlich nach dem Siebe hingekriimmt und das Fehlon der Krummung in einigen von den andem diirfte vielleicht dadurch erklii.rt werden, dasz sie nicht sehr gut wuchsen. Es ist aber zu beachten, dasz wahrend der ersten 19 bis 24 Stunden alle gut wachsen, zwei von ihnen hatten in

Stunden von 2 bis 3 mm an Lange zugenommen; 5 andere waren in 19 Stunden um 5-8 mm gewachsen, and zwei, welche zuerst 4 und 6 mm lang gewesen waren, waren in 24 Stunden bis zu 15 und 20 mm ge­ wachsen.

Die Spitzen von zehn Wiirzelchen, welche gleichfalls gut wuchsen, wurden mit dern 01 aaf einer Strecke von nur 1 mm Lange uberzogen and jetzt war das Resaltat etwas verschieden; denn von diesen kriimmten sich vier in 21--24 Standen nach dem Siebe hin, wahrend es sechs nicht thaten. Funf von den letzteren wurden einen Tag noch beobachtet, und nun warden sie sammtlich , mit Ausnahme eines, nach dem Siebe hin­ gekriimmt.

Die Spitzen von fiinf Wiirzelchen wurden mit Hollenstein cauterisirt und wurden dadurch in einer Lange von ungefiihr 1 mm zArstort. Sie warden nach zwischen 11 und 24 Stunden schwankenden Perioden be­ obachtet, und es ergab sich, dasz sie gut gewachsen waren. Eines von ihnen hatte sich gekriimmt, bis es rnit dem Siebe in Beriihrung gekommen

 

[page break] Emptimllichkeit des Wiirzelchens Cap. 3.

 

war, ein anderes war in der Kriimmung nach ihm hin begriffen, wahrend die iibrigen drei noch immer senkrecht herabhiengen. Von sieben nicht cauterisirten, in derselben Zeit beobachteten Wiirzelchen, waren sammt­ lich mit dem Siebe in Berilhrung gekommen.

Die Spitzen von 11 WilrzeJchen wurden durch angefeuchtetes GoJd­

schlagerbautchen, welches dicht anJiegt, auf einer Lange, die von 11/ a bis 21/amm schwankte, geschiitzt. Nach einer Zeit von 22-24 Stunden waren sechs von diesen WiirzeJchen deutJich nach dem Siebe hingebogen

oder mit ihm in Berilhrung gekommen; zwei waren unbedeutend in dieser Richtung gekriimmt und drei durchaus nicht. Alie warnn gut gewachsen. Von 14 zu derseJben Zeit beobachteten Controlexemplaren batten sich alle, mit Ausnahme eines, dem Siebe dicht genahert. Es geht aus diesen Fallen hervor, dass eine Kappe von GoldschJii.gerhii.utchen, wenn auch nur in einem nubedeutenden Grade das Biegen der Wiirzelcheu nach einer benachbarten, feuchten FJii.che hin hemmt. Ob eine ii.uszerst diinne Schicht dieser Substanz, wenn sie angefeuchtet worden, die Feuchtigkeit aus der Luft durchzutreten gestattet, wissen wir nicht. Ein Fall deutete an, dasz die Kappen zuweilen noch wirksamer sind aJs aus den obigen Resultateu hervorgeht; denn von einem Wilrzelchen, welches nach 23 Stunden sich 11ur unbedeutend dem Siebe genahert hatte, wurde die Kappe (11/2 mm

Jang) entfernt, und wabrend der nachsten 15½ Stunden krilmmte es

sich plotzJich gegen die Quelle der Feuchtigkeit, wobei dor Hauptsitz der Krilmmung auf einer 2-3 mm von der Spitze entfernten Stelle lag.

V ici a fa b a. - Die Spitzen von 13 WiirzeJchen wurden mit dem 01 in einer Lange von 2 mm iiberzogen, und man musz sich daran erinnern, dasz bei diesen Wiirzelchen der Hauptsitz dl'f Kriimmung unge­ fii.hr 4 oder 5 mm von der Spitze abliegt. Vier von ilmen wurden nach 22 Stunden, drei nach 26 und sechs nach 36 Stunden untersucht, und keines war nach der feuchten, unteren Flache des Siebes hingezogen worden. In einem anderen Versuche wurden sieben Wiirzelchen ahnlich behandelt, und fiinf von ihneu wiesen nach 11 Stunden noch immer senk­ recht nach abwarts, wahrend zwei ein wenig nach dem Siebe hin ge­ kriimmt waren. Durch einen Zufall wurden sie spii.ter nicht wieder be­ obachtet. In diesen beiden Versuchen wuchsen die WOrzelchen gut, sieben von ihnen, weJche zuerst von 4-11 mm Jang waren, waren nach 11 Standen zwischen 7 und 16 mm, drei, welche zuerst von 6 - 8 mm lang waren, waren nach 26 StundE>n 11,5-18 mm laug, und endlich waren vier Wiirzelcben, welche zuerst 5-8 mm waren, nach 46 Stunden 18-23 mm lang. Die zur ControJe dienenden oder nicht eingeolten Wiirzelchen wurden nicht ausnahmlos nach dem Boden des Siebes hingezogen. Aber bei einer Gelegenheit wurden 12 unter 13, welche zwischen 22 und 36 Stunden tang beobachtet wurden, in dieser Weise angezogen. Bei zwei anderen Gelegenheiten wurden zusammen genommen 38 Wiirzelchen unter 40 in ii.hnlicher Weise angezogen. Bei einer anderen Gelegenheit benahmen sich nur 7 unter 14 in dieser Art, aber nach zwei weiteren Tagen nahm das Verhaltnis der gekriimmten zu den nicht gekriimmten bis zu 17 unter 23 zu. Bei einer letzten Gelegenheit wurden unter 20 nur 11 in dieser Weise angezogen. Wenn wir diese Zahlrm zusammen rechnen, so finden wir, dasz 78 unter 96 Controlexemplaren sicb nach dem Boden des Siebes

 

[page break] Cap. 3. gegen feuchte Luft. 157

hinkriimmten, von den Exemplaren mit eingeolten Spitzen kriimmten sich nur zwei unter 20 (aber sieben von ihnen wurden keine hinreichend langr Zeit beobachtet). Wir konnen daher kaum daran zweifeln, dass die Spitze in einer Lange von 2 mm der 'l'heil ist, welcher gegen feuchte Atmo­ sphiire enipfindlicher ist und den oberen Theil sich nach der Quelle der Feuchtigkeit hinzubiegen veranlaszt.

Die Spitzen von 15 Wiirzelchen wurdeu mit Holleusteiu cauterisirt, und sie wuchsen so g•ut wie die oben beschriebenen mit eingeolten Spitzen. Nach Verlauf von 24 Stunden waren 9 von ihnen durchaus nicht nach dem Boden des Siebes hingekriimmt; zwei waren unter WinkfJln von 20 und 12 ans ihrer friiheren verticalen Stellung nach ihm hingekriimmt und vier waren in dichte Beriihrung mit ihm gekommen. ER verhinderte daher die Zerstorung der Spitze in einer Liingenausdehnung von ungefahr 1 mm die Kriimmung der groszeren Zahl dieser Wiirzelchen nach der be­ nachbarten feuchten Flache hin. Von 24 Controlexemplaren waren 23

nach dem Siebe hin gekriimmt, und bei einer zweiten Gelegenheit waren

15 unter 16 in groszerem oder geringerem Grade in iLhnlicher Weise ge­ kriimmt. Diese Controlversuche sind in den in den1 vorausgehenden Ab­ satze enthaltenen eingeschlossen.

Avena sativa. - Die Spitzen von 13 Wlirzelchen, welche zwisehen

2 und 4 mm vom Boden des Siebes, viele von ihnen nicht vollkommeu, senkrecht abwarts vorsprangen, wurden mit dem schwarzen Olgemisch in

einer Lange von 1-1 ½ mm iiberzogen. Die Siebe waren unter 30

g-egen den Horizont geneigt. Die gr(iszere Zahl diesPr Wiirzelchen wurde nach 22 Stunden, untl einige wenige nacli 25 Stunden untersucht, und innerhalb dieser Intervalle waren sie so schnell griwachsen, dasz sie ihre Langn nahezu verdoppelt batten. Bei den nicht mit Fett iibcrzogenen Wiirzelchen war der Hauptsitz der Kriimmung in einer Entfernung von nicht weniger als zwischen 3,5 und 5,5 mm und von nicht mehr als zwischen 7 und 10 mm von der Spitze. Untrr den 13 Wiirzelchen mit eingeolten Spitzen batten sich vior durchaus gar nicht gegen das Sieb bewegt; sechs waren gegen dasselbe hingebogen und von der Senkrechten ab unter zwischen 10 und 35 schwankenden Winkeln, und drei waren in dichte Beriihrung mit ihm grkommen. Auf den ersten Blick scheint es also, als wenn das Einolen der S11itzen dieser Wiirzelchen ihr Hin­ biegen nach der benac:hbarten feuchten Oberfliiche nur wenig verhindert hatte. Aber die Besichtigung der Siebe bei zwei Gelegenheiten rief einen vollstandig verschiedenen Eindrnck hervor; denn es war unmoglich, die Wiirzelchen mit den schwarzen eingeolten Spitzen aus dem Boden vor­ springen und alle die mit nicht eingeolten Spitzen, der Zahl nach min­ destens 40-50 dicht an ihnen anhii.ngen zu sehen, und dann noch zu zweifeln, dasz das Ein(ilen eine grosze Wirkung hervorgebracht hatte. Bei naherer Untersuchung konnte nur ein einziges nicht geoltes Wiirzelchen gefunden werden, welches nicht nach dem Siebe hin gekriimmt war. Es

ist wahrscheinlich, dasz, wenn die Spitzen mit dem Oliiberzug in einer Lange von 2 mm anstatt von 1-1 i/2 mm geschiitzt worden waren, sie durch die feuchte Luft nicht afficirt und keines gekriimmt worden ware.

Triticum vulgare. - Analoge Versuche wurden mit 8 Wiirzelchen des gemeincn Weizens angestellt, nnd das Einolen ihrer Spitzen •brachtP

 

[page break] Empfindlichkeit des Wiirzelchens gegen feuchte Luft. Cap. 3.

 

vid weniger Wirkung hervor als beim Hafor. Nach 22 Stunden waren fiinf von ihnen mit dem Boden des Siebes in Beriihrung gekommen, zwei hat ten sich 10 und 15 nach ihm hinbewegt, und nur eines blieb senk­ recht. Es war nicht eines unter den sehr zahlreichen nicht eingeolten Wiirzelchen, welches nicbt in dichte Beriihrung mit dem Siebe gekommen ware. Diese Versuche wurden am 28. November angestellt, als die 'l'em­ peratur nur 4,8 C. um 10 Uhr a. m. betrug. Wir wilrden diesen Fall kaum fur dor Mittheilung werth erachten, ware es nicht wegen des fol­ genden Umstandes gewesen. Im Anfange des October, als die 'femperatur betrachtlich hoher war, nii.mlich 12- 13 C., fanden wir, dasz nur wenige der nicht eingeolten Wiirzelchen nach dem Siebe hingebogen wurden, und dies weist darauf hin, dasz Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit in der Luft durch eine niedrige '.l'emperatur vermehrt wird, wie wir es bei den Wiirzelchen von Vil'ia faba in Beziehung auf an ihre Spitzen befestigte G,genstande gesehen haben. Aber im vorliegenden Falle ist es milglich, dasz eine Verschiedenheit in der Trockenheit der Luft die Verschiedenheit in den Resultaten zu den beiden Perioden verursacht haben kilnnte.

Endlich zeigen die eben mitgetheilten Thatsachen in Bezug auf Phaseolus multifiorus, Vicia faba und Avena saliva, wie es uns scheint, dasz eine in einer Langenausdehnung von 11/z-2 mm iiber die Spitze der Wiirzelchen ausgebreitete Fettschicht oder die Zerstorung der Spitze

durch Atzmittel das Vermogen in dem oberen und exponirten Theile, sich nach der benachbarten Feuchtigkeitsquelle hinzubiegen, bedeutend vermindert oder vollst!indig vernichtet. Wir miissen uns daran er­ innern , dasz der Theil, welcher sich am meisten biegt, in einer ge­ ringen Entfernung oberhalb der eingeolten oder cauterisirten Spitze liegt, und dasz das rapide Wachsthum dieses Theiles beweist, dasz er dadurcb, dasz die Spitzen in dieser Weise behandelt worden sind, nicht beschlldigt worden ist. In denjenigen Fiillen, in denen die Wiir­ zelcben mit eingeolten Spitzen 'gekriimmt wurden, ist es moglich, dasz die Olsehicbt nicht hinreichend dick war, die Feuchtigkeit ganz ab­ zubalten, oder dasz keine hinreichende Lange bierdurch geschiitzt, oder, was den Fall mit Atzmitteln betrifft, nicht zerstort war. Laszt man Wiirzelchen mit eingeolten Spitzen mebrere Tage in feuchter Luft wachsen, so wird das Fett in die feinsten, netzformig verbundenen Fadchen und Punkte. mit schmalen, vollst!indig rein gelassenen Stellen der Oberflache zwischen ihnen ansgezogen. Es ist wahrscheinlich, dasz solche Stellen im Staude sind Feur.htigkeit zu absorbiren, und in dieser Weise konnen wir es erklaren, dasz mehrere der W Urzelchen mit ein­ geolten Spitzen nach einem Verlaufe von ein oder zwei Tagen nach dem Siebe hingekriimmt wurden. Im Ganzen konnen wir schlieszen,

 

[page break] Cap. 3. Wirkung der Zerstiirung oder Verletzung der primiiren Wiirzelchen. 159

 

dasz Empfindlichkeit gegen eine Verschiedenheit in dem Feuchtigkeits­ gehalte der Luft auf den beiden Seiten eines Wurzelchens in der Spitze ihren Sitz hat, welche einen gewissen Reiz dem oberen Theile iiber­ liefert und hierdurch ihn nach der Feuchtigkeitsquelle hinzubiegen yer­ anlaszt. In Folge dessen ist die Bewegung das Umgekehrte von der durch an einer Seite der Spitze angehangte Gegenstande veranlaszten oder von der in Folge des Abschneidens eines diinnen Scheibchens oder clurch leichte Cauterisation verursachten. In einem spateren Capitel wird gezPigt werden, dasz Empfindlichkeit gegen die Anziehung der Schwerkraft gleichfalls in der Spitze ihren Sitz hat, sodasz es die Spitze ist, welche die benachbarten Theile eines horizontal aus­ gestreckten Wiirzelchens reizt, sich nach dem Mittelpunkte der Erde hinzubiegen.

 

Secundllre WUrzelchen werden senkrecht geotroplsch durch Zerstorung oder Verletzung des termlnalen Thelles des primilren WUrzelchens.

SACHS hat gezeigt, dasz die seitlichen oder secundii,ren Wiirzel­ chen der Bohne und wahrscheinlich anch anderer Pflanzen vom Geotro­ pismus in einer so eigentbumlichen Weise beeinfluszt werden, dasz sie horizontal oder ein wenig abwarts geneigt auswachsen, und er hat ferner die interessante Thatsache nachgewiesen to, dasz, wenn das Ende des primaren Wiirzelchens abgeschnitten wird, eines der n11.chsten secundaren Wi.irzelchen seine Natur andert und senkrecht nach abwarts wachst, hiermit das primii,re Wiirzelchen ersetzend. Wir wiederholten diesen Versuch und pflanzten Bohnen mit amputirten Wiirzelchen in zerreiblichen Torf und erhielten das von SACHS beschriebene Resultat; meistens wuchsen aber zwei oder drei der secundaren Wiirzelchen senkrecht nach abwarts. Wir modificirten auch den Versuch so, dasz wir junge Wurzelchen eine kleine Strecke oberhalb ihrer Spitzen zwischen den Schenkeln eines U-formigen Stiickes dicken Bleidrahtes quetschten. Der gequetschte Theil wurde hierdurch abgeplattet und wurde spMer verhindert dioker zn wachsen. An fiinf Wiirzelchen wurden die Enden abgeschnitten und dieilten als Controle oder Masz­ stabe. Acht wurden gequetscht ;• von diesen wurden zwe i zu stark gequetscht und ihre Enden starben und fielen ab. Zwei wurden nicht stark genug gequetscht und wurden nicht merkhar afficirt; die iibrig

 

1" Arbeiten des botan. Instituts Wiirzburg, 4. Heft 1874, p. 622.

 

[page break] IGO Wirkung der Zerstorung oder Verletzung Cap. 3.

bleibenden vier wurden hinreichend stark gequetscht, um das Wachs­ thum des terminalen Theils zu unterbrechen, erscbienen aber ander­ weit nicht verletzt. Wenn die U-formigen Drllbte entfernt wurden (nach einem Verlaufe von 15 Tagen), fand sich der Theil unterhalb

-des Drahtes sehr diinn und brach leicht ab, wahrend der Theil dariiber verdickt war. Nun waren in diesen vier Fllllen eines oder mehrere

-der secundaren Wiirzelchen, die aus dem verdickten Tbeile dicbt ober­ halb des Drahtes entsprangen, senkrecht nacb abwarts gewacbsen. Im besten Falle war das primare Wiirzelcben (der Theil unterbalb des

Drahtes war 1½ Zoll lang) etwas verdrebt und war nicbt balb so

lang wie drei benachbarte secundare Wiirzelcben, welche senkrecbt oder beinahe senkrecht abwarts gewachsen waren. Einige dieser secun­

-daren Wiirzelcben hiengen aneinander oder waren zusammengeflossen. Wir lernen aus diesen vier Fallen, dasz es, damit ein secundares Wtirzelchen die Natur eines primaren annimmt, nicht nothwendig ist,

-dasz das letztere wirklich amputirt werde; es ist hinreichend, dasz

-der Saftezuflusz in dasselbe unterbrochen und in Folge dessen in die benachbarten secundaren Wiirzelcben gerichtet werde; denn dies scheint

-das augenfalligste Resultat des Versuchs zu sein, wenn das primare

.Wiirzelchen zwischen den Armen eines U-formigen Drahtes gequetscht wurde.

Diese Veranderung in der Natur secundarer Wiirzelchen ist, wie SACHS bemerkt bat, derjenigen offenbar analog, welcbe bei Schoszlingen von Baumen vorkommt, wenn der leitende Sprosz zerstort und spater

<lurch einen oder mehrere von den Seitensprossen ersetzt wird. Denn diese wacbsen nun anstatt subhorizontal gerade aufrecht. Aber in diesem letzteren Falle werden die Seitensprossen apogeotropisch gemacbt, wabrend bei Wiirzelchen die seitlichen geotropisch gemacht werden. Wir werden naturgemasz zu der Vermuthung gefuhrt, dasz ein und dieselbe Ursache bei Sprossen thatig ist wie bei Wurzeln, namlich

€in vermehrter Sa.ftezuflusz zu den seitlichen. Wir machten einige Versuche bei Abies communis und pectinata in der Weise, dasz. wir mit Draht den leitenden und• sammtliche Seitensp;rosse mit Ausnahme eines gequetschten. Wir glauben aber, dasz sie zu alt waren, als die Versuche an ihnen angestellt wurden; auch wurden einige zu stark gequetscht und einige .nicht stark genug. Nur ein Fall war erfolg­ reich, niimlich an der Rotbtanne. Der leitende Sprosz wurde nicht getodtet, aber sein Wachsthum wurde aufgehalten. An seiner Basis

 

[page break] Cap. 3. der primaren Wiirzelchen. 161

fanden sich drei seitliche Sprossen in einem Wirtel, von denen zwei eingeklemmt und einer dadurch getodtet wurde. Der dritte wurde unberiihrt gelassen. Diese Seitensprossen standen, als die Operation nn ihnen vollzogen wurde (14. Juli) in einem Winkel von s0 iiber

<lem Horizont; am 8. September hatte sich der nicht geklemmte um 35° erhoben; am 4. October war er 46° und am 26. Januar 48° gestiegen und war nun ein wenig einwilrts gekriimmt worden. Ein Theil dieser Erhebung von 48° kann dem gewohnlichen Wachsthum

-zugeRchrieben werden, denn der geklemmte Sprosz ei•hob ich in der­ selben Zeit, 12°. J; s folgt hieraus, dasz der nicht geklemmte Sprosz am 26. Januar 56° iiber dem Horizont oder 34° von der Verticalen abstand. Er war hiernach offenbar beinahe bereit den langsam wach­ senden, eingeklemmten, leitenden Sprosz zu ersetzen. Trotzdem fuhlen wir uns in Bezrig auf dieses Experiment etwas zweifelhaft,

<lenn wir haben seitdem mit Rothtannen, welche etwas krilnklich wuchsen, beobachtet, dasz die Seitensprossen in der Nilhe des Gipfels

-zuweilen in hohem Winkel aufgerichtet werden, wahrend der leitende Sprosz allem Anscbein I)ach gesund bleibt.

Eine g-anz verscbiedene Einwirkung verursacht nicht selten, dasz Sprossen, welche naturgemasz horizontal ausgewachsen sein wfirden, senkrecht aufwachsen. Die Seitenzweige der Silbertanne ( Abies pecti­ nata) werden haufig von einem Pilz afficirt, Aecidium elatinum, welcher es verursacht, dasz sich der Zweig in einen ovalen, aus hartem Holze gebildeten Knoten erweitert, in deren einem wir 24 Wachsthumsringe zahlten. Wenn das Mycelium in eine Knospe eindringt, die sich zu verlangern beginnt, so wachst nach der Angabe von DE BARYu der Sprosz, der sich aus der Knospe entwickelt, senkrecbt aufwarts. Der­ artige aufrechte Sprossen bringen sptlter seitlicbe und horizontale Zweige hervor, und sie bieteu eine merkwurdige Erscheinung dar, als wenn ein junger Tannenbaum aus einem den Zweig umgebenden Ballen Thons herausgewachsen ware. Diese aufrechten Sprossen baben offen­ bar ihre Natur verandert und sind apogeotropisch geworden. Denn wenn sie nicht von dem Aecidium afficirt worden wl\ren, waren sie wie alle die iibrigen Zweige an denselben .Asten horizontal ausgewacbsen. Diese Veranderung kann kaum eine :Folge eines vermebrten Safte-

 

11 s. seinen werthvollen Anfsatz in: Botan. Zeitung, 1867, p. 257 tiber diese monstrosen Bildungen, welche in Deutschland .Hexenbesen" genannt werden.

DARWI , Rcwegungsvermogen. (XUI.) 11

 

[page break] 162 Wirkung der Zerstorung oder Verletzung Cap. 3.

zuflusses in den Theil sein, sondern die Gegenwart des M:yceliums. wird seine natiirliche Constitution bedeutend gestort haben.

Nacl1 der Angabe von Mr. MEEHAX O sind die SU\mme von drei Species von Euphorbia und von Portulaca oleracea ,,im Normal­ zustande niedergelegt oder kriechend". Wenn sie aber von einem Aecidium angegriffen werden, nebmen sie einen aufrechten Habitus an. Dr. STAHL theilt uns mit, dasz er melll"ere analoge Falle kennt, und diese scheinen mit dem von Abies verwandt zu sein. Die Rhizome

,•on Sparganiu11i' mmosum wachsen im Boden zu einer betrachtlichen Lange aus oder sind diageotropisch; F. ELFVIXG hat aber gefunden, dasz, wenn sie in Wasser cultivirt werden, ihre Spitze nach aufwarts gPwendet und sie apogeotropisch wurden. Dasselbe Resultat folgte, wenn der Stamm der Pflanze so lange gekriimmt wurde, bis er brach, oder einfach stark gebogen wurdet3_

Fur derartige Fa.He wie die vorstehenden, namlich, dasz secundare­ Wiirzelchen senkrecht abwarts und Seitenscl1osse senkrecl1t aufwarts wachsen, nach der Amputation des primaren Wiirzelcbens oder des leitenden Sprosses, ist bis jetzt noch keine _Brklarung zu geben ver­ sucht worden. Die folgenden Betrachtungen geben uns, wie wir meinen, den Scbliissel dazu. Erstens ist jede Ursache, welche die Constitution stortt4, aucb geneigt einen Riickschlag zu veraulassen: so die Kreuznng zweier verschiedener Racen oder eine Veranderung der Lebensbedingnngen, wie wenn domesticirte Thiere wild werden. Aber der Fall, welcher uns am meisten angeht, ist das banfige Erscbeinen pelorischer Bliithen an dem Gipfel eines Stammes oder in der Mitte der Inflorescenz, Theile, welche, wie man annimmt, den meisten Saft erhalten; denn wenn eine unregelmiiszige Bliithe vollstandig regelmaszig oder pelorisch wird,

 

12 Proc. Acad. Nat. Scienc. Philadelphia, 16. June 1874, und 23. July 18i5.

18 J. F. E lfv in g's interessanten Anfsatz in: Arbeiten botan. lnstituts Wiirz­ burg, 2. Bd. 1880. p. 489. Car I Kraus (Triesdorf) hat friiher beobachttt (Flora, 1878, p. 324), dasz die unterirdischen Sprossen von Triticum repen., sich senkrecht aufwiirts biegen, wenn clie Theile ilber der Ertle entfernt 1md die Rhizomt zum Theil in Wasser eingetaucht gehalten werden.

14 Die Thatsachen, anf welche sich die folgenden Folgerungcn grUnden. sirnl mitgetheilt worden in: Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Dome ti­ cation, Ubers. 3. Aufl. 1878. Wegen der zu RUckschlag fUhrenden Ursachen - 2 Bd.

Cap. nnd 14. Cap. p. G5. Uber pelorische BlUthen s. 13. Cap. p. 35; Uber ihre Stellung an der Pflanze s. p. 8i0. In Bezug anf Samen s. p. 1li3. tiher Rnck schlag dnrch Knospen s. l. Bd. 11. Cap. p. 458.

 

[page break] Cap. 3. Zusammenfassang des Capitels. 163

kann dies wenigstens zum Theil dem Riickschlag auf einen primitiven und normalen Typus zugeschrieben werden. Selbst die Stellung eines Samenkorns am Ende der Kapsel gibt dem aus demselben entwickelten Samlinge zuweilen eine Neigung zum Riickschlagen. Zweitens tritt Riickschlag haufig mittelst Knospen auf unabhangig von der Repro­ duction durch Samen, so dasz eine Knospe auf den Character eines friiheren, viele Generationen zuriickliegenden Zustandes zuriickschlagen kann. Bei Thieren kann Huckschlag im Individuum mit vorschreitendem Alter eintreten. Drittens und letztens sind Wiirzelchen, wenn sie zu­ erst aus dem Samen vort.reten, immer geotropisch und die Plumulae oder Sprossen beinahe immer apogeotropisch. Wenn daher irgend eine Ursaclie, wie beispielsweise ein verminderter Saftezuflusz oder das Vorhandensein eines Myceliums, die Constitution eines Seitensprosses oder eines secundaren Wiirzelchens stort, so sind diese geneigt auf iliren primordialen Zustand zuriickzuschlagen, und sie werden entweder apogeotropisch oder geotropisch, wie der Fall liegen mag, und in Folge dessen wachsen sie entweder senkrecht nach oben oder senkrecbt nach unten. Es ist in der That moglich oder selbst wahrscheinlich, dasz diese Neigung znm Riickschlag vergroszert worden sein diirfte, da er offenbar fur die Pflanze von Nutzen ist.

 

Zusammenfassung des Capitels.

Ein Theil oder Organ kann empfindlich oder sensitiv genannt werden, wenn seine Reizung eine Bewegung in einem benachbarten Theile anregt. Nun ist in diesem Capitel gezeigt worden, dasz die Spitze des Wiirzelchens der Bohne in diesem Sinne gegen die BerO.h-' rung irgend eines kleinen, an einer Seite mit Schellack oder Gummi­ wasser angehefteten Gegenstandes empfindlich ist, ebenso gegen eine Jeichte Beriihrung mit trockenen A.tzmitteln oder gegen das Abschneiden eines diinnen Scheibchens an einer Seite. An den Wiirzelchen. der Erbse wurden Versuche angestellt mit angehefteten Gegenstanden • und mit Atzmitteln, welche beide wirkten. Bei Phaseolus rnultifiorus war die Spitze kaum empfindlich gegen angebangte kleine Cartonvierecke, war aber gegen Atzmittel und das Abschneiden eines Scheibchens empfindlich. Die Wiirzelchen von Tropaeolum waren gegen Beriihrung in bobem Grade empfindlich ; und dies waren auch , soweit wir es beurtheilen konnten, diejenigen von Gossypium herbaceum, und sicher waren sie sensitiv gegen A.tzmittel. Die Spitzen der Wurzelchen von

11*

 

[page break] 164 Zusammenfassung des Capitels. Cap. 3.

Cucurbita orifera waren gleichfalls gegen Atzmittel in hohem Grade empfindlich, obschon nur maszig empfindlich gegen Beriihrung. Raphauus sativus bot einen etwas zweifelhaften Fall dar. Bei Aesculus ,i;aren die Spitzen gegen an sie gehangte Korperchen vollig indifferent, obschon sie gegen Hollenstein empfindlich waren. Diejenigen von Quercus robur und Zea mays waren gegen Beriihrung in hohem Grade empfind­ lich, wie es auch die Wiirzelchen der letzteren Pflanze gegen Atzmittel waren. In mehreren dieser Falle war der Unterschied in der Empfind­ lichkeit der Spitze gegen Beriihrung und gegen Atzung, wie wir meinen, blosz scheinbar; denn bei Gossypiitm, Raphanus und Cucurbita war die Spitze so fein und biegsam, dasz es sehr schwer war irgend einen Gegenstand auf einer ihrer Seiten anzuheften. Bei den Wiirzelchen von Aesculus waren die Spitzen gegen kleine, an sie angeheftete Korper durchaus nicht empfindlich, es folgt aber aus dieser That­ sache nicht, dasz sie gegen etwas starker fortdauernden Druck, wenn derselbe hatte angewendet werden konnen, nicht empfindlich gewesen waren. Die eigenthiimliche Form von Empfindlichkeit, welche wir hier betrachten, ist auf die Spitze des Wiirzelchens in einer Langenaus­

dehnung Yon 1- 1 ½ mm beschrii.nkt. Wenn dieser Theil durch Be­

riihrung mit irgend einem Gegenstande, <lurch ein Atzmittel oder da­ durch, dasz eine diinne Scheibe abgeschnitten wird, gereizt wird, wird der obere benachbarte Theil des Wiirzelchens in einer Langenaus­ dehnung von 6 oder 7 bis selbst 12 mm angeregt, sich von der Seite, welche gereizt worden ist, wegzubiegen. Es musz daher ein gewisser Einflusz von der Spitze aus dem Wiirzelchen entlang auf diese Langen­ ausdehnung fortgeleitet werden. Die hierdurch veranlaszte Kriimmung ist meistens symmetrisch. Der Theil, welcher sich am meisten biegt, fallt augenscheinlich mit dem des schnellsten Wachsthums zusammen. Die Spitze und der basale Theil wachsen sehr langsam und biegen sich sehr wenig.

Betrachten wir die sehr entfernte Stellung der verschiedenen oben genannten Gattungen in der Pflanzenreihe, so konnen wir schlieszen, dasz die Spitzen der Wiirzelchen aller oder beinahe aller Pflanzen in abnlicher Weise sensitiv sind und einen Einflusz fortleiten, welcher den oberen Theil sich zu biegen veranlaszt. In Bezug auf die Spitzen der secundaren Wiirzelchen wurden nur diejenigen von Vicia faba, Pisum sativum und Zea mays beobachtet, und sie ergaben sich in ahnlicher Weise empfindlich.

 

[page break] Cap. 3. Zusammenfassung des Capitels. IG5

Damit diese Bewegungen ordentlich entfaltet werden, erscheint es nothwendig, dasz die .Wiirzelchen mit der normalen Schnelligkeit wachsen. Werden sie einer hohen Temperatur ausgesetzt und rapid zu wachsen veranlaszt, so scheinen die Spitzen entweder ibre Empfind­ lichkeit oder der obere Theil das Vermogen sich zn biegen zu ver­ lieren. Dasselbe scheint der Fall zn sein, wenn sie sehr langsam wachsen, weil sie nicht kraftig sind, oder weil sie bei einer zu nie­ drigen Temperatur gehalten werden, ebenso, wenn sie in der Mitte des Winters zu keimen gezwungen werden.

Die Kriimmung des Wiirzelchens tritt zuweilen -innerbalb 6--8 Stunden ein, nachdem die Spitze gereizt worden ist, und beinahe immer innerhalb 24 Stunden, ausgenommen den Fall der massiven Wiirzelchen von Aesculus. Die Kriimmung betragt haufig bis zu einem rechten Winkel,• - d. h. der terminale Theil biegt sich auf­ warts, bis die Spitze , welche nur wenig gekriimmt ist, bei ahe hori­ zontal vorspringt. Gelegentlich fahrt die Spitze wegen der fortdauern­ den Reizung des angehefteten Gegenstandes sich zu biegen fort, bis sie einen Haken mit der Spitze nach dem Zenith gerichtet, oder eine Scl1leife, oder selbst eine Spirale bildet. Nach einiger Zeit wird augenscheinlich das Wiirzelchen an die Reizung gewohnt, wie es bei Ranken eintritt, denn sie wachst wiederum abwarts, obschon das Carton­ stiickchen oder irgend ein anderer Gegenstand an der Spitze angeheftet bleiben mag.

Offenbar kann ein kleiner, an die freie Spitze eines senkrecht auf­ gehangten Wiirzelchens angehefteter Gegenstand seinem Wachstlmm als Ganzes. keinen mechanischen Widerstand darbieten, denn der Gegen­ stand wird nach abwarts gefiihrt, wie das Wiirzelchen sich verlangert, oder aufwlirts, wenn das Wiizelchen aufwlirts gekriimmt wird. Auch kann das Wachsthum der Spitze selbst nicht mechanisch durch irgend einen an dasselbe mit Gummiwasser angehefteten Gegenstand auf­ gehalten werden, welches die ganze Zeit vollkommen weich bleibt. Das Gewicht des Gegenstandes, obschon vollstlindig bedeutungslos, ist der Aufwartskriimmung entgegen. Wir konnen daher schlieszen, dasz es die in Folge der Beriihrung eintretende Reizung ist, welche die Be­ wegung anregt. Die Bertihrung indessen musz eine langer dauernde sein, denn die Spitzen von 15 Wiirzelchen wurden eine kurze Zeit lang gerieben und dies verursachte keine Beugung derselben. Wir haben daher bier einen Fall von specialisirter Empfindlichkeit, lihnlich

 

[page break] 166 Zusammenfassung des Capitels. Cap. 3.

dem der Driisen bei Drosera; denn diese sind exquisit empfindlich fiir den leisesten Druck, wenn er verlangert wird, aber nicht fiir zwei oder drei rauhe Beriihrungen.

Wenn die Spitze eines Wurzelchens an einer Seite leicht mit trockenem Hollenstein beruhrt wird, so ist die hierdurch verursachte Verletzung sehr unbedeutend, und der benachbarte• obere 'l'heil biegt sich von dem cauterisirten Punkte in den meisten Fallen mit groszerer Sicherheit weg, als von einem an einer Seite befestigten Gegenstande. Hier ist es offenbar nicht die blosze Beruhrnng, sondern die durch das Atzmittel hervorgerufene Wirkung, welche die Spitze veranlaszt, einen gewissen Einflusz auf den benachbarten Theil iiberzuleiten und ihn hierdurch zum Abbiegen anzuregen. Wenn eine Seite der Spitze bedenklich durch das A.tzmittel verletzt oder getodtet wird, so hort sie auf zu wachsen, wahrend die entgegengesetzte Seite zu wachsen fortfahrt; und das Resultat ist, dasz die Spitze selbst sich nach der verletzten Seite hinbiegt und haufig vollstandig hakenformig wird: und es ist merkwttrdig, dasz in diesem Falle der benachbarte obere Theil sich nicht biegt. Der Reiz ist zu kraftig, oder der Stosz zu bedeutend, um den gehorigen Einflusz von der Spitze ans fortleiten zu }assen. Wir haben genau analoge Falle bei D1•osera, Dionaea nnd l'in,quicula, bei welchen Pflanzen ein zn kraftiger Reiz die Ten­ takeln nicht anregt einwarts gekriimmt zu werden, oder die Lappen sich zu scblieszen oder den Rand sich einwarts zn falten.

In Bezug auf den Grad der Empfindlichkeit der Spitze gegen Be­ riihrung unter giinstigen Bedingungen haben wir gesehen, dasz bei Vicia faba ein kleines Viereck von Schreibpapier mit Sc ellack an­ geheftet hinreicht, Bewegung zn verursachen, wie es bei einer Gelegen­ heit auch ein Viereck von einfach angefeuchtetem Goldscblagerhautchen that ; es wirkte aber sehr langsam. Kurze Stuckcben maszig <licker Borsten (von welchen Messungen mitgetheilt worden sind), mit Gnmmi­ wasser befestigt, wirkten nur in drei unter 11 Versuchen, und Tropfen getrockneten Schellacks unter 2h Gran Gewicht wirkten nur zweimal in 9 Fallen, so dasz wir hier nahezn das Minimum der nothwendigen Reizung eneicht haben. Die Spitze ist dal1er viel weniger empfindlich gegen Druck als die Driisen der Drosei-a; denn diese werden <lurch

weit diinnere Gegenstande als Stiickchen Borsten und <lurch ein viel geringeres Gewicht als 2 h Gran afficirt. Aber der weitaus interes­ santeste Beleg fflr die zarte Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzel-

 

[page break] Cap. 3. Zusammenfassung des Capitels. 1G7

chens wurde von seinem Yermogen dargeboten zwischen gleicl1groszen Vierecken cartonartigen und sehr diinnen Papieres zu unterscbeiden, wenn diese an entgegengesetzten Seiten befestigt wurden, wie es bei

-den Wiirzelchen der Bohne und Eiche beobachtet wurde.

Wenn Wurzelclien der Bohne horizontal ausgestreckt wurden, mit

-Cartonvierecken an die unteren Seiten ihrer Spitzen geheftet, wurde

<lie hierdurch verursachte Reizung immer vom Geotropismus iiber­ wunden, welcher dann unter den giinstigsten Bedingungen unter rech­ tem Winkel auf das Wiirzelchen einwirkte. Wenn aber Gegenstande nn die Wiirzelchen irgend eines der oben genannten Gatt.ungen, wenn ie senkrecht aufgehangt waren, angeheftet wurden, so iiberwand die Reizung den Geotropismus, welch letztere Kraft anfangs schrag auf 1ias Wiirzelchen einwirkte, so dasz die unmittelbare Reizung durch den

.angehefteten Gegenstand, unterstiitzt durch seine Nachwirkungen, vor­ herrschte und es veranlaszte, dasz das Wiirzelchen sich aufwarts bog, bis zuweilen die Spitze nach dem Zenith gerichtet war. Wir miissen indessen annehmen, dasz die Nachwirkungen der Reizung der Spitze

<lurcl1 einen angehefteten Gegenstand erst dann ins Spiel kamen, nachdem die Bewegung• angeregt worden war. Die Spitzen der Wiir­ zelchen der Erbse scbeinen gegen Beriihrung empfindlicher zu sein,

.als die der Bohne, denn wenn sie, mit Cartonviereckchen an ihre un­ teren Seiten angehangt, horizontal ausgestreckt wurden, trat gelegent­ lich ein sehr merkwflrdiger Kampf ein, wobei zuweilen die eine, zu­ weilen die andere Kraft vorherrschte; schlieszlich war aber Geotropismus immer siegreich. Nichtsdestoweniger wurde in zwei Fallen der termi­ nale Theil so stark aufwiirts gekriimmt, dasz sich spat.er Schlingen bildeten. Bei der Erbse sind daher die Reizungen durch einen ange­ hefteten Gegenstand und <lurch Geotropismus, wenn er unter rechten Winkeln auf das Wiirzelchen wirkt, nahezu gleich abgewogene Krtlfte. Sehr lihnliche Resultate wurden bei den horizontal ausgestreckten Wflrzelchen von Cucurbita ovifera beobachtet, wenn ihre Spitzen un­ bedeutend auf den unteren Seiten cauterisirt wurden.

Endlich sind die verschiedenen coordinirten Bewegungen, <lurch welche Wiirzelchen in den Stand gesetzt werden, ihre ihnen eigenen Functionen auszufiihren, wunderbar vollkommen. In welcher Richtung nur immer das primare Wiirzelchen zuerst aus dem Samen vortritt, der Geotropismus leitet es senkrecht abwarts, und die Pahigkeit dnrch die Anziehung der Schwerkraft beeinflnszt zu werden liegt in ,ler

 

[page break] ll38 Zusammenfassung des Capitels. Cap. 3.

Spitze. SACHS hat aber nachgewiesen 15, dasz die secundaren Wiirzel­ chen oder die von dem primaren ausgesandten vom Geotropismus in einer solchen Weise beeinfluszt werden, dasz sie nur schrag abwarts zu biegen neigen. Waren sie gleich dem primaren Wiirzelchen be­ einfluszt worden, o wiirden sammtliche Wiirzelchen die Ertle in einem dichten Bundel durchbohrt haben. \Yir haben gesehen, dasz, wenn das Ende des primaren Wurzelchens abgeschnitten oder verletzt wird, die benachbarten secundaren Wurzelchen geotropisch werden und senk­ recht abwarts wachsen. Die Vermogen musz haufig fiir die Pflanze von groszem Nutzen sein, wenn das primare Wiirzelchen <lurch die Larven von Insecten, grabende Thiere oder irgend einen andern Zufall zerstort worden ist. Die tertiaren Wurzelchen oder die von den secundaren ausgehenden werden wenigstens in dem Falle der Bohne vom Geotropismus nicht beeinfluszt; so wachsen sie daher frei nach allen Richtungen aus. In Folge dieser Art des Wachsthums der ver­ scbiedenen Arten von Wurzelchen werden sie zusammen mit ihren aufsaugenden Haaren <lurch den ganzen umgebenden Boden vertheilt, und zwar, wie SACHS bemerkt hat, in der vortheilhaftesten Art und Weise; denn der ganze Boden wird dadurch dicht abgesucht.

Wie im letzten Capitel gezeigt wurde, reizt der Geotropismus das primare Wurzelchen, sich mit sehr geringer Kt•aft nach abwarts zu biegen, vollig ungeniigend die Brde zu durchdringen. Ein solches Durch­ dringen wird durcb das zugespitzte Ende (von der Wurzelkappe ge­ scbiitzt) ausgefiihrt, welches durch die Langenausdehnung oder das Wachsthum der terminalen starren Partie, unterstutzt <lurch deren quere Ausdehnung, nach abwarts gedriickt wird, welcbe beide Krafte mit bedeutender Gewalt wirken. Es ist indessen unerlaszlicb, dasz die Samen zuerst in irgend einer Art niedergehalten werden. •wenn sie auf der kahlen Oberflache liegen, werden sie durch die Anheftung der Wurzelhaare an irgend welche benachbarte Objecte niedergehalten, und dies wird allem Anschein nach <lurch die Umwandlung ihrer auszeren Flachen in eine Art Cement bewirkt. Aber viele Samen werden durch verschiedene Zufalligkeiten bedeckt, oder sie fallen in Spalten oder Hohlen. Bei einigen Samen geniigt schon ihr eigenes Gewicht.

Die circumnutirende Bewegung des terminalen wachsenden Theils sowohl des primaren als der secundaren Wiirzelchen ist so schwach,

 

1 Arbeiten des botan. Instituts Wlirzburg, 4. Heft 1874, p. 605-631.

 

[page break] Cap. 3. Zusammenfassung des Capitels. 160

dasz sie dieselben beim Durchbohren der Erde sehr wenig unterstiitzen kann, ausgenommen, wenn die oberflachliche Schicht sebr weich und feucht ist. Sie mnsz sie aber materiell unterstiitzen, wenn sie zuf'allig schrag in Spalten oder in von Regenwiirmern oder Larven gebildete Hohlen eindringen. Uberdies musz diese Bewegung in Verbindung mit der Empfindlichkeit der Spitze gegen Beriibrung von der hochsten Bedeutung sein; denn <la die Spitze immer bemiiht ist, sicb nach allen Seiten zu biegen, wird sie nacb allen Seiten bin driicken und wird hierdurcb im Stande sein zwiscben den harteren und weicheren be­ nacbbarten Flachen zu unterscbeiden in derselben Weise, wie sie zwiscben angehefteten Vierecken cartonartigen und diinnen Papiers unterscbeidet. In Folge <lessen wird sie dahin streben sich von dem hiirteren Boden wegzubiegen und wird <laher die Ricbtung des mindesten Widerstandes einschlagen. Dasselbe wird eintreten, wenn sie auf einen Stein oder die Wurzel einer anderen Pflanze im Boden trifft, wie es bestandig vorkommen musz. Wenn die Spitze nicbt empfindlich ware, und wenn sie nicht den oberen Theil der Wurzel anregte sich wegzubiegen, so­ bald sie nur unter recbten Winkeln irgend ein Hindernis im Boden trifft, so wiirde sie sich leicbt in eine verwickelte Masse auf sich selbst zuriickfalten. Wir haben aber bei Wiirzelchen, welcbe an geneigten Glasplatten abwll.rts wucbsen, gesehen, dasz, sobald die Spitze ein quer auf die Platte angekittetes Holzstiickchen nur beriihrte, sich der ganze terminale wachsende Theil wegkriimmte, so dasz die Spitze bald in rechten Winkeln auf ihre friibere Ricbtung stand. Und dies wiirde der Fall bei einem Hindernis sein, wenn sie ein solcbes im Boden findet, soweit es der Druck des umgebenden Bodens gestatten wiirde. Wir kcinnen ancb verstehen, warum dicke und starke Wiirzelchen, wie die von Aesculus, mit geringerer Empfindlichkeit begabt sind, als zartere; denn die starken werden schon durch die Kraft ibres Wacbs­ thums im Staude sein irgend ein unbedeutendes Hindernis zu iiberwinden.

Nachdem ein Wiirzelchen, welches durcb irgend einen Stein oder

eine Wurzel ans seinem natiirlicben, abwarts gerichteten Wege abgelenkt ist, den Rand des Hindernisses erreicbt hat, wird der Geotropismus es wieder so ricbten, dasz es wieder gerade nach abwiirts wachst; wir wissen aber, dasz Geotropismus mit sehr geringer Kraft wirkt, und hier kommt, wie SACHS bemerkt hat 16, eine andere ausgezeichnete

 

16 Arbeiten des botan. Instituts Wiirzburg, 3. Heft, p. 456.

 

[page break] 170 Zusammenfassung des Capitels. Cap. 3.

Anpassung ins Spiel. Denn der obere Theil des Wiirzelcheus, ein weuig oberhalb der Spitze, ist, wie wir gesehen haben, gleichfalls empfindlich; nud diese Empfindlichkeit verursacht es, dasz das Wiirzelchen sich wie eiue Ranke nach dem beruhrenden Gegenstande hinbiegt, so dasz es, weun es sich uber den Rand eines Hindernisses reibt, sich abwarts hiegen wird; die hierdurch veranlaszte Kriimmung ist plotzlich, in welcher Beziehung sie von der <lurch die Reizung einer Seite der Spitze verursachten abweicht. Diese Abwartsbiegung fallt mit der in Folge des Geotropismus eintretenden zusammen, und beide werdeu es ver­ anlassen, dasz die Wurzel ihren urspriinglichen Verlauf wieder annimmt. Da Wiirzelcheu eineu Uberschusz an Feucl1tigkeit in der Luft auf einer Seite wahrnehmen uncl sich nach dieser Seite hinbiegen, so konnen wir schlieszen, dasz sie in der namlichen Weise auch l1andeln werden in Bezug auf die Feuchtigkeit in der Erde. Die Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit liegt in der Spitze, welche die Biegung des oberen Theiles veranlaszt. Diese Fahigkeit erklart vielleicht zum Theil den Grad,

bis zu welchem Drainrohren l1aufig mit Wurzeln verstopft werdeu.

Betrachten wir die verschiedenen, in diesem Capitel rnitgetheilten Falle, so sehen wir, dasz der von einer Wurzel <lurch die Erde ein­ geschlagene Weg <lurch auszerorclentlich complicirte und verschieden­ artige Einwirkungen vorgezeichnet wird, - dnrch Geotropismus, welcher in einer verschiedenen Weise auf die primaren, secundaren und tertiaren Wiirzelchen einwirkt, - dnrch Empfin<llichkeit gegen Beriihrnng, welche der Art nach in der Spitze und in dem unmittelbar iiber der Spitze gelegenen Theile verschieden ist, und allem Anscheine nach auch <lurch Empfindlichkeit gegen die wechselnde Feuchtigkeit verschiedener Theile des Bodens. Diese \'erschiedenen Reize zur Bewegnng sind sammtlich kraftiger als Geotropismus, wenn dieser schrag auf ein Wiirzelchen einwirkt, welches von seinem senkrecht nach abwarts gerichteten Ver­ laufe abgelenkt worden ist. t'rberdies werden die Wurzeln der meisten Pflanzen dmch das Licht angeregt, sich entweder nach ihm bin oder von ihm wegzubiegen; da aber Wurzeln nicht naturgemasz dem Lichte ausgesetzt sind, so ist es zweifelhaft, ob diese Empfindlichkeit, welche vielleicht nur das indirecte Resultat davon ist, dasz die Wiirzelchen gegen and ere Reize in hohem Grade empfindlich sind, von irgend welchem Nutzen fiir die Pflanze ist. Die Hicl1tung, welche die Spitze in jcder der aufeinander folgenJen Wachsthumsperioden eine1 Wurzel einsc:hlagt., best.immt schlieszlich ihren ganzen Weg; es ist daher in

 

[page break] Cap. 3. Zusalllmenfassung des Capitels. 171

hohem Grade wichtig, dasz die Spitze vom Anfange an die vortheil­ hafteste Richtung verfolge; und wir konnen hiernach verstehen, warnm Empfindlichkeit gegen Geotropismus, regen Beriibrung und gegen Fenchtigkeit sammtlicb in der Spitze ihren Sitz hat, und warum die Spitze den oberen wacl1senden Theil veranlaszt, sich entweder von der erregenden Ursaclie weg oder nach ihr hinzubiegen. Ein Wiirzelchen kann mit einem grabenden Thiere, wie beispielsweise einem Maulwurfe, verglichen werden, welches wiinscht senkrecht in den Boden hinab­ zudringen. Durch bestandige Bewegung seines Kopfes von einer Seite zur anderen oder durch Circumnutiren wird es jeden Stein oder jedes andere Hindernis im Boden eben so wie jede Verschiedenbeit in der Harte des Bodens fiihlen und wird sich von dieser Seite weg wenden; wenn die Erde auf einer Seite feuchter ist als auf der anderen, wird es sich dahin als nach einem besseren Jagdgrund wenden. Trotzdem wird es nach jeder Unterbrechung durch das Gefiihl der Schwerkraft im Stande sein, seinen Lauf abwarts wieder anzunehmen nnd sich in eine groszerc Tiefe einzugraben.

 

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Viertes Capital.

Die circumnutirenden Bewegungen der verschiedenen Theile erwachsener Pfl.anzen.

Circumnutation der Stam me: Schluszbemerkungen hieriiber. - Circumnutation von Stolonen: dadurch fiir das Winden zwischen den Stiimmen umgebender Pflanzen dargebotene Hiilfe. - Circumnutation der Blatter von Dicotylcdonen.

Eigenthlimliche oscillatorische Bewegung der Blatter von Dionaea. - Die Blatter von Cannabis senken sich des Nachts. - Blatter von Gymnospermen,

von Monocotyledonen - Cryptogamen. - Schluszbemerkungen Uber die Circumnutation von Blattem: heben sich allgemein am Abend und senken sich am Morgen.

Wir haben im ersten Capitel gesehen, dasz die Stamme nller Samlinge, mogen sie Hypocotyle oder Epicotyle sein, ebenso wie die Cotyledonen und die Wurzelchen, bestandig circumnutiren, - d. h. sie wachsen zuerst auf einer Seite, dann auf der anderen, wobei einem derartigen Wachsthum wahrscheinlich eine vermehrte Turgescenz der Zellen vorausgeht. Da es unwahrscheinlich war, dasz die Pflanzen mit dem vorschreitenden Alter ihre .Art zu wachsen verlindern wiirden, erschien es als wahrscheinlich, dasz die verschiedenen Organe sammtlicher Pflanzen auf allen Altersstufen, so lange sie zu wachsen fortfahren, sich auch, wenn schon vielleicht in einem auszerst geringen Masze, als circumnutirend herausstellen wiirden. Da es von Wichtigkeit fiir

uns war, nachzuweisen, oh dies der Fall war, entschlossen wir nns, sorgfaltig eine gewisse Anzahl 'von Pflanzen, welche kraftig wnchsen und von denen nicht bekannt ist, dasz sie sich in irgend einer Art bewegen, zu beobachten. Wir begannen mit den Stammen. Beobach­ tungen dieser Art sind langweilig; es schien nns hinreichend zu sein, die Stamme Yon ungefahr zwanzig Gattungen zu beobachten, welche zn sehr weit von einander verschiedenen Familien gehoren und Bewohner verschiedener Lander sind. Mehrere Pflanzen wurden ausgewahlt, von

 

[page break] Cap. 4. Circumnutation der Stamme. 173

welchen es, weil sie holzig sind oder aus anderen Gri'mden, am wenigsten wahrscheinlich schien, dasz sie circumnutiren wiirden. Die Beobachtungen und die Zeichnungen wurden in der, in der Einleitung beschriebenen Art und Weise ausgefiihrt. Pflanzen in Topfen wurden einer gehorigen Temperatur ausgesetzt und, wahrend sie beobachtet wurden, entweder im Dunkeln gehalten oder schwach von oben beleuchtet. Sie sind in der _von HooKER in LE MAOUT und DECAISNE's System of Botany an­ genommenen Reihenfolge angeordnet. Die Zahl der :Familie, zu welcher eine jede Gattung gehort, ist beigefiigt, da dies dazu dient, die Stellung einer jeden in der ganzen Reihe zu zeigen.

lb e ri s um bell ata (Cruciferae, Fam. 14 ). - Die Bewegung des Stanunes einer jungen 4 Zoll l10hen Pflanze, wefohe (mit Einschlusz des Hypocotyls) aus vier Internodien auszer einer groszen Knospe am Gipfel bestand, wurde, wie hier dargestellt ist, durch 24 Stunden auf­ gezeichnet (Fig. 70). So weit wir es beurtheilen konnten, circumnutirte nur der oberste Zoll des Stammes und dies in einer einfachen Art. Die

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. ;o. Iberia mnUeflata: Circumuutation des .Stcmunes einer ju11gtrn Pllauzc von 8.ao u. m.,

cpt., Uis zu derselben Stnnde am folgonde11 Morgt>n anfgezeichnet. l utfernung des Gi11fcls des St:unmcs unter der horizontalen Glosplat.te i.6 Zoll. Zeirhnung auf die Hiilfte der Originalgr0.i1.e

reducirt. llewegung wie sic bier dargestellt ist, zwischen 4 und 5mal vcrgrOszert.

 

Bewegung war langsam und die Geschwindigkeit zu verschiedenen Zeiten sehr ungleich. In einem 'fheile ihres Verlaufes wurde eine unregelmaszige Ellipse, oder viP.lmehr ein Dreieck, in 6 Stunden 30 Minuten vollendet.

Brassica o leracea (Cruciforae). - Eine sehr junge, drei Blatter tragende Pflanze, von denen das langste nur drei Viertel Zoll Jang war, wurde unter ein mit einem Ocular-Micrometer versehenes Microscop gebracht; es zeigte sich, dasz das griiszte Blatt in bestandiger Bewegung war. Es durchkreuzte fiinf Theilstriche des Micrometers, d. h. Th Zoll,

in 6 Minuten 20 Secunden. Es konnte kaum dariiber ein Zweifel bestehen, dasz es der Stamm war, welcher sich hauptsachlich bewegte, denn die Spitze kam nicht schnell ans dem Focus; und di!ls wiirdA eingetreten sein, wenn die Bewegung auf das Blatt beschrankt gewesen ware, welches sich in der narnlichen senkrechten Ebene auf und nieder bewegte.

Linum usitatissimum (Lineae, Fam. 39). - FRITZ Mu11:i,;11 gibt an (J enaische Zeitschrift, 5. Bd., p. 137), dasz die Stii.mme dieser Pflanze kurz vor der Blii.theperiode revolviren oder circumnutiren.

Pelargonium zonale (Geraniaceae, Fam. 47). Eine junge

 

[page break] 174 Circumnutation der Stiimme. Cap. 4.

71 Zoll. hohe Pflanze wurde in der gewohnlichen Weise beobachtet; um aber den Lacktropfen am Ende des Glasfadens und zu derselben Zeit auch das Zeichen darunter zn sehen, war es nothwendig, anf einer Seite drei Blatter abzuschneiden. Wir wissen nicht, ob dies die VeranJassung war oder der Umstand, dasz die Pflanze vorher <lurch Heliotropismus nach der einen Seite gebogen war, nber am Morgen des 7. Marz bis

10.30 p. m., am 8. bPwegte sich der Stamm in derselben allgemeiuen Richtung eine betriichtJiche Strecke Jang zickzackformig. Wahrend cl11r Nacht vom 8. bewegte er sich eine Strecke weit rechtwinklig auf seine11 friiheren VerJauf und am nachsten Morgen (9.) stand er eine Zeit Jang beinahe still. Am Mittag am 9. wurcle eine neue Zeichnung angefangen

 

 

 

 

 

 

 

Fig. il. JJtla;'!)Onim;i zonal1: Cirrnmnntut.ion de-i Starumcs cincr jungeu Pflanze, .schwach vou ol,011 Uclcud1tct. llcweguug des L:tcktropfe11s llnu1l vergrOsz rt; an eincr horizontalen Glasplatte vou Mittag::11 d1..1n U. Milrz bis 8 a. 111, lies 11. aufgezeichnet.

 

(Fig. 71), weJche bis 8 a. m. am 11. fortgesetzt wnrde. Zwischen Mittags am 9. und 5 p. m. am 10. (d. h. im Verlaufe von 29 Stnndon) beschrieb der Stamm einen Kreis. Diese Pflanze circnmnutirt daher, aber mit sehr geringer Geschwindigkeit und in geringer Ausdehnung.

Tropaeolum majus (?) (Zwerg-Varietat, Tom 'fhumb genannt).

(Geraniaceae, Fam. 47.) - Die Species dieser Gattung klettern mit Hiilfe ihrer sensitiven Blattstiele, einige von ihnen winden sich aber auch um Stiitzen; aber selbst diese letzteren Arten circnmnutiren in keiner augen­ falligen Art, so lange sie jung sind. Die bier behandelte Varietat hat einen ziemlich dicken Stamm und ist so zwerghaft, dasz sie augenscheinlich in keinerJei Weise klettert. Wir wiinschten zu ermitteln, ob der Stamm

 

 

 

 

 

 

Fig. 72. 1'•,•opaeofum 1uaj11x ( n: Cirrumuutation de:- Stumme!, eiuer jungen Ptlanze, au ciner hori­ zo11talc11 Glasplatte von 9 u. m., 26. Dt1cbr., bis 10 a. m., 27., aufgezeichnet. Ueweguug des Lack­ tropfeus uugefiih1• 5mnl \"ergrOszcrt, uutl hlcr anf dio IHiltte des Masz.;,talis <lcs Originals reducii-t.

 

einer ju11gen, ans zwei zusammen 3.2 Zoll lwhen Internodien bestehenden Pflanze circumnutirte. Er wurde wahrend 25 Stunden beobachtet und wir sPhen in Fig. 72, dasz der Stamm sich in einem Zickzackverlaufe hewegte und damit Circumnutation andeutete.

Trifolium resitpinatum (fAguminosae, Fam. 75). - Wenn wir vom Schlafe der Pflanzen handeln, werden wir sehen, dasz der Stamm

 

[page break] Cap. 4. Circurnnutation der Stiimme. 175

in mehreren Leguminosen-Gattungen, so z. B. drr von ll<'dysaru111, Mimosa, lllelilot1is etc., weJches keine KJetterpflanzen sind, in fJiner augenfiilligen Art circumnutirt. Wir wollen hier

nur ein einziges Beispiel anfiihren (Fig. 73), welches die Circumnutation des Stammes einer groszen Pflanze, einer Kleeart, Trifoliwu resupiuatum, darstellt. Im VerJaufe von 7 Stundrm vrrii.nderte der Stamm einen VerJauf achtmaJ bedeutend und vollendete drei unregeJmii.szige Kreise oder Ellipsen. Er circumnntirte daher rapid. Einige von den Lini1m Jaufen rechtwinklig zu einanuer.

Rubus idaeus (Hybrid) (Ho­ sacrae, Fam. 76). Da wir zu­

 

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fallig eine junge, 11 Zoll hohe und

kraftig wachsende, aus einer Kreuzung zwischen der Himbeere (Rulms iclaeus) 1111d einer nordamericanischen Rubus­ Art gezogene Pflanze batten , wurde sie in der gewrilmlichen Art be­

 

}<'lg. j:J. 1'rU'oh'um 1•nmp,•11atum: Cir<•umnu­ tation des tammes, an oiuer scnkrerhten Glns­ plntte vou 9.HO n. m. bis 4.30 1>. m., Novbr., aufgezeirhnet. Di<'< Zcichunug nl<•ht bedeutond vergri.i:.zert, hier nuf tlio Hlilfte der UrO!<z, dos.

Originuls rerturirt. Pflunz.o :i<'hwach YOU ohon heleuchtet.

 

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obachtet. Wahrend des Morgens am 14. Marz vollendete der Stamm bei­ nahe einen Kreis und bewegte sich dann weit nach rechts. Um 4 p. m. kehrte er seinen VerJauf um, und nun wurde eine neue ZeicJmung begonnen,

 

 

 

 

 

 

 

 

l'ig. 74, Rultts (hyLrid): Circumnuttttion de StammP au eincr horizoutnlen Glasslh1!l1't1 t ­ Z<'ithnet, von 4 p. m., 14. l\farz, Ui 8.30 16. :Miirz. Zoichnnng stark verg1•0sz.P.rt, hint• nuf J.ie Hiilfte des Originals rcllndrt.. Pflnnze srhwach von obon bcleuchtot.

 

weJche 40½ StundPn Jang fortgefiihrt wurde und in Pig. 74 mit,getlwilt wird. Wir haben hier gut ausgesprochene Circumnutation.

Deutzia grncilis (Saxifrageae, Fam. 77). - Es wurde ein Sprosz an einem ungefahr 18 Zoll l10hen Busch beobachtet. Der Lacktropfen veriinderte im Verlanfe von 10 Stunden 30 Illinuteu elfmal bedeutend seine Richtung (Fig. 75), und es konntr. kein Zw11ifeJ iiber seine Circumnutation bestehon.

Puc lt. i a (Gewiichshans-Varietiit mit groszen Bliithen, wahr-: scheinJich ein Hybrid) (Onagrarieae, Fam. 100). - Eine jung1, 15 Zoll hohe Pflanze wurd,1 nahezn 48 Stunden Jang 1,eobachtet. Die umstehende Figur (Fig. 76) gibt die nothwendigen Einzelnlwiteu und zeigt, dasz der Stamm, wenn schon etwas langsam, circumnutirtf'.

 

[page break] 176 Circumnutation der Stamme. Cap. 4.

Ce1•eus specioi:iissimus (Garten-Varietat, zuweilen Pltyllo­ cactus multifiorus genannt) (Cacteae, Fam. 109). - Diese Pflanze, welche

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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:Fig-. 75. fJ('ttt:ia rn•aril£ : Circumnutatlon dos Stammes, in Dunkelhr.it gchnltr.n, uuf

oiner horizontalen G•lnss<'heibc yon 8.30 a. m. bis 7 p. m., 20. l\Iiirz, nnfgezeichnct. De­ wrgung des Lacktl'Opfens im 01•igiual ungc­ fiihr 20mal ,•ergrOszert, hier auf die halbc GrOszo rcducirt.

 

Fig. 76. Fuchsia (Garten-Yarietiit); Cir{•um­ nutat.ion des im Dunkeln gohaltcmen Stamme:s, von 8.30 a. m. bls 7 p. m., 20. Marz, an eincr horizontalen Glnsplatte aufgczclchuet. "ew,i­ gung des Lacktropfons Im Original ungefiihr 40mnl vergrOszert, hier auf die halbc GrOszn reducirt..

 

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kraftig wuchs ,. weil sie wenige 'rage vorher vom Gewachshaus in das Warmhaus gebracht worden war, wurde mit besonderem Interesse beob-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

f/'23'a:m.

A ll

Jtig. 77. Ceretts speciosis11imu8: Circnmnutntion de von oben belourhtt'!ton Stnmmes, nn oiner hori- 7.(lutnlen Glusscheibc I bPi A von 9 n. m. IJis 4.30 p. 1-u., 23. No,•ember I be\ li von R30 a. m.,

bis 8 u. m. am 25., aufgezei, huet.. Dewe:;ung dos Lacktropfons bei B nngct'.ihr 88mal

,•crgrOszert.

achtet, weil es so wenig wahrscheinlich schien, dasz der Stamm circum­ nutiren wflrde. Die Zweige sind platt oder iacherformig; einige von

 

[page break] Cap. 4. Circunmutation der Stamme. 177

ihnen sind aber irn Durchschnitt dreieckig mit drei ausgeM11lten SeitPn. Ein 9 Zoll ]anger und 1½ Zoll im Durchmesser haltender Zweig dieser letzteren Form wurde zur Beobachtung ausgewii.hlt, weil es von ihm

weniger wahrscheinlich war,. dasz er circumnutire, als von einem abge- 11latteten Zweige. Die Bewegung des am Ende des an den Gipfel des Zweiges angeheftetenG!asfadens angebrachtenLacktropfens wurde (A,Fig. 77) von 9.23 a. m. bis 4.30 p. m. am 23. November aufgezeichnet, wahrend welcher Zeit er seinen Yerlauf sechsmal hedeutend veranderte. Am 24. wurde eine neue Zeichnung gemacht (B, Fig. 77), und an diesem Tage veranderte der Lacktropfen seinen Weg noch ofter, indem er in 8 Stunden 1ine Figur ausfiihrte, die man als vier Ellipsen ansehen kann, dercn langere Achsen ve>rschieden gnichtet sind. Die Stcllung des Stammes und der Beginn seines Verlaufes am folgenden Morgen sind gleichfalls dargestellt. Es laszt sich nicht daran zweifeln, dasz dieser Zweig, obschon allem Anschein nach vollig steif, circumnutirte; der auszerste Betrag an llewegnng wilhrend jener Zeit ist aber sehr klein, wahrscheinlich weniger als '2"-is Zoll.

Hedera helix (Araliaceae, Fam.' 114). - Es ist bekannt, dasz der Stamm apheliotropisch ist; mehrere in einem 'fopfe im Gewachs­ hanse wachsende Siimlinge bogen sich in der Mitte des Sommers unter rechtem Winkel vom Lichte ab. Am 2. September wnrden einige von diesen Stammen aufgebnnden, so dasz sie senkrecht standen, und vor ein Nordost-Fenster gestellt; jetzt waren sie aber zu unserer Uberraschung entschieden heliotropisch; denn wahrend 4 Tagen kriimmten sie sich nach dem Lichte hin und ihr an einer horizontalen Glasplatte aufgezeichneter Lauf war stark zickzackformig. Die Pflanzen wurden genau an derselben Stelle vor dem Fenster gehalten und nach Verlauf von 15 Tagen wurden die Stamme wiederum <lurch 2 Tage beobachtet und ihre Bewegungen a ufgezeichnet; es ergab sich, dasz sie uoch immer circnmnutirten, aber in einem noch kleineren Maszstabe.

Gazan[ia ringens (Compositae, Fam. 122). - Die Circum­ nutation des Stammes einer jungen 7 Zoll hohen Pflanze (bis zur Spitze des hllchsten Blattes gemessen) wurde wahrend 33 Stunden bcobachtet

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. ;e. Gazania riugens: Circunmutation des Stammes von 9 a. m., 21. Miirz, bis 6 p-. m. nm

22. auf,:.;ezeichnet; die Pflanze im Dnnkeln gohnltc,11. Dewegung dos Lncktropfena am Ende der Be­ obachtung S4mal vergriiszert, bier auf die Hiilfte des Maszstabs des Originols reduclrt.

 

und ist in der beistehenden Figur dargestellt (Fig. 78). Es !assen sich zwei, unter nahezu rechten Winkeln zu zwei anderen Hauptliuien vcr-

lJAR,v1:(, UewC'gung-;vermijgcu. (Xlll.) 12

 

[page break] 178 Circumnutation der Stiimme. Cap. 4.

laufende Hauptlinien erkennen; diese werden aber durch kleine Schlingen unterbrochen.

13. Azalea indica (Ericineae, Fam. 128). - Ein 21 Zoll l10her Busch wurde zur Beobachtung ausgewahlt nnd die Circnnmutation seines Hauptschosses wurde durch 26 Stnnden 40 Minuten aufgezeichnet, wie es die nebenstehende Figur darstellt (Fig. 79).

 

 

 

 

 

 

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}"ig. i9. .-fzal,•a i'11tlira: Cirenmnutation dP.s 8tammcs, von obcn beleuchtet, an elner hori­ z.ontalen Glasplatte ,•on 9,30 a. m., 9. Hirz, his 12.10 p. m. nm 10. aufgezlcbnet. Am

.l\lorgcn des 10. wnrtlen aber zwlschon 8.30

a. m. bis 12.10 p. m. (beide Stunden mltge­ rcrhnet) nur ,ier Punkte gcmnrht, so dasz in tlicsem Thoile der Zelchnung die Circumnn­ tation nit-ht ordentlich dargestcllt ist. Be­ w<>gnng des Lnrktropfcns hier ung-cfiihr 30mal

vergr0 zert.

 

 

 

 

 

J,'ig•. 80. J>lumbaqo rapenaia: Cir<'11rn11utatioo

,ter Spitzc ehrns ::;eitt>11zweigs, auf eiut.r hol'i- 1.ontulen Gtnsplatte ,•on 7.20 p. m. nm 7. l\liirz. his 3 p. m. am 9. aufg zeichnut. Uewegnug ile.-1 I,ncktropfens 13mn.1 vergrOszert. l"ft[111ze sd1wac•h von obeu belenchtet.

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Plumbago cape11sis (Pinmbagineae,Fam.134). - Ein kleiner Seitenzweig, welcher von einem l10hen reicblich wachsenden Busch unter einem Winkel von 35 Uber dem Horizont vorsprang, wurde zur Beob­ achtung ausgewii.hlt. In den ersten 11 Stnnden bewegte l!r sich bis zu einer betril.chtlichen Entfernung in einer geraden Linie nach einer Seite hin, wahrscheinlich in Folge davon, dasz er vorher, wii.hrend er im Ge­ wil.chshause stand, durch das Licht abgebeugt gewesen war. Um 7.20 p. m. am 7. Marz wurde eine nene Zeichnung angefangen uud wiihrend der niichsten 43 Stunden 40 Minutrn fortgesetzt (Fig. 80). Wiihrenu de1•

,mten 2 Stunden hielt er noch nahezu dieselhe Richtung ein, wiP vorher, und dann veriinderte er dieselbe ein wenig; wiibrend der Nacht hewegte rr sich unter nahezu rechtem Winkel zu srinem friiheren Verlanfr. Am uiichsten Tage (den 8.) bewegte er sich bedeutend im Zickzack und am 9. bew(1gte er sich unregelmaszig rund um eine kleine kreisformigr Stelle. Um 3 p. m. am 9. war die Fignr so complicirt grworden, dasz keine neuen Punkte mehr gemacht werden konnten; der Sprosz fuhr aber fort, wahrend des Abends des 9., des ganzen 10. und des Morgens des 11.

iiber den niimlichen kleinen Raum zu circumnutiren, welclwr DUi' un­ gefiihr 'l'-iI Zoll (0.97 mm) im Durchmesser grosz war. Obgleich dieser Zweig in sehr geringer Ausdehnung circumnutirte, veranderte rr doch

 

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seinen Lauf Mufig. Die Bewllgungen hii.iten starker vergroszert werden sollen.

Aloysia citriodora (Vllrbenaceae, Fam. 173). - Die fol­ gende Figur (Fig. 81) stellt die Bewegungen eines Schoszlings wii.hrend

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

}"ig. 81. Alo!!Aia cit1•iotlo1•a: Circumnutation des Stnrnnrns, von 8.20 a. m., 22, :i\fiirz, bis 4 p. m., am 23., nufgezoichnet. Pflanzo im l>unkeln g-ehalten. Hew(l:guug ungcfiihr 40mal vergriiszert.

 

81 Stunden 40 Minuten dar und zeigt, dasz er circumnutirte. Der Busch war 15 Zoll hoch.

Ve1•bena melindres (?) (eine scharlach-blil.thige, krautartige • Varietat) (Verbenaceae). - Ein 8 Zoll hoher Sch<lszling war horizontal

gelegt worden, um seinen Apogeoti-opismus zu beobachten; der terminale Theil war bis zu einer Lange von 1 ½ Zoll senkrecht aufwarts gewachsen. Ein Glasfaden mit einem Lacktropfen am Ende war aufrecht an seinPr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

O'lJda.fli/1!' ­

Fig. 82. Yerbtna melindre,: Circumnutation des Stammes im Dnnkeln, an einor senkrechten (Ha.. platte von 5.30 p. m., am 5. Juni, bis 11 a. m., 7. Jun!, aufgezeichnet. Bcwogung des Lacktropfeus 9mal vergrOszert.

 

Spitze befestigt worden und seine Bewegungen wurden 41 Stunden 30 Minuten lang an einer senkrechten Glasplatte aufgezeichnet (Fig. 82). Unter diesen Umstanden wurden hauptsachlich die seitlichen Bewegungen dargestellt; da aber die Linien von einer Seite zur andern sich nicht in derselben Hohe finden, musz sich der Schoszling in einer Ebene bewegt haben, welche rechtwinklig zu der der Seitenbewegungen stand, d. h. er musz circumnutirt haben. Am nachsten 'l'age (dem 6.) bewegte sich der Schosz­ ling im Verlaufe von 16 Stunden viermal nach rechts und viermal nach links; und dies repriisentirt offenbar die Bildung von vier Ellipsen, so

, dasz eine jede in vier Stunden vollendet wurde.

12*

 

[page break] 180 Circumnutation• der Stiimme. Cap. 4.

Cerntophyllum demersum (Ceratophylleae, Fam. 220). - Eine interessante Schilderung der Bewegungen des Starnmes dieser Wasser­ pflanze ist von Mr. E. RoJ)IER veroffentlicht worden t. Die Bewegungen sind auf die jungen lnternodien beschrankt und werden je weiter am Stamm hinab immer geringer; sie sind weg1m ihrer Amplitude merkwii.rdig. Die Stamme bewegten sich zuweilen durch einen Winkel von ii.ber 200 in 6 Stunden und in einem ]'alle in 3 Stunden durch 220 Sie biegen sich allgemein am Morgen von rechts nach links und am Nachmittag in der entgegengesetzten Richtung; die Bewegung wurde aber zeitweise umgekehrt oder ganz aufgehalten. Sie wurde vom Lichte nicht beeinfluszt. Mr. RoDIER scheint keine Zeichnung a,uf einer horizontalen Platte aus­ gefii.hrt zu haben, welche die factische von der Spitze beschriebene Bewegung darstellte; er sprkht aber davon, dasz »die Zweige um ihre Wachsthums­ axen eine Torsionsbewegung ausfiihrten «. Nach den oben gegebenen Einzelnheiten und wenn wir uns daran erinnern, wie srhwer es bei win­ denden Pflanzen und Ranken ist, ihr Biegen nach allen Punkten der Wind­ rose nicht mit echter Torsion zu verwechseln, werden wir zu der Annahme gefiihrt, dasz die Stamme von Ceratophyllum circumnutiren, und zwar in der Form von schmalen Ellipsen, von denen jede in ungefahr 26 Stunden vollendet wird. Die folgende Angabe scheint indessen etwas von gew_ohn­ licher Circumnutation Verschiedenes anzudeuten; doch konnen wir es nicht ganz verstehen. Mr. RoDIER sagt: »Il est alors facile de voir que le mouvement de flexion se produit d' a bor d dans les merithalles superieurs, qu'il se propage ensuite, en s'amoindrissant du h ant en bas; tandis qu'au contraire le mouvement de redressement commence par la partie

inferieure pour se terminer a la part_ie superieure qui, quelquefois, peu

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

-• . B' a.m.14''

 

}'ig. 83. Li'lium auratum: Circumnutation eines Stnmmes in der Dunkelhcit, an einer horizontaleu Gla:;platte von 8 a. m., am 14-. ltliirz bis 8.35 a. m., am 16., aufgezeichnet. Es ist aber zu beach

ten dasz unsere Beobachtungen zwischen 6 p. m. am 14. und 12.15 p. m. am 15., unterbrochen

wurden; die Bewegungen wiihrend dieses Intervalls Yon 18 Stunden 15 l\Iinuten sind <lurch vier lange unterbrochene Linien dargestellt. Die Zeichnung ist auf die halbe Gr0sze des Originals reducirt.

 

 

1 Comptes Rendus, 30. April 1877; s. auch eine zweite Notiz, separat in Bordeaux, 12. Nov. 1877, erschienen.

 

[page break] Cap. 4. Circumnutatiou der Stiimme. 181

de temps avant de se relever tout a fait, forme avec l'axe un anglfl tres aigu.c

Conife1•ae. - Dr. MAXWELL MASTERS gibt an (Journ. Linn. Soc.,

Dec. 1879), dasz die Jeitenden Schoszlinge vieler Coniferen wahrend der Zeit ihres thatigen Wachsthums sehr merkwilrdige Bewegungen revolu­ tiver Nutation darbieten, d. h. dasz sie circumnntiren. Wir glauben sicher annehmen zu konnen , dasz die Seitenschoszlinge wahrend ihres Wachsthums dieselbe BewPgung zeigen werden, wenn sie sorgfaltig heob­ achtet werden.

Lilium auratum (Fam. Liliaceae). - Die Circumnntation des Stammes einer Pflanze von 24 Zoll Hohe ist in der nebenstehenden .Figur (Fig. 83) dargestellt.

Oyperus alternifolius (Fam. Cyperaceae). - Ein Glas­ faden mit einem Lacktropfen am Ende wurde quer an den Gipfel eines jungen 10 Zoll hohen Stamm11s dicht unterhalb dem Busch verlangerter Blatter angeheftet. Am 8. Marz, zwis<:hen 12,20 und 7,20 p. m., beschriPh

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 84. Cyperua alte,•n 1uliua: Circumnutation des Stammes, vou oben beleuchtet, au eiuor horizon talen Glasplatte von 9.45 a. m., am 9. Miirz, bis 9 p. m., am 10., aufgezeicbnet. Der Stamm wuchs, wihrend er beobnchtet wurde, o rapid, dasz es nicht mOglich war abzusrhiitzen, um wie vicl seine Bewegungen wiihrcnd der Aufzeichnung vcrgrOszcrt wurden.

der Stamm eine Ellipse, die an einem Ende offen war. Am folgenden 'fage wurde eine neue Zeichnung angefangen (Fig. 84), welche deutlich nachweist, dasz der Stamm im Verlaufe von 35 Stunden 15 Minuten drei unregelmii.szige Figuren vollendete.

Schluszbemerkungen iiber die Circumnutation von Starn men. - Ein Jeder, der die vorstehend mitgetheilten Zeich­ nungen betrachtet und sich vergegenwartigt, wie verschieden die Stellung der verschiedenen Pflanzen in der systematischen Reihenfolge ist, - der sich ferner erinnert, dasz wir guten Grund zur Annahme haben, dasz die Hypocotyle und Epicotyle aller Samlinge circumnutiren, - die Anzahl der in die verschiedensten Familien gehorigen Pflanzen nicht zn vergessen, welche durch eine ahnliche Bewegnng klettern, - wird wahrscheinlich zugeben, dasz die wachsenden Stamme aller Pflanzen, wenn sie sorgfaltig beobachtet wiirden, sich als in groszerer oder ge­ ringerer Ausdehnung circumnutirend berausstellen wiirden. Wenn wir

 

[page break] 182 Circumnutation der Stolonen. Cap. 4.

vom Schlaf und von anderen Bewegungen der Pflanzen handeln, werden viele weitere Fa.lie von circumnutirenden Stammen beilaufig angefiihrt werden. Bei Betrachtung der Zeichnungen miissen wir uns daran erinnern, dasz die Stamme stets im Wachsen begriffen waren, so dasz in jedem Falle die circumnutirende Spitze bei Hirer Erhebung eine Spirale irgend einer Art beschrieb. Die Punkte wurden meistens in Zwischenraumen von einer Stunde oder von anderthalb Stunden auf den Glasplatten gemacht und wurden dann dnrch gerade Linien mit einander verbunden. Waren dieselben in Zwischenraumen von 2 oder 3 Minuten gemacht worden, wiirden die Striche mehr krumnilinig geworden sein, wie es bei den Spuren der Fall ist, welche die Spitzen circumnutirender Wiirzelchen von Pflanzensamlingen an den beruszten Glasplatten hinter­ lieszen. Die Zeiclmungen nahern sich meistens der Form nach einer Heihenfolge mehr oder weniger unregelmasziger Ellipsen oder Ovale, deren langere Axen wabrend eines und desselben Tages oder an auf­ einanderfolgenden Tagen nacb verschiedenen Punkten der Windrose hin gerichtet sind. Die Stamme biegen sich daher friiher oder spater nach allen Seiten; nachdem sich aber ein Stamm in irgend einer Richtung gebogen hat, biegt er sich gewl>hnlich zuerst in einer nahezu, wenn scbon nicht vollstandig entgegengesetzten Richtung znriick; und dies vernrsacht die Neigung znr Bildung von Ellipsen, welche meistens eng sind, aber nicht so eng wie die von Stolonen und Blattern be­ schriebenen. Auf der anderen Seite nahern sich die Fignren zuweilen in ihrer Form Kreisen. Welches auch die beschriebene Figur sein mag, der eingehaltene Verlauf wird haufig durch Zickzackbewegungen, kleine Dreiecke, Schlingen oder Elli1)sen unterbrochen. Ein Stamm kann an einem Tage eine einzige grosze Ellipse beschreiben und am nachsteu Tage zwei. Bei verschie<lenen Pflanzen ist die Complexitat, die Geschwindigkeit und die Ausdehnnng der Bewegung sehr verschieden. So beschrieben beispielsweise die Stamme von lberis und Azalea in 24 Stunden nur eine einzige grosze Ellipse ; wahrend der Stamm von

Deutzia in 11½ Stunden vier oder fiinf tiefe Zickzacklinien oder

enge Ellipsen und <ler von Tri{vlium drei dreieckige oder viereckige Figuren beschrieb.

 

Circumnutation von Stolonen oder Auslituferu,

Stolonen bestehen aus stark verlangerten, biegsamen Zweigen, welche der Oberfl.ache des Bodens entlang laufen und in einiger Ent-

 

[page break] Cap.-!. Circumnutation der Stolonen. 183

fernung Yon der Mutterpflanze Wurzeln bilden. Sie sind daher von

<lerselben homologen Beschatfenheit wie die Stamme; die drei folgenden Falle mogen den vorhin gegebenen zwanzig Fitllen noch hinzugefiigt werden.

Pragaria (cultivirte Garten-Yarietiit} (Fam. Rosaceae). - Eine in ('inern 'l'opfe wachsende Pflanze hatte einen Iangen A uslii.ufor entwickelt;

<lerselbe wurde rnit einern Stocke unterstiitzt, so dasz er in einer Liin e vou rnehreren Zollen horizontal vorsprang. Ein zwei iiuszerst kleine Papi i•­

<lreiecke tragender Glasfaden wurde an die terminale Knospe befestigt, welche ein wenig nach oben gewendet war; seine Bewegungen wurden wii.hrend

21 Stnnden aufgezeil'hnet, wie :Fig. 85 darstellt. Im Verlaufe der ersten

 

 

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J,'ig. 85. .Frauai•t•a: t:ireumuutatiou ciucs im. Duukeln gehalteuen Stolon, au ei11er se11l<rechh21 ( \as­

plattc You 10.45 a. m., IS. l\Iai, bi 7.45 a. m., 10., aufgezeichirnt.

 

zwolf Stunden bewegte er sich in etwas zickzackformiger Weise, zweimal anf­ wii.rts und zweimal abwiirts, und bewegte sich ohne Zweifel in derselben Weise wahrend der Nacht. Am folgenden Morgen, nach Verlauf von

20 Stunden, stand die Spitze ein wenig hoher als sie zuerst stand, und dies Mweist, dasz der Stolon wahrend dieser Zeit nicht vom Geotropismus heeinfluszt worden war 2; auch hatte sein eigenes Gewicht ihn nicht ver­ nnlaszt, sich abwii.rts zu biegen.

Arn folgonden Morgen (am 19.) wurde der Glasfaden losgelost uml dicht hinter der Knospe wieder befestigt, da es als moglich erschien, dasz die Circumnutation der terminalen Knospe und der anstoszenden Partie des Stolon verschieden sein konnte. Die Bewegung wurde wahrend zweier

 

2 Dr. A. B. Frank giht an (Die natUrliche wagerechte Richtung von Pflan­ zentheilen, 1870, p. 20), dasz Geotropismus auf die Stoloncn dicser Pflanze wirkt, aber 1rnr nach Verlauf betriichtlicher Zeit.

 

[page break] 184 Circumnutation der Stolonen. Cap. 4.

aufeinanderfolgender Tage aufgezeichnet (Fig. 86). Wahrend des ersten Tages wanderte der Glasfaden im Verlaufe von 14 Stunden 30 Minuten

filnfmal auf und viermal nieder auszer etwas seitlicher Bewegung.

Am 20. warder Weg selbst noch com­ plicirter und kann in der Figur kaum verfolgt warden; der Glasfaden be­ wegte sich aber in 16 Stunden wenig­ stens fiinfmal aufwiirts und filnfmal abwiirts mit sehr geringer seitlicher Ablenkung. Der erste und der letzte der an diesem zweiten 'l'age gemach­ ten Punkte, namlich 7 a. m. und 11

p. m. waren dicht beieinander, woraus hervorgeht, dasz der Stolon sich we­ der erhoben noch gesenkt hatte. Ver­ gleicht man indessen seine Stellung am Morgen des 19. und des 21., so ist es trotzdem offenbar, dasz der Stolon gesunken war; und dies kann dem zugeschrieben werden, dasz r sich entweder durch sein eigenes Ge­ wicht oder durch Geotropismus nieder­ gebogen hatte

Wahrend eines Theils des 20. wurde eine orthogonale Zeichnung­ gemacht, in der Weise, dasz ein Holz­ wiirfel an die senkrechte Glasplatte­ gelegt und die Spitze des Stolons. in aufeinanderfolgenden Perioden in:

 

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Fig. 86. Fi-agaria: Circnmnutation des nil'.m­ lichen Stolon wie in de1• letzten Figur, in der­ sclben ,veise beobachtet und von 8 a. m., 10. Mai, bis 8 a. m., 21., aufgezeichnet.

 

eine Linie mit einer Kante gebracht

wurde; jedesmal wurde ein Punkt auf das Glas gemacht. Diese Auf­ zeichnung stellte daher sehr nahe die­

 

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factische Grosze der Bewegung der Spitze dar; und im Verlaufe vo1)

9 Stunden betrug der Abstand der anszersten Punkte von einander 0.45- Zoll. Nach derselben 1Methode wurde ermittelt, dasz die Spitze sich zwischen 7 a. m. am 20. und 8 a. m. am 21. eine Strecke von 0.82 Zoll bewegte.

Ein jiingerer und kiirzerer Stolon wurde so unterstiitzt, dasz er un­ gefahr 45 ilber den Horizont vorsprang, und seine Bewegung wurde­ nach derselben orthogonalen Methode verzeichnet. Am ersten Tage erhol> sich die Spitze bald iiber d11s Gesichtsfeld. Am nachsten Morgen war er gesunken und dor zuriickgelegte Weg wurde nun wahrend 14 Stnnden

30 Minuten aufgezeichnet (Fig. 87). Die Grosze der Bewegung von einer Seite zur andern war ungefahr dieselbe wie die derjenigen auf- und abwarts, und wich in dieser Beziehung merkwilrdig von der Bewegung in den vor­ hergehenden Fallen ab. Wahrend des spii.teren Theils des Tages, nii.mlich zwischen 3 und 10.30 p. m., betrug die factische von der Spitze durch-

 

[page break] Cap. 4. Circumnutation der StoloneB. 185

lanfene Entfernnng 1.15 Zoll, und im Verlauf des ganzen Tages min­ destens 2.67 Zoll. Dies ist eine Grilsze der Bewegung, welcbe beinabe mit der einigPr kletternder Pflanzen zn vergl9ichen ist. Derselbe Stolon

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 87. Fraga1'ia: Cir<'mmrntation einoi andcrn nnd ,iiingcrn Stolon, ,•on 8 a. m. bis 10,30 IJ, m,

gezel<:hnct. Die }'igur auf die Halfte des Jfaszstnbs des Originals reducirt.

 

wurde am folgenden Tage beobachtet, und nun bewegte er sicb in einer etwas weniger complicirten Weise in einer von der senkrechten nicbt sebr entfern.ten Ebene. Der iiuszerste Betrag von factischer Bewegung betrug in einer Ricbtung 1.55, und in einer andern rechtwinklig darauf stehenden Ricbtung 0.6 Zoll. Wiibrencl keines dieser Tage bog sicb der Stolon durch Geotropismus oder sein eigenes Gewicht nach unten.

Vier noch an der Pflanze bangende Stolonen wurden im hinteren 'fheile eines Zimmers auf feuchten Sand gelegt, so dasz ihre Spitzen den Nordost-Fenstern gegeniiber lagen. Sie wurden in diese Stellung ge­ bracht, weil DE VRIES sagt 3, dasz sie apheliotropisch sind, wenn sie dem Sonnenlichte ausgesetzt werden; wir konnten aber keinerlei Wirkung von dem erwii.hnten schwachen Beleuchtungsgrade wahrnehmen. Wir wollen noch hinzufilgen, dasz bei einer andern Gelegenheit spat im Sommer einige an einem bewolkten 'rage aufrecht vor ein Siidwest-Fenster gestellte Sto-. lonen deutlich nach dem Lichte bin gekriimmt wurden, daher heliotropisch waren. Dicht vor den Spitzen der niederlieg-enden Stolonen wurden eine Mengs sehr diinner Stiibe und getrocknete Grashalme in den Sand ge­ steckt, um die 1licbt zusammen stohenden Stiimme umgebender Pflanzen im Naturzustande zu reprii.sentiren. Dies geschah um zu beobachten, wie die wachsenden Stolonen zwischen ihnen durchtreten wiirden. Sie thaten dies leicht im Verlaufe von 6 Tagen und ihre Circumnutation erleichterte allem Anscbeine nach ihren Durchgang. Wenn die Spitzen Stii.ben be­ gegneten, welche so dicht standen, dasz sie nicht zwischen ihnen durch­ treten konnten, so erhoben sie sich und giengen uber sie hinweg. Die Stiibe und Halme wurden nach dem Durchtritt der vier Stolonen entfernt, von denen zwei eine permanent gewundene Gestalt angenomrnen hatten;

 

3 Arbeiten des Botan. Instituts Wiirzburg, 1872, p. 434.

 

[page break] 18ti Circumnutation der Stolonen. Cap. 4.

 

 

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zwei waren noch gerade. Saxifraga zurilckkommeu.

 

Auf diesen Gegenstand werden wir aber bei

 

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Saxifraga sarmentosa (Saxifrageae). - Eine in einem han­ genden Topfe wachsende Pflanze hatte lange verzweigte Stolonen aus­ gesendet, welche wie Faden auf alien Seiten herabhiengen. Zwei wurden so aufgebunden, dasz sie senkrecht standen; ihre oberen Enden wurden

allmahlich abwarts gebogen, aber so langsam im Verlaufe von mehreren 'fagen, dasz die Biegung wahrscheinlich in Folge ihres Gewichts und nicht durch Geotropismus eintrat. Ein Glasfaden mit kleinen Papierdreiecken wurde an das Ende eines dieser Stolonen befestigt, welcher 17½ Zoll Jang war und bereits bedeutend abwarts gebogen war, aber noch immer in einem betriichtlichen Winkel ilber den Horizont vorsprang. Er be­ wegte sich nur unbedeutend dreimal von einer Seite zur andern und dann nach ben; am folgenden 'fage war die Bewegung selbst noch geringer. Da dieser Stolon so lang war, glaubten wir, dasz sein Wachsthum nahezu n1llendet sei; wir versuchten es daher mit einem anderen, welcher dicker 11ml kiirzer war, namlich 1O¼ Zoll Jang. Er bewegte sich bedeutend, haupt-

siichlich nufwarts und veranderte seinen Weg fiinfmal im Laufe des

rags. Wahrend der Nacht kriimmtP

er sich so stark aufwarts im Gegen­

 

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Fig. !:-:8, ,)'a.c1f1•aya swmcntosa: Circumnntntio11 eincs gn11eigtc11 Stolou, in dcr Dunkelheit nu einer horizou taleu Gla.splnttL' vou 7.45 a. m., 18. April, bis 9 n. m. Jllll HI. autgezeichnet. Bcwcgung des Ende.-; des Stolou

2.2mal vcrgrOszcrt.

 

satz zur Schwerkraft, dasz diP Bewegung an der senkrechten Glasscheibe nicht mehr v-erzeich­ net werden konnte und eine hori­ zontale gebraucht werden muszte. Die Bewegung wurde wahrend der nathsten 25 Stunden weiter ver­ folgt, wie es Fig. 88 darstellt. Drei unregelmaszige Ellipsen, deren liingere .Axen etwas verschiede11 gerichtet waren, wurden in den ersten 15 Stunden beinahe voll­ endet. Der auszerste factische

 

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HPtrag an Bewegung der Spitze wahrend der 25 Stunden war 0.75 Zoll. Mehrero Stolonen wurden auf eine ebene Flache von feuchtem Sande gelegt, in derselben Weise wie bei den .Auslaufern der Erdbeere. Die Heibung des Sandes storte ihre Circumnutation nicht; auch konnten wir kPine Belege fiir ihre Empfindlichkeit gegen Beriihrung entdecken. Um zn sehen, wie sie sich im Naturzustande benehmen wiirden, wenn sie Pi11e11 Stein oder ein anderes Hindernis am Boden trafen, wurdeu kurze Stucke beruszten Glases, einen Zoll hoch, aufrecht in den Sand vor zwei diiuuen seitlichen Zweigen aufgestellt. lhre Spitzen kratzten an der be­ rnszten Flache in verschiedenen Richtungen; der eine machte drei Linien aufwarts und zwei abwarts, auszer einer nahezu horizontalen; der andere rollte sich ganz vom Glase weg; schlieszlich iiberstiegen sie aber beide tlas Glas und setzten ihren urspriinglichen Weg fort. Die Spitze eines dritten dicken Stolon wand sich in einer gekriimmten Linie am Glas in die Hohe, bog sich von ihm znriick und kam wieder mit ihm in Beri\hrung;

 

[page break] Cap. 4. Circumnutation der Stolonen. 187

er bewegte sich dann nach rechts und nachdem er aufgestiegen war, stieg er senkrecl1t abwarts; schlieszlich gieng er um den einen Rand des Glases 11erum, anstatt ilber diesen selber wegzusteigen.

Viele lange Nadeln wurden nun zunachst ziemlich dicht neben ein­ ander in den Sand gi>steckt, so dasz sie vor den niimlichen zwei diinnen Seitenzweigen eine dichte Menge bildeten; dieselben wanden sich aber lr,icht zwischen ihnen l1indurch. Ein dicker Stolon wurde bei seinPm Dnrchtritt bedeutend aufgehalten; an einer Stelle wurde er gezwungen, sich rechtwinklig von seinem friihoren Laufe abzubiegen; an einer anderen Stelle konnte er nicht zwischen den Nadeln durchdringen und der hintere Theil wurde gebogen; er kriimmte sich dann aufwarts und trat durch eine Liicke zwischen den oberen End1!n einiger Nadeln, welche zurallig 'tlivergirtt,11; dann senkte er sich und trat schlieszlich aus dem Haufen heraus. Dieser Stolon war dauernd in geringem Grade gewunden ge­ worden und war an den gewundenen Stellen dicker als anderswo, dem Anscheine nach weil hier srin Liingenwachsthum unterbrochen worden war.

 

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Cotyledon 11 mbilicus (Cras­

snlaceae). - Eine in einer Schlissel mit fenchtem Moos wachsende Pflanz,} hatte zwei. 22 und 20 Zoll lange Stolonen ausgeschickt. Einer derselben wurde so untPrstiitzt, dasz ein Stiick von 4t/2 Zoll Lii.ngr in einer geraden und horizontalen Hichtung vorspraug, uud nun wurde die Bewegung der Spitze

 

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aufgezeichnet. Der <>rste Punkt wnrde 9.10 a. 111. gemacht; bald fieng der terminale Theil sich nach abwiirts zu biegen an und fubr damit bis um Mittag fort. Es wurde daher zuerst eine gerade Linie auf das Glas gezeichnet, fast so lang wie die ganze bier mitgetheilte Figur (Fig. 89); der obere Theil dieser Linie ist aber in der Zeichnung nicht mit copirt worden. Die Krummung trat in der :Mitte des vorletzten Inter­

nodiums ein, und ihr hauptsiich­ licher Sitz lag in der Entfernung

von 1 i/4 Zoll von der Spitze; sie

sehien Folge des Gewichts der

tenninalen Partie, welch1Js auf den birgsanwn 'l'heil des Intcrnodiums wirktr, und nicht Folge des Geo­ tropismus zu sein. Nachdem in

 

IJ'IIO'p.,n.lqlf,,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l'ig. 89. Cuf.1//edou wnbt.licu : Cinu11111utatiou eiut>s Stolon, von 11.45 n. !H., 25. Ang-., Li:; 11 a. m., :!i., g-e1.ekllnet. Pflauzn ,•on ohen Ueleuchtet. ])as h•r­ minalc I11tcrnodit11n war 0.25 Zoll l:u1g1 das vorletzr,•,

2. 5 u1Hl das dritto :tu luug. Dit' :Spitzc des Stol,111

starnl 5."i5 ,on dcr l'icnkrechkn Glaspln.tte e11tfer11t; css wnr nl>et• tiieht mii;.::lich zu ermitteln, wie viel 111al 11\0 Zekh111111g ,•<'rgrii:szert wurlh, dn uieht licka1n,t war, l'i11 wic ln11.:;c.s tii<'k 1le:; l11t('1'11ollit1lll circu1a-

untirte.

 

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dieser Weise die Spitze von 9.10 a. m. bis Mittag gesunken war, be­

wr-gte sie sich ein wr,nig nach links; dann erhob sie sich und circum-

 

[page break] 188 . Circunmutation der Stolonen. Cap. 4

nutirte in einer nahezu senkrechten Ebene bis 10.35 p. m. Am folgen-. (len Tage {26.) wurde sie von 6.40 a. m. bis 5.20 p. m. beobachtet und in dieser Zeit bewegte sie sich zweimal auf und zweimal nieder. Am Morgen des 27. stand die Spitze so hoch wie sie um 11.30 a. m. am 25. gestanden hatte. Auch sank sie wii.hrend des 28. nicht, sondern fuhr fort ungefahr um denselben Punkt zu circumnutiren.

 

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11'11.1 ,1.m.361/o

 

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Ein anderer, dem letzteren beinahe in jeder Beziehung ahn­ licher Stolon wurde wii.hrend der nihnliclien zwei Tage beobachtet; wir lieszen aber nur zwei Zoll des terminalen 'fheils frei und hori­ zontal vorspringen. Am 25. fuht­ er von 9.10 a. m. bis 1.30 p. m. fort, sich gerade nach unten zu biegen, augenscheinlich in Folge seines Gewichts (Fig. 90); aber nach der letzt genannten Zeit bis

10.35 p. m. bewegte er sich im Zickzack. Diese Thatsache ver­ dient Beachtung; denn wahrschein­ lich haben wir hier die combinir­ ten Wirkungen des Biegens nach abwii.rts in Folge des Gewichts und der Circumnutation vor uns. Indessen circumnutirte der Stolon nicht, als er zuerst anfieng sich niederzubiegen, wie in der vor­

 

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u•a.,;.:-.,_,_6,40,4,,._27, liegenden Zeichnung wabrgenom­

 

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l'ig. 90. Cotyledon umbilfrua: Circumnutntion und AbwiirtsbeweguDg r,inef' andern Stolon, nn einer senk rechten Glasplatte von 9.11 a, m,, 25. Aug., bis 11 a, m. am 27,, gezeirhnet. Spltze dicht am Glat1, :::10 rlnsz die Figur nur went, vorgrOszert ist; bier auf

2/3 der Originalgrosze reduclrt.

 

men werden kann und wie es in dem letzterwiihnten Falle, wo ein lii.ngeres Stuck des Stolon ohne Unterstfttzung gelassen wurde, nocb offenbarer war. Am folgen­

 

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den Tage (26.) bewegte sich der Stolon zweimal auf und zweimal nieder, fuhr aber bald fort zu sinken; am Abend und wahrend der Nacht schlug er in Folge irgend einer unbekannten lJrsache eine schrii.ge Richtung ein.

Aus diesen drei Fallen sehen wir, dasz Stolonen oder Auslaufer in einer sehr complicirten Weise circumnntiren. Die gezeichneten Linien breiten sich meistens in elner senkrechten Ebene aus und dies kann wahrscheinlich der Wirkung des Gewichts des nicht unterstutzten Endes des Stolon zugeschrieben werden; es findet sich aber immer ein ge­ ringer, und gelegentlich ein ansehnlicber Betrag an seitlicher Bewegung. Die Circumnutation ist in ihrsr Amplitude so grosz, dasz sie beinahe mit der von Kletterpflanzen verglichen werden kann. Dasz die Stolonen hierdurch beim Oberwinden von Hindernissen und beim Durchwinden

 

[page break] Cap. 4. Circumnutation der Blnthenstengel. 189

2wiscben den Stiimmen der umgebenden Pflanzen unterstiitzt werden, das macben die obigen Beobacbtungen beinahe gewisz. Hatten sie nicbt circumnutirt, so wiirden sich ibre Spitzen wohl leicbt auf sich selbst zuriickgebogen baben , so oft sie einem Hindernisse auf ihrem Wege begegneten; wie aber der Fall liegt, vennieden sie solche leicht. Dies musz fur die Pflanze in Bezug auf die Ausbreitung vom Mutter­ stamm ans ein betrachtlicher Vortheil sein; wir sind aber weit von der Annahme entfernt, dasz dies Vermogen von den Stolonen zu diesem Zwecke erlangt worden ist, denn Circumnutation scheint bei allen wachsenden Pflanzen von ganz allgemeinem Vorkommen zu sein. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dasz die Amplitude oder Ausdehnung

<ler Bewegung speciell fur diesen Zweck vergroszert worden sein mag.

Circunmutation der Blilthenstengel.

Wir hielten es nicht fiir noth wendig, irgend welche specielle Beobachtungen uber die Circumnutation von Bliithenstengeln zu machen, da dieselben gleich den Stammen oder Stolonen ihrer Natur nach Axengebilde sind; einige wurden aber beilaufig gemacht, w!lhrend wir anderen Gegenstanden unsere Aufmerksamkeit widmeten, und diese wollen wir bier kurz mittheilen. Einige wenige Beobachtungen sind auch von anderen Botanikern angestellt worden. Alle diese Beobachtungen zusammengenommen reiclien hin es wahrscheinlich zu machen, dasz alle Stengel und Nebenstengel w!lhrend ihres Wachsthums circumnutiren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

}'ig. 01. Oxalia carnoaa: llliitheusteugul, schwach von obe.n beleuchtet, seiue Circumnut.atiou vou iJ. a. m., 13. April, bis 9 a. m. am 15. aufgozeichnet. Spitze der Blutho 8 Zoll untcrhalb der horizontalen Glasplatte. Ilewegung wahrscheinlich ungcfiihr Omal vergrOszcrt.

 

Oxalis carnosa. -- Der Bliithenstengel, welcher aus dem dicken und bolzigen Stamm dieser Pflanze entspringt, tragt drei oder vier Neben­ stengel. Ein Glasfaden mit kleinen Papierdreiecken wurde innerhalb des

 

[page break] 190 Circumnutation der Rluthenstengel. Cap. •I.

 

Kelches einer aufrecht stehenden Bliithe befestigt. Seine Bewegungen wurden 48 Stundcn lang beobachtet; wahrend der ersten Hiilfte dieser Zeit war die Bliithe vollstii.ndig entfaltet und wiihrend der zweiten war sie verwelkt. Die hier mitgetheilte Figur (Fig. 91) stellt 8 odrr 9 Ellipsen dar. Obgleich der Hauptstengel circumnutirte und im Verlanfp von 24 Stunden vier grosze und zwei kleinere Ellipsen beschrieb, so liegt doch der hauptsichliche Sitz der Bewegung in den Nebenstengeln, welche sich schlieszlich senkrecht nach abwii.rts biegen, wie in einem spateren Capitel bescbrieben werden wird. Auch die BlO.thenstengel von 0xalis acetosella biegen sich nach abwarts und spater, wenn die Schoten nahezu reif sind, aufwii.rts; und dies wird durch eine r.ircumuutirende Bewegung bewirkt. In der obigen Figur kann man sehen, dasz der Bltithenstengel von

0. carnosa wahrend zweier Tage um denselben Punkt circumnutirte. An­ dererseits unterliegt der Blo.tbenstengel von 0. sensitiva einer scbarf aus­ gepragten, taglichen, poriodischen Veranderung seiner Stellung, wenn er in der gehorigen Temperatur gehalten wird. In der Mitte des '!'ages steht er senkrecht aufrecht oder in einem hohen Winkel; am Nachmittag sinkt er und am Abend ragt er horizontal oder beinahe horizontal vor und erhebt sich wiederum wahrend der Nacht. Diese Bewegung dauert fort von der Periode an, wo die Blii.then in Knospen sind, bis, wie wir glauben, die Kapseln reif sind; sio hatte vielleicht unter die sogenannten Schlafbewegungen der Pflanzen mit eingerechnet werden sollen. Eine Zeichnung wurde nicht gemacht; es wurden aber wahrend eines ganzen Tages in aufeinanderfolgenden Perioden die Winkel gemessen; und diese wiesen nach, dasz dio Bewegung nicht continuirlich war, sondern dasz. der B!0thenstengel auf und nieder oscillirte. Wir dO.rfen daher folgern, dasz er circumnutirte. An der Basis des Bliithenstengels findet sich eine Masse kleiner Zellen, ein gutentwickeltes Polster bildend, welches auszen purpurn gefarbt und behaart ist. So viel wir wissen, ist in keiner anderen Gattung der Bliithenstengel mit einem Pnlvinus versehen. Der Blii.then­ stongel von 0. 0rtegesii benahm sich von dem von 0. sensitiva Yerschie­ den, denn er stand in der Mitte des Tages in einem kleineren Winkel iiber dem Horizont als am Morgen oder Abend. Um 10.20 p. m. hatte er sich bedeutend gehoben. Wahrend der Mitte des Tages oscillirte er br,deutend auf und nieder.

T1'ifolium subterraneum. - Ein Glasfaden wurde sonkrecht an den obersten Theil des Stengels eines jungen und aufrechten Bliithen­ kopfes befestigt (der Stamm der Pflanze war an einem Stab fest ge­ macht worden), und seine Bewegungen wurden wahreud 36 Stunden auf­ gezeichnet. Innerhalb dieser Zeit beschrieb er (s. Fig. 92) eine Figur, welche vier Ellipsen darsteJlt; aber wahrend des letzten Theils der Zeit fieng der Blii.thenstengel an sich abwarts zu biegen, uml nach 10.30 p. m. am 24., kriimmte er sich so rapid abwarts, dasz er um 6.45 a. m., am 25., nur 19 tiber dem Horizonte stand. In nahezu derselben SteJlung fuhr er zwei Tage lang zu circumnutiren fort. Selbst nachdem sich die Bltithenkopfe in die Erde vergraben haben, fahren sie, wie spitter gezeigt werden wird, zu circumnutiren fort. Im nilchsten Capitel wird auch ge­ zeigt werden, dasz die Nebenstengel der einzelnen Bltlthchen von Trifoliuni repens wahrend mehrerer Tage in einem complicirten Verlaufe cirrum-

 

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Cap. 4. Circumnutation der Bliithenstengel. 191

nutiren. Ich will noch l1inzufiigen, dasz der Gynophor von Amchis hypo

gaea, welcher genau so aussieht wie ein Stengel, circumnutirt wiihrend

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l i.:;. 92, Trijoliuni aubterrantum: Hauptbliitheustengel, van oben belcuchtct; Circumnutation an

einer horizontalen Glasplatto von 8.40 a. m., 23. Juli, bis 10.30 p. m. am 21., aufgezelchnet.

 

er senkrecht abwarts wachst, um die junge Samenkapsel in der Ertle einzugraben.

Die Bewegungen der Bliithen von Cyclamen persicum warden uicht beobachtet; der Bliithenstengel nimmt aber, wahrend die Samenkapsel sich bildet, bedeutend an Lange zu unrl biegt sich durch eine circum­ nutirende Bewegung nach abwiirts. Ein junger Bliithenstengel von Mau randia semperff,01•ens, 11/2 Zoll lang, wurde wiihrend eines ganzen Tage;,

sorgraltig beobachtet; er bildete 4½ enge, senkrechte, unregelmaszige und

kurze Ellipsen, eine jede mit eiuer mittleren• Geschwindigkeit von unge fahr 2 Stunden 25 Minuten. Ein daneben stehender Bliithenstengel bi>• schrieb wiihrend derselben Zeit ahnliche, obschon weniger Ellipsen 4, Nach der Angabe von SACHS 5 revolviren oder circumnutiren clie Bliithen­ stengel vieler Pflanzen wiihrend sie wachsen, so z. B. die von Brassica napus; diejenigen von Allium porrmn biegen sich von r,iner Seite zur andern, und wenn diese Bewegung auf einer horizontalen Glasplatte auf gezeichnet worden ware, wiirden ohne Zweifel Ellipsen gebildet worden sein. FRITZ MOLLER hat die spontanen revolutiven Bewegungen der Bliithrn•

 

4 Die Beweguugen etc. der kletternden Pflanzen, Ubersetz. p. 53.

Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., p. 827. Linne und Treviranus geben (nach Pfeffer, Die Periodiscben Bewegungen etc. p. 162) an, dasz die Bli.ithen stengel vieler Pflanzen des Nachts und bei Tage verschiedene Stellungen ein nehmen; wir werden in dem Capitel Uber den Pflanzenschlaf sehen, dasz dies auf Circumnutation hinweist.

 

[page break] 192 Circumnutation der Blatter: Cap. 4.

 

stengel eines Alisma beschrieben 6, welche er mit denen einer kletternden Pflanze vergleicht.

Wir haben keine Beobaclttungen ilbe1• die Bewegungen der verschie­ denen Theile der Blilthen angestellt. MORREN hat indessen an den Staub­ fiiden von Sparmannia und Cereus ein «fremissement spontane> beob­ achtet 7, welches, wie wohl vermuthet werden darf, eine Circumnutations­ bewegung ist. Die Circumnutation des Gynostemimns von Stylidium, wie es von GAD beschrieben wird 8, ist in holiem Grade merkwiirdig und unterstiitzt allem Anscheine nach die Befruchtung der Bliitlten. Wiihrend sich das Gynostemium spontan bewegt, kommt es mit dem klebrigen La-• bellum in Beriihrung, an welchem es hangen bleibt, bis es durch die ver­ meltrte Spannung der Theile oder 'Yenn es beriihrt wird, frei gemacht wird.

Wir haben nun geseben, dasz die Bliithenstengel von Pflanzen, welche zu so weit von einander verschiedenen Familien geMren, wie Cruciferen, Oxalideen, Leguminosen, Primulaceen, Scrophularinen, Alis­ maceen und Liliaceen, circumnutiren, und dasz auch in vielen anderen Familien sich Andeutungen dieser Bewegung finden. Mit diesen That­ sacben vor uns , und wenn wir uns daran erinnern , dasz die Ranken nicht weniger Pflanzen aus modificirten Bliithenstengeln bestehen, dftrfen wir ohne bedeutende Zweifel annehmen, dasz alle wachsenden Bliithen­ stengel circumnutiren.

Circumnutation der Blatter: Dleotyledonen.

Mehrere ausgezeichnete Botaniker, HOFMEISTER, SACHS, PFEFFER, DE VRIES, BATALIN, Mn,LARDET etc., haben, und einige von ihnen mit der groszten Sorgfalt, die periodischen Bewegungen der Blatter be­ obachtet; ihre Aufmerksamkeit ist aber hauptsachlich, wenn schon nicht ausschlieszlich auf diejenigen gerichtet worden, welche sich be­ deutend bewegen und von denen man gewohnlich sagt, dasz sie des Nachts schlafen. In Folge spater anznfiihrender Betrachtungen werden Pflanzen dieser Art bier ausgeschlossen und werden besonders behandelt werden. Da wir zu ermitteln wfmschten, ob alle jungen und wachsenden Blatter circumnutiren, glaubten wir, dasz es genugen wurde, wenn wir zwischen 30 und 40 Gattungen beobachteten, welche in der Pflanzen­ reibe sehr verschiedene Stellungen einnehmen, wobei wir einige un­ gewohnliche Formen und andere an holzigen Pflanzen auswahlten.

Sammtliche Pflanzen waren gesund und wuchsen in Topfen. Sie wurden

 

ti Jenaische Zeitschrift, 5. Bd., p. 133.

7 Nouv. Mem. Acad. R. de Bruxelles, T. 14. 1841, p. 3.

8 Sitzungsber. d. botan. Ver. d. Pr. Brandenburg, XXI. p. R4.

 

[page break] Cap, 4. Dicotyledonen. 193

von oben beleuchtet; das Licht war aber vielleicht nicht immer hin­ reichend hell, da viele von ihnen unter einem Oberlicht von Milchglas beobachtet wurden. l\lit Ausnahme einiger weniger speciell angefiihrten Falle wurde ein feiner Glasfaden mit zwei minuti5sen Papierdreiecken an die Blatter befestigt; ihre Bewegung wurde dann in der bereits beschriebenen Weise an einer senkrechten Glasplatte aufgezeichnet (wenn nicht _das Gegentbeil angegeben wird). Ich will bier wieder­ holen, dasz die unterbrochenen Linien den nachtlichen Lauf darstellen. Der Stamm wurde immer an einem Stabe dicht an der Basis des zu beobachtenden Blattes fest gemacht. Die Anordnung der Species mit der beigefiigten Zahl der Familie ist dieselbe wie bei den Stl!.mmen.

Sarracenia purpurea (Sarraceneae, Fam. 11). - Ein junges Blatt oder Eimer, 8½ Zoll hoch mit angeschwollener Blase, aber noch nicht geoffneter Kappe wurde mit einem Glasfaden

quer auf seiner Spitze versehen; es wurde 48 Stun­ den lang beobachtet und wii.hrend dieser ganzen Zeit circumnutirte es in einer nahezu gleichfor­ migen Weise, aber in sehr geringer Ausdehnung. Die Zeichnung, die hier mitgetheilt wird (Fig. 93 ), bezieht sich nur auf die Bewegungen wahrend dor ersten 26 Stunden.

Glaucium luteum(Papaveraceae,Fam. 12). - An einer jungen nur 8 Blatter tragen­ den Pflanze wurde ein Glasfaden an das vor­

 

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jungste Blatt befestigt, welches mit Einschlusz des Blattstiels nur 3 Zoll lang war. Die circum­ nutirende Bewegung wurde wii.hrend 4 7 Stunden aufgezeichnet. An beiden Tagen senkte sich das Blatt von von 7 a. m. bis ungefii.hr 11 a. m. und dann erhob es sich wii.hrend des ubrigen Tages

 

l,ig. 93. Sa,.,.acenia ptirp1'r a: Circumnutation eines jungen }.;i. mers , von 8 a. m. , 3. Juli, bis JO.IS a. m., am 4., aufgezelchnet. Temperatur 17-JSO C. Spltzc des Eimers 20 Zoll vom Glase ontfornt, die Bewogung dahei- be- deutend vergrOszert.

 

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und des ersten Theils der Nacht. Wahrend des letzten Theils der Nacht senkte es sich bedeutend. Wii.hrend des zweiten Tages erhob es sich nicht so viel, wie am ersten Tage , und senkte sich in der zweiten Nacht betrii.chtlich tiefer, als in der ersten. Diese Verschiedenheit war wahr­ scheinlich eine Folge davon, dasz die Beleuchtung von oben wii.hrend der zwei Beobachtungstage ungenugend gewesen war. Der wii.hrend der beiden Tage eingeschlagene Weg ist in Fig. 94 dargestellt.

Crambe maritima (Cruciferae, Fam. 14). - Ein 9f/2 Zoll langes Blatt an einer nicht krii.ftig wachsenden Pfl.anze wurde zuerst beob­ achtet. Seine Spitze war in bestii.ndiger Bewegung; dieselbe konnte aber kaum aufgezeichnet werden, da sie der Ausdehnung nach so unbedeutend , war. Indessen ii.nderte die Spitze sicher ihren Verlanf mindestens 6mal im Verlaufe von 14 Stunden. Es wurde dann eine kraftigere jnnge Pflanze, welche nur vier Blatter trug, ausgewii.hlt und ein Glasfaden an die Mittel­ rippe des dritten Blattes von der Basis ans befestigt, welches mit dem Stiele

DARWIN, Bewegungsvormogen. (XIII.) 13

 

[page break] 194 Circumnutation der Blatter: Cap .4.

5 Zoll in der Lange masz. Das Blatt stand beinahe senkrecht, die Spitz(, war aber niedergebogen, so dasz der Glasfaden beinahe .horizontal vor­ sprang; seine Bewegungen wurden wahrend 48 Stunden an einer senk­ rechten Glasplatte aufg zeiclmet, wie es in dcr untcnstehenden Figur (Fig. 95)

 

 

 

 

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l,'ig. 94. Glaucittm lttlettm: Circumuutation elnes Jungen Blattes, von 9,S0 a. m., 14. Juni, bis 8.S0 a. m., 16., aufgezelchnet.. Zelchnung nloht 1t1>rk vorgroszert, da die Spitze des Blat­ tea nur 5½ Zoll von der Glasplatte entfernt stand.

 

.F'ig. 95. C1ambe maritima: Circ-umnutntion eines Blnttes, dadurch gcstOrt, dasz es unzu reichend von obcn beleuchtet wurde, von i.50

a. m., 23. Juni, bis 8 a. m., 25., aufgezeichnet.

Spltze de Blattes 151/, Zoll von der senkrech­ ten Glasplatte entfernt, so dnsz die Zeichnung stark vergrOszert wurdo; hicr nbcr aur ein Viertel de::. Maszsta.bs des Originals rcdul'irt.

 

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dargestellt ist. Wir sehen hier deutlich, dasz das Blatt bestandig circum­ nutirte; aber die richtige Periodicitat seiner Bewegungen wurde dadurch gestort, dasz es durch ein doppeltes Oberlicht nur triibe von oben beleuchtet wurde. Dasz dies der Fall war, schlieszen wir daraus, dasz an zwei Dlattern an im Freien wachsenden Pflanzen die Winkel, in welchen sie liber dem Horizonte standen, in der Mitte des Tages und von 9 bis ungefahr 10 p. m.

. in zwei auf einander folgenden Nachten gemessen wurden; es fand sich, dasz sie zu der letzterwii.hnten Stunde um einen Winkel von im Mittel 9 ftber ihre mittagliche Stellung sich erhoben hatten: am folgenden Morgen sanken sie auf ihre friihere Stellung zuruck. Nun kann man in der Zeichnnng sehen, dasz das Blatt sich in der zweiten Nacht erhob, i;:o dasz

 

[page break] Cap. 4. Dicotyledonen. 195

 

es um 6.40 a. m. hoher stand, als um 10.20 p. m. in der vorhergehenden Nacht; dies kann wohl dem Umstailde zugeschrieben werden, dasz sich das Blatt dem triiben, ausschlieszlich von oben kommenden Lichte ange­ l)aszt hatte.

Brassica oleracea (Cruciferae). - HOFMEISTER und BA'l'ALIN geben an 9, dasz die Blatter des Kohls sich bei Tage erheben und des Nachts senken. Wir bedeckten 4line junge 8 Blatter tragende Pflanze rnit einer groszen Glasglocke, wobei wir sie in Beziehung auf das Licht in derselben Stellung lieszen, in welcher sie lange schon gestanden hatte; ein • Glasfaden wurde in einer Entfernung von 0.4 Zoll von der Spitze eines jungen nahezu 4 Zoll langen Blattes befestigt. Seine Bewegungen wurden dann wahrend dreier Tage aufgezeichnet; es verlohnt sich aber nicht der Miihe, die Zeichnung mitzutheilen. Das Blatt sank wahrend des ganzen Morgens und erhob sich am Abend und wahrend des ersten 'l'heils der Nacht. Die aufsteigenden und absteigenden Linien fielen nicht zusammen, so dasz in je 24 Stunden eine unregelmaszige Ellipse gebildet wurde. Der basale Theil d•er Mittelrippe bewegte sich nicht, was dadurch ermittelt wurde, dasz wir den Winkel, welchen er mit dem Horizonte bildete, in auf einande1• folgenden Perioden maszen; die Bewegung war daher auf den terminalen Theil des Blattes beschrankt, welcher sich im Verlaufe von 24 Stunden durch einen Winkel von 11 bewegte; die Ent­ fernung, welche die Spitze aufwarts und abwarts durchmasz, betrug zwischen

0.8 und 0.9 Zoll. ,

Um die Wirkung der Dunkelheit zu ermitteln, wurde ein Glasfaden an ein 51/2 Zoll langes Blatt an einer Pflanze befestigt, welche nach Bildung eines Kopfes einen Stamm entwickelt hatte. Das Blatt war 44°

iiber den Horizont gerichtet und seine Bewegungen wurden an einer senk­ rechten Glasplatte alle Stunden mit Hiilfe eines Wachsziinders aufge­ zi>ichnet. Wahrend des ersten Tages erhob sich .das Blatt von 8 a. m. bis 10.40 p. m. in eiuem unbedeutend zickzackformigen Verlaufe, die factische von der Spitze durchmessene Entfernung betrug 0.67 Zoll. Wii.hrend der Nacht senkte sich das Blatt, wahrend es sich doch l1atte erhoben sollen, und um 7 a. rn. am folgenden Morgen war es 0.23 Zoll gflfallen und fuhr damit bis 9,40 a. m. fort. Es erhob sich dann bis

10.50 p. m., die Erhebung wurde aber durch eine betriichtliche Oscillation uuterbroch!Jn, d. h. durch eine Senkung und Wieder-Erhebuug. Wahrend der zweiten Nacht senkte es sich wiederum, aber nur in einer sehr kurzen Eutfernung, und am folgenden Morgen erhob es sich wieder auf eine sehr kurze Strecke. Hiernach wurde also der normale Lauf des Blattes bedeutend gestort oder vielmehr vollstandig umgokehrt, und zwar in Folge des Mangels an Licht; auch waren die Bewegungen in ihrer Amplitude bedeu­ tend verringert.

Wir wollen noch hinzufiigen , dasz sid1 nach der Angabe von Mr.

A. STEPHEN WILSON to die jungen Blatter der Schwedischen Riibe, welche eine Bastardform von Br. oleracea und rapa ist, am Abend so bedeutend•

9 Flora, 1873, p. 457.

10 Transact. Botan. Soc. Edinburgh, Vol: XIII. p. 32. In Bezug auf den Ursprung der Schwedjschen RUbe s. Darwin, Thiere und Pflanzen im Zustaude der Domestication. Ubers. 3. Aufl., 1. Bd., p. 358.

13*

 

[page break] Hl6 Circumnutation der Blatter: Cap. 4-.

 

zu,;ammenziehen, >dasz sich die horizontale Breite um ungefiihr 30 Procent der Breite des Tages vermindert«. Es m11ssen daher die Blatter sich des Nachts betrachtlich erheben.

Dianthus caryophyllus (Caryophylleae, Fam. 26). - Der terminale Sprosz einer sehr kraftig wachsenden jungen Pflanze wurde zur Beobachtung ausgewahlt. Die jungen Blatter standen zuerst senkrecht aufwarts und dicht bei einander, bald aber bogen sie sich auswii.rts und abwarts, so dasz sie horizontal und haufig gleichzeitig ein wenig nach einer Seite bin geneigt wurden. Ein Glasfaden wurde an die Spitze eines jungen Blattes befestigt, wahrend es noch in hohem Winkel aufgerichtet war, und der erste Punkt wurde an der senkrechten Glasplatte um 8.30 a. m. am 13. Juni gemacht; es krilmmte sich aber so schnell abwarts, dasz os um 6.40 a. m. am folgenden Morgen nur wenig 11ber dem Horizonte stand.

In Fig. 96 ist die lange, leicht zickzackformige, den rapiden Abwartsvrrlauf

 

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Fig. 96. Dianthu, caryoph!1llu-8: Uirrumnutation eincs jungen Blnttes von 10.15 p. m., 13. Jnn1, bis 10.3.'1 p. m., 16., aufgezeichnet. Die Spitze des Dlattes stand am SC'hlusso nnserer Beobachtung•cn s:s,•, Zoll von der scnkrechten Glasplatte entfernt, so daijz die Zelchnung nicht bedeutend vergri.iszert ist. Das Blatt war 51/4 Zoll lang. Tempcratur 151/2-17½° C.

darstellende Linie, welche etwas nach links geneigt war, nir.ht mit dar­ gestellt; die Figur zeigt aber den stark gewundenen und zickzackbildenden Verlauf, ebenso wie einige Schleifen, welcher wahrend dernachsten 2½ 'rage zuriickgelegt wurde. Da das Blatt die ganze Zeit hindurch fortfuhr, sich nach links zu bewegen, so stellt offenbar die Zickzacklinie viele Circum­ nutationPn dar.

Camellia japonica (Camelliaceae, Fam. 32). - Ein ziemlich

junges Blatt, welches zusammen mit seinem Stiele 2¾. Zoll Jang war und welches an einem Seitenzweige eines hohen Busches entsprang, wurde an seiner Spitze mit einem Glasfaden versehen. Das Blatt hieng unter einem Winkel von 40 unter den Horizont hinab. Da es dick und steif und sein Stiel sehr kurz war, konnte keine grosze Bewegung gemacht werden. Nichtsdestoweniger veranderte die Spitze im Verlaufe von 111/1 Stun­ den siebenmal vollstandig ihren Weg, bewegte sich aber nur eine sPhr

 

[page break] Cap. 4. Dicotyledonen. 197

kurze Strecke weit. Am nii.chsten 'l'age wurde die Bewegung der Spitze

26 Stunden 20 Minuten lang aufgezeichnet (wie in Fig. 97 dargestellt); sie war von nahezu derselben Art, aber etwas

weniger complicirt. Die Bewegung scheint porio­

<lisch zu sein, denn an beiden Tagen circumnutirte das Blatt am Vormittag, senkte sich am Nach­

 

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mittag (am ersten Tage bis zwischen 3 und 4

}l, m., am zweiten Tage bis 6 p. m.) und erhob sich dann, um wiihrend der Nacht oder zeitig am Morgen sich wiederum zu senken.

In dem Capitel iiber den Pflanzenschlaf wer­

<len wir sehen, dasz die Blatter in mehreren

 

Fig. 97. Camellt"a japonica.: Uir­ cumuutation eines BJatte.s, von

6.40 a. m., 14. Jun!, Lis

a. m., IS., aufgezeichnet. Spitz"' des Hlattes 12 Zoll von der seuk­ reehten Glasplatte, die Figur dn­ her betriiehtlich vergrOszert. 'rem-

peratur 16-16112" C.

 

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Gattungen der :Malvaceen des Nachts sich senken; und da sie dann haufig keine senkrechte Stellung einnehmen, besonders wenn sie des Tages nicht gut beleuchtet worden sind, so ist es zweifelhaft, ob nicht einige von diesen Fallen in dem vorliegenden Capitel batten aufgezahlt werden sollen.

Pelargonium zonale (Geraniaceae, Fam. 47). - Ein junges,

1¼ Zoll breites, mit seinem Stiele 1 Zoll langes Blatt an einer jungen

Pflanze wurde in der gewohnlicl1en Weise wahrend 61 Stunden beobachtet; sein Weg ist in der beistehenden Figur (Fig. 98) dargestellt. Wii.hrentl' df!s ersten Tages und der Nacht bewegte sicb das Blatt abwarts, circum­ rmtirtP aber zwischen 10 a. m. und 4.30 p. m. Am zweiten Tage sank

 

 

 

 

 

 

 

 

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J,"ig. 98. Pelargonium zonale: Circumnutation und .Abwiirtsbewegung eines jungen Blattes, von 9.30 a. m., 14. Jun I, bis 6.80 p. m., 16., aufge

zelchnet. Spitze des Blattes 9¼ Zoll von der

enkrechten Glasplatte, die Figur daher miiszig vergro;zert. Temperatur 15-161h C.

 

 

 

 

 

 

F'ig. 99. Oi,au, dicolor: Circumnutatiou eines Blattes, von 10,35 a. m., 28. Mai, bis 6 p. m., 29,, aufgezelchnet. Spitze des Blattes 8"/, Zoll von der senkrechten Glasplatte.

 

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und erhob es sich wiederum; zwischen 10 a. m. und 6 p. m. circumnutirte es aber in einer ii.uszerst geriogen Ausdehnung. Am dritten Tage war die Circumnutation deutlicher ausgesprochen.

 

[page break] 198 Circumnutation der Blatter: Cap. 4.

Cissus discolor (Ampelidae, Fam. 67).. - Ein nicht an­ nahernd vollig erwachsenes Blatt, das dritte von der Spitze eines Schosz­ lings an einer niedergesclmittenen Pflanze, wurde wiihrend 31 Stunden

30 Minuten beobachtet (s. Fig. 99), Der Tag war kiihl (15-16 C.); wenn die Pflanze im Warmhause beobachtet worden ware, so wiirde die Circumnutation,. obschon sie schon deutlich genug war, wahrschPinlich viel aug-enfalliger gewesen sein.

Vi ci a fa b a (Leguminosae, Fam. 75). - Bei einem jungen Blatte, 3.1 Zoll lang, von der Basis des Blattstiels bis zum Ende du

Bliittchen gomessen, wurde ein Glasfaden an die Mittelrippe ein, s der beiden terminalen Blattchen befestigt; seine Bewegungen wur­

den wahrend 51½ Stunden auf­

gezeichnet. Der Faden sank den ganzen Morgen (2. Juli) bis 3

p. m. und erhob sich dann bf' deutend bis 10.35 p. m.; die Erhebung war aber an diesem 'l'age so grosz, verglichen mit der, welche spitter eintrat, dasz sie wahrscheinlich zum Theil eiue Folge des Umstands war, dasz die Pflanze von oben beleuchtPt wurde. Nur der Jetzte Theil

. des Verlaufs am 2. J uni ist in der beistehenden Figur (Fig. 100) mitgetheilt. Am niichsten Tagf:' (3. Juli) sank das Blatt wieder­ um am Morgen, dann circum­ nutirte es in einer augenfiilligen Weise und erhob sich bis spat in der Nacht; die Bewegung­ wurde aber nach 7.15 p; m. nicht mehr aufgezeiclmet, da zu dieser Zeit der Glasfaden nach dem oberen Rande der Glas­ platte hinwies. Wii.hrend des

 

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1- ::;. 100. Vida faba: Cirrumnntation eincs Dlattes,

-..•m 7.15 p. m., 2. Juli, bis 10.15 a. m., ii., auf­ gezeicbnet. Spitze der beiden terminalen Bliittchen 7¼ Zoll von der senkrechten G!asplatte. Flgur hier auf 2/a des l\Iasz.stabs des Originals reducirt. Tempera-

tur 17-18" C.

 

letzten Theils der Nacht oder

am friihen Morgen sank es wie­ derum in derselben Art wie vorher.

Da die abendliche Erhebung und die morgendliche Senkung un­

 

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gewohnlich grosz waren, wurde der Winkel des Blattstiels iiber dem Hori­ zonte zu den zwei Zeiten gemessen; es ergab sich, dasz das Blatt zwischen

12.20 p. m. und 10.45 p. m. 19 gestiegen war und sich zwischen der letzt genannten Stunde und 10.20 a. m. am folgenden Morgen 23 30' gesenkt hatte.

 

[page break] Cap. 4. Dicotyledonen. 199

Der Hauptblattstiel wurde nun dicht an der Basis der zwei ter­ minalen Blattchen, welch11 1.4 Zoll Jang waren, an einen Stab fest ge­ mad1t; dill BPWPgungen einPs dl!rseJben wurd11 48 Stunden Jang auf-

 

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'Fig. 101. 1"1cia Juba: Circumnutation eiucs der bcidcn terminalen Illiittchcn, na('h Uofestign!lg des lla1rpt tinls, Yon 10.40 a. m., 4, Jnli, liis 10.30 a. m., 6., aufg,zoichnet. Spitze dos Btiittehens fJ!1/8 ;,::;011 von der senkred1tcn Glasplatte e11tfernt. Die Zekhnung hier auf die H;ilfte des M.aszstabs

des Originals rcd11drt. 1.'empcratur 16- 18 C.

 

gezeichnet (:Fig. 101 ). Der eingescl1Jagene Weg ist dem des ganzen Blattos sehr analog. Die Zickzacklinio zwischen 8.30 a. m. und 3.30

p. m. am zweiten Tage stellt 5 sehr kleine Ellipsen dar, deren Jitngere Axen verschieden gerichtet sind. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, dasz beides, sowohl das ganze Blatt als auch die terminalen BJattchen einer gut ausgesprochenen taglichen periodischen Bewegung unterliP.gen; sie erheben sich am Abend und senken sich wahrend des spateren Theils der Nacht oder am friihen Morgen, wabrend sie in der Mitte des rages meist rund um einen und denselben Fleck circumnutiren.

Acacia retinoides (Leguminosae). - Die Bewegung eines jungen, 23/s Zoll langen und in einem betrachtlichen Winkel Uber den Horizont aufgerichteten Phyllodiums wurde 45 Stunden 30 Minuten Jang auf­ gezeichnet; in der hier mitgetheilten Figur (Fig. 102) ist seine Circum­ nutation aber nur wabrend 21 Stunden 30 Minuten dargestellt. Wahrend eines Theils dieser Zeit (namlich 14 St. 30 Min.) beschrieb das Phyllo­ dium eine, 5 oder 6 kJeine Ellipsen darstellende Figur. Die factische

 

[page break] 200 Circurunutation der Blatter: Cap. 4.

Grosze der Bewegung in senkrechter Rich.tung betrug 0.3 Zoll. Das Phyllodium erhob sicb zwiscben 1.30 p. m. nud 4 p. m. betrachtlicb; PS

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

}'ig. 102. Acacia retinoide11: Circumnutatiou cinPs jt111g-P11 Phyllodium , ,•011 10.45 n. m., 18. Juli, bis 8.15 a. m., 19., nufgczdchuet. pitzo des l'liyllodi11111s 9 Zoll vou der .... e11krel'htcu Gla:-platt<' alJstehcnll. 'I'cmperatur 161/:! bis 1;1;2" ('.

fand sicb aber an beiden Tagen kein Beleg fur eine regelmftszige perio­ dische Bewegung.

 

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}"'ig. 103. Lupinua spccioau,: Clrcumnutation cines Biattes, an einer senkrechten Giaspiatte von 10.15 a. m. bis 5.45 p. m., d. I, 6 Stunden 30 Mlnuten lang, verzeichnet.

 

Lupinus speciosus (Le­ gurninosae). - Es wurden Pflanzen aus Samen erzogen, der unter vor­ stehendem Namen gekauft war. Es ist dies eine der Species dieser groszen Gattung, deren Blatter des Nacbts nicht schlafen. Die Blattstiele er­ heben sich direct vom Boden und sind von 5 bis 7 Zoll lang. Ein Glasfaden wurde an die Mittelrippe eines der langeren Blattcben befestigt und die Bewegung des ganzen Blattes aufgezeicbnet, wie es Figur 103 dar­ stellt. Im Verlaufe von 6 Stundeu

30 Minuten gieng der Glasfaden einmal aufwarts und dreimal ab­ wiirts. Dann wurde eine neue (hier nicht mitgetheilte) Aufzeichnnng an­ gefangen, und wahrend 12½ Stun­ den bewegte sich das Blatt achtmal aufwarts und siebenmal abwarts, so

dasz es in ditlser Zeit 7½ Ellipsen be­

schrieb, uud dies ist eine auszeror­ dentliche Schnelligkeit der Bewegung. Die Spitze des Blattstiels wurde dann an einem Stabe festgemacht und es ergab sich, dasz die einzelnen Blii.tt­ cben bestandig circumnutirten.

 

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Echeveria stolonifera (Crassulaceae, Fam. 84). - Die

a.lteren Blatter dieser Pflanze sind so dick und fleischig und die jlingeren so kurz und breit, dasz es sehr unwahrscheinlich zu sein schien, dasz

 

[page break] Cap. 4. Dicotyledonen. 201

irgend eine Circum1iutation nachgewiesen werden konnte. Ein Glasfaden wurd.e an ein junges, aufwarts geneigtes, 0.75 Zoll langes und 0.28 .Zoll breites Blatt befestigt, welches an der Aus­

senseite einer terminalen Blattrosette einer sehr kraftig wachsenden Pflanze stand. Seine Bewegungen wurden 3 Tage lang aufgezeichnet, wie bier dargestr-llt ist (Fig. 104). Der Weg war hauptsiichlich anfwiirts gerichtet, und dies kann der Ver­ langerung des Blattes durch Wachsthum zngeschrieben werden; wir sehen aber, dasz die Linien stark im Zickzack verlaufen, uud dasz gel(>gentlich dentliche, wenn auch dem Umfang nach sehr geringe Circumnu­ tation vorhanden war.

Bryophyllum(velCalanchae} calycinum (Crassulaceae). - DuvAL­

 

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J"ouvE hat die Entfernung zwischen den Spitzeu des oberen Blattpaars an dieser Pflanze gemessen (Bull. Soc. Bot. de France,

Febr, 1868) und das in folgender Tabelle enthaltene Resultat erhalten. Es musz bemerkt werden, dasz die Messungen

 

 

.Fig. 104, Echereria 3tofonifera: Cinum nutation eines Blattes, von 8.20 a. m.,

25. Junl, bis 8.45., 28,, aufgezeichnet. Spltze des Blattes 121/, Zoll von der Glasplatte abstehend, so dasz die Ro­ wegung stark vergrOsz rt wurde. '1'en1-

peratur 23-24½ C.

 

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am 2. Drcember an einem verschiedenen Paare von Blattern gemacht

, wurden:

8 a. m. 2 p. m. 7 p. m.

Nov. 16 15 mm 25 mm (?)

" 19 48 " 60 " 48 mm

Dec. 2 22 " 43 " 28 "

Wir sehen aus dieser 'fabelle , dasz die Blatter um 2 p. m. vie! weiter auseinander standen als sowohl um 8 a. m. als um 7 p. m., und dies zeigt, dasz sie sich am Abend ein wenig erlieben und am Vormittag senken oder offnen.

14. Drosera rotundifolia (Droseraceae, Fam. 85). - Die Be­ wegungen eines jungen Blattes mit einem langen Blattstiele aber mit noch unentfalteten Tentakeln (oder drflsentragenden Haaren) wurden 4 7 Stunden 15 Minuten Jang aufgezeichnet. Die Figur (Fig. 105) zeigt, dasz es bedeutend, hauptsachlich in senkrechter Richtung circumnutirte, jeden Tag zwei Ellipsen beschr!,libend. An beiden Tagen fieng das Blatt nach 12 oder 1 Uhr sich zu senken an, und fuhr damit die ganze Nacht hindurch fort, obschon an den zwei Gelegenheiten auf eine sehr ungleiche Strecke. Wir glaubten daher, dasz die Bewegung periodisch sei; als wir abet• drei andero Blatter wahrend mehrerer aufeinander folgender Tage und Nachte beobachteten, fanden wir dasz dies ein Irrthum war; der Fall wird nur zur Warnung mitgetheilt. Am dritten Morgen nahm da,s erst­ genannte Blatt beinahe genau dieselbe Stellung ein wie am ersten Mor­ gen; die Tentakeln hatten sich in dieser Zeit hinreichend entfaltet, um rechtwinklig auf die Scheibe vorzuspringen.

 

[page break] 202 Circumnutation der Blatter: Cap. 4.

In dem Masze wie die Blatter alter werden sinkeh sie immer mehr und mehr" abwarts. Die Bewegung eines altlichen Blattes, dessen Driisen noch immer reichlich secernirten, wurde durch 24 Stunden aufgezeichnet, wiihrend

welcher Zeit es fortfuhr sich in einer Zick­ zacklinie ein wenig zu senken. Am folgen­ den l\forgen, um 7. a. m., wurde ein Tropfeu einer Losnng von kohlensaurem Ammoniak (2 Gran auf 1 Unze Wasser) auf die Scheibe gebracht, nnd dies schwarzte die Driisen und veranlaszte die Einbiegung vieler Tentakeln. Das Gewicht des Tropfens verursachte znerst eine geringe Senkung des Blattes; aber un­ mittelbar daranf fieng• es an sich in einem etwas zickzackformigen Verlaufe zu erheben, und es fuhr damit bis um 3 p. m. fort. Dann circumnutirte es um einen und den­ selben Fleck in sehr geringer Ausdehnung

21 Stunden lang; wiihrend der uachsten 21 Stunden senkte es sich in einer Zickzack­ linie bis nahezu auf dieselbe Hohe, welclrn es eingenommen hatte, als das Ammoniak

zuerst angewendet wurde. In dieser Zeit lrntten sich die Tentakeln wieder ausgebreitet und die Driisen batten die ihnen eigene Farbe wieder erhalten. Wir lernen hieraus, dasz ein altes Blatt in geringem l\Iasze, wenigstens wiihrend es kohlensaures Am­

 

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Tig. 105. Drot,n•a rot1tnd(folia: Cir cnmnutation eincs juugen Blattes mit i nom an den Riicken der Scheibe b()• f,;.-;tigten Glasstnb, von 9.15 a. m,,

7. Jun!, bis 8.30 a. m., 9. Jun!, aufge­ zeichnet. Dio }'igur hier aurdie Hiilfto dr.'> Mnszstnbs des Originals reducirt.

 

moniak absorbirt, circumnutirt; denn wahr­

scheinlich dilrfte diese Absorption das Wachs­ thum anregen und dadurch wieder Circum­ nutation veranlassen. Ob das Erheben des Glasfadens, welcher an den Riicken des Blattes befestigt war, das Resultat einer

 

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nnbedeutenden Einbiegung seines Randes (wie es meistens eintritt) oder eines Erhebens des Blattstiels war, wurde nicht ermittelt.

Um zu erfahren, ob die Tentakeln oder driisentragenden Haare cir­ cumnutiren, wurde ein junges Blatt, dessen innerste Tentakeln noch ein­ gekriimmt waren, mit Schellack fest an einen platten in compacten fenchten thonigen Sand eingesteckten Stab angekittet. Die Pflanze wurde unter Pin Microscop gebracht, dessen Tisch eJJtfernt und dessen Ocularmicro­

meter so angepaszt war, dasz jeder Theilstrich gleich -.h- Zoll war. Es musz noch angegeben werden, dasz in dem Masze wie die Blatter alter

werden sich die Tentakeln der auszeren Reihen auswii.rts und abwarts biegen, so dasz sie schlieszlich betriichtlich unter den Horizont hinab­ gebogen sind. Ein Tentakel in der zweiten Reihe vorn Rande aus wurd,1 zur Beobachtung ausgewahlt; es fand sich, dasz er sich mit einrr GP­ schwindigkeit von 11"-h Zoll in 20 Minuten oder von rh• Zoll in 1 Stunde 40 Minuten auswarts bewegte; da er sich aber gleichfalls von einer Seite zur andllrn bewegte in einer Ausdehnung von ii ber i;h Zoll, so war die

 

[page break] Cap. 4. Dicotyledonen. 203

Bewegung wahrscheinlich eine modificirte Circumnutation. Zunachst wurde ein Tentakel eines alten Blattes in der niimlichen Art und Weise beob­ achtet. In 15 Minuten nachdem er unter das Microscop gebracht worden war, hatte er sich ungefii.hr 1o)lo Zoll bewegt. W/ihrend der nachsten 71':a- Stunden wurd0 wiederholt nach ihm geseh1m und wiihrend dieser g-anz1m Zeit bewPgte er sich nur wiederum n'oo Zoll; diese kleine Br­ wrgnng kormte Folge des Znsammensinkens des feuchten Sandes gew!'sen i;,,in (auf welchem die Pflanze ruhte), obschon der Sancl fest niedergedrilckt worden war. Wir konnen daher schlieszen, dasz die Tentakeln, wenn si11 alt sind, nicl1t circumirntiren; und doch war dieser 'l'entakel so sensitiv, rlasz er in 23 Secunden, nachdem seine Driisen einfach mit einem Stuck rohen Fleisches berilhrt worden waren, sich riickwiirts zu rollen begann. DiPse Thatsache ist von ziemlicl1er Bedeutung, da sie augenscbeinlich be­ weist, dasz die Einbiegung der 'l'entahln durch den Reiz absorbirtrr thierischer Substanz (und ohm, Zweifel auch dnrch den Reiz der Beriih­ rung mit irgend einem Gegenstand) nicht eine Folge einer modifkirten Circumnutation ist.

15. Dionaea 111uscipnla (Droseracear,). - Es mag vorausgeschickt werden, dasz bei den Blattern in einem friihen.Entwicklnngszustand die

 

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zwei Lappen dicht zuRammengedrilckt sind. Sie sind zuerst riickwarts nach dem :Mittelpunkt der Pflanze hin gerichtet, aber allmahlich erheben 8ie sich, stehen bald unter rechtPrn Winkel zum Blattstiele und schlieszlich nahezu in einer grraden Linie m1t ihrn. An einem jungen Blatte, welclws mit seinem Stiele nnr 1.2 Zoll in der Lange masz, w1ude ein Glasfaclrn auszerlich der Mitt?lrippe drr noch geschlossenen Lapprn entlang befostigt, welche unter rechtrm Winhl zum Blattstielr vorsprangen. Am Abrnd vollendete dies Blatt im Verlaufe von 2 Stumlen eine Ellipse. Arn folgenclen Tage (25. September) wurden seine Bewegungen 22 Stunden hindurch aufgezeichnrt; nnd wir sehen in Fig. 106, <l.asz es sich in Folge d11r Geradestreckung des Blattes in derselben all­ gemeinen Richtung, abor in einem ii.uszer t zick­ zackfiirmigen Verlaufe bewegte. Es stellt diese Linie mehrere ausgezogene oder modificirte Ellipsen dar. Es laszt sich <l.aher nicht daran zweifeln, dasz dies jnnge Blatt circumnutirte.

Ein etwas altes horizontal ausgestrecktes Blatt mit einern entlang der untern Seite drr Mittelrippe angehefteten Glasfaden wurde zunachst

7 Stunden Jang beobachtet. Es bewegte sich kaum; wenn aber eines seiner sensitiven Haare beri\hrt wurde, schlossen sich die Platten, wenn schon nicht sehr sclmell. Nun wurde oin neuer

 

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Pnnkt auf die Glasplatte gemacht; im Verlaufe von 14 Stunden 20 Minuten

war abfJr kaum irgend eine Verandenmg in der Stelhmg des Glasfadens

 

[page break] 204 Circumnutation der Blatter: Cap. 4.

vorhanden. Wir konnen daher schlieszen, dasz ein altes und nur masz1g empfindliches Blatt nicht deutlich circumnutirt; wir werden aber bald sehen, dasz hieraus durchaus nicht folgt, dasz ein solches Blatt absolut bewegungslos ist. Wir konuen ferner schlieszen, dasz der Reiz einer Be­ ruhrung nicht wieder deutliche Circmnnutation anregt.

Bei einem andern vollig erwachsenen Blatte wurde ein Glasfaden iiuszerlich der einen Seite der Mittelrippe entlang und parallel mit ihr angeheftet, so dasz er sich bewegen muszte, wenn sich die Lappen schlossen. Es musz zuniichst noch angefiihrt werden, dasz, obgleich eine Beriihrung eiues der sensitiven Haare eines krii.ftigen Blattes ein schnelles, hii.ufig­ beinahe augenblickliches Schlieszen desselbeu veranlaszt, die Lappen, weni1 ein Stiick feuchten Fleisches oder etwas Losung von kohlensaurem Ammoniak auf dieselben gebracht wird, sich doch so langsam schlieszen, dasz meistens

24 Stunden zur VoUendung des Actes erforderlich sind. Das obige Blatt wurde zuerst 2 Stunden 30 Minuten lang beobachtet, es circumnutirte nicltt; es hii.tte aber eine lii.ngere Zeit hindurch beobachtet werden sollen, obgleich, wie wir gesehen haben, ein junges Blatt eine ziemlich grQsz11 Ellipse in 2 Stunden vollendete. Ein 'fropfen eiues Aufgusses von rohem

.Fleisch wurde dann auf das Blatt gebracht und innerhalb 2 Stundrn erhob sich der Glasfaden ein wenig; dies setzt voi-aus, dasz die Lappeu angefangen hatten, sich zu schlieszen, und vielleicht der Blattstiel, sich zu erheben. Er fuhr mit ii.uszerster Langsamkeit wii.hrend der nilchsten

8 Standen 30 Minnten sich zu erheben fort. Die Stellung des Topfes wurde dann (7 .15 p. m., 24. Sept.) unbedeutend veriindert, ein weiterer 'l'ropfen des Aufgusses zugesetzt und eine neue Zeichnung begonnen (Fig. 107). Um 10.50 p. m. war der Glasfaden nur ein wenig mehr

 

 

 

 

.Fig. 11.)7. Dioua,a m-uacipula: Schlnsz der Lappf'!n und Cireumnutntion eiue ,•iitlig erwachse11en

lHattes wiihren<l es einen Aufgusz von rohem i, Ieisch all:rnruirt. im Dunkelu vou 7.15 p. m.,

24. Sept., bis 9 a. m., 26., aufgez.ekhnet.. Spitze dc"s Blattes 81/1 Zoll von der seukrerhtcm Gla.-.-

llla.Ue. Die }'igur hler auf zwei Drittel de.; !\laszstnbs des Originals re,lueirt.

 

gestiegen und wal1rend der Nacht sank er. Am folgenden Morgen schlossen sich die Lappen schneller und um 5 p. m. war es fiir das blosze Auge auffallend, dasz sie sich betrii.chtlich geschlossen hatten; um 8.48 p. m. war dies noch deutlicher und um 10.45 waren die randstiindigen Speichen verschrii.nkt. Das Blatt senkte sich ein wenig wilhrend der Nacht und am nii.chsten Morgen (25.) um 7 a. m. waren die Lappen vollstii.ndig geschlossen. Der eingeschlagene Weg war, wie ans der Figur zu ersehen ist, stark zickzackformig, und dies weist darauf hin, dasz das Schlieszen der Lappen mit der Circumnutation des ga.nzen Blattes combinirt war; anch lii.szt sich in Anbetracht des Umstandes, wie bewegungslos das Blatt

2 Standen 20 Minuten Jang war, ehe es den Aufgusz erhielt, nur wenig daran zweifeln, dasz die Absorption der thierischen Substanz es angeregt hatte, zu circumnutiren. Das Blatt wurde gelegentlich wii.hrend der nii.chsten vier Tage beobachtet, wurde aber in einem wohl zu kiihlen Orte gehalten;

 

[page break] Cap. 4. Dicotyledonen. 205

 

trotzdem circumnutirte es in geringer Ausdehnung und die Lappen blieben giischlossen.

Es wird zuweilen in botanischen Werken angegeben, dasz die Lappen sich des Nachts schlieszen_ oder scblafen; dies ist aber ein Irrtbum. Um diese Angabe zu priifen, wurden lange Glasstiibe auf der Innenseite der zwei Lappen dreier Blatter befestigt und die Entfernung zwischen ihren Spitzen in der Mitte des 'fages und des Nachts gemessen; es war aber kl'in Unterschied zu entdecken.

Die vorstehenden Beobachtungen beziehen sich auf die Bewegungen des ganzen Blattes, aber die Lappen bewegen sich unabbangig vom Blatt­ stiele und scheinen sich in einer sehr geringen Ausdehnung bestiindig zu titinen und zu schlieszen. Ein nahezu voll ausgewachsenes Blatt (welches sich spater als in hohem Grade sensitiv gegen Beriihrung auswies) stand beinabe horizontal, so dasz es dadurch, dasz eine lange Nadel durch den blattartigen Stiel dicht an der Scheibe durchgestoszen wurde, bewegungslos gemacht wurde. An eine der randstandigen Speichen wurde ein kleines Papierdreieck geheftet und die Pflanze unter ein Microscop rnit einem Ocularmicrometer gebracht, von dessen Theilstrichen ein jeder 1"h Zoll gleich war. Man sah nun, dasz die Spitze des Papierdreiecks in bestiin­ diger geringer Bewegung war; denn in 4 Stunden durchkreuzt,, es neu11 Theilstriche oder 1"h Zoll und nach weiteren zehn Stunden bewegte es sich zuriick und hatte 1"h Zoll in der entgegengesetzten Richtung durch­ kreuzt. Die Pflanze wurde in einern im Ganzen zu kiihlen Orte gehalten und am folgenden Tage bewegte sie sich eher noch langsamer, nii.rnlich

in 3 Stunden rt1>, und wiihrend der niicbsten 6 Stunden l"h• Zoll in der P,Utgegengesetzten Richtung. Es scheinen sich daher die beiden Lappen,

wenn gleicb in einer sehr geringen Entfernung, bestandig zu schlieszen und zu offnen ; denn wir rntl.ssen uns erinnern, dasz das kleine an die randstiindige Speiche angeheftete Papierdreieck deren Lange vergroszerte und dadurch die Bewegung etwas tl.bertrieben darstellte. Ahnliche Beob­ achtungen, aber rnit dem wichtigen Unterschiede, dasz der Blattstiel frei

•gelassen und die Pflanze unter einer hohen Ternperatur gehalten wurde, wurden aur.h rnit einern Blatte angestellt, welches zwar gesund, aber so alt war, dasz es sich nicht schlosz, wenn seine empfindlichen Haare wieder­ holt beriihrt wurden, obgleich es sich, nach andem Fallen zu urtheilen, langsam geschlossen haben wtl.rde, wenn es durch thierische Substanz gereizt worden ware. Die Spitze des Papierdreiecks war in beinahe, Wflllll gleich nicht vollkommen bestli.ndiger Bewegung, zuweilen in der einen Richtung, zuweilen in der entgegengesetzten; es durchkreuzte in

30 Minuten ftl.nf Theilst1•iche des Micrometers (d. h. Th Zoll). Diesr,

Bewegung in einern so geringen Masze ist kaum mit gewohnlicher Circum• nutation vergleichbar; sie kann aber vielleicht mit den zickzackformigen Linim und kleinen Schlingen verglichen werden, dnrch welche die von and1>rn Pflanzen beschriebenen groszen Ellipsen haufig unterbrocben werden.

Im ersten Capitel des vorliegenden Bandes sind die merkw1lrdigen oscillatorischen Bewegungen des circumnutirenden Hypocotyls des Kohls be­ schrieben worden. Die Blatter der Di,onaea bieten dieselbe Erscheinung dar, welcbe eine ganz wunderbare ist, wenn sie mit einer scbwachen Ver­ groszerung (2 Zoll-Objectiv) und einem Oculannicrometer beobachtet wird,

 

[page break] 206 Circumoutation der Bliitter: Cap. 4.

dessen Theilstriche (,h Zoll) als ziemlich weite Zwischenrii.ume erscheinen. An das junge noch nicht ansg•ebreitete Blatt, dessen circumuutireude Bewe­ gungen aufgezeichnet wurdeu (Fig. 106), war ein Glasfaden senkrecht auf dasselbe befestigt wordeu; die Bewegung der Spitze wurde im Wannhause (Temperator 29-30 C.) beobachtet, wobei Licht nur von oben zug(­ lassen und jeder seitliche Luftzug ausgeschlosseu wurde. Die Spitze kreuzte zuweileu eiueu oder zwei Theilstriche drJs Micrometers mit eiuer unmerkbar langsamen Geschwindigkeit, meistens aber bewegte sie sich in rapiden Stoszen oder Sprilngen von n'.-11 oder 10'\i-o und, in einem Falle, von ni4011 Zoll vor­ warts. Nach jedem Sprunge vorwarts zog sich die Spitze mit vergleichsweiser Langsamkeit einen 'fheil der eben zuriickgelegten Strecke wieder zuriick; daun machte sie nach eiuer sehr kurzen Zeit wieder einen Sprung vorwarts. Bei einer Gelegonheit wurden vier deutlicho Spriinge vorwarts mit lang­ samorem Zuriickweichen in genau einer Minute gesehen, auszer einigen klei­ noren Schwankungen. So weit wir es beurtheilon ko:mten, fielen die Linirm des Vorschreitens und Zuriickweichens nicht zusammen; und wenn dies so war, wurden jedesmal auszerst kleine Ellipsen beschrieben. Einigemale blieb die Spitze fiir eine kurze Zeit vollig bewegungslos. Ihre Bewegung war wahrend der verschiedenen Beobachtungsstundeu in zwei entgegen­ gesetzten Richtungen, so dasz das Blatt wahrscheinlich circumnutirte.

Ein alteres Blatt mit vollstiindig ausgebreiteten Lappen, welches sich spater als in hohem Grade empfindlich gegen Beriihrung erwies, wurde zuniichst in einer ahnlichen Weise beobachtet, ausgenommen, dasz die Pflanze in einem Zimmer einer niedrigeren Temperatur ausgesetzt wurde. Die Spitze oscillirte in derselben Weise, wie in dem friihereu Falle, vorwarts und riick­ wiirts; die sprungweisen Bewegungen vorwarts waren aber von geringerer Ausdehnung, namlich ungefahr lll1oo Zoll; auch traten langere bowegungslose Perioden ein. Da es moglich erschien, dasz die Bewegungen Folge von Luft­ stromungen sein konnten, wurde ein Wachsziindor wahreud einer der be­ wegungslosen Perioden dicht an das Blatt gohalten; es wurden aber keine Oscillationen dadurch verursacht. Nach 10 Minuten indessen begannen kraftige Schwankungen, vielleicht in Folge davon, dasz die Pflanze erwarmt uud dadurch gereizt worden war. Das Licht wurde dann entfernt und es dauerte nicht lange, dasz die Schwankungen aufhorten; als nach einem Ver­ laufe von 1 Stunde 30 Minuten wieder nach dem Blatte gesehen wurde, oscillirte es trotzdem wieder. Die Pflanze wurde zuriick in das Warmhaus gebracht und am folgenden Morgen war wieder zu sehen, dasz sie, wenu schon nicht sehr kraftig, oscillirte. Ein anderes altes, aber gesundes Blatt, welches gegen BerO.hmng nicht im mindesten empfindlich war, wurde glei­ cherweise wahrend zweier Tage im Warmhause beobachtet; der angeheftete Glasfaden machte viele kleine Spriinge vorwarts von ungefahr n1rn oder nur

u¾n, Zoll.

Um endlich zn ermitteln, ob die Blattlappen unabhangig vom Blattstiel oscillirten, wurde der Stiel eines alten Blattes dicllt an der Blattscheibe mit Schellack an die Spitze eines kleinen in den Boden eingetriebenen StabtS angekittet. Ehe dies aber gethan wurde, wurde das Blatt boobachtet; es fand sich, dasz es kraftig oscillirte oder schnellte; nachdem es an den Stab gekittet war, dauerten die Oscillationen von ungofiihr ro1rn Zoll 11od1 irunwr fort. Am folgPnden Tage wurde ein wenig von einem

 

[page break] Cap. 4. Dicotyledonen. 207

Aufgusz rohPn Fleisches auf das Blatt gebracht, welcher es verursachte, dasz die Lappcm sich im Verlaufe von zwei 'fagen sehr langsam zusam­ menschlossen; die Oscillationen danerten wabrend dieser ganzen Zeit und fiir die niichsten zwei Tage fort. Nach nenn weiteren Tagen fieng das Blatt sich zu 0ffnen an und die Riinder wurden ein wenig umgewendet; nun lilieb die Spitze des Glasfadens lange Perioden hindurch bewegungslos und bewegte sich dann langsam, ohne irgend welcbe Spriinge, eine Strecke von ungefii.hr 1o'iiu Zoll riickwarts und vorwarts. Nicbtsdestoweniger fieng die sprungweise Bewegung wiederum an, als das Blatt durcb ein dicht an dass lbe gehaltenes Wachsziinderchen e1•warmt wurde.

Dieses selbe Blatt war 21/2 Monate friiher beobachtet worden und es hatte sich gezeigt, dasz es oscillirte oder scbnellte. Wir konnen daher schlieszen, dasz diese Art von Bewegung 'l'ag und Nacht eine selu lange

Zeit hindurcb fortgebt; sie kommt in gleicher Weise bei jungen, noch nicht ausgebreiteten, und bPi so alten Blattern vor, dasz sie ihre Empfiud­ lichkeit gegen Beriihrung verloren haben, welche aber noch immer fiihig sind, stickstoffhaltige Substanz zu resorbiren. Wenn die Erscheinung gut ansgebildet ist, wie bei dem oben beschriebenen jungen Blatt, 1st sie sehr interessant. Sie rief haufig in uns die Idee einer Anstrengung b rvor, oder das Bild eines kleinen Thieres, welches kiimpft, sich von irgend einem Zwang- zu befrl'ien.

16. Eucalyptus resin if era (Myrtaceae,

 

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J<'a,m. 94). - Ein junges, mit seinP.m Stiel zusam­ men zwei Zoll langes Blatt, welches ein seitlicher Sprosz an einem niedergeschnittenen Baumo hervorgebracht hatte, wurde in der gewohn­ lichen Weise beobachtet. Die Blattscheibe batte ihre verticale Stellung noch nicht angenommen.

• Am 7. Juni wurden nur einige wenige Beobach- tungen gemacht; die Aufzeichnung zeigte nur, dasz sich das Blatt dreimal aufwarts und drei­ mal abwarts bewegt hatte. Am folgenden 'fage wurde es haufiger beobachtet und zwei Zeich-

, nungen wurden gemacht (s. A und B, J<'ig. 108), da eine einzige zu complicirt gewesen ware. Die Spitze veranderte im Verlaufe von 16 Stun­ den l 3mal ihren Weg, hauptsiicblich auf und nieder, mit etwas seitlicher Bewegung. Der

 

D

 

 

 

 

 

 

 

 

 

]fig. 108. Eucal!1ptu1 1r3iniff'1•a: Uircnmnuta.tion eines •niattes, A von 6.40 a. m. bis l p. m. am

Juni, B von 1 p. m., 8. Juni, bis 8.30 a. m., am 9., aufgezeichnet. 1'pitze des lllattes 141/, Zoll Yon der horizontalen Glnsscheibe; die

}'iguren daher bctr:id1tlich ver

grOszert.

 

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factische Betrag an Bewegung in einer jeden Richtung war gering.

Dahlia (Garten-Varietat) (Compositae, Fam. 122). - Ein schones junges, 5¾. Zoll langes Blatt, welches eine junge 2 Fusz hohe, in einem groszen Topfe kraftig wachsende Pflanze hervorgebracht hatte, stand unter einem Winkel von ungefahr 45 unter dem Horizont. Am

Juni senkte sich das Blatt von 10.a. m. bis 11.35 a. m. (s. Fig. 109); dann erhob es sich bedentend bis 6 p. m.; wahrscheinlich ist diese Er­ hebung eine Folge davon, dasz das Licht nur von oben kam. Zwischen

6 p. m. und 10.35 p. m. bewegte es sich im Zickzack und erhob sich dann wahrend der Nacht ein wenig. Es musz bemerkt werden, dasz die verticalen Abstande im unteren Theil der Zeichnung stark ubertrieben

 

[page break] 208 Circumnutation der Bliitter: Cap. 4.

sind, da das Blatt zuerst unter den Horizont l1inabgebeugt war, und nachdem es hinabgesunken war, wies der Glasstab in einer sehr schriigen

Richtung nach dem Glase. Am nilch­

 

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f-..-.-:,,;U p.m.18'!'

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 100. Dahlia: Circumnutation eines lllatt.es von 10 a. m., 18. Juni, bis 8.10 a, m., 20., verzeichnet, aber mit einer Unterbrech­ ung von 1 Stunde 40 Mlnuten am Morgen des 19., da, weil der Glaafaden gu welt nach einer Seite wies, der Topf Jeicht bewegt wor­ den war; die relative Stellung der zwei Zelch­ nungen 1st daher etwas willkiirlich. Die hior mitgetheilte Figur 1st auf eln Fiinftel des Originalmaszstabes reducirt. Spitze des Blattes 9 Zoll vom Glase in der Llnie seiner Nelgung und 49/4 in elner Horlzontallinie.

 

sten Tag11 sank das Blatt von 8.20

a. m. bis 7.15 p. m , dann bewegte es sich zickzackformig und erhob sich wahrend der Nacht bedeutend. Am Morgen des 20. war das Blatt wahr­ scheinlich im Begriffe, sich zu senken, obgleich die kurze Linie in der Zeich­ nung horizontal ist. Die factischen Ab­ stiinde, welche die Spitze des Blattes durchlief, waren betrachtlich, kounten aber nicht mit Sicherheit berechnet werden. Nach dem Wege, welchen die Pflanze am zweiten Tage einschlug, nachdem sie sich an das Licht von oben accommodirt hatte, laszt sich nicht daran zweifeln, dasz die Blatter eine tagliche periodische Bewegung aus­ fiihren, wahrend des Ta es sinken nod wahrend der Nacht sich erheben.

Mutisia Clematis (Comp9-

sitae). - Die Blatter enden in Ranken und circumnutiren wie diejenigen an­ derer Rankentrager; es wird aber diese Pflanze hier wegen einer irrigen An­ gabe 11 erwahnt, welche veroffentlicht worden ist, dasz nii.mlich die Blatter wahrend der Nacht sinken und sich wahrend des Tages erheben. Die Blatter, welche sich in dieser Weise benabmen , waren fiir einige Tage in

 

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einem nach Norden gelegenen Zimmer gehalten worden und waren nicht hinreichend beleuchtet gewesen. Es wurde daber eine Pfl.anze ungestort im Warmhause gelassen, und bei drei Blattern wurden die Winkel um Mittag und um 10 p. m. gemessen. Alle drei waren um Mittag ein wenig unter den Horizont geneigt, am Abend aber stand eines 2 das zweite 21 und das dritte 10 hi:iher als in der Mitte des Tages; anstatt zu sinken erheben sie sich also ein wenig des Nacbts.

Cyclamen persicum (Primulaceae, Fam. 135). - Ein junges, mit Einschlusz des Stiels 1.8 Zoll langes Blatt, welches von einem alten

Wurzelstock hervorgeirieben war, wurde wabrend dreier Tage in der gewohnlichen Art und Weise beobachtet (Fig. 110). Am ersten Tage fiel das Blatt tiefer als spater, augenscheinlich weil es sich an das Licl1t von oben anpaszte. An allen drei Tagen sank es vom frtihen Morgen

 

11 Die Bewegungen und Lebensweise der klettemden Pfl.anzen: Ubersetzung

1876, p. 90.

 

[page break] Cap. 4. Dicotyledonen. 209

bis ungefiihr 7 p. m., und von dieser Stunde an erliob es sich wahrend der Nacht mit einem leicht zickzackformigen Verlaufe. Die Bewegung ist

•dal1er streng periodisch: Es musz bemerkt werden, dasz das Blatt an

 

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l'ig. UO. Cyr1amPn persicttm: Circnmnutation P.ines lUnttes, von 6.45 n.. m., 2. .Juui, ld:; 0.40 a. m.,

Juni, aufgezeichnet. Spitze des Blattes 7 Zoll von der seukrechteu Glass(•hcil)r. entferut.

 

jedem Abend um ein wenig tiefi>r gesunken ware, als es gesunken ist, wenn der Glasfaden nicht zwischen 5 und 6 p. m. auf dem Rande des Topfos aufgelegen hatte. Der Betrag an Bewegung war betriichtlich; denn wenn wir annehmen, dasz das ganze Blatt bis zur Basis des Stiels gebogen wurde, so wiirde die Zeichnung etwas weniger als iiinfmal ver­ groszert worden sein, und dies gibt fhr die Spitze eine Erhebung und Senkung von einem halben Zoll, mit etwas seitlicher Bewegung. Diese Grosze wiirde indessen ohne die Hiilfe einer Zeichnung oder einer Messung irgend einer Art die Aufmerksamkeit nicht fesseln.

Allamanda Schottii (Apocyneae, Fam. 144). - Die jungrn Blatter dieses Strauches sind langlich und die Blattscheibe ist so stark nach unten gebogen, dasz sie beinahe einen Halbkreis bildflt. Die

D.UWIN, Bewegungsvermog,>n, (XHI.) 14

 

[page break] 210 Circumnutation der Blatter: Cap. 4.

 

Bogensehne - d. h. eine von der Spitze der Blattscheibe nach der Basis des Blattstiels gezogene Linie - an einem jungen Blatte von 43/4 Zoll Lange stand um 2.50 p. m., am 5. December, in einem Winkel vou 13 () •

unter dem Horizonte, aber um 9.30 p. m. hatte sich die Blattscheibe so bedeutend gestreckt (und dies schlieszt die Erbebung der Spitze ein), dasz die Sebne nun 37 ilber dem Horizont stand, also 50 gestiegen war.

Am folgenden Tage wurden ii.hnliche Winkel­ messungen an d!lm nii.mlichen Blatte gemacht; um Mittag stand die Sehne 36 unter dem Hori­

zonte, und um 9.30 p. m. stand sie 3½ 0 ii.her demselben, so dasz sie 39 ½ 0 gestiegen war.

Die bauptsii.chliche Ursache der erhebenden Be­ wegung liegt in der Geradestreckung der Blatt- . scbeibe, aber auch der kurze Blattstiel erhebt sich zwischen 4 und 5 Am dritten Abend stand die Bogensehne 35 ilber dem Horizonte, und wenn das Blatt am Mittag dieselbe Stellung eingenommen bat, wie am vorausgehenden Tage, ist sie 71 gestiegen. Bei ii.ltrren Blii.ttern wurde keine derartige Veranderung der Krii.mmung be­ obachtet. Die Pflanze wurde dann in das Haus gebracht und in einem nach Nordost gelegenen Zimmer gehalten; es trat aber Nachts keine Veranderung in der Krii.mmung des jungen Blattes ein; es ist daher allem Anscheine nach fur die periodische Anderung der Krii.mnrnng in der Blatt­ scheibe und fi\r die unbedeutende Erhebung des Blattstiels erforderlich, dasz das Blatt vorher einem starken Lichte ausgesetzt war.

Wigandia (Hydroleaceae, Fam. 149).

- Professor PFEFFER theilt nns mit, dasz die Blatter dieser Pflanze sich am Abend erheben; da wir aber nicht wissen, ob diese Erhcbung grosz ist oder nicht, sollte diese Species viel­ leicht unter die schlafenden Pflanzen gerechnet

 

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Fig. 111. Petunt'a t•iolacea: Ab­ wiirtsbeweguug und Circumnu­ tation eines sehr j1Jngen BlnttPS, von 10 a. m., 2. Jun!, bis 0.20 a.. m., 6, Juni, nufgozoichnet,

- NB. Um 6.40 a. m. am 5. Juni war es nothwendig, dAn Topf eln wenlg zu bewegen, und es wurdA eine neue Zeichnung an d r Stelle angefangen, wo iJI dP-r Zeichnung die beiden Punk!e nicht mit ein­ ander verbunden sind. Spltze des Blll.ttes 7 Zoll von der senk­ rechten Glasscheibe entft>rnt. Tem-

peratur moistens 171f2 C.

 

warden.

Petunia violacea (Solaneae, Fam.

157). - Ein sehr junges Blatt von nur ¾ Zoll

Lange und stark nach oben geneigt, wurde vier Tage lang beobachtet. Wahrend dieser ganzen Zeit bog es sich nach auszen und abwarts, so dasz r.s immer mehr und mehr fast horizontal wurde. Die stark ausgeprii.gte Zickzacklinie in der Abbildung (Fig. 111) weist nach, dasz dies durch modificirte Circumnutation bewirkt wurde,

 

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und wii.hrend des letzten Theils der Zeit fand starke gewohnliche Circum­ nutation in einem• kleinen Maszstabe statt. Die Bewegung ist in der Zeichnung zwischen 10 und 1 lmal vergroszert. Sie bietet deutlich eine Spur von Periodicitat dar, da das Blatt an jedem Abend sich ein wenig

 

[page break] Cap. -t. Dicotyledonen. 211

 

erhob; diese Neigung, sich nach oben zu bewegen, schien aber dadurch beinahe iiberwunden zu werden, dasz das Blatt in dem Masze, als es alter wurde, mehr und mehr horizontal zu werden strebte. Die Winkel, welche zwei altere Blatter mit einander bildeten, wurden am Abend und um die Mittagszeit an drei auf einander folgenden Tagen gemesson, und in jeder Nacht nahm der Winkel ein wenig ab, wenn gleich unregelmil.szig.

Acanthus mollis (Acanthaceae, Fam. 168). - Das jilngere von zwei, von einer Samlingspflanze entwickelten Blattem, von 2t/4 Zoll Lange mit Einschlusz des Blattstiels, wurde

wahrend 47 Stunden beobachtet. Zeitig an je­ dem der drei Morgen senkte sich die Spitze des Blattes, und es fuhr bis 3 p. m. an den beiden Nachmittagen, wo es beobacbtet wurde, zu sinken fort. Nach 3 p. m. erhob es sich betrachtlich und fuhr am zweiten Abend bis in den friihen Morgen sich zu erbeben fort. Aber am ersten Abend sank es, anstatt sicl1 zu erheben, und wir zweifeln nur wenig daran, dasz dies eine Folge davon war, dasz das Blatt sehr jung war und durch epinastisches Wachsthmn immer mehr und mehr horizontal wurde; denn es ist in der Zeichnung zu sehen (Fig. 112), dasz das Blatt am ersten Tage auf einem hoheren Niveau stand als am zweiten. Die Blatter einer verwandten Species (A. spinosus) erhoben sich sicher in jeder Nacht; die Erhebung zwischen Mittag und 10.15

p. m. betrug, als sie bei einer Gelegenheit gemes-

 

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sen wurde, 10 °. Diese Erhebung war hauptsach lich oder ausschlieszlich Folge der Geradestreckung iler Blattscheibe und nicht der Bewegung des Blattstiels. Wir konnen daher schlieszen, dasz die Blatter des Acanthus periodisch circumnutiren, am Morgen sinken und am Nachmittag und der

Nacht sich erheben.

Cannabis sativa (Cannabineae, Fam.

 

 

Fig. 112. Acanthu, mol/i,: Cir­ cumnutation eines jungen Blattes, von 9.20 a. m., 14. Junl, bis 8.30

a. m.,. 16. Juni, aufgezeichnet. Spitze des lllattes 11 Zoll von der senkrechten Glasschoibe ab­ stehend, daher die Bewegung be­ trachtlich vergrOszert. Die Figur hier auf die Hiilfte des Maszstabs des Originals reducirt. Tempe-

ratur 15-16½0 C.

 

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195). Wir haben bier den seltenen Fall, dasz sich Blatter am Abend nach abwarts bewegen, aber nicht in einem binreichenden Grade, um Schlaf genannt werden zu konnen t2. Am zeitigen Morgen oder im letzten Theile der Nacht bewegen sie sich aufwarts. So standen beispielsweise alle jungen Blatter in der Nii.he der Gipfel mehrerer Stamme um 8 a. m., am

Mai, beinahe horizontal und um 10.30 p. m. waren sie betrachtlich

11 bwarts geneigt. An einem spateren Tage standen zwei Blatter um

2 p. m. zu 21 ° und 12° unter dem Horizont und um 10 p. m. 38° unter demselben. Zwei andere Blatter an einer jungeren Pflanze waren um

 

12 Wir wurden <lurch Dr. Carl Kraus' Aufsatz: .Beitriige zur Kenntnis der Bewegungen wachsender Laubbliitter", l<'lora, 1879, p. 66, darauf gefiihrt, diese Pflanze zu beobachten. Wir bedanern. dasz wir diesen Aufsatz znm Theil nicht vollstiindig verstehen konnoo. • •

14*

 

[page break] 212 Circumnntation der Blatter: Cap. 4.

2 p. m. horizontal und um 10 p. m. waren sie 36° unter den Horizont gesunken. Was diese Abwartsbewegung der Blatter betrifft, so glaubt KRAUS, dasz sie eine Folge ihres epinastischen Wachsthums ist. Er fiigt hinzu, dasz die Blatter wahreud des T>1gs erschlafft und des Nachts ge­ spannt sind, und zwar sowohl bei sonnigem als bei regnerischem Wetter.

Pinus pinaster (Coniferae, Fam. 223). - Die Blatter au den Spitzen der terminalen Sprossen stehen anfangs in einem Biindel bei­ nahe aufrecht, bald divergiren sie aber und werden schlieszlich beinahe horizontal. Die Bewegungen eines jungen , nahezu einen Zoll langen Blattes am Gipfel einer Samlingspflanze von nur 3 Zoll Hohe wurde vom friihen Morgen des 2. Juni bis zum Abend des 7. aufgezeichnet. Wah­ rend dieser fiinf Tage divergirte das Blatt und seine Spitze sank zuerst in e!_.L"J.fi' einer beinahe geraden Linie;

a.m. • wahrend der zwei letzten

'fage bewegte sie sich aber

. so stark zickzackformig, dasz

das Blatt offenbar circum- nutirte. Als dieselbe kleine Pflanze zur Hohe von 5 Zoll gewachsen war, wurde sie wiederum wahrend vier Ta­ gen beobachtet. Ein Glas­ faden wurde quer an die Spitze eines Blattes von einem Zoll Lange und wel­

 

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Fig. US. Pin"' pinaatr: Circumnutation eines jnngen Blattes, von 11.45 a. m., Sl, Juli, bis 8.20 a. m., 4. Aug., aufgezeich­ net. Um 7 a, m., am 2. Ang., wurde der Topf eineu Zoll welt nach elner Seite bewegt, so dasz di Zeichnung aus zwei

Figuren besteht. Spltze des Blattes H 1/2 Zoll von der senk, rechten Glasschelbe entfernt; die Bewegungen daher bedeu, tend vergrOszert.

 

ches bereits betrachtlich aus seiner urspriinglich aufrech­ ten Stellung divergirt hatte, befestigt. Es fuhr von 11.45

a. m., 31. Juli, bis 6.40

a. m., 1. August, zu diver­ giren und zu sinken fort (s. A, Fig. 113). Am 1. August circumnutirte es um einen und denselben kleinen Fleck und senkte sich des Nachts wiederum. Am nach­ sten Morgen wurde der Topf nahezu einen Zoll weit nach rechts bewegt uud eine neue Aufzeichnung angefangen (B). Von dieser Zeit an, namlich vom 7. a. m., 2. August, bis 8.20 a. m. am 4., circumnutirte das Blatt offenbar. Es geht aus der Zeichnung nicht hervor, dasz

 

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die Blatter sich periodisch bewegen, denn das Sinken wahrend der ersten zwei Nii.chte war deutlich eine Folge epinastischen Wachsthums, und am

 

[page break] Cap. 4. Monocotyledonen. 213

 

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Schlusse unserer Beobachtung war das Blatt nicht annahernd wie es scblieszlich werden wird.

Pinus austriaca. - Zwei Blatter von 3 Zoll Lange, aber nicht vollstandig ausgewachsen,

von einem Seitensprosz an 11i11em jungen Baum von 3 Fusz Rohe entwickelt, wurde w..ahrend 29 Stun­ den (am 31. Juli) in der namlichen Art wie die Blatter der vorstehend erwiihnten Species be­ obachtet. Diese beiden Blatter circumnutirten bestimmt; sie beschrieben in der angegebenen Periode zwei oder zwei und eine halbe kleine, unregelmaszige Ellipsen.

Cycas pectinata (Cycadeae, Fam. 224).

- Ein junges, 11½ Zoll langes Blatt, dessen

Bliittchen erst vor Kurzem Pntrollt waren, wurde wahrend 47 Stunden 30 Minuten beobachtet. Der Hauptblat.tstiel wurde an der Basis der zwei terminalen Bliittchen an eiJJem Stock fest gemacht. An eines der letzteren von 33/4 Zoll Lange wurde

ein Glasfaden befestigt; das Blattchen war stark

abwarts gebogen, da aber der terminale Theil nach oben gekehrt war, sprang der Glasfaden

 

 

so horizontal

 

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beinahe horizontal vor. Das Bliittchen bewegte sich bedeutend und periodisch (s. Fig. 114); denn es senkte sich bis ungefiihr 7. p. m. und erhob sich wahrend der Nacht, und se11kte sich wie­ derum am nachsten Morgen nach 6.40 a. m. Die absteigenden Linien sind in einer ausgespro­ chenen Weise zickzackformig; dies wttrden wahr­ scheinlich auch die aufsteigenden Linien ge­

 

 

Fig. 114. Cyca, pectinata: Cir­ cumnutation eines der terminalen Biattchen, von 8.30 a.. m., 22. Juni, bis 8 a. m., 24. Juni, aufgezeich net. Spitz, des Bliittchens 7¾ Zoll von der senkrechten Glas­ scheibe entfernt; die Zeichnuog ist also nicht stark vergrOszert; sie ist hier auf ein Drittel des Maszstabs des Originals reduclrt.

Temperatur 19-2111 C.

 

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wesen sein, wenn sie die Nacht hindurch aufgezeichnet worden waren.

Circumnutation der Bliitter: Monocotyledonen.

Cann.a Warscewiczii (Cannaceae, Fam. 2). - Die Beweg­ ungeu eines jungen Blatt('s von 8 Zoll Lange und 3t/2 Zoll Breite, von

 

 

 

 

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l,.i:;. 1)5. Oanna Waraceu•ic.:ii: Circumnutatlon cine.;_Rlattos 1 (A) von 11.30 a. m., JO. Juni, bis

U • m., 11. t D (B) "on 6.40 a, m., 11. Juni, bis 8.40 am 12. aufgezeichnet. Spltze des Blattos 9 Zoll von der senkrechten Gtasscheibe.

 

[page break] 214 Circumnuta.tion der Blatter: Cap. 4.

einer kriiftigen jungen Pflanze entwickelt, wurde wiihrend 45 Stunden

50 Minuten beobachtet, wie es in Fig. 115 dargestellt ist. Der Topf wurde am Morgen des 11. ungefahr einen Zoll weit nach rechts ge­ schoben, da eine einzige Figur zu complicirt gewesen ware; die zwei Fi­ guren hangen aber der Zeit nach zusammen. Die Bewegung ist periodiscb, da das Blatt vom friihen Morgen bis ungefiihr um 5 p. m. sank und wiihrend des iibrigen Abends und eines Tbeiles der Nacht sich erhob. Am Abend des 11. circumnutirte es in einer geringen Ausdehnung einige Zeit lang um einen und d1mselben Fleck.

Iris pseudo-acorus (Irideae, Fam. 10). - Die Bewegungen eines jungen Blattes, welches sich 13 Zoll iiber das Wasser, in welchem die Pflanze wuchs, erhob, wurde wahrend 27 Stunden 30 Minuten auf­

gezeiclmet, wio in Fig. 116 dargestellt ist. Es circumnutirte offenbar, obgleich nur in geringer Ausdehnung. Am zweiten Morgen zwischen 6.40

a. m. und 2 p. m. (zu welch' letzterer Stunde die bier mitgetbeilte -igur aufhort) veranderte die Spitze fiinfmal ihren Weg. Wahrend der nachsten 8 Stunden 40 Minuten bewegte sie sich stark zickzackfiirmig und sank so weit wie der tiefste Punkt in der Figur, wobei sie

 

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1'1ig. llG. lrt'a pseudo a<"o1•w:

Circumnutatiou eines I.Hattes, von

10.30 a. m.. am 28. Mai , bi< 2

p. m., am 29., aufgezeirhnet. Die Aufzeichuung wurde l)is 11 p. m. fortgesetzt, ist abcr hier uicht copirt worden. Spitze des Blattos

12 Zoll unter der horizontnlon Glasplatte, die l< igur also be­ t1•iichtlich vergri.bzert. Tempera-

tur 15-16° C.

 

in ihrem Verlaufe zwei sehr kleine Ellipsen machte ; wenn aber diese Linien bier hinzu ge­ filgt worden wiiren, wiirde die Figur zu com­ plicirt geworden sein.

Crinum capense (Amaryllideae, Fam. 11). - Die Blatter dieser Pfla ze sind wegen ihrer bedeutenden Lange und Schmalheit merk­

 

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wiirdig; eines wurde gemessen und ergab sicb als 53 Zoll Jang und nur

1.4 Zoll an seiner Basis breit. So lange sie noch ganz jung sind, stehen sie bis zur Hobe von ungefiihr einem Fusz beinahe senkrecht aufwiirts;

 

 

 

 

 

 

 

 

 

}"'lg. 117. Cri'num capense: Circmnnutation der hernbhiingenden Spitze eines jungen Dlattes, au

<liner Glasglocke von 10.30 p. m., 22. Mai, bis 10.15 a. m., aru 25., aufgezeichnet. }'igur nicht be­

deutend vergrOszert.

 

spitter fangen ibre Spitzen an sich iiberzubiegen und noch spitter hangen sie senkrecht nach unten und fahren so fort zu wachsen. Ein verbiiltnis­

miiszig junges Blatt wurde ausg_ewiihlt, dessen herabbangendes, spitz zu­ Jaufendes Endstilck bis jetzt nur 5t;2 Zoll Jang war, wiihrend der auf-

 

[page break] Cap. 4. Monocotyledonen. 215

recht stehendo basale Theil 20 Zoll an Hohe masz, wenn schon dieser Theil schlieszlich kiirzer wird, weil er mehr iibergebogen wird. Eine grosze Glasglocke wurde iiber die Pflanzo gestellt und an einer Seite ein schwarzer Punkt gemacht; die beistehende Darstellung (Fig. 117) wurde in der Weise aufgezeichnet, dasz die herabhii.ngende Spitze mit diesem Punkte in eine Linie gebracht und auf der entgegengesetzten Seite der Glocke markirt wurde; die Aufzeichnung wurde durch 2i/2 Tage gemacht. Wah­ rend des ersten 'fages (22.) bewegte sich die Spitze weit nach links, vielleicht in Folge davon, dasz die Pflanze gestort worden war; de1• letzte Punkt, welcher an diesem Tage um 10.30 p. m. gemacht wurde, ist hier allein gegeben worden. Wie wir aus der Figur ersehen, lii.szt sich nicht daran zweifeln, dasz die Spitze dieses Blattes circumnutirte.

Ein Glasfaden mit kleinen Papierdreiecken wurde zu der nii.mlichen Zeit schrii.g quer an die Spitze eines noch jiingeren Blattes befestigt, welches senkrecht in die Hohe stand und noch gerade war. Seine Be­ wegungen wurden von 3 p. m., 22. Mai, bis 10.15 a. m., 25., auf­ gezeichnet. Das Blatt war in rapidem Wachsthum, so dasz die Spitze sich wii.hrend dieser Zeit bedeutend erhob; da es sich stark im Zickzack bewegte, war die Bewegung deutlich Circumnutation und allem Anscheine nach suchte es an jedem Tage eine Ellipse zu bilden. Die wii.brend der Nacht aufgezeichneten Linien waren vie! senkrechter als die wii.hrend des 'l'ages verzeichneten, und dies deutet darauf hin, dasz die Zeichnung eine nii.chtliche Erhebung und ein tii.gliches Sinken dargeboten haben wiirde, wenn das Blatt nicht so rapid gewachsen ware. Dle Bewegung dieses namlichen Blattes wurde nach einem Verlauf von sechs 'fagen (am 31. Mai), zu welcher Zeit die Spitze sich nach auszen in einer horizontalen Stellung gekriimmt und damit don ersten Schritt zu dem Hii.ngendwerden gethan hatte, orthogonisch mit Hiilfe eincs holzernen Wiirfels (in der friiher be­ schriebenen Weise) aufgezeichnet; es wurde dabei ermittelt, dasz die factische von der Spitze durchmessene Entfernung, in Folge der Circum­

nutation, im Verlaufe von 20½ Stunden 31/8 Zoll betrug. Wahrend der nii.chsten 24 Stunden durchlief sie 2½ Zoll. Es war daher die circum­

nutirende Bewegung dieses jungen Blattes stark ausgesprochen.

Pancratium littorale (Amaryllideae). - Die Bewegungen eines

9 Zoll langen und ungefii.hr 45° iiber den Horizont aufgerichteten Blattes wurden bedeutend vergroszert wii.hrend zweier 'fage aufgezeichnet. Am ersten Tage veranderte es in 12 Stunden seinen Lauf vollstandig 9mal aufwii.rts und abwii.rts und nach den Seiten; die aufgezeichnete Figur stellte augenscheinlich fiinf Ellipsen dar. Am zweiten Tage wurde es seltener beobachtet; wir sahen daher seinen Lauf sich nicht so hii.ufig verii.ndern, namlich nur sechsmal, aber in der nii.mlichen complicirten Art wie vorl1er. Die Bewegungen waren der Ausdelmung nach kleine; ii.her die Circumnutation des Blattes konnte aber kein Zweifel bestehen.

Imatophyllum vel Clivia (sp.?) (Amaryllideae). - Ein !anger Glasfaden wurde an ein Blatt befestigt, und der Winkel, den er mit dem Horizonte bildete wurde gelegentlich wahrend dreier aufeinanderfolgender Tage gemessen. Er sank an jedem Morgen bis zwischen 3 und 4 p. m., und erhob sich des Nachts. Der zu irgend einer Zeit beobachtete kleinste Winkel iiber dem Horizont betrug 48 und der groszte 50 so dasz er

 

[page break] 216 Circumuutation der Blatter: Monocotyledonen. Cap. 4.

sich uur 2 ° wiihrend der Nacht erhob; da dies aber an jedem 'l'age be­ obachtet wurde, und da abnliche Beobachtungen des Nachts an einem andern Blatt einer andern Pflanze gemacht wurden , so laszt sich nicbt daran zweifeln, dasz sich die Blatter periodisch, wenn schon in sehr ge­

l'ingel' Ausdehnung, bewegen. Die Stellung der Spitze bei ihrem hOchsten Staude war 0.8 Zoll tiber dem niedrigsten Pnnkte.

Pistia stratiotes (Aroideae, Fam. 30). - Hon1E1s 'ER macht die Bemerkung, dasz die Blatter dieser schwimmenden Wasserpflanze drs

Nachts Mher aufgerichtet sind als bei 'l'age 13 Wir befestigten daher einen Glasfaden an die Mittelrippe eiues miiszig jungen Blattes und maszen am

September den Winkel, den es mit dem Horizonte bildete, 14mal in der Zeit zwischen 9 a. m. und 11.50 p. m. Die Temperatur des Warm­ hanseR schwankte wahrend der zwei Beobachtungstage zwischen 18½ und 23½ C. Um 9 a. m. stand der Glasfaden 32 tiber dem Horizont; um

3.34 p. m. stand er 10 und um 11.50 p. m. 55 diese zwei letzteren

• Winkel waren die hOchsten und niedrigsten, die wahrend des Tages I.Je­ obacbtet wurden und eine Differenz von 45 zeigten. Die Erbebung wurde nicht eher als zwischen 5 und 6 p. m. scharf ausgesproche11. Am nii.chsten Tage stand das Blatt um 8.25 a. m. nur 10 tiber dern Horizonte nnd es blieb in ungefiihr 15 bis nach 3 p. m.; um 5.40 p. m. war es 23 und um 9.30 p. m. 58 so dasz die Erhebung an diesem Abend plotzlicher war als an dem vorausgehenden, der Unterschied in der Winkelstellung erhob sich bis auf 48 Die Bewegung ist augeu­ scheinlich periodisch, und da das Blatt am ersten Abend 55 und am zweiten Abend 58 tiber dem Horizont stand, erschien es sehr steil ge­ neigt. Wie wir in einem spateren Capitel sehen werden, hiitte dieser

.l!'all vielleicht unter die Gruppe der schlafenden Pflanzen gerechnet werden sollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

}"ig. ns. Pontederia (sp. n; Circumnutation_ eines Blattes, \'Oil 4.50 p. m., 2. Juli, bi 10.15 a. m.,. am 4., aufgezeichnet. Spitze des J3lattes 161:2 Zoll von dur s ukrechten Gla:Jscheibe abstehend, dia­ Zeichnung dahcr bedeutend vergrOszert. 'l'emperatur ungefahr 17 C. und <lalier eher et was z.a niedrig.

 

Pontederia (sp. ?) (von dem Hochlande von Sta. Catharina,

Brasilien) (Pontederiaceae, Fam. 46). - Ein Glasfaden wurdA quer an

 

is Die Lehre von der Pflanzenzelle, 1867, p. 327.

 

[page break] Cap. 4. Circumnutation der Cryptogamen. 217

die Spitze eines mllszig jungen Blattes von 7½ Zoll HOhe befestigt• und seine Bewegungen wahrend 42½ Stunden a.ufgezeichnet (s. Fig. 118). Am ersten Abend, wo mit der Aufzeichnung begonnen wurde, und wah­ rend der Nacht.senkte sich das Blatt betrachtlich. Am niichsten Morgen erhob es sich in einer stark ausgesprochon zickzackformigen Linie und sank wieder am Abend und wahrend der Nacht. Die Bewegung scheint

daher periodisch zu sein; doch wird diese Folgerung ziemlich zweifelhaft. weil ein anderes Blatt von 8 Zoll Hohe und dem Anscheine nach alter und hilher aufgerichtet, sich verschieden benahm. Wahrend.der erston 12 Stunden circumnutirte es um einen kleinen Fleck, aber wabrend der Nacht und am ganzen folgenden Tage erlwb es sich in der niimlichen allgemeinon Richtung; das Aufsteigen wurde durch kleine wiederholte Oscillation en aufwarts und abwarts bewirkt.

Cryptogame'n.

Nephrodium molle (Filices, Fam. 1). - Ein Glasfadon wurde in der Nal10 dor Spitze ein(ls junget1, 17 Zoll IJOhen und noch nicM voll­ standig entrollten Wedels dieses Farns befestigt und seine Bewegungen wahrend 24 Sunden aufgezeicbnet.

Wir sehen in Fig. 119, dasz sie deut­ lich circumnutirte. Die Bewegung wurde nicht bedeutend vergroszert, da der Wedel nahe an die senkrechte Glasscheibe gestellt war; sie wiirde wahrscheinlich griiszer und rapider geweson sein, wenn der Tag warmer gewesen ware. Denn die Pflanze war ans einem warmen Gewiichshaus,l gebracht wo1:den und wurde unter einem Oberlicht beobachtet, wo dif, 'femperatur zwischen 15 und 16

 

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war. Wir haben im ersten Capitel gesehen, dasz ein Wedel dieses Farns, welcher erst unbcdentend gelappt

 

}'lg. 119. Nephrodium mol/11.: Clrcumnutation der

Rnchis, von 9.15 a. m. 28, Mat, bis 9 a. m. 1\111 29., aufgezeichnet. Die hler mitgetheilte Flgn ,• lot auf zwei Drittel der Orlginalgro,ze reducln.

 

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war und dessen Rachis our 0.23 Zoll in der Hohe masz, deutlich circum­ nutirte t4_

In dem Capitel iiber den Schlaf der Pflanzen wird die augenfii.Uig( Circumnutation der Marsilea qitad1•ifoliata (Marsileaceae, Fam. 4) be­ schrieben werden.

 

t? Mr. Loomis und Prof. Asa Grny haben (Botanical Gazette, 1880,

p. 27, 43) einen iiuszerst merkwlirdigen Fall von Bewegung an den Werleln, aber nur an den fructificirenden Wedeln von A. plenium tricho111anes beschrieben. Diese bewegen sich beinahe so rapid, wie die kleinen Bliittchen von Desmodiu,11 gyran.,, abwecbselnd vorwiirts und ruckwiirts durch einen Raum von 20 bis 40 Graden, in einer auf der des Wedels rechtwinklig stehenden Ebene. Die Spitze des Wedels beschreibt "eine lange und sehr schmale Ellipse", so dasz sie circumnutirt. Die Bewegung weicht aber von gewohnlicher Circumnutation ab, da sie our eintritt, weun die Pflanze dem Lichte ausgesctzt wird; selbst kllnstliches Licht .reicht bin, flir einige wenige Minuten Bewegung zu erregen".

 

[page break] 218 Circumnutation der Cryptogamen. Cap. 4.

Es ist im ersten Capitel auch gezeigt worden, dasz eine junge, nur

0.4 Zoll hohe Selaginella (Lycopodiaceae, Fam. 6) deutlich circumnutirte; wir ko_nnen daher schlieszen, dasz ii.ltere Pflanzen, wii.hrend sie wachsen, das nii.mliche thun werden.

Lunularia vulgaris (Hepaticae, Fam. 11. Muscales). - Die

Erde in einem alten Blumentopf war mit dieser Pflanze, welche Brutknospen tru.g, iiberzogen. Ein stark aufgerichteter frondoser Sprosz, welcher 0.3 Zoll Uber den Boden vorsprang und 0.4 Zoll breit war, wurde zur Beobach­ tung ausgewahlt. Ein Glashaar von ii.uszerster Diinne und 0.75 Zoll Lange,

<lessen Ende weisz gemacht war, wurde mit Schellack unter rechtem Winkel zur Breite an den Sprosz befestigt und ein weiszer Stab mit einem minutiosen schwarzen Fleck wurde dicht hinter dem Ende des Haars in die Erde gesteckt. Das weisze Ende konnte genau in eine Linie mit dem schwarzen Flecke gebracht, und es konnten hiernach Punkte nach ein­ ander auf der davor stehenden senkrechten Glasscheibe angebracht war­ den. Eine jede Bewegung des Sprosses wiirde natiirlich gezeigt und durch

das lange Glashaar vergroszort werden ; der schwarze Fleck war so dicht hinter das Ende des Haars gebracht, im Verhilltnis zu dem Ab­ stand der davor steheuden Glasscheibe, dasz die Bewegung des Endes ungefahr 40mal vergroszert wurde. Nichtsdestoweniger sind wir iiberzeugt, dasz unsere Aufzeichnung oine ziemlich treue Darstellung der Bewrgungen des Sprosses gibt. In der Zwischenzeit zwischen jo zwei Beobach­ tungon wurde die Pflanze mit einer kleinen Glasglocke bedeckt. Der Sprosz war, wie schon angegeben wurde, hoch aufgerichtet und der Topf stand vor einem nach Nordost gehenden Fenster. Wahrend der fiinf ersten Tage bewegte sich der Sprosz abwii.rts oder wurde weniger hoch auf­ gerichtet; die lange Linie, welche aufgezeiclmet wurde, war stark zfrkzackformig mit gelegentlich oder nahezu gebildeten Schlingen; dies deutete Circumnutation an. Ob das Sinken Folge eines epinastischen Wachsthums oder des Aphelio­ tropismus war, wissen wir nicht. Da die Sen­ lrnng am fiinften 'fage unbedeutend war, wurde am sechsten 'l'age (25. October) eine neue Zeichnung begonnen und 47 Stunden lang fort­

 

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}'ig. 120. Lumtla,ia vulgaria: Cir­

<'nmuutation eines Sprosses, vou

a. m., 25. Oct., bis 8 a. m., am 27., aufgezeichnot.

 

gesetzt; sie wird hier mitgetheilt (Fig. 120). Am

nachsten Tage (27.) wurde eine andere Zeich­ nung gemacht, und es zeigte sich, dasz der Sprosz noch immer circumnutirte; denn wahrend

 

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14 Stunden 30 Minuten verii.nderte er zehnmal vollstii.ndig seinen Lauf (auszer unbedeutenden .A.nderungen). Er wurde gelegentlich noch zwei weitere Tage beobachtet und man sah, dasz er sich bestandig bewegte. Die niedrigsten Glieder der Pflanzenreihe, die Thallogonen, circum­ nutiren allem Anscheine nach. Wenn eine Oscillaria unter dem Microscope

 

[page break] Cap. 4. Circumnutation der Bllltter. 219

 

beobachtet wird, so kann man sehen, dasz sie ungefiihr alle 40 Secunden Kreise beschreibt. Nachdem sie sich nach einer Seite hingebogen hat, fangt zuerst die Spitze an, sich riickwarts nach der entgegengesetzten Seite Lin zu biegen und dann kriimmt sich der ganze Faden in derselben Richtung. HOFMEISTER 15 hat eine detaillirte Schilderung der merkwiirdigen, zwar weniger regelmaszigen, aber constanten Bewegungen der Spirogyra gegeben: wahrend 2'½ Stunden bewegte sich der Faden 4mal nach der linken und 3mal nach der rechten Seite, uml er erwahnt noch einer Bewegung, welche rechtwinklig zu der angefiihrten eintrat. Die Spitze bewegte sich mit der Geschwindigkeit von ungefii.hr 0.1 mm in fiinf Minuten. Er vergleicht die Bewegung mit der Nutation der hoheren Pflanzen 16 Wir werden spilter sehen, dasz heliotropische Bewegungen das Resultat einer modificirten Circumnutation sind, und da sich einzellige Pilze nach dem Lichte biegen, konnen wir schlieszen, dasz auch sie circumnutiren.

Schluszbemerkungen ilber die Circumnutation von Bliittern,

Es sind nun die circumnutirenden Bewegungen junger Blatter in 33 Gattungen beschrieben worden, welche zu 25 Familien gehoren, die unter der Reihe gewohnlicher und gymnospermer Dicotyledonen und unter den Monocotyledonen weit vertheilt sind, ebens•o wie bei einigen Cryptogamen. Es diirfte daher wohl nicht vorschnell sein anzunehmen, dasz die wachsenden Blatter aller Pfl.anzen circumnutiren, wie wir Grund gefunden haben zu schlieszen, dasz dies bei Cotyledonen der Fall ist. Der Sitz der Bewegung liegt allgemein im Blattstiele, aber zuweilen in beiden, sowohl im Blattstiele als in der Blattscheibe oder auch in der Blattscheibe allein. Die Grosze der Bewegung war bei verschiedenen Pfl.anzen sehr verschieden, aber die durchlaufene Entfernung war niemals bedeutend, ausgenommen bei Pistia, welche vielleicht zu den schlafenden Pfl.anzen hatte gerechnet werden sollen. Die Winkelbewegung der Blatter wurde nur gelegeutlich gemessen: sie schwankte gemeiniglich von nur 26 (und wahrscheinlich selbst noch weniger in einigen Fallen) bis zu ungefahr 10°, aber bei der gemeinen Bohne erhob sie sich bis auf 23°. Die Bewegung findet hauptsachlich in einer senkrechten Ebene statt; da aber die aufsteigenden und ab­ steigenden Linien niemals zusammen fielen, so bestand immer etwas seitliche Bewegung und hiedurch wurden unregelmaszige Ellipsen ge­ bildet. Die Bewegung verdient daber eine Circumnutations-Bewegung

 

n Uber die Bewegungen der Faden der Spirogyra '[Winceps in: Wiirttem b. naturwissenschaftl. J ahreshefte, 1874 p. 21I.

16 Auch Zuk al bemerkt (citirt im Journ. R. Microscop. Soc., Vol. 3, 1880,

p. 320), dasz die Bewegungen von Spirulina, einem Gliede der Oscillatol'ieae, .der wohlbekannten Rotation von wachsenden Sprossen und Ranken" sehr analog sind.

 

[page break] 220 Circumnutation der Blatter. Cap. 4.

genannt zu werden; denn alle circumnutirenden Organe suchen Ellipsen zu beschreiben, - d. h. dem Wachsthum auf einer Seite folgt Wachs­ thum auf der nahezu, aber nicht vollstandig entgegengesetzten Seite. Die Ellipsen oder die zickzackformigen, ausgezogene Ellipsen darstel­ lenden Linien sind meistens sehr eng; doch waren bei Camellia ihre kleinen Axen halb so lang, und bei Eucalyptus mehr als halb so lang wie ihre groszeren Axen. Beim Cissus stellten Theile der Figur mehr annahernd Kreise als Ellipsen dar. Die Grosze der seitlichen Bewegung ist daher zuweilen betrachtlich. Auszerdem erstreckten sich die langeren Axen der aufeinander folgend gebildeten Ellipsen (wie bei der Bohne, bei Cissus und dem Kohl) und in rnehreren Fallen die zickzackformigen, Ellipsen reprasentirenden Linien wahrend eines und desselben Tages oder am nachsten Tage nach sehr verschiedenen Rich­ tungen. Der eingeschlagene Weg war krummlinig oder gerade, oder unbedeutend oder stark zickzackformig, und haufig wurden kleine Schleifen. oder Dreiecke gebildet. Eine einzige grosze unregelmi!,szige Ellipse kann an einem Tage und von der namlichen Pflanze am nachsten Tage zwei kleinere beschrieben werden. Bei Drosera wurden zwei, und bei Lupinus, Eucalyptus und Pancratiuin mehrere an jedem Tage gebildet.

Die oscillatorischen und schnellenden Bewegungen der Blatter von Dionaea, welche denen des Hypocotyls vom Kohl abnlich sind, sind, wenn sie unter dem Microscop betrachtet werden, in hohem Grade merkwiirdig. Sie dauern Nacht und Tag einige Monate lang fort und werden von jungen, nicht entfalteten Blattern und von alten Blattern dargeboten, welche ihre Empfindlichkeit gegen Bertihrung verloren haben, welche aber nach der Absorption thierischer Substanz ihre Lappen scblieszen. Wir werden spater derselben Art von Be­ wegung an den Gliedern gewisser Gramineen begegnen und sie kommt wahrscheinlich vielen Pflanzen wahrend ihrer Circumnutation zu. Es ist daher eine befremdende Thatsuche, dasz keine derartige Bewegung an den Tentakeln der Drosera rotundifolia• nachgewiesen werd-en konnte, trotzdem sie ein Mitglied derselben Familia ist wie Dionaea; doch war der Tentakel, welcher beobacbtet wurde, so empfindlich, dasz er, nachdem er mit einem Sttickchen rohen Fleisches bertibrt worden war, sich in 23 Secunden anfieng einwarts zu rollen.

Eine der allerinteressantesten Thatsachen in Bezug auf die Circum­

nutation der Blatter ist die Periodicitat ihrer Bewegungen; denn sie

 

[page break] Cap. 4. Circumnutation der Bliitter. 221

erheben sich haufig, oder selbst allgemein, ein wenig am Abend oder im fruhen Theile der Nacht und senken sich wiederum am folgenden Morgen. Genau dieselbe Erscheinung wurde bei Cotyledonen beobachtet. Die Blil,tter von 16 Gattungen unter den 33, welche beobachtet wurden, benahmen sich in dieser Weise, wie es wahrscheinlich auch noch 2 andere thaten. Auch darf nicht etwa angenommen werden, dasz in den iibrigen 15 Gattungen keine Pel'iodicitat in ihren Bewegungen bestanden hatte ; denn 6 von ihnen wurden eine zu kurze Zeit hindurch beobachtet, um sich iiber diesen Punkt irgend ein Urtheil zu bilden, und 3 waren so jung, dasz ihr epinastisches Wachsthum, welches dazu dient, sie in einer horizontalen Stellung herab zu biegen, jede andere Art von Bewegung iiberwaltigte. Nur bei einer Gattung, Cannabis, senkten sich die BIMter am Abend, und KRAUS schreibt diese Bewegung dem Vorherrschen ihres epinastischen Wachsthums zu. Dasz die Periodicitat durch die Ugliche Abwechselung von Licht und Dunkelheit bestimmt wird, dariiber kann, wie spater gezeigt werden wird, kein Zweifel bestehen. Insectenfressende Pfl.anzen werden durch das Licht sehr wenig afficirt, so weit ibre Bewegungen in Be­ tracht kommen; und wahrscheinlich riihrt es hievon her, dasz ihre Blatter, wenigstens bei Sarracenia, Drosera und Dionaea sich nicht periodisch bewegen. Die Aufwil,rtsbewegung am Abend ist zuerst langsam und beginnt bei verschiedenen Pflanzen zu sehr verschiedenen Stunden; - bei Glaucium so zeitig wie 11 a. m., gewohnlich zwischen

3 und 5 p. m., zuweilen aber so spat wie 7 p. m. Es musz beachtet werden, dasz keine von den Blattern, welche in diesem Capitel beschrie­ ben wurden (ausgenommen, wie wir glauben, diejenigen von Lupinus speciosus) ein Polster besitzen; denn die periodischen Bewegungen der damit versehenen Blatter sind meistens zu sogenannten Schlafbewegungen vergroszert worden, mit welcben wir es hier nicht zu thun haben. Die Tbatsache, dasz Blatter und Cotyledonen Mufig, oder selbst all­ gemein, am•Abend ein wenig sich erheben und sich am Morgen senken, ist von Interesse, da sie uns die Grundlage darbieten, von welcher aus die specialisirten Scblafbewegungen vieler, nicht mit einem Polster versehenen Blatter und Cotyledonen entwickelt worden sind. Fiir Jeden, welcber das Problem der horizontalen Stellung der BIMter und Cotyledonen wahrend des Tages und wil,hrend sie von oben beleuchtet werden, in Betracht ziebt, sollte die erwahnte Periodicitat im Sinne gel1alten werden.

 

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Funftes Capital.

Modiflcirte Circumnutation: Kletterpftanzen; epinastlsche und hyponastische Bewegungen.

Circumnutation <lurch innere Ursachen oder durch die Wirkung auszerer Beding­ ungen modificirt. - Innere Ursachen. - Kletterpflanzen; Ahnlichkeit ihrer Bewegungen mit denen gewohnlicher Pflanzen; vermehrte Amplitude; gelegent­ liche Differenzpunkte. - Epinastisches Wachsthnm junger Blatter. - Hypo­ nastisches Wachsthum der Hypocotyle und Epicotyle von Siimlingen. - Haken­ formige Spitzen von kletternden und anderen Pflanzcn , :Folge modificirter Circumnntation. - Ampelopsis tricuspidata. - Smithia Pfundii. - Gerade­ strecknng der Spitze, :Folge der Hyponastie. -- Epinastisches Wachsthum und Circumnutation der Bliithenstiele von Trifolium repens und Oxalis carnosct.

Die Wurzelchen, Hypocotyle und Epicotyle von Samlingspflanzen sind, selbst ehe sie aus der Erde hervortreten, ebenso wie spater die Cotyledonen sammtlich in bestandiger Circumnutation. Dasselhe ist der Fall mit den Stengeln, Stolonen, Bli.lthenstielen und Blattem alterer Pflanzen. Wir konnen daher mit eincm betrachtlichen Grade von Sicherheit schlieszen, dasz alle wachsenden Theile sammtliclier Pflanzen circumnutiren. Obschon diese Bewegung in ihrem gewohn­ licben oder nicht modificirten Zustande in einigen Fallen entweder direct oder indirect fur die Pflanzen von Nutzen zu sein scheint - so beispielsweise die Circumnutation des Wurzelchens beim Durch bohren des Bodens oder die des bogenformig gekrummten Hypocotyls und Epicotyls im Durchbrechen der Bodenoberflache -, so ist <loch die Circumnutation eine so allgemeine oder vielmehr universelle Er scheinung, dasz wir nicht annehmen konnen, sie sei zu irgend einem speciellen Zwecke erlangt worden. Wir mfissen glauben, dasz sie in irgend einer unbekannten Weise Folge der Art ist, in welcher vege­ tabilische Gewebe wachsen.

Wir wollen nun die vielen Falle betrachten, in welchen die Circum­

nutation zu verschiedenen speciellen Zwecken modificirt worden ist,

 

[page break] Cap. 5. Kletterpflanzen. 223

d. h. eine bereits in der Entwickelnng begriffene Bewegung wird zeit­ weise in irgend einer Richtung vermehrt und zeitweise in einer andern Richtung vermindert oder vollig aufgehoben. Diese Falle konnen in zwei Unterclassen abgetheilt werden; in der einen derselben hangt die Modification von inneren oder constitutionellen Ursachen ab und ist von iiuszeren Bedingungen unabMngig, ausgenommen in so weit, dasz die gehorigen Bedingungen fur das Wachsthum vorhanden sein miissen. In der zweiten Unterclasse hangt die Modification in groszer Aus­ dehnung von auszeren Einfliissen ab, so von den taglichen A.nderungen des Lichts und der Dunkelheit oder des Lichtes allein, der Temperatur oder der Anziehnng der Schwerkraft. Die erste kleine Unterclasse wird in dem vorliegenden Capitel behandelt werden und die zweite in dem noch ubrigen Theile des vorliegenden Werkes.

 

))le Clrcumnutation von Kletterpftanzen.

Der einfachste Fall einer modificirten Circumnutation ist der, welchen Kletterpflanzen darbieten, mit Ausnahme derer, welche mit Hilfe bewegungsloser Hakchen oder Wiirzelchen klettern; denn die Modification besteht hauptsachlich in der bedeutend vergroszerten Amplitude der Bewegung. Dies kann eine Folge sein entweder eines bedeutend vermehrten Wachsthums auf einer kleinen Langsstrecke oder noch wabrscheinlicher eines maszig vermehrten Wachsthums, welches sich iiber einen betrachtlicb langen Theil des sich bewegenden Organs verbreitet, welchem Wachsthum Turgescenz vorausgeht und welches nach einander auf allen Seiten• eintritt. Die Circumnutation von Kletter­ pf:lanzen ist regelmasziger, als die gewohnlicher Pflanzen; aber beinahe in jeder andern Beziehung bestebt zwischen ihren Bewegungen eine grosze .Ahnlichkeit, namlich in ihrer Neigung Ellipsen zu beschreiben, welche nacheinander nach allen Punkten der Windrose bin gerichtet sind, in dem Umstande, dasz ihr Weg haufig durch Zickzacklinien, Dreiecke, Schlingen oder kleine Ellipsen unterbrochen wird, ferner in der Schnelligkeit der Bewegung, und endlich darin, dasz verschiedene Species einmal oder mehrere Male innerhalb derselben Zeitperiode revolviren. In einem und demselben Internodinm horen die Bewegungen zuerst im untern Theile und dann langsam nach aufwarts auf. In beiden Classen von Fallen kann die Bewegung in einer streng analogen Weise durch Geotropismus und dmch Heliotropismus modificirt werden,

 

[page break] 224 Modificirte Circumnutation. Cap. 5.

obschon wenige Kletterpflanzen heliotropisch sind. Andere Pnnkte der A.bnlichkeit Mnnten noch nachgewiesen werden.

Dasz die Bewegungen von Kletterpflanzen in gewohnlicher Circum- 11utation, welche durch Zunal1me der Amplitude modificirt ist, bestehen, zeigt sich deutlich, solange die Pflanzen sehr jung sind; denn in diesem friihen Alter bewegen sie sich wie andere Samlinge, in dem Masze aber, als sie alter werden, vergroszern • sich allmiilich ihre Be­ wegungen, ohne irgend eine andere Veriinderung einzugehen. Dasz dies Vermogen ein angeborenes ist und nicht durch irgend welche auszere Einfliisse erregt wird, auszer denen fiir Wachsthum und Lebens­ kraft nothwendigen, ist offenbar. Niemand zweifelt daran, dasz dies Vermogen zu dem Zwecke erlangt worden ist, Kletterpflanzen in den Stand zu setzen in die Hohe hinauf zu wachsen und so das Licht zu erreichen. Dies wird nach zwei sel1r verschiedenen Methoden aus­ gefiihrt, erstens durch das spirale Winden um eine Stiitze; um dies aber zll thun, miissen ihre Stamme lang und biegsam sein , und zweitens in dem Falle von Blattkletterern und Rankentrligem dadurch, dasz diese Organe mit einer Stiitze in Beriihrung gebracht werden, welche dann mitteh,t ihrer Empfindlichkeit ergriffen wird. Es mag bier bemerkt werden, dasz diese letzteren Bewegungen, soweit wir es beurtheilen konnen, keine Beziehung zur Circumnutation haben. In anderen .Fallen werden die Spitzen von Ranken, nachdem sie mit einer Stiitze in Berflhrung gebracht worden sind, zu kleinen Scheiben ent­ wickelt, welcbe fest an jener anbaften.

Wir haben gesagt, dasz die Circumnutation von Kletterpflanzen

von der gewohnlicher Pflanzen hauptsachlich durch ihre groszere Amplitude abweicht. Aber die meisten Blatter circumnutiren in einer beinahe senkrechten Ebene und beschreiben daher sehr enge Ellipsen, wiihrend die vielen Arten von Ranken, welche ans metamorphosirten Bllittern bestehen, viel breitere Ellipsen oder nahezu kreisformige Figuren beschreiben; sie haben daber eine viel groszere Wahrschein­ lichkeit fiir sich anf irgend einer Seite eine Stiitze erfassen zu konnen. Die Bewegungen von Kletterpflanzen sind auch in einigen wenigen anderen speciellen Weisen modificirt worden. So konnen die circum­ nutirenden Stamme von Solanum dulcai'hara nm eine Stiitze herum sich nur dann winden, wenn diese so diinn mid biegsam wie eine Schnur oder ein Faden ist. Die windenden Stlimme mehrerer brittischen Pflanzen konnen um eine Stiitze nicht mehr winden , wenn dieselbe

 

[page break] Cap. 5. Kletterpflanzen. 225

dicker als em1ge wenige Zoll ist, wahrend in tropiscben Waldern manche Pflanzen dicke Stamme umfassen konnent , und diese bedeu­ tende Verschiedenheit im Vermogen zu winden hiingt von irgend einer unbekannten Verscbiedenheit in der Art und Weise ihrer Circum­ nutation ab. Die merkwiirdigste specielle Modification dieser Be­ wegung, welche wir beobachtet baben, bieten die Ranken von E'chino­ cystis lobata dar; diese sind gewohnlich ungefabr um 45° iiber den Horizont aufgerichtet, sie werden aber so steif und gerade, dasz sie in einem Tbeile ihres kreisformigen Weges aufrecht stehen , namlich dann, wenn sie sich der Spitze des Sprossen, aus dem sie entspringen, nahern und iiber dieselbe hinwegscbreiten. Hatten sie nicht dieses eigenthiimliche Vermogen besessen und danach gehandelt, so wiirden sie unfehlbar gegen die Spitze des Sprossen angestoszen und in ihrem Wege aufgehalten worden sein. Sobald eine dieser Ranken mit ihren drei Zweigen anfangt steif zu werden und sich senkrecht zu erbeben, wird die revolutive Bewegung rapid, nnd sobald sie iiber den Punkt der Schwierigkeit hinweg geschritten ist, verursacht ihre nun in Folge ihres eignen Gewichtes eintretende Bewegung, dasz sie in ihre friihere geneigte Stellung so scbnell zuriickfallt, dasz man sehen kann, wie die Spitze gleich dem Zeiger einer riesenbaften Uhr fortschrcitet.

Eine grosze Anzahl gewohnlicher Blatter und Blattchcn und einige wenige Bliithenstiele sind mit Polstern versehen; dies ist aber bei keiner cinzigen, bis jetzt bekannten Ranke der Fall. Die Ursache dieser Verschiedenheit liegt wahrscheinlicb in der Thatsache, dasz der hauptsachlicbste Dienst eines Polsters der ist, die Bewegung des da­ mit ausgeriisteten Theiles zu verlangern, auch nachdem das Wachs­ thum aufgehort hat; und da Ranken und andere Kletterorgane nur von Nutzen sind, wahrend die Pflanze an Hohe zunimmt oder wiichst, wurde ein Polster, welches dazu dient ihre Bewegungen zu verlangern, unniitz sein.

 

Im letzten Capital ist gezeigt worden, dasz die Stolon en oder Auslaufer gewisser Pflanzen bedeutend circumnutiren, und dasz diese Be­ wegung offenbar die Pflanzen darin unterstiitzt, einen Durcbgang zwischen den zusammengedriingtcn Stiimmen der benachbarten Pflanzen zu finden. Wann bewiesen warden konnte, dasz ihre Bewegungen fur diesen

1 Die Bewegungen und Lebensweise der kletternden Pflanzen. Ubersetzung, 1876, p. 29.

DARWIN, Bewegungsvermogen. (XIII.) 15

 

[page break] 226 Mo,lificirte Circumnutation. Cap. 5.

speciellen Zweck modificirt oder vergroszert worden wflren, so batten sie in dem• vorliegenden Capitel mit aufgefiihrt werden miissen, da aber die Amplitude ihrer Umlaufe nicht so augenfallig verschieden von der gewohnlicher Pflanzen ist, wie in dem Falle bei Kletter­ pflanzen, so haben wir hieriiber keine Beweise. Wir begegnen dem­ selben Zweifel bei einigen Pflanzen, welche ihre Samenkapseln in der Ertle vergraben. Dieser Procesz des Eingrabens wird sicher <lurch die Circumnutation des Bliithenstengels begiinstigt; wir wissen aber nicht, ob sie fur diesen speciellen Zweck vergroszert worden ist.

Epinastie. - Hyponastie.

Der Ausdruck Epinastie wird von DE VRIES 2 gebraucht, um starkeres Langenwachsthum der oberen Seite eines Theiles entlang als entlang der untern Seite zu bezeichnen, welche letztere hierdurch veranlaszt wird sich abwarts zu biegen, und Hyponastie wird fur den umgekehrten Process gebraucht, dRrch welchen der Theil dazu ge­ bracht wird, sich aufwarts zu biegen. Diese Thatigkeiten kommen so haufig ins Spiel, dasz der Gebrauch der obigen zwei Ausdriicke auszerst bequem ist. Die hierdurch veranlaszten Bewegungen sind das Resultat einer modificirten Form von Circnmnutation; denn wie wir sofort sehen warden, bewegt sich ein Organ unter dem Einflusse der Epinastie nicht allgemein in einer geraden Linie abwarts, oder unter dem Einflusse der Hyponastie aufwarts, sondern es bewegt sich auf­ warts und abwarts schwankend mit etwas seitlicher Bewegung; es bewegt sich indessen in einer vorherrschenden Weise in einer Rich­ tung. Dies zeigt, dasz ein gewisses Wachsthum auf allen Seiten des Theiles eintritt, aber mehr auf der oberen Seite im Falle der Epinastie und mehr auf der unteren Seite in dam der Hyponastie, als auf den entgegengesetzten Seiten. Zu derselben Zeit kann, wie DE VRIES betont, vermehrtes Wachsthum auf einer Seite in Folge des Geotro-, pismus und auf der anderen Seite in Folge des Heliotropismus vor­ handen sein, und hierdurch werden die Wirkungen der Epinastie oder Hyponastie entweder vermehrt oder vermindert.

Wer es vorzieht, kann von gewohnlicher Circumnutation sprechen als mit Epinastie, Hyponastie, den Wirkungen der Gravitation, des

 

2 Arbeiten des Botan. Instit. Wllrzburg, 2. Heft 1872, p. 223. De Vries hat die Bedeutung der beiden oben genannten, zuerst von Sc him per gebrauchten AusdrUcke unbedeutend modificirt, und Sachs hatsie in diesem Sinne angenommen.

 

[page break] Cap. 5. Epinastie und Hyponastie. 227

Lichtes etc. combinirt; es scheint uns aber aus spater zu gebenden Griinden correcter zn sein zn sagen, dasz die Circumnutation durch diese verschiedenen Einwirkungen modificirt wird. Wir werd n daher von Circumnutation, welche bestandig in Thatigkeit ist, sprechen als modificirt durch Epinastie, Hyponastie, Geotropismus oder andere Ein­ wirkungen, mogen sie innere oder auszere sein.

 

Einer der hiiufigsten und einfacbsten Fiille von Epinastie wird von Blii.ttern dargeboten, welche in einem friihen Alter rund um die Knospen herum gedrangt sind und, wenn sie alter werden, divergiren. SACHS bemerkte zuerst, dasz dies eine Folge des vermehrten Wachsthums entlang der oberen Seite des Blattstiels und der Blattscheibe sei; und DE VRIES hat nun noch mehr im Detail gezeigt, dasz die Bewegung durch dies Moment verursacht wird, unbedeutend noch unterstiitzt ¾1rch das Gewicht des Blattes, und, wie er glaubt, vom Apogeotropismus aufgehalten, wenigstens nachdem das Blatt etwas divergirt hat. In unseren Beobachtungen iiber die Circum­ nutation von Blattern wurden einige ausgewiihlt, welche etwas zu jung waren, so dasz sie fortfuhren zu divergiren oder abwiirts zu sinken, wahrend ihre Bewegungen aufgezeichnet wurden. Dies kann in den Zeichnungen (Pig. 98 und 112, pag.197 und 211) wahrgenommen werden, welche die Cir­ cumnutation der jungen Blatter von Acanthus mollis und Pelargonium zonale

darstellen; iihnliche Fiille wurden bei Drosera beobachtet. Die Bewegungen eines jungen, nur ¾ Zoll langen Blattes von Petunia violacea wurden

wiihrend vier Tagen verzeichnet und bieten einen noch besseren Fall dar (Fig. 111 , pag. 210), da es wiihrend dieser ganzen Zeit in einer merk­ wiirdigen Zickzacklinie, an welcl,ier einige von den Winkeln scharf zuge­ spitzt waren, divergirte und wabrend der letzteren Tage deutlich circum­ nutirte. Einige junge Blatter von ungefabr demselben Alter an einer Pflanze derselben Petunia, welche horizontal gelegt worden war, und an einer andern Pflanze, welche aufrecht gelassen war (beide wurden in voll­ kommener Dunkelheit gebalten), divergirten in derselben Art und Weise 48 Stunden Jang und wurden augenscbeinlich vom Apogeotropismus nicht afficirt, obschon ihre Stamme sich in einem Zustande boher Spannung befan­ den; denn als sie von den Staben, an welchen sie angebunden gewesen waren, freigemacbt wurden, kriimmten sie sicb augenblicklich aufwarts.

Die Blatter an den leitenden Sprossen der Feuernelke (Dianthus caryo­ phyllus) sind, so lange sie sebr jung sind, nach oben gerichtet oder vertical; und wenn die Pflanze kraftiger wiichst, divergiren sie so schnell, dasz sie in einem Tage beinahe horizontal werden. Sie bewegen sich aber abwarts in einer etwas schragen Linie und fahren fur einige Zeit nachher noch sich in derselben Richtung zu bewegen fort, wie wir vermuthen, im Zusam­ menhange mit ihrer spiralen Anordnung am Stamme. Der • von einem jungen Blatte, wahrend es in dieser Weise schrag herniedergieng, ein­ gescblagene Weg wurde verzeichnet, und die Linie war deutlicb, aber nicht sehr stark zickzackfllrmig; die groszeren von den auf einander folgenden Linien gebildeten Winkel betrugen nur 135°, 154° und 163°. Die spii.tere seitliche Bewegung (in Fig. 96, pag. 196 dargestellt) war stark zickzack-

15*

 

[page break] 228 Modificirte Circumnutation. Cap. 5.

formig mit gelegentlichen Circumnutationen. Die Divergenz und das Sinken der jungen Blatter dieser Pflanze scheint vom Geotropismus oder Helio­ tropismus sehr wenig beeinfluszt zu werden, denn eine Pflanze, deren Blatter ziemlich langsam wucbsen (wie durch Messungen ermittelt wurde), wnrde

horizontal gelegt, und die gegenO.berstehenden

 

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Fig. 121. Pinu, pina,ter: Epl­ nastische Abwiirtsbewegung eines jungen, von etner in einem Topfe gehaltenen jungen Pllanze ent­ wickelten Dlattes, an einer senk­ rccht.en Glasscheibe unter einem Oberlicht von 6.45 a. m. 2. Juni, bis 10.40, 6. Jun!, aufgezelchnet.

 

jungen Blatter divergirten symmetrisch in der gewohnlichen Weise von einander ohne irgend eine Umkehrung in der Richtung der Gravitation oder nach dem Lichte zu.

Die nadelartigen Blatter von Pinus pinaste1• bilden, wahrend sie jung sind, ein BO.ndel, spater divergiren sie langsam, so dasz diejenigen an den aufrechten Sprossen horizontal werden. Die Be­ wegungen eines solchen jungen Blattes wurden wii.hrend 41/2 Tagen verzeichnet und die bier

mitgetheilte Zeichnung (Fig. 121) zeigt, dasz es

Anfangs in einer nahezu geraden Linie , aber spitter zickzackformig mit der Beschreibung einer oder zweier kleinen Schlingen sich abwarts be­ wegte. Die divergirenden und absteigenden Be­ wegnngen eines etwas iilteren Blattes wurden gleichfalls verzeichnet (siehe fro.here Fig. 113, pag. 212): es sank wiihrend des ersten Tages und der ersten Nacht in einer etwas zickzack­ formigen Linie nach unten; dann circnmnutirte es rings um einen kleinen Raum herum und sank dann wieder. In dieser Zeit hatte das Blatt nahezu seine Endstellung erreicht und nun circumnutirte es deutlich. Wie in dem Falle der Nelke scheinen die Blatter, so lange sie noch sehr jung sind, nicht bedeutend von Geotropismus oder Helio­ tropismus afficirt zu werdeu, denn diejenigen an einer jungen, horizontal gelegten, und diejenigen an einer andern, aufrecht gelassenen Pflanze, die beide im Dunkeln gehalten wurden, fuhren in der gewobnlichen Art und Weise, ohne sich nach irgend einer Seite zu biegen, zu divergiren fort. Bei Cobaea scandens erheben sich die jungen Blatter in dem Masze, als sie nach und nach von dem leitenden Sprosz, der nach einer Seite ge­ bogen ist, divergiren, so dasz sie vertical vor­ springen, und diese Stellung behalten sie einige Zeit, wahrend die Ranke sich revolutiv bewegt. Die divergirenden nnd aufsteigenden Bewegungen

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des Stiels eines derartigen Blattes wurden an einer verticalen Glasscheibe

unter einem Oberlichte aufgezeichnet; der eingeschlagene Weg war an den meisten Stellen nahezu gerade, es fanden sich aber zwei gut ausgepragte Zickzacke (eines derselben bildete einen Winkel von 112 °), und dies weist auf Circumnutation hin.

 

[page break] Cap. 5. Epinastie und Hyponastie. 229

Die noch geschlossenen Lappen eines jungen Blattes von Dionaea sprangen unter rechtem Winkel gegen den Blattstiel vor uncl waren im Begriff sich langsam zu erheben. Ein Glasfaden wurde an die untere Seite der Mittelrippe befestigt, und seine Bewegungen wurden an einer verticalen Glasscheibe verzeichnet. Er circumnutirte einmal am Abend und erhob sich am nii.chsten Tage, wie bereits beschrieben wurde (s. Fig.106 pag. 203), durch eine Anzahl scharfer zickzackformiger Linien, welche im Character Ellipsen sehr nahe kamen. Diese Bewegung war ohne Zweifel Folge der Epinastie, untersti.itzt von Apogeotropismus; denn die geschlossenen Lappen eines sehr groszen Blattes an einer Pflanze, welche horizontal gestellt worden war, bewegten sich nahezu in dieselbe Linie mit dem Blattstiele, als wenn die Pflanze aufrecht gestanden hii.tte; aber zu derselben Zeit kri.immten sich die Lappen seitlich aufwii.rts und nahmen damit eine unnatiirliche Stellung ein, schrii.g zur Ebene des blattartigen Stiels.

Da die Hypocotyle und Epicotyle einiger Pflanzen aus den Samen­

hiillen in einer bogenformig gekriimmten Form vortreten, so ist es zweifel­ haft, ob die Bogenkriimmung dieser Theile, welche ausnahmslos vorhanden ist, wenn sie <lurch die Ertle durchbrechen, immer auf Epinastie bezogen werden musz; wenn sie aber zuerst gerade sind und spiiter gekrummt werden, was hii.ufig der Fall ist, dann ist die Krummung sicher Folge der Epinastie. Solange der Bogen von compacter Erde umgeben wird, musz er seine Form beibehalten; sobald er sich aber uber die Oberfliiche erhebt oder selbst vor dieser Zeit, wenn er kiinstlich von dem umgebenden Drucke befreit wird, so beginnt er sich gerade zu strecken, und dies ist ohne Zweifel hauptsiichlich Folge der Hyponastie. Die Bewegung der oberen und unteren Halfte des Bogens und des Scheitels wurde gelegentlich auf­ gezeichnet, und der eingeschlagene Weg war mehr oder weniger zickzack­ furmig, zeigte also modificirte Circumnutation.

Bei nicht wenigen Pflanzen, besonders bei Kletterpflanzen ist die Spitze des Sprossen hakenformig, so dasz die Spitze senkrecht abwii.rts zeigt. In sieben Gattungen von windenden Pflanzen 3 ist die Haken­ bildung, oder wie es von SACHS gPnannt worden ist, die Nutation der Spitze hauptsiichlich Folge einer ubertriebenen Form von Circumnutation. Das heiszt, das Wachsthnm ist der einen Seite entlang so grosz, dasz es den Sprosz vollstiindig hiniiber auf die entgegengesetzte Seite biegt und dadurch einen Haken bildet; dann rilckt die Liingslinie oder Zone des Wachsthums ein wenig seitlich um den Sprosz, und der Haken weist nun nach einer nnbedentend verschii>denen Richtung, und dies so lange weiter, bis der Haken vollstandig umgekehrt ist. Schlieszlich kommt er zu dem Punkte zuriick, von dem er ausgegangen ist. Dies wurde dadnrch er­ mittelt, dasz mit Tusche schmale Linien der convexen Oberfliiche ver­ schiedener Haken entlang aufgetragen wurdi:n, und es zeigte sich, dasz die Linie langsam erst seitlich wurde, dann der concaven Oberfliiche entlang erschien und endlich auf die convexe Oberfliiche zurnckkehrte. Bei Lonicera

 

3 Die Bewegungen und Lebensweise der kletternden Pflanzen , -Obersetzung

1876, p. 10.

 

[page break] 230 Modificirte Circumnutation. Cap, 5.

 

brachypoda wird der hakenformige terminale Theil des revolvirllnden Sprossen periodisch gerade, wird aber niemals umgekehrt, d. h. das perio­ disch vermohrte Wachsthum der concaven Seite des Hakens reicht nur hin ihn gerade zu strecken, aber nicht ihn nach der entgegengP-setzten Seite hiniiber zu biegen. Die Hakenbildung der Spitze ist fiir windeud{' Pflanzen dadurch von Nutzen, dasz sie denselben hilft, eine Stiitze er­ fassen zu konnen, und spitter dadurch, dasz sie diesen Theil in den Stand setzt die Stiitze viel dichter zu erfassen als er im anderen Falle zuerst gethan haben konnte, wodurch es verhindert wird, wie wfr oft beobachtet haben, dasz er durch einen starken Wind weggeblasen wird. Ob der hierdurch erlangte Vortheil fiir windende Pflanzen es erkliirt, dasz ihrf' Spitzen so hiiufig hakenformig sind, wissen wir nicht, da diese Bildung nicht so sehr selten bei Pflanzen vorkommt, welche nicht klettern, und auch bei einigen Kletterpflanzen (heispielsweise Vitis, Ampelopsis, Cissus etc.), denen dieselbe beim Klettern keinerlei Unterstiitzung gewiihrt.

In Bezug auf diejenigen Fiille, in deuen die Spitze immer uach einer und derselben Seite gebogen oder hakenformig gekriimmt ist, wie bei den eben genanqten Gattungen, ist die augenfalligste Erkliirung die, dasz die Biegung Folge eines vermehrten Wachsthums im Excesz der convexen Seito entlang ist. WIESNER 4 behauptet indessen, dasz in alien Fallen die Hakenbildung der Spitze das Resultat ihrer Plasticitat und ihres Ge­ wichtes ist, - eine Folgerung, welche nach dem, was wir bereits bei verschiedenen Kletterpflanzen gesehen haben, sicher irrig ist. Nichts desto weniger geben wir vollstiindig zu, dasz das Gewicht des Theiles, ebeuso wie Geotropismus u. s. w. zuweilen ins Spiel kommen.

Ampelopsis tricuspidata. - Diese Pflanze klettert mittels ad­ hii.siver Ranken und die hakenfi)rmigen Spitzen der Sprosse sind allem Anschein nach von keinem Nutzen fiir sie. Die Hakenbildung hangt hauptsachlich, soweit wir es ermitteln konnteu, davon ab, dasz die SpitzP von Epinastie und Geotropismus afficirt wird; die uuteren und alteren Theile strecken sich bestiindig durch Hyponastie und Apogeotropismus. Wir glauben, dasz das Gewicht der Spitze ein bedeutungsloses Element ist, weil an horizontalen oder geneigten Sprossen der Haken oft hori­ zontal ausgestreckt oder selbst nach oben gerichtet wird. Uberdies bilden Sprossen hiiufig Schlingen anstatt Haken, und in diesem Falle streckt sich der auszerste Theil anstatt senkrecht abwarts zu hangen, was doch er­ folgen wiirde, wenn das Gewicht die wirksame Ursache ware, horizontal aus oder zeigt selbst aufwarts. Ein Sprosz, welcher in einem ziemlich offenen Haken endete, wurde in einer stark nach abwarts geneigten Stel­ lung befestigt, so dasz die concave Seite nach oben sah, und das Resultat war, dasz die Spitz11 sich zuerst aufwarts kriimmte. Dies war offenbar Folge von Epiuastie und nicht von Apogeotropismus, denn die Spitze kriimmte sich bald, nachdem sie die Senkrechte iiberschritten hatte, so rapid abwii.rts, dasz wir nicht daran zweifeln konnten, dasz die Bewegung von Geotropismus wenigstens unterstiitzt wurde. Im Verlaufe einiger wenigen Stunden war hierdurch der Haken in eine Schlinge verwandelt, wobei die Spitze des Sprossen gerade nach abwarts wies. Die langere

 

Sitzungsber. K. Acad. Wiss. Wien, math.-nat. Cl., 1. Abtheil., 81. Bd., p. 16.

 

[page break] Cap. 5. .Epinastie und Hyponastie. 231

Axe der Schlinge war anfangs horizontal, wurde aber spat!lr vertical. Wahrend dieser selben ZCJit • kriimmte sich der basale Theil des Hakens ( und spater der Scblinge) langsam aufwarts, und dies musz bier ganzlich

Folge des Apogeotropismus im Gegensatz zur

 

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Hyponastie gewesen sein. Die Schlinge wurde dann mit der oberen Seite nach unten befestigt, so dasz ihre basale Halfte gleichzeitig von Hypo­ nastie (wenn sie vorhanden war) und von Apo­ geotropismns hatte berinfluszt werden miissen; und nun kriimmte sie sich so bedeutend im Laufe von nur 4 Stunde11 aufwarts, dasr. dariiber kein Zweifel bestehen konnte, dasz beide Krafte zu­ sammen einwirkten. In dllrselben Zeit wurdCJ die Schlinge offen und wurde hierdurch in einen Haken zuriickverwandelt, und dies wurde allem Anschein nach durch geotropische Bewegung der Spitze in Gegenwirkung zur Epinastie hervor­ gebracht. Bei Ampelopsis hederacea spielt das Ge­ wicht, so weit wir urtheilen konnten, bei der Haken­ bildung der Spitze eine bedeutungsvollere Rolle. Um zu ermitteln, ob die Sprossen von

A. tricuspidata sich beim Strecken unter der combinirten Einwirkung der Hyponastie und des Apogeotropismus in einem einfachen geraden Wi•ge bewegten, oder ob sie circumnutirten, wurden Glasfilamente an die Gipfel von vier hakenformig gekriimmten Spitzen, die in ihrer natiirlichen Stel­ Jung standen, befestigt, und die Bewegungen der Filamente wurden auf •einer verticalen Glasscheibe verzeichnet. Alle vier Zeichnungen waren einan­ der jp einer allgemeinen Art und Weise ahnlich; wir wollen aber bier nur eine mittheilen (s. Fig. 122). Der Glasfaden erhob sich zuerst, was darauf hinweist, dasz sich der Haken streckte; dann bewegte er sich zwischen 9.25 a. ru. und ii Uhr p. m. im Zickzack und ein wenig nach links." Von der letztgenannten Stunde am 13. an bis 10.50 a. m. am folgenden Morgen (14.) fuhr der Haken fort, sich gerade zu strecken, und dann bewegte er sich zickzackformig eine kurze Strecke weit nach rechts. Aber von 1 Ubr

p. m. bis 10.40 p. m. am 14. wurde die Be­

wegung umgekehrt, und der Sprosz wurde noch starker bakenformig. Wahrend der Nacht, nach

10.40 p. m. bis 8.15 a. m. am 15., uffnete sich der Haken wiederum und streckte sich gerade. Um diese Zeit war der Glasfaden so hoch auf­

 

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Fig. 122. Ampclopsis tri'cuapi data: Hyponusti che Hewegung dlir hakenf'Ormigen Spitze eines loitonden S1Jrossen, von 8.10 a. m., am 13. Juli, bis 8 a. m., am 15., nufgezeichnet. Spitze des Spros­ sou 51/'J. Zoll von der senkrechten Glasschrlibe. Pflanze durch ein Oberlicht beleuchtet. Temperatur li½-19" C. Zoichnung auf ein Drittel des Ma,zstabs des Origi- nals redurlrt,

 

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gerichtet worden, dasz seine Bewegungen nicht Hinger mehr mit Genauig­

keit verzeichnet werden konnten, und um 1.30 p. m. an diesem namlichen

 

[page break] 232 Modificirte Circnmnutation. Cap. 5.

Tage war der Scheitel des friiheren Bogens oder Hakens vollkommen gerade und senkrecht geworden. Es lii.szt sich daher nicht daran zweifeln, dasz die Geradestreckung des hakenformigen Sprossen dieser Pflanze durch die Circumnutation der bogenformig gekriimmten Partie bewirkt wird, d. h. da­ durch, dasz Wachsthum zwischen der oberen und unteren Flii.che abwechselt, aber vorherrschend auf der unteren Fliiche mit einer unbedeutenden seit­ lichen Bewegung.

Wir waren im Stande die Bewegung eines anderen sich strrckenden Sprossen eine lii.ngere Zeit hindurch aufzuzeichnen (in Folge seines lang­ sameren Wachsthums, und weil er weiter von der senkrer.hten Glasscheibe entfernt gestellt worden war), namlich vom zeitigen Morgen am 13. Juli bis spat am Abend des 16. Am 14. streckte sich der Haken wii.hrend des ganzen Tages sehr wenig, bewegte sich aber zir.kzackformig und circum­ nutirte deutlich nahezu um denselben Fleck. Am 16. war er beinahe ge­ rade geworden, und die Aufzeichnung war nicbt lii.nger mehr genau; doch war es offenbar, dasz noch ein betrachtlicher Betrag von Bewegung so­ wohl aufwarts und abwarts, als seitlich bestand; denn wahrend der Scheitel fortfuhr sich zu strecken, wurde er gelegentlich eine kurze Zeit lang starker gekriimmt, was die Ursache war, dasz der Glasfaden zwei­ mal wiihrend des Tages sich senkte.

Smithia Pfundii. - Die steifen Endsprossen dieser leguminosen Wasserpflanze aus Africa springen so vor, dasz sie mit dem Stamme dar­ unter einen rechten Winkel bilden; dies kommt aber nur vor, wenn die Pflanzen im kraftigen Wachsthum sind; denn wenu sie an einem kiihlen Orte gehalten werden, werdeu die Gipfel der Stamme gerade, wie sie es auch am Ende der Wachsthumszeit thaten. Die Richtung des rechtwinklig gehogenen Theiles ist unabhangig von der Hauptlichtquelle. Aber nach­ dem wir die Wirkungen auf Pflanzen, wenn wir sie i das Dunkle brachten, beobachtet batten, in welchem Falle mehrere Sprossen in zwei odPr drei 'l'agen aufrecht oder nahezu aufrecht und, als sie in das Licht zuriick­ gebracht wurden, wieder rechtwinklig gekriimmt wurden, glauben wir, dasz die Biegnng zum Theil Folge des Apheliotropismus ist, augenschein­ lich etwas in .Opposition gegen Apogeotropismus. Auf der anderen Seite werden wir nach Beobachtung der Wirkungen des Niederbiegens eines Sprosseu, so dasz der rechte Winkel nach oben sah, zu der Annahme ge­ fiihrt, dasz die Kriimmung theilweise Folge von Epinastie ist. In. dem Masze, als der rechtwinklig gebogene Theil eines aufrechtrn Stammes alter wird, streckt sich der untere Theil gerade, uud dies wird durch Hypo­ nastie bewirkt. Wer SACHS' neuen Aufsatz iiber die verticalen und ge­ neigten Stellungen der Pflanzentheile 5 gelesen hat, wird sehen, wie schwierig ein Gegenstand wie der vorliegende ist, und wird dartiber nicht tiberrascht sein, dasz wir uns in diesen und anderen derartigen Fallen zweifelhaft ausdriicken.

Eine Pflanze von 20 Zoll Hohe wurde dicht unterhalb des ge­ kriimmten Gipfels an einen Stab gebunden. Der Gipfel zeigte etwas weniger als einen rechten Winkel mit dem Stamme darunter. Der Sprosz

 

Uber orthotrope und plagiotrope Pflanzentheile, in: Arbeit. Botan. lnstitut Wiirzburg, 2. Heft 1879, p. 226.

 

[page break] Cap. 5. Epinaetie und Hyponaetie. 233

zeigte vom Beobachter weg, und ein Glasfaden, welcher nach der verti­ calen Glasscheibe, auf welcher die Aufzeichnung gemacht wurde, hinwies, wurde an die convexe Oberflache des gekrllmmten Theiles befestigt. Es stellen daher die abs t e igen den Linien in der

Figur das Strecken des gekrllmmten Theiles, wie derselbe alter wurde, dar. Die Aufzeich­ nung (Fig. 123) worde um 9 a. m. am 10. Juli angefangen; der Glasfaden bewegte sich an­ fangs nur wenig zickzackformig, aber um

2 p. m, fieng er an sich zu erbeben und fuhr damit bis 9 p. m. fort; und dies beweist, dasz der terminale Theil starker abwiirts gebogen wurde. Nach 9 p. m. am 10. fieng eine ent­ gegengesetzte Bewegung an, und die gekrllmmte Partie fieng an sich zu strecken. Dies daoertP fort bis 11.10 a. m. am 12., wurde aber durch einig11 kleine Oscillationen und Zickzackbeweg­ ungen unterbrochen, was eine Bewegung in verschiedenen Richtungen ergab. Nach 11.10

a. m. am 12. circumnutirte dieser noch immer betrachtlich gekriimmte Theil des Stammes in einer augenfalligen Art bis nahezu 3 p. m. am

13.; aber wiibrend dicser ganzen Zeit herrschte

 

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eine Abwartsbewegung des Glasfadens vor, durcb das fortdauernde Strecken des Stammes verur­ sacht. Am Nachmittage des 13. war der Gipfel, welcher urspriinglich stiirker als in einem rech­ ten Winkel von der Senkrechten abgebogen ge­ wesen war, beinahe so gerade gewachsen, dasz die Aufzeicbnung an der verticalen Glasscheibe nicht lii.nger mehr verfolgt werden konnte. Es kann daher dariiber kein Zweifel bestehen, dasz das Strecken des abrupt gekriimmten Theiles des wachsenden Stammes dieser Pflanze, welches ganzlich Folge von Hyponastie zu sein scheint, das Resultat einer modificirten Circumnutation ist. Wir wollen nur noch hinzufiigen, dasz ein Glasfaden in einer verschiedenen Weise quer an den gekriimmten Gipfel einer anderen Pflanze befestigt wurde, und es wurde hier dieselbe all­ gemeine Art von Bewegung beobachtet.

1'rifolium repens. - In vielen, aber nicht in alien Species der Gattung Tri{olium biegen sicb in dem Masze, als die einzelnen kleinen Bliithchen verwelken, die Stiele der Bliith­ chen abwarts, so dasz sie parallel mit dem oberen Theile des Hauptbluthenstengels herabhangen.

 

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Fig. 123. Smithia P_f1mdii: Hypo 11asti.-.c-he Be,Hgung des gckrlimru ten Gipfels ci11PS Stamnws, wii.hrend r sich streckto, Yon 9 a. m., am

10. Juli, bis 3 p. m., nm l3., auf. gezeidrnet. Spitze 9'/i Zoll vou der senkrerhten Glns.,drnibe ab stehend. Zeichnuug auf ein Fiinftel des1\Iasz,c;tab:-s rles Originnl,; redu<'irt. Pflanze durch ein Obcrlicht be­ leuchtet. Tcmpcratur 17½-19° C.

 

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Bei Tr. subterraneum kriimmt sich der Hauptbliithenstengel abwarts, um seine Kapseln einzugraben, und in dieser Species werden die Stielchen der

 

[page break] 234 Modificirte Circumnutation. Cap. 5.

 

einzelnen Bliithchen aufwarts gebogen, so dasz sie die namliche relative Stellung zum oberen Theile des Hauptstengels einnehmen wie bei T1•. re­ pens. Schon diese Thatsache allein wiirde es wahrscheinlich rnachen, dasz

 

 

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Fig. 124. T1•(folimn 1•epena: Circumnutation uud epinastische Dewegungen des Stieles cincs ein zelnen lHiithchens, nuf einer senkrechten Glas­ scheibe unter cinem Oberlirht aufgezeichuet, bei A von 11.30 n. m., 27, Aug., bis 7 a. m, 30., bei B von 7 a. m. am 30. Aug., bis ein wenig nach

6 p. m. am 8. Sept.

 

 

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die Bewegungen der einzelnen Stiele tropismus waren. Um aber sicher Bltlthenkopfe an kleine Stabe mit

 

bei Tr. repens unabhiingig von Geo­ zu gehen, wurden trotzdem einige der oberen Seite uach unten, und

 

[page break] Cap. 5. Epinastie und Hyponastie. 235

andere in einer horizontalen Stellung festgebunden; ihre Bliithchen indessen kriimmten sich sammtlich schnell durch die Einwirkung des Heliotropismus aufwarts. Wir scbiitzten daher einige Bliithenkopfe, die in iihnlicher Weise an Stiibe befestigt waren, gegen das Licht, und obschon einige von ihnen faulten, wendeten viele Stiele ihrer Bliithchen sich sehr langsam aus ihrer umgekehrten oder ans ihrer horizontalen Stellung weg, so dasz sie in der normalen Art und Weise mit dem oberen Theile des Hauptstengels parallel standen. Diese Tbatsachen beweisen, dasz die Bewegung unab­ hiingig von Geotropismus oder Apheliotropismus ist. Sie musz daher der Epinastie zugeschrieben werden, welche indessen, wenigstens so lange die BHithen jung sind, durch Heliotropismus gehemmt wird. Die meisten der obigen Blftthen wurden niemals befruchtet in Folge des Ausschlieszens der llienen; sie verwelkten in Folge dessen sehr langsam, und auch die BewPguugen der Stiele der Bliithchen wurden in gleicher Weise bedeutend verlangsamt.

Um die Natur der Bewegung des Stieles eines Bliithchens, wahrend es sich abwar s bewrgte, zu ermittrln1 wurde ein Glasfaden quer auf den Gipfel des Kelches einer nicht vollstiindig ausgebreiteten und beinahe auf­

rechtstehenden Bliithe ziemlich in dem Mittelpunkte des Bliithenkopfes be­ fpstigt. Der Hauptbliithenstengel wurde dicht unterhalb des Kopfes an einen Stab festgemacht. Um die Zeichen an dem Glasstabe zu sehen, hatten einige wenige Bliithen an der unteren Seite des Bliitbenkopfes weggeschnitten werden miissen. Die der Beobachtung unterworfene Bliithe divergirte znerst ein wenig aus ihrer aufrechten Stellung, so dasz sie den durch die Entfernung der benachbarten Bliithen hervorgebrachten freien Raum einnahm. Dies erforderte zwei Tage, nach welcher Zeit eine neue Aufzeichnung angefangr,n wurde (Fig. 124). In A sehen wir den com­ plicirten circumnutirenden Weg, welcher von 11.30 a. m. am 26. August bis 7 a. m. am 30. eingeschlagen wurde. Dann wurde der 'l'opf sehr

wenig nach rechts liin bewegt, und die Aufzeichnung (B) wurde ohne Unterbrechung von 7. a. m. am 30. August bis nach 6 p. m. am 8. Sep­ tember fortgesetzt. Es musz bemerkt werden, dasz an den meisten dieser

Tage nur ein einzelner funkt an jedem Morgen zu derselben Stunde ge­ macht wurde. So oft nur immer die Bliithe sorgfaltig beobachtet wurde, wie am 30. August und am 5. und 6. September, ergab es sich, dasz sie iiber einen kleinen Raum circumnutirte. Endlich am 7. September fieng sie an sich abwarts zu biegen und fubr damit bis nach 6 p. m. am 8. und in der '!'hat bis zum Morgen des 9. fort, wo ihre •Bewegungen nicht liinger mehr an der senkrechten Glasscheibe aufgezeichnet werden konnten. Sie wurde withrend des ganzen 8. September sorgfiiltig beob­ achtet, und um 10.30 p. m. hatte sie sich bis zu einem Punkte gesenkt, der um zwei Drittel der Lange der bier mitgetheilten Figur tiefer stand; aber aus Mangel an Platz ist die Aufzeichnung in B nur bis kurze Zeit nach 6 p. m. copirt worden. Am Morgen des 9. war die Bllithe ver­ welkt, und nun stand das Blilthenstielchen in einem Winkel von 57 unter dem Horizont. Wenn die Bliithe befruchtet worden ware, wilrde sie viel eher verwelkt sein und sich schneller bewegt haben. Wir sehen hieraus, dasz das Blilthenstielchen auf und ab oscillirte oder circumnutirte und zwar wiihrend seines ganzen epinastischen Weges nach abwiirts.

 

[page break] 236 Modifleirte Cireumnutation. Cap. 5.

Die Stiele der einzelnen befruchteten und verwelkten BIO.then von Oxalis carnosa biegen sich gleichfalls durch Epinastie nach abwarts, wie in einem spateren Capitel gezeigt werden wird ; und ihre Bewegung ist stark zickzackformig, was auf Circumnutation binweist.

Die Anzabl von F!lllen, in welcben verschiedene Organe in Folge von Epinastie oder Hyponastie, haufig in Combination mit anderen Krl1ften, sicb zu den allerverscbiedenartigsten Zwecken bewegen, scbeint unerscbopflicb grosz zu sein, und aus den verschiedenen F!lllen, welche bier mitgetheilt worden sind, konnen wir mit Sicherheit srhlieszen, dasz derartige Bewegungen Folge einer modificirten Circumnutation sind.

 

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Seohstes Capitel.

Modiflcirte Circumnutation: Schlaf- oder nyctitropische Be­ wegungen, 1hr Nntzen: Schlaf der Cotyledonen.

Vorlaufige Skizze der nyctitropischen Bewegungen von Bliittern. - Anwesenheit von Polstern. - Die Verringerung der Strahlung als Endursache der nycti­ tropischen Bewegungen : Art und Weise, in welcher Experimente an den Bliittern von Oxalis, Arachis, Cassia, Melilotus, Lotus und Marsilea und an den Cotyledonen von Mimosa angestellt wurden. - Schluszbemei-kungen iiber die Strahlung von Bliittern. - Kleine Verschiedenheiten in den Bedingungen bringen eine grosze Verschiedenheit in dem Resultate hervor. - Beschreibung der nyctitropischen Stellung und Bewegungen der Cotyledonen verschiedener Pflanzen. - Liste der Species. - Schluszbemerkungen. - Unabhangigkeit der nyctitropischen Bewegungen der Blatter und der Cotyledonen einer und derselben Species. - Grilnde flir die Annahme, dasz die Bewegungen zu einem speciellen Zwec e erlangt worden sind.

Der sogenannte Schlaf der Bl!itter ist eine so augenflillige Er­ scheinung, dasz sie so friih schon beobacbtet wurde, wie zur Zeit des P11Nrns 1; und seitdem LINNE seine beriihmte Abhandlung .somnus plantarum verOffentlicht hat, ist er der Gegenstand verscbiedener Ab­ bandlungen geworden. Viele Bliitben schlieszeu sich des Nachts, und auch von diesen sagt man, dasz sie schlafen ; ihre Bewegungen gehen uns aber bier nicbts an. Denn obscbon sie durch denselben Mecha­ nismus, wie in dem Falle junger Bl!itter bewirkt werden, n!imlicb durch ungleicbes Wacbstbum auf den entgegengesetzten Seiten (wie von PFEFFER zuerst nacbgewiesen wurde), so weicben sie doch wesent­ lich darin ab, dasz sie baupts!ichlich durch Ver!inderungen der Tem­ peratur anstatt des Lichtes erregt werden, und dasz sie, soweit wir es beurtheilen kOnnen, zu einem verschicdenen Zwecke ausgefiihrt werden.

 

1 Pfeffer hat eine klare und interessante Skizze der Geschichte dieses Gegenstandes in seiner Schrift: .Die periodischen Bewegungen der Blattorgane" 1875 p. 163, gegeben.

 

[page break] 238 Modificirte Circumnutation. Cap. 6.

Kaum irgend jemand nimmt an, dasz irgend eine wirkliche Analogie zwischen dem Schlafe der Thiere und dem der Pflanzen 2, mogen es Blatter oder Bliithen sein, bestebt. Es scbeint daher rathsam zu sein, den sogenannten Scblafbewegungen der Pflanzen einen verschiedenen Namen zu geben. Dieselben sind aucb meist unter dem. Ausdruck "periodisch" mit der unbedeutenden taglicben Erhebung und Senkung der Blatter, wie sie im vierten Capitel beschrieben wurde, vereinigt worden; und dies macht es nur nocb wiinschenswertber, den Schlaf­ bewegungen irgend einen bestimmten Namen zu geben. Nyctitropis­ mus und nyctitropisch, d. h. "Nachtwenden", kann sowohl fur Blatter als Bliithen angewendet werden und wird gelegentlich von uns ge­ braucht werden. Es ware aber am besten den Ausdruck auf die Blatter zu bescbriinken. Die Blatter einiger weniger Pflanzen bewege)l sich, wenn die Sonne intensiv auf sie scbeint, entweder aufwarts oder ah­ warts, und diese Bewegung ist zuweilen Tagesschlaf genannt worden. Wir glauben aber, dasz sie von einer von der der niicbtlicben Beweg­ ung wesentlich verschiedener Natur ist, und sie wird in einem spateren Capitel kurz betrachtet werden.

Der Schlaf oder Nyctitropismus der Blatter ist ein weiter Gegen­ stand, und wir glauben, dasz der zweckmaszigste Plan der sein wird, zuerst eine kurze Schilderung der Stellung zu geben, welche die Blatter des Nacbts einnehmen, und der Vortbeile, welcbe augenscbeinlich dar­ aus erlangt werden. Spater werden die merkwiirdigeren Falle im De­ tail besprochen werden, in Bezug auf Cotyledonen in dem vorliegenden Capitel und auf Blatter in dem nacbsten Capitel. Endlich wird ge­ zeigt werden , dasz diese Bewegungen das Resultat einer bedeutend modificirten und durch die Abwechslung von Tag und Nacbt oder Licht und Dunkelbeit regulirten Circumnutation sind, dasz sie aber aucb in einer gewissen Ausdebnung vererbt werden.

Wenn Blatter einscblafen, so bewegen sie sich entweder aufwarts oder abwllrts oder bei den Blattcben zusammengesetzter Bllitter vor­ warts, d. h. nach der Spitze des Blattes zu, oder riickwlirts, d. b. nacb seiner Basis zu; oder ferner sie konnen sich um ihre eigene Achsen drehen, ohne weder aufwlirts oder abwarts sich zu bewegen. Aber beinahe in allen Fallen wird die Flliche der Blattscbeibe so gestellt, dasz sie des Nachts nahezu oder vollstlindig senkrecht steht. Es kann daher die

2 C h. Royer musz indessen ausgenommen werden; s. Annal. des Sciences Natur. (5. Ser.) Botan. T. 9. 1868, 878.

 

[page break] Cap. 6. Schlafbewegungen. 239

Spitze oder die Basis oder einer der Seitenrllnder nach dem Z€nith hingerichtet sein. Auszerdem wird die obere Flache eines jeden Blattes und ganz besonders eines jeden Blattchens bllufig in dichte Beriihrung mit der des gegeniiberstehenden gebracht, und dies wird zum Theil durch eigentbiimliche, complicirte Bewegungen ausgeffihrt. Diese That­ sacbe veranlaszt die Vermuthung, dasz die obere FHl.che mehr Schutz bedarf als die untere. So fahrt das endstandige Blattchen bei Tri­

folium beispielsweise, nachdem es sich des Nachts aufwarts bewegt hat,

so dasz es senkrecht steht, bllufig fort sich iiberzubiegen, bis die obere Flllche nach abwarts gerichtet ist, wahrend die untere Flllche voll­ standig dem Himmel ausgesetzt ist. Und es wird auf diese Weise ein gewolbtes Dach iiber die beiden seitlichen Blattchen gebildet, welche ihre oberen Flachen dicht aneinander gepreszt baben. Hier haben wir den ungewohnlicben Fall vor uns, dasz eines der Blattchen des Nachts nicht senkrecht oder beinahe senkrecht steht.

Beachtet man , dasz die Blatter bei der Annahme ihrer nyctitro­ pischen Stellungen sich hllnfig durch einen Winkel von 90° bewegen,

dasz die Bewegung am Abend rapid ist, dasz sie in einigen Fllllen,

. wie wir im nachsten Capitel sehen werden, auszerordentlich complicirt ist, dasz bei gewissen Samlingen, die alt genug sind echte Blatter zu tragen, die Cotyledonen sich des Nacbts senkrecht aufwarts bewegen, wllhrend sich zu derselben Zeit die Blattcben senkrecht abwarts be­ wegen, und dasz in einem und demselben Genus die Blatter oder Co­ tyledonen einiger Species sich aufwllrts bewegen, wahrend diejenigen anderer Species sich abwilrts bewegen - halt man diese und andere derartige Thatsachen vor Augen, so ist es kaum moglich daran zu zweifeln, dasz Pflanzen irgend einen bedeutenden Vortbeil aus derartigen merkwiirdigen Bewegungsvermogen herleiten miissen.

Die nyctitropischen Bewegungen von Blattern und Cotyledonen werden auf zweierlei Weise 3 ausgefiihrt, erstens durch Vermittlung von Polstern, welche, wie PFEFFER gezeigt hat, abwechselnd auf den entgegengesetzten Seiten starker turgesciren, und zweitens durch ver­ melirtes Wachsthum der einen Seite des Blattstiels oder der Mittel­ rippe entlang und dann auf der entgegengesetzten Seite, wie zuerst

 

3 Auf diesen Unterschied wurde zuerst von Dassen 1837 hingewiesen (nach der Angabe von Pfeffer in: Die periodischen Bewegungen der Blattorgane, 1875, p. 161).

 

[page break] 240 Modificirte Circumnutation. Cap. 6.

von BATALIN bewiesen wurde 4 Da aber von DE VRIES gezeigt worden ist 5, dasz in diesen letzteren Fallen dem vermehrten Wacbsthum die vermehrte Turgescenz der Zellen vorausgebt, so wird der Unterschied iwiscben den obigen beiden Mitteln der Bewegung bedeutend vermindert und bestebt hauptsll.cblicb in der Turgescenz der Zellen eines voll­ standig entwickelten Polsters, welcber kein Wachsthum folgt. Wenn die Bewegungen von BHlttern oder Cotyledonen, die mit einem Polster verseben sind, und welcbe kein Polster besitzen, mit einander ver­ glichen werden, so erkennt man, dasz sie einander sehr llhnlich sind und allem Anscheine nach zu demselben Zwecke ausgefuhrt werden. Mit unserem Gegenstande vor Augen, erscheint es daher nicht geratben, die obigen zwei Gruppen von Fallen in zwei verscbiedene Classen zu vertbeilen. Es besteht indessen ein bedeutungsvoller Unterscbied zwiscben ihnen, namlich dasz Bewegungen, welche durcb Wachsthum auf den abwechselnden Seiten bewirkt werden, auf junge wacbsende Blatter beschrankt sind, wahrend diejenigen, welcbe mittelst eines Polsters ausgefiibrt werden, eine langere Zeit bindurch dauern. Wir haben bereits gut ausgesprochene Beispiele dieser letzteren Tbatsache bei Cotyledonen gesehen, und dasselbe findet sicb bei Blattern, wie von_ PFEFFER und von uns beobachtet worden ist. Das lange Andauern der nyctitropiscben Bewegungen, wenn sie durcb Vermittlung von Polstern

ausgefubr•t werden, weist auszer den bereits mitgetbeilten Belegen auf

die functionelle Becleutung solcher Bewegungen flir die Pflanze bin. Es bestebt noch ein anderer Unterschied zwischen den zwei Gruppen von Fallen, nllmlicb dasz niemals oder sehr selten irgend eine Dreh ung der Blatter eintritt, ausgenommen, wenn ein Polster vorhanden hit 6; aber diese Angabe beziebt sich nur auf periodische und nycti­ tropische Bewegungen, wie aus anderen_ von FRANK 7 mitgetheilten Fallen geschlossen werden kann.

Die Thatsache, dasz die Blatter vieler Pflanzen sich des Nachts in ganz verschiedenen Stellungen von der wahrend des Tages von ibnen eingenommenen bringen, aber mit dem einen gemeinsamen Punkte, dasz ihre Oberflacben vermeiden nach dem Zenith binzusehen, haufig in Verbindung mit der weiteren Tbatsache, dasz sie mit gegen-

 

+ Plora, 1878, p. 433.

Botan. Zeitung, 1879. 19. Decbr., p. 830.

6 Pfeffer, die period. Bewegungen d. Blattorgane, 1875, p. 159.

1 Die nat. wagerechte Richtung von Pflanzentheilen, 1870, p. 52.

 

[page break] Cap. 6. Schlafbewegungen. .

 

241

 

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standigen Blattern oder Blattchen in dichte Beriihrung kommen, deutet, wie uns scheint, klar an, dasz das zu erreichende Ziel der Schutz der oberen Flache gegen die des Nachts durch Ausstrahlung verursachte Erkaltung ist. Darin, dasz die obere Flacbe mehr Schutz bedarf als die untere, liegt nichts Unwahrscheinliches, da die zwei in Function und Bau von einander verschieden sind. Alle Gartner wissen, dasz Pflanzen unter der Strahlung leiden. Diese ist es, und es sind nicht kalte Winde, welcbe die Bauern des siidlicben Europa fiir ihre Olive fiirchten 8 Samlinge werden haufig durch eine sehr diinne Decke von Stroh gegen Strahlung gescbiitzt und Fruchtbaume an Mauern durcb einige wenige Tannenzweige oder selbst <lurch ein iiber sie ge­ hangtes Netz. Es gibt eine Varietat der Stachelbeere 9, deren Bliithen, weil sie vor den Blattern entwickelt werden, von diesen nicht gegen Strahlung gescbiitzt werden und in Folge dessen baufig keine Frucht geben. Ein ausgezeicbneter Beobachter 10 hat die Bemerkung gemacht, dasz eine Varietat der Kirsche sehr stark rftckwarts gerollte Kronen­ blatter an ihren Bliithen hat; und nach einem Froste waren sammt­ liche Narben getodtet, wahrend zu derselben Zeit bei einer anderen Varietat mit einwarts gerollten Kronenblattern die Narben nicht im mindesten verletzt waren.

Diese Ansicht, dasz der Schlaf der Blatter sie davor bewahrt, dasz sie des Nachts durch Strahlung erkaltet werden, wiirde ohne Zweifel schon LINNE aufgestiegen sein, ware das Princip der Strahlung damals entdeckt gewesen; denn er spricht an vielen Stellen seities

,,Somnus plantarum" die Vermuthung aus, dasz die Stellung der Blatter des Nacbts die jungen Stamme und Knospen und haufig den jungen Bliithenstand gegen kalte Wintle beschiitzt. Wir sind weit entfernt davon zu bezweifeln, dasz ein weiterer Vortbeil hierdurch erlangt wird, und wir haben bei mehreren Pflanzen, beispielsweise bei Desmodium gyrans beobachtet, dasz, wabrend die Blattscbeibe des Nachts senk­ recht abwarts sinkt, der Blattstiel sich erhebt, so dasz die Blattscheibe sich durch einen groszeren Winkel bewegen musz, um ihre senkrechte

 

8 Martins, in: Bull. Soc. Botan. de France, T. 19. 1872. Wells macht in seiner bekannten Abhandlung iiber den Thau die Bemerkung, dasz ein exponirtes Thermometer steigt, so bald auch nur eine flockige Wolke hoch am Himmel Uber den Zenith wegzieht.

' Loudon, Gardener's Magaz. Vol. IV. 1828. p. 112.

10 Mr. Rivers, in: Gardener's Chronicle, 1866, p. 732.

DARWIX, Bewegungsverrnogen. (XHI.) 16

 

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Stellung einzunehmen, als es sonst nothig gewesen ware, aber mit dem Resultate, dasz sammtliche Blatter an der namlichen Pflanze dicht zusammengedrangt werden, gleichsam zu gegenseitigem Schutze. Wir zweifelten zuerst, ob die Strahlung in irgend einer bedeu-

tungsvollen Art und Weise .so zarte Gegenstande, wie es viele Cotyle- , donen und Blatter sind, afficiren konne, und noch besonders, ob sie

deren obere und untere Flachen verschieden afficiren konnen. Denn obgleich die Temperatur ihrer oberen Fliichen zweifellos sinken wird, wenn sie einem klaren Himmel frei ausgesetzt sind, so glaubten wir doch, dasz sie durch Leitung die Temperatur der umgebenden Luft so schnell annehmen wiirden, dasz es kaum irgend einen merkbaren Unterschied fur sie machen wurde, ob sie horizontal stiinden und in den offenen Himmel ausstrahlten oder senkrecht und hauptsachlich in einer seitlicben Richtung nach benachbarten Pflanzen und anderen Objecten ausstrahlten. Wir bemiihten uns daher etwas uber diesen Punkt dadurch zu ermitteln, dasz wir die Blatter verschiedener Pflanzen daran hinderten einzuschlafen, und dasz wir diese sowohl wie die an-

deren Blatter an den namlichen Pflanzen•, welche bereits ihre nacht-

liche senkrechte Stellung eingenommen batten, einem klaren Himmel aussetzten, wenn die Temperatur unter clem Gefrierpunkt war. Unsere Experimente zeigen, dasz Blatter, welche in dieser Weise gezwungen wurden des Nachts horizontal zu bleiben, viel mehr Schadigung <lurch den Frost erlitten als diejenigen, denen gestattet wurde ihre normale senkrechte Stellung anzunehmen. Es kann indessen hiergegen gesagt werden, dasz aus derartigen Beobachtungen gezogene Schliisse nicht auf schlafende Pflanzen anwendbar sind, welche Lander bewohnen, wo Froste nie vorkommen. Aber in jedem Lande und zu allen Jahres- zeiten miissen Blatter nachtlichen Erkaltungen durch Strahlung aus- gesetzt sein, welche in einem gewissen Grade ihnen schadlich sein konnen, und denen sie entgchen wiirden, wenn sie eine senkrechte Stellung einnehmen.

In unseren Experimenten wurden Blatter daran, dasz sie ihre

nyctitropische Stellung annehmen, meist dadurch gehindert, dasz sie

mit den feinsten Insectennadeln (welche sie in keiner merkbaren Weise ..

schadigten) auf dtinne von Staben getragene Korkscheiben befestigt wurden. In einigen Fallen wurden sie aber durch schmale Streifen von Carton niedergehalten und in anderen dadurch, dasz ihre Blatt- stiele durch Spalten in Kork gesteckt wurden. Die Blatter wurden

 

[page break] Cap. 6. 8chlafbewegungen. 243

zuerst dicht auf den Ifork befestigt; da dieser aber ein . schlecbter Warmeleiter ist, nnd da die Blatter nicht lange Zeit exponirt wurden, so glanbten wir, dasz <ler Kork, welcher im Hause aufbewahrt worden war, sie in einem unbedeutenden :Masze erwarmen wiirde, so dasz, wenn sie durch <lm Frost in einem boheren Grade geschadigt wiirden, als die freien, senkrecbt stehenden Blatter, der Beweis um so viel starker dafiir sein wiirde, dasz die horizontale Stellung schadlicb sei. Wir fanden aber, dasz, wenn irgend ein geringer Unterscbied in dem • Result ate bestand, welcher nur gelegentlich entdeckt werden konnte, die Blatter, welcbe dicbt nieder befestigt wurden, eher noch mebr litten als diejenigen, welche mit sehr langen und diinnen Nadeln be­

festigt waren, so dasz sie von ½ bis ¾ Zoll uber dem Kork standen.

Dieser Unterschied im Resultate, welcher an und fiir sich merkwiirdig ist, da er zeigt, was fiir ein sehr unbedeutender Unterschied in den Bedingungen <lie Grosze der herbeigefiihrten Schadigung beeinfl.uszt, kann, wie wir glauben, dem Umstande zugeschrieben werden, dasz die umgebende warmere Luft nicht frei unter den dicht aufgesteckten Blattern circuliren und sie hierbei gering erwarmen kann. Dieser Schlusz wird durch einige analoge 'l'hatsachen, die spater mitgetheilt werden, unterstutzt.

Wir wollen nun im Detail die angestellten Experimente beschreiben. Dieselben waren miihsam, weil wir nicbt im Stande waren vorauszu­ sagen, eine wie starke Klllte die verscbiedenen Species ertragen wiirden. Bei vielen Pfl.anzen wurde jedes Blatt getodtet, sowohl die, welcbe in einer horizontalen Stellung befestigt waren, als die, denen gestattet wurde zu schlafen, d. b. sich senkrecht aufwarts zu erheben oder ah­ warts zu senken. Bei anderen war nicht ein einziges Blatt im min­ desten beschadigt, und diese muszten entweder fiir eine langere Zeit oder einer noch niedrigeren Temperatur ausgesetzt werden.

Oxalis acetosella. - Ein sehr groszer, dicbt mit zwischen 300 bis 400 Blattern bedeckter 'fopf war den ganzen Winter iiber im Ge­ wachshaus gehalten worden. Sieben matter wurden mit Stecknadeln horizontal offen gebalten und wurden am 16. Marz zwei Stunden lang einem klaren Himmel ausgesetzt, wahrend die Temperatur auf dem um­ gebenden Grase - 4 C. war. Am niichsten l\forgen ergab sich, dasz alle sieben Blatter vollstandig geti.idtet waren. So waren es auch viele von den freigelassenen, welche vorher eingeschlafen waren, und ungefahr 100 von ihnen wurden entweder todt oder gebriiunt oder verletzt aufgelesen. Einige Blatter zeigten, dasz sie unbedeutend verletzt worden waren, dadurch, dasz sie sich den ganzen folgenden Tag hindurch nicht ausbreiteten,

16*

 

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obsehon sie sich spitter wieder erholten. Da alle die Blatter, welche durch Nadeln offen gehalten worden waren, getodtet, und nur ungefahr 1/3 oder

1/4 der anderen entweder getodtet oder beschadigt waren, so batten wir

hierin einen kleinen Beleg dafiir, dasz diejenigen, welche an der Annahme ihrer senkrecht herabhangenden Stellung gehindert worden waren, am meisten gelitten hatten.

Die folgendeNaclit(l7.)war klar und beinahegleich kalt (-3 bis - 4° C. auf dem Grase). Der Topf wurde wiederum hinausg stellt, aber diesmal nur 30 Minuten lang. Acht Blatter waren durch Nadeln offen gehalten

• worden, und am Morgen waren zwei von ihnen abgestorben, wahrend nicht einziges anderes Blatt an den vielon Pflanzen auch nur beschadigt

gewesen ware.

• Am 23. wurde der Topf 1• Stunde 30 Min. lang exponirt, wahrend die Temperatur auf dem Grase nur - 2 C. war, und nicht ein einziges

Blatt war beschadigt. Indessen standen die durch Nadeln offen gehaltenen Blatter sii.mmtlich von % bis ¾, Zoll oberhalb des Korkes.

Am 24. wurde der Topf wiederum auf die Erde gestellt und zwischen

85 und 40 Minuten einem klaren Himmel ausgesetzt. Durch ein Mis­ verstandnis war das Thermometer auf einer in der Nahe befiudlichen Sonnenuhr von 3 Fusz Hohe gelassen worden, statt auf das Gras gestellt zu warden; es gab - 3.3 bis - 3.8 C. an; als aber nach einer Stunde wiederum nachgesehen wurde, war es auf - 5.5 C. gefallen, so dass der Topf vielleicht einer im Ganzen niedrigeren Temperatur ausgesetzt war, als bei den zwei friiheren Gelegenheiten. Acht Blatter waren durch Nadeln offen gehalten worden, einige dicht am Kork und einige iiber ihm, und

am folgenden Morgen zeigten sich fiinf von ihnen (d. h. 63 ¾) abgestorben.

Durch Zahlen eines 'fheiles der Blatter schatzten wir, dasz ungefahr 250 eingeschlafen waren, und von diesen waren ungefahr 20 (d. h. nur 8 %)

getodtet und ungeiahr 30 verletzt.

In Anbetracht dieser Falle laszt sich daran nicht zweifeln, dasz die Blatter dieser Oxalis, wenn ihnen gestattet wird, des Nachts ihre normale senkrecht herabhangende Stellung einzunehmen, vial weniger vom Frost leiden a.ls diejenigen (der Zahl nach 23), deren obere Flachen dem Zenith ausgesetzt waren.

Oxalis carnosa. - Eine Pflanze dieser chilenischen Species wurde 30 Minuten lang einem klaren HimmAl ausgesetzt, wahrend das Thermometer auf dem Grase auf - 2 C. stand. Einige ihrer Blatter waren durch Nadeln offen gehalten, und nicht ein Blatt an der ganzen, buschigen Pflanze war im mindesten beschadigt. Am 16. Marz wurde eine andere Pflanze in ahnlicher Weise 30 Minuten lang exponirt, als die Temperatur auf dem Grase nur ein wenig niedrigeror war, namlich - 3 bis - 4 C. Sechs von den Blattern waren durch Nadeln offengehalten, und am nachsten Morgen ergab sich, dasz fiinf von ihnen stark gebraunt waren. Die Pflanze war eine grosze, und keines der freien Blatter, welche schliefen und senk­ recht herabhiengen, war gebraunt mit Ausnahme vier sehr junger. Aber drei andere Blatter waren, wenngleich nicht gebraunt, in einem etwas welken Zustande und behielten ihre Nachtstellung wahrend des ganzen folgenden Tages bei. In diesem Falle war es augeniallig, dasz die Blatter, welche horizontal dem Zenith ausgesetzt waren, a.m meisten gelitten batten.

 

[page break] Cap. 6. Schla.fbewegungen. 245

Dieser namliche Topf wurde spater 35-40 Minuten lang in einer un­ bedeutend kalteren Nacht exponirt, und ein jades Blatt, sowohl die durch Nadeln offetlgehaltenen als die freigelassenen, wurde getodtet. Es mag rtoch hin1mgefilgt werden, dasz zwei Topfe Ton 0. corniculata ( var. atropurpurea) zw i und drei Stunden lang einem klaren Himmel bei einer Temperatur auf dem Grase von - 2 C. ausgesetzt wurden, und keines der Blatter, weder die freigelassenen noch die mit Nadeln offengehaltenen waren im geringsten beschadigt.

Aracliis Jiypogaea. Einige Pflanzen in einem Topfe wurden des Nachts 30 Minuten lang einem klaren Himmel ausgesetzt, wahrend die Temperatur anf dem umgebenden Grase - 2 C. war, und zwei Nacbte spitter wurden sie wiederum der namlichen Temperatur ausgesetzt, diesmal aber 1 Stunde 30 Minuten lang. Bei keiner der beiden Golegenheiten wurde ein einziges Blatt, weder ein mit Nadeln offengehaltenes noch frei­ gelassenes besr,hii.digt, und dies iiberraschte uns sehr in Anbetracht der tropiscb-africanischen Heimath der Pflanze. Zwei Pflanzen wurden nun zuniichst.(16. Marz) 30 Minuten lang einem klaren Himmel ausgesetzt, als die Temperatur des umgebenden Grases niedriger war, niimlich zwischen

3 und - 4 C., und alle vier durch Nadeln offengehaltene Blatter wurden geti:idtet und geschwarzt. Diese zwei Pflanzen trugen 22 andere freigelassene Blatter (mit Ausschlusz einiger sebr junger, knospenartiger), und nur zwei von diesen wurden geWdtet nnd drei etwas beschadigt,

d. h. 23 ¼ wnrden entweder getodtet oder verletzt, wahrend alle vier

durch Nadeln festgehaltene Blatter vollstandig geti:idtet wurden.

In einer anderen Nacht wurden zwei Topfe mit mehreren Pflanzen zwischen 35 und 40 Minuten Jang einem klaren Himmel ausgesetzt und vielleicht einer im Ganzen zu niedrigen Temperatur, denn ein Thermometer auf einer drei Fusz hohen Sonnenuhr dicht daneben zeigte - 3.3 bis

3.8 C. In dem einen Topfe waren drei Blatter durch Nadeln offen­ gehalten worden, und alle waren bedenklich beschadigt; von den 44 frei­

gelassenen Bliittern wa.ren 26 beschadigt, das sind 59 ¼, In dem anderen

Topfe waren drei Blatter durch Nadeln offengehalten, und sie wurden siimmtlich geti:idtet, vier a.ndere Blatter wurden dadurch am Einschlafen gehindert, dasz schmale Streifen steif'en Papiers mit Gummi quer ilber sie befestigt wnrden, und sie wurden sammtlich getMtet; von 24 freigelassencn

Blattern wurden zehn getodtet, zwei bedeutend verletzt und zwolf blieben unverletzt, das heiszt: 50 ¼ der freien Blatter wurden entweder getMtet

oder bedeutend geschii.digt. Nehmen wir die zwei Topfe zusammen, so konnten wir sagen, dasz im Ganzen mehr als die Halfte der freigelassenen Blatter, welche eingeschlafen waren , entweder getodtet oder verletzt wurden, wiihrend siimmtliche zehn horizontal ausgebreitete Blatter, welche am Einschlafen verhindert worden waren, entweder getodtet oder bedeutend verletzt wurden.

Cassia floribunda. - Ein Busch wnrde des Nachts 40 Minut11n lang einem klaren Himmel ausgesetzt, als die 'l'emperatur auf dem um­ gebenden Grase - 2 C. war, und nicht ein Blatt wurde beschiidigt H.

 

11 Cassia laevigata wurde :35 Minnten Jang und C. calliantha (eine Species aus Guiana) 60 Minuten Jang einem kJaren Himmel ausgesetzt, als die Temperatur

 

[page break] 246 Modificirte Circumnutation. Cap. 6.

Er wurde wiederum in einer anderen Nacht 1 Stunde lang ausgesetzt, als die Temperatur des Grases - 4 C. betrug, und nu,n wurden siimmt­ liche Blatter an einem groszen Busche, mochten sie mit Nadeln platt offengehalten oder freigelassen worden sein , getodtet, geschwarzt und verschrumpft mit Ausnahme derer an einem kleinen Zweige tief unten, welche durch die Blatter an den Zweigen dariiber leicht beschiitzt worden wareu. Ein anderer hoher Busch, an welchem vier der groszen, zusammen­ gesetzten Blatter horizontal mit Nadeln ausgebreitet waren, wurde spiiter, aber nur fur 30 Minuten Iang, ausgesetzt (die Temperatur des umgobenden Grases war genau dieselbe, namlich - 46 U.). Am folgenden Morgen war jedes einzelne Bliittchen an diesen vier Bliittern abgostorlrnn, und es war sowohl die obere als die untere Flache derselben vollstandig geschwarzt. Von den vielen freigelassenen Bliittern am Busche waren nur sieben ge­ schwarzt, und von diesen hatte nur ein einziges (welches ein jiingeres und zarteres Blatt war als irgend eines von den mit Nadeln befestigten) beide Oberflachen geschwiirzt. Der Contrast in dieser letzteren Beziehung wurde von einem freigelassenen Blatte sehr gut gezeigt, welches zwischen zwei mit Nadeln offengehaltenen stand. Denn bei diesen letzteren waren die unteren Flachen ihrer Bliittchen so schwarz wie Tinte, wahrend das dazwischen liegende freie Blatt, obschon es bedenklich verlf:ltzt war, noch immer eine deutliche Farbung von Griin auf der unteren Flache der Bliittchen zeigte. Dieser Busch bot in einer auffallenden Art mlll W rise die iiblen Wirkungen des. Eingriffs dar, dasz den Blattr-rn nicht gestattrt wurde, des Nachts ihre normale herabhangende Stellung einzunehmen. Denn waren sie alle daran verhindert worden, so wiirde zuversichtlich jedes einzelne Bfatt am Busche durch dieses Aussetzen von nur 30 Minuten vollstandig getodtet worden sein. Die Blatter drehen sich, wiihrend sir am Abende sich nach abwarts senken, so herum, dasz die obere Fliiche nach innen gedreht und in dieser Weise besser geschiitzt wird, als dii; nach auszen gedrehte untere Flache. Nichts desto weniger war es immer die obere Fliiche, welche mehr geschwiirzt war, als die untere, sobald nur immer irgend ein Unterschied zwischen ihnen wahrgenommen werden konnte; ob dies aber eine Folge davon war, dasz die Zellen in der Nairn der oberen Flachen zarter sind, oder einfach deshalb, dasz sie mehr Chlorophyll enthalten, wissen wir nicht.

Melilotus officinalis. - Ein groszer Topf mit vielen Pflanzen,

welcher wahrend des Winters im Gewachshause gehalten worden war, wurde wahrend fiinf Stunden des Nachts einem unbedeutenden Frost und klarem Himmel ausgesetzt. Vier Blatter waren durch Stecknadeln offen­ gehalten worden, und diese starben nach wenigen Tagen ab; dasselbr thaten auch viele der freigelassenen Blatter. Es war daher nichts mit Sicherhoit aus diesem Versuche zu schlieszen, obschon er darauf hinwies, dasz die horizontal ausgebreitet gehaltenen Blatter am meisten litten. Es wurde nun zunachst ein anderer groszer Topf rnit vielen Pflanzen eim

 

auf dem umgebenden Grase - 2° C. war, und keine von beiden Arten wurde im geringsten beschiidigt. Als aber C. laevigata eine Stunde lang exponirt, wurde, wahrend die Temperatur auf dem umgebenden Grase - 3 und - 4 C war, wur­ den alle Blatter getodtet.

 

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Cap. 6. Schlafbewegungen. 247

 

Stunde Jang ausgesetzt, wahrend die Temperatur auf dem umg,bend 11 Grase niedriger war, namlirh - 3 bis - 4 Zehn Blatter waren mit Stecknadeln offengehalten worden, und das Resultat war auffallend; denn am folgenden Morgen zeigte es sich, dasz alle diese bedeutend verletzt oder getodtet waren; und keines der vielen freigelassenrm Blatter auf den verschi1,denen Pflanzen war durchaus verletzt mit der zweifelhaften Aus­ nahme von zwei oder drei sehr 'jnngen.

Meli l otits italica. - Sechs Blatter wurden mit Stecknadeln hori­ zoutal ausgebreitet gehalten, und bei dreien wurde die obere und bei dreien die untere Oberflache nach dem Zenith gekehrt. Die Pflanzen w urden fiinf Stun den lang einem klaren Himmel ausgesetzt, wiihrrnd di,, Temperatur am Boden ungefahr - 1 C. war. Am niichsten Morgen schienen die sechs durch Nadeln offengehalt(nen Blatter mehr beschadig•t zu sein, als selbst die jiingeren und zarteren freigelassenen an denselben Zweigen. Die Pflanze war indPssen zu lange ausgesetzt worden, denn nach Verlauf einiger Tage scliienen viele der freigelassernm BliittPr in beinahe einem so schlechten Zustande zu sein, als die durch Stecknadeln offengehaltenen. Es war unmiiglich zu entscheiden, ob die Blii.tter, deren obere Fliichen nach dem Zenith gekehrt waren, oder die, derrn nntere Flachen, am meisten gelitten batten.

1lfelilotus suaveolens. - Einige Pflanzen, an denen acht Blatter mit Nadeln offen gehalten wurden, wurden wahrend zwei StundPn einem klaren Himmel ausgesetzt, wahrend die Temperatur auf dem um­ gebenden Grase - 2 C. war. Am niichsten Morgen fanden sich sechs unter diesen acht Bliittern in einem welken Zustande. Es fanden sich ungefahr 150 freie Blatter an der Pflanze, und keines derselben war ver­ letzt mit Ausnahme von zwei oder drei sel1r jungen. Aher nach zwei Tagen, als die Pflanzen wieder in das Gewii.chshaus zuriickgebracht worden waren, erholten sich die sechs durt:h Nadeln offengehaltenen Blatter sammtlich.

Melilotus taurica. - Mehrere Pflanzen wurden fiinf Stunden lang wiihrend zweier Nii.chte einem klaren Himmel und unbedeutendem Froste in Verbindung mit einigem Winde ausgesetzt, und fiinf Blatter, welche durch Nadeln offengehalten worden waren, litten mehr als diejenigen so­ wohl dariiber als darunter an denselben Zweigen, welche eingeschlafen waren. Ein anderer Topf, welcher gleichfalls im Gewachshaus gehalten worden war, wurde 35-40 Minuten einem klaren Himmel ausgi>setzt, wahrend die Temperatur auf dem umgebenden Grase zwischen - 3 und

4 C. betrug. Neun B_latter waren mit Nadeln offengehalten worden, und alle diese wurden getiidtet. An den namlichen Pflanzen fanden sich

210 freigelassene Blatter, denen gestattet word en war, zu schlafen, und von diesen waren ungefahr 80, d. i. nur 38 % geUidtet.

Melilotus Petitpierreana. - Die Pflanzen wurden 35-40 Mi­

nuten lang einem klaren Himmel ausgesetzt: die Temperatur auf dem

umgebenden Grase betrug - 3 bis - 4 C. Sechs Blatter waren mit Nadeln so ausgestreckt worden, dasz sie ungefahr ½ Zoll oberhalb des Korkes standen, und vier waren mit Nadeln dicht auf ihm befestigt.

Diese zehn Blatter wurden sammtlich getiidtet, aber die dicht aufgenadelten litten am meisten, da vier von den sPchs, welche oberhalb des Korkes

 

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248 Modificirte Circumnutation. Cap. 6.

standen, noch immer kleine Fleckchen einer grtlnen Farbe beibehielten. Eine betrii.chtliche Zahl, aber nicht annahernd alle von den freigelassenen Blattern wurden getodtet oder stark verletzt, wahrend sammtliche mit Nadeln ansgespannt gewesenen getodtet wurden.

Melilotus macrorrhiza. - Die Pflanzen wurden in derselben Weise wie in dem lotzten Falle ausgesetzt. Sechs Blatter waren mit Nadeln horizontal offengehalten worden, und fiinf von ihnen wurden geUidtet,

d. h. 83 ¾- Wir schatzten, dasz ungefahr 200 freigelassene Blatter an

den Pflanzen vorhanden waren und von diesen wurden ungeffihr 50 ge­ todtet und 20 bedenklich verletzt, so dasz ungefahr 35 ¾ der freigelassenen Blatter getodtet oder verletzt wurden.

Lotus aristata. -- Sachs Pflanzen wurden nahezu fiinf Stunden einem klaren Himmel ausgesetzt: die Temperatur des umgebenden Grases war - 1.5 C. Vier Blatter waren durch Nadeln horizontal ausgespannt gehalten worden, und zwei von diesen litten mehr als diejenigen dariiber oder darunter an den namlichen Zweigen, denen gestattet worden war zu schlafen. Es ist eine ziemlich merkwiirdige Thatsache, dasz einige Pflanzen von Lotus Jacobaeus, einem Bewohner eines so heiszen Landes wie die Cap Verdischen Inseln, eine Nacht einem klaren Himmel ausgesetzt wurden, wahrend die Temperatur des umgebenden Hrases - 2 C. war, uud in einer zweiten Nacht 30 Minuten lang bei einer Temperatur des umgebenden Grases von - 3 bis - 4 C., und nicht ein einziges Blatt weder von den durch Nadeln offengehaltenen noch von den freien wurde im min­ desten verletzt.

Marsilea quad r if o li at a. - Eine grosze Pflanze dieser Species

der einzigen cryptogamen Pflanze, von der bekannt ist, dasz sie schlaft, - an der einige Blatter durch Nadeln offengehalten waren, wnrde

1 Stunde 35 Minuten lang einem klaren Himmel ausgesetzt, als die Temperatur auf dem urngebenden Boden - 2 C. betrug, und nicht ein einziges Blatt wurde verletzt. Nach Verlauf einiger Tage wurde die Pflanze wiederum 1 Stunde lang einem klaren Himmel ausgesetzt, als die Ternperatur auf dem urngebenden Boden niedriger war, namlich - 4 C. Sechs Blatter war,m durch Nadeln horizontal ausgebreitet gehalten, und diese wurden sii.mmtlich getodtet. Die Pflanze hatte lang ausgestreckte Stii.mme entwickelt, und diese waren rings mit einem Tuche umwickelt worden, um sie vor dem gefrorenen Boden und vor Strahlung zu schiitzen. Aber eine sehr grosze Zahl von Blattern wurden froi exponirt gelassen, welche eingeschlafen waren, und von diesen wurden nur 12 getodtet. Nach einem weiteren Zwischenraum wurden die Pflanzen mit neun durch Nadeln offengehalti>nen Blii.ttern wiederum eine Stunde Jang ausgesetzt, als die Temperatur auf dem Boden wiederum - 4 C. war. Sechs von den Blattern wurden getMtet, und eins, welches zuerst nicht verletzt schien, wurde spitter mit braun gestreift. An den gestreckten Zweigen, welche auf dem gefrorenen Boden lagen, war die Halfte oder drei Viertel der Blatter getodtet. Aber von den vielen andern Blattern a.n der Pflanze, welche allein mit den durch Nadeln offengehaltenen verglichen werden konnten, erschien auf den ersten Blick keines getodtet worden zu sein, bei sorgfii.ltigem Nachsuchen fanden sich aber zwt\lf abgestorben. Nach

3inem weiteren Zeitintervall wurde die Pflanze mit neun durch Nadeln

 

[page break] Cap. 6. Schlafbewegungen. 249

o1fengebaltenen Blattern 85-40 Minuten lang einem klaren Himmel und nahezu derselben oder vielleicbt einer etwas niedrigeren Temperatur (denn das 'fhermometer war durch einen Zufall auf einer dicht dabeistebenden Sonnenubr gelassen worden) ausgesetzt, und 8 von diesen Blattern wurden getodtet. Von den freigelassenen Blattern (ohne die an drei gestreckteu Zweigen in Betracbt zu zieben) waren eine gute Anzahl getodtet, aber ibre Zahl war, verglichen mit den nicht verletzten, klein. Nehmen wir endlicb die drei Versucbe zusammen, so wurden 24 horizontal ausgestreckte Blatter dem Zenith und einer ungehinderten Strablung ausgesetzt, und von diesen wurden 20 getodtet und eins verletzt, wii.hrend eine relativ sebr kleine Verhaltniszahl der Blatter, welchen man gestattet hatte mit ihren senkrecht herabhangenden Blii.ttcllen zu schlafen, getodtet oder verletzt wurde.

Die Cotyledonen mehrerer Pflanzen wurden fiir den Versuch vor­ bereitet, aber das Wetter war mild und wir batten nur in einem einzigen Falle Erfolg, dasz wir Samlinge des geborigen Alters in Nachten vor uns hatten, welcbe klar und kalt waren. Die Cotyledonen von sechs Sitmlingen von Mimosa pudica wurden auf Kork festgemacht und wurden in dieser Weise I Stunde 45 Minuten lang einem klaren Himmel ausgesetzt, with­ rend die Temperatur auf dem umgebenden Boden -I.7° C. war; von diesen wurden drei getodtet. Zwei andere Samlinge wurden, nachdem ihre Cotyledonen sich erhoben und dicht aneinander geschlossen batten, iiber­ gebogen und so befestigt, dasz sie horizontal standen, wobei die untere Oberflache eines Cotyledon vollstandig dem Zenith a.usgesetzt wurde, und beide wurden getodtet. Es wurden daber von den acht in dieser WeiRe dr.m Versuch unterworfenen Samlingen fiinf oder mehr als die Halfte ge- , todtet. Sieben andere Samlinge, deren Cotyledonen in ihrer normalen Nachtstellung sich befanden, namlich senkrecht und geschlossen, wurden zur namlicben Zeit exponirt, und von diesen wurden nur zwei getodtet 12 Es geht hieraus hervor, soweit diese wenigen Versuche iiberhaupt etwas aussagen, dasz die senkrechte Stellung der Cotyledonen von Mimosa pudica in der Nacht sie bis zu einem gewissen Grade gegen die iiblen Wirkungen der Strahlung nnd Kalte scbiitzt.

Schluszbemerkungen iiber die Strahlung von den Blatter n des Na c h t s. - Wir exponirten bei zwei Gelegenbeiten wahrend des Sommers mehrere durch Nadeln offengehaltene Blattchen von T,•ifolium pratense, welche des Nachts sich ilatiirlich erheben, und von Oxalis purpurea, welche des Nachts sich natiirlich senken

(beide Pflanzen wuchsen im Freien), einem klaren Himme•l und sahen

 

u Wir waren davon iiberrascht, dasz junge Siimlinge einer so tropischen Pflanze wie Mimosa pudica so gut, wie sie es thaten, zu widerstehen im Stande waren, als sie 1 Stunde 45 Minuten einem klaren Himmel ausgesetzt wurden, bei einer Temperatur des umgebenden Bodens von 1.7 C. Es mag noch hinzugefligt rden, dasz Samlinge der Indischen Cassfo pubescens l Stunde 30 Minuten lang einem klaren Himmel bei einer Temperatur auf dem umgebenden Boden von

29 C. anRgesetzt wurden, nrnl sie wurden nicht im Mindesten verletzt.

 

[page break] 250 Modificirte Circumnutation.

an mehreren aufeinander folgenden Morgen zeitig nach ihnen, nachdem sie ihre Tagesstellungen angenommen batten. Der Unterschied in der Menge von Thau auf den durch Nadeln festgehaltenen Blltttchen und auf denen, welche eingeschlafen waren, war meist augenfallig; die letzteren waren zuweilen absolut trocken, wahrend die BHtttchen, welche horizontal gestanden batten, mit groszen Thauperlen iiberzogen waren. Dies zeigt, wie viel kalter die dem Zenith vollstandig aus­ gesetzten Blii.ttcl1en geworden sein muszten, als diejenigen, welche beinahe senkrecht entweder aufwarts oder abwarts wahrend der Nacht gestanden hatten.

Nach den verschiedenen, oben mitgetheilten Fallen, laszt sich nicht daran zweifeln, dasz die Stellung der Blatter des Nachts auf ihre Temperatur durch Strahlung in einem derartigen Grade wirkt, dasz es, wenn sie einem klaren Himmel wabrend eines Frostes aus­ gesetzt sind, geradezu eine Frage um Leben und Tod ist. Wenn wir sehen, dasz ihre Nachtstellung so gut angepaszt ist die Strahlung zu vermindern, so Mnnen wir daher als im l10hen Grade wahrscheinlich annel1men, dasz der durch haufig complicirte Schlafbewegungen erreichte Zweck der ist, den Grad, bis zu welchem sie wahrend der Nacht er­ kaltet werden, zu vermindern. Es ist im Auge zu halten, dasz es besonders die obere Flache ist, welche in dieser Weise geschiitzt wird, da sie niemals gegen den Zenith gerichtet und haufig in dichte Be­ riihrung mit der oberen Flache eines gegenuberstehenden Blattes oder Blattchens gebracht wird.

Es gelang uns nicht hinreichende Beweise dafiir zu erbalten, oh

der bessere Schutz der oberen Flache dadurch erlangt wurde, dasz sie leichter verletzt wurde, als die untere, oder dadurch, dasz ihre Ver­ letzung ein groszerer Schaden fiir die Pflanze ist. Dasz in der Consti­ tution etwas Verschiedenheit zwischen den zwei Oberflachen besteht, wird durch die folgenden Falle erwiesen. Cassia fioribunda wurde in einer scharfen frostigen Nacht einem klaren Himmel ausgesetzt, und an mehreren Blattchen, welcbe ihre nachtliche herabh1ingende Stellung mit ihren unteren Flachen so nach auswarts gedreht, dasz sie scbrag dem Zenith ausgesetzt sind, 1;1,ngenommen batten, waren nichts desto weniger diese unteren FHlchen weniger geschwarzt, als die oberen, welche nach einwllrts gewendet und in dicbter Beriibrung mit denen der gegenstandigen Blattchen waren. Ferner wurde ein Topf voller Pflanzen von Trifolium resupinatum, welcher drei Tage lang in einem

 

[page break] Cap. 6. Schlafbewegungi>n. 251

warmen Zimmer gel1alten worden war, in einer klaren und beinabe frostigen Nacht ins Freie gebracht (21. September). Am nachsten Morgen wurden zehn von den terminalen Blattchen unter dem Micro­ scope mit auffallendem Lichte untersucbt. Wenn diese Blattcben einschlafen, drehen sie sich entweder senkrecht aufwarts, oder noch gewohnlicber biegen sie sich ein wenig iiber die seitlichen Blattchen, so dass ihre unteren Flachen mebr dem Zenith ausgesetzt sind, als die oberen. Nichts desto weniger waren sechs von diesen zehn Blattchen deutlich. auf der oberen Fll1che gelber als auf der unteren und exponirter gewesenen. An den iibrigen vieren war das Resultat nicht so deutlich, aber was fiir eine Verscbiedenheit nun vorhanden war, wies sicher darauf bin, dasz die obere Flache am meisten ge­ litten hatte.

Es ist angefiihrt worden , dasz einige von den dem Experimente

unterworfenen Blattchen dicht an den Kork befestigt wurden und andere in einer Hohe von 1/2bis ¾ Zoll iiber ihm, und dasz, wenn, nachdem

sie dem Froste ausgesetzt waren, irgend ein Unterschied in ibrem Zustande nachgewiesen werden konnte, die dicht aufgesteckten am meisten gelitten hatten. Wir scbrieben dicse Verschiedenheit dem Umstande zu, dasz die nicht durch Strahlung abgekiihlte Luft dnran verbindert wurde, frei unter den dicht aufgesteckten Blattchen zu circuliren. Dasz wirklich in der Temperatur der nach diesen zwei verscbiedenen Methoden behandelten Bl!l.tter eine Verschiedenheit be­ stand, zeigte sich deutlich bei einer Gelegenheit; denn nachdem ein Topf mit Pflanzen von llfelilotus dentata zwei Stunden lang einem klaren Himmel (die Temperatur auf dem umgebenden Grase war - 2° C.) ausgesetzt gewesen war, war es offenbar, dasz mehr Thau auf den dicht auf den l{ork aufgesteckten Blattchen in Reif gefror, als an denjenigen, welche horizontal ein wenig oberhalb des Korkes standen. Ferner sprangen die Spitzen einiger weniger Blattchen, welche dicht auf den Kork mit Nadeln befestigt waren, ein wenig iiber den Rand vor, so dasz die Luft frei rings um sie circuliren konnte. Dies trat bei sechs Blattchen von Oxalis acetosella ein, und ihre Spitzen litten bestimmt etwas weniger als das Ubrige der namlichen Blattchen; denn am folgenden Morgen waren sie noch immer in geringem Grade grfm. Dasselbe Resultat trat selbst noch deutlicher in zwei Fallen mit Blattchen von Melilotus officinalis ein, welcbe ein wenig iiber den Kork vorsprangen; und in zwei anderen Fallen wurden einige Blattchen,

 

[page break] 252 Modifl.cirte Circumnutation. Cap. 6.

welche dicht auf den Kork aufgenadelt waren, verletzt, wil.hrend andere freie Blil.ttchen an denselben Blllttern, welche keinen Raum batten zu rotiren und ibre geMrige verticale Stellung einzunehmen, nicht im mindesten verletzt waren.

Noch eine andere analoge Thatsache verdient erwahnt zu werden: Wir beobachteten bei mehreren Gelegenbeiten, dasz eine groszere An­ zahl freigelassener Blil.tter an denjenigen Zweigen verletzt warden, welche dadurch bewegungslos gebalten wurden, dasz einige ihrer Bli!.tter an clie Korkstiicke mit Nadeln befestigt wurden als an anderen Zweigen. Das war bei Melilotus Petitp'ierreana in auffalliger Weise der Fall; es wurden aber in diesem Falle die verletzten Blil.tter nicht factisch gezil.hlt. Bei Arachis hypogaea trug eine junge Pflanze mit sieben Stlimmen 22 freie Blil.tter, und von diesen wurden fiinf durch den Frost verletzt, welche sil.mmtlicb an zwei Stil.mmen waren, von denen vier Blil.tter an die Korkunterlage mit Nadeln befestigt waren. Bei Oxalis carnos(i wurden sieben freigelassene Blatter verletzt, und jedes einzelne davon gehorte einem Busch von Blil.ttern an, aus dem einige an den Kork mit Nadeln befestigt waren. Wir konnten diese Falle nur durch die Annahme erklaren, dasz die Zweige, welche vollig frei•waren, durch den Wind leicht bewegt worden waren, und dasz ihre Blil.tter hierdurch durch die umgebende warmere Luft ein wenig erwarmt wurden. Wenn wir unsere Hande bewegungslos vor einem starken Feuer halten und sie dann umherschwingen, fiihlen wir sofort Erleichterung, und dies ist offenbar ein analoger, obschon umgekehrter Fall. Diese verschiedenen Thatsachen - in Bezug auf Blil.tter, welche dicht an die Korkunterlage oder ein wenig dariiber mit Nadeln be­ festigt wurden - dasz ihre Spitzen iiber die Korkunterlage vorspringen,

und in Bezug auf die BHttter an bewegungslos gehaltenen Zweigen

scheinen uns merkwiirdig zu sein, da sie zeigen, dasz eine allem Anscheine n11ch geringfiigige Verschiedenheit die groszere oder ge­ ringere Verletzung der Blatter bestimmen kann. Wir konnen selbst als wahrscheinlich folgern, dasz die groszere oder geringere Zer­ storung der Blil.tter <lurch den !frost an einer Pflanze, welche nicht schliift, hil.ufig von dem groszeren oder geringeren Grade der Biegsam­ keit ihrer Blattstiele und der Zweige, welcbe die Blatter tragen, ab­ hangen diirfte.

 

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[page break] Cap. 6. Scblafbewegungen der Cotyledonen. 258

N1ctitroplsehe oder Schlafbewegangen 4er Cotyledonen.

Wir kommen nun zu dem descriptiven Theile unserer Arbeit und wollen mit den Cotyledonen anfangen und im nl\chsten Capitel zu den Bllittern iibergehen. Wir haben nur zwei kurze Angaben iiber den Schlaf von Cotyledonen angetroffen. Nachdem HoFMElSTER 13 be­ merkt hatte, dasz die Cotyledonen aller von ihm beobachteten Sam­ linge der Caryophylleen (Alsineae und Sileneae) sich des Nachts auf­ wl!.rts biegen (unter welchem Winkel aber gibt er nicht an), sagt er,• dasz diejenigen von Stellaria media sich so hoch erheben, dasz sie einander beriibren; man kann also getrost von ihnen sagen, dasz sie schlafen. Zweitens erheben sich nach der Angabe von RAMEY 14 die Cotyledonen von Mimosa pudica und von Clianthus Dampierii des Nachts beinahe senkrecht in die Hohe und nahern sich einander sehr dicht. Es ist in einem friiheren Capitel gezeigt worden, dasz die Cotyledonen einer groszen Anzahl von Pflanzen sich des Nachts ein wenig aufwarts biegen, und bier tritt uns die schwierige Frage ent­ gegen: Bei welchem Grade von Aufrichtung kann man sagen, dasz sie schlafen? Der Ansicht zu Folge, welche wir aufstellen, verdient keine Bewegung nyctitropisch genannt zu werden, wenn sie nicbt zu dem Zwecke erlangt wurde, die Strahlung zu vermindern: dies konnte aber nur nach einer langen Reihe von Experimenten nachgewiesen werden, welche zeigten, dasz die Blatter einer jeden Art durch diesen Umstand litten, wenn sie am Schlafen gehindert wurden. Wir miissen daher eine arbitriire Grenze annehmen. Wenn ein Cotyledon oder ein Blatt 60° iiber oder unter den Horizont geneigt ist, so exponirt es unge hr die Hiilfte seiner Flache dem Zenith; in Folge dessen wird die Intensitat der Strahlung unge hr um die Halfte verringert werden mit dem verglichen, was sie gewesen sein wiirde, wenn der Cotyledon oder das Blatt horizontal geblieben wl!.re. Dieser Grad von Abmin­ derung wird sicher fiir eine Pflanze, die eine zarte Constitution besitzt, einen groszen Unterschied machen. Wir wollen daher von einem Cotyledon und spiiter von einem Blatte als einem schlafenden sprechen, nur wenn er sich des Nachts bis zu einem Winkel von unge hr 60° oder unter einem Mheren Winkel iiber den Horizont erhebt oder in demselben Masze unter ihn sinkt. Damit soil nicht gesagt sein, dasz

 

11 Die Lehre von der Pflanzenzelle, 1867, p. 327.

t? .Adansonia", 10. Mirz, 1869.

 

[page break] 254 :\Iodificirte Circu•mnutation. Cap. 6. t

eine geringe Verminderung der Strahlung fiir eine Pflanze vortheilhaft sein mag, wie es bei Datura stramonium der Fall ist, dereu Cotyle- donen sich von 31° um Mittag bis 55° des Nachts uber den Horizont

erhoben. Die schwedische Riibe durfte daraus einen Vortheil ziehen, J dasz die Oberflache ihrer Blatter des Nachts um ungefahr 30 ¾ ver- mindert wird, wie es Mr. A. S. WILSON geschatzt hat, obschon in diesem 1

Falle der Winkel, <lurch welchen sich die Blatter erhoben, nicht

• beobachtet wurde. Wenn auf der andern Seite die Winkelerhebung der Cotyledonen oder der Blatter klein ist, so heispielsweise geringer als 30°, so ist die Verminderung der Strahlung so unbedeutend, dasz es wahrscheinlich fiir die Pflanze in Bezug auf die Strahlung von keiner Bedeutung ist. So erhoben sich z. B. die Cotyledonen von Geranium ibericum des Nachts 27° uber den Horizont, und dies wiirde

die Strahlung nur um 11 °/0 vermindern: diejenigen von Linum Beren­ dieri erheben sich 33°, und dies wurde die Strahlung um 16 ¾ ver­

mindern.

Es gibt indessen noch einige andere Zweifelsquellen in Bezug auf den Schlaf der Cotyledonen. In gewissen Fallen divergiren die Cotyle­ donen, so lange sie jung sind, wahrend des Tags nur in einer maszigen Ausdehnung, so dasz eine geringe Erhebung des Nachts, vein der wir wissen, dasz sie bei den Cotyledonen vieler Pflanzen eintritt, noth­ wendig die Ursache davon sein wurde, dasz sie des Nachts eine senk­ rechte oder nahezu senkrechte Stellung einnehmen, und in diesem Falle wurde es vorschnell sein zu folgern, dasz die Bewegung zu irgend • einem speciellen Zwecke ausgefuhrt wurde. Aus diesem Grunde zogerten wir lange Zeit, oh wir mehrere Glieder der Cucurbitaceen in die folgende Liste mit einbeziehen sollten; aber aus sofort mitzutheilenden Grunden glaubten wir, dasz es hesser ist, sie wenigstens zeitweise mit einzuschlieszen. Diese selhe Zweifelsquelle hat auch in einigen wenigen anderen Fallen Giltigkeit, denn bei dem Beginne unserer Beobachtungen waren wir nicht immer aufmerksam genug darauf, oh die Cotyledonen in der Mitte des Tages nahezu horizontal standen. Bei mehreren Samlingen nahmen die Cotyledonen eine hochaufgerichtete Stellung des Nachts wahrend einer so kurzen Periode ihres Lebens ein, dasz ein Zweifel naturgemasz entstand, oh dies von irgend welchem Nutzen fur die Pflanze sein kann. Nichtsdestoweniger konnen in den .meisten in der folgenden Liste mitgetheilten F llen die Cotyledonen ebenso sicher als schlafend bezeichnet werden, wie die Blatter irgend einer

 

[page break] Cap. 6. Schlafbewegungen der Cotyledonen. 255

Pflanze. In zwei F llen, namlich bei dem Kohl und bei dem Rettig, deren Cotyledonen ,,wahrend der ersten wenigen Nachte ihres Lebens beinahe senkrecht emporsteigen, wurde dadurch, dasz junge Samlinge

in den Klinostat gebracht wurden, ermittelt, dasz die Aufwartsbewegung

keine Folge des Apogeotropismus sei.

Die Namen der Pflanzen, deren Cotyledonen des Nachts unter einem Winkel von mindestens 60° gegen den Horizont stehen, sind in der beifolgenden Liste nach demselben System angeordnet, welches schon fruher befolgt wurde. Es sind die Zahlen der Familien und bei den Leguminosen die Zahlen der Tribus hinzugefugt worden , um zu zeigen, wie eit die in Rede stehenden Pflanzen durch die Reihe der Dicotyledonen • verbreitet sind. Einige wenige Bemerkungen werden iiber viele der Pflanzen in der Liste gemacht werden mussen. Dabei wird es zweckmaszig sein, nicht streng irgend einer systematischen Ordnung zu folgen, sondern von Oxalideen und den Leguminosen am Schlusse zu sprechen; denn in diesen zwei Familien sind die Cotyle­ donen meist mit einem Polster versehen, und ihre Bewegungen dauern eine viel langere Zeit an, als die der anderen Pflanzen in der Liste.

Liste von Siimlingspffanzell, deren Cotyledonen des Nachts sicb bis zu einern Winkel von mindestens 60° ilber oder unter den Horizont erheben

oder senken.

 

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Bra.ssiw oleracea. Cruciferae (Fam. 14).

napus. (Wie uns Prof. Pi'EFFER mitgetheilt hat.)

Raphanus sativus. Cruciferae

Githago segetmn. Caryophylleae (Fam.

26).

Stella1'ia media (nach Honm1sTER, wie oben angefiihrt.) Caryophyl­ leae.

Anoda Wrightii. Malvaceae (Fam. 36).

Grossypiu11, (var. Nankin-Baumwolle).

Malvaceae.

Oxalis rosea. Oxalidne (Fam. 41).

floribunda. articulata. Valdiviana.

" sensitiva.

Geraniuni rotundifolium. Geraniaceae (Fam. 47).

Trlfolimn su/Jterraneum. Leguminosae (Fam. 75, 'frib. III).

11trictum. leucanthemum.

Lotu; ornithopoides. Leguminosae (Trib. IV).

" peregrinu. . Jacobae11s.

 

Clianthus Dampieri. Leguminosae (Trib. V).-NachMr.RAMEY.

Smithia sensitiva. Leguminosae (Trib.

VI).

Hctematoxylon Campechianum. Legumi­ nosae (Trib. XIII}. Nach Mr. R. I. LYN-CH.

Cassia mimosoides. Leguminosae (Trib.

XIV).

" glauca.

,, florida. corymbosa.

pubescens. tora.

neglecta.

3 andere unbenannte brasilia­ nische Arten.

Bauhinia t sp. ?). Leguminosae (Trib.

XV).

Neptunia oleracea. Leguminosae (Trib.

XX).

Mimosa pudica. Leguminosae (Trib.

XXI).

" albida.

Cucu,•bita ovifera. Cucurbitaceae (Fam.

106).

aurantia.

 

[page break] 256 Modificirte Cireumnutation. Cap. 6.

 

Llste von Sllmllngsptlanzen. (Fortsetzung.)

 

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Lagenaria wzvaris. Cueurbitaeeae.

Cucumis dudaim. Cueurbitaceae.

Apium petroselinum. Umbelliferae

(Fam. 113).

,, graveolen. .

Lactuca scariola. Compositae (Fam.

122).

Helianthus annuus (?). Compositae.

Ipon1oea coe,-ulea. Convolvulaceae (Fam.

151).

purpurea. bona-ta0x. coccinea.

 

Solanum lyeopersieum. Solaneae (Fam.

157).

Mimulus (sp. ?). Scrophularineae (Fam.

159). - Nach. Mittheilung von Prof. PFEFFER.

Mit-abilis jalapa. Nyctagineae (Fam.

177).

" longiffora.

Beta vulgaris. Polygoneae (Fam. 179).

Amaranthus caudatus. Amaranthace&e (Fam. 180).

Cannabis sativa (?). Canuabineae (Fam.

195).

 

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Brassica oleracea (Cruciferae). - Im ersten Capitel ist gezeigt worden, dasz die Cotyledonen des gemeinen Kohls am Abend sich erheben und des Nachts senkrecht aufrecht stehen, wobei ihre Blattstiele in Be­ riihrung sind. Da aber die beiden Cotyledonen von ungleicher Hohe sind, so storen sie haufig ein wenig einander in ihren Bewegungen, wobei der kiirzere haufig nicht vollstandig senkrecht steht. Sie wacheu zeitig am Morgen auf; so waren um 6.45 a. m. am 27. November, wahrend es noch dunkel war, die Cotyledonen, welche am Abend vorher senkrecht und miteinander in Beriihrung gewesen waren, zuriickgebogen und boten da­ durch ein sehr verschiedenes Ansehen dar. Man musz im Sinne behalten, dasz Samlinge beim Keimen in der gehorigen Jahreszeit zu dieser Stunde des Morgens nicht mehr der Dunkelheit ausgesetzt sind. Die obige Gri\sze der Bewegung der Cotyledonen ist nur zeitweise und dauert bei Pflanzen, die in einem warmen Gewach'3hause gehalten werden, von 4-6 Tagen; wie lange sie bei Sii.mlingen dauern wiirde, die im Freien wachsen, wissen wir nicht.

Raphanus sativus. - In der Mitte des Tages standen die Scheiben der Cotyledonen von zehn Sii.mlingen unter rechtem Winkel zu ihren Hypocotylen; die Stiele derselben divergirten ein wenig; des Nachts standen die Scheiben senkrecht, ihre Basen waren in Beriihrung und ihre Stiele parallel. Am nii.chsten Morgen um 6.45 a. m., wii.hrend es noch dunkel war, waren die Scheiben horizontal; in der folgenden Nacht wurden sie bedeutend erhoben, standen aber kaum hinreichend senkrecht um sagen zu konnen, sie schliefen, und dies war in einem noch geringeren Grade in der dritten Nacht der Fall. Die Cotyledonen dieser Pflanzen (im Ge­ wachshause gehalten) schlafen daher selbst eine noch kiirzere Zeit als diejenigen des Kohls. Ahnliche Beobachtungen wurden, aber nur wii.hrend eines einzigen Tages und einer einzigen Nacht, an 13 anderen Sii.mlingen angestellt, die gleichfalls im Gewii.chshause erzogen wurden und gleichfalls mit demselben Resultate.

Die Stiele der Cotyledonen von 11 jungen Samlingen von Sinapis

nigra divergirten um Mittag unbedeutend, und die Scheiben standen recht­ winklig zu den Hypoeotylen; des Nachts waren die Stiele in dichter Be­ rO.hrung und die Scheiben betrachtlich erhoht; ihre Basen waren in Be­ riihrung, aber nur wenige standen hinreichend aufrecht, um schlafend genannt werden zu konnen. Am folgenden Morgen divergirten die Stiele,

 

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ehe es hell war. Der Hypocotyl ist in unbedeutendem Grade empfindlich, so dasz, wenn er mit einer Nadel gerieben wird, er sich nach der geriebenen Seite biegt. Bei Lepidium sativum divergiren die Stiele der Cotyledonen junger Samlinge wahrend des 'fages, und wa.hrend der Nacht convergiren sie so, dasz sie einander beruhren, durch welche Mittel die Basen der dreigetheilten Blattscheiben in Beruhrung gebracht werden. Aber die Scheiben werden so wenig erhoht, dasz man nicht sagen kann, sie schlafen. Die Cotyledonen mehrerer anderer Cruciferen-Pflanzen wurden beobachtet, aber sie erhoben sich wahrend der Naclit nicht hinreichend, um schlafend genannt werden zu konnen.

Githago segetum (Caryophylleae). - Am ersten Tage, nachdem die Cotyledonen durch die Samenhiillen durchgebrochen waren, standen sie um Mittag unter einem Winkel von 75 ilber dem Horizont; des Nachts bewegten sie sich ein jeder durch einen Winkel von 15° aufwarts, so dasz sie vollstandig senkrecht und in Beriihrung mit einander standen. Am zweiten Tage standen sie um Mittag 59° iiber dem Horizont<' und waren cles Nachts wieder vollstandig geschlossen, so dasz jeder 31 sich erhoben hatte. Am vierten Tage schlossen sich die Cotyledonen des Nachts nicht vollstandig. Das erste und die folgenden Paare junger, echter Blatter benahmen sich in gen au derselben Art und Weise. Wir glauben, dasz die Bewegung in diesem Falle nyctitropisch genannt werden kann, obschon der durchmessene Winkel klein war. Die Cotyledonen sind gegen das Licht sehr empfindlich und breiten sich nicht aus, wenn sie einem ii.uszerst trilben Lichte ausgesetzt werden.

Anoda W rig htii (Malvaceae). - Solange die Cotyledonen mii.szig jung sind und nur von 0.2 bis 0.3 Zoll im Durchmesser messen, sinken sie am Abend aus ihrer mittaglichen horizontalen Stellung bis ungefiihr

35 unter den Horizont. Als aber dieselben Sii.mlinge alter waren und kleine, echte Blatter hervorgebracht hatten, bewegten sich die beinahe kreisformigen Cotyledonen, die jetzt 0.55 Zoll im Durchmesser hielten, des Nachts senkrecht abwarts. Diese Thatsache liesz uns vermuthen, dasz ihre Senkung einfach Folge ihres Gewichtes sein konnte; sie waren aber nicht im mindesten welk, und als sie aufgehoben wurden, sprangen sie durch Elasticitat in ihre friihere herabhii.ngende Stellung zuriick. Ein Topf mit einigen alten Sii.mlingen wurde am Nachmittage mit der oberen Seite nach unten gekehrt, ehe das nachtliche Sinken begonnen hatte, und des Nachts nahmen sie in Gegenwirkung gegen ihr Gewicht (und gegen irgend eine geotropische Wirkung) eine nach oben gerichtete senkrechte Stellung ein. Wenn Topfe in dieser Weise umgekehrt wurden, nachdem die abendliche Senkung bereits begonnen hatte, schien die Senkungs­ bewegung etwas gest<irt zu werden; aber ihre sii.mmtlichen Bewegungen waren gelegentlich ohne irgend eine anscheinende Ursache variabel. Diese letztere Thatsache • ebenso wie die, dasz die jungen Cotyledonen auch nicht nahezu so bedeutend sinken wie die ii.lteren, verdient Beachtung. Obschon die Bewegung der Cotyledonen eine Zeit lang anhielt, war ii.uszerlich doch kein Polster sichtbar; aber ihr Wachsthum dauerte eine lange Zeit fort. Die Cotyledonen erscheinen nur ui:tbedeutend heliotropisch, obschon der Hypocotyl es sehr stark ist.

DARWIN, Rewegungovermogen. (XIII.) 17

 

[page break] 258 Modifleirte Circumnutation. Cap. 6.

Gossypiwm arboreum (?) (Var. Nanking-Baumwolle) (Malva­ ceae). - Die Cotyledonen benahmen sich in nahezu derselben Weise wie die von Anoda. Am 15. Juni waren die Cotyledonen zweier Sii.m­ linge 0.65 Zoll lang (der Mittelrippe entlang gemessen) und standen um Mittag horizontal; um 10 p. m. nahmen sie dieselbe Stellung noch ein und waren durcbaus nicht gesunken. Am 23. Juni waren die Cotyledonen eines dieser Sii.mlinge 1.1 Zoll lang, und um 10 p. m. waren sie ans einer horizontalen Stellung bis 62 unter den Horizont gesunken. Die Cotyle­ donen des andern Siimlings waren• 1.3 Zoll lang und ein minutioses Blatt war gebildet worden; sie batten sich um 10 p. m. bis 70 unter den Horizont gesenkt. Am 25. Juni war das ecbte Blatt dieses letzteren Sii.mlings 0.9 Zoll Jang" und die Cotyledonen nahmen nahezu dieselbe Stellung des Nachts ein. Am 9. Juli erschienen die Cotyledonen sehr alt und. zeigten Spuren von Verwelken; sie. standen aber des Mittags bei­ nahe horizontal und hiengen um 10 p. m. seukrecht herab.

Gossypium herbaceum. - Es ist merkwiirdig, dasz die Cotyle­ donen dieser Species von denen der letzteren sich verschieden benahmen. Sie waren wii.hrend sechs Wocben von ihrer ersten Entwickelung an

bis zu einer sehr bedeutenden Grtisze (noch immer frisch und griin erscheinend), nii.mlich bis zu 2½ Zoll in der Breite herangewachsen. In

diesem Alter war ein echtes Blatt entwickelt worden, welches mit seinem Stiele 2 Zoll Jang war. Wii.hrend dieser ganzen scchs Wochen sanken die Cotyledonen des Nachts nicbt; jerloch war, als sie alt waren, ihr Gewicht betrii.chtlich, und sie wurden von sehr verlangerten Blatt­ stielen getragen. Sii.mlinge aus Samen erzogen, der uns von Neapel ge­ schickt worden war, benahmen sich in derselben Weise; wie es auch diejenigen einer in Alabama cultivirten Art und der Sea-island-Baumwolle thaten. Zu welcher Art diese drei letzteren Formen gehoren, wissen wir nicht. Bei der Baumwolle von Neapel konnten wir nicht ausfindig machen, dasz die Stellung der Cotyledonen des Nachts dadurch beeinfluszt wurde,

dasz der Boden mehr oder weniger trocken war; es war Sorge dafiir ge­

troffen, dasz sie nicht durch ein Zutrockenhalten welken wiirden. Das Gewicht der groszen Cotyledonen der Alabama- nnd Sea-island-Art ver­ ursachte es, dasz sie etwas nach abwarts hiengrm, wenn die Ttipfe, in welchen sie wuchsen, eine Zeit lang mit der Oberseite nach unten gekehrt wurden. Es ist indessen zu beachten, dasz diese drei Arten in der Mitte des Winters gezogen wurden, was zuweilen die ordentlichen nyctitropischen Bewegungen der Blatter und Cotyledonen •sttirt.

Cucurbitaceae. - Die Cotyledonen von Cucurbita aurantia und ovifera und von Lagena1•ia vulgaris stehen vom ersten bis zum dritten Tage ihres Lebens ungefli.hr 60 iiber dem Horizont und erheben sich des Nachts so, clasz sie senkrecht und in dichter Beriihrung einer mit dem andem stehen. Bei Oucumis dudaim stanclen sie des Mittags 45 iiber J.em Horizont und schlossen sich des Nachts. Die Spitzen der Cotyledonen aller dieser Species sind indessen znrilckgebogen, so dasz dieser Theil dem Zenithe des Nachts vollstii.ndig exponirt ist, und diese 'rbatsache steht der Annahme entgegen, dasz die Bewegung von derselben Natur ist wie die der schlafenden Pflanzen. Nach den ersten zwei oder drei Tagen diver­ giren die Cotyledonen wii.hrend des Tages mehr und htiren auf sich des

 

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Nachts zu schlieszen. Diejenigen von Trichosanthes anguina sind etwas dick und fleischig und erheben sich des Nachts nicht, auch hiitte man kanm erwarten konnen, dasz sie dies thaten. Auf der andem Seite bietrn diejenigen von Acanthosicyos horrida 15 in ihrer Erscheinung nichts dar, was ihrer Bewegung des Nachts in derselben Art wie bei den vorher­ gehenden Species entgegenstehen konnte, und doch erheben sie sich nicbt in irgend einer deutlichen Art und Weise. Diese Thatsache fiihrt zu der Annabme, dasz die niichtlichen Bewegungen der obengenannten Species fiir irgend einen speciellen Zweck erlangt worden sein werden, welcher darin besteben mag, die junge Plumula gegen Strahlung zu schutzen, und zwar durch die dicl1te Beriihrung der ganzen basalen Partie der zwei Cotyledon en.

Geranium rotundifolittm (Geraniaceae). - Ein einzelner Sam­ ling gieng zufallig in einem Topfe auf, und seine Cotyledonen bogen sich, wie beobachtet wurde, wahrend mehrerer aufeinanderfolgender Nachte senkrecht abwiirts, wahrend sie Mittags horizontal gewesen waren. Er wuchs zu einer schonen Pflanze heran, starb aber vor dem Bliihen ab; er wurde nach Kew geschickt und mit Sicherheit fiir ein Geranium und in aller Wahrscheinlichkeit fiir die oben genannte Species erklii.rt. Dieser Fall ist merkwiirdig, weil die Cotyledonen von G. cinereum, Endressii, ibe,-icum, Richardsoni und subcaulescens wii.hrend einiger Wochen im Winter beobachtet wurden, und sie senkten sich nicht, wahrend diejenigen von

G. ibericum des Nachts 27 stiegen.

Apium petroselinum (Umbelliferae). - Die Cotyledonen eines Siimlings (22. Nov.) waren wiihrend des Tages beinahe vollstandig aus­ gebreitet; um 8.30 p. m. batten sie sich betracl1tlich erhoben, und um

10.30 p. m. waren sie beinahe geschlossen; ihre Spitzen standen nur

-.h Zoll von einander. Am folgenden Morgen (23.) waren die Spitzen 1"-h Zoll von einander oder mehr als sieben mal so vie!. In der niichsten Nacht nahmen die Cotyledonen nahezu dieselbe Stellung rin wie vorher. Am Morgen des 24. standen sie horizontal, und des Nachts waren sie 60 iiber dem Horizont; und dies war auch in der Nacht vom 25. der Fall; aber vier Tage spater (am 29.), wo die Samlinge eino Woche alt waren, batten die Cotyledonen aufgeh1irt sich des Nachts in irgend einom dent­ lichen Grade zu erheben.

Apium graveolens. - Die Cotyledouen standen Mittags hori­ zontal und um 10 p. m. unter einem Winkel von 61 uber dem Horizont.

Lactuca scariola (Compositae). - Solange die Cotyledonen jung waren, standen sie wahrend des Tags subhorizontal und erhoben sich des Nachts so, dasz sie beinahe senkrecht waren; einige waren voll­ kommen senkrecht und geschlossen. Aber diese Bewegung horte auf, als sie nach Verlauf von 11 Tagen alt und grosz geworden waren.

Helianthus annuus (Compositae). - Dieser Fall ist ziemlich zweifelhaft: die Cotyledonen erhoben sich des Nachts und standen bei

 

1 Diese Pflanze ans dem Dammara-Lande in S. Africa, ist deshalb merk­ wiirdig, dasz sie die einzige bekannte Form aus dieser Familia ist, welche nicht klettert; sie ist in den Transact. Linn. Soc. Vol. XXVII. p. 30, beschrieben worden.

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einer Gelegenheit 73° i.iber dem Horizont, so dasz man dann wohl hii.tte sagen konnen, dasz sie schlafen.

Ipomoea coerulea vel Pharbitis nil (Convolvulaceae). - Di1 Cotyledonen benahmen sich in nahezu derselbeu Art und Weise, wie diP von Anoda und der Nanking-Baumwolle, und wuchsen gleich ihnen zu einer bedeutenden Grosze. So lange sie jung und klein waren, so dasz ihre Scheiben, der Mitte entlang bis zu der Basis ihres centralen Ein­ schnittes gemessen, von 0.5 bis 0.6 Zoll lang waren, blieben sie sowohl wahrend der Mitte des Tages als des Nachts horizontal. Wie sie an Grosze zunahmen, fiengen sie am Abend und in der frilhen Nacht immer mehr und mehr zu sinken an; und als sie bis zu einer Lange (in der obigen Art gemessen) von 1 bis 1.25 Zoll gowachsen wareu, sanken sie zwischen 55 und 70 unter den Horizont. Sie thaten dies indessen nur, w&nn sie wii.hrend des Tages gut beleuchtet worden waren. Trotzdem haben die Cotyledonen sehr wenig oder gar kein Vermogen sich nach einem seitlichen Lichte hinzubiegen, obschon der Hypocotyl stark helio­ tropisch ist. Sie sind nicht mit einem Kissen versehen, fahren aber eine lange Zeit zu wachsen fort.

Ip omo ea pur purea (vel Pharbitis hispida). - Die Cotyledonen benahmen sich in jeder Beziehung wie die von I. coerulea. Ein Sii.mling mit Cotyledonen, welche 0. 75 Zoll in der Lange (wie friiher gemessen) und 1.65 Zoll in der Breite grosz waren, an welchem ferner ein kleines echtes Blatt entwickelt war, wurde um 5.30 p. m. in einem verdunkelten Kasten auf den Klinostat gestellt, so dasz weder das Gewicht noch Geotropismus auf ihn einwirken konnte. Um 10 p. m. stand der eiue Cotyledon 77 und der andere 82 unter dem Horizont. Ehe sie in den Klinostat gebracht wurden, standen sie zwischen 15 und 29 unter dem Horizont. Die nii.chtliche Stellung hii.ngt hauptsii.chlich von der Kriimmung des Blattstiels dicht an der Scheibe ab, aber der ganze Stiel wird un­ bedeutend abwii.rts gekriimmt. Es verdient Beachtung, dasz Sii.mlinge dieser und der zuletzt genannten Species gegen Ende Februar und ein anderer Satz in der Mitte des Marz gezogen wurden, und die Cotyledonen boten in keinem dieser Fii.lle irgend eine nyctitropische Bewegung dar.

lpomoea bona-nox. - Die Cotyledonen wuchsen nach einigen wenigen Tagen zu einer enormen Grosze heran; die an eineln jungen Samlinge waren 3¼, Zoll breit. Sie waren Mittags horizontal ausgebreitet und standen um 10 p. m. 63 unter dem Horizont. Fiinf Tage spii.ter waren sie 41/, Zoll breit, und einer stand des Nachts 64 und der andere

48 unter dem Horizont. Obschon die Blattscheiben diinn sind, so glaubten wir doch wegen ihrer bedeutenden Grosze und weil die Stiele lang sind, dasz ihre Depression des Nachts durch ihr Gewicht bestimmt werde; als aber der Topf horizontal umgelegt war, wurden sie nach dem Hypocotyl bin gekriimmt, welche Bewegung nicht im geringsten durch ihr Gewicht unterstiitzt worden sein konnte, und wurden gleichzeitig etwas in Folge des Apogeotropismus nach oben gedreht. Nichts desto w'eniger ist das Gewicht der Cotyledonen insoweit von Einflusz, dasz, als in einer andern Nacht der Topf mit der oberen Seite nach unten gekehrt wurde, sie un­ fil.hig waren aich zu erheben und damit ihre gehorige Nachtstellung anzunehmen.

 

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Ip om o ea coccin ea. - Solange die Cotyledonen jung sind, senken sie sich des Nachts nicht, wenn sie aber etwas alter geworden sind, aber nur noch 0.4 Zoll lang (wie vorher gemessen) und 0.82 breit, wurden sie bedeutend herabgedriickt. In einem Falle standen sie des Mittags horizontal, und um 10 Uhr p. m. stand einer von ihnen 64 und der andere 47 unter dem Horizout. Die Blattscheiben sind di'tnn, und die Stiele, welche des Nachts bedeutend nach unten gekriimmt werden, sin<l kurz, so dasz das Gewicht hier kaum irgend eine Wirkung hervorgebracht haben kann. Wenn bei sammtlichen oben erwahnten Species von lpomoea die zwei Cotyledonen an einem und demselben Samlinge des Nachts ungleich niedergedriickt waren, so schien dies von der Stellung abzuhangen, •welche sie wahrend des Tages in Bezug auf das Licht eingenommen batten.

Solanum lycopersic1em (Solaneae). - Die Cotyledonen erheben

sich des Nachts so bedeutend, dasz sie beinahe in Beriihrung kommen. Diejenigen von S. palinacanthum waren des l\Iittags horizontal und batten sich um 10 Uhr p. m. nur 27 30' erhoben; aber am folgenden Morgen, ehe es hell wurde, standen sie 59 iiber dem Horizont und waren am Nachmittage des namlichen Tages wieder horizontal. Das Benehmen der Cotyledonen dieser letzteren Species scheint daher abnorm zu sein.

Mirabilis Jalapa und longiflo1•a (Nyctagineae). - Die Coty­

ledonen, welche von ungleicher Grosze sind, stehen wahrend der Mitte des 'l'ages horizontal und E>rheben sich des Nachts senkrecht und kommen mit einander in dichte Beriihrung. Diese Bewegnng dauerte aber bei

M. longifiora nur die ersten drei Nachte.

Beta vulgaris (Polygoneae). - Es wurde bei drei Gelegenheiten eine grosze Zahl von Samlingen beobachtet.. Wahrend des Tages standen zuweilen die Cotyledonen subhorizontal, aber gewohnlich unter einem Winkel von ungefahr 50 iiber dem .Horizonte, und wahrend der ersten zwei oder drei Nachte erhoben sie sich senkrecht, so dasz sie vollstandig geschlossen waren. Wahrend der folgenden einen oder zwei Nachte crhoben sie sich lllll" ein wenig und spitter iiberhaupt kaum.

Amaranthus caudatus (Amaranthaceae). - Um Mittag standen die Cotyledonen vieler Samlinge, wekhe eben gekeimt hatten, ungeiahr

45 iiber dem Horizont, und um 10.15 p. m. waren einige beinahe und anclere vollstiindig geschlossen. Am folgenden Morgen waren sie wieder gut ausgebreitet oder geoffnet.

Cannabis sativa (Cannabineae). - Wir sind sehr zweifelhaft, ob diese Pflanze mit hieher gerechnet werdt>n musz. Die Cotyledonen einer groszen Anzahl von Siimlingen waren, nachdem sie wahrend des

Tags gut beleuchtet waren, des Nachts abwarts gekriimmt, so dasz die Spitzen von einigen direct auf den Boden wiesen; aber der basale Theil schien dnrchaus nicht nieclergedriickt zu sein. Am folgenden Morgen waren sie wiederum eben und horizontal. Die Cotyledonen vieler anderen Siimlinge waren zu derselben Zeit in keiner Weise afficirt. Es scheint daher dieser Fall von dem des gewohnlichen Schlafes sehr verschieden zu sein und fallt wahrscheinlich unter das Capitel der Epinastie, wie es nach der Angabe von KRAUS mit den Blattern clieser Pflanze der Fall ist. Die Cotyledonen sind heliotropisch, und dasselbe ist auch in einem noch starkeren Grade der Hypocotyl.

 

[page break] 262 Modificirte Circumnutation. Cap. u. I

Oxalis. - Wir kommen nun zu Cotyledonen, die mit einem Polster versuhen sind, walche sii.mmtlich wegen der Fortdauer der nii.chtlichen

.Bewegungen durch mehrere Tage odor selbst Wochen und allem Anschein nach, nachdem das Wachsthum aufgeh!lrt hat, merkwilrdig sind. Die Cotyledonen von 0. rosea, fioribunda und articulata senken sich des Nachts senkrecht abwarts und umfassP.n den oberen Theil des Hypocotyls. Die­ jenigen von 0. Valdiviana nnd sensitiva erheben sich im Gegentheil senkrecht nach oben, so dasz ihre oberen Flachen in dichte Berilhrnng kommen; und nachdem die jungen Blatter entwickelt sind, werden die­ selben von den Cotyledonen umfaszt. Da sie am Tage horizontal stehen oder s bst ein wenig unter den Horizont niedergebeugt sind, bewegen sie sich am Abend durch einen Winkel von mindestens 90°. Ihre complicirten Circumnutationsbewegungen wahrond des Tags sind im ersten Capitel be­ schrieben worden. Der Versuch war ein iiberfliissiger, aber es wurden Topfe mit Samlingen von O. rosea und fioribunda mit der oberen Seite nach unten gekehrt, so bald die Cotyledonen anfiengen irgend ein Zeichen von Schlaf darzubieten, und dies brachte in ihren Bewegungen keine Ver­ schiedenheit hervor.

Leguminosae. - Aus unserer Liste ist zu ersehen, dasz die

Cotyledonen verschiedener Species in neun Gattungen, die sehr weit durch die Familie vertheilt sind, des Nachts schlafen, und dies ist wahrscheinlich bei vielen anderen noch der Fall. Die Cotyledonen aller dieser Species sind mit einem Polster versehen, und die Bewegung wird bei alien wahrend mehrerer Tage oder Wochen fortgesetzt. Bei Cass-ia erheben sich die Cotyledonen der zehn Species in der Liste des Nacht senkrecht nach oben und kommen miteinander in dichte Beriihrung. Wir beobachteten, dasz diejenigen von C. fiorida sich am Morgen etwas spitter als diejenigen von

C. glauca und pubescens offneten. Die Bewegung ist genau dieselbe bei

C. mimosoides, wie in den anderen Species, obgleich ihre spii.ter entwickelten

.Blatter in einer verschiedenen Art schlafen. Die Cotyledonen einer elften Species, nii.mlich C. nodosa, sind dick und fleischig und erheben sich des Nachts nicht. Die Circumnutation der Cotyledonen wahrend des Tages von C. tora ist im ersten Capitel beschrieben worden. Obgleich die Cotyledonen von Smithia sensitiva sich aus einer in der Mitte des Tages horizontalen Stellung des Nachts zu einer senkrechten erhoben, schliefen diejenigen von S. Pfundii, welche dick und fleischig sind, nicht. Wenn Mimosa pudica und albida wahrend des Tags in einer hinreichend hohen Temperatur gehalten worden sind, kommen die Cotyledonen des Nachts in dichte Ber1ihrung, im anderen Falle erheben sie sich blosz beinahe senkrecht. Die Circumnutation derjenigen von M. pudica ist bereits beschrieben worden. Die Cotyledonen einer Bauhinia von St. Catharina in Brasilien standen wii.hrend des Tags in einem Winkel von ungefii.hr 50 il.ber dem Horizont und erhoben sich des Nachts bis auf 77 °; es ist aber wahrscheinlich, dasz sie sich vollig geschlossen haben wiirden, wenn die Samlinge an einem wilrmeren Orte gehalten worden wii.ren.

Lot us. - Bei drei Speeies von Lotus wurden die Cotyledonen als schlafend beobachtet. Diejenigen von L. Jacobaeus bieten den eigenthil.m­ lichen Pall dar, dasz sie sich in den ersten fiinf oder sechs 'fagen ibres Lebens des Nacbts nicht in irgend einer augenfalligen Weise erheben, und

 

[page break] Cap. 6. Schlafbewegungen der Cotyledonen. 263

in dieser Zeit ist das Polster nicht ordentlich entwickelt. Spiiter ist die Schlafbewegung ordentlich ausgebildet, obschon in einem schwankenden Grade, und .wird lange fortgesetzt. Wir warden spitter noch einen beinahe parallelen Fall bei den Bliittern von Sida t•hombif olia kennen lernen. Die Cotyledonen von L. Gebelii werden des Nachts nur unbedeutend erhoben und weichen in dieser Beziehung von den drei Species in unserer Liste ab. Trifo lium. - Es wurde die Keimung von 21 Species beobachtet.

In den meisten von ihnen erhoben sich die Cotyledonen kaum irgendwie

oder nur unbedeutend des Nachts; aber diejenigen von T. glomeratum, striatum und incarnatum stiegen von 45 bis 55 iiber dem Horizont. Bei T. subterra.neum, leucanthemum und strictum standen sie vertical nach oben, und bei T. strictum wird die hebende Bewegung, wie wir sehen werden, von einer anderen Bewegung begleitet, welche uns zu der Annahme veranlaszt, dasz die Erhebung wirk1ich nyctitropisch ist. Wir untersuchten nicht sorgfaltig die Cotyledonen aller Species auf ein Polster, aber das Organ war an denen von T. subterraneum und strictum deutlich vorhanden, wahrend in einigen Species, so z. B. in T. resupinatum, deren Cotyledonen des Nachts sich nicht erhoben, keine Spur eines Polsters vorhanden war. Trifolium subterraneum. - Die Scheiben der Cotyledonen waren am ersten Tage nach der Keimung {21. Nov.) nicht vollstiindig ausgebreitet. Sie waren ungefiihr 35 iiber den Horizont aufgerichtet; des Nachts erhoben sie sich zu ungefiihr 75 Zwei Tage spiiter waren die Scheiben um Mittag horizontal urnl die Stiele hoch nach oben auf­ gerichtet. Es ist merkwiirdig, dasz die niichtliche Bewegung beinahe giinzlich auf die Spheiben beschriinkt ist, da sie durch das Polster an ihren Basen ausgefuhrt wird, wiihrend die Blattstiele Tag und Nacht nahezn dieselbe N eigung beibehalten. In dieser Nacht (23. Nov.) und in einigen wenigen darauffolgenden Nachten erhoben sich die Scheiben aus einer horizontalen in eine senkrechte Stellnng und wurden dann unter einem Winkel von im Mittel 10 nach innen gebogen, so dasz sie einen Winkel von 100 durchlaufen hatten. Jetzt berilhrten sich ihre Spitzen beinahe, wii.hrend ihre Basen unbedeutend divergirten. Die zwei Scheiben bildeten in dieser Weise ein hochgeneigtes Dach 1iher der Axe des Sii.m­ lings. Diese Bewegung ist die niimliche, wie die des terufinalen Bliittchens der dreigetheilten Blatter vieler Species von Trifolium. Nach einem Intervall von acht Tagen (29. Nov.) waren die Scheiben wiihrend des Tags horizontal und des Nachts senkrecht, und nun wurden sie nicht liinger mehr einwiirts gebogen. Sie fuhren wiihrend der zwei folgenden Monate in derselben Art. sich zu bewegen fort, in welcher Zeit sie be­

deutend an Grosze zugenommen hatten; ihre Stiele waren nicht weniger als 0.8 Zoll lang, und es hattPn sich um diese Zeit zwei echte Blatter entwickelt.

Trifolium strictum. - Am ersten Tage nach der Keimung standen die Cotyledonen , welcl10 mit einem Polster versehen sind , des Mittags horizontal und erhoben sich des Nachts bis nur ungefiihr 45 fiber den Horizont. Vier Tage spitter wurden die Siimlinge wiedernm des Nachts beobachtet, und nun standeu die Scheiben senkrecht und waren in Beriihrung, mit Ansnahme der Spitzen, welche bedeutend niedergebogen waren, so dasz sie nach dem Zenith hinsahen. In diesem Alter sind die

 

[page break] 264 Modificirte Circumnutation. Cap. 6.

 

Stiele aufwarts gekrilmmt, und es bilden die zwei Stiele des Nachts, wenn die Basen der Scheibe in Beriihrung sind, zusammen einen senkrecht die Plumula umgebenden Ring. Die Cotyledonen fuhren acht oder zehn Tage von der Periode der Keimung an in nahezu derselben Art sich zu bewegen fort; aber die Stiele waren um diese Zeit gerade geworden und batten bedeutend an Lange zugenommen. Nach zwolf bis vierzehn Tagen war das erste einfache Blatt gebildet worden, und wahrend der folgenden vierzehn Tage wurde eine merkwiirdige Bewegung wi11derholt beobachtet.

 

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Fig. 125. Tr(folium at,•ictum: Tages- und Nachtstellungen der zwei Cotyledonen und des ersteu Blattes. I. Siimling, schriig von oben gesehen, wiihrend de:i Tages: Re rechter Cotyleclon, Le linker Cotyledon; .1!1 erstes echtes Blatt. II. Ein etwas jlingerer Siimling, des Nachts gesehen: Re rcchter Cotyledon, erhoben, seine Stellung aber sonst nicht yeriindert; Le linker Cotyledou erhoben und seitlich gedreht; F echtes Blatt erhoben und gedreht, so dasz es dPm linken gedt•ehton Cotyledon gegeniiber ist. III. Derselbo Siimling, des Nchts von der entgegengesetzten Seite gesehen. Es wlrd bier der Riicken des ersten lllattes if' gczeigt, anstatt wie be! II. die Vorderseite.

 

Bei I (Fig. 125) haben wir eine Skizze eines ungefahr vierzelm Tage alten Siimlings, die in der Mitte des Tags •angefertigt wurde. Die zwei Cotyledonen, von denen Re der rechte ist und Le der linke, stehen direct einander geg&niiber, und das erste echte Blatt (Ji') . springt rechtwinklig auf sie vor. Des Nachts (s. II und III) ist der rechte Cotyledon (Re) bedeutend erhoben, aber in seiner Stellung sonst nicht verandert. Der linke Cotyledon (Le) ist gleicherweise erhoben, ist aber auch gedreht, so dasz seine Scheibe, anstatt genau die gegeniiberliegende anzusehen, nun nahezu rechtwinklig zu dieser steht. Diese nacbtliche drehende Bewegung wird nicht mittelst des Polsters ausgefiihrt, sondern dnrch das Drehen des Stiels in seiner ganzen Lange, wie ans der gekriimmten Linie seiner oberen concaven Flache zu ersehen war. Zu derselben Zeit erhebt sich das echte Blatt (Ji'), so dasz es senkrecht steht oder selbst die Senkrecbte iiberschreitet und ein wenig nach innen geneigt ist. Auch dieses drPht sicll ein wenig, wodurch die obere Jtlache seiner Scheibe der oberen Fliiche des gedrehten linken Cotyledon gegeniiber oder beinahe mit ihr in Beriihrung kommt. Dies scheint der durch diese eigenthiimliche Bewegung erreichte Zweck zu sein. Im Ganzen wurden 20 Samlinge in aufeinanderfolgenden Niichten beobachtet, und in 19 von ihnen war es der linke Contyledon allein, welcher gedreht wurde, wahrend das echte Blatt immer so gedreht wurde, dasz seine obere Flache dicht derjenigen des linken Cotyledon nahe kam und es ansah. Nur in einem Falle wurde der rechte Cotyledon gedreht und das echte Blatt nach ihm hingedreht; dieser Samling befand sich aber in einem abnormen Zustande, da der linke Cotyledon sich des Nachts nicht gehorig erhob. Dieser ganze Fall ist merkwiirdig, da wir bei den Cotyledonen keiner andern Pflanze irgend eine nachtliche Bewegung ge­ sehen haben mit Ausnahme der senkrecht auf- oder abwarts. Es ist dies um so merkwiirdiger, weil wir bei den Blattern der verwandten Gattung

 

[page break] Cap. 6 Schlafbewegungen der Cotyledonen. 265

..lfelilotus einen analogen Fall treffen werden, wo das terminale Blattchen des Nachts so l'otirt, dasz eEf seinen Rand dem Zenith darbietet und sich gleichzeitig nach einer Seite hinbiegt, so dasz seine obere Flache in Be­ rilhrung mit der eines der zwei nun senkrecht gewordenen seitlichen Blattchen kommt.

 

Sc h 1us z be me r k u n gen fib er die n y c tit ropis c h en Be­ w e gun gen der Cotyledonen. - Der Scblaf der Cotyledonen scheint uns (obschon dies ein Gegenstand ist, dem wenig Aufmerksam­ keit gewidmet worden ist) eine haufigere Erscheinung zu sein als der der Blatter. Wir beobachteten die Stellung der Cotyledonen wahrend des Tages und der Nacht in 153 Gattungen, die durch die Reihe der Dicotyledonen weit zerstreut sind, im iibrigen aber beinahe nach Zufall ausgewahlt wurden; und eine oder mehrere Species in 26 unter diesen Gattungen stellten ihre Cotyledonen des Nachts so, dasz sie senkrecht oder beinahe senkrecht standen, wobei sie sich meist durch einen Winkel von mindestens 60° bewegt batten. Wenn wir die Leguminosen auf die eine Seite bringen, deren Cotyledonen besonders gern schlafen, so bleiben 140 Gattungen iibrig, und unter diesen schliefen die Cotyle­ donen von mindestens einer Species in 19 Gattungen. Wenn wir nun nach dem Zufall 140 Gattungen auswahlen sollten mit Ausschlusz der Leguminosen und ihre Blatter des Nacbts beobacbteten, so wiirden sicher nicht nahezu soviel wie 19 zu finden sein, welche schlafende Species enthalten. Wir beziehen uns hier ausschlieszlich auf die Pflanzen, die wir selbst beobachtet haben.

In unserer ganzen Liste von Siimlingen finden sich 30 Gattungen,

zu 16 Familien gehorend, deren Cotyledonen bei einigen der Species sich am Abend oder zeitig in der Nach t erheben oder senken, so dasz sie mindestens 60° iiber oder unter dem Horizont stehen. In einer groszen Majoritiit der Gattungen, niimlich bei 24, ist die Bewegung eine hebende, so dasz die nll.mliche Richtung in diesen nyctitropischen Bewegungen vorherrscht, wie in den weniger periodischen, die im zweiten Capitel beschrieben wurden. Die Cotyledonen bewegen sich wll.hrend des zeitigen Theils der Nacht nur in sechs unter den Gat­ tungen abwiirts, und in einer von ihnen, Cannabis, ist die Abwarts­ kriimmung der Spitze wahrscheinlich Folge der Epinastie, wie KRAUS glaubt, dasz es bei den Blll.ttern der Fall ist. Die Abwll.rtsbewegung bis zum Betrage von 90° ist bei Oxalis Valdiviana und sensitiva und bei Geranium rotundifoliuin sehr ausgesprochen. Es ist eine

 

[page break] 266 Modificirte Circumnntation. Cap. 6.

merkwiirdige Thatsache, dasz bei Anoda Wrightii, einer Species von Gossypium, und mindestens drei Species von Ipomoea die Cotyledonen, solange sie jung und leicht sind, des Nachts sehr wenig oder durcbaus gar nicht sinken, obschon diese Bewegung, sobald sie grosz und schwer geworden sind, gut ausgesprochen ist. Obgleich die Abwartsbewegung nicht dem Gewichte der Cotyledonen in den verschiedenen FlHlen, welche untersucht wurden, zugeschrieben werden kann, namlich in denen von Anoda, lpomoea purpurea und bona-nox, ebenso wenig in dem von L coccinea, so diirfte doch , wenn wir uns daran erinnern, dasz die Cotyledonen bestlindig circumnutiren, eine unbedeutende Ver­ anlassung zuerst es bestimmt haben, ob die grosze n!ichtliche Be­ wegung auf- oder abwlirts gerichtet sein soll. Wir diirfen daher ver­ muthen, dasz in irgend einem urspriinglichen alten Gliede der in Frage stehenden Gruppe das Gewicht der Cotyledonen die Abwarts­ richtung bestimmt hat. Die Thatsache, dasz die Cotyledonen dieser Species, solange sie jnng und zart sind, nicht so bedeutend abwlirts sinken, scheint der Annahme entgegen zu sein, dasz die groszere Be­ wegung, wenn sie alter geworden sind, zu dem Zwecke erlangt worden sei, sie gegen die Strahlung des Nachts zu schiitzen; wir mussen uns aber dann daran erinnern, dasz es viele Pflanzen gibt, deren Blatter schlafen, wlihrend die Cotyledonen es nicht thun; und wenn in einigen Fallen die Bllttter gegen die Kalte des Nachts geschiitzt werden, w!ihrend die Cotyledonen nicht geschiitzt werden, so diirfte es in anderen Fallen von groszerer Bedeutung fiir die Species sein, dasz die nahezu voll ausgewachsenen Cotyledonen besser geschiitzt sind als die jiingeren.

In alien von uns beobachteten Species von Oxalis sind die Cotyle­

donen mit Polstern versehen; dies Organ ist aber bei 0. corniculata mehr oder weniger rudiment!ir geworden, und der Betrag der Auf­ wartsbewegung ihrer Cotyledonen des Nachts ist sehr schwankend, aber niemals grosz genug, um schlafend genannt werden zu konnen. Wir vergaszen es zu ermitteln, ob die Cotyledonen von Geranium rotundifolium Polster besitzen. Bei den Leguminosen sind alle die Cotyledonen, welche schlafen, soweit wir gesehen haben, mit Polstern versehen. Aber bei Lotus Jacobaeus sind dieselben wahrend der ersten wenigen Tage des Lebens des Samlings nicht vollstandig entwickelt, und dann erheben sich auch die Cotyledonen nicht bedeutend des Nachts. Bei Trifoliuin strictum erheben sich die Scheiben der Cotyledonen des

 

[page break] Cap. 6. Schlafbewegungen der Cotyledonen. 267

Nachts mittelst ihrer Polster, wlihrend der Stiel eines Cotyledons sich zu derselben Zeit halb herum dteht, unabbil.ngig von seinem Polster.

Als eine allgemeine Regel lllszt sich sagen, dasz Cotyledonen, welche mit Polstern versehen sind, wlihrend einer viel langeren Periode fortfahren des Nachts sich zu erheben oder zu senken als diejenigen, denen ein solches Organ fehlt. In diesem letzteren Palle bangt die Bewegung ohne Zweifel von dem abwechselnd starkeren Wachsthum auf der oberen und unteren Seite des Stiels oder der Blattscheibe oder beider ab, welchem wahrscheinlich eine vermehrte Turgescenz der wachsenden Zellen vorausgeht. Derartige Bewegungen dauern meist eine sehr kurze Periode, beispielsweise bei Brassica und Githago vier oder fiinf Nachte, bei Beta zwei oder drei, und bei Raphanus nur eine einzige Nacht. Es gibt indessen einige starke Ausnahmen von dieser Regel, da die Cotyledonen von Gossypium, Anoda und Ipomoea keine Polster besitzen und doch sich eine lange Zeit hindurch zu bewegen und zu wachsen fortfahren. Wir glaubten anfangs, dasz, wenn die Bewegung nur zwei oder drei Nachte daure, sie fur die Pflanze kaum von irgend einem Nutzen sein k0nne und kaum Schlaf genannt zu werden verdiene; da aber viele schnellwachsende Blatter nur einige wenige Nachte schlafen, und da Cotyledonen rapid entwickelt werden und ihr Wachsthum bald vollenden, so scheint uns dieser Zweifel nicht ordentlich begriindet zu sein, ganz besonders, da diese Bewegungen in vielen Fallen so stark ausgesprochen sind. Wir wollen bier noch einen andern Punkt der Ahnlichkeit zwischen schlafenden Blil.ttern und Cotyledonen erwahnen, namlich, dasz einige der letzteren (beispiels­ weise die von Cassia und Githago) leicht durch den Mangel an Licht afficirt werden; und dann schlieszen sie sich entweder nicht, oder wenn sie geschlossen sind, .0ffnen sie sich nicht; wahrend andere (wie es bei den Cotyledonen von Oxalis der Fall ist) durch das Licht sehr wenig afficirt werden. Im nachsten Capitel wird gezeigt werden, dasz die nyctitropischen Bewegungen sowohl der Cotyledonen als Bllitter in einer modicifirten Form von Circumnutation bestehen.

Da bei den Leguminosen und Oxalideen die Blatter und Cotyle­

donen der nlimlichen Species meistens schlafen, kam uns anfangs ganz natiirlich die Idee, dasz der Schlaf der Cotyledonen einfach eine frUhe Entwickelung einer Gewohnheit sei, die einem vorgeschritteneren Lebens­ alter angehorig war. Aber keine derartige Erklllrung kann zugelassen

 

[page break] 268 Modifioirte Circumnutation. Cap. 6.

werden, obschon ein gewisser Zusammenhang zwischen den beiden Gruppen von Fallen zu bestehen scheint, wie sich schon h!l.tte erwarten lassen. Denn die Bllitter vieler Pflanzen schlafen, wahrend ihre Cotyledonen nicht schlafen - von welcher Thatsache Desmodium gyrans ein gutes Beispiel darbietet, wie es gleichfalls drei Species von Nicotiana, die wir beobachtet haben, thun, auch Sida rhombifolia, Abutilon Darwinii und Chenopodium album. Auf der anderen Seite schlafen die Cotyle­ donen einiger Pflanzen und nicht die Blll.tter, wie es bei den Species von Beta, Brassica, Geranium, Apium, Solanwn und Mirabilis, die in unserer Liste genannt sind, der Fall ist. Noch auffallender ist die Thatsache, dasz in einem und demselben Genus die Bllitter mehrerer oder sammtlicher Species schlafen konnen, aber die Cotyledonen nur bei einigen unter ihnen, wie es bei Tri{olium, Lotus, Gossypiwn und theilweise bei Oxalis eintritt. Wenn ferner beide, sowohl die Cotyle­ donen, als die Blll.tter einer und derselben Pflanze schlafen, konnen ibre Bewegungen von einer durchaus unahnlichen Natur sein: so erheben sich bei Cassia die Cotyledonen des Nachts senkrecht nach aufwarts, wabrend ihre Blatter abwarts sinken und sich so drehen, dasz sie ihre unteren Flacben nach oben kehren. Bei Samlingen von Oxali. Valdiviana, die zwei oder drei gnt entwickelte Blatter batten, war es ein merkwurdiger Anblick des Nachts ein jedes Blattchen ein wenig gefaltet und senkrecht abwarts hangend zu sehen , wahrend zu der­ selben Zeit und an der namlicben Pflanze die Cotyledonen senkrecht aufwarts standen.

Diese verschiedenen Thatsaclien, welche die Unabbangigkeit der

nachtlicben Bewegungen der Blatter nnd Cotyledonen an einer und derselben Pflanze und an Pflanzen, .die der namlicben Gattung an­ geboren, nachweisen, fuhrt uns zu der Annabme, dasz die Cotyledonen ibr Bewegungsvermogen zu irgend einem speciellen Zwecke erlangt haben. Andere Thatsacben leiten zu derselben Folgerung, wie das Vorhandensein von Polstern, mittelst deren die nachtliche Bewegung wlihrend mehrerer Wochen fortgesetzt wird. Bei Oxalis bewegen sicb die Cotyledonen einiger Species senkrecbt aufwarts und die anderer senkrecht abwl!.rts des Nachts; aber diese grosze Verschiedenheit einer und derselben natfrrlichen Gattung ist nicht so uberrascbend, als es auf den ersten Blick scheinen konnte, wenn man sieht, dasz die Cotyledonen aller Species wahrend des Tags bestandig auf und nieder oscilliren, so dasz eine geringe Veranlassung es bestimmen kann, ob

 

[page break] Cap. 6. Schlafbewegungen der Cotyledonen. 269

sie des Nachts sich erheben oder senken sollen. Ferner die eigen­ thiimliche nil.chtliche Bewegung des linksseitigen Cotyledonen von Tri{olimn strictwn in Verbindung mit der des ersten echten Blattes. Endlich die weite Verbreitung der Pflanzen mit Cotyledonen, welche schlafen, durch die Reihe der Dicotyledonen. lJberlegen wir uns diese verschiedenen Thatsachen, so scheint unsere Schluszfolgerung gerecht­ fertigt, dasz die nyctitropischen Bewegungen der Cotyledonen, durch welche die Blattscheibe sich des Nachts entweder senkrecht oder bei­ nahe senkrecht nach aufwarts oder nach abwarts zu stellen veranlaszt wird , mindestens in den meisten Fallen zu irgend einem speciellen Zwecke erlangt worden sind; auch konnen wir nicht daran zweifeln, dasz dieser Zweck der Schutz der oberen Flache der Scheibe und viel­ leicht der centralen Knospe oder der Plumnla gegen die Strahlung des Nachts ist.

 

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Siebentes Oapitel.

Modiftcirte Circumnutation: Nyctitropische oder Schlafbeweg­ ungen der Blatter.

Fiir diese Bewegungen nothwendige Bedingungen. - Liste der Gattungen und Familien, welche schlafende Pfianzen enthalten. - Beschreibung der Beweg­ ungen in mehreren Gattungen. - Oxalis: Blattchen des Nachts gefaltet. - Averrhoa: rapide Bewegungen der Bliittchen. - Porlieria: Blattchen achlieszeu sich, wenn die Pfianze sehr trocken gehalten wird. - Tropaeolum: Blatter schlafen nicht, wenn sie wahrend des Tages nicht gut beleuchtet worden sind.

Lupim,s: Verschiedeue Weisen des Schlafs. - Melilotwl: eigenthiimliche Bewegungen des terminalen Blattchens. - Trifolium. - Desmodiuin: rudi­ mentare seitliche Bliittchen, deren Bewegungen, an jungen Pflanzen nicht ent­ wickelt; Polster. - Cassia: complicirte Bewegungen der Bliittchen. - Bau­ hinia: Bliittchen des Nachts gefaltet. - Mimosa pudica: zusammengesetzte Bewegungen der Blatter, eine Wirkung der Dunkelheit. - Mimosa albida: verklimmerte Bliittchen. - Schl-ankia: Abwartabewegung der Fiedern. - Marsilea: die einzige cryptogame Pfianze von der bekannt ist, dasz sie schlMt.

Schluazbemerkungen und Zusammenfassung. - Nyctitropismus besteht in modificirter Circumnutation , <lurch den Wechsel von Licht und Dunkelheit regulirt. - Gestalt der ersten wahren Blatter.

Wir kommen nun zu den nyctitropischen oder Scblafbewegungen der Blatter. Wir erinnern den Leser daran, dasz wir diesen Aus­ druck auf Blittter beschranken, welche ihre Blattscheiben des Nachts entweder in eine senkrechte Stellnng oder doch nicht mehr als unter einem Winkel von 30° von der Senkrechten ab stellen, d. h. mindestens 60° ftber oder unter den Horizont. In einigen wenigen Fallen wird dies durch die Rotation der Blattscheiben bewirkt, wahrend der Blatt­ stiel in irgend einer betrachtlichen Ausdehnung weder erhoben noch gesenkt wird. Die Grenzbestimmung von 30° von der Senkrechten ist augenscheinlich eine willkiirliche und ist aus frfther mitgetheilten Grunden gewahlt worden, namlich weil, wenn die Blattscheibe sich der Senkrechten bis zu diesem Grade nahrt, nur halb so vial von der

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 271

Oberflache des Nachts dem Zenith und der freien Strahlung ausgesetzt wird als wenn die Blattscheibe horizontal steht. Nichtsdestoweniger sind in einigen wenigen Fallen Blatter, welche durch ihren Bau daran verhindert zu sein scheinen, sich in einer so bedeutenden Ausdehnung wie 60° iiber oder unter den Horizont zu bewegen, unter die schlafenden Pffanzen mit eingeschlossen worden.

Es musz vorausgeschickt werden, dasz die nyctitropischen Be­ wegungen der Blatter durch die Bedingungen, welchen die Pflanzen ausgesetzt worden sind, leicht beeinfluszt werden. Wenn die Erde zu trocken gehalten wird, werden die Bewegungen bedeutend verlangsamt oder sie schlagen ganz fehl: nach der Angabe von DASSENt werden die Blatter von Impatiens und Malva bewegungslos gemacht, selbst wenn die Luft sehr trocken ist. CARL KRAUS hat gleichfalls vor Kurzem den groszen Einflusz betont 2 , welchen die Menge des absor­ birten Wassers auf die periodischen Bewegungen der Blatter hat; er glaubt, dasz diese Ursache hauptsachlich die schwankende Grosze des nachtlichen Sinkens der Blatter von Polygonum convolvulus bestimmt; und wenn dies der Fall ist, so sind ihre Bewegungen nicht in unserem Sinne streng nyctitropisch. Damit Pflanzen schlafen, mlissen sie der gehorigen Tempe_ratur ausgesetzt gewesen sein: Erythrina crista-,qalli schien im Freien und an einer Mauer mit Nageln festgehalten in ziem­ lich guter Gesundheit; die Blattchen schliefen aber nicht, wahrend diejenigen an einer andern in einem warmen Gewachshause gehaltenen Pflanze sammtlich des Nachts senkrecht herabbiengen. In einem Ge­ miisegarten schliefen die Blattchen von Phaseolus vulgaris wahrend des ersten Theils des Sommers nicht. CH. ROYER sagt 3, sich wie ich vermuthe auf die in Frankreich einheimischen Pflanzen beziebend, dasz sie nicht schlafen, wenn die Temperatur unter 5° C. ist. Bei mehreren schlafenden Pflanzen, namlich bei Arlen von Tropaeolum, Lupinus, Ipomoea, Abutilon, Siegesbeckia and wahrscheinlich noch von anderen Gattungen, ist es, damit die Blil.tter des Nachts eine

 

1 Dass en, Tijdschr. voor Natuurl. Geschied. en Physiol. Vol. IV. 1837,

p. 106; s. auch Ch. Royer iiber die Bedeutung eines gehi.\rigen Turgescenz­ zustandes der Zellen, in: Ann. des Scienc Natur. (5. Ser.) Botan. T. 9. 1868, p. 345.

2 Beitrage zur Kenntnis der Bewegungen etc. in : Flora, 1879, p. 42, 43, 67 etc.

$ Ann. des Scienc. Natur. (5. Ser.) Botan. T. 9. 1878, p. 366.

 

[page break] 272 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

senkrechte Stellung annehmen, unerHiszlich, dasz sie wahrend des Tags gut beleuchtet wurden; und es riihrt wahrscheinlich von dieser Ursache her, dasz Samlinge von Chenopodium album und Siegesbeckia orientalis, die wir in der Mitte des Winters gezogen hatten, trotzdem sie in einer gehl:\rigen Temperatur gehalten wurden, nicht schliefen. Endlich verhinderte ein heftiges, wenige Minuten anhaltendes Schiitteln durch einen starken Wind die Blatter von Jforanta arundinacea (welche vorher im Warmhause nicht gestort worden waren) wahrend der zwei nachsten Nachte am Schlafen.

Wir wollen nun unsere Beobachtungen iiber schlafende Pflanzen, die in der in der Einleitung beschriebenen Art und Weise angestellt wurden, beschreiben. Der Stamm der Pflanze wurde (wenn nicht das Gegentheil angegeben wird) immer dicht an der Basis des Blattes, dessen Bewegungen betrachtet werden sollten, festgemacht, um dadurch den •Stamm am Circumnutiren zu hindern. Da die Aufzeichnungen an einer senkrecbten vor der Pflanze stehenden Glasscheibe gemacht wurden, so war es augenscheinlich unmoglich, ihre Bewegungen zu verzeichnen, sobald das Blatt am Abend bedeutend entweder aufwarts gerichtet oder abwarts geneigt wurde; es musz daher als sich von selbst verstehend angenommen warden, dasz die unterbrochene Linien in den Zeichnungen, welche den abendlichen oder nil.chtlichen Weg darstellen, immer bis zu einer viel groszeren Entfernung, entweder aufwarts oder abwarts, verlil.ngert werden miissen, als sie in denselben erscheinen. Die Schluszfolgerungen, welche aus unseren Beobachtungen abgeleitet werden konnen, werden gegen das Ende dieses Capitels mit­ getheilt werden.

In der folgenden Liste sind siimmtliche Gattungen, welche, soweit

es uns bekannt ist, schlafende Pflanzen enthalten, aufgefiihrt. Es ist bier die nil.mliche Anordnung befolgt, wie in friiheren F!illen, auch ist wieder die Zahl der Familie hinzugefiigt. Diese Liste bietet einiges Interesse dar, da sie den Nachweis bringt, dasz die Gewohnheit zu schlafen einigen wenigen Pflanzen durch die ganze Reihe der Gefa.sz­ pflanzen gemeinsam ist. Die groszere Anzahl der Gattungen in der Liste ist von uns selbst mit groszerer oder geringerer Sorgfalt beobachtet worden; mehrere aber werden auf die Autoritat Anderer (deren Naman in der Liste mit angefiihrt wurden) gegeben, und in Bezug auf diese haben wir nichts Weiteres zu sagen. Ohne Zweifel ist diese Liste sehr unvollkommen, mehrere Gattungen hiitten aus dem "Somnus

 

[page break] Cap. 7. Sohlafbewegungen der Blitl'A!r. 273

plantarum" des LINNE hinzugefiigt werden Mnnen; in einigen der von ihm angefiihrten Flllle konnten wir aber nioht beurtheilen, ob die Blatt­

-scheiben des Nachts eine nahezu senkrechte Stellung einnehmen. Er fubrt einige Pflanzen als schlafende an, beispielsweise Lathyrus odomtus und Vicia faba, an welchen wir keine Bewegung beobacbten konnten,

_welche Schlaf genannt zu warden verdiente, und da Niemand an der Genauigkeit LINNE's zweifeln kann, sind wir in Zweifel geblieben.

Llste der Gattungen, welche Species enthalten, deren Bliltter schlafen.

 

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C 1ass e. Dicotyledonen.

 

I I. Unter-Claase. A ngiospermen.

 

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Unter-Classe. Gattung.

Githago.

Stellaria (BATALIN).

 

Angiospermen. '

Familie.

Caryophylleae (26).

 

(Fortsetzung.)

Gattung. Familie.

Glycy1'1•hiza. Leguminosae

V. Trib.

 

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Portulaca (CH. RoYEn).

Sida. Abutilon.

Malva (LINNE und

PFEFFER).

Hibiscus (LINNE).

 

Portulac e (27).

Malvaceae (36).

 

,,

,,

 

Coronilla. Hedysarum. Onobr'!/chis. Smithia.

Arachis. Desmodium. Urania.

 

,, VI. Trib.

,.

 

[page break]

Anoda. Gossypium. Ayenia (LINNE).

 

,,

Sterculaceae (87).

 

Vicia. Centrosema.

.Amphicarpaea.

 

:; Vli:Trib.

,, VIII. Trib.

 

[page break]

Triumfetta(LINNt). Tiliaceae (88). Glycine.

 

[page break]

Limcm (BATALIN).

Oxalis. Averrhoa. Porlieria. Guiacum.

Impatiens (LINNE, PFEFFER, BATA LIN).

Tropaeolum. Crotolaria (THIS.

DYER}.

 

Lineae (39).

Oxalidae (41).

Zygophyiieae (45).

Balaami ae (48).

 

Tropaeoleae (49).

Leguminosae (75)

Tribue.

 

Erythrina. Apios.

Phaseolus. Sophora. Caesalpinia. Haematoxylon. Gleditschia (Du-

cHARTRE ).

Poinciana. Ca.8sia.

Bauhinia.

 

 

 

'' X:TriL.

,, XIII. Trib.

,,

 

,, XIV:Trib.

,, XV. Trib.

 

[page break]

Lupinus. Cytisus. Trigonella. Medicago. Melilotus. Trifolium. Securigera. Lotus.

Psoralea. Amorpha (DucHAR

TRE).

Daelea. lndigofera. Tephrosia. Wistaria.

 

,, "

III". Trib.

,,

" 1v'.'Trib.

v'.'Trib.

" ,,

,, ,,

,_,

 

Thma1-indus. Adenanthem. Prosopis.

N'!J.)tunia. Mimosa. Schra11kia. Acacia.

Albizzia. Melaleuca(Boucw:) Oenot hera (LINNE). Passi{lora.

Siegesbeckia. Ipomoea.

 

,, XVI. Trib.

XX. Trib.

 

,", ,,

., xxn'.'Trib.

,, XXIII. Trib.

Myrtaceae (94).

Onagrarieae (100).

Paasifloraceae (105).

Co.mpositae (122). Convolvulaceae

.(151).

 

[page break]

Bobinia. Sphaerophysa. Colutea.

Astragalus.

 

Nicotiana. Mirabilis.

Polygonum

" " TALIN),

 

Solaneae (157).

Nyctagineae (177).

Polygoneae (179),

 

[page break] DARWIN, Bewegungavermogen.

 

(XIII.) 18

 

[page break] 274 Modi,Jicirte Circumnutation. Cap. 7.,

Llste der Gattungen, (Fortsetzung.)

Classe. Dicotyledonen. II. C1ass e. Monocotyledonen.

 

[page break]

I. Unter-Classe. A.ngiospermen. Gattung. ,Familie.

Amaranthus. Amaranthaceae

 

Gattung.

Thalia. Maranta.

 

Familie.

I

Cannaceae (21).

 

[page break]

Chenopodium. Pimelia (Boucml:).

 

(180).

Chenopodieae(l81). Thymeteae (188).

 

Colocasia. Strephium.

 

Aroide (30).

Gramineae (55).

 

[page break]

Euphorbia. Phyllanthus (PFEF•

FER).

Abies (CHA.TIN).

 

Euphorbiaceae (202)

"

 

III. Classe. Acotyledonen.

Mars-ilea. Marsileaceae (4).

 

[page break]

 

Githago segetum (Caryophylleae). Die ersten von jungen Sii.mlingen hervorgebrachten Blatter erheben und schlieszen sich des Nachts. An einem etwas ii.lteren Sii.mling standen zwei junge Blii.tter um Mittag 55 ° iiber dem Horizont und des Nachts 86°; jedes war demnach 91 ° gestiegen. Der Winkel war indessen in einigen Fallen kleiner. .Ahnliche Beobachtungen wurden gelegentlich an jungen Blattern (denn die alteren be­ wegten sich sehr wenig) gemacht, welche von nahezu vollstandig erwachsenen Pflanzen hervorgebracht waren. BATALIN sagt (Flora, 1. Oct. 1873, p. 437), dasz die jungen Blatter von Stellaria sich des Nachts so vollstii.ndig scblieszen, dasz sie zusammen grosze Knospen bilden.

Sida (Malvaceae). - Die nyctitropischen Bewegungen der Blii.tter in dieser Gattung sind in einigen Beziehungen merkwurdig. BATALIN theilt uns mit (s. aucb Flora, 1. Oct. 1873, p. 437), dasz diejenigen von

S. napaea sich des Na'1hts senken, bis zu welchem Winkel aber, kann er sich nicht erinnern. Andererseits erhoben sich die Blii.tter von S. rhombi­ folia und retusa senkrecht und werden gegen den Stamm gedriickt. Wir haben daher hier innerhalb einer und der nii.mlichen Gattung zwei direct entgegengesetzte Bewegungen. Ferner sind die Blatter von S. rhombifolia mit einem Polster versehen, welches ans einer Masse kleiner Zellen besteht, denen Chlorophyll fehlt und deren lii.ngere Axen senkrecht auf die Axe des Blattstiels stehen. Dieser letzteren Linie entlang gemessen, sind diese Zellen nur ein Fiinftel so lang wie die des Blattstiels, aber anstatt plotz­ Jich von ihnen abgesetzt zu sein' (wie es gewohnlich bei dem Polster in den meisten Pflanzen der Fall ist), gehen sie allmii.hlich in die groszeren Zellen des Blattstiels iiber. Auf der andern Seite besitzt, nach der An­ gabe von BATALIN, S. napaea kein Polster; er theilt uns mit, dasz in den verschiedenen Arten dieser Gattung ein allmahlicher Ubergang zwischen diesen beiden Zustanden des Blattstiels verfolgt werden kann. Sida rhombifolia bietet eine andere Eigenthiimlichkeit dar, von welcher wir bei Blli.ttern, welche schlafen, kein anderes Beispiel gesehen haben: nam­ lich diejenigen an sehr jungen Pflanzen, wenn schon sie sich am Abend etwas erheben, schlafen nicht ein, wie wir bei mehreren Gelegenheiten beobachteten; wii.hrend diejenigen an verhli.ltnismii.szig alteren Pflanzen in einer augenfii.lligen Art schlafen. So stand z. B. ein Blatt (0.85 Zoll an Lange) an einem sehr jungen Sii.mling, der 2 Zoll hoch war, um Mittag

9 iiber dem Horizont. und um 10 p. m. 28 so dasz es um 19 gestiegen war; ein anderes (1.4 Zoll langes) Blatt an einem Samling von derselben

 

[page break] Cap. 7. ScJiiafbewegungen der Blitter. 275

Hohe stand an diesen beiden Zeitpunkten 7° und 32 ° und batte sich daher 25 erhoben. Diese Blatter, welche sich so wenig bewegten, batten ein ziemlich ordentlich entwickeltes Polster. Nach Verlauf einiger Wochen, als die namlichen Sii.mlinge 2i/2 und 3 Zoll hoch waren, standen einige von den jungen Blii.ttern des Nachts vollig

senkrecht und andere waren hoch auf- s40'«.m.2a'!'

gerichtet; dasselbe fand sich auch an Strau­ chern , welche vollstii.ndig erwachsen und in Bliithe waren.

Die Bewegung eines Blattes wurde von 9.15 a. m. am 28. Mai bis 8.30 a. m. am 30. aufgezeichnet. Die 'femperatur war zu niedrig (15°-16° C.) und die Beleuch-

. tung kaum geniigend; in Folg•e hiervon wur­ den die Blatter des Nachts nicht vollstii.ndig so hoch aufgerichtet, wie sie friiher gewor­ den waren und wie sie es spater im Warm­ hause wurden ; im Ubrigen erschienen die Bewegungen uicht gestort. Am ersten Tage seukte sich das Blatt bis 5.15 p. m.; dann erhob es sich rapid und bedeutend bis

10.15 p. m. und wahrend der iibrigen Nacht nur ein wenig hoher (Fig. 126). Friih am Morgen des nachsten Tages (29.) senkte es sich in einer Zickzacklinie rapid bis 9 a. m., zu welcher Zeit es nabezu dieselbe Stelle erreicht hatte, wie am vor­ hergehenden Morgen. Wahrend des ubrigen Tages senkte• es sich langsam und bewegte sich seitwarts im Zickzack. Die Abend­ erhebung begann nach 4 p. m. in der­ selben Weise wie frilher und am zweiten Morgen fiel es wiederum rapid. Die auf­ steigenden und absteigenden Linien fallen

[page break]

nicht zusammen, wie in der Zeichnung zu sehen ist. Am 30. wurde eine neue (hier nicht mitgetheilte) Aufzeichnung in einem etwas groszeren Maszstabe gemacht, da das Blatt 9 Zoll von der senkrechten Glasscheibe abstand. Um in der Zeit, wo sich die Tagessenkung in die nacht­ liche Erhebung umwandelte, den ein­

 

Fig. 126. 'Sida rhombifolia: Clrcumnu­ tatlon und nyctltropische (oder Schlaf-) Bewegungen eines Blattes an einer jungen, 91h Zoll hohen Pftanze; Gl•

faden an die Mittelrippe elnes nahezu vollerwachsenen, 2½ Zoll langen Blattes befestlgt; Bewegung unter cinem Ober­

licht aufgezelchnet. Spitze des Blattes 5>/8 Zoll von der senkrechten Glas­ sciieibe entfernt, die Zeichnuni daher

nlcht sehr vergroszert.

 

[page break]

geschlagenen Weg sorgfaltiger zu beobachten, wurden zwiscben 4 p. m.

und 10.30 p. m. alle halben Stunden Punkte gemacht. Dies machte die seitliche Zickzackbewegung wahrend des Abends augenfalliger als es in der mitgetheilten Zeichnung der Fall ist, sie war aber von derselben Be­ schaffenheit wie sich dort _zeigt. Der Eindruck, der sich uns aufdrangte, war der, dasz das Blatt •o.berflilssige Bewegung aufwandte, damit die grosze nachtliche Erhebung nicht zu einer zu friihen Stunde eintrate.

18*

 

[page break] 276 Modifl.cirte Circumnutation. Cap. 7.

Abutilon Darwinii (Malvaceae). - Die Blatter an einigen sehr jungen Pflanzen standen wii.hrend des Tages beinahe horizontal und hiengen des Nachts senkrecht herab. Sehr scMne, in einer groszen, nur vom Dache aus erleuchteten Halle gehaltene Pflanzen schliefen des Nachts nicht; denn um dies zu thun, mflssen die Blatter wll.hrend des Tages gut beleuchtet werden. Die Cotyledonen schlafen nicht. LINNE sagt, dasz die Blll.tter seiner Sida abutilon des Nachts senkrecht herabhangen, obgleich sich die Blattstiele erheben. Prof. PFEFFER theilt uns mit, dasz die Blll.tter einer, mit M. sylvestris verwandten Malva sich des Nachts bedeutend er­ heben; und diese Gattung wird ebenso wie Hibiscus von LINNE in seiner Liste von schlafenden Pflanzen anfgefilhrt.

Anoda Wrightii (Malvaceae). - Wenn die, von sehr jungen Pflanzen hervorgebrachten Blatter zu einer mii.szigen Grosze herangewachsen sind, senken sie sich des Nachts entweder beinahe senkrecht oder in einem

Winkel von ungeiahr 45 unter den Horizont; denn es besteht ein ziem­ licher Grad von Variabilitii.t in dem Betrage der Senkung des Nachts, was zum Theil von dem Grade abhangt, in welchem sie wii.hrend des Tages beleuchtet worden sind. So lange aber die Bl tter ganz jung sind, senken sie sich nicht des Nachts abwiirts, und di s ist ein sehr un­ gewohnlicher Umstand. Der Gipfel des Blattstiels, wo er sich mit der Blattscheibe verbindet, ist zu einem Polster entwickelt, und dies ist an sehr jungen Bliittern, welche nicht schlafen, vorhanden, obschon es nicht so gut entwickelt ist wie in iilteren Bliittern.

Gossypium (var. Nauking- Baumwolle, Malvaceae). Einige junge, zwischen 1 und 2 Zoll lange Blatter, welche zwei Sii.mlinge von

6 und 7i/2 Zoll Lange entwickelt batten, standen am Mittag des 8. und

9. Juli horizontal oder wareu ein wenig iiber den Horizont erhoben; aber um 10 p. m. batten sie sich bis zwischen 68° und 90° unter den Horizont gesenkt. Als die nii.mlichen Pflanzen zu dem Doppelten dei• angefiihrten Grosze gewachsen waren, standen ihre Blatter des Nachts beinahe oder vollstii.ndig senkrecht nach unten. Die Blatter an einigen groszen Pflanzen von G. maritimum und brasiliense, welche in einem sehr schlecht erleuch­ teten Warmhause gehalten wurden, sanken nur gelegentlich des Nachts bedeutend abwarts und kaum hinreichend um Schlaf genannt zu werden. 0 x al is (Oxalideae). - In den meisten Species dieser groszen Gat­

tung senken sich die drei Blattchen des Nachts senkrecht abwii.rts; da

 

 

 

 

 

 

 

A B

Fig. 127. 0:,;ali, ae loael/a: A Blatt, senkrecht von oben gesehen; B Schema eines sehl&fenden Blattes, glelchf&lls von oben gesehen.

 

aber die Stiele der Blattchen kurz sind, so wi.irden deren Scheiben diese Stellung aus Mangel an Raum nicht annehmen konnen, wenn sie nicht

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 277

in irgenq welcher Weise schmli.ler gemacht wtirden; und dies wird dadurch bewirkt, dasz sie mehr oder weniger gefaltet werden (Fig. 127). Der von den zwei Hli.lften eines und desselben Blattchens gebildete Winkel ergab sich als. in verschiedenen lndividuen mehrerer Species zwischen 92 und 150° variirend; an drei der am beaten gefalteten Blattchen von

0. fragran. betrug er 76 74 und 54 Der Winkel ist hli.ufig an

den drei Blatt.chen eines und desselben Blattes verschieden. Wie die Blii.ttchen des Nachts herabsinken und gefaltet

werden, warden ihre unteren Flii.chen nahe zu­

sammen (siehe B) oder selbst in dichte Be­ rilhrung gebracht, und nach diesem Umstande konnte man meinen, dasz der Zweck des Fal­ tens der Schutz ihrer unteren Fliichen sei. Wenn dies der Fall gewesen ware, so wilrde es eine scharf ausgesprochene Ausnahme von

der . Regel bilden, dasz, wenn irgend eine ratlp

Verschiedenheit in dem Grade besteht, in wel- chem die zwei Flii.chen eines Blattes gegen Ausstrahlung geschtltzt werden, es immer die obere Fliicbe ist, welche am besten geschiltzt wird. Dasz aber das Falten der Bliittchen und die darauf folgende Annii.herung ihrer unteren Fliicben einfach dazu dient ,• ihnen zu gestatten, senkrecht abwii.rts zu sihken, kann man aus der Thatsache folgern, dasz, wenn die Blattchen nicht vom Gipfel eines ge­ meinsamen Stiels strahlenformig abgehen oder, wiederum, wenn hinreichender Raum vorban-

' den ist, weil die Stiele der Blii.ttchen nicht sehr kurz sind, die Blli.ttchen nach unten

sinken, oline gefaltet zu werden. Dies ist der Fall mit den Blii.ttchen von 0. sensitiva, Plumierii und bupleurif olia. .

Es hat keinen Nutzen, 'eine lange Liste der vielen Species zu geben, welche in der oben beschriebenen Art und Weise schlafen. Dies gilt auch fur Species, welche etwas fleiscbige Blatter haben, wie die von 0. car­ nosa, oder grosze Blatter, wie die von 0. Or­ tegesi, oder vier Blii.ttchen, wie die von 0. varia­ bilis. Es gibt indessen einige Species, welche keinerlei Zeichen von Scblaf darbieten, niimlich

 

[page break]

0. pentaphylla, enneaphylla, hirta und rubella. Wir wollen nun die Natur der Bewegungen in einigen von den Specilis beschreiben.

0xalis acetosella. - Die Beweg­ ung eines Bliittchens, zusammen mit der des

 

Fig. 128. Oxali acetoaella: Circum­ nutatlon und nyctltroploche Beweg, ung.,n einee voll ausgewachsenen Blattes; Glasfaden an die Mlttelrlppe elne der Bliittcben befestlgt; an elner horlzontalen Glas&chelbe 20 Stunden 45 Mlnuten aufgezeichnet.

 

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Hauptblattstiels ist in der folgenden Figur (Fig. 128) dargestellt, welche zwisch1>n 11 a. m., am 4. October, und 7.45 a. m. am 5. aufgezeicbnet

 

[page break] 278 Modificirte Circumnutation. Cap. 7;

wurde. Nach 5.30 p. m., am 4., sank das Blattchen rapid und um

7 p. m. hieng ee senkrecht herab. Eine Zeit lang, ehe es diese letztere Stellung annahm, konnten natil.rlich seine Bewegnngen an der senk­ recbten Glasscbeibe nicht mehr verzeichnet werden, und die unter brochene Linie in der Zeichnung hatte in diesem und allen il.brigen Fallen viel weiter nach unten verliingert werden m.il.ssen. Um 6.45 a. m. am folgenden Morgen hatte es sich betrii.chtlich erhoben und fuhr die nii.chste Stunde lang damit fort; nach anderen Beobachtungen aber zu _urtheilen, wiirde es bald angefangen haben sich wieder zu senken. Zwischen 11 a. m. und 5.30 p. m. bewegte sich das Blattchen mindestens viermal aufwii.rts und viermal abwarts, ehe die grosze nii.chtliche Abwartsbewegung begann; es erreichte am Mittag seinen hochsten Punkt. .A.hnliche Beobachtungen wurden an zwei anderen Blii.ttchen gemacht mit nahezn den nii.mlichen Resultaten. SACHS und PFEFFER 4 haben gleichfalls kurz die autononien Bewegungen der Blatter dieser Pflanze beschrieben.

Bei einer andern Gelegenheit wurde de1• Stiel eines Blattes dicht unter den Blattchen an einen kleinen Stab festgemacht, und ein Glasfaden, dessen Spitze mit einem Siegellacktropfen versehen war, wurde an • die Mittelrippe eines derselben befestigt uml ein Punkt dicht dahinter gemacht. Um 7 p. m., als die Blii.ttchen eingeschlafen waren, hieng der Glasfaden senkrecht herab, und dann wurden die Bewegungen des Tropfens his

 

 

 

 

Fig. 129.• Oralia acetoaella: Circumnutation eines Bliit.tchuns wiihrend des Schlafes; an oiner senk

rechten Glasscheibe 8 Stnnden 40 Minnton lang aufgezeichnet. _

 

10.40 p. m. aufgezeichnet, wie es in beistehender Figur (Fig. 129) dar­ gestellt ist. Wir sehen hier, dasz sich das Blii.ttchen ein wenig von einer Seite zur andern, ebenso wie ein wenig auf- und abwii.rts bewegte, wii.hrend es eingeschlafen war.

Oxalis Valdiviana. - Die Blatter sind denen der vorausgehenden Species ii.hnlich; die Bewegung zweier Blattchen (die Hauptblattstiele beider waren feat gemacht) wurden wahrend zweier Tage aufgezeichnet; die Zeichnungen wurden aber nicht mitgetheilt, da sie denen von 0. acetosell,a. ahnlich sind, mit der Ausnahme, dasz die Oscillationen aufwarts und abwii.rts wii.hrend des Tags nicht so hii.ufig war11n, auch bestand mehr seitliche Bewegung, so dasz breitere Ellipsen beschrieben wurden. Die Blatter erwachten zeitig am Morgen; denn um 6.45 a. m. am 12. Juui und am

13. hatten sie sich nicht blosz bis zu ihi:er vollen H0he erboben, sondern

_batten bereits angefangen, sich zu senken, d. h. sie circumnutirten. Wir haben im letzten Capitel gesehen, dasz die Cotyledonen, anstatt sich zu senken, sich des Nachts senkrecht erheben.

Oxalis Ortegesii. - Die groszen Blatter dieser Pflanze schlafen gleich denen der vorausgehenden Arten. Die Hauptblattstiele sind lang;

 

Sachs, in: Flora. 1863, p. 470 etc., Pfeffer, Die period. Beweg. etc, 1875, p. 53.

 

[page break] -Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 279

der eines jungen Blattes erhob sicli zwischen Mittag und 10 p. m. 20 °, wahrend der Stiel eines ii.lteren Blattes nur 13° stieg. In Folge dieser Erhebung der Blattstiele und der senkrechten Senkung der groszen Blii.ttchen ivurden die Blatter des Nachts zusammen gedrangt und die ganze Pflanze bietet dann eine viel kleinere Oberflache der Strahlung dar als wii.hrend des Tages.

0 x a lis Plu mierii. - In dieser Species umgeben die drei Blii.ttchen

nicht den Gipfel des Blattstiels, sondem das terminale Blii.ttchen springt in der Linie des Blattstiels vor mit einem seitlichen Blii.ttchen auf jeder Seite. Sie schlafen alle• so, dasz sie sich senkrecht abwiirts biegen, werden aber durchaus nicht gefaltet. Der Blattstiel ist verhaltnismii.szig lang; nachdem ein Stiel an einen Stab gebunden worden war, wurde die Be­ wegung des terminalen Blii.ttchens wahrend 45 Stunden an einer senk­ rechten Glasscheibe aufgezeichnet. Es bewegte sich in einer sehr einfachen Art, sank nach 5 p. m. rapid: und erhob sich rapid zeitig am nii.chsten Morgen. Wii.hrend der Mitte des Tages bewegte es sich langsam und ein wenig seitlich. In Folge dessen fielen die aufsteigenden und absteigenden Linien nicht zusammen, und an jedem 'rage

wurde eine einzige grosze Ellipse gebildet. Es

fand sich sonst kein anderer Beleg fiir Circumnu­ I

tation, und diese Thatsache ist von Interesse, wie wir spater sehen werden.

 

[page break]

Oxalis sensitiva. - Die Blattchen biegen

sich, wie in der tzten Species, des Nachts senk­ recht abwarts, ohne 'gefaltet zu werden. Der bedeutend verlangerte Blattstiel erhebt sich am Abend betrii.chtlich, aber bei •einigen sehr jungen Pflanzen fieng die Erhebung nicht eher als spat in der Nacht an. Wir haben • gesehen, dasz die Cotyledonen, anstatt wie die Blattchen zu sinken, des Nachts sich vertical erheben..

Oxalis bupleurifolia. - Diese Species

ist dadurch merkwiirdig, dasz der Blattstiel blatt­ artig geworden ist, wie die Phyllodien vieler Acacien. Die Blii.ttchen sind klein , von einem blasseren Griin und zarterer Consistenz• als die

•blattartigen Blattstiele. Das Blii.ttchen, welches

•beobachtet wurde, war 0.55 Zoll in der Lange und wurde von einem Stiele . getragen, welcher

2 Zoll lang und 0.3 Zoll breit war. Man darf vermuthen, dasz die Blii.ttchen auf dem Wege

sind fehlznschlagen -0der zu abortiren, wie es factisch schon mit denen einer anderen brasilia­ nischen Species, O. rusciformis, eingetreten ist. Nichts destoweniger warden in der vorliegenden Species die nyctitropischen Bewegnngen 'Vollkom­

Fig. 180. Oxali, bupl,urifolia: Clroumnutatlon des blattartlgen Blattatlels; Glasfaden schriig quer an das Ende. des Blattatiels be­ festlgt; Bewegungen an einer senkrechten Glassohelbe von 9

a. m. , 26. Junl, bis 8.50 a. m. am 28. verzelchnet. Spltze des Bliittohens 41/2 Zoll vom Glase entfernt, daher die Bewegung nloht etark vergroszert, Pllanze 9 Zoll hooh, von oben belenchtet.

Teinperatur 28½-24½" C.

 

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men ausgefilhrt. Zuerst wurde der blattartige Blattstiel wii.hrend 48 Stun­

den beobacbtet, und es ergab sicb, dasz e.r in best n iger Circumnutation

war, wie es die beistehende Figur (Fig. 130) zeigte; Er erhob sich

 

[page break] 280 • Modificirte Circumnut.&tion. Cap. 7..

'wa.hrend des Tages und des frfthen Theils der Nacht und sank wii.hrend der ilbrigen Nacht und •am fro.hen Morgen; .die Bewegung war aber nicht.

grosz genug um Schlaf genannt zu warden. Die a.ufsteigenden und ab steigenden Linien flelen nicht zusam­ men, BO dasz also eine Ellipse jeden

Tag gebildet wurde. Es fand sich nur. wenig Zickzackbewegung; wenn

I der Glasfaden lli.ngsweise befestigt.

worden ware, wOrden wir wahrschein­

i lich gesehen haben, dasz mehr seit­

liche Bewegung statt fand als in der Zeichnung erscheint.

Znnii.chst wurde nun ein termi­ nales Blii.ttchen an einem anderen

I Blatte beobachtet (der Blattstiel

wurde fest gemacht), und seine Be­ wegungen sind in Fig. 131 dar­ gestellt. Wii.hrend des Tages sind die Blii.ttcben horizontal ausgestreckt. und des Nachts Mngen sie senkrecht. herab; und da der Blattstiel sich wii.brend des Tages erhebt, so mils­ sen sich die Blii.ttchen am Abend

.f mehr als 90 herab biegen, um des Nachts ihre senkrechte Stellung ein­ zunehmen. Am ersteu Tage bewegte­ sich das Blii.ttchen einfach aufwarts­

und abwii.rts; am zweiten Tage cir­ cumnutirte es deutlich zwischen S

a. m. und' 4.30 p. m., nach welcher Stunde die grosze abendliche Senkung begann.

A1Jerrhoa bilimbi (Oxalideae)

. - Es ist seit !anger Zeit bekannt 5 erstens, dasz die Blii.ttchen in dieser Gattung schlafen, zweitens, dasz sie

 

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Fig. 131. Oxali b1tplturlfolia: Clrcumnutatlon und nyctitropiscbe Bewegung eines termlnai n Bliittcbens; Glasfaden der Mittelrlppe entlang befestigt; an elner aenkrechten Glasschelbe von 9 a. m. , 26. Jnni, bis 8."5 a. m. am 28. ver­ r.efohnet. Bedlngungen die niimlichen, wle Im letzten Fane.

 

sich wii.hrend des Tages spontan be­ wegen, und drittens, dasz sie gegen Berilbrung empflndlich sind; aber in keiner dieser Beziehungen sind sie wesentlicb von den Species von Oxalis­ verschieden. Sie weichen aber, wi&

 

[page break]

Herr It. I. 1.YNCH vor Kurzem gezeigt hat6, darin ab, dasz ihre spontanen

Bewegungen stark ausgesprocben sind. Bei .A. bilimbi ist es ein wunder­ barer Anblick zu sehen, wie an einem warmen sonnigen Tage die Blii.ttcben

 

Dr. Br11-ce, in: Philo h. Tranaaetions, 1786, p. 856.

Journ. Linn. Soc.• Vol. 16. Bot.an. 1877, p. 281.

 

[page break] Cap. 7. Sehlafbewegungen der Blatter.' 281

eins nach dem andern rapid sicb . abwarts senken UDd wiederum sich Jangsam erheben. Ihre Bewegungen wetteifem mit denen von dium gyrans. Des Nacbts hangen die Blattcben senkrecbt herab, und nun sind sie bewegungslos, dies ,konnte aber eine Folge davon sein, dasz die. gegen-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 132. Averrhoa bilimbi: eingeschlafenes Blatt; Zeichnong verkleinert.

 

stiindigen gegen einander gedriickt werden (Fig. 132). Der Hauptblattstiel ist wiihrend des Tages in bestiindiger Bewegung; es wurden aber keine sorgfiiltigen Beobachtungen an ihm angestellt. Die folgenden Abbildungen sind graphische Darstellungen der Abanderungen in dem Winkel, welchen ein gegebenes Bliittchen mit der Senkrechten bildet. Die Beobachtungen wurden angestellt, wie folgt. Die in einem Topfe wacbsende Pflanze wurde in einer hohen Temperatur gebalte.n, und der Blattstiel des zu beobacbtenden Blattes zeigte gerade nacb dem Beobacbter, von diesem durch eine senk­ rechte Glasscbeibe getrennt. Der Blattstiel wurde in der Weise befestigt, dasz das basale Gelenk oder Polster eines der seitlichen Blii.ttchen im Mittelpunkte eincs in Grade eingetheilten, dicht hinter dem Bliittchen aufgestellten llogens sich befand. Ein feiner Glasfaden wurde so. an das Blatt befestigt, dasz er wie eine Fortsetzung der Mittelrippe vorsprang. Dieser Glasfaden diente als Zeiger; und wfo das Blatt sich erbob und senkte, dabei um sein basales Gelenk rotirend, konnten •seine Winkel­ bewegungen in der Weise notirt werden, dasz die Stellung des Glasfadens auf dem graduirten Bogen in kurzen Zeitzwischenraumen abgelesen wurden. Um Fehler der Parallaxe zn vermeiden, wurden alle Ablesungen so ge­ rnacbt, dasz man dnrch einen kleinen, auf die senkrechte Glasscheibe in einer Linie mit dem Gelenk des Bliittchens nnd dem Mittelpnnkt des graduirten Bogens aufgemalten Ring bindurchsab. In den folgenden Ab­ bildungen repriisentiren die Ordinaten die Winkel, welche das Bliittcben in aufeinander folgenden Momenten mit der Senkrechten bildete 7 • Es folgt hieraas, dasz ein Sinken in der Curve ein factisches Sinken des Bliittchens darstellt, und dasz die Nnllpunktslinie eine senkrecht herab-

 

 

. , In. simmtlichen Zeichnungen reprasentirt 1 mm in der. horizontalen Rich­ tun eine Zeitminute. Jeder Millimeter in der senkrechten Richtun$' reprasentirt einen Grad der Winll:elbewegung. In den J,'iguren 138 und 134 wird die Temperatur (den Ordinaten entlang) nach dem Maszstabe von 1 mm gleich 0.1°. C. reprasentirt. In Figur 185 ist jeder Millimeter gleich 0.2 F.

 

[page break]

282 Modificirte Circumnutation. C'ap. 7.

hangende Stellung reprisentirt. Fig. 188 stellt die Natilr der Bewegungen dar, welche des Abends eintreten, so bald die Bllittcben anfangen, ihre­ Stelhmg anzunehmen. Um 4.55 p. m. bildete das Blattchen mit der Senk­ rechten einen Winkel von 85 oder stand nur 5 unter der Horizontalen; um aber die Zeichnung in das Format des Buches bringen zu ki>nnen, ist das Fallen des Blattchens von 75 an,• anstatt von 85 an, dargestellt worden. Kurz nach 6 p. m. hieng es senkrecht herab und hatte seine Nachtstellung emiicht. Zwischen 6.10 und 6.85 p. m. filhrte es einP Anzahl ii.uszerst kleiner Schwankungen , von ungeflihr 2 eine jede, aus,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

welche Perioden von 4 ode.r 5 Minuten einhielten. Der vollstii.ndige Ruhezustand des Blii.ttchens, welcher schlieszlich folgte, ist in der Zeich­ nung nicht. dargestellt. E& ist otfenbar, dasz jede Oscillation aus einem allmii.hlichen Erheben besteht, dem ein pll>tzliches Sinken folgt. Mit jedem Male, dasz sich das Blii.ttchen senkte, kam es der nii.cht1ichen Stellung nii.h'lr, als bei der vorhergehenden Senkung gewesen war. Die Weite der

 

[page break] Cap. 7. Schlafbeweguilgen der Blatter. 283

 

[page break]

Schwankungen verrin'gert,e

kiirzer wurden.

 

sich; wii.brend die Perioden der Schwankung

 

[page break]

Im hellen Sonnenschllin nehmen die Blii.ttchen ooie stark geneigte berabhangende Stellung ein. Wir beobachteten, wie ein Blii.ttchen in diffusem Lichte sicb 25 Minuten lang erhob. Dann wurde •ein Vorhang

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 13•1. Averrhoa bittmbl: Winkelbewegung. etnes••lJ,attc11ens wahrend des Wec:tisels vcm heller

Jleleuchtung zu .Schatten; Temperatur (punktlrte Llnle) nabezu die niimllcbe bielbend.

 

a"Qfgezogen, so dasz nun die Pflanze hell beleuchtet wurde (BR in Fig. 134), und innerhalb einer Minute fieng es an zu sinken und fiel schlieszlicb 47 wie in der Zeichnung dargestellt ist. Diese Senkung wurde in sechs absteigenden Stnfen ausgefiihrt, genau denen ii.hnlich, durch welche die nii.chtliche Senkung ausgefiihrt wird. Die Pflanze wurde dann wiederum beschattei (SH), und es trat nun eine lange langsame Erhebung ein, bis eine zweite Reihe von Senkungen bei BR' begann, wo die Sonne wieder zugelassen wurde. Bei diesem Versuche wurde der klihlen Luft gestattf't zu gleicher Zeit durch die Fenster einzutreten, als der Vorhang aufgezogen wurde, so dasz, trotzdem die Sonne auf die Pflanze schien, die Temperatur nicl1t erMht wurde.

Die Wirkung einer/ 'femperaturerhohung in diffusem Lichte ist in

Figur 135 dargestellt. Die Temperatur fieng um 11.35 a. m. (in Folge davon, dasz }'euer angeziindet wurde) zu steigen an, aber um 12.42 p. m. war eine ausgesprochene Senkung eingetreten. Es ist in der Zeichnung zu sehen, dasz, als die Temperatur am hochsten war, rapide Oscillationen von geringer Amplitude eintraten, wii.hrend die mittlere Stellung des Blii.ttchens zu dieser Zeit der Senkrechten nil.her war. Als die Temperatur zu sinken anfieng, wurden die OsciUationen langsamer und grliszer, und die Stellung des Blll.ttchens nii.herte sich wiederum der Horizontalen. Die Scbnelligkeit der Oscillationen war zuweilen grliszer als in der

 

[page break] 284 Modificirte Circumnutation. Cnp. 7.

beistehenden Zeichnung dargestellt ist. So kamen, als die Tempera.tur zwi­ schen 31 ° und 82° C. betrug, 14 Oscillationen von einigen wenigen Graden in 19 Minuten vor. Andererseits kann eine Oscillation auch viel

 

 

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langsamer sein; so wurde beobachtet, dasz ein Blattchen (Temperatur

25 C.) sich wii.hrend 40 Minuten erhob, ehe es sank und seine Oscillation vollendete.

 

[page break] Cap. 7. Schla.fbewegungen der Blitter. 285

Porlieria hygrometrica (Zygophylleae). - Die Blatter• dieser Pflanze {Chilenische Form) sind von 1 bis 1½ Zoll lang und tragen aufjeder

Seite so viel wie 16 oder 17 kleine Blattchen, welche einander nicht genau gegenilberstehen. Sie sind durch ein Polster an den Blattstiel eingelenkt, ebenso wie es der Blattstiel am Zweige ist. Wir milssen vorausschicken, dasz augenscheinlich zwei Formen unter dem niimlichen Namen vermengt werden: die Blatter an einem Busch von Chile, welcher uns von Kew geschickt worden war, trugen viele Blattchen, wiihrend diejenigen an Pflanzen im botanischen Garten von Wilrzburg nur 8 oder 9 Paar trugen; auch erschien der ganze Character des Busches etwas verschieden. Wir werden auch sehen, dasz sie in einer merkwilrdigen physiologischen Eigen­ thilmlichkeit von einander abweichen. An der chilenischen Pflanze standen die Blattstiele der jilngeren Blatter an aufrechten Zweigen wiihrend des Tages horizontal und sanken des Nachts senkrecht herab, so dasz sie parallel zu einander und dicht an den Zweigen darunter herabhiengen. Die Blattstiele etwas alterer Blatter wurden des Nachts nicht senkrecht herabgedriickt, sondern nur stark geneigt. In einem Falle fanden wir einen Zweig, welcher senkrecht nach abwiirts gewachsen war, und die Blattstiele bewegten sich in derselben Richtung relativ zum Zweige, wie oben angegeben wurde, bewegten sich daher aufwiirts. An horizontalen Zweigen bewegen sich die jiingeren Blattstiele des Nachts gleichfalls in der­ selben Richtung wie angegeben, d. h. nach den Zweigen hin und warden in Folge dessen horizontal ausgebreitet; es ist aber merkwilrdig, dasz die alteren Blattstiele an dem niimlichen Zweige sich auch, obgleich sie sich ein wenig in der niimlichen Richtung bewegen, abwiirts biegen; sie nehmen damit eine etwas verschiedene Stellung ein, i:elativ zum Mittelpunkt der Erde und zum Zweige, von der, welche die Blattstiele an den aufrechten Zweigen annehmen. Was die Blii.ttchen betrifft, so bewegen sie siclt des Nachts nach der Spitze des Blattstiels hin bis ihre Mittelrippen nahezu mit demselben parallel stehen; und dann liegen sie nett dach­ ziegelformig eins iiber dem andern. Dadurch ist die Hiilfte der oberen Flache eines jeden Blattchens in dichter Berllhrung mit der Hii.lfte der untern Flii.che des nii.chsten Blattchens vor ihm, und an sii.mmtlichen Blii.ttchen, mit Ausnahme der basalen, ist die ganze obere Flii.che und die Hii.lfte ihrer unteren Fliiche gut geschiltzt. Diejenigen an den gegenilber­ liegenden Seiten eines und desselben Blattstieles kommen des Nachts nicht mit einander in dichte Berilhrung, wie es bei den Bliittchen so vieler• Leguminosen vorkommt, sondern werden durch eine offene Furehe von einander getrennt; auch konnen sie nicht genau auf einander fallen, da sie in Beziehnng zu einander abwechselnd stehen.

Die Circumnutation des Stieles eines Blattes von ¾ Zoll Lange an

einem aufrecht stehenden Zweige wurde wiihrend 36 Stunden aufgezeichnet und in der nebenstehenden Zeichnung dargestellt (Fig. 136). Am ersten Morgen senkte sich das Blatt ein wenig und erhob sich bis 1 p. m., und dies war wahrscheinlich eine Folge davon, dasz es durch ein Oberlicht von oben beleuchtet wurde; dann circumnutirte es in einem sehr geringen Masze um einen und denselben Fleck bis ungefahr 4 p. m., wo die grosze abendliche Senkung begann. Wiihrend des letzten Theils der Nacht. oder sehr zeitig am niichsten Morgen erhob sich das Blatt wieder. Am zweiten

 

[page break] 286 Modifichte Circumnnt_ation. Cap. 7.

'fage sank es wii.hrend des Morgens bis 1 p. m. und dies ist ohne Zweifel die normale Weisl:l. Von 1 bis 4 p. m. erhob es sich in einer Zickzack-

linie, und bald darauf fieng die grosze abend­ liche Senkung an. Es vollendete in dieser Weise wii.hrend der 24 Stunden eine doppelte Oscillation.

Der specifischo, dieser Pflanze von Ruiz und PAVON beigelegte Name, deutet darauf hin, dasz sie in ihrem dilrren Heimatl1slande in irgend einer Art von der Trockenheit oder Feuchtigkeit der Atmosphii.re afficirt wird 8 Im botanischen Gar­ ten in Wurzburg befand sich eine Pflanze in einem Topfe im Freien, welche tiiglich begossen wurde und eine andere im offenen Lande, welche niemals begossen wurde. Nach etwas heiszem und trockenem Wetter bestand im Verhalten der Bliittchen an diesen zwei Pflanzen ein groszer Unterschied. Diejenigen an der nicht bewiisserten Pflaoze im offenen Lande blieben wii.hrend des 'rages halb oder selbst vollstii.ndig geschlossen. Aber von diesem Busch abgeschnittene Zweige, welclrn mit ihrem Ende in Wasser standen oder giinzlich in dasselbe eingetaucht oder unter einer Glasglocke in feuchter Luft gehalten wurden, iiffneten ihre Blatter, obschon sie dem gliihenden Soimenschein ausgesetzt wurden, wahrend die­ jeuigen an der Pflanze in der Erdo geschlossen blieben. Die Blatter an dieser niimlichen Pflanze blieben nach einigem schweren Regen zwei 'fage lang offen; dann wurden sie wii.hrend zweier

 

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}'ig. la6. Po.,.Jie •ia ltygrom<'ltica: Cir('ulllnUtation uud nyctitrn­ pii;che llewegungen des Stll ls

.:,ines Hlattes, von 9.35 a. m.,

7. Juli, bis ungefiihr Mitternai>ht am 8. aufgezeirhnet. Spitze des

Blattes 71h Zoll von der i;cuk­

re hten Glass<'heibe entferut. Temperatur 19'1,-20/2 o C.::.

 

Tage halb geschlossen und waren nach einem weiteren Tage vollstandig geschlossen. DieAe Pflanze wurde nun reichlich bewii.ssert und am folgenden Morgen waren die Blattchen vollstandig ausgebreitet. Die andere in einem Topfe wach­ sende Pflanze wurde, nachdem sie einem schweren Regen ausgesetzt gewesen war, vor ein Fenster

 

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im Laboratorium aufgestellt, die Blattchen waren geoffnet und blieben

es 48 Stunden wahrend der 'l'agezeit; aber nach einem weiteren Tage waren sie halb geschlossen. Die Pflanze wurde dann begossen, und die Blattchen blieben an den zwei folgeuden 'fagen geoffnet. Am dritten Tage wurden sie wiederum halb geschlossen, blieben aber, nachdem die Pflanze wieder begossen worden war, wahrend der zwei nachsten Tage offen. Aus

 

8 Systema Veg. Florae Pernvianae et Chilensis, Tom. I. p. 95, 1798. Wir onnen die von den Verfassern gegebene Schildernng des Benehmens dieser Pflanze m ihrem Heimathslande nicht recht verstehen. Es ist vie! von dem Vermogen der Pffanze die Rede, Wechsel in der Witterung voransznsagen; nnd.. allem An­ scheine bestimmt die Klarheit des Himmels in hohem Masze das Offnen nnd Schlieszen der Blattchen.

 

[page break] Schlafbewegungen dcr .Bliitter. 287

d esen. verschiedenen Thatsachen ki:lnnen wir scl11ieszen, dasz die Pflanze den Mangel an Wasser bald empfindet, und dasz sie, sobald dies eintritt, ihre Blattchen theilweise oder ganz scblieszt, welche dann in ihrer dach­ ziegelfilrmig sich deckenden Lage eine kleine Oberflache zur Verdunstung darbieten. Es ist daher wabrscbeinlich, dasz diese schlafartige Bewegung, welcbe nur eintritt , wenn der Boden trocken ist, eine Anpassung gegen den. Verlust von Feuchtigkeit ist.

Ein ungefahr 4_Fusz hoher Busch, ein Eingeborner von Chile, welcher dicht mit Blli.ttern bedeckt war, benabm sich sehr verschieden; denn wli.h­ rend des rages schlosz er niemals seine Bliittchen. Am 6. Juli erschien die Erde in dem Topfe, in dem er wuchs, auszerst trocken, und es wurde ihm ein wenig Wasser gegeben. Nach 21 und 22 Tagen (am 27. und 28.), wli.hrend welcber ganzen Zeit die Pflanze nicht einen Tropfen Wasser erhielt, fiengen die Blatter zu hli.ngen an, boten aber kein Zeichen dar, dasz •sie sich wiihrend des Tages schloszen. Es erschien beinahe unglaub­ lich, dasz irgend eine, Piianze, ausgenommen eine fleischige, in einem so• trockenen Boden, dasz er dem Straszenstaub ii.hnlich war, am Leben hatte erhalten werden ki:lnnen. Als der Busch am 29. geschiittelt wurde, fielen einige Blatter ab und die ilbrig bleibenden waren nicht im Staude dos Nachts zu schlafen. Er wurde daher maszig mit Wasser versorgt, ebenso wie bespritzt, und zwar spat am Abend. Am nii.chsten Morgen (30.) sah der Busch so frisch aus wie je und des Nachts schliefen die Blatter ein. Es mag noch hinzugefilgt werden, dasz ein kleiner Zweig, wahrend er nocb am Busche wuchs, 13 Tage lang mittelst eines Blasenverschiusses in eine grosze, balb mit .A.tzkalk gefilllte Flasche eingeschlossen wurde, so dasz die ihn umgebende Luft auszerst trocken gewesen sein musz; und doch litten die Blatter an diesem Zweige nicht im Mindesten und schloszen sicb wahrend der heiszesten Tage durchaus nicht. Am 2. und am 3. August (an welch' letzterem Tage der Boden auszerst trocken erschien) wurde noch ein anderer Versuch mit demselben Busch gemacht; er wurde wii.h­ rend des ganzen Tages dem Winde im Freien ausgesetzt, aber die Blatt­ chen boten kein Zeichen eines Sich-schlieszens dar. Die Chilenische Form weicht daher weit von der in Wiirzburg darin ab, dasz sie ihre Blattchen nicht schlieszt, wenn sie an Wassermangel leidet; und sie kann eine ilber­ raschend lange Zeit ohne Wasser leben.

Tropaeolum majus (?) (cultivirte Varietii.t) (Tropaeoleae). -

Mehrere Pflanzen in Topfen standen im Gewachshause und die Scheiben ihrer Blatter, welche nach den vor ihnen liegenden Fenstern hinsahen, waren wahrend des Tages hoch aufgerichtet und standen des Nachts senkrecht, wahrend die Blatter an der hintern Seite der Topfe, obschon sie natiirlich durch das Glasdach beleuchtet wurden, des Nachts nicht senkrecht wurden. Wir glaubten zuerst, dasz diese Verschiedenheit in ihren Stellungen in einer gewissen Weise Folge des Heliotropismus sei, denn die Blatter sind in hohem Grade heliotropisch. Die richtige Er­ klarung ist indessen die, dasz, wenn sie nicht wenigstens einen 'fheil des Tages gut beleuchtet waren, sie des Nachts nicht schlafen, und eine kleine Verschiedenheit in dem Grade der Beleuchtung bestimmt es, ob sie des Nachts senkrecht werden sollen oder nicht. Wir haben keinen anderen so scharf ausgesprochenen Fall wie diesen von dem Einflusz der voraus-

 

[page break] 288 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

gehenden Beleuchtung auf die nyctitropischen Bewegungen gesehen. Die Blatter bieten noch eine andere Eigenthumlichkeit dar in ihrer Gewohn­ heit am Morgen sich zu erheben oder aufzuwachen, welche starker fixirt oder vererbt ist als die, sich des Nachts zu senken oder einzuschlafen.

Die Bewegungen werden durch die Biegung eines oberen Theils des Blatt­ stiels von zwischen ½ und 1 Zoll Lange verursacht; aber der Theil dicht an der Blattscheibe, von ungefahr 1/4 Zoll Lange, biegt sich nicht und

bleibt immer in einem rechten Winkel zur Scheibe. Der sich biegende

Theil bietet keinerlei auszere oder innere Verschiedenheit im Bau vom iibrigen Blattstiel dar. Wir wollen nun die Versuche mittheilen, auf welche sich die obigen Schliisse grilnden.

Ein groszer Topf mit mehreren Pflanzen warde am Morgen des

Sept. aus dem Gewachshause genommen und vor ein Nordost-Fenster gestellt, so weit wie es moglich war in derselben Stellung in Bezug auf das Licht wie vorher. An der vorderen Seite der Pflanzen wurden mit Faden 24 Blatter bezeichuet; an einigen von ihnen stand die Blattscheibe horizontal, aber bei der groszeren Anzahl war sie ungefahr 45 unter den Horizont geneigt, des Nachts wurden diese sii.mmtlich, ohne Ausnahme, senkrecht. Zeitig am folgenden Morgen (4.) nahmen sie ihre friiheren Stellungen an und wurden des Nachts wiederum senkrecht. Am 5. wurden die Laden um 6.15 a. m. geoffnet, und um 8.18 a. m., nachdem die Blatter 2 Stunden 3 Minuten lang beleuchtet worden waren und ihre Tage stellang angenommen batten, warden die Pflanzen in einen danklen Schrank gestellt. Wii.hrend des Tages wurde zweimal und wii.hrend des Abends dreimal, das letzte mal um 10.30 p. m. nach ihnen gesehen, und nicht eines war senkrecbt geworden. Um 8 a. m. am folgenden Morgen (6.) nahmen sie noch immer die nii.mliche Tagesstellang ein und wurden nun vor das Nordost-Fenster gestellt. Des Nachts waren an sii.mmtlichen Blii.ttern, welche nach dem Lichte hingerichtet waren, die Blattstiele ge­ kriimmt und ibre Scheiben senkrecht, wii.hrend keines der Blatter an der hinteren Seite der Pflanzen, obschon sie durch das diffuse Licht des Zimmers mii.szig beleuchtet worden waren, senkrecht stand. Die Pflanzen wurden nun des Nacbts in den namlichen dunklen Schrank gestellt., und um 9 a. m. am folgenden Morgen (7.) batten alle diejenigen Blatter, welche gescblafen batten, ihre Tagesstellung wieder angenommen. Der Topf wurde dann 3 Stunden lang in den Sonnenschein gestellt, um die Pflanzen zu reizen; um Mittag wurden sie vor das namliche Nordost­ Fenster gestellt uml Abends schliefen die Blatter in der gewohnlichen Weise ein und wachten am folgenden Morgen auf. Um Mittag dieses Tages (8.) wurden die Pflanzen, nacbdem sie 5 Standen 45 Minuten vor dem Nordost-Fenster gelassen und daher beleuchtet worden waren (obschon nicht hell, da der Himmel wahrend der ganzen Zeit wolkig war), in den dunklen Schrank zuriickgebracht, und um 3 p. m. war die Stellung der Blatter, wenn O.berhaapt, sehr wenig verandert, so dasz sie von der Dunkelheit nicht scbnell beeinfluszt werden; aber um 10.15 p. m. standen sammtliche Blatter, welche wii.hrend jener, 5 Stunden 45 Minaten dauemden Beleuchtung nach dem Nordost-Himmel hingesehen batten, senkrecht, wii.hrend diejenigen auf der hinteren Seite der Pflanze ihre Tagesstellung beibehielten. Am folgenden Morgen (9.) wacbten die Blatter wie bei

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Bliitter. 289

den zwei friiheren Gelegenheiten im Dunklen auf und sie wurden wahrend des ganzen Tages im Dunklen gehalten; des Nachts wurden einige wenige von ihnen senkrecht, und dies war der einzige Fall, in welchem wir irgend welche angeerbte Neigung oder Gewohnheit an dieser Pflanze, zur ge­ Mrigen Zeit zu schlafen, beobachteten. Dasz es wirklicher Schlaf war, zeigte sich dadurch, dasz diese namlichen Blatter am folgenden Morgen (10.), wahrend sie nocb im Dunklen gehalten wurden, ihre Tagesstellung wieder annahmen.

Der Topf wurde dann (9.45 a. m., am 10. Sept.), nachdem er 36 Stunden lang im Dunklen gehalten worden war, wieder vor das Nordost­ Fenster gebracht, und des Nachts wurden die Scheiben sammtlicher Blatter mit Ausnahme einiger wenigen auf der hinteren Seite der Pflanzen senk­ recht.

Um 6.45 a. m. (11.) wurde, nachdem die Pflanzen auf der nii.m­ lichen Seite wie vorher nur 25 Minuten lang beleuchtet wordeu waren, der Topf herumgedreht, so dasz die Blatter, welche erst nach dem Lichte hin gesehen hatten, nun in das Innere des Zimmers saben, und uicht eines derselben schlief Abends ein, wii.hrend einige, aber nicht viele, von denjenigen, welche fruher so gestandeu batten, dasz sie in das Zimmer sahen und welche friiher niemals gut beleuchtet worden waren oder ge­ schlafen batten, nun des Nachts eine scnkrechte Stellung annahmen. Am nachsten Tage (12.) wurde die Pflanze in ihre urspriingliche Stellung herumgedreht, so dasz die namlicben Blatter wie friiher nach dem Lichte hin sahen, und nun schliefen diese in der gewohnlichen Weise ein. Wir wollen nur noch hinzufiigen, dasz bei einigen jungen im Gewachshause gebaltenen Sii.mlingen die Scheiben des ersten Paares echter Blatter (die Cotyledonen sind unterirdisch) wahrend des Tages beinabe horizontal und des Nachts beinahe senkrecht standen.

Einige wenige Beobachtungen wurden spater uber die Circumnutation dreier Blatter gemacht, so lange sie nach einem Nordost-Fenster hinsahen; die Zeichnungen werden aber hier nicht mitgetheilt, da sich die Blatter etwas nach dem Lichte hin bewegten. Es war indessen offenbar, dasz sie sich mehr als einmal wahrend der Zeit des 'fages erhoben und senkten, wobei die aufsteigenden und absteigenden Linien zum Theil auszerst zick­ zackformig waren. Die nachtliche Senkung begann um 7 p. m. und die Blatter batten sich um 6.45 a. m. am folgenden Morgen betrachtlich erhoben. •

Legum in o sa e. - Dieso Familie enthalt viel mehr Gattungen mit schlafenden Arten als alle ubrigen Familien zusammengenommen. Die Zahl der Tribus, zu welcher •eine jede Gattung gehort, ist nach der An­ ordnung von BENTHAM und HooKER hinzugefilgt worden.

Crotolaria (sp.?) (II. Trib.). - Diese Pflanze ist monophyll, und Mr. THISELTON DYER theilt uns mit, dasz die Blatter sich des Nachts senkrer,ht erhoben und gegen den Stamm driicken.

Lupin us (II. Trib.). - Die hand- oder fingerformigen Blatter der Arten in dieser groszen Gattung schlafen in drei verschiedenen Weisen. Eine der einfachsten ist die, dasz sammtliche Bliittchen des Nachts steil nach unten geneigt werden, wahrend sie am Tage horizontal ausgebreitet gewesen waren. Dies ist in den beistehenden Figuren (Fig. 137 A. B.)

DARWIN, Bewegungsvermiigen. (XIII.) 19

 

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290 Mot.lificirte Circumnntation. Cap. 7.

dargestellt, welche ein Blatt von L. pilosus geben, wie es wahrend des Tages senkrecht von oben gesehen sich darbietet, und ein anderes schla­ fP.ndel'l Blatt mit abwarts geneigten Blattchen. Da sie in dieser SteUung

 

 

 

 

 

 

 

 

A B

Fig. 137. Lupin11, pi/0111,: A eln Blatt am Tage scnkrecht von oben gesehen; B schlafendes

Rlatt, des Xo.chts ,•ou dor Soite ge8ehen.

 

dicht zusammengedrangt werden, und da sie nicht wie diejenigen der Gattung Oxalis gefaltet werden, so kt\nnen sie keine senkrecht herab­ hil.ngende Stellung annehmen; sie sind aber hii.ufig in einem Winkel von

-50 unter den Horizont geneigt. In dieser Species erheben sich die Blattstiele, wahrend die Blattchen sich senken; in zwei Fallen, in denen die Winkel gemessen wurden, betrugen diese bis 23 Die Blattchen von

A. subcarnosus und arboreus, welche wahrend des Tages horizontal standen, sanken des Nachts in nahezu der nii.mlichen Weise, die der ersten Art bis zu einem Winkel von 38 die der zweiten bis 36 unter den Hori­ zont; aber ihre Blattstiele bewegten sich nicht in einer doutlich wahr­ nchmbaren Weise. Es ist iudessen, wie wir sofort sehen werden, voll­ kommen moglich, dasz, wenn eine grosze Anzahl Pflanzen der drei vorstehemi genannten und der folgenden Species in allen Jahreszeiten wtlrden be­ obachtet werden, einige der Blatter sich als in verschieden,1r Weise schla­ fend ergeben wtlrden.

In den zwei folgenden Species erheben sich des Nachts die Blattchen, anstatt sich abwarts zu bewegen. Bei L. Hartwegii standen um Mittag einige in einem mittleren Winkel von 36 ilber dem Horizont und des Nachts 51 so dasz sie zusammen einen hohlen Kegel mit maszig steilen Seiten bildeten. Der Stiel eines Blattes stieg des Nachts 14°, der eines

zweitt>n 11 Bei L. luteus erhob sich ein Blattchen von 47 °, des

Mittags, bis zu 65 iiber den Horizont, des Nachts, und ein anderes an einem verschiedenen Blatte erhob sich von 45 auf 69 Die Blattstiele sinken indessen :des Nachts in geringem Masze, namlich in drei Fallen

um 2°, 6 und 9° 30'. In J<'olge dieser Bewegung der Stiele haben sich

die ii.uszeren und •1angeren Blattchen ein wenig mehr zu biegen als die

kO.rzeren und inneren, damit sie alle des Nachts symmetrisch stehen. Wir werden sofort sehen, dasz einige Blatter an denselben individuellen Pflanzen von L. luteus in einer sehr verschiedenenen Weise schlafen.

Wir kommen nun zu einer merkwtlrdigen Stellung der Blitter beim Schlafo, welche mehreren Species von Lupinus gemeinsam• ist. An dem namlichen Blatte senken sich die Jrnrzeren Blii.ttchen, welche meistens nach dem Mittelpunkt.e der Pflanze hinseben, des Nachts, wii.hrend die liingeren an der gegenfiberliegenden Seite sich erheben; die dazwischen

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 291

stehenden seitlichen dreben sich einfach um ihre eigenen Axen. Es be­ steht indesz einige Variabilitat in Bezug darauf, welche Blll.ttchen sich erheben oder senken. Wie bei solchen verschiedenartigen und complicirten Bewegungen batte erwartet werden konnen, ist die Basis eines jeden Blattchens (mindestens bei L. luteus) zu einem Polster entwickelt. Das Resultat ist, dasz sammtliche Blattchen an einem und demselben Blatte des Nachts mehr oder weniger hocb aufgerichtet oder selbst vollkommen senkrecht werden, in diesem letzteren Falle einen senkrecht stehenden Stern bildend. Dies kommt bei den Blattern einer Art vor, welche unter dem Namen L. pubescens gekauft wurde; in den beistehenden Figuren

 

A B

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

C

}'ig, 138. Lttpiuu., pubucena: A Blatt wiihrend dee Tages, von der Soito geeehen; B dasselbe Blatt

des Nachts; C ein anderes Blatt, dessen Bliittchen des Nachts einen senkrechten Stern b!lden.

!Fignr verkle!nert.

 

(Pig. 138) sehen wir die Blatter bei A in ihrer 'fagesstellung, und bei B dieselbe Pflanze des Nachts, wobei an den zwei oberen Blattern die Blattchen beinahe senkrecht stehen. Bei C ist ein anderes Blatt von der Seite gesehen dargestellt, dessen BHittchen vollkommen senkreeht stehen. Es sind hauptsachlich oder ausschlieszlich die jiingsten Blatter, welche des Nachts senkrechte Sterne bilden. Es bestebt aber bedeutende Varia­ bilitat in der Stellung der Blatter des Nachts an einer und derselben Pflanze; bei einigen bleiben die Blattchen beinahe horizontal, bei anderen bilden sie mehr oder weniger hoch aufgerichtete oder senkrechte Sterne

19*

 

[page break] 292 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

und bei em1gen hangen ihre siimmtlichen Blattchen abwarts, wie in unserer ersten Classe von Fallen. Es ist auch eine merkwilrdige That­ sache, dasz, obgleich die ans einem und demselben Satze von Samen ge­ zogenen Pflanzen der Erscheinung nach identisch waren, doch bei einigen lndividuen die Blattchen aller ihrer Blatter des Nachts so angeordnet waren, dasz sie mehr oder weniger hoch aufgerichtete Sterne bildeten, wahrend sie bei anderen sammtlich abwarts hiengen und niemals einen Stern bildeten, wahrend sie wiederum bei noch anderen ihre horizontale Stellung beibehalten oder sich ein wenig erhoben batten.

Wir haben bis jetzt nur auf die verschiedenen Stellungen der Bliitt­ chen von L. pubescens des Nachts Riicksicht genommen; aber die Blatt­ stiele zeigen in ihren Bewegungen gleichfalls Verschiedenheiten. Derjenige eines jungen Blattes, welcher des Nachts einen hoch aufgerichtoten Stern bildete, stii,nd um Mittag 42 ilber" dem Horizont und wahrend der Nacht 72°, so dasz er sich 30 ° erhoben hatte. Der Stiel eines anderon Blattes, dessen Blattchen des Nachts eine ii.hnliche Stellung annahmen, erhob sich nur 6 Andererseits senkte sich der Stiel eines Blattes, dessen Blattchen des Nachts sammtlich abwiirts geneigt waren, in dieser Zeit 4°. Spitter wurden noch die Stiele zweier etwas alterer Blatter beobachtet, welche beide wahrend des Tages in genau demselben Winkel, namlich 50 ilber

dem Horizont standen; und der eine derselben erhob sich 7 ° -8°, und

der andere sank des Nachts 3°-4°.

Wir stoszen auf Falla, gleich dem bei L. pubescens bei einigen anderen Species. An einer einzelnen Pflanze von L. mutabilis bildeten einige Blatter, welche wahrend des Tages horizontal standen, des Nachts hoch aufgerichtete Sterne, und der Stiel des einen erhob sich 7 Bei andern Blattern, welche gleichfalls wahrend des Tages horizontal standen, waren des Nachts ihre sammtlichen Blattchen 46° unter den Horizont abwarts geneigt, aber ihre Stiele bewegten sich kaum. Ferner bot L. luteus einen noch merkwilrdigeren Fall dar; denn an zwei Bliittern erhoben sich die Bliittchen, welche um Mittag ungeiahr 45 iiber dem Horizont standen, des Nachts bis zu 65 und 69 so dasz sie einen hohlen Kegel mit steilen Seiten bildeten. Vier Blatter an einer und derselben Pflanzo, d'eren Blattchen um Mittag horizontal standen, bildeten des Nachts senkrechte Sterne; und bei drei anderen, um Mittag gleichfalls horizontal stehenden Blattern biengen ihre sammtlichen Blattchen des Nachts nach unten. Es nahmen daher die Blatter an dieser einen Pflanze des Nachts drei ver­ schiedene Stellungen an. Obgleic i wir diese Thatsache nicht erklaren konnen, konnen wir doch sehen, dasz ein solcher Stamm leicht Species entstehen lassen konnte, welche sehr verschiedene nyctitropische Gewohn­ heiten haben.

Es braucht nun nur noch wenig ilber den, Schlaf der Species von Lupinus gesagt zu werden; mehrere, namlich L. polyphyllus, nanus, Menziesii, speciosus und albifrons, veranderten die Stellung ihrer Blatter, obschon sie sowohl im Freien als auch im Gewachshause beobachtet wurden, des Nachts nicht hinreichend, um schlafend genannt zu werden. Nach den, an zwei schlafenden Species angestellten Beobachtungen scheint es, dasz wie bei Tropaeolum die Blatter wahrend des Tages gut beleuchtet werden milssen, damit sie des Nachts schlafen. Denn mehrere Pflanzen,

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der BIAtter. 293

welche den ganzen Tag in einem Wohnzimmer mit Nordost-Fenstern ge­ balten wurden, schliefen des Nachts nicht, als aber am folgenden Tage die Topfe in's Freie gestellt und des Nachts hereingebracht wurden, schliefen sie in der gewohnlichon Weise. Der Versuch wurde am folgenden Tag und der folgenden Nacht mit demselben Resultate wiederholt.

Einige Beobachtungen wurden tiber die Circumnutation der Blatter von L. luteus und arborens angestellt. Es wird die Angabe genilgen, dasz die Blattchen der letzteren im Verlaufe von 24 Stunden eine doppelte Oscillation darboten; denn vom zeitigen Morgen an sanken sie bis 10.15 a. m. und dann erhoben sie sich, dabei sich bedeutend im Zickzack bewegend, bis 4 p. m.; nach dieser Stunde begann die grosze nachtliche Senkung. Um 8 a. m. am folgenden Morgen batten sich die Blattchen bis zu ihrer gehorigen Rohe erhoben. Wir haben im vierten Capitel gesehen, dasz die Blatter von Lupinus speciosus, w0lche nicht schlafen, in einem auszer­ ordentlichen Grade circumnutiren und dabei im Verlaufe des Tages viele Ellipsen beschreiben.

Cytisus (II. Trib.), 'l'rigonella nnd lr[edicago (III. Trib.). - Nur einige wenige Beobachtungen wurden an diesen drei Gattungen angestellt. Die Blattstiele an einer jungen Pflanze von Cytisus fragrans von ungefahr einem Fusz Hohe erhoben sich des Nachts bei einer Gelegenheit 23°, bei einer andr,ren 33°. Die drei Blii.ttchen biegen sich auch aufwarts und nii.hern sich gleichzeitig einander, so dasz die Basis des centralen Blatt­ chens die Basen der zwei seitlichen Blattchen iiberdeckt. Sie biegen sich so stark nach oben, dasz sie gegen den Stamm drticken; wenn man senk­ recht von oben herab auf eine dieser jungen Pflanzen sieht, sind die unteren Flach en der Blattchen sichtbar, und hierdurch werden, in Uber­ einstimmung mit der allgemeinen R gel, ihre oberen Flachen am besten gegen Strablung geschiitzt. Wiihrend sich die Blatter an diesen jungen Pflanzen sich in diesor Weise benahmen, schliefen diejenigen an einem alten in voller Bltithe stehenden Busch nicht.

Trigonella cretica ist in Bezug auf ihren Schlaf einem Melilotus

ii.hnlich, wr,lcher »ofort bPschrieben werden wird. Nach der Angabe von

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A B

Fig. 139. Medicago ma,ina: A Bliitter wilhrrnd dos Tnges; B Bllitter dei Nachts schlnfeurl.

 

Mr. RoYER 9 erheben sich die Blatter von Medicago maculata des Nachts und "se renversent un pen de maniere a presenter obliquement au ciel

H Annales des Scienc. Natur. (5. Ser.) Botan. T. 9. 1868, p. 368.

 

[page break] 294 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

leur face inferieure". Es wird hier eine Zeichnung (Fig. 139) der Blatter von M. marina im wachen und im schlafenden Zustande mitgetheilt; dies konnte auch beinahe ebensogut fiir Cytisus fragrans in den beiden Zu­ standen dienen.

Melilotus (III. Trib.). - Die Species in dieser Gattung schlafen in einer merkwiirdigen Art und Weise. Die drei Blattchen eines jeden Blattes drehen sich durch einen Winkel von 90°, so dasz ihre Blattscheiben des Nachts senkrecht stehen und eine ihrer Seitenrander gegen den

 

 

 

 

 

 

 

 

B I

C

 

Fig. 140. Melilotus ojji<ina/is: A Blatt wiihrend der Zeit des 'l'ages; B cin anderes Blatt, sclllafend; C ein schlafendes Blatt, senkrech.t von oben gesehen; in diesem Falla aber war zufiillig das termi nale Bllittchen nicht in so dichter Eeriihrung mit den seitlichen, wie es gewOhnlich dor }..,all ist.

 

Zenith kehren (Fig. 140). Wir werden die anderen und complicirteren Bewegungen am besten verstehen, wenn wir uns vorstellen, dasz wir immer das Blatt so halten, dasz die Spitze des terminalen Blattchens nach Norden weise. Wenn die Blattchen des Nachts senkrecht werden sollten, konnten sie sich natiirlich so drehen, dasz ihre obere Flache entweder nach der einen oder nach der anderen Seite hingerichtet ware; aber die zwei seitlichen Blattchen drehen sich immer so, dasz diese Oberflache strebt, sich nach Norden zu kehren; da sie sich indessen alle zwei zu derselben Zeit nach dem terminalen Blattchen hin bewegen, sieht die Oberflache des einen ungefahr nach NNW. und die des andern nach NNO. Das terminale Blattchen benimmt sich verschieden, denn es dreht sich nach beiden Seiten, d. h. die obere Flache wendet sich zuweilen nach Westen, zuweilen nach Osten, aber im Ganzen gewohnlicher nach Westen als nach Osten. Das terminale Blattchen bewegt sich auch noch in einer anderen und noch merkwiirdigeren Art; denn wahrend sich seine Blatt­ scheibe dreht und senkrecht stellt, biegt sich das ganze Blattchen nach einer Seite und ausnahmslos nach der Seite bin, gegen welche hin die obere Fliiche gerichtet ist; so dasz, wenn diese Flache nach Westen sieht,

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 295

das ganze Blattchen sich nach Westen biegt, bis es mit der oberen und senkrecht stehenden Fliiche des westlichen seitlichen Bliittchens in Be­ riihrung kommt. In dieser Weise wird die obere FI.ii.cha des terminalen und eines der zwei seitlichen Blii.ttchen gut geschiitilt.

Die Thatsache, dasz sich das terminale Blattchen indifferent nach einer von beiden Seiten dreht und sich spii.ter nach der nii.mlichen Seite hin biegt, schien uns so merkwiirdig zu sein, dasz wir die Ursache davon aufzufinden such ten. Wir stellten uns vor, dasz die Bewegung bei ihrem Beginne vielleicht dadurch bestimmt werden diirfte, dasz die eine der zwei Hii.lften des Bliittchens etwas schwerer als die andere sein ktlnnte. Es wurden daher kleine Holzstiickchen auf einer Seite mehrerer Blii.ttchen mit Gummi befestigt; dies brachte indessen keine Wirkung hervor; sie fuhren fort sich in aerselben Weise zu drehen, wie sie es friiher gethan hatten. Um ausznfinden, ob sich ein und dasselbe Blii.tt­ chen bestii.ndig in derselben Richtung drehe, wurden schwarze Faden an

20 Blatter gebunden, deren terminale Blittchen sich so drehten, dasz ihre oberen Flii.chen nach Westen sahen, und 14 weisze Faden an Blatter, deren terminale Blii.ttchen nach Osten sahen. Es wurden dieselben gelegentlich wahrend 14 Tagen beobachtet, und mit einer einzigen Ausnahme fuhren sie sii.nuntlich fort, sich in derselben Richtung zu drehen und zu biegen; ein einziges Blattchen, welches urspriinglich nach Osten gesehen batte, ergab sich nach 9 Tagen als nach Westen sehend. Der Sitz sowohl der drehenden als der biegenden Bewegung ist in dem Polster der Stiele der Blii.ttchen. Wir glauben, dasz die Blii.ttchen, besonders die zwei seitlichen, bei Ausfiihrung der oben beschriebenen complicirten Bewegungen sich meistens ein wenig abwii.rts biegen; wir sind aber daruber nicht ganz sicher, denn was den Hauptblattstiel betrifft, so werden <lessen nachtliche Bewegungen in hohem Masze durch die Stellung bestimmt, welche das Blatt zufiillig wahrend des Tages einnimmt. So w.urde ein Blattstiel beobachtet, welcher

sich des Nachts 59° erhob, wiihrend drei andere sich nur 7° und 9° erhoben. Die Blattstiele und die Stiele der Blii.ttchen sind wiihrend der ganzen 24 Stunden in bestii.ndiger Circumnutation, wie wir sofort sehen werden. Die Blatter der folgenden 15 Species, M. officinalis, suaveolens, parvifiora, alba, infesta, dentata, gracilis, sulcata, elegans, coerulea, petit­ pierreana, macrorrhiza, italica, secundifiora und taurica schlafen nahezu in der namlichen Weise wie oben beschrieben wurde; aber die Biegung des terminalen Bliittcbens nach einer Seite tritt leicht nicht ein, wenn die Pfl.anzen sich nicht im kraftigen Wachsthum befinden. Bei M. petit­ pierreana und secundifiora wurde nun selten gesehen, dasz sich das ter­ minale Blattchen nach einer Seite bog. Bei jungen Pfl.anzen von M. italica bog es sich in der gewohnlichen Weise, aber bei allen Pflanzen, welche in voller Bluthe waren, in demselben Topfe wuchsen und zu der nii.m­ lichen Stunde beobachtet wurden, namlich um 8.30 p. m., hatte sfoh keines der terminalen Blattchen an mehreren Dutzenden von Blattern nach einer Seite gebogen, trotzdem sie senkrecht standen; ebensowenig hatten sich die seitlichen Blattchen, obschon sie senkrecht standen, nach dem endstandigen hinbewegt. Um 10.30 p. m. und wieder eine Stunde nach Mitternacht waren dio terminalen Blattchen sehr unbedoutend nach einer Seite hin gebogen worden, und hatten sich die seitlichen Blattchen

 

[page break] 296 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

sehr wenig nach dem terminalen hin bewegt, so dasz die Stellung der Bliittchen selbst in dieser spa.ten Stunde von der gewohnlichen sehr ver­ schieden war. Ferner war niemals zn sehen, dasz sich bei M. taurica die terminalen Bliittchen nach einem der beiden seitlichen Bliittchen bin gebogen batten, obschon diese sich, wii.hrend sie sich senkrecht stellten, nach den terminalen hin gebogen batten. Der Nebenstiel des terminalen Bliittchens ist in dieser Species von ungcwohnlicher Lange, und wenn sich das Blii.ttchen nach einer Seite gebogen hatte, hatte seine obere Flii.che nur mit der Spitze eines der beiden seitlichen Bliittchen in Beriihrung kommen kiinnen; dies ist vielleicht die Bedeutung des Verlastes der Seitenbewegang.

Die Cotyledonen schlafen des Nachts nicht. Das erste Blatt besteht ans einem einzigen kreisformigen Bliittchen, welches sich des Nachts so dreht, dasz seine Scheibe senkrecht steht. Es ist eine merkwllrdige Tbat­ sacbe, dasz bei M. taurica, und in einem etwas geringereµ Grade aach bei Jlf macrorrhiza und petitpierreana, alle die vielen kleinen und jungen Blatter, welche wii.hrend des zeitigen Friihjahrs am; Schiiszlingen an einigen eingeschnittenen Pflanzen im Gewachshause sich entwickelt batten, in einer von der normalen Art und Weise giinzlich verschiedenen schliefen; denn anstatt dasz sich die drei Bliittchen um ihre eigenen Axen drehten und ihre Seitenriinder den Zenith darboten, wendeten sie sich aufwiirts und wiesen mit ihren Spitzen nach dem Zenith bin. Sie nahmen hiedurch nahezu die niimliche Stellung ein, wie die Blatter in der verwandten Gattung 1'rifolium; und nach dem niimlichen Grundsatze, nach welchem embryologische Cbaractei-e im Thierreiche die Abstammungslinien enthiillen, deuten die Bewegungen der kleinen Blatter in den obengenannten drei Species von Melilotus vielleicht an, dasz diese Gattung von einer Form abstammt, welche mit 1'rifolium• nahe verwandt war und wie dieses schlief. Uberdies gibt es eine Species, M. messanensis, deren Blatter an vollstandig erwachsenen Pflanzen von zwischen 2 und 3 Fusz Hiihe gleich den vor­ stehend erwli.hnten kleinen Bliittern and gleich denen eines Trifoliwn schlafen. Wir waren iiber diesen letzten Fall so sehr iiberrascht, dasz wir, bis die Blflthen und Friichte untersucht waren, der Meinung waren, es ware durch ein Misverstiindnis Samen irgend eines Trifolium anstatt deren eines 1llelilotus gesiiet worden. Es erscheint daher als wabrschein lich, dasz M. messanensis eine uranfiingliche Gewohnheit entweder bewahrt oder wiedererlangt hat.

Es wurde die Circumnutation eines Blattes von M. officinalis auf­ gezeichnet, wiibrend der Stamm frei gelassen war; die Spitze des termi­ nalen Bliittchens beschrieb zwischen 8 a. m. und 4 p. m. drei nach den Seiten ausgebreitete Ellipsen; nach der letztgenannten Stunde fieng die niichtliche Drehung an. Es wurde spli.ter ermittelt, dasz die obige Be­ wegung zusnmmengesetzt war ans der Circnmnutation des Stammes in geringem Grade, ans der des Haupt-Blattstiels, welcher sich am meisten bewegte, und ans der des Nebenstiels des terminalen Bliittchens. Nach­ llem der Hauptstiel eines Blattes dicht an der Basis des Nebenstiels des terminalen Bliittchens fest gemacht worden war, bescbrieb das letztere zwischen 10.30 a. m. und 2 p. m. zwei kleine Ellipsen. Um 7.15 p. m., nachdem dieses selbe Blattchen (ebenso wie noch ein anderes) sich in

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blitter. 297

 

seine senkrechte nachtliche Stellung gedreht hatte, fiengen sie an, sich langsam zn erheben und fnhren damit bis 10.35 p. m. fort, nach welcher Stunde sie nicht linger beobachtet wurden.

Da M. messanensis in einer anomalen Weise, verschieden von allen anderen Arten in dieser Gattung schlii.ft, wurde die Circumnutation eines terminalen Blii.ttchens nach Befestigung des Stammes wii.hrend zweier Tage aufgezeichnet. An jedem Morgen senkte sich das Blattchen bis ungefiihr um Mittag und fieng dann an sehr langsam sich zu erheben; aber am ersten Tage wurde die steigende Bewegung zwischen 1 und

3 p. m. durch die Bildung einer seitwarts ausgestreckten Ellipse und am zweiten Tage zu derselben Zeit durch die Bildung zweier kleinen Ellipsen unterbrochen. Dann begann wiederum die hebende Bewegung und wurde spat am Abend rapid, als das Blattchen anfieng einzuschlafen. Die er­ wachende oder sinkende Bewegung hatte an beiden Morgen bereits um

6.45 a. m. begannen.

Trifolium (III. Trib.). - Es warden die nyctitropischen Be­ wegungen von 11 Species beobachtet und sie ergaben sich als einander sehr ii.hnlich. Wenn man ein Blatt von Tr. repens auswii.hlt, welches einen aufrechten Stiel hat und dessen drei Blattchen horizontal aus­ gebreitet sind, so wird man beobachten, dasz sich die zwei seitlich_en Blattchen am Abend drehen und einander nahern, bis ihre oberen Flii.chen mit einandoc in Beriihrung kommen. Zu gleicher Zeit biegen sie sich in einer Ebene, welche auf der ihrer frilheren Stellung senkrecht steht, abwarts, bis ihre Mittelrippen mit dem oberen 'fheile des Blattstiels einen Winkel von ungefii.hr 45 bilden. Diese eigenthiimliche Verii.nderung in der Stellung erfordert einen betrilchtlichen Betrag von Torsion in dem Polster. Das terminale Blattchen erhebt sich einfach, ohne sich irgendwie zu drehen, und biegt sich iiber, bis es auf den Rii.ndern der nun senk­ rechten und vereinten seitlichen Blattchen ruht und ein Dach ilber den­ selben bildet. Dabei durchlii.uft das terminale Blattchen immer einen Winkel von mindestens 90°, meistens von 130° oder 140° und nicht selten, - wie oft hei 'J'. subterraneum beobachtet wurde, - von 180°.

 

 

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A B

Fig. 141. 7",ijolium repeus: A Blatt wiihrcnd des Tago.,, B Blatt wiihrend liar Nacht schlafend.

 

In diesem letzteren Falle steht das terminale Blattchen des Nachts hori­ zontal (wie in Fig. 141) und seine untere Flii.che ist dem Zenith aus­ gesetzt. Auszer dem Unterschiede in den Winkeln, in welchen die terminalen Blii.ttchen des Nachts an den Individuen einer und derselben Species stehen, ist gleichfalls der Grad, bis zn welchem sich die seitlichen Blatt­ chen einander nahern, haufig verschieden.

Wit- haben gcsehen, dasz die Cotyledonen lliniger Species des Nachts sich senkrecht aufrichten, die anderer Species nicht. Das erste echte

 

[page break] 298 Modifieirte Cireumnutation. Cap 7.

 

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Fig. 142. Trifolium aubterrantum: Circumnu­ tatlon und nyctitropische Bewegung elnes termi nalen Blattchens (0.68 Zoll lang), von 6.46 a. m.,

Juli, bis 9.15 a. m., am 6. aufgezeichnet.

Spltze des Blattes 81/8 Zoll von der senkrechten Gl118platte entfernt und die Bewegung, wle bier dargestellt 1st, 5¼mal vergroszert, aber aur die Hiilfte de Maszstabs des Originals reduclrt. Pllanze von oben beleuchtet. Temperatur 16 bis

17u c.

 

10 Flora, 1868, p. 497.

 

Blatt ist meistens einblattrjg und kreisformig; es erhebt sich immer und steht des Nachts entweder senkrecht oder, noch haufiger, es biegt sich ein wenig ilber, so dasz es die untere Fliiche schriig dem Zenith aussetzt; in derselben Weise wie es das ter­ minale Blattchen der reifen Pflanze thut. Es dreht sich aber nicht, wie das entsprechende erste einfache Blatt von Melilotus. Bei 1'r. pannonicum war das erste echte Blatt meistens einbliittrig, aber zuweilen dreiblattii.g oder wieder theilweise gelappt und in einem intermediaren Zustand.

Cir cum n u tat ion. - SACHS hat 1863iO die spontanen Bewegungen der Blattchen von Tr. incarnatum aufwiirts und abwiirts , wenn es in der Dunkelheit g&halten wurde, be­ schriebon. PFEFFER hat viele Beobaeh­ tungim uber die ahnlichen Beweg­ ungen bei 1'r. pratense angestellt H. Er gibt an, dasz das terminale Bliitt­ chen dieser Species, zu verschiedenen Zeiten beobachtet, im Verlaufe von

1 i/2 bis 4 Stunden Winkel von 30°

bis 120° durchlief. Wir haben die Bewegungen von Tr. subterraneum, resupinatum und repens beobachtet. 1'rifolium subterraneum.

Ein Blattstiel wurde dicht an der Basis der drei Blattchen festgemacht und die Bewegung des terminalen Blattcbens wiihrend 26i/2 Stunden aufgezeichnet, wie es in Fig. 142 dargestellt ist.

Zwischen 6.45 a. m. und 6 p. m. bewegte sich die Spitze dreimal auf­ warts und dreimal abwitrts, vollen­ dete also in 11 Stunden 15 Minuten

3 Ellipsen. Die aufsteigenden und absteigenden Linien stehen einander naher, als es bei den meisten Pflanzen gewohnlich der Fall ist, doch fand sich auch einige seitliche Bewegung. Um 6 p. m. begann die grosze niicht-

 

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11 Die periodischen Bewegungcn etc. 1875, p. 85, 52.

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 299

liche Erhebung, und am nachsten Morgen dauerte die Senkung des Blattchens fort bis 8.30 a. m., nach welcher Stunde es in der oben be­ schriebenen Art und Weise circumnutirte. In der Figur sind die grosze nachtliche Erhebung und die morgendliche Senkung wegen Mangels an Raum bedeutend verkiirzt und einfach durch eine kurze Bogenlinie dargestellt worden. Das Blattchen stand horizontal, als es sich auf einem Punkte ein wenig unterhalb der Mitte der Zeichnung fand, so dasz es wahrend der Tageszeit beinahe gleich iiber und unter eine horizontale Stellung oscillirte. Um 8.30 a. m. stand es 48 unter dem Horizont und um

11.30 a. m. war es 50 iiber den Horizont gestiegen, so dasz es in

3 Stunden einen Winkel von 98 durchlief. Mit Hiilfe der Aufzeichnung ermittelten wir, dasz die von der Spitze dieses Blattchens in den 3 Stun­ den durchlaufene Entfernung 1.03 Zoll betrug. Wenn wir die Figur an­ sehen und in Gedanken die kurze unterbrochene Bogenlinie, welche den nii.chtlichen Weg darstellt, nach oben verlangern, so sehen wir, dasz die letztere Bewegung nur eine Ubertreibung oder Verlii.ngerung einer der Tages-Ellipsen ist. Dasselbe Blattchen war an dem vorhergehenden Tage beobachtet worden, und der da eingehaltene Weg war mit dem hier be­ schriebenen beinahe identisch.

Trifolittm resupinatum. - Eine ganzlich frei gelassene Pflanze wurde vor einem Nordostfester in eine solche Stellung gebracht, dasz ein

terminales Blattchcn unter rechtem Winkel gegen die Lichtquelle vor­

 

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sprang; der Himmel war den ganzen Tag lang gleichformig bewolkt. Die Be­ wegungen dieses Blattchens wurden wah­ rend zweier Tage verzeichnet und waren an beiden Tagen almlich. Die am zwei­ ten Tage ausgefiihrten sind in Fig. 143 dargestellt. Die Schrii.gheit der verschie­ denen Linien ist zum Theil Folge der Art und Weise, in welcher das Blatt­ chen betrachtet wurde, zum Theil davon, dasz es sich ein wenig nach dem Lichte hin bewegt hatte. Von 7.50 a. m. bis

8.40 a. m. sank das Blatt, d. h. die Bewegung des Erwachens wurde fort-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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esetzt. Es erhob sich dann und be- Fig. 143. T,•(folium ,•eaupinatum: Circum­

nutation und nyctitropische Hewegnn (n

wegte sich ein wenig seitwarts nach des torminalen Bliittens wiihreud 24 Stunden.

dem Lichte hin. Um 12.50 p. m.

kehrte es um und nahm um 2.30 p. m. seinen urspriinglichen Weg wieder auf, nachdem es in dieser Weise wahrend der Mitte des Tages eine kleine Ellipse vollendet hatte. Am Abend erbob es sich rapid und war um

8 a. m. am folgenden Morgen genau auf den namlichen Punkt wie am Morgen vorher zuriickgekehrt. Die den nachtlichen Weg darstellende Linie sollte viel hoher hinauf gezogen worden sein und ist hier zu ciner kurzen punktirten Bogenlinie abgekiirzt worden. Das terminale Blattchen dieser Species beschrieb daher wahrend des Tages nur eine einzige weitere Ellipse, anstatt zwei weiter zu beschreiben, wie bei Tr. subterraneum. Wir miissen uns aber daran erinnern, dasz im vierten Capitel gezeigt

 

[page break] 300 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

wurde, dasz der Stamm circumnatirt, wie es auch ohne Zweifel der Haupt­ blattstiel und die Nebenstiele der Blattchen than, so dasz die in Fig. 143 dargestellte Bewegung eine zusammengesetzte ist. Wir versuchten , die Bewegangen eines wahrend des Tages in Dankelheit gehaltenen Blattes zu beobachten, es fieng aber nach 2 Stunden 15 Minuten an einzuschlafen, und dies war nach 4 Stunden 30 Minuten gut ausgesprochen.

Trifolium repens. - Ein Stamm wurde dicht an der Basis eines maszig alten Blattes fest­ gemacht und die Bewegung des terminalen Blatt­ chens wahrend zweier Tage beobachtet. Dieser Fall ist nur wegen der Einfachheit der Beweg­ ungen im Gegensatz zu denen der zwei voraus­ gehenden Species interessant. Am ersten Tage

sank das Blattchen zwischen 8 a. m. und 3 p. m.

und am zweiten Tage zwischen 7 a. m. und

1 p. m. An beiden Tagen war der absteigende Verlauf etwas zickzackfi:irmig, and dies stellt offenbar die Circumnatationsbewegung der zwei vorausgehenden Species wabrend der Mitte des Tages dar. Nach 1 p. m. am 1. October (Fig. 144) begann das Blattchen sich zu erheben, die Be­ wegung war aber an beiden Tagen, sowohl vor als nach dieser Stunde , bis 4 p. m. langsam. Dann fieng die rapide abendliche und nachtliche Senkung an. Es besteht daher bei dieser Species der wahrend 24 Stunden zuri.\ckgelegte Weg aus einer einzigen groszen Ellipse, bei Tr. resupina­

 

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J.'ig. 144. 1'1'ifolium repens: Uil­ cumnutation und nyctitropische Bewegungen eines nahezu er­ wachsenen terminalen Bliittrhens, an einer senkrechten Glasplatte

von 7 a. m., 30. Sept., bis 8 a. m.,

1. Octbr., aufgezeichnet. Der niichtliche, <lurch die punktirte Bogenlinie dargesteliteWeg, sehr

abgeklirzt.

 

tum ans zwei Ellipsen , von denen die eine die

grosze nachtliche Bewegung enthalt und bedeu­ tend verlangert ist, und bei Tr. subterraneum aus drei Ellipsen, von denen die eine nachtliche gleichfalls von bedeutender Lange ist.

Se cu rig era c or oni lla (IV. 'l'rib.). -

Die Blattchen, welche einander gegeni.\berstehen

 

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and zahlreich sind, erheben sich des Nachts, kommen in dichte Beriihrung und biegen sich unter einem maszigen Winkel nach der Basis des Blatt­ stiels zu riickwarts.

Lotus (IV. Trib.). - Es wurden die nyctitropischen Bewegungen von 10 Species in dieser Gattung beobachtet; sie ergaben sich als gleich. Der Hauptblattstiel erhebt sich des Nachts ein wenig und die drei Blatt­ chen steigen empor bis sie senkrecht werden, und nabern sich gleichzeitig einander, dies war bei L. Jacobaeus aagenfallig, bei welchem die Blattchen beinahe linear sind. Bei den meisten Species erheben sich die Blattchen so bedeutend, dasz sie gegen den Stamm dri.\cken, und nicht selten wer­ den sie ein wenig einwarts geneigt, so dasz ihre unteren Flachen schrag dem Zenith ansgesetzt werden. Dies war deutlich bei L. major der Fall, da dessen Blattstiel ungewohnlich lang and die Blattchen dadurch im Stande sind, sich weiter einwarts zu biegen. Die jungen Blatter am Gipfel der Stamme schlieszen sich des Nachts so bedeutend, dasz sie

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 301

 

groszen Knospen ii.hnlich werden. Die nebenblattartigen Blattchen, welche baufig von bedeutender Gr sze sind, erheben sich gleich den anderen Blii.ttchen und drtlcken geg•en den Stamm (Fig. 145). Sii.mmtliche Blattchen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A B

Fjg, 145. Lof113 cretictts: Stamm mit wachen Bliittern, am Tnge; B mit schlafcudcn BHittern, de:t

Nachts. a tt nel.lcnblatta'.hnliche Blli.ttrhen.

 

von L. creticus und wahrscheinlich von den anderen Species sind an ihrer Basis mit deutlichen Polstern von einer gelblichen Farbung versehen, welche aus sehr kleinen Zellen gebildet warden. Die Circumnutation eines terminalen Bla.ttchens von L. peregrinus wurde (nach Befestigung des Stamms) wahrend zweier Tage aufgezeichnet; die Bewegung war aber so einfach, dasz es sich nicht der Miihe verlohnt, die Zeichnung mitzutheilen. Das Blattchen sank langsam vom friihen Morgen bis ungeiahr um 1 Uhr

p. m. Dann erhob es sich, anfangs allmahlich, aber spat am Abend rapid. Es stand gelegentlich fiir ungefahr 20 Minuten wahrend des Tages still und zuweilen bewegte es sich ein wenig zickzackformig. Es wurde auch in derselben Art und zu derselben Zeit die Bewegung eines der ba­ salen nebenblattahnlichen Blattchen verfolgt; der von ihm eingehaltene Weg war dem eines terminalen Blii.ttchens sehr ahnlich.

In Tribus V. von BENTHAM und HoOKER sind die Schlafbewegungen von Species in 12 Gattungen von uns selbst und von Anderen beobachtet worden, aber nur bei Robinia mit einiger Sorgfalt. Psoralea acaulis er­ hebt ihre drei Blattchen des Nachts, wii.hrend Amorpha fruticosa 1.2,

 

12 Duchartre, Elements de Botanique, 1867, p. 349.

 

[page break] :302 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

 

Dalea alopecuroides uud ]11{/igofera tinctoria sie herabdrfllken. DurnARTRE ibt an 13, dasz 1'ephrosia ca,-ibaea das einzige Beispiel darbietet von

« folioles couchees le long du petiole et vers la base> ; aber eine iihnliche Bewegung kommt, wie wir bereits gesehen baben und nocb weiter sehen werden, auch in noch anderen Fallen vor. Nach der Angabe von ROYERt4

«abaisse> Wistaria sinensis cles folioles qui par une disposition bizarre sont inclinees dans la meme feuille, les superieures vers le sommet, les inferieures vers la base du petiole commun>; aber die Blattchen an einer jungen von uns im Gewiichshausr beobachteten Pflanze sanken einfach des Nachts senkrecht herab. Erhoben werden die Bliittchen bei Sphaerophysa salsola, Colutea arborea und Astragalus uliginosus. werden aber nach LINNE bei Glyzyrrhiza gesenkt. Die Blattchen von Robinia pseudo-acacia senken sich gleichfalls des Nachts senkrecht nach unten, die Blattstiele erheben sich aber ein wenig, niimlich in einem Falle 3 und in einem andern 4 Die circumnutirenden Bewegungen eines tPrminalen Bliittchens an einem verhiiltnismaszig alten Blatte wnrden wiihrend zweiPr 'rage verfolgt und waren einfach. Das Blattchen sank langsam in einer unbe­ deutend zickzackfcirmigen Linie von 8 a. m. bis 5 p. m., und dann etwas rapider; um 7 a. m. am folgenden Morgen hatte es sich zu seiner Tages­ stellnng erhoben. Es zeigte sich nur einP Eigenthiimlichkeit in der Be­ wegung, niimlich, dass an beiden Tagen eine deutliche, wenngleich kleine Oscillation aufwarts und abwarts zwischen 8.30 und 10 a. m. eintrat, und dieses wiirde wahrscheinlich noch starker ausgesprochen gewesen sein, wenn das Blatt jflnger gewesen wiire.

Coronilla rosea (VI. Trib.). - Die Blatter tragen 9 oder 10 Paar gegenstandiger Bliittchen, welche wiihrend des Tages horizontal stehen, mit ihren Mittelrippen senkrecht auf den Blattstiel. Des Nachts erheben sie sich so, dasz die gegenstandigen Bliittchen nahezu in Beriih­ rung kommen und die an jungen Blattern in dichte Beriihrung. Zu gleicher Zeit biegen sie sich riickwarts nach der Basis de;; Blattstiels hin,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l,'ig. 146, C'oronilla ros,a: schlafendes Blatt.

bis ihre Mittelrippen Winkel von 40° bis 50° mit diesem in einer senk­ rechten Ebene bilden, wie es hier abgebildet ist (Fig. 146). , Indessen biegen sich die Bliittchen zuweilen so bedeutend rilckwarts, dasz ihre

Mittelrippen mit dem Blattstiel parallel werden oder auf ihm liegen. Sie

 

13 Ibid., p. 347.

14 Annal. cl. Scienc. Natur. Botan. (5. Ser.) T. 9. 1868.

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 303

nehmen damit eine umgekehrte Stellung von der ein, welche bei mehreren Leguminosen vorkommt, so z. B. bei Mimosa pudica; da sie aber weiter aus einander stehen, ilberdecken sie einander nicht annii.hernd so viel wie bei dieser letzteren Pfl.anze. Der Hauptblattstiel ist wiihrend des Tages unbedeutend abwii.rts gekrilmmt, streckt sich aber des Nachts gerade. In drei Fallen erhob er sich von 3 tiber dem Horizont um Mittag bis auf go um 10 Uhr p. m., dann von 11 ° auf 33°, und von 5° auf 33°, so dasz die Grlisze der Winkelbewegung in diesem letzteren Falle 28 betrug. Bei mehreren anderen Species von Coronilla zeigten die Blii.ttchen nur schwache Bewegnngen ii.hnlicher Art.

Hedysarum c01•onarium (VI. Trib.). - Die kleinen seitlichen

Blattchen an im Freien wachsenden Pfl.anzen erhoben sich des Nachts senkrecht, aber das grosze terminale wurde nur unbedeutend aufgerichtet. Die Blattstiele erhoben sich dem Anscheine nach durchaus nicht.

Smithia Pfimdii (VI. Trib.). - Die Blattchen erheben sich senk­ recht und auch der Hauptblattstiel steigt betrachtlich.

Arachis hypogaea (VI. 'l'rib.). - Die Form eines Blattes mit seinen zwei Paar Blattchen ist in A {Fig. 147) dargestellt; und ein

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A B

.Fig. 147.. frachi, hypogaea: A Blatt wahrend d Tages, senkrecht von oben geseben; B schlafendes Blatt, von der Seite gesehen, narh einer Photographle copirt. Flguren bedeutend verklelnert.

 

schlafendes Blatt, nach einer Photographie gezeichnet (die mit Hiilfe des Aluminiumlichts gefertigt wurde), ist in B mitgetheilt. Die zwei terminalen Blattchen drehen sich des Nachts herum, bis ihre Scheiben senkrecht stehen, und niihern sich einander, bis sie sich treffen, sich dabei gleich­ zeitig ein wenig aufwarts und rilckwarts bewegend. Die zwei seitlichen Blii.ttchen treffen sich einander in dP.rsel hen Weise, bewegen sich aber in hoherem Grade vorwarts, d. h. in einer entgegengesetzten Richtung zu der der zwei terminalen Blattchen, welche sie zum Theil umfassen. Auf diese Weise bilden alle vier Blattchen zusammen ein einziges Packet, ihre Rii.nder sind nach dem Zenith hin gerichtet und ihre unteren Fliichen nach auszen gekehrt. An einer Pflanze, . welche nicht kraftig wuchs, schienen die geschlossenen Bliittchen fiir die Stiele zu schwer zu sein, um sie in einer senkrechten Stellung zu tragen, so dasz in jeder Nacht der Hauptblattstiel gedreht wurde, und sii.mmtliche Packchen wnrden horizontal ausgestreckt, die unteren Fliichen der Bliittchen auf der eiilen Seite waren dabei in einer iiuszerst abnormen Art nach dem Zenith hin gerichtet. Diese Thatsache wird nur als Mahnung zur Vorsicht mitgetheilt, da sie uns in hohem Masze iiberraschte, bis wir entdeckten, dasz es eine Ano-

 

[page break] 304 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

malie war. Die Blattstiele sind wli.hrend des Tages aufwli.rts geneigt, senken sich aber des Nachts, so dasz sie mit dem Stamm ungefli.hr im

rechten Winkel stehen. Die Grl!sze der Senkung wurde nor bei einer Gelegenheit gemessen; sie ergab sich zu 39 Ein Blattstiel wurde an der Basis dor zwei terminalen Blli.ttchen an einem Stabe fost gemacht und die circumnu­ tirende Bewegung eines dieser Blii.ttchen von 6.40

a. m. bis 10.40 p. m. verfolgt, wobei die Pflanze von oben beleuchtet war. Die Temperatur war 1 7 - 1 7% C. und daher etwas zu niedrig. Wii.hrend dieser 16 Stunden bewegte sich das

Blii.ttchen dreimal aufwii.rts und dreimal abwii.rts, und da die auf- und absteigenden Linien nicht zu­ sammenfielen, wurden drei Ellipsen gebildet:

Desmodium gyrans (VI. Trib.). - Ein

groszes und vollstii.ndig erwachsenes Blatt dieser

 

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Fig. 148. D,nnodium g1/f'am: Blatt von oben geaehen, anf die halbe natiirllche Groue ver­ klelnert; die mlnutlosen Neben­ bliittohen ungewohnllch grosz.

 

Pflanze, welche durch die spontanen Bewegungen der zwei kleinen seitlichen Blii.ttchen so beriihm.t geworden ist, wird hier dargestellt (Fig. 148). Das grosze terminale Blii.ttchen schlli.ft so, dasz

 

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es senkrecht berab sinkt, wii.hrend der Blattstiel sich erhebt. Die Cotyle­ donen schlafen nicht, die erst gebildeten Blatter scblafen aber ebenso gut wie die alteren. Die ii.uszere Erscheinung, welche ein schlafender Zweig

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Fig. 149. Dennodium gy,-an,: A Stamm wiihrend des Tages; B Stamm mit schlafenden Bliittern.

Nach Photographien coplrt. Flguren verkleinert.

und ein solcher am Tage darbietet, ist hier, nach zwei Photograpllien copirt, in A und B (Fig. 149) dargestellt, und wir sehen, wie des Nachts

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 305

die Blatter durch die Erhebung der Blattstiele dicht zusammengedrangt sind, gleichsam zu gegenseitigem Schutz. Die Stiele der jiingeren Blatter in der Nii.he des Gipfels der Sprossen erheben sich des Nachts so, dasz sie senkrecht und mit dem Stamm parallel stehen, wii.hrend es sich ergab, dasz in einigen Fallen diejenigen an den Seiten sich beziehentlich 46½0, 36°, 20° und 19°.5 iiber die geneigten Stellungen, welche sie wiihrend

des Tages eingenommen batten, erhoben batten. So stand beispielsweise im ersten dieser vier Fa.He der Blattst.iel am Tage 23 und des Nachts

691/ °2 iiber dem Horizont. Am' Abend wird die Erhebung der Blattstiele

beinahe vollendet, ehe die Bliittchen senkrecht abwiirts sinken.

Cir cum nutation. - Es wurden ie circumnntirenden Bewegungen vier junger Sprosse wiihrend 5 Stunden 15 Minuten beobachtet, und in dieser Zeit vollendete jeder eine ovale Figur von geringer Griisze. Auch der Hauptblattstiel circumnutirte rapid, denn im Verlauf von 31 Minuten (Temperatur 26.2° C.) verii.nderte er seinen Lauf sechsmal um den Betrag eines rechten Winkels und beschrieb dabei eine Figur, welche augenschein­ lich zwei Ellipsen darstellte. Die Bewegung des terminalen Blattchens mittelst seines Nebenstiels oder Polsters ist vollig so rapid oder selbst noch rapider als die des Hauptblattstiels und hat eine griiszere Amplitude. PFEFFER hat beobachtet 15, dasz sich diese Blattchen im Verlaufe von

10 bis 30 Secunden durch einen Winkel von 8 bewegten.

Ein schiines, nahezu vollstiindig ausgewachsenes Blatt an einer Pflanze vom 8 Zoll Rohe, deren Stamm an der Basis des Blattes an einem Stab befestigt war, wurde von 8.30 a. m., 22. Juni, bis 8 a. m., 24. Juni beobachtet. In der hier auf der nachsten Seite mitgetheilten Zeichnung (Fig. 150) batten die zwei punktirten Linien an der Basis, welche den niichtlichen Verlauf der Bewegung darstellen, weit abwiirts verlangert werden sollen. Am ersten Tage bewegte sich das Blattchen dreimal ah­

.warts und dreimal aufwiirts und bis auf eine betrachtliche Entfernung auch seitwarts; der durchlaufene Weg war auch merkwiirdig hakenformig. Die Punkte wurden meistens alle Stunden gemacht; wenn sie alle paar Minuten gemacht worden wiiren, wiirden die Linien in einem auszer­ ordentlichen Grade zickzackformig, und hier und da mit einer gebildeten Schlinge, geworden sein. Dasz dies der Fall gewesen sein wiirde, kiinnen wir annehmen, weil im Verlaufe von 31 Minuten einmal (zwischen 12.34 und 1.5 p. m.) ffinf Punkte gemacht wurden, und wir sehen im oberen Theil der Zeiclmung, wie winklig der Weg dort ist; wenn nur der erste und der letzte Punkt gemacht und verbunden wiiren, so wiirden wir eine gerade Linie gehabt haben. Genau dieselbe Thatsache ist auch an den Linien zu sehen, welche die Bewegung zwischen 2.24 und 3 p. m. dar­ stellen, in welcher Zeit sechs Punkte gemacht wurden, ebenso wieder zwischen 4.46 und 4.50. Nach 6 p. m. war aber das Resultat sehr verschieden, - d. h. nachdem die grosze niichtliche Senkung begonnen hatte; denn obgleich im Verlauf von 32 Minuten neun Punkte gemacht wurden, so war doch die Linie, als dieselbe verbunden wurden (s. die Ab­ bildung), beinahe gerade. Die Bliit.tchen fangen dalier am Nachmittagr• an, sich in Zickzacklinien zu senken; sobald aber die Senkung rapid wird,

 

1 Die periodischen Bewegungen etc., p. 35.

DARWIN, Beweguogsvermogen. (XHL) 20

 

[page break] 306 Modiflcirte Circumnutation. Cap. 7.

wird die ganze Energia auf diese Bewegung verwandt, und ihr Verlauf wird damit gerade. Nachdem die Blattchen vollstandig eingeschlafen sind, bewegen sie sich nur sehr_wenig oder durchans gar nicbt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Fig. 150, D<1modium gyran: Clrcumnutatlon und nyctltroplsche Bewegung elnes Blattes (von 3¾ Zoll Lange mlt Elnschlusz des Blattstlels) wahrend 48 Standen. Glufaden an die ldittelrippe des termlnalen Blattchens befestlgt; seine Spltze 6 Zoll von der senkrochten Glasschelbe. Zelchnung auf e!n Dr!ttel der Originalgrosze reduclrt. Pflanze von oben beleuchtet. Temperatur 111°-20° C.

Ware die obige Pflanze einer hoheren Temperatnr als 19½-21° C. ausgesetzt worden, so wurden die Bewegungen des terminalen Blattchens

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 307

wahrscheinlich selbst noch rapider und der Ausdehnung nach weiter gewesen sein, als in der Zeichnung dargeboten wird; denn eine Pfl.anze wurde einige Zeit lang im Warmbause bei 33.3-33.8° C. gehalten, uncl im Verlaufe von 35 Minuten senkte sich die Spitze eines Blattcbens zwei­ mal und stieg einmal empor, wobei sie in verticaler Richtung ilber einen Raum von 1.2 Zoll und in einer horizontalen Ricbtung von 0.82 Zoll sich bewegte. Wahrend sich das Blattcben in dieser Weise bewegte, rotirte es aucb um seine eigene Axe (und dies war ein Punkt, auf welchen vorher dia Aufmerksamkeit nicht gelenkt worden war); denn die Ebene der Blattscbeibe hatte nach Verlauf von nur wenigen Minuten eine um

41 verschiedene Stellung. G-elegentlich stand das Blattchen eine kurze Zeit lang still. Schnellende Bewegungen, welcbe filr die kleinen seitlichen Blattchen so characteristisch sind, kamen nicbt vor. Ein plotzliches und betrachtlicbes Fallen der Temperatur verursacht ein Abwartssinken des terminalen Blattchens; so wurde ein abgeschnittenes Blatt in Wasser von 35 ° C. eingetaucht, welches langsam bis auf 39.4 ° C. erwarmt wurde und welches man spater bis auf 21 C. abkilblen liesz; dann krilmmte sich der Stiel des terminalen ..Blattchens abwarts. Das Wasser wurde spater auf 49 C. erwarmt und da streckte sich der Nebenstiel gerade. Ahnliche Versuche mit Blattern in Wasser wurden zweimal wiederholt mit nabezu demselben Resultat. Es musz nocb hinzugeftigt werden, dasz eine Erwarmung des Wassers selbst bis zu 50 C. ein Blatt nicht todtet. Eine Pfl.anze wurde um 8.37 a. m. in's Dunkle gestellt, und um 2 p. m. (d. i. nach 5 Stunden 23 Minuten). batten die Blattchen, obgleich sie sich be­ tracbtlich gesenkt batten, doch durcbaus nicht il1re nacbtliche, senkrecht berabhangende Stellung erlangt. Andererseits sagt PFEFFER 16, dasz dies

bei ibm in einer Zeit von ¾ bis 2 Stunden eingetreten sei; vielleicht

dilrfte die Verschiedenbeit in unseren Resultaten die Folge davon sein, dasz die Pfl.anze, an welcher wir die Versuche anstellten, ein sehr junger und kraftiger Samling war.

Die Bewegungen der kleinen seitlichen Blattcben. - Die­ selben sind so oft schon beschrieben worden, dasz wir uns die Milhe geben wollen, so kurz wie mtiglich zu sein; wir theilen einige wenige neue Thatsachen und Folgerungen mit. Die Blattchen andern zuweilen schnell ihre Stellung bis zu einem Betrage von nahezu 180 °; man sieht dabei, dasz sich ihre Stielcben bedeutend kriimmen. Sie rotiren um ihre eigenen Axen, so dasz ihre oberen Flachen nach alien Punkten der Wind­ rose bin gerichtet warden. Die von der Spitze beschriebene Figur ist ein unregelmasziges Oval oder eine Ellipse. Sie bleiben zuweilen eine Zeit lang stationar. Ausgenommen in Bezug auf ihre Rapiditat . und Aus­ debnung besteht in diesen verschiedenen Beziehungen kein Unterschied zwischen ihren Bewegungen und den unbedeutenderen, welche vom groszen terminalen Blattchen bei dessen groszen Oscillationen ausgefiihrt warden. Die Bewegungen der kleinen Blattchen werden wie bekannt, bedeutend durch die Temperatur beeinfl.uszt. Dies zeigte sich deutlich beim Einlegen von Blattern mit bewegungslosen Blattchen in kaltes Wasser, welches langsam auf 39.5° C. erwarmt wurde; dabei bewegten sich die Blattchen

 

16 Die periodischen Bewegungen etc., p. 89.

20*

 

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I

 

308 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

schnell und beschrieben in 40 Minuten ungefiihr ein Dutzend kleiner un­ regelmasziger Kreise. In dieser Zeit war das Wasser wieder viel kiihler geworden, und da wurden die Bewegungen langsamer und horten beinahe auf; dann wurde das Wasser auf 37.8° C. erwiirmt und die Blattchen fiengen wieder an, sich schnell zu bewegen. Bei einer anderen Gelegen­ heit wurde ein Biischel schiiner Blatter in Wasser von 11.6 C. gelegt, und die Blattchen waren natiirlich bewegungslos. Das Wasser wurde auf 37.2 C. erwarmt und bald fiengen die Blattchen an, sich zu bewegen; es wurde auf 40.5 C. erwarmt und die Bewegungen wurden viel rapider: ein jeder kleiner Kreis oder Oval wurde in der Zeit von 1 Minute 30 Se­ cunden bis 1 Minute 45 Secunden vollendet. Es fand indessen keine schnellende Bewegung statt, und diese Thatsache diirfte vielleicht dem Widerstande des Wassers zugeschrieben werden.

SACHS gibt an, dasz sich die Blitttchen nicht eher bewegen als bis die umgebende Luft eine Temperatur von 21½ 0 bis 22 C. hat; und dies

stimmt mit unserer Erfahrung an vollig, oder nahezu vollig erwachsenen Pfl.anzen iiberein. Die Blattchen junger Siimlinge bieten aber bei viel niedrigerer Temperatur eine s-pringende Bewegung• dar. Ein Siimling wurde den l1alben Tag lang (16. April) in einem Zimmer gehalten, wo die Tem­ peratur stetig auf 17.8 C. blieb, nnd das eine Blattchen, welches er trug, machte bestii.ndig schnellende Bewegungen, aber nicht so rapid wie im Warmhause. Der 'l'opf wurde am Abend in ein Schlafzimmer gebracht, wo die Temperatur beinahe die ganze Nacht hindurch auf 16. 7 C. blieb; um 10 und 11 p. m. und um 1 a. m. schnellte das Blatt noch immer rapid; um

3.30 a. m. sah man es nicht schnellen, es wurde aber nur eine kurze Zeit beobachtet. Indessen war es jetzt unter einem viel niedrigeren Winkel geneigt als dem, den es um 1 a. m. eingenommen hatte. Um 6.30 a. m. (Temperatur 16 C.) war S<'ine Neigung noch geringer als vorher, und um 6.45 a. m. noch geringer; um 7.40 m. hatte es sich erhoben und um 8.30 a. m. sah man es wiederum schnellen. Dies Blattchen bewegte sich daher wahrend der ganzen Nacht, und die Bewegung geschah bis um 1 a. m. (und moglicherweise noch spater) und wiederum um 8.30 a. m. ruckweise, obgleich die 'J'emperatnr nur 16 und 16.7 C. betrug. Wir miissen daher die Folgerung ziehen, dasz die von jungen Pfl.anzen hervor­ gebrachten seitlichen Bliittchen in ihrer Constitution von denen an iilteren Pfl.anzen etwas verschieden sind.

In der groszen Gattung Desmodium ist bei weitem die groszere Zahl

der Species dreibliittrig; einige sind aber einblattrig und selbst eine und dieselbe Pflanze kann ein.: und dreiblattrige Blatter tragen. In den meisten Species sind die seitlichen Blattchen nur ein wenig kleiner als das end­ standige. Es milssen daher die seitlichen Blattchen von D. gy1•ans (s. die friihere Figur 148) als beinahe rudimentar angesehen werden. Sie sind auch der Function nach rudimentar, wenn der Ausdruck angewandt wer­ den kann; denn sie schlafen sicherlich nicht so wie die terminalen Blattchen von voller Grosze. Es ist indessen moglich, dass das Herabsinken der Bla.ttchen zwischen 1 a. m. und 6.45 a. m., wie es oben beschrieben wurde, den Schlaf darstellen diirfte. Es ist sehr wohl bekannt, dasz die Blattchen wahrend des ersten Theils der Nacht sich ruckweise zu bewegen fortfahren; mein Gartner heobachtete aber (13. Oct.) eine Pflanze im

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 309

Warmhause zwischen 5 und 5.30 a. m., wii.hrend die Temperatur auf

27.8 C. gehalten. war, und fand, dasz alle Blii.ttchen geneigt waren, er sah aber bis 6.55 a. m., um welche Zeit sich das terminale Blattchen erhoben hatte und aufgewacht war, keine schnellende Bewegung. Zwei Tage spii.ter (15. Oct.) wurde dieselbe Pflanze wieder von ihm um 4.47

a. m. (Temperatur 25 C.) beobachtet, und er fand, dasz das grosze terminale Blattchen aufgewacht, obschon nicht vollig horizontal war; die einzige Ursache, welche wir fiir diese abnorme Wachsamkeit ausfindig machen konnten, war die, dasz die Pflanze withrend des vorhergehenden Tages experimenteller Zwecke wegen bei einer ungewohnlich hohen Tem­ peratur gehalten worden war; auch bewegten sich die kleinen seitlichen Blii.ttchen zu dieser Stunde schon schnellend; ob aber zwischen dieser letzteren Thatsache und der subhorizontalen Stellung der terminalen Blattchen irgend ein Zusammenhang bestand, wissen wir nicht. Wie dem auch sei, so viel ist sicher, dasz die seitlichen Blii.ttchen nicht so wie die terminalen Blattchen schlafen ; und in so fern kann man sagen, dasz sie sich in einem functionell rudimentaren Zustande befinden. Sie befinden sich in einem ii.hnlichen Zustande in Bezug auf Irritabilitii.t; denn denn wenn eine Pflanze erschiittert oder bespritzt wird, sinken die termi­ nalen Blattchen bis ungefithr 45 unter den Horizont; wir konnten aber niemals finden, dasz hierdurch irgend eine Wirkung auf die seitlichen Blatt­ chen ausgeiibt wiirde; doch sind wir nicht vorbereitet positiv zu behaupten, dasz ein Reiben oder Stechen des Polsters keine Wirkung hervorbringe. Wie es bei den meisten rudimentitren Organen der Fall ist, sind die Blitttchen in ihrer Groszo variabel; sie weichen hii.ufig von ihrer normalen Stellung ab und stehen einander nichi gegeniiber; hii.ufig fehlt eines von beiden. Dies0 Abwesenheit schien in ei igen Fallen, aber nicht in alien, eine Folge davon zu sein, dasz das Blitttchen vollstiindig mit dem Haupt­ blattstiel verschmolzen war, wie man aus dem Vorhandensein einer un­ bedeutenden Leiste dessen oberem Rande entlang und aus dem Verlauf der Gefitsze schlieszen konnte. In einem Falle fand sich eine Spur eines Blittt­ chens in der Gestalt einer minutillsen Spitze am unteren Ende der Leiste. Das hitufige, plotzliche und vollstitndige Verschwinden eines oder beider rudimentaren Blattchen ist eine ziemlich merkwiirdige Thatsache; die aber ist noch viel auffallender, dasz die Blatter, welche zuerst an Samlings­ pflanzen entwickelt werden, nicht mit solchen versehen sind. So war an einem Siimling das siebente Blatt oberhalb der Cotyledonen das erste, welches flberhaupt irgend seitliche Blitttchen trug und dann nur ein ein­ ziges. An einem andern Siimling trug das elfte Blatt zuerst ein Seiten­ bliittchen ; von den neun darauffolgenden Blitttern trugen filnf ein ein­ ziges seitliches Bliittchen und vier trugen durchaus gar keine; endlich kam ein Blatt, das einundzwanzigste oberhalb der Cotyledonen, welches mit zwei rudimentiiren seitlichen Bliittchen versehen war. Nach einer im Thierreich weit verbreiteten Analogie hatte man erwarten konnen, dasz diese rudimentiiren Blitttchen an sehr jtingen Pflanzen besser ent­ wickelt und regelmasziger vorhanden sein wiirden als an alten Pflanzen. Erinnern wir uns aber daran, dasz erstens lange verloren gegangene Charactere zuweilen spat im Leben wieder erscheinen, und zweitens, dasz die A.rten der Gattung Desmodium meistens dreiblattrig, dasz aber einige

 

[page break] 310 Modificirte Circumnutation. -Cap. 7.

 

einblattrig sind, so entsteht die Vermuthung, dasz D. gyrans von einer einblattrigen Species abstammt, und dasz diese ihrersejts von einer drei­ blitttrigen abstammte; denn in diesem Fall kann beides, sowohl die A b­ wesenheit der kleinen saitlichen Bliittcben an sehr jungen Samlingen als aucb ihr spa.tares Erscheinen einem Riickschlag auf mebr od!lr weniger weit zuriickliegende Vorfahren zugeschrieben werden 17

Niemand vermuthet, dasz die rapiden Bewegungen der seitlicben Blii.ttchen von D. gyrans fiir die Pflanze von irgend welchem Nutzen sind; und warum sie sicb in dieser Weise benehmen, ist vollstii.ndig un­ bekannt. Wir stellten uns vor, dasz ihr Bewegungsvermogen in irgend welcher Beziehung zu ihrem rudimentaren Zustande stehen diirfte, und beobachteten daher die beinabe rudimentaren Blattchen der Mimosa albida vel sensitiva ( von WAlcber spater eine Z1Jicbnung mitgetbeilt werden wird, Fig. 159); sie boten aber keine auszergewohnlichen Bewegungen dar und scbliefen in gleicher Weise ein wie die Blattchen von voller Grosze. Es besteht indessen die merkwiirdige Verschiedenheit zwischen den beiden Fallen: bei Desmodium ist das Polster der rudimentaren Blitttchen nicht an Lange, in Ubereinstimmung mit der Verkiimmerung der Scheibe, bis zu demselben Grade reducirt worden, wie es bei der Mimosa eingetreten ist; und es ist die Lange und der Grad der Kriimmung des Polsters, von welchen die Grosze der Bewegung der Blattscbeibe abhii.ngt. So ist die mittlere Lange des Polsters an den groszen terminalen Blattchen von Desmodium 3 mm, wii.brend das der rudimentaren Blii.ttchen 2.86 mm lang ist, so dasz sie nur wenig an Lange verschieden sind. Im Durch­ messer weichen sie aber bedeutend von einander ab, der des Polsters der kleinen Blii.ttchen betrii.gt nur 0.3 •bis 0.4 mm, wahrend der des Poisters der terminalen Blattchen 1.33 mm betragt. Wenn wir uns nun zu der Mimosa wenden, so finden wir, dasz die mittlere Lange des Polsters der beinahe rudimentaren Blii.ttchen nur 0.466 mm betragt, oder etwas mehr als ein Viertel der Lange des Polsters der Blii.ttcben von voller Gi-osze, welches 1.66 mm lang ist. In dieser geringen Reduction in der Lange des Polsters der rudimentii.ren Blattchen von Desmodium liegt allem An­ scheine nach die nachste Ursache ihrer groszen und rapiden Circumnutations­ bewegung, im Gegensatze zu der der beinahe rudimentii.ren Blii.ttchen der Mimosa. Die geringe Grosze und das geringe Gewicht ebenso wie der unbedeutende Widerstand, welchen die Luft ihrer Bewegung entgegensetzt, kommen ohne Zweifel aur.h mit in's Spiel; denn wir haben gesehen, dasz diese Blii.ttchen, wenn sie in Wasser eingetaucht sind, wo der Widerstand viel groszer ist, an den vorwarts gerichteten ruckweisen Bewegungen ge­ hindert wurden. Warum bei der Verkiimmerung der Seitenblii.ttchen von Desmodium oder bei ibrem Wiedererscheinen - wenn sie ihr Auftreten einem Riickschlage verdanken - das Polster so viel weniger afficirt wird als die Blattscheibe, wahrend bei der Mimosa das Polster bedeutend reducirt worden ist, wissen wir nicht. Nichtsdestoweniger verdient es Beachtung, dasz die Verkiimmerung der Blattchen in diesen beiden Gat-

 

17 Desmodium vespertilionis ist mit D. gyrans nahe verwandt und es scheint gelegentlich rudimentll,re seitliche BJ11,ttchen zu tragen. Duchartre, Elements de Botanique, 1867, p. 35S.

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 311

 

tungen a-ugenscheinlich mittelst eines verschiedenen Processes und zn einem verschiedenen Zwecke bewirkt worden ist; denn bei der Mimosa war die Verkiimmerung der inneren und basaleu Blattchen nothwendig aus Mangel an Platz; bei Desrnodium existirt aber keine derartige Nothwendigkeit und die Verkiimmerung ihrer Seiten blattchen scheint nach dem Princip der Compensation, in Folge der bedeutenden Grosze des terminalen Blatt­

{lhens, eingetreten zu sein.

Uraria (VI. Trib.) und Centrosema (VIII. Trib.). - Die Blattchen von Uraria lagopus und die Blatter eines Centrosema von Brasilien sinken beide des Nachts senkrecht herab. Bei der letzteren Pflanze erhob sieh gleichzeitig der Blattstiel um 16½0

Amphicarpaea monoica (VIII. Trib.). - Die Blattchen sinken

des Nachts senkrecht nach unten und die Blattstiele senken sich gleich­ falls betrachtlich. Ein Blattstiel, welcher sorgfaltig beobachtet wurde, stand wahrend des Tages 25° iiber dem Horizont und des Nachts 32° unter ihm; er senkte sich daher 57 Ein Glasfaden wurde quer iiber das terminale Blii.ttchen eines schonen jungen Blattes (von 2¼ Zoll Lange mit Einschlusz des Blattstiels) befestigt, und die Bewegung des ganzen Blattes wurde an einer senkrechten Glasplatte. verzeichnet. Dies war in manchen Beziehungen kein guter Plan, weil die Rotation des Blattchens, unabhangig von seinem Heben oder Sinken, den Glasfaden erhob und niederdriickte; es war•aber zu unserem speciellen Zwecke, namlich um zu beobachten, ob sich das Blatt noch bedeutend bewege, nachdem es ein­ geschlafen war, der beste Plan. Die Pflanze hatte sich dicht um einen runden Stab gewunden, so dasz die Circumnutation des Stammes verbiudert war. Die Bewegung des Blattes wurde wahrend 48 Stunden verfolgt, von 9 a. m., 10. Juli, bis 9 a. m., 12. Juli. In der mitgetheilten Figur

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 151. .Amphicarpaea monoica: Clrcumnutation und nyctitropische Bewegung eines Blattes wahrend 48 Stunden; seine Spitze 9 Zoll von der senkrechten Glasplatte. Figur hier auf ein Drittel des Maszstabs des Originals reduclrt. Pffanze von oben beleuchtet; Temperatur 171/2 bls

18½" c.

(Fig. 151) sehen wir, wie complicirt der zuriickgelegte Weg an beiden Tagen war; wahrend des zweiten Tages veranderte es seine Richtung

 

[page break] 312 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

13mal bedeutend. Die Bliittchen fiengen ein wenig nach 6 p. m. ein­ zuschlafen an, und um 7.15 p. m. hiengen sie senkrecht herab und waren vollkommen eingeschlafen; aber in beiden Nachten fuhren sie von 7.15 p. m. bis 10.40 und 10.50 p. m. vollstandig so viel sich zu bewegen fort wie am Tage, und dies war der Punkt, den wir zu ermitteln wilnschten. Wir

sehen in der Zeichnung, dasz die bedeu­ tende Senkung spat am Abend nicht wesent­ lich von der Circumnutation wii.hrend des

 

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Tages verschieden ist.

Glycine his pi d a (VIII. Trib.).

Die drei Bliittchen sinken des Nachts senk­ recht abwiirts.

Erythrina (VIII. Trib.) - Es wur­

den fiinf Species beobachtet, und bei all en sanken die Blii.ttchen des Nachts senkrecht nach unten; bei E. caffra und bei einer zweiten ungenannten Species erhoben sich gleichzeitig die Blattstiele unbedeu.tend. Die Bewegungen des terminalen Blii.ttchens von

E. crista-galli wurden (nachdem der Haupt­ blattstiel an einem Stabe festgemacht wor­ den war) von 6.40 a. m;, 8. Juni, bis 8.40

a. m. am 10. Juni aufgezeichnet. Um die nyctitropischen Bewegungen dieser Pfl.anze zu beobachten ist es nothwendig, dasz die­ sell,e in einem warmen Gewiichshause ge­ wachsen ist, denn in unserem Clima schliift die Pfl.anze im Freien nicht. Wir sehen in der Zeichnung (Fig. 152), dasz das. Blii.ttchen zwischen dem friihen Morgen und Mittag zweimal auf- und auwiirts oscillirte; dann senkte es sich bedeutend, um spater wieder bis um 3 p. m. sich zu erheben. Zu dieser letzten Stunde fieng die grosze niichtliche Senkung an. Am zweiten Tag (fnr welchen die Zeichnung bier nicht mitgetheilt wird) fand vor Mittag genau die niimliche doppelte Oscillation statt, aber am Nachmittage nur

 

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:Fig. 152. E,•.11th1•ina criata-galli: Cir cumnutation und nyctitropiscbe Be­ wegung eines termi11alen Bliittchens von 3:l/..s Zo1l Liin c, wiihrend 25 Stun.. den aufgezeichnot; Spitze des Blattes

31!., Zoll von der senkrecht('n Glas..

platte. Figur hier auf die Hiilfte der Orlgina\gr0sze reclnrirt. Pflanze von oben beleurhtet. 'remperatur 17½ bis 18½" C.

 

eine sehr kleine. Am dritten Morgen bewegte sich das Blattchen seitwiirts, was die Folge davon war, dasz es anfieng eine schriige Stellung anzunehmen, wie es bei den Blatt­ chen dieser Species, wenn sie alt werden, ausnahmslos einzutreten scheint. In beiden Nachten fuhren die Blattchen, nachdem sie

 

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eingeschlafen waren und senkrecht abwarts hiengen, sich ein wenig auf­ wii.rts und abwii.rts und von einer Seite zur andern zu bewegen fort.

Erythrina caffra: Ein Glasfaden wurde quer iiber ein terminales Blii.ttchen befestigt, da wir seine Bewegungen, wii.hrend es eingeschlafen

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 313

 

war, zu beobachten wiinschten. Die Pflanze wurde am Morgen des 10. Juni unter ein Oberlicht gebracht, wo die Beleuchtung nicht hell war; wir wissen nicht, ob es eine Folge dieser Ursache war oder weil die Pflanze gestort worden war, aber das Blattchen hieng den ganzen Tag senkrecht herab; nichtsdestoweniger circumnutirte es in dieser Stellung, dabei eine Figur beschreibend, welche zwei unregelmaszige Ellipsen darstellte. Am nachsten Tage circumnutirte es in einem hoheren Grade und beschrieb vier unregelmaszige Ellipsen, und um 3 p. m. hatte es sich in eine hori­ zontale Stellung erhoben. Um 7.15 p. m. war es eingeschlafen und hieng senkrecht herab, fuhr aber, so lange es beobachtet wurde, bis 11 p. m., zu circumnutiren fort.

Erythrina corallodendron. - Es wurden die Bewegungen eines terminalen Blattchens aufgezeichnet. Wahrend des zweiten Tages oscillirte es viermal aufwarts und viermal abwarts zwischen 8 a. m. und 4 p. m., nach welcher Stunde die grosze nachtliche Senkung begann. Am dritten Tage war die Bewegung nach ihrer Amplitude gleich grosz, war aber merkwiirdig einfach; denn das Blattchen erhob sich von 6.50 a. m. bis 3 p. m. in einer beinahe vollkommen geraden Linie und senkte sich dann in einer gleich geraden Linie, bis es senkrecht herabhieng und schlief.

Ap ios tuberosa (VIII. Trib.). - Die Blattchen sinken des Nachts senkrecht nach unten.

Phaseolus vulgads (VIII. Trib.). - Die Blattchen sinken gleich­ falls des Nachts senkrecht nach unten. In dem Gewachshause erhob sich des Nachts der Stiel eines juflgen Blattes 16 und der eines alteren Blattes 10 Bei im Freien wachsenden Pflanzen schlafen allem Anschein nach die Blattchen nicht fruher als bis die Jahreszeit etwas weit vor­ geriickt ist; denn in den Nachten des 11. und 12. Juli schlief keines; wahrend in der Nacht des 15. August an den namlichen Pflanzen die meisten ihrer Blattchen senkrecht herabhiengen und schliefen. Bei Ph. caracalla und Hernandesii sinken die primaren einblilttrigen Blatter und die Blattchen d r secundaren dreiblattrigen Blatter des Nachts senkrecht nach unten. Dies gilt auch fiir die secundaren dreiblattrigen Blatter von Ph. Roxbur,qhii; es ist aber merkwiirdig, dasz die primaren einblattrigen Blatter, welche bedeutend verlangert sind, sich des Nachts von ungefahr

20 bis ungefah1• 60 iiber den Horizont erheben. Indessen stehen bei alteren Samlingen, bei welchen die secundaren Blatter eben entwickelt worden sind, die primaren Blatter in der Mitte des Tages horizontal oder sind ein wenig unter den Horizont niedergebogen. In einem •derartigen Falle erhoben sich die primaren Blatter von 26 unter dem Horizont des Mittags bis 20 iiber demselben um 10 p. m., wahrend zu der namlichen Zeit die Blattchen der secundaren BI:.tter senkrecht uach unten hiengen. Wir haben daher hier den auszerordentlichen Fall vor uns, dasz sich die primaren und secundaren Blatter an einer und derselben Pflanze in der namlichen Zeit in entgegengesetzten Richtungen bewegen.

Wir haben nun gesehen , dasz die Blilttchen in den sechs von uns beobachteten Gattungeu der Phaseoleen (mit Ausnabme der primaren Blatter von Phaseolus Roxburyhii) sammtlich in der namlichen Art schlafen, namlicb (lurch ein senkrechtes Herabsinken. Die Bewegungen der Blatt-

 

[page break] 314 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

stiele wurden nur bei dreien dieser Gattungen beobachtet; bei Centrosema

und Phaseolus erhoben sie sich und boi Amphicarpaea senkten sie sich.

Sophora chrysophylla (X. Trib.). - Die Blattchen erheben sich des Nachts und werden zu gleicher Zeit nach d!lr Spitze des Blattes hin gerichtet, wie bei Mimosa pudica.

Caesalpinia, Haematoxylon, Gleditschia, Poinciana. - Die Blattchen zweier Species von Caesalpinia (XIII. Trib.) erhoben sich des Nachts. Bei Haematoxylon campechianum (XIII. Trib.) bewegen sich die Blattchen des Nachts vorwiirts, so dasz ilire Mittelrippen parallel zu dem Blattstiele stehen und ihre nun senkrechten unteren Flachen aus­ warts gewendet. sind (Fig. 153). DAr Blattstiel senkt sich ein wenig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A li

1' ig. 153. 1/aematoxylon camperhiauum: A Zweig wiihrend des Tages; B Zweig mit sc-hlafenden Bliittern. }'igur nuf zwoi Drlttel der natiirlichen GrOszo rednclrt.

 

Rei Gleditschia, wenn wir DucHARTRE's Beschreibung richtig verstehen, und bei Poinciana Gilliesii (beide gehoren zur XIII. Trib.) benehmen sich die Blatter in der nii.mlichen Weise.

Cassia (XIV. Trib.). - Die nyctitropischen Bewegungen der Blatter sind sich bei vielen Species in dieser Gattung nahezu gleich und sind in hohem Grade complicirt. Sie wurden zuerst kurz von LINNE beschrieben und seitdem noch von DucHARTRE, Unsere Beobachtungen wurden haupt­ sachlich an C. fioribunda is und corymbosa angestellt; gelegentlich wur­ den aber noch mehrere andere Species beobachtet. Die horizontal aus­ gestreckten Blattchen sinken des Nachts senkrecht nach unten, aber nicht einfach, wie in so vielen anderen Gattungen, denn jedes Blattchen rotirt um seine eigene Axe, so dasz seine untere Flache nach auszen sieht. Die unteren Flachen der gegenstandigen Blitttchen warden hierdureh unter dem Blattstiele mit einander in Beriihrung gebracht und gut geschiitzt (Fig, 154). Die Rotation nnd die anderen Bewegungen werden mittelst eines gut entwickelten Polsters ausgefilhrt, wie dirntlich gesehen werden konnte, als eine schmale gerade schwarze Linie bei Tag ihm entlang anf­ gemalt worden war. Die zwei terminalen Blitttchen umschlieszen bei Tage

 

18 Mr. Dyer theilt mir mit, dasz Mr. Bentham der Ansieht ist, C. flori­ bunda (ein haufiger Gewachshausbusch) sei ein in Frankreich gezogener Bastard und dasz sie der C. laevigata sehr nahe komme. Es ist ohne Zweifel dieselbe Form wie die von Lindley (Botan. Register, Tab. 1422) beschriebene C. Her­ bertiana.

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 315

etwas weniger als einen rechten Winkel; ihre Divergenz nimmt aber bedeutend zu, wahrend sie abwii.rts sinken und rotiren , so dasz sie des Nachts seitlich stehen, wie in der Figur zu sehen ist. -0-berdies bewegen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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li'ig. 154. Ccuaia corymbo,a: A Pflanze am Tage; B di08elbe Pflanze in der Nacbt. Beide Figuren nach Photographien copirt.

 

sie sich etwas riickwarts, so dasz sie nach der Basis des Blattstiels hin­ weisen. In eim,m Falle fanden wir, dasz die Mittelrippe eines terminalen Blii.ttchens des Nachts mit einer am Ende des Blattstiels abwii.rts gezogenen senkrechten Linie einen Winkel von 36 bildete. Das zweite Blii.ttchen­ paar bewegt sich gleichfalls ein wenig riickwarts, aber weniger als das terminale Paar; und das dritte Paar bewegt sich senkrecht abwii.rts oder selbst ein wenig vorwii.rts. In dieser Weise streben sammtliche Blattchen bei denjenigen Species, welche nur 3 oder 4 Paare tragen, danach ein einziges Piickchen zu bilden, wobei ihre oberen Flii.chen in Berfthrung kommen und ihre unteren Flachen auswii.rts gewendet werden. Endlich erhebt sich der Hauptblattstiel des Nachts, aber bei Bliittern verschie-

 

[page break] 316 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

denen Alters in sehr verschiedenen Graden, namlich em1ge durch einen Winkel von nur 12 und andere so bedeutend wie durch 41

Cassia calli ant h a. - Die Blatter tragen eine grosze Anzahl von Blattchen, welche sich des Nachts in nahezu derselben oben be­ schriebenen Art und Weise bewegen; die Blattstiele erheben sich aber allem Anscheine nach nicht und einer, welcher sorgialtig beobachtet wurde, sank sicher um 3°.

Cassia pubescens. - Die hauptsachlichste Verschiedenheit in den nyctitropischen Bewegungen dieser Species, verglichen mit denen der vorhergehend beschriebenen Species besteht darin, dasz die Blattchen nicht annahernd so bedeutend rotiren; ihre unteren Flachen sehen daher des Nachts nur wenig nach auszen. Die Blattstiele, welche wahrend des Tages nur ein wenig il.ber den Horizont emporgeneigt sind, erheben sich des Nachts in einer merkwiirdigen Art und Weise und stehen nahezu oder vollkommen senkrecht. Dies macht in Verbindung mit der herabhangenden Stellung der Bliittchen die Pflanze des Nachts wunderbar compact. In

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Fig, 155. Oa,.ia pubucena: A oberer Theil einer Pllanze wiihrend des Tages; B dieselbe Pflanze des Nachts. Figuren nach Phctographicn verkleinert.

den zwei vorstehenden Abbildungen, welche nach Photographien copirt sind, ist ein und dieselbe Pfl.anze wachend und schlafend dargestellt (Fig. 155) und wir sehen, wie verschieden die Erscheinung derselben ist. Cassia mimosoides. - Des Nachts rotiren die zahlreichen Blatt­

chen an jedem Blatte um ihre Axen und ihre Spitzen bewegen sich nach der Spitze des Blattes zu; sie werden dadurch dachziegelformig angeordnet, ihre oberen Fliichen werden aufwarts gerichtet und ihre Mittelrippen werden beinahe dem Blattstiel parallel. In Folge dessen weicht diese

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 317

 

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Species von allen iibrigen von uns gesehenen, mit Ausnahme

genden , darin ab , dasz die Blattchen sich des Nachts nicht

 

der fol­

abwii.rts

 

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senken. Ein Blattstiel, dessen Bewegung gemessen wurde, erhob sicb des Nachts s0

Cassia Barclayana. - Die Blattchen dieser australischen Species sind zahlreich, sehr schmal und beinahe linear. Des Nachts erheben sie sich ein wenig und bewegen sich auch nach

der Spitze des Blattes hin. So divergirten bei­ spielsweise zwei gegenstandige Blattcben, welche

 

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wahrend des Tages unter einem Winkel von 104° auseinander standen, des Nachts nur 72°, so dasz ein jedes sich 16 iiber seine Tages­ stellung erhoben hatte. Der Stiel eines jungen Blattes erbob sich des Nachts 34° und der eines alteren Blattes 19 In Folge der unbedeu- tenden Bewegung der Blattchen und der be- tritchtlichen Bewegung des Blattstiels bietet der Strauch des Nachts ein verscbiedenes Aussehen von dem dar, welches er bei Tage zeigt; und doch kann man kaum sagen, dasz die Blatt- chen schlafen.

Die circumnutirenden Bewegungen der Blat­ ter von C. fioribunda, calliantha und pubescens wurden bei jeder Art wahrend dreier oder vier Tage beobacbtet; sie waren im Wesentlicben gleicb, diejenigen der zuletzt genannten Art waren die einfachsten. Der Blattstiel von

C. fioribunda wurde an der Basis der beiden endstandigen Blattchen an einem Stabe fest- gemacbt und ein Glasfaden der Mittelrippe des einen entlang befestigt. Seine Bewegungen wur­ den von 1 p. m. am 13. August bis 8.30 a. m. am 17. verfolgt; aber nur die wahrend der letz­ ten zwei Tage sind in der Figur 156 mitgetheilt. Von 8 a. m. jeden Tages (um welche Stunde das Blatt seine Tagesstellung angenommon hatte) bis 2 oder 3 p. m. bewegte es sich entweder zickzackformig oder circumnutirte nahezu iiber demselben kleinen Fleck; zwischen 2 und 3 Uhr

p. m. fieng die grosze Abendsenkung an. Die

diese Senkung und die Erhebung am friihen Morgen darstellenden Linien sind schrag in Folge der eigenthfimlicben bereits bescbriebenen Art und Weise, in welcher die Blattchen scblafen. Nachdem das Blattchen um 6 p. m. eingeschlafen war und wahrend der Glasfaden senkrecht herab­ hieng, wurde die Bewegung seiner Spitze bis

 

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Fig. 156. Ca.,ia ,lloribunda: Cir cumnutatlon und nyctitropiscbe Bewegung eines termlnalen Blatt

chens (von l'IG Zoll Liinge), von

8.30 a, m. bis zur selben Stunde am folgenden Morgen aufgezeich­

net. Spitze des Blattes 5½ Zoll

von der senkrechten Glasplatte. Hauptblattstlel8¼Zoll tang. Tem­ peratur 16-1711,," C. Figur hier auf die Hiilfte des Originals re- duclrt.

 

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10.30 p. m. verfolgt; und wahrend dieser ganzen Zeit schwang sie von

einer Seite zur andern und vollendete mehr als eine Ellipse.

 

[page break] 318 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

Bau hi n i a (XV. Trib.). - Die nyctitropischen Bewegungen von vier Species waren einander gleich und waren in hohem Grade eigen­ thiimlich. Eine aus Samen, welche uns FRITZ MVLLER ans Siid - Brasilien geschickt hatte, gezogene Pflanze wurde besonders sorgfii.ltig beobachtet. Die Blatter sind grosz und an ihren Enden tief eingeschnitten. Des Nachts ricbten sicb die beiden Halften auf und scblieszen sich vollstandig zusammen, gleich den gegenstandigen Blli.ttcben vieler Leguminosen. Bei sebr jungen Pflanzen steigen zu derselben Zeit die Blattstiele betrachtlich; einer, welcher um Mittag 45 iiber dem Horizont emporgeneigt war, stand des Nachts 75 er stieg daher um 30 °; ein anderer erhob sich 34°. Wahrend die beiden Halften des Blattes sich schlieszen, sinkt zuerst die Mittelrippe senkrecht abwarts und biegt sicb spater nach riickwarts, so dasz sie dicbt der einen Seite ihres eigenen aufwarts geneigten Blattstiels entlang vorbei sich bewegt; die Mittelrippe wird dabei nach dem Stamm oder der .Axe der Pflanze bin gericbtet. Der Winkel, welchen die Mittel­ rippe mit dem Horizont bildet, wurde in einem Fall zu verschiedonen Stunden gemessen: Mittags stand sie horizontal; spat am .Abend hieng sie senkrecht berab; dann erhob sie sich nacb der entgegengesetzten Seite und stand um 10.15 p. m. nur 27 ° unter dem Horizont, dabei nacb dem Stamm bin gerichtet. Sie batte danacb einen Winkel von 153 ° durchmessen. In Folge dieser Bewegung - in Folge der Faltung der Blatter - und in Folge der Erbebung der Blattstiele ist die ganze Pflanze des Nachts um so viel compacter als wabrend des Tages, wie eino pyramidenformige italienische Pappel es ist verglicben mit irgend einer andern Species von Pappel. Es ist merkwiirdig, dasz, als unsere Pflanzen ein wenig alter geworden, namlich bis zu einer Rohe von 2 oder

3 Fusz gewachsen waren, die Blattstiele sicb des Nacbts nicht erboben; und auch die Mittelrippen der gefalteten Blatter wurden nicht langer mebr der einen Seite des Blattstiels entlang riickwii.rts gebogen. Wir haben bei einigen anderen Gattungen bemerkt, dasz die Blattstiele sebr junger Pflanzen sich des Nacbts viel bedeutender erheben als diejenigen alterer Pflanzen.

Tamarindus indica (XVI. Trib.). - Die Blattchen nahern sich

oder treffen sich einander des Nachts und werden alle nach der Spitze des Blattes bin gericbtet. Sie warden dadurcb dachziegelformig und ihre Mittelrippen mit dem Blattstiele parallel. Die Bewegung ist der von Haematoxylon (s. friihere Figur 153) nahezu ahnlich, aber wegen der groszeren .Anzahl von Blattcben auffallender.

Adenanthera, Prosopis und Neptunia (XX. Trib.). - Bei Adenanthera pavonia drehen sicb die Blattcben auf die Kante und senken sich des Nacbts. Bei Prosopis wenden sie sich aufwarts. Bei Neptunia oleracea kommen die Blattchen auf den einander gegeniiberliegenden Seiten einer und derselben Fieder des Nachts mit einander in Beriibrung und warden vorwarts gericbtet. Die Fiedern selbst bewegen sicb abwarts und zu gleicher Zeit riickwarts oder nacb den Stammen der Pflanzen bin. Der Hauptblattstiel erhebt sich.

Mimosa pudica (XX. Trib.). - Diese Pflanze ist der Gegenstand unzabliger Beobacbtungen gewesen; es finden sich aber einige Punkte in Bezug auf unseren Gegenstand, denen nicbt hinreichende .Aufmerksamkeit

 

[page break] Cap. 7. Sehlafbewegungen der Blatter. 319

gewidmet worden ist. Wie sehr wohl bekannt ist, kommen die gegen­ standigen Blattchen des Nachts mit einander in Berfihrung und weisen nach der Spitze des Blattes hin; sie werden auf diese Weise nett dach­ zieglig oder geschindelt und ibre oberen Flachen sind geschO.tzt. Auch nahern die vier Fiedern sich dicht einander und das ganze Blatt wird dadurch sehr compact gemacht; der Hauptblattstiel sinkt wahrend des Tages bis spat am Abend abwarts und erhebt sich bis sehr friih am Morgen. Der Stamm ist in bestandiger rapider Circumnutation, obschon nicht in groszel' Weite. Einige sehr junge,

in Dunkelheit gehaltene Pflanzen wurden wahrend zweier Tage beubachtet, und ob­ gleich sie einer verhaltnismaszig niedrigen Temperatur von nur 13.8°-15° C. aus­ gesetzt wurden, beschrieb doch der Stamm der einen im Verlaufe von 12 Stunden vier kleine Ellipsen. Wir werden sofort sehen, dasz der Hauptblattstiel gleichfalls bestandig circumnutirt., wie auch jede einzelne Fieder und jedes einzelne Blattchen. Wenn daher die Bewegung der Spitze irgend eines Blatt­ chens verfolgt werden sollte, so wfirde der beschriebene Weg aus den Bewegungen vier verschiedener Theile zusammengesetzt sein. Ein Glasfaden war am Abend vorher langsweise an den Hauptblattstiel eines

nahezu vollig erwachsenen, in hohem Grade sensitiven Blattes (von vier Zoll Lange)

befestigt worden, nachdem der Sta-qim an !

seiner Basis an einen Stab festgebunden war; eine Zeichnung wurde nun an einer senkrechten Glasscheibe unter einer hohen Temperatur gemacht. In der mitgetheilten

Figur (Fig. 157) wurde der erste Punkt I

um 8.30 a. m. am 2. August, und der i

letzte um 7 p. m. am 3. gemacht. Wah­

 

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rend zwolf Stunden am ersten Tage be­ wegte sich der Blattstiel dreimal abwarts und dreimal aufwii.rts. Am zweiten Tage bewegte er sich innerhalb der gleichcn

 

Fig. 1117. .Mimoa pudica: Clrcumnu­ tatlon und nyetitropische Bewegung des Hauptblattstlels, 84 Stunden 80 Mlnuten hindnrch verfolgt.

 

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Zeit ffinfmal abwarts und viermal aufwarts. Da die aufsteigenden und absteigenden Linien nicht zusammenfallen , circumnutirt der Blattstiel offenbar; die grosze abendliche Senkung und die nachtliche Erhebung stellen nur eine lJbertreibung einer der Circumnutationen dar. Es musz indessen beachtet werden, dasz der Blattstiel an den Abenden viel tiefer sank als an der senkrechten Glasplatte gesehen werden konnte und als in der Figur dargestellt ist. Nach 7 Uhr p. m. am 3. (als der letzte Punkt in .Fig. 157 gemacht war) wnrde der Topf in ein Schlafzimmer gebracht, und um 12.50 a. m. (d. i. nach Mitternacht) zeigte es sich, dasz der Blattstiel beinahe aufrecht stand und viel Mher aufgerichtet als

 

[page break] 320 Modiflcirte Circumnutation. Cap. 7.

er um 10.40 p. m. war. Als er wieder um 4 a. m. beobachtet wurde, hatte er angefangen sich zu senken und fuhr zu sinken fort bis 6.15 a. m., nach welcher Stunde er sich im Zickzack bewegte und wiederum circum­ nutirte. Almliche Beobachtungen wurden an einem andern Blattstiel ge- macht mit nahezu demselben Resultat. .

Bei zwei anderen Gelegenheiten wurde die Bewegung des Hauptblatt­ stiels alle zwei oder drei Minuten beobachtet, wiihrend die Pflanzen in einer verhiiltnismliszig hohen Temperatur gebalten wurden, nii.mlich bei der ersten Gelegenheit bei 25°-27° C.; und da beschrieb der Glasfaden in 69 Mi­ nuten 2½ Ellipsen. Zwei der zweiten Gelegenheit, wo die Temperatur 27 6-30° C. war, beschrieb er in 67 Minuten etwas mehr als drei Ellipsen. Es wurde daher Fig. 157, obschon sie schon jetzt hinreichend complicirt ist, doch noch unvergleichlich complicirter geworden sind, wenn die Punkte alle 2 oder 3 Minuten an das Glas gemacht worden wii.ren, anstatt alle Stunden oder alle halbe Stunden. Obgleich der Hauptblattstiel bestii.ndig und rapid kleine Ellipsen wii.hrend des Tages beschreibt, so ist doch eine beinahe absolut gerade Linie das Resultat, wenn, nachdem die grosze nii.chtliche Erhebung begonnen hat, Punkte alle 2 oder 3 Minuten ge­ macht und die Punkte dann verbunden warden, wie es eine Stunde lang zwischen 9.30 und 10.30 p. m. ('l'emperatur 29 C.) geschah.

Um zu seigen, dasz die Bewegung des Blattstiels aller Wahrscbein­ lichkeit nach eine Folge der wechselnden Turgescenz des Polsters und nicht Folge des Wachsthums ist (in Ubereinstimmung mit den Folgerungen von PFEFFER), wurde ein sehr altes Blatt, an welchem einige Blii.ttchen gelblich waren und welches kaum ilberhaupt einpfindlich war, zur Beob­ achtung ausgewii.hlt und die Pflanze wurde bei der in hohem Grade giln­ stigen Temperatur von 26.7 C. gehalten. Der Blattstiel sank von 8 a. m. bis 10.15 a. m., dann erhob er sich ein wenig in einer etwas zickzack­ formigen Linie, hiiufig stationiir bleibend, bis 5 p. m., wo die grosze abendliche Senkung begann, welche bis mindestens 10 p. m. fortgesetzt wurde. Um 7 a. m. am folgenden Morgen hatte er sich auf dieselbe Hohe erhoben wie am vorhergehenden Morgen und dann senkte er sich in einer Zickzacklinie. Aber von 10.30 a. m. bis 4.15 p. m. blieb er beinahe bewegungslos, da nun alles Bewegungsvermogen verloren war. Der Stiel dieses sehr alten Blattes, welches schon lange zu wachsen auf­ gehort haben musste, bewegte sich daher periodisch; aber anstatt mehrere Male wiihrend des Tages zu circumnutiren, ,bewegte er sich im Verlaufe von 24 Stunden nur ZW!limal abwiirts und zweimal aufwiirts, wobei die Linien der Hebung und Senkung nicht zusammenfielen.

Es ist bereits angegeben worden, dasz sich die Fiedern unabhii.ngig

vom Hauptblattstiel bewegen. Der Stiel eines Blattes wurde an eine Korkunterlage dicht an dem Punkte, wo die vier Fiedern divergiren, fest­ gemacht, dann ein kurzer feiner Glasfaden lii.ngsweise an eine der zwei terminalen Fiedern angekittet und ein in Grade getheilter Halbkreis dicht unter denselben gestellt. Beim senkrechten Hinabsehen konnten seine Winkel- und Seitenbewegungeri mit Genauigkeit gemessen werden. Zwi­ schen Mittag und 4.15 p. m. verii.nderte die Fieder ihre Stellung nach der einen Seite nur um 7 °; aber nicht fortdauernd in einer und derselben Richtung, da sie sich viermal nach der einen Seite und dreimal nach der

 

[page break] Cap. 7. Scblafbewegungeu der Blatter. 321

 

andern bewegte, und zwar in einem Falle in einer Ausdehnung von 16°. Es circumnutirte daher diese Fieder. Spater am Abend nahern sich die vier Fiedern einander, und die eine, welche beobachtet wurde, bewegte sich zwischen Mittag und 6.45 p. m. 59 nach innen. Im Verlaufe von '2 Stunden 20 Minuten, zwischen 4.25 und 6.45 p. m., wurden zehn Beobachtungen gemacht (im Mittel nach Intervallen von 14 Minuten); und jetzt, wo das Blatt am Einschlafen war, fand kein Schwingen voil einer Seite zur andern statt, sondern nur eine stetige Bewegung einwarts. Es findet sich daher hier am Abend die namliche Umwandlung einer circumnutirenden in eine stetige Bewegung in einer Richtung, wie es bei dem Hauptblattstiele der Fall ist.

Es ist auch angegeben worden, dasz jedes einzelne Blattchen circum­ nutirt. Eine Fieder wurde mit Schellack an die Spitze eines kleinen fest in den Boden eingetriebenen Stabes angekittet, unmittelbar unter einem

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Fig. 158. Mimo,a pudica: Clrcumnutation und nyctitropische Bewegung elnes Bliittchens (die Fiedor war fostgemacht), an einer senkrechtcn Glasplatto von 8 a. m., 14. Septbr., bis 9 a. m., am 16., aufgezeichnet.

Paare von Blattchen, und an die Mittelrippen beider waren auszerst feine Glasfaden befestigt. Diese Behandlung beschadigte die Blattchen nicht, denn sie schliefen in der gewohnlichen Weise ein uncl behielten lange ihre

DARWIN, Bewegungsvermogen. (XIII.) 21

 

[page break] 322 Iotlificirte Circumnutation. Cap. 7_

Empfindlichkeit. Die Bewegungen eines von ihnen wurde 49 Stunden lang aufgezeichnet, wie es in Fig. 158 zu sehen ist. Am ersten Ta.ge sank das Bliittchen bis 11.30 a. m. herab. und erhob sich dann bis spat am Abend in einer Zickzacklinie, damit Circumnuta.tion andeutend. A.m zweiten 'fage, wo es an den ihm neuen Zustand mehr gewohnt warr oscillirte es wahrend 24 Standen zweimal aufwarts und zweimal abwarts. Diese Pflanze warde einer verhaltnismiiszig niederen Temperatur ausgesetztr namlich 16.7°-17.8° C.; ware sie warmer gehalten worden, so wiirden ohne Zweifel die Bewegungen des Blattchens viel rapider und complicirter

. ewesen sein. Man kann in der Zeichnung sehen, dasz die aufsteigenden und absteigenden Linien nicht zasammenfallen; aber die bedeutende Grosze der seitlichen Bewegung am Abend ist das Resultat davon, dasz sich die Blattchen, wenn sie einschlafen, nach der Spitze des Blattes zu biegen. Gelegentlich wurde ein anderes Bliittchen beobachtet, und es ergab sichr dasz es wii.hrend einer gleich langen Zeit bestandig circumnutirte.

Die Circumnutation der Blatter wird dadarch nicht zerstort, dasz sie miiszig lange fortdauernder Dunkelheit ausgesetzt werden; es wird aber die gehorige Periodicitat ihrer Bewegungen verloren. Einige sehr junge Sam­ linge wurden wahrend zweier Tage im Dunkeln gehalten (Temperatur 13.8°-15° C.), ausgenommen wenn gelegentlich die Circumnutation ihrer Stamme beobachtet wurde; und am Abend des zweiten Tages schliefen die Bliittchen nicht vollstandig und ordentlich ein. Der Topf wurde dann drei Tage in einen dunkeln Schrank bei naheza der namlich1m Temperatur gestellt, und nach Ablauf dieser Zeit botrn die Blattchen kein Zeichen von Schlaf dar und waren nur unbedeutend gegen Beriihrung empfindlich. Am folgenden Tage wurde der Stamm an einen Stab angekittet und die Bewegungen zweier Blatter wurden 72 Standen lang an einer senkrechten Glasplatte aufgezeichnet. Die Pflanzen wurden noch immer im D1mklen gehalten, ausgenommen, dasz sie bei jeder Beobachtung, welche 3 oder

4 Minuten dauerte, mit zwei Lichtern beleuchtet wurden. Am dritten Tage boten die• Blattchen noch immer eine Spur von Empfindlichkeit dar. wenn sie stark gedriickt wurden, aber am Abend war kein Anzeichen von Schlaf an ihnen zu sehen. Trotzdem fuhren die BlattstielA fort deut­ lich zu circumnutiren, obgleich die richtige Ordnung ihrer Bewegungen in Bezug auf Tag und Nacht vollstiindig verloren war. So sank ein Blatt wahrend der ersten zwei Nachte (d. h. zwischen 10 p. m. und 7 a. m. am nachsten Morgen) herab, anstatt aufwlirts zu steigen und in der dritten Nacht bewegte es sich hauptsachlich in einer seitlichen Richtung. Das zweite Blatt benahm sich in einer gleich abnormen Weise, es bewegte. sich wahrend der ersten Nacht seitlich, sank wahrend der zweiten bedeu­ tend und erhob sich wahrend der dritten Nacht bis zu einer ungewohn­ lichen Rohe.

Bei Pflanzen, welche unter einer hohen Tempera.tar gehalten und dem Lichte ausgesetzt worden waren, betrug die rapideste Circumnutations-. bewegung der Spitze -eines Blattes, welche beobachtet wurde, in einer Se­ cunde 11",\0 Zoll; dies wiirde gleich 1/8 Zoll in einer Minute gewesen sein,

wenn nicht das Blatt gelegentlich still gestanden hiitte. Die factische

von der Spitze durchmessene Entfernung (wie durch eine dicht am Blatte ausgefiihrte Messung ermittelt wurde) war bei einer Gelegenheit nahezu

 

[page break] Cap. 7. Scblafbewegungen der Blatter. 323

¾ Zoll in senkrechter Richtung in 15 Minuten, und bei einer anderen Gelegenheit in 60 Minuten 5/8 Zoll; es bestand aber gleichfalls etwas seitliche Bewegung.

Mimosa al bid at9, - Die Blatter dieser Pflanze, von denen eines auf zwei Drittel der natiirlichen Grosze verkleinert bier abgebildet ist (Fig. 159), bieten einige interessante Eigenthiimlichkeiten dar. Ein Blatt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l'ig. 159. Mimosa albida: Blatt senkrecht von oben gosehen.

 

besteht aus einem langen Stiele, welcher nur zwei Fiedern tragt (hier etwas weiter divergirend dargestellt, als gewohnlich der Fall ist), eine jede mit zwei Paaren von Blattchen. Aber die inneren basalen Blattchen sind an Grosze bedeutend reducirt, wahrscheinlich in Folge des Mangels an Platz fiir ihre volle Entwickelung, so dasz sie als beinahe rudimentar betrachtet werden konnen. Sie variiren etwas in der Grosze und ge­ Jegentlich verschwinden beide oder nur eines. Nichtsdestoweniger sind sie der Function nach nicht im mindesten rudimentar, denn sie sind sensitiv, auszerst heliotropisch, circumnutiren nahezu mit derselben Geschwindigkeit wie die vollstandig entwickelten Blattchen und nehmen beim Schlafen genau die namliche Stellung an. Bei M. pudica sind die inneren BlS.tt­ chen an der Basis und zwischen den Fiedern gleichfalls bedeutend ver­ kiirzt und schief abgestutzt; diese Thatsache war an einigen Samlingen von M. pudica sehr gut zu sehen, bM denen das dritte Blatt oberhalb der Cotyledonen nur zwei Fiedern trug, jedo mit nur 3 oder 4 Paaren von Blattchen, von denen das innere basale weniger als. halb so lang als sein Gegenstiick war, so dasz das ganze Blatt dem der M. albida ziemlich genau ahnlich war. Bei dieser letzteren Species endete der Hauptblatt-• stiel in eine kleine Spitze und an jeder Seite derselben findet sich ein Paar minutioser, abgeplatteter, lanzettformiger, an ihren Randern haariger Vorspriinge, welche bald nachdem das Blatt vollstandig entwickelt ist, abfaUen und verschwinden. Es laszt sich kaum daran zweifeln, dasz diese kleinen Vorspriinge die Jetzten und fliichtigen Reprasentanten eines weiteren Paares von Blattchen an jeder Fieder Bind; denn der auszere ist zweimal

 

19 Mr. Tbiselton Dyer tbeilt uns mit, dasz diese peruaniscbe Pflanze (welcbe uns von Kew geschickt worden war) von Mr. Bentham <Transact. Linn. Soc. Vol. XXX. p. 390) fiir .die Species oder Varietat angeseben wird, "welche am hiiufigsten die M. sensitiva unserer Garten darstellt."

21*

 

[page break] 324 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

so breit wie der innere und ein wenig Hinger, namlich •rh• Zoll, wahrend der innere nur hr! Zoll lang ist. Wenn nun das basale Paar Blii.ttchen der existirenden Blatter rudimentii.r werden sollte, so konnten wir erwarten, dasz die Rudimente noch immer eine Spur ihrer gegenwartigen bedeutenden Ungleichheit in der Grosze darbieten werden. Die Schluszfolgerung, dasz die Fiedern der Elternform von M. albida wenigstens drei Paar von Bliittchen, anstatt wie gegenwartig nur zwei, besessen hat, wird durch die Structur des ersten echten Blattes unterstiitzt; denn diP.s besteht aus eillflm einfachen Stiele, welcher hiiufig drei Paar von Blii.ttchen trii.gt. Diese letztere Thatsache, ebenso wie die Gegenwart der Rudimente, fiihrt zusammen zu dem Schlusse, dasz M. albida von einer Form abstammt, deren Blatter mehr als zwei Paar von Blii.ttchen getragen haben. Das zweite Blatt oberhalb der Cotyledonen ist in allen Beziehungen den Blii.ttern an vollstii.ndig entwickelten Pfl.anzen ahnlich.

Wenn die Blatter einschlafen, dreht sich jedes Blattchen halb herum, so dasz es seinen Rand dem Zenith darbietet, und kommt mit seinem

Gegenstiick in dichte Beriihrung. Auch die Fiedern mi.hem sich einander dicht, so dasz die vier terminalen Blii.ttchen zusammen kommen. Die groszen basalen Blattchen (mit den kleinen rudimentiiren mit ihnen in Be­ riihrung) bewegen sich nach innen und vorn, so dasz sie die Auszenseite der vereinigten terminalen Blii.ttchen umfassen, und in dieser Weise bilden siimmtliche acht Blii.ttchen (mit Einschlusz der rudimentii.ren) zusammen ein einziges senkrecht stehendes Piickchen. Zu derselhen Zeit, in der sich die zwei Fiedern einander nahern, senken sie sich abwii.rts und anstatt

sich horizontal in derselben Linie mit dem Hauptblattstiel zu erstrecken, wie wiihrend des Tages, hiingen sie in dP.r Nacht ungefii.hr 45 oder

selbst in einem noch groszeren Winkel, unter den Horizont. Die Bewegung des Hauptblattstiels scheint variabel zu sein; wir haben ihn am Abend

27 niedriger gesehen als wiihrend des Tages, zuweilen aber auch in nahezu der nii.mlichen Stellung. Trotzdem ist wahrscheinlich eine sinkende Bewegung am Abend und eine hebende wii.hrend der Nacht der normale Gang, denn dies war bei dem Stiele des erst gebildeten echten Blattes gut ausgesprochen.

Die Circumnutation des Hauptbiattstiels eines jungen Blattes wurde wii.hrend 2¾ Tagen verfolgt; sie war der Ausdehnung nach betrachtlich, aber weniger complicirt als bei M. pudica. Die Bewegung war vie! mehr seitlich als es bei circumnutirenden Blii.ttern gewohnlich der Fall ist, und

•dies war die einzige Eigenthilmlichkeit, welche sie darbot. Unter dem Microscope sahen wir, dasz die Spitze eines der terminalen Blii.ttchen

-h Zoll in 3 Minuten zuriicklegte.

Mimosa marginata. - Die einander gegenstii.ndigen Blii.ttchen

erheben sich und nahern sich einander des Nachts, kommen aber nicht in dichte Beriihrung, ausgenommen bei sehr jungen Blii.ttchen an kraftigen

Sprossen. Vollig erwachsene Blii.ttchen circumnutiren wii.hrend des Tages langsam und in geringem Masze.

Schrankia uncinata (XX. Trib.). - Ein Blatt besteht aus zwei oder drei Paar von Fiedern, von denen jede viele kleine Blii.ttchen trii.gt. Wenn die Pfl.anze schlii.ft, sind diese nach vorn gerichtet und werden dachzieglig. Der Winkel zwischen den zwei terminalen Fiedern wurde des

 

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Cap. 7. Scblafbewegungen der Blatter. 325

Nachts in einem Falle um 15° vermindert, und sie senkten sich beinahe senkrecht abwarts. Die hinteren I!'iederpaare sinken gleichfalls nach unten, aber sie convergiren nicbt, d. h. sie bewegen sich nicht nach der Spitze des Blattes zu. Der Hauptblattstiel wird nicht niedergedriickt, wenigsteus

am Abend. In dieser letztern Beziehung, ebenso wie in Bezug auf das Sinken der Fiedern besteht eine ausgesprochene Verschiedenheit zwiscben den nyctitropiscben Bewegungen der vorliegenden P:flanze und der Mimosa pudica. Es muss indessen hinzugefiigt werden, dasz unser Exemplar sich in keinem sehr kraftigen Zustande befand. Die Fiedern von Schrankia ac1'leata sinken gleichfalls des Nachts.

Acacia Farnesiana (XXII. Trib.). - Die Verschiedenheit in der iiuszeren Erscheinung, welcbe ein Strauch dieser Pflanze im Zustande des Scblafens und Wachens darbietet, ist wunderbar. Ein und dasselbe Blatt

 

 

 

 

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Fig. 160. .icacia Parneaiana: A Blatt w hrend des Tages; B dasselbe Blatt des Nachts.

 

in den beiden Zustanden iet in der beistehenden Figur dargestellt (Fig. 160). Die Blattchen bewegen• sich nach der Spitze der Fieder zu und werden dachzieglig, und die Fiedern sehen dann aus wie Stiickchen hiingender Faden. Die folgenden Bemerkungen und Messungen beziehen sich nicht vollstii.ndig auf das kleine hier abgebildete Blatt. Die Fiedern bewegen sich nach vorn und sinken gleichzeitig abwarts, wahrend sich der Haupt­ blaUstiel betrachtlich erhebt. Was den Grad der Bewegung betrifft, so bildeten die zwei terminalen Fiedern eines Exemplars wahrend des 'fages mit einander einen Winkel von 100 und des Nachts nur einen von 38 es hatte sich also jede 31 vorwarts bewegt. Die vorletzten Fiedern bildeten wii.hrend des Tages mit einander einen Winkel von 180 d. h. sie standen in einer geraden Linie einander gegeniiber, und des Nachts hatte sich eine jede 65 vorwarts bewegt. Das basale Paar der Fiedern war wahrend des Tages eine jede ungefahr 21 nach riickwarts gerichtet und des Nachts 38 nach vorwarts; es hatte sich also jede 59 vor-

 

[page break] 326 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

warts bewegt. Aber zu derselben Zeit sinken auch die Fiedern bedeutend und hangen zuweilen fast senkrecht herab. Auf der andern Seite erhebt sich der Hauptblattstiel bedeutend: um 8.30 p. m. stand er 84 hoher als um Mittag, und um 6.40 a. m. am folgenden Morgen war er um noch 10 hoher; kurz nach dieser Stunde fieng die tiigliche Senkungs­ bewegung an. Der Gang eines nahezu voll erwachsenen Blattes wurde wiihrend 14 Stunden verfolgt; er war stark zickzackfi}rmig und stellte augenscheinlich fiinf Ellipsen dar, deren liingere Axen nach verschiedenen Richtungen hin gerichtet waren.

Albizzia lophantha (XXIII. Trib.). - Die Blii.ttchen kommen des Nachts mit einander in Beriihrung und sind nach der Spitze der

Fieder bin gerichtet. Die Fiedern niihern sich einander, bleiben aber wii.hrend des Tages in einer und derselben Ebene; und in dieser Beziehung weichen sie bedeutend von denen der oben angefiihrten Schrankia und Acacia ab. Der Hauptblattstiel erhebt sich nur wenig. Das erstgebildete Blatt oberhalb der Cotyledonen trug auf je<ln Seite 11 Blii.ttchen, und diese schliefen gleich denen an den spii.ter gebildeten Blii.ttern; aber der Stiel dieses ersten Blattes kriimmte sich wiihrend des Tages nach unten und streckte sich des Nachts wieder gerade, so dasz die Sehne seines Bogens dann um 16 hiiher stand als in der Zeit des Tages.

Jtfelaleuca ericaefolia (Myrtaceae). - Nach der Angabe von

BoucHE (Botan. Zeit. 1874, p. 359) schlafen die Blatter des Nachts in nahezu derselben Art und Weise wie die gewisser Species von Pimelia.

Oenothera mollissima (Onagrarieae). - Nach LINNE (Somnus plantarnm) erheben sich die Blatter in der Nacht senkrecht.

Passiflora gracilis (Passifloraceae). - Die jungen Blatter schlafen so, dasz ihre Scheiben senkrecht nach abwiirts hiingen; und dann wird der Blattstiel seiner ganzen Lange nach etwas abwiirts gekriimmt. Auszerlich ist nicht die Spur eines Polsters zu sehen. Der Stiel des obersten Blattes an einem jungen Sprosz stand um 10.45 a. m. 33° iiber dem Horizont, und um 10.30 p. m., wo die Blattscheibe senkrecht nach unten hieng, nur 15 so dasz der Blattstiel sich um 18 gesenkt hatte. Der des nii.chst iilteren Blattes senkte sich nur 8 Aus irgend einer unbekannten Ursache schlafen die Blatter nicht immer ordentlich. Der Stamm einer Pflanze, welche einige Zeit lang vor einem nach Nordost gelegenen Fenster gestanden hatte, wurde bei der Basis eines jungen Blattes, dessen Scheibe 40 unter den Horizont geneigt war, an einen Stab fest gemacht. Seiner Stellung wegen muszte das Blatt schriig be­ trachtet werden; in Folge dessen erschienen die sAnkrecht auf- und ab­ steigenden Bewegungen bei der Aufzeichnung schrag. Am ersten Tage (12. Oct.) senkte sich das Blatt in einer zickzackfiirmigen Linie bis spat am Abend, und um 8.15 a. m. am 13. hatte es sich bis nahezu auf dieselbe Hohe wie am vorhergehenden Morgen erhoben. Nun wurde eine neue Zeichnung begonnen (Fig. 161). Das Blatt fuhr bis 8.50 a. m. sich zu erheben fort, dann bewegte es sich ein wenig nach rechts und spitter sank es. Zwischen 11 a. m. und 5 p. m. circmtmutirte es und nach der letztgenannten Stunde fieng die grosze nachtliche Senkung an. Um 7.15 p. m. hieng es senkrecbt herab. Die punktirte Linie in der Figur hatte viel weiter nach unten verlangert werden sollen. Um 6.50 a. m.

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am folgenden Morgen (14.) hatte sich das Blatt bedeutend erhoben und fuhr bis 7.50 a. m. sich zu erheben fort, nach welcher Zeit es wiederum fie!. Es ist zu beachten, dasz die an diesem zweiten Morgen gezogenen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Fig. 161. Pass(fl,ora gracilis: Circumnutation und nyctitropische Bewegung eiues Illattes, au einer senkrechtcn Glasplatte von 8.20 a. m., am 13, Oct., bis 10 a. m., am 14., aufgezeichnet. Figur auf zwei Drittel der OriginalgrOsze redncirt.

 

Linien mit den vorher gezogenen zusammengefallen waren und dieselben undeutlich gemacht haben wiirden, wenn der Topf nicht sehr wenig nach links verschoben worden ware. Am Abend (14.) wurde ein Zeichen hinter den an die Spitze des Blattes befestigten Glasfaden gestellt untl seine Bewegung wurde von 5 p. m. bis 10.15 p. m. sorgfaltig b1Jobachtet. Zwischen 5 und 7.15 p. m. senkte sich das Blatt in einer geraden Linie und um die letzte Stunde erschien es senkrecht herabhangend. Aber zwischen 7.15 und 10.15 p. m. bestand die Linie aus einer Reihe von Stufen, deren Ursache wir nicht einsehen konnten; es war indessen offenbar, dasz die Bewegung nicht !anger mehr eine einfach sinkende war.

Siegesbeckia orientalis (Compositae). - Einige Samlinge wurden in der Mitte des Winters gezogen und im Warmhause gohalten; sie bliihten, aber wuchsen nicht gut und ihre Blatter boten niemals ein Zeichen von Schlaf dar. Die Blatter an anderen im Mai gezogenen Samlingen waren am Mittag (22. Juni) horizontal und hiengen um 10 p. m. in einem betrachtlichen Winkel unter dem Horizonte. Bei vier ziemlich jungen Blattern, welcbe eine Lange von 2 bis 2½ Zoll hatten, ergaben sich diese Winkel zu 50 56 60 und 65 Ende August, wo die Pflanzen bis zur Rohe von 10 bis 11 Zoll herangewachsen waren, wurden die jiingeren Blatter des Nachts so bedeutend abwarts gekriimmt, dasz man sie ganz richtig als schlafend bezeichnen konnte. Dies ist eine von den Species, welche wahrend des Tages gut beleuchtet gewesen sein miissen, um zu schlafen; donn bei zwei Gelegenheiten, wo Pflanzen den ganzen Tag Jang in einem Zimmer mit nach Nordost gerichteten Fenstern ge­ halten worden waren, schliefen die Blatter des Nachts nicht. Die niim-

 

[page break] 328 Modificirte Circumnut.ation. Cap. 7. (

liche Ursache erklart es wahrscheinlich auch, warum unsere in der Hohe des Winters gezogene Samlinge nicbt scbliefen. Professor PFEFFER theilt uns mit, dasz die Blatter einer anderen Species (S. Jorullensis?) des Nachts senkrecht herabbangen.

Ipomoea coerulea und purpurea (Convol1Ulaceae). - Die Blatter an sehr jungen Pflanzen von einem oder zwei Fusz Hobe werden des Nachts in einem Winkel von zwischen 68 und 80 unter den Hori­ zont niedergedriickt, und einige hangen vollkommen senkrecht herab. Am folgenden Morgen erheben sie sich wiederum in eine horizontale Stelluug. Die Blattstiele werden des Nachts abwarts gekriimmt, und zwar entweder in ihrer ganzen Lange oder allein im oberen Theil; und dies verursacht allem Anschein nach die Depression der Blattscheibe. Damit die Blatter schlafen, scheint es nothwendig zu sein, dasz sie wahrend des Tages gut beleuchtet waren; denn diejenigen, welche am hinteren 'Theile einer vor einem Nordost-Fenster stehenden Pflanze standen, schliefen nicht.

N•icotiana tabacum (var. virginischer Tabak) und glauca (Solaneae). - Die jungen Blatter dieser beiden Species schlafen so, dasz sie sich senkrecht aufwarts biegen. Abbildungen zweier Sprosze von

N. glauca im wachen und schlafenden Zustande werden bier mitgetheilt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 162. Nicotiana 9lauca: Sprossen mit am Tage ausgebreiteten Bliittern, und des Nachts schlafend.

Die Figuren nach Photographien copirt und hler verkleinort.

 

(Fig. 162); einer der Sprossen, von welchem die Photogra.phien genom­ men wurden, war zufallig nach einer Seite gebogen.

An der Basis des Blattstiels von N. tabacum findet sich an der Anszenseite eine Masse von Zellen, welche etwas kleiner sind als anderswo

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 329

uncl ihre liingeren Axen anders gerichtet haben als die Parenchymzellen, we]che daher als eine Art von Polster bildend angesehen werden konnen.

Eine junge Pflanze von N. tabaciim

wurde ausgewiihlt, und die Circum­

 

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nutation des fiinften Blattes oberhalb

 

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der Cotyledorren wurde wiihrend dreier

 

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Tage beobachtet. Am ersten Morgen (10. Juli) sank das Blatt von 9 bis 10 a. m., was seine normale Bewegung ist, aber wiihrend des Restes des '!'ages erhob es sich; und dies war olrno Zweifel Folge davon, dasz es aus- schlieszlich von oben beleuchtet wurde; denn eigentlich beginnt die abendliche Erhebung nicht frii.her als um 3 oder

4 p. m. In der bier mitgetheilten

Zeichnung (Fig. 163) wurde der erste Punkt um 3 p. m. gemacht; die Zeich­ nung wurde wiihrend der folgenden

65 Stunden fortgesetzt. Als das Blatt auf den Punkt wies, der zuniichst iiber dem mit 3 p. m. bezeichneten steht, stand es horizontal. Die Zeich­ nung ist nur wegen ihrer Einfachheit uncl wegen der Geradheit ihrer Linien merkwiirclig. Das .Blatt beschrieb an jedem 'rage eine einzige grosze Ellipse; clenn es musz bemerkt werden, dasz die aufsteigenden und absteigenden Linien nicht zusammenfallen. Am Abend des 11. sank das Blatt nicht vollig so tief hinab wie gewohnlich

 

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und nun bewegte es sich ein wenig im Zickzack. Die tiigliche Senkungs­ bewegung hatte an jedem Morgen bereits um 7 a. m. begonnen. Die punktirten Linien am oberen Ende der Figur, welche die niichtliche senk­

 

1'"'ig. 163. Nicotiana tabacum: Circumnutation und nyctitropiscbe Bewegung eines Blattes (von 53(8 Zoll Lange) an einer senkrechten Glasplatte von 3 p. m., 10. Juli, bis 8.10 a. m., am 13., aufgezeichnet. Spitze des Blattes 4 ZoU vom Glase. Temperatur 17½-18½00. Figur hier auf die Halfte des Maszstabs des Originals rtiducirt.

 

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rechte Stellung des Blattes darstellen, sollten noch viel hoher hinauf ver- liingert werden. •

Mirabilii; longiflora und jalapa (Nyctagineae). - Das erste Paar von Bliittern oberhalb cler Cotyledonen, welches Siimlinge dieser beiden Species hervorgebracht batten, divergirte wiihrend des '!'ages be­ triichtlich und stand des Nachts senkrecht empor in dichter Beriihrung eines Blattes mit dem andern. Die zwei oberen Blatter an oinem. alteren Siimling war bei 'l'age beinahe horizontal und standen des Nachts senk­ recht aufwiirts, waren aber nicht in dichter Beruhrung in Folge des von der centralen Knospe dargebotenen Widerstandes.

 

[page break] 330 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

Polygonum aviculare (Polygoneae). - Professor BATALIN theilt uns mit, dasz sich die jungen Blatter des Nachts senkrecht erheben. Nach der A.ngabe LINNE's ist dies gleicherweise bei mehreren Species von Ama­ ranthus (A.maranthaceae) der Fall, und wir selbst beobachteten eine Schlaf­ bewegung dieser A.rt bei einem Mitgliede dieser Gattung. Ferner waren bei Ohenopodium album (Chenopodieae) die oberen jungen Blatter einiger Sii.mlinge von ungefii.hr 4 Zoll Hohe w hrend des Tages horizontal oder subhorizontal und standen um 10 p. m. am 7. Marz vollstandig oder bei­ nahe vollig senkrecht. Andere wahrend des Winters (28. Jan.) im Ge­ wachshause gezogene Samlinge wurden Tag und Nacht beobachtet; es konnte aber kein Unterschied in der Stellung ihrer Blatter wahrgenommen werden. Nach der Angabe von BoucHE (Botan. Zeitung, 1874, p. 359) schlafen die Blatter von Pimelia linoides und spectabilis (Thymeleae) des Nachts.

Euphorbia jac uiniaeflora (Euphorbiaceae). - Mr. LYNCH lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die Thatsache, dasz die jungen Blatter dieser Pflanze so schlafen, dasz sie senkrecht herabhangen. Das dritte Blatt vom Gipfel aus war (11. Marz) wii.hrend des Tages 30° unter den Horizont geneigt und hieng des Nachts senkrecht herab, wie es auch einige der noch jiingeren Blatter thaten. Es erhob sich am folgenden Morgen auf seine friihere Hi:ihe. Die vierten und fiinften Blatter vom Gipfel aus standen wahrend des rages horizontal und sanken des Nachts um 38 Das sechste Blatt anderte seine Stellung nicht merklich. Die Senkungsbewegung ist Folge der A.bwii.rtskriimmung des Blattstiels, an welchem kein Theil irgend eine einem Polster gleichende Structur dar­ bietet. Zeitig am Morgen des 7. J uni wurde ein GJasfaden lii.ngsweise an ein junges Blatt befestigt (das dritte vom Gipfel aus und von 25/s Zoll Lange) und seine Bewegungen wurden 72 •Stunden lang an einer senk­ rechten Glasplatte verzeichnet, wahrend die Pflanze durch ein Oberlicht von oben beleuchtet wurde. An jedem Tage senkte sich das Blatt in einer nahezu geraden Linie von 7 a. m. bis 5 p. m., nach welcher Stunde es so bedeutend abwii.rts geneigt war, dasz die Bewegung nicht langer mehr aufgezeichnet werden konnte; und wahrend des letzten Theils einer jeden Nacht oder zeitig am Morgen erhob sich das Blatt. Es circum­ nutirte daher in einer sehr einfachen Weise und beschrieb alle 24 Stunden eine einzige grosze Ellipse, denn die aufsteigenden und absteigenden Linien fielen nicht zusammen. An jedem folgenden Morgen stand es in einer geringeren Hohe als an dom vorausgehenden, und dies war wahrscheinlich Folge theils des zunehmenden Alters des Blattes, theils des Umstandes, dasz die Befeuchtung ungeniigend war; denn obgleich die Blatter in sehr

unbedeutendem Grade heliotropisch sind, so wird doch nach der A.ngabe

Mr. LYNCH's und nach unseren eigenen Beobachtungen ihre Neigung wah­

rend des Tages durch die Intensitat des Lichtes bestimmt. Am dritten

'rage, in welcher Zeit die Grosze der sinkenden Bewegung bedeutend ab­ genommen hatte, war die aufgezeichnete Linie deutlich viel mehr im Zick­ zack als an irgend einem friiheren Tage, und es schien, als ob ein Theil seines Bewegungsvermogens in dieser Weise verwandt worden ware. Urn

10 p. m., am 7. Juni, als das Blatt senkrecht herabhieng, wurden seine Bewegungen so beobachtet, dasz ein Zeichen hinter dasselbe gestellt wurde;

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatter. 331

man sah nun, dasz das Ende des angehefteten Glasfadens langsam und un­ bedeutend von einer Seite zur andern, ebensowie aufwarts und abwarts oscillirte. Phyllanthus Niruri (Euphorbiaceae). - Die Blattchen dieser Pflanze schlafen, wie es von PFEFFER beschrieben worden ist 26, in einer merkwiirdigen Weise, dem Anscheine nach gleich denen von Cassia, denn sie sinken des Nachts herab und drehen sich herum, so dasz ihre unteren Flachen nach auszen gewernlet werden. Sie sind, wie nach dieser com­ plicirten Art von Bewegung schon hiitte erwartet werden konnen, mit

einem Polster versehen.

Gymnospermen,

Pin us Nordmanniana (Coniferae). - Mr. CRATIN gibt an 21, dasz die Blatter, welche wahrend des Tags horizontal sind, sich des Nachts so erheben, dasz sie oine beinahe senkrechte Stellung zu dem Zweige, von dem sie entspringen, annehmen; wir vermuthen, dasz er sich auf einen horizontalen Zweig dabei bezieht. Er fiigt hinzu: "En meme temps, ce mouvement d'erection est accompagne d'un mouvement de torsion imprime

a la partie basilaire de la feuille et pouvant souvent parcourir un arc

de 90 degres." Da die unteren Flachen der Blatter weisz sind, wiihrend die oberen dunkelgriin sind, bietet der Baum bei 'fag und Nacht eine sehr verschiedene Erscheinung dar. Die Blatter an einem kleinen Baume in einem Topfe boten bei uns keinerlei nyctitropische Bewegungen dar. Wir haben in einem friiheren Capitel gesehen, dasz die Blatter von Pinus pinaster und austriaca bestiindig circumnutiren.

Monocotyledonen.

Thalia dealbata (Cannaceae). - Die Blatter dieser Pllanze schlafen dadurch, dasz sie sich senkrecht aufwarts wenden; sie sind mit einem gut entwickelten Polster versehen. Es ist der einzige uns bekannte Fall, wo ein sehr groszes Blatt schliift. Die Sch ibe eines jungen Blattes, welches bis jetzt nur 13¼ Zoll lang und 6½ Zoll breit war, bildete am Mittag mit seinem langen Stiele einen Winkel von 121 und des Nachts stand es senkrecht in einer Linie mit ihm und war daher 59 gestiegen. Die factische Entfernung, welche die Spitze eines anderen groszen Blattes durchmessen hatte (<lurch eine orthogonische Zeichnung gemessen) und zwar zwischen 7.30 a. m. und 10 Uhr p. m., betrug 10½ Zoll. Die Circumnutation zweier junger nnd zwergartiger Blatter, welche zwischen den liingeren Blattern an der Basis der Pflanze eutsprangen, wurde wah­ rend zweier Tage an einer senkrechten Glasscheibe aufgezeichnet. Am ersten Tage beschrieb die Spitze des einen und am zweiten Tage die Spitz( des anderen Blattes zwischen 6.40 a. m. und 4 Uhr p. m. zwei Ellipsen. Die langeren Achsen derselben waren nach sehr verschiedenen Richtungen von den Linien, welche die grosze nachtliche Senkung und die nachtliche Erhebung darstellten, weggerichtet.

Maranta arundinacea (Cannaceae). - Die Scheibender Blatter, welche mit einem Polster versehen sind, stehen wahrend des Tags hori-

 

20 Die period. Bewegungen, p. 159.

21 Comptes rendus, Jan. 1876, p. 171.

 

[page break] 332 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

zontal oder zwischen 10° und 20° iiber dem Horizont und des Nachts senkrecht aufwarts. Sie erhebeu sich daher zwischen 70 und 90 des Nachts. Die Pflanze wurde am Mittag im Warmhause ins Dunkle gestellt, und am folgenden Tage wurden die Bewegungen der Blatter aufgezeichnet. Zwischen 8.40 und 10.30 a. m. erhoben sie sich und sanken dann be­ de u tend bis 1.37 p. m. Aber um 3 Uhr p. m. batten sie sich wieder ein wenig erhoben und fuhren wahrend des Restes des Nachmittags und der Nacht sich zu erheben fort; am folgenden Morgen standen sie in der­ selben Hohe wie am vorhergehenden Tage. Es stort daher Dunkelheit wahrend anderthalben Tages die Periodicitat ihrer Bewegungen nicht. An einem warmen, aber stiirmil'lchen Abend!! wurden die Blatter an einer Pflanze, wahrend sie in das Haus gebracht wurde, heftig erschitttert, und des Nachts schlief nicht ein einziges ein. Am nachsten Morgen wurde die Pflanze in das Warmhaus zuriickgebracht, und des Nachts schliefen wiederum die Blatter nicht; aber in der folgenden Nacht erhoben sie sich in der gewohnlichen Weise zwischen 70 ° und 80 °. Diese Thatsache ist mit der analog, die wir bei kletternden Pflanzen beobachtet haben, namlich dasz hef­ tige Bewegung eine lange Zeit ihr Circumnutationsvermogen hemmt; die Wirk­ ung war aber in diesem .l!'alle vie! starker ausgesprochen und dauerte !anger.

Colocasia antiquorum (Caladium esculentum HoBT.) (Aroideae).

Die Blatter dieser Pflanze schlafen so , dasz ihre Scheiben am Abend sinken, so dasz sie sehr stark geneigt sind oder selbst vollkommen senk­ recht stehen, wobei ihre Spitzen nach dem Boden hinweisen. Sie sind nicht mit einem Polster versehen. Die Scheibe eines stand um Mittag 1° unter dem Horizont, um 4.20 p. m. 20°, um 6 p. m. 43°, um 7.20 p. m. 69 ° und um 8.30 p. m. 68 °, es hatte daher jetzt schon begonnen sich zu erheben, um 10.15 p. m. stand es 65° und am folgenden friihen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 164, St,•rphium j/oribundum: Halma .mit Bliittern wahrend des Tags und des Nachte schlafend.

Flgurcn verkleinert.

:Morgen 11 ° unter dem Horizont. Die Circumnutation eines andern jungen Blattes (dessen Stiel nur 31/4 Zoll und dessen Scheibe 4 Zoll lang war) wurde 48 Stunden lang an einer senkrechten Glasscheibe aufgezeiclmet; llS wurde triib durcb ein Oberlicht beleuchtet, und dies schien die gehorige Periodicitat seiner Bewegungen zu stiiren. Trotzdem senkte sich das Blatt

 

[page break] Cap. 7. Schlafbewegungen der Blatt r. 333

bedeutend wahrend beider Nachmittage, entweder bis 7.10 p. m•. oder

9 p. m., wo es sich ein wenig erhob und seitwarts bewegte. Zu einer friihen Stunde an beiden Morgen hattc es seine Tagesstellung angenommen. Die scharf ausgcsprochene seitliche •Bewegung eine kurze Zeit lang in dam ersten Theile der Nacht war die eiu-

 

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zige interessante Thatsache, welche os darbot, da dies die Ursache war, dasz die aufsteigonden und absteigen­ den Linien nicht zusammenfielen in t!bereinstimmung mit der allgemeinen Regel bei circumnutirenden Organen. Die Bewegungen der Blatter dieser Pfianze sind daher von der einfachsten Art, und es ist nicht der Milhe werth

 

 

 

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die Zeichnung mitzutheilen. Wir haben gesehen, dasz bei einer anderen Gat­ tung der Aroideen, nii.mlich Pistia, die Blatter des Nachts sich so bedeutend erheben, dasz man beinahe sagen kann, sie schlafen.

Strephiiim floribitndttm 22

(Gramineae). - Dio ovalen Blatter sind mit einem Polster verseh"n u"nd breiten sich dos Tags horizontal aus oder sind ein wenig unter den Hori­ zont geneigt. Diejenigen an den auf­ reohten Halmen erheben sich "infar,h des Nachts senkrecht, so dasz ihre Spitzen nach dem Zenith hingerichtet sind (Fig. 164). Horizontal ausgebrei­ tete Blatter, welche von stark geneig­ ten oder beinahe horizontalen Halmen entspringen, bewegen sich des Nachts so, dasz ihre Spitzen nach der Spitze des Haims hinweisen, wii.hrend ein Seitenrand nach dem Zenith hingerich­ tet ist, und, um diese Stellung an­ zunehmen, mtlssen sich die Blatter um

ihre eigenen Axen durch einen Winkel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

}'lg. 165.

 

 

 

 

Btrephium jloribundum: Circumnu

 

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von nahezu l}O O drehen. Es steht auf diese Weise die Oberfiii.che der Scheibe immer senkrecht, welches auch die Stellung der Mittelrippe oder des Blat­ tes als Ganzes sein mag.

 

tatloo und nyctltroplsche Beweguug eine Blattes, von 9 a. m., 26. Junl, bis 8.45 a. m., 27., aufgezelchnet; Glnafaden dor Mittolrlppe

entlang befestlgt. Spltze des Blattes 81/4 Zoll von der senkrechten Gla9Scbelbo entfernt. PB.anze von oben beleuchtet. Temperatur

231,'0-241/.,0

 

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Die Circumnutation eines jungeri Blattes (von 2.3 Zoll Lange) wurde wahrend 48 Stunden aufgezefohnet (Fig. 165). Die Bewegung war merk-

 

21 A. Brong n i art beobachtete zuerst, dasz die Blatter dieser Pflanze und

von Marsilea schlafen; s. Bull. Soc. Botan. de France, T. 7, 1860, p. 470.

 

[page break] 334 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

 

wiirdig einfach; das Blatt senkte sich von vor 6.40 a. m. bis 2 oder

2.50 p. m. und erhob sich dann so, dasz es ungefiihr um 6 p. m. senk­ recht stand; spat in der Nacht oder am sehr zeitigen Morgen senkte es sich wiederum. Am zweiten Tage war die absteigende Linie unbedeutend zickzackf/irmig. Wie gewllhnlicl1 fielen die aufsteigenden und absteigenden Linien nicht zusammen. Bei einer andern Gelegenheit, wo uie Temperatur ein wenig Mher war, nii.mlich 24°-26tf:,° C., wurde ein Blatt zwischen

8.50 a. m. und 12.16 p. m. 17 mal beobachtet; es verii.nderte seinen

Weg in der genannten Zeit von 3 Stunden 26 Minuten sechsmal be­ deutend bis zu einem rechten Winkel und bescbrieb 2½ unregelmii.szige Dreiecke. Das Blatt circumnutirte dahiir bei dieser Gelegenheit rapid und in einer complicirten A.rt.

A.cotyledonen.

Jfo rs ilea quad r if o li at a (Marsileaceae). - Die Form eines wiihrend des Tages horizontal ausgebreiteten Blattes ist bei A. (Fig. 166) dargestellt. Jedes Bliittchen ist mit einem gut entwickelten Polster ver­ sehen. Wenn die Blatter schlafen, erheben sich die zwei terminalen

 

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A R C

Fig. 166. Marailea quadr(loliata: A Blatt wiihrend des Tages, senkrecht von oben gosehen; B Blatt von der Selte gesehen, anfangend etnzuschlafen; C dasselbe Blatt, eingeschlafen. Figuren auf die Hii.lfte der natilrlichen GrOsze reducirt.

 

Blii.ttchen, drehen sich halb herum und kommen mit einander in Beriih­ rung (B) und werden spiiter von den zwei unteren Blii.ttchen umfaszt (C),

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 167. Jlar,ilea quad,,.ifoliata: Circumnutation und nyctitropi:;che Bewegung eines Bliittchens wiihrend 24 Stunden an einer senkrechten Glasscheibe aufgezeicbnet. Jt,igur auf zwei Drittel der OriginalgrOsze verkleinert. Pfianzei in einer ctwas zu nledrigen Temperatur gehalten.

 

so dasz die vier Bliittchen mit ihren unteren Flachen nach auszen ge­ wendet ein senkrechtes Pii.ckcben bilden. Die Krilmmung des Gipfels des

 

?

 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung Uber die Schlafbewegungen der Blatter. 335

Stiels des schlafenden Blattes in der Abbildung ist blosz zufallig. Die Pflanze wurde in ein Zimmer gebracht, dessen Temperatur nur ein wenig iiber 15.6 C. war, und die Bewegung eines der Blattchen (nach Befestigung des Blattstiels) wurde 24 Stunden lang verfolgt (Fig. 167). Das Blatt senkte sich vom friihen Morgen bis 1.50 p. m. und erhob sich dann bis

6 Uhr p. m., wo es eingeschlafen war. Ein senkrecht herabbangender Glasfaden wurde nun an eines der terminalen und inneren Blattchen be­ festigt, und ein Theil der Zeiclmung in Fig. 167 nach 6 Uhr p. m. zeigt, dasz es, ein Zickzack bildend, bis 10.40 p. m. zu sinken fortfuhr. Um

6.45 a. m. am folgenden Morgen wachte das Blatt auf, und der Glas­ faden wies iiber die verticale Glasscheibe, aber um 8.25 a. m. nahm es die in der Figur gezeigte Stellung ein. Die Zeichnung weicht in ihrem Aussehen bedeutend von den meisten der friiher gegebenen ab, und dies ist Folge davon, dasz sich das Blattchen in dem Masze, als es sich seinem Gegenpart nahert und mit ihm in Beriihrung kommt, dreht und seitwarfa1 bewegi. Die Bewegung eines anderen Blattchens wurde, als es schlief, zwischen 6 p. m. und 10.35 p. m. verfolgt, und es circumnutirte deutlich, denn es fuhr zwei Stun den lang zu sinken fort, dann erhob es sich und sank dann noch niedriger, als es um 6 p. m. war. In der vorstehenden Figur (167) kann man sehen, dasz das Blattchen, als die Pflanze einer verhaltnismaszig niedrigen Temperatur im Hause ausgesetzt wurde, wah­ rend der Mitte des 'rages in einer etwas zickzackformigen Linie sank und wieder aufstieg; als sie aber in dem Warmhause von 9 Uhr a. m. bis

3 Uhr p. m. bei einer hohen, aber schwankenden Temperatur (namlich zwischen 22.2 und 28.3 C.) gehalten wurde, circumnutirte ein Blattchen (dessen Blattstiel festgemacbt war) rapid, dcnn es beschrieb im Verlaufe von 6 Stunden drei grosze senkrechte Ellipsen. Nach der Angabe von BRONGNIART schlaft Marsilea pubescens so wie die vorliegende Species. Es sind diese Pflanzen dici einzigen Kryptogamen, von denen man weisz, dasz 8ie schlafen.

 

Zusammenfassung und Schluszbemerkungen uber die nyctitropischen oder Schlafbewegungen der Blatter. - Dasz diese Bewegungen in irgend einer Weise fiir die Pflanzen, welche sie darbieten, von hoher Bedeutung sind, werden nur wenige bestreiten, die beobachtet haben, wie complicirt sie zuweilen sind. So biegen sich bei Cassia die Blattchen, welche wahrend des Tags horizontal sind, nicht nur des Nachts senkrecht abwarts, und das terminale Paar ist betrachtlich riickwarts gerichtet, sondern sie rotiren auch um ihre eigenen Achsen, so dasz ihre unteren Flachen nach auszen gewendet werden. Das terminale Bla.ttchen von Melilotus rotirt gleichfalls; durch welche Bewegung einer seiner Seitenrander aufwarts gerichtet wird, und in derselben Zeit bewegt es sich entweder nach rechts oder nach links, bis seine obere Plache in Berfihrung mit der des seit­ lichen Blattchens auf derselben Seite kommt, welches gleichfalls um

 

[page break] 336 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

seine eigene Achse rotirt hat. Bei Arachis bilden alle vier Blattchen zusammen wahrend der Nacht ein einziges senkrecbtes P!ickchen, und um dies zu bewirken , miissen sich die zwei vorderen Blattchen auf­ warts und die zwei hinteren vorwarts bewegen, auszerdem, dasz sich alle um ihre eigenen Achsen drehen. In der Gattung • Sida bewegen

sich die Blatter einiger Species des Nachts durch einen Winkel vo.n 90° aufwarts und diejenigen anderer Species durch denselben Winkel

abwarts. Wir haben eine ahnliche Verschiedenheit in den. nycti­ tropischen Bewegungen der Cotyledonen bei der Gattung Oxalis ge­ sehen. Ferner bewegen sich bei Litpitius die Blattchen entw(lder auf­ oder abwarts ; und in einigen Species z. B. L. luteus bewege11 sich diejenigen auf der einen Seite des sternformigen Blattes aufwarts und diejenigen auf der entgegengesetzten Seite abwarts ; die dazwischen liegenden rotiren um ihre Achsen; und durch dies verschiedenartige Bewegungen bildet das ganze Blatt des Nachts einen senkrechten Stern , anstatt wie wahrend des Tags einen horizontalen zu bilden. Einige Blatter und Blattchen werden auszer, dasz sie sich entweder aufwarts oder abwarts bewegen, des Nachts mehr oder weniger ge­ faltet, wie bei Bauhinia und in einigen Species von Oxalis. In der That sind die Stellungen, welche Blatter beim Schlafen annehinen, beinahe unendlich verschiedenartig; sie konnen entweder senkrecht aufwllrts oder abwarts weisen oder, wie es bei den Blattchen der Fall ist, entweder nach der Spitze oder nach .der Basis des Blattes oder

konnen in jeder zwischenliegenden Stellung stehen. Sie rotiren haufig mindestens soviel wie 90° um ihre eigelien Achsen. Die

Blatter, welche an aufrechten und an horizontalen oder an stark ge­ neigten Zweigen einer und der namlichen Pflanze entspringen, bewegen sich in einigen wenigen Fallen in einer verschiedenartigen Weise , so bei Porlieria und Strephium. Die ganze Erscheinung vieler Pflanzen wird des Nachts wunderbar verandert, wie bei Oxalis und noch deut­ licher bei Mimosa zu sehen ist. Ein Busch von Acacia Farnesiana erscheint des Nachts wie mit kleinen, hangenden Stiickchen Faden bedeckt anstatt mit Bliittern. Schlieszen wir einige wenige Gattungen aus, die wir selbst nicht gesehen haben, und iiber die wir im Zweifel sind, und noch einige wenige andere, deren Blattchen des Nachts rotiren und nicht bedeutend sich erheben oder senken, so gibt es

37 Gattungen, in welchen die Blatter oder Blattchen sich erheben, wobei sie sich haufig in derselben Zeit nach der Spitze •oder nach der

 

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I

Basis des Blattes zu bewegen, und 32 Gattungen, in welchen sie des

Nachts sinken.

Die nyctitropischen Bewegungen der Blatter, Blattchen und Blatt­ stiele werden auf zwei verschiedenen Wegen bewirkt; erstens durch abwechselnd vermehrtes Wachstbum auf den entgegengesetzten Seiten, welchem eine vermehrte Turgescenz der Zellen vorausgeht; und zwei­ tens mittelst eines Polsters oder eines Aggregates kleiner Zellen, denen meist Chlorophyll fehlt, und welche ahwechselnd auf beinahe entgeg-en­ gesetzten Seiten turgescenter werden; und dieser Turgescenz folgt kein Wachsthum, aµsgenommen wabrend des fruhen Lebensalters der Pflanze. Ein Polster scheint (wie fruher gezeigt wurde) aus einer Gruppe von Zellen gebildet zu werden, welche in einem sehr fruhen Alter zu wachsen aufhoren und daher nicht wesentlich von den umgebenden Geweben abweicben. Die Cotyledonen einiger Species von Trifolium sind mit einem Kissen versehen, und anderen fehlen die Kissen ; das­ selbe ist auch mit den Blattern in der Gattung Sida der Fall. Wir sehen also in dieser nlimlichen Gattung Abstufungen in dem Ent­ wicklungszustande des Polsters; und bei Nicotiana haben wir das, was wahrscheinlich als der Beginn der Entwickelung eines solchen be­ trachtet werden kann. Die Ursache der Bewegung ist nahebei ahn­ lich, mag ein Polster vorhanden sein oder fehlen, wie es ans vielen der in diesem Capitel mitgetheilten Zeichnungen deutlich hervorgeht. Es verdient Beachtung, dasz, wenn ein Polster vorhanden ist, die auf­ steigenden und absteigenden Linien kaum jemals zusammenfallen, so dasz gewohnlich von den damit versehenen Blattern Ellipsen be­ schrieben werden, mi.igen sie jung sein oder so alt, dasz sie vollstandig aufgehort haben zu wachsen. Diese Thatsache, dasz namlich Ellipsen beschrieben werden, zeigt, dasz die abwechselnd vermehrte Turgescenz der Zellen nicht auf genau entgegengesetzten Seiten des Polsters ein­ t itt, eben so wenig wie das vermehrte Wachsthum, welches die Be­ wegungen der nicht mit Polster versehenen Blatter verursacht. Wenn ein Polster vorhanden ist , werden die nyctitropischen Bewegungen eine sebr viel langere Zeit hindurch fortgesetzt, als wenn solche nicht vorhanden sind. Dies ist fur die Cotyledonen reichlich bewiesen worden, und PFEFFER hat dasselbe beweisende Beobachtungen in Be­ zug auf Blatter mitgetheilt. Wir haben gesehen, dasz ein Blatt von Mimosa pudica fortfuhr in der gewohnlichen Weise sich zu bewegen, obschon etwas einfacher, bis es verwelkte. und abstarb. Es mag noch

DARWIN, Bewegungsvermogen. (XIII.) 22

 

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hinzugefiigt werden, dasz einige Blil.ttchen von Trifolium pratense zehn Tage lang durch Nadeln offengehalten wurden, und am ersten Abende, nachdem sie freigemacht worden waren, erhoben sie sich und schliefen in der gewohnlichen Weise. Auszer der langen Fortdauer der Bewegungen, wo sie durch Hilfe eines Polsters ausgefuhrt werden (und dies scheint die Ursache seiner Entwickelung zu sein), ist eine drehende Bewegung des Nachts, wie PFEFFFR bemerkt hat, beinahe auf in dieser Weise ausgeriistete Bl!ttter beschrlinkt.

Es ist eine sehr allgemeinll Regel , dasz das erste echte Blattt obschon es etwas der Gestalt nach von den Bllittern an der reifen Pflanze abweichen mag, doch in gleicher Weise wie diese schllt:fl;, und dies tritt vollkommen unabMngig von der Thatsache ein, ob die Coty­ ledonen selbst schlafen oder nicht, oder ob sie in derselben Weise schlafen. Aber bei Phaseolus Roxburghii erheben sich die ersten ein­ blattrigen Blatter des Nachts beinahe hinreichend hoch, um schlafend genannt werden zu konnen, wahrend die Blattchen der secundaren drei­ blattrigen Blatter des Nachts senkrecht herabsinken. An jungen Pflanzen von Sida rlwmbif olia von nur einigen wenigen Zollen Hohe

•schliefen die Blil.tter nicht, obschon sie sich an etwas alteren Pflanzen des Nachts senkrecht erhoben. Andererseits schliefen die Blatter an sehr jungen Pflanzen von Cytisus fragrans in einer augenfalligen Weise, wahrend die Blatter an alten und kraftigen, im Gewachshause gehaltenen Strauchen keine deutlichen nyctitropischen Bewegungen darboten. Bei der Gattung Lotus erheben sich die basalen neben­ bllittchenartigen Bl!l.ttchen des Nachts senkrecht und sind mit Polstern versehen.

Wie bereits bemerkt, laszt sich, wenn BHltter oder Blattchen ihre Stellung des Nachts bedeutend und durch complicirte Bewegungen andern, kaum daran zweifeln, dasz ie letzteren in irgend einer Weise fur die Pflanze wohlthatig sein miissen. 1st dies der ]'all, so miissen wir dieselbe Schluszfolgerung auf eine grosze Zahl schlafender Pflanzen ausdebnen, denn die complicirtesten und einfacbsten nyctitropischen Bewegungen werden durcb die feinsten Abstufungen miteinander ver­ blmden. Aber in Folge der im Anfange dieses Capitals angefiihrten Ursachen ist es in einigen wenigen l!'allen unmoglich zu bestimmen, ob gewisse Bewegungen nyctitropisch genannt werden mussen oder nicht. Meistens deutet die Stellung, welche die Blatter des Nachts annehmen, mit hinreichender Sicherheit an, dasz der hieraus erlangte

 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung iiber die Schlafbewegungen der Blatter. 339

Vortbeil der Schutz der oberen Flil.cben vor der Strahlung in den offenen. Himmel ist ; und in vielen Fll,llen der gegenseitige Schutz sammtlicher Theile gegen die Klute, und zwar dadureh , dasz sie in dichte Annaherung an einander gebracht werden. Man musz sicb erinnern, dasz es im letzten• Capital nacbgewiesen wurde, dasz BH!.tter, die des Nachts horizontal ausgebreitet zu bleiben gezwungen wurden, viel mebr von der Strahlung litten, als diejenigen , denen gestattet wurde, ibre normale senkrecbte Stellung anzunehmen.

Die Tbatsache, dasz Blatter mehrerer Pflanzen nicbt scblafen, wenn sie nicbt wabrend des Tags gut beleuchtet worden waren, liesz uns eine Zeit lang zweifeln, ob der Schutz ihrer oberen Flachen gegen Strahlung in allen Fallen die Endursacbe ibrer gut ausgesprochenen nyctitropischen Bewegungen sei. Wir baben aber keinen Grund an­ zunebmen, dasz die Beleucbtung von dem offenen Himmel aus selbst wahrend des bewlHktesten Tages fur diesen Zweck unzureichend sei, und wir miissen im Auge behalten, dasz Blatter, welcbe dadurcb, dasz sie tief unten an der Pflanze stehen, beschattet sind, und welche zu­ weilen nicht schlafen, gleichfalls des Nachts gegen die Strahlung ge­ schiitzt sind. Trotzdem mochten wir doch nicht leugnen , dasz noch Fil.He existiren kl}nnen, in welchen Blatter ihre Stellung des Naehts betril.chtlicb andern, ohne irgend einen Vortheil aus solchen,Bewegungen zu ziehen.

Obschon bei schlafenden Pflanzen die Blattscheiben beinabe immer

des Nacbts eine senkrechte oder nabezu senkrecbte Stellung annebmen, so ist es doch ein Punkt von vollstandiger Gleicbgiltigkeit, ob die Spitze oder die Basis oder einer der Seitenrarrder nacb dem Zenith gerichtet wird. Es ist eine Regel von groszer Allgemeinbeit, dasz, wenn nur iiberbaupt ein Unterschied in dem Grade des Exponirtseins gegen die Strablung zwischen der oberen und unteren Fllicbe von Bla.ttern und Blattchen besteht, es die obere ist, welche die wenigst exponirte ist, wie bei Lotus, Cytisus, Trifolium und anderen Gattungen zu sehen ist. Bei mehreren Species von Lupinus stellen sich die Blattchen, und konnen sicb allem Anscheine nach wegen ibrer Structur nicht, des Nachts nicht senkrecht, und in Folge dessen sind ihre oberen ]111,chen, obschon hochaufgerichtet, doch mehr exponirt, als die unteren, und bier haben wir eine Ausnahme von unserer Regel vor uns. Aber in anderen Species dieser Gattung haben die BUttchen bei ihrer Bewegung Erfolg und stellen sich senkrecht. Dies wird indessen

22*

 

[page break] 340 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

durch eine sehr ungewobnliche Bewegung ausgefiihrt, namlich dadurch, da.sz die Blattchen auf den entgegengesetzten Seiten eines upd des­ selben Blattes sich in entgegengesetzten Richtungen bewegen.

Es ist ferner eine sehr gewohnliche Regel, dasz, wenn Blattchen miteinande1• in di c h te Beriihrung kommen, sie das mit ihren oberen Fllichen thun, welche hierdurch am besten geschiitzt werden. In einigen l!'allen kann dies das directe Resultat ihrer Erhebung senk­ recht aufwarts sein; aber es ist offenbar zum Schutze der oberen Flachen , dasz die Blattchen von Cassia in einer so wundervollen Weise, wabrend sie sich nach unten senken , rotiren, und dasz das terminale Blattcben von .llfelilotus rotirt und sich nach einer Seite bewegt, bis es das seitliche Blattchen auf derselben Seite trifft. Wenn gegenstandige Blattchen oder Blatter senkrecht abwarts sinken ohne irgend welche Drehung, nahern sicb ibre unteren Flachen ein­ ander und kommen zuweilen in• Beriihrung. Dies ist aber das directe und unvermeidliche Resultat ihrer Stellung. Bei manchen Species V{ln Oxalis werden die unteren Flachen der benachbarten Blattchen zu­ sammengedriickt und hierdurch besser geschiitzt, als die oberen Flachen; dies hangt aber einfacb davon ah, dasz ein jedes Blattchen des Nachts so gefaltet wird, dasz es im Stande ist, senkrecht abwarts zu sinken.

D.ie Torsion oder Rotation von Blattern und Blattchen, welche in so vielen Fallen eintritt, dient allem Anscheine nach immer dazu, ihre

oberen Flachen in dichte Annaherung mit einander zu bringen oder mit anderen Theilen der Pflanze, und zwar zu ihrem gegenseitigen Schutze. Wir sehen dies am besten in derartigen Fallen , wie bei Arachis, Mimosa albida und Marsilea, bei welchen allen die Blattcben des Nachts zusammen ein) einziges senkrechtes Packchen bilden. Wenn bei Mimosa pudica die gegenstandigen Blattchen einfach sich aufwarts bewegt hlitten, wiirden die oberen Flachen mit einander in Beriihrung gekommen und gut beschiitzt sein ; wie es aber ist, be­ wegen sie sicb sammtlich nach einander der Spitze des Blattes zu und hierdurch warden nicht nur ibre oberen Flachen beschiitzt, sondern die aufeinanderfolgenden Paare werden dachziegelf6rmig gedeckt und schiitzen einander gegenseitig, ebenso wie die Stiele. Die dachziegel­ formige Anordnung der Blattchen scblafender Pflanzen ist eine ge­ wohnliche Erscbeinung.

Die nyctitropische Bewegung der Blattscheibe wird meist durch die Kriimmung des obersten Theils des Blattstiels bewirkt, welcher

 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung liber die Schlafbewegungen der Blatter. 341

haufig zu einem Kissen modificirt worden ist, oder der ganze Blatt­ stiel kann, wenn er kurz ist, in dieser Weise umgeandert sein. Aber die Scheibe selbst kriimmt oder bewegt sich zuweilen, fiir welche That­ sache Bauhinia ein auffallendes Beispiel darbietet, da die zwei Halften dell Nachts sich erheben und in dichte Beriihrung kommen. Oder die Blattscheibe und der obere Theil des Blattstiels konnen sich beide be­ wegen. Auszerdem erhebt oder senkt sich des Nachts der Blattstiel als ein Ganzes sehr haufig. Diese Bewegung ist zuweilen grosz: so stehen die Blattstiele von Cassia pubescens wahrend des Tags nur ein wenig iiber dem Horizont und steigen des Nachts beinahe oder voll­ standig senkrecht in die Hohe. Auch die Blattstiele der jiingeren Blatter von Desmodium gyrans erheben sich des Nachts haufig senkrecht.

Andererseits sanken bei Amphicarpaea die Stiele einiger Blatter des Nachts so bedeutend wie 57 ° herab. Bei Arachis sanken sie 39 °,

und dann standen sie rechtwinklig zum Stamme. Wenn dies Erheben oder Senken mehrerer mattstiele an einer und derselben Pflanze ge­ messen wurde , differirte der Betrag meistens bedeutend. Dies wird zum groszen Theil durch das Alter des Blattes bestimmt: so erhob sich beispielsweise der Stiel eines maszig alten Blattes von Desmodium

gyrans nur 46°, wahrend die jnngen senkrecht emporstiegen: der eines jungen mattes von Cassia fioribunda erhob sich 41°, wahrend der

eines alteren mattes sich nur 12° erhob. Es ist eine noch eigen­ thiimlichere Thatsache, dasz das Alter der Pflanze zuweilen bedeutend

den Betrag an Bewegung beeinfluszt; so erhoben sich bei einigen jungen Siimlingen einer Bauhinia die Blattstiele des Nachts 30° und 34°, wahrend dieselben an diesen namlichen Pflanzen, als diese bis

zu einer Hohe .von zwei oder drei Fusz gewachsen waren , sich iiber­ haupt kaum bewegten. Die Stellung der Blatter an der Pflanze, wie sie durch das Licht bestimmt wird , scheint auch die Grosze der Be­ wegung des Blattstiels zu beeinfluszen; denn es liesz sich keine andere

Ursache dafiir erkennen, warum die Stiele einiger Blatter von Melilotus officinalis so bedeutend sich des Nachts erhoben wie 59° und andere

nur 7° und 9°.

Bei vielen Pflanzen bewegen sich die mattstiele des Nachts in einer Richtung 1und die mattchen in einer direct entgegengesetzten. So bewegten sich bei drei Gattungen der Phaseoleen die Blattchen des Nacbts senkrecht abwarts, und die Blattstiele erhoben sich in zwei von ihnen, wahrend sie in der Dritten sanken. Species in einer und derselben

 

[page break] 342 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

Gattung weichen hllufig weit in den Bewegungen ihrer Blattstiele von einander ab. Selbst an einer und derselben Pflanze von Lupinus pubescens

erhoben sich einige von den Blattstielen des Nachts 30°, andere nur 6°

und andere sanken 4°. Die Blil.ttchen von Cassia Barclayana bewegten sich des Nachts so wenig, dasz man nicht sagen konnte, sie scbliefen, und doch erhoben sich die Stiele einiger junger Bliitter bis 34°. Diese verschiedenen Thatsachen weisen allem Anschein nach darauf bin, dasz die Bewegungen der Blattstiele nicht zu irgend einem speciellen Zwecke ausgefiihrt werden, obschon eine Schluszfolgerung dieser Art meistens vorschnell ist. Wenn die Blattchen des Nachts senkrecht herabsinken

.und die Blattstiele sich erheben, wie es haufig vorkommt, so ist es sicher, dasz die Aufwartsbewegung der letzteren die Blattchen nicht darin unterstiltzt, sich des Nachts in ihre geborige Stellung zu bringen; denn sie haben sich dann durch einen groszeren Winkel zu bewegen, als im andern Falle nothwendig gewesen sein wilrde.

Trotz dem, was soeben gesagt worden ist, laszt sich stark ver­ muthen, dasz in einigen J?!l.llen die Erhebung der Blattstiele, wenn sie betrAchtlich ist, fiir die Pflanze wohlthatig ist dadurch, dasz sie die der Strahlung des Nachts ausgesetzte Oberflache bedeutend verringert. Wenn der Leser die zwei Zeichnungen (Fig. 155 p. 316) von Cassia pu­ besc ns, die nach Photographien copirt waren, miteinander vergleichen will, so wird er sehen, dasz der Durchmesser der Pflanze des Nachts ungefahr ein Drittel von dem betragt, was er des Tages ist; und es ist daher die der Strahlung ausgesetzte Oberfla.che nahezu neunmal kleiner. Eine ahnlicbe l!'olgerung kann aus den Zeicbnungen (Fig. 149

p. 304) eines wachen und schlafenden Zweiges von Desmodium gyrans abgeleitet werden. Dasselbe war aucb in einer sehr auffallenden Art und Weise bei jungen Pflanzen von Bauhinia und bei Oxalis Orte­ gesii der Fall.

Zu einer analogen Folgerung werden wir in Bezug auf die Be­ wegungen der secundaren Stielchen gewisser gefiederter BlAtter gefiihrt. Die Fiedern von Mimosa p!ldica convergiren des Nachts, und hier­ durch werden die dachziegligen und geschlossenen Blllttchen an jeder einzelnen Fieder sllmmtlich in ein einziges Biindel zusammengebracht, und sie beschiitzen eines das andere , wll.hrend eine etwas kleinere Oberflil.che der Strahlung ausgesetzt wird. Bei Albizzia lophantha schlieszen sich die Fiedern in derselben Weise zusammen. Obgleich die Fiedern von Acacia Farnesiana nicht bedeutend convergiren, sinken

 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung Uber die Schlafbewegungen der Blatter. 343

:aie docb abwarts. Diejenigen von Neptunia oleracea bewegen sich gleicbfalls abwil.rts eben sowie riickwarts nacb der Basis des Blattes

-zu, wahrend der Hauptblattstiel sich erhebt. Ferner werden bei Schrankia die Fiedern des Nacbts niedergedriickt. In diesen drei leti­ teren Fallen nun bieten die Fiedern, obgleich sie sich des Nachts nicht gegenseitig schiitzen, doch, nachdem sie niedergesunken sind, wie es ein herabhangendes, schlafendes Blatt thut, dem Zenith und der Strahlung viel weniger Oberflache dar, als wenn sie horizontal geblieben waren. Ein jeder, welcher eine schlafende Pflanie niemals anbaltend be­

-0ba.chtet bat, wird naturlich vermutben, dasz die Blatter sich nur am Abend bewegen , wenn sie einschlafen, und am Morgen wieder, wenn sie aufwachen. Er wiirde sich absr bier vollstandig irren ; denn wjr

baben von der Regel keine A usnahme gefunden. , dasz Blatter, welohe

scblafen, sich wahrend der ganzen vierundiwanzig Stunden bewegen; sie bewegen sich indessen schneller, wenn sie einschlafen und wenn sie aufwachen, als zu andern Zeiten1 Dasz sie wahrend des Tags nicht station!l.r sind, wird durch alle mitgetbeilten Zeichnungen nachgewiesen, benso wie durch die vielen andern, welche aufgezeichnet wurden. Es ist miihsam, die Bewegungen der Blatter in der Mitte der Nacht in beobacbten. Dies wurde aber in einigen wenigen Fallen ausgefiihrt ; und Aufzeichnungen wurden wahrend des ersten Theils der Nacht von

<len Bewegungen von Oxalis, Amphicarpaea, iwei Species von Ery­ thrina , einer Cassia , Passifiora, Euphorbia und 1lfarsilea gemacht, und es ergab sich, dasz die Blatter, nachdem sie eingeschlafen we.i'eu, in bestil.ndiger Bewegung waren. Wann indessen gegenstil.ndige Blatt­

<)hen miteinander oder mit dem Stamme des Nachts in dichte Beriih rung kommen, so warden sie, wie wir annehmen , mechanisch an der Bewegung gehindert. Doch wurde dieser Punkt nicbt binreichend untersucht.

Wenn die Bewegungen schlafender Blll.tter wl!.brend vierundzwanzig Stunden aufgezeichnet warden , so fallen die aufsteigenden und abstei­ genden nioht zusammen, ausgenommen gelegentlich und durch Zufall auf eine kurze Strecke, so dasz bei vielen Pflanr.en aine einzige grosze Ellipse wahrend einer jaden Zeit von vierundzwanzig Stunden beschrieben wird. Derartige Ellipsen sind meistens eng und senkrecbt gel'ichtet, denn der Betrag an seitlicber Bewegung ist gering. Dasz etwas Seiten bewegung vorhanden ist, wird dadurcb bewiesen, dasz die aufsteigenden und absteigenden Linien nicht zusammenfallen, und gelegentlich, wie

 

[page break] 344 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

bei Desmodium gyrans und Thalia dealbata, war sie stark ausgesprochen. Bei llfelilotus waren die von dem terminalen Blattchen wl1hrend des Tags beschriebenen Ellipsen nach den Seiten ausgebreitet, statt senk­ recht, wie es gewOhnlich der Fall ist, und diese Thatsache steht offenbar damit in Beziehung, dasz das terminale Blllttchen sich seitlich bewegt, wenn es einschlaft. Bei der Majoritat der schlafenden Ptlanzen oscil­ liren die Blattchen mehr als einmal in den vierundzwanzig Stunden auf und nieder, so dasz Mufig zwei Ellipsen, eine Yon masziger Gr5sze und eine von sehr bedeutender Gr5sze, welche letztere die nlichtliche Bewegung einschlieszt, innerhalb der vierundzwanzig Stunden beschrieben werden. So wird beispielsweise ein Blatt, welches wahrend der Nacht senkrecht aufwarts steht, am Morgen sinken, sich dann betrachtlich erheben, am Nachmittage wiederum sinken und am Abend wieder auf­ steigen und seine senkrechte nachtliche Stellung annehmen. Es wird hiernach im Verlaufe der vierundzwanzig Stunden zwei Ellipsen von ungleicher Grosze beschreiben. A1tdere Ptlanzen beschreiben innerhalb­ derselben Zeit drei, vier oder fiinf Ellipsen. Gelegentlich sind die lan­ geren Achsen der verschiedenen Ellipsen nach verschiedenen Richtungen bingerichtet, woffir Acacia Farnesiana ein gutes Beispiel darbietet. Die folgenden Falle werden eine ldee von der Gescbwindigkeit der Bewegung geben: Oxalis acetosella vollendete zwei Ellipsen mit der Geschwindigkeit von I Stunde 25 Minuten fiir jede; JlJ.arsilea quadrif oliata mit der Ge­ schwindigkeit von 2 Stunden, Trifolium subterraneum eine in 3 Stunden

30 Minuten und Arachis hypogaea in 4 Stunden 50 Minuten. Aber

die Anzahl von Ellipsen; die innerhalb einer gegebenen Zeit beschrieben wird, hangt in hohem Grade von dem Znstande der Pflanze und von den Bedingungen ab, denen dieselbe ausgesetzt wird. Es ereignet sich baufig, dasz wabrend des einen Tages eine einzige Ellipse beschrieben werden kann und zwei am nachsten. Erythrina corallodendron be­ schrieb am ersten Tage der Beobachtung vier Ellipsen und am dritten nur eine einzige, allem Anschein nach in Folge davon, dasz die Pflanze

.nicht hinreichend beleuchtet und vielleicht nicht warm genug gehalten worden war. Es scheint aber gleichfalls eine eirigeborene Neigung bei verschiedenen Species einer und derselben Gattung zu bestehen, in den vierundzwanzig Stunden eine verschiedene Anzahl von Ellipsen zu be­ schreiben-: Die Blattchen von Trif olium repens beschrieben nur eine, diejenigen von T. resupinatum zwei und diejenigen von T. subterraneum drei in dieser Zeit. Ferner beschrieben die Blattchen von Oxali.

 

 

.

 

[page break] Cap. 7. Zusamment'assung iiber die Schla(bewegungen der Blatter. 345

Plumierii eine einzige Ellipse, diejenige von 0. bupleurifolia zwei, die­ jenigen von 0. Valdiviana zwei oder drei und diejenigen von 0. aceto­ sella mindestens fiinf in den vierundzwanzig Stunden.

Die von der Spitze des Blattes oder Blattchens beim Beschreiben einer oder mehrerer Ellipsen wahrend des Tags gezogene Linie ist hiiufig zickzackformig, und zwar entweder durch ihren ganzen Verlauf oder nur wahrend des Morgans oder Abends : Robinia bot einen Fall dar, wo die Zickzackbewegung auf den Morgen beschrankt war, und eine ahnliche Bewegung am Abend ist in der Zeichnung, die bei Sida mitgetheilt wurde (Fig. 126) zu sehen. Die Grosze der Zickzack­ bewegung hangt in hohem Grade davon ah, dasz die Pflanze unter bedeutend gunstige . Bedingungen gestellt werde. Aber selbst unter solchen gunstigen Bedingungen wird, wenn die Punkte, welche die Rtellung der Spitze markiren, nach betrachtlichen Zeitintervallen gemacht und dami verbunden werden, der eingehaltene Lauf noch immer vergleichsweise einfach erscheinen, •obgleich die Zahl der Ellipsen ver­ grossert sein wird; wenn aber Punkte alle zwei oder drei Minuten gemacht und diese dann verbunden werden, so ist das Resultat haufig, dasz sammtliche Linien stark zickzackformig sind, wahrend viele kleine Schlingen, Dreiecke und andere Figuren gebildet werden. Diese That­ sache ist an zwei Stellen der Zeichnung (Fig. 150) der Bewegungen von Desrnodium gyrans zu sehen. Strephium fioribundum beschrieb, unter einer hohen Temperatur beobachtet, mehrere kleine Dreiecke mit der Gescbwindigkeit von 43 Minuten fiir jedes. Mimosa pudica, in ii.hnlicher Weise beobachtet, beschrieb drei kleine Ellipsen in

67 Minuten, und die Spitze eines Blattchens kreuzte 5h Zoll in einer Secunde oder 0.12 Zoll in einer Minute. Die Blattchen von .Averrhoa

machten eine unzahlige Menge kleiner Oscillationen, als die Temperatur boch war und die Sonne schien. Die Zickzackbewegung kann in allen Fallen als ein Versuch betrachtet werden, kleine Schlingen zu bilden, welche durch eine in irgend einer Richtung vorherrschende Bewegung ausgezogen werden. Die rapiden Kreisbewegungen der kleinen seitlichen Blattchen von Desmodium gehoren zu derselben Classe von Bewegungen, die in Schnelligkeit undAmplitude etwas iibertrieben sind. Die schnellen­ den Bewegungen mit einem kleinen Fortschritt und einem noch kleineren Ruckschritt, scbeinbar nicht in genau derselben Linie, beim Hypocoty l des Kohls und den Blattern von Dionaea, wie sie unter dem Microscop sich zeigen, gehoren wahrscheinlich unter diese selbe Categorie. Wir

 

[page break] 346 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

kOnneu vermutben, dasz wir bier die Kraft vor uns haben, welohe wiihrend der best!indigen chemischen Processe, die in den Geweben vor sich gehen und in Bewegung umgewandelt werden, frei wird. Endlich musz ,bemerkt werden , dasz Blll.ttchen und wahrscbeinlich einige Bliitter, 11.hrend sie ibre Ellipsen beschreiben, hll.ufig unbedeu tend um ibre Achsen rotiren, so dasz die Ebene des Blattes zuerst nacb einer und dann nach der andern Seite bin gerichtet ist. Man sah deutlicb, dasz dies der Fall war bei den groszen terminalen Bliittcben von Desmodium, Erythrina und Amphicarpaea, und es ist wahr­ scheinlich allen mit einem Polster versehenen Blattchen gemeinsam.

In Bezug auf die Periodicitat der Bewegungen schlafender Blatter hat PFEFFER 23 so klar gezeigt, dasz dies von den taglichen A.nde­ rungen von Licht und Dunkelheit abhll.ngt, dasz iiber diesen Punkt nichts waiter gesagt zu warden braucht. Wir konnen aber bier das Benehmen von Mimosa im Norden ins Gedachtnis zuriickrufen, wo die Sonne nicht untergeht, und dann die vollstandige Umkehr der tag­ lichen Bewegungen durch kilnstliches Licht und kiinstliche Dunkelheit. Wir haben gleicbfalls gezeigt, dasz, obgleicb Blatter, welche eine maszig lange Zeit der Dunkelheit ausgesetzt waren, zu circumnutiren fortfuhren, doch die Periodicitllt ihrer Bewegungen bald bedeutend gestort oder vollstilndig vernichtet wird. Die Gegenwart von Licht oder 'dessen Fehlen kann nicht als directe Ursache der Bewegungen angenommen werden , denn diese- sind selbst bei den Blattchen eines und desselben Blattes wunderbar verschiedenartig, obgleich natiirlich alle in iihnlicher Weise exponirt gewesen sind. Die Bewegungen bangen von eingeborenen Ursachen ab und sind von einer adaptiven Natur. Die Abwechselungen von Licht und Dunkelheit geben den Blattern nur davon eine Notiz, dasz die Periode fiir sie gekommen ist, sich in einer bestimmten Weise zu bewegen. Wir konnen aus der Thatsacbe, dasz mehrere Pflanzen (Tropaeolum, Lupinus etc.) nicht schlafen, wenn sie nicht wiihrend des Tags gut beleuchtet worden sind, folgern, dasz es nicht die factische Abnahme von Licht am Abend, sondern der Contrast zwischen der Menge Licht zu dieser Stunde und wAhrend des friiheren Theils des Tages ist , welcher die Bliltter reizt ibre ge­ wohnliche Weise zu circumnutiren zu verilndern.

 

13 Die periodischen Bewegungen der Blattorgane, 1875, p. SO und an anderen Stellen.

 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung Uber die Schlafbewegungen der Blatter. 347

Da die Blatter der meisten Pflanzen ihre geMrige Tagesstellung am Morgen annehmen, wenngleich das Licht ausgeschlossen ist, und da die Blatter einiger Pflanzen sich in der normalen Weise im Dunkeln wahrend mindestens eines ganzen Tages zu bewegen fortfahren , so konnen wir schlieszen, dasz die Periodicitat ihrer Bewegungen in einer gewissen Ausdehnung vererbt wird24 Die Starke einer derartigen Ver­ erbung ist in verschiedenen Species bedeutend verschieden und scheint niemals ganz starr zu sein. Denn Ptlanzen sind ans alien Theilen der Welt in unsere Garten und Gewachshauser eingefiihrt worden, und wenn ihre Bewegnngen durchaus streng in Bezug auf die Abwechslung von Tag und Nacht fixirt gewesen waren, so wiirden sie bier im Lande zu sebr verschiedenen Stunden geschlafen haben, was nicbt der Fall ist. Uberdies ist beobachtet worden, dasz schlafende Pflanzen in ihrem Heimathlande ihre Schlafzeit mit den wechselnden Jahreszeiten andern 25

Wir wollen uns nun zu der systematischen Liste wenden (p. 273). Dieselbe enthalt die Namen aller uns bekannten schlafenden Ptlanzen, obschon die Liste zweifellos sehr unvollstandig ist. Es mag als all­ gemeine Regel vorausgeschickt werden , dasz sll.mmtliche Species in einer und derselben Gattung in nabezu derselben Art und Weise schlafen. Es scbeinen aber einige Ausnahmen zu besteben; in mehreren groszen Gattungen, welcbe viele scblafende Species enthalten (z. B. Oxalis), schlafen einige nicht. Eine Species von Melilotus schlaft wie ein Trifolium und daher von seinen Gattungsgenossen sehr verschieden; dasselbe thut eine Species von Cassia. In der Gattung Sida erbeben sfoh entweder die Blatter oder senken sich des .Nachts, und bei Lupinus schlafeu sie nach drei verschiedenen Methoden. Kehren wir

 

24 Pfeffer leugnet eine solche Vererbung (Die period. Bewegungen u. s. w.

p. 30-56); er schreibt die Periodicitat, wenn sie einen oder zwei Tage im Dunkeln fortdauert, der Nachwirkung des Lichts und der Dunkelheit zu. Wir sind aber nicht im Stande, seinem Raisonnement zu folgen. Derartige Bewegung dieser Ursache zuzuschreiben, scheint nicht mehr Grund vorhanden zu sein, als bei­ spielsweise die vererbte Gewohnheit von Winter- und Sommer-Weizen, am besten in verschiedenen Jahreszeiten zu wachsen; denn diese Gewohnheit geht nach wenigen Jabren verloren, gleich den Bewegungen der Blatter im Dunkeln uacb wenigen Tagen. Ohne Zweifel musz irgend eine Wirkung durch die lange fortgesetzte Cultur der Elternpflanzen unter verschiedenen Climaten auf die Samen hervorgebracht werden, aber wahrscheinlich wird dies docb Niemand eine "Nachwirkung" der Climate nennen.

2 Pfeffer, a. a. 0. p. 46.

 

[page break] 348 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

zur Liste zuruek, so ist der erste Punkt, welcher uns auffallt, der, dasz es unter den Leguminosen (un<l in beinahe jeder einzelnen Tribus der Leguminosen) viel mehr Gattungen gibt, als in allen den ubrigen Familien zusammengenommen, und wir werden in Versuchung gebracht, diese Thatsache mit der groszen Beweglichkeit der Stamme und Blatter in dieser Familie in Zusammenhang zu bringen , wie es sich durcb die grosze Zahl kletternder Species, welche sie enthalt, zeigt. Den Leguminosen zunachst kommen die Malvaceen znsammen mit einigen nahe verwandten Familien. Aber •bei weitem der bedeutungsvollste Punkt in der Liste ist der, dasz wir schlafende Pflanzen in 28 Familien in sammtlichen groszen Abtheilungen der Phanerogamenreihe und bei einer kryptogamen Pflanze finden. Obschon es nun wahrscheinlich ist, dasz bei den Leguminosen die Neigung zu schlafen von einem oder einigen wenigen Urerzeugern ererbt worden sein mag und moglicher­ weise ebenso in den Cohorten der Malvales und Chenopodiales, so musz doch offenbar diese Neigung von den verschiedenen Gattungen in den anderen Familien vollkommen unabhangig von einander erlangt worden sein. Es entsteht daher naturlich die Frage: Wie ist dies moglich gewesen? Und die Antwort ist, wie wir nicht bezweifeln konnen, die, dasz Blatter ihre nyctotropischen Bewegungen ihrer Gewohnheit zu circumnutiren verdanken, einer Gewohnheit, die allen Pflanzen gemein ist und tiberall zu einer jeden wohlthatigen Weiterentwickelung oder Modification bereit ist.

Es ist in den vorhergehenden Capiteln gezeigt worden, dasz die

Blatter und Cotyledonen aller Pflanzen sich bestandig auf und ab be­ wegen, meistens .in einer geringen, aber zuweilen in einer betracht­ lichen Ausdehnung, und dasz sie entweder eine oder mehrere Ellipsen im Verlaufe von vierundzwanzig Stunden beschreiben; sie werden auch in so weit <lurch den Wechsel von Tag und Nacht afficirt, dasz sie meistens oder wenigstens haufig sich periodisch in einer geringen Ausdehnung bewegen; und hier haben wir eine Grundlage fur die Ent­ wickehmg der groszeren nyctitropischen Bewegungen. Dasz die Be­

wegungen von Blattern und Cotyledonen, welche nicht schlafen, in die Classe der cireumnutirenden Bewegungen gehoren, konnen wir nicht bezweifeln, denn sie sind denjenigen der Hypocotyle, Epicotyle, der Stamme erwachsener Pflanzen und verschiedener anderer Organe sehr ahnlich. Wenn wir nun den einfachsten Fall eines schlafenden Blattes

annehmen, so sehen wir, dasz es in den 24 Stunden eine einzige

 

 

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[page break] Cap. 7. Zusammenfassung llber die Schlafbewegungen der Blatter. 34g

 

Ellipse beschreibt, welche einer solchen, welche ein nicht schlafendes Blatt beschreibt, in jeder Beziehung ahnlich ist, ausgenommen, dasz sie viel groszer ist. In beiden Fallen ist der eingehaltene Weg haufig zickzackformig. Da alle nicht schlafenden Blatter bestandig circum­ nutiren, so mfissen wir schlieszen, dasz wenigstens ein Theil der Auf­ warts- und Abwartsbewegung eines Blattes, welches schlaft, Folge der gewohnlichen Circumnutation ist; und es scheint durchaus willkiirlich zu sein, den Rest der Bewegung unter eine vollstandig verschiedene Categorie bringen zu wollen. Bei einer Menge von kletternden Pflanzen flind die Ellipsen, welche sie beschreiben, zu einem andern Zweck, namlich dazu,• eine Stutze zu ergreifen, bedeutend vergroszert worden. Bei diesen kletternden Pflanzen sind die verschiedenen circumnntirenden Organe in so weit in Bezug auf das Licht rnodificirt worden, dasz sie sich, verschieden von allen gewohnlichen Pflanzen, nicht nach ihru hinbiegen. Bei schlafenden Pflanzen ist die Geschwindigkeit und die Weite der Bewegungen der Blatter in so weit in Bezug auf das Licht modificirt worden, dasz sie sich in einer gewissen Richtung mit dem absterbenden Lichte des Abends und mit dem zunehmenden Lichte des Morgens rapider fiewegen und in einer groszeren Ausdehnung, als zu anderen Stunden.

Aber die Blatter und Cotyledonen vieler nicht schlafender Pflanzen bewegen sich in einer viel complicirteren Art und Weise, als in den eben erwahnten Fallen; denn sie beschreiben im Laufe eines Tages zwei, drei oder mehr Ellipsen. Wenn nun eine Pflanze dieser Art in eine solche, welche schlaft, verwandelt werden sollte, so wiirde eine Seite einer der verschiedenen Ellipsen, welche jedes Blatt taglich be­ schreibt, am Abend bedeutend an Lange vergroszert werden mfissen, bis das Blatt senkrecht stand, wo es dann um den namlichen Fleck weiter circumnutiren wfirde. Am folgenden Morgen wfirde die Seite einer anderen Ellipse ahnlich in ihrer Lange zu vergroszern gewesen sein, so dasz das Blatt in seine Tagesstellung zuruckgebracht wfirde, wo es wiederum bis zum Abend circumnutiren wiirde. Wenn der Leser beispielsweise sich die Zeichnung (Fig. 142 p. 298), welche die nycti­ tropischen Bewegungen des terminalen Blattchens von Trif olium sub­ terraneum darstellt, ansehen will und sich erinnern, dasz die punktirten bogenf'ormigen Linien an der Spitze der Zeichnung viel hoher hinauf batten verlangert werden mfissen, so wird er sehen, dasz die bedeu­ tende Erbebung am Abende und die bedeutende Senkung am Morgen

 

[page break] 350 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

zueammen eine grosze Ellipse bilden gleich einer von denen, welobe wAbrend des Tages beschrieben wurden, und nur in der Groaze ver­ schieden. Oder er mag die Zeiehnung (Fig. 103 p. 200) von den 31/1 Ellipsen betracbten, welche im Verlaufe von 6 Stunden 35 Mi­

nuten von einem Blatt von Lupiniis speciosus beschrieben wurden,

welche eine von den Species in dieser Gattung ist, welche nicht schlaft; und er wird bier sehen, dasz einfach durch eine Verllingerung der Linie, welohe bereits spat am Abend sich erhob, nach oben und durch Herabfiihren derselben am n!ichsten Morgen die Zeichnung die Be­ wegung einer schlafenden Pflanze darstellen w'iirde.

Bei denjenigen schlafenden Pflanzen, welche in der Zeit des Tages mehrere Ellipsen besohreiben, und welche sich in einer stark zickzaok­ formigen Linie bewegen, die haufig in ihrem Verlaufe minutiose Schlingen, Dreiecke etc. bildet, wird die Linie , welche beschrieben wird, sobald eine der Ellipsen am Abend anfangt an Grosze bedeutend zuzunehmen, und wenn Punkte alle zwei bis drei Minuten gemacht und diese dann verbunden werden, beinahe genau geradlinig sein in starkem Contraste zu den wahrend des Tags gemachten Linien. Dies wurde bei Desmodium gyrans und Mimosa pudica•beobachtet. Uber­ dies convergiren bei dieser letzteren Pflanze die Fiedern am Abend durch eine stetige Bewegung, wahrend sie den Tag iiber in einer ge­ ringen Ausdehnung bestandig convergiren und divergiren. In allen derartigen Fallen war es kaum moglich, die_ Verschiedenheit in der Bewegung wllhrend des Tags und Abends zu beobachten, ohne davon iiberzeugt zu sein, dasz am Abend die Pflanze den Aufwand an Kraft dadurch erspart, dasz sie sich nicht seitlich bewegt, und dasz ihre ganze Energie jetzt darauf verwandt wird,- schnell ihre gehorige nacht­ liohe Stellung in einem directen Laufe anzunehmen. In mehreren an­ deren Fallen, so beispielsweise, wenn ein Blatt, nachdem es wahrend des Tags eine oder mehrere ziemlich regelmaszige Ellipsen beschrieben bat, am Abend sich bedeutend zickzackformig bewegt, hat es den An­ sohein, als wenn Energie aufgewendet wiirde, so dasz die bedeutende abendliche Hebung oder Senkung mit der Periode des Tags, welche filr diese Bewegung die gehorige ist, zusammenfallen kann.

Die complicirteste Bewegung von allen den von schlafenden Pflanzen ausgefiihrten ist die, wenn Blatter oder Blllttchen, nachdem sie in der Zeit des Tags mehrere senkrecht gericbtete Ellipsen be­ schrieben haben, am Abend bedeutend um ihre Achsen rotiren, durcb

 

[page break] Cap. 7. Zusammenfassung liber die Schlafbewegungen der Blatter. 351

welche drehende Bewegung sie des Nachts eine gllnzlich verschiedene Stellung von der annehmen, welche sie wll.hrend des Tages einnehmen. So bewegen sich beispielsweise die terminalen Blll.ttchen von Cassia nicht blosz senkrecht abwll.rts am Abend, sondern drehen sich herum, so dasz ihre unteren Flll.chen nach auszen sehen. Derartige Bewegungen sind gll.nzlich oder beinahe gllnzlich auf mit einem Polster versehene Blll.ttchen beschrll.nkt. Aber diese Drehung ist nicht eine neue Art von Bewegung, welche nur zum Zwecke des Schlafs eingefilhrt ist ; denn es ist gezeigt worden, dasz einige Blattchen, wllhrend sie ihre gewohn­ lichen Ellipsen am Tage beschreiben, unbedeutend rotiren und dadurch es veranlassen, dasz ihre Blattscheiben zuerst nach einer Seite und dann nach der andern sehen. Obschon wir einsehen kOnnen , wie die unbedeutenden periodischen Bewegungen der Blatter in einer senk­ rechten Ebene leicht in die bedeutenderen, aber einfachen nyctitropischen Bewegungen umgewandelt werden konnen, so wissen wir doch fur jetzt nicht, durch welche abgestuften Uberg!inge die complicirteren Be­ wegungen, welche durch die Torsion der Polster bewirkt werden, er­ langt worden sind. Eine wahrscbeinliche Erkl!irung konnte in jedem einzelnen Falle nur nach einer genauen Untersuchung der Bewegungen in sammtlichen verwandten Formen gegeben werden.

Nach den nun vorgebrachten Thatsachen und Betrachtungen konnen

wir schlieszen, dasz Nyctitropismus oder der Schlaf von Blattern und Cotyledonen nur eine Modification ihrer gewolmlichen circumnutirenden Bewegung ist, die in ihrer Periode und Weite durch die Abwechs­ lungen von Licht und Dnnkelheit regulirt werden. Der zu erreichende Zweck ist der Schutz der oberen Flachen der Blll.tter vor der Strah­ lung des Nachts, ha.ufig combinirt mit dem gegenseitigen Schutze der verschiedenen Theile durch ihre dichte Anni!.herung. In solchen F!i.llen wie bei den Blll.ttchen von Cassia - den terminalen Blattchen von Melilotus - den sll.mmtlichen Bllittchen von Arachis, Marsilea etc. - haben wir gewohnliche Circumnutation in der ll.uszersten, uns in irgend einer der verschiedenen groszen Classen von modificirter Circumnutation bekannt gewordenen Ausdehnung modificirt. Nach dieser Ansicht von dem Ursprunge des Nyctitropismus konnen wir einsehen, woher es kommt, dasz einige wenige weit durch die Reihe der Gef'aszpflanzen vertheilte Pflanzen im Staude gewesen sind, die Gewohnheit zu er­ langen, die Scbeiben ihrer Blll.tter des Nachts senkrecht zu stellen,

d. h. zn schlafen, - eine sonst unerklarliche Thatsache.

 

[page break] 352 Modificirte Circumnutation. Cap. 7.

Die Blatter einiger Pflanzen bewegen sicb wahrend des '!'ages in einer Weise, welche uneigentlich Tagesschlaf genannt worden ist; denn wenn die Sonne hell auf sie scheint, richten sie ihre Rander nach ihr bin. Auf derartige Falle werden wir im folgenden Capitel flber Heliotropismus zuriickkommen. Es ist gezeigt worden, dasz die Blattchen einer Form von Porlieria hygrometrica sich den Tag uber geschlossen halten, solange die Pflanze spiirlich mit Wasser versorgt wird, in derselben Weise, als wenn sie schlafen ; und dies dient augen­ scheinlich dazu, die Verdunstung zu hemmen. Es gibt nur einen an­ dern uns bekannten analogen Fall, namlich der gewisser Gramineen, welche die Seiten ihrer schmalen• Blatter einwarts falten, wenn die­ selben der Sonne und einer trockenen Atmosphare ausgesetzt werden, wie es DuvAL-JouvE beschriehen hat 26 Wir haben anch dieselbe Er­ scheinung bei Elymus arenarius beobachtet.

Es gibt noch eine andere Bewegung, welche seit der Zeit LrNNE's meistens Schlaf genannt worden ist, namlich die der Kronblatter der vielen Bliithen, welche sich des Nacl1ts schlieszen. Diese Bewegungen sind von PFEFFER trefflich untersucht worden, welcher gezeigt hat (wie zuerst HOFi\fEISTER beobachtet hatte), dasz sie mehr durch die Temperatur als durch den Wechsel von Licht und Dunkelheit ver­ ursacht oder regulirt werden. • Obschon sie die Reproductionsorgane des Nachts gegen Strahlung schiitzen miissen, so scheint dies <loch nicht ihre hauptsachliche Function zu sein, sondern mehr der Schutz der Organe gegen Kalte, Wind und besonders gegen den Regen wahrend des Tages. Das letztere scheint wahrscheinlich zu sein, da KERNER27 gezeigt hat, dasz eine sehr verschiedene Art von Bewegung, namlich das Niederbeugen des oberen Theils des Bliithenstiels in vielen Fallen demselben Zwecke dient. Das Schlieszen der BIO.then wird auch nachtliche Insecten fernhalten, welcbe zu ihrer Befruchtung schlecht angepaszt sein mogen, ebenso wie die gut angepaszten Arten

. zu Zeiten, wo die Temperatur nicht gunstig ist. Ob diese Bewegungen der Kronblatter, wie es wahrscheinlich ist, aus einer modificirten Cir­ cumnutation bestehen, wissen wir nicht.

Embryologie der Blittter. -• Im Laufe dieses Capitels sind einige wenige Thatsachen beilaufig dariiber mitgetheilt worden, was

 

26 Annal. des Sc. Natur. (Botan.) 1875, T. 1, p. 326-329.

21 Die Schutzmittel des Pollens, 1873, p. 30-39.

 

[page break] Cap. 7. Structur der erst.en Blatter. 353

man die Embryologie der Blatter nennen kann. Bei den meisten Pflanzen ist das erste Blatt, welches nach den Cotyledonen entwickelt wird, den von der erwachsenen Pflanze hervorgebrachten Blattern sehr llhnlich, aber dies ist nicht immer der Fall. Die ersten von einigen Species von Drosera, z. B. von D. capensis, hervorgebrachten Blil.ttern sind in der Gestalt von den von der erwachsenen Pflanze getragenen Blattem sehr verschieden und sind den Blll.ttern von D. rotundifolia ii.uszerst ii.bnlich, wie uns Professor WILLIAMSON von Manchester ge­ zeigt hat. Das erste echte Blatt des Ginster oder Ulex ist nicht schmal und stacbelf6rmig , wie es die alteren sind. Auf der andern Seite hat bei vielen Leguminosen, so z. B. bei Cassia, Acacia lophantha. etc., das erste Blatt wesentlich denselben Character wie die ii.lteren Blatter, ausgenommen, dasz es weniger Blattcben tragt. Bei Trifolium tragt das erste Blatt meistens nur ein einziges Blllttchen anstatt drei, lmd dieses weicht in der Gestalt etwas von dem ent­ sprechenden Blattchen an den alten Blii.ttern ab. Nun war bei Tri­ folium pannonicum das erste echte Blatt bei mancben Sii.mlingen ein­ blii.ttrig und bei andern vollstandig dreiblattrig, und zwischen diesen zwei extremen Zustanden fanden sich alle Arten von 0-bergii.ngen. Einige Samlinge trugen ein einziges mehr oder weniger tief an einer oder beiden• Seiten eingeschnittenes Blattchen, und einige trugen ein ein­ zelnes weiteres• und vollkommenes seitliches Blllttchen. Wir haben daber bier die seltene Gelegenheit, eine Bildung, welcbe einem vorgeriickteren Alter eigen ist, im Acte des allmii.lichen Ober­ greifens und Ersetzens eines friiberen oder embryologischen Zustandes zn sehen.

Die Gattung Melilotus ist mit Tri{olium nahe verwandt, und das erste Bla.tt trii.gt nur ein einzelnes Blattchen, welches des Nachts um seine Achse rotirt, so dasz es einen Seitenrand dem Zenith darbietet. Es schlaft daher wie das terminale BULttchen einer erwachsenen Pflanze, wie in 15 Species beobachtet. wurde, und ganzlich verschieden von dem entsprechenden Blll.ttchen von Trifolium , welches sich einfach auf­ wii.rts biegt. Es ist daher eine merkwiirdige Thatsache, dasz in einer unter diesen 15 Species, nii.mlich M. taurica (und in einem geringeren

.Grade noch in zwei anderen) von jungen Sprossen ansgehende Blii.tter, welche an Pflanzen sich entwickelten, die wahrend des Winters ein­ geschnitten und im Gewachshaus in Topfen gehalten wurden, gleich den Blii.ttern eines Trifolium schliefen, wii.hrend die Bllltter an den

DARWIN, Bewegungsvermogen. (XIII.) 28

 

[page break] 354 Structur der ersten Blatter. Cap. 7.

voll ausgewacbsenen Zweigen an den nii.mlichen Pflanzen spliter normal wie die eines Melilotus scbliefen. Wenn jnnge aus der Erde sich erhebende Schoszlinge als neue Individuen betrachtet werden kOnnen, die in einer gewissen Ausdehnung die Natur von Sltmlingen theilen, so kann die eigenthiimlicbe Art, in welcher ihre Bllitter schlafen, als eine embryologische Gewohnbeit betrachtet werden, wahr­

. scbeinlicb als das Resultat davon, dasz Melilotits von irgend einer Form abstammt, welcbe gleicb einem Trifolium scblief. Diese Ansicht wird zum Theil dadurch unterstutzt, dasz die Bl!!.tter an alten und jungen Zweigen einer anderen Species llf. messanensis (nicht unter den obigen

15 Species mit inbegriffen) immer gleicb denen eines Trifoliwin

schlafen.

Das erste echte Blatt von +lJ.imosa albida besteht aus einem ein-

, facben Blattstiele , welcher hll.ufig drei Paare von Blattchen tragt, welche slimmtlicb von nahezu gleicher Grosze und von derselben Ge­ stalt sind: das zweite Blatt weicbt von dem ersten bedeutend ab und ist dem an einer erwachsenen Pflanze abnlich (s. Fig. 159 p. 323). Denn es besteht aus zwei Fiedern , von denen jede zwei Paare von Blattchen tragt, von denen das innere, basale sehr klein ist. Aber an der Basis einer jeden Fieder finden sich ein paar minutiose Spitzchen, offenbar Rudimente von Blll.ttchen; denn sie sind von ungleicher Grosze gleicb den zwei vorausgehenden Blattchen. Diese Rudimente sind in einem gewissen Sinne embryologisch, denn sie existiren nur wlihrend der Jugend des Blattes. Sobald es vollstandig erwachsen ist , fallen sie ab und verschwinden.

Bei Desmodium gyrans sind die zwei seitlicben Blattchen sehr

viel kleiner als die entsprechenden Illattchen bei den meisten Species in dieser groszen Gattung ; sie variiren aucb in der Stellung und Grosze; eines oder beide fehlen zuweilen, und sie schlafen auch nicbt, wie die voll entwickelten Blattchen. Si.e konnen daber als beinabe rudimentar betracbtet werden , und in U.bereinstimmung mit den all­ gemeinen Grundsatzen der Embryologie sollten sie bei sehr jungen Pflanzen constanter und vollstandiger entwickelt sein als an alten Pflanzen. Dies ist aber nicht der Pall, denn sie fehlten vollstandig an einigen jungen Samlingen und erscbienen nicht eher, als bis von.

10 bis 20 Blatter gebildet worden waren. Diese Thatsache fiihrt uns auf die Vermuthung, dasz D. gyrans durch eine einblattrige Form von denen einige existiren) von einer dreiblattrigen Species abstammt,

 

[page break] Cap. 7. Structur der ersten Blatter. 355

und dasz die kleinen seitlichen Blattchen in Folge von Riickschlag wieder erscheinen. Wie sich dies aber auch verhalten moge, die inter­ essante Thatsache, dasz die Polster oder Bewegungsorgane dieser kleinen Blattchen nicht annahernd so bedeutend reducirt sind, als ibre Blatt­ scheiben (wenn wir das grosze terminale Blattchen als Vergleichungs­ maszstab annebmen) , gibt uns wahrscbeinlicb die entfernte Ursache ihres auszerordentlicben Drehungsvermogens.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

28*

 

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Aohtes Capitel,

M:odiflcirte Circumnutation: Dnrch das Licht angeregte Be­ wegungen.

I

Unterschied zwischen Heliotropismus und den Wirkungen des Lichte auf die Perio­ dicitat der Bewegungen von Blattern. - Heliotropische Bewegungen von Beta, Solanum, Zea und Avena. - Heliotropische Bewegungen nach einem schwachen Lichte bin bei Apios, Brassica, Phalaris, Tropaeolum und Cassia. - Apheliotropische Bewegungen der Ranken von Bignonia. - Der Bliithen­ stengel von Cyclamen. - Eingraben der Samenkapsel. - Heliotropismus und A pheliotropismus modificirte Formen •von Circumnutation. - Schritte , durch welche eine Bewegung in die andere umgewandelt worden ist. - Transversaler Heliotropismus oder Diaheliotropismus, beeinfluszt von Epinastie, dem Gewichte des Theils und Apogeotropismus. - Apogeotropismus wi1hrend der Mitte des Tags von Diaheliotropismus iiberwaltigt. - Wirknngen des Gewichts der Cotyledonscheiben. - Sogenannter Tagesschlaf. - Chlorophyll durch inten­ sives Licht geschadigt. - Bewegungen um intensives Licht zu vermeiden.

SACHS wies zuerst klar auf den bedeutungsvollen Unterschied zwischen der Wirkung des Lichtes hin, als einmal die periodischen Bewegungen der Bllttter modificirend und als die Ursache, dasz sich dieselben nach der Lichtquelle hinbiegen 1 Die letzteren oder helio­ tropischen Bewegungen warden dnrch die Richtung des Lichtes be­ stimmt, wahrend periodische Bewegungen durch Veranderungen in seiner lntensitat und nicht durch seine Richtung afficirt werden. Die Perio­ dicitiit der circumnutirenden Bewegungen dauert oft einige Zeit lang noch im Dunkeln fort, wie wir im letzten Capitel gesehen haben, wl!.hrend heliotropische Wirkung sehr schnell aufMrt, wenn das Licht vergeht. Trotzdem sind Pflanzen, welche in Folge lang anhaltender Dunkelheit aufgeMrt haben , sich periodisch • zu bewegen, wenn sie wieder dem Lichte ausgesetzt werden, noch immer nach der Angabe von SACHS heliotropisch.

1 Physiologie vegetale (franz. Ubersetz.), 1868. p. 42, 517 etc.

 

[page break] Cap. 8. Durch Licht angeregte Bewegungen. 357

Unter Apbeliotropismus oder, wie er gewOhnlich bezeichnet wird, negativem Heliotropismus versteht man, dasz eine Pflanze, wenn sie auf den zwei Seiten ungleich beleuchtet wird, sich, anstatt wie in der letzten Unterclasse von Fil.Hen nach dem Lichte hinzubiegen, von dem Lichte wegbiegt; es ist aber Apheliotropismus vergleichsweise selten, wenigstens irl einem gut ausgesprochenen Grade. Es gibt noch eine dritte grosze Unterclasse von Fiillen, nltmlich die von Transversal­ Heliotropismus von FRANK, welchen wir bier Diaheliotropismus nennen wollen. Unter seinem Einflusse stellen sich Pflanzentheile mebt- oder weniger quer zu der Richtung , von welcher das Licht ausgeht , und werden in dieser Weise voll beleuchtet. Es gibt noch eine vierte Unter­ classe, soweit die Endursache der Bewegung in Betracht kommt ; denn die Bllttter einiger Pflanzen richten sich, wenn sie einem intensiven und schadlichen Grade von Licht ausgesetzt werden, durch Rehung oder Senkung oder Drehung so, dasz sie weniger intensiv beleuchtet werden. Derartige Bewegungen sind zuweilen Tagesschlaf genann worden. Wenn es fiir zweckmaszig gehalten werden sollte, kOnnte man sie paraheliotropisch nennen, und dieser Ausdruck wiirde mit unseren anderen Bezeichnungen iibereinstimmen.

In dem vorliegenden Capitel wird gezeigt werden, dass die sltmmt­ lichen unter diesen vier Unterclassen begriffenen Bewegungen in modificirter Circumnutation bestehen. Wir wollen nicht behaupten, dasz,. wenn ein Pflanzentheil, so lange er noch wll.chst, nicl1t circum­ nutirte, obschon eine solche Vermuthung auszerst unwahrscheinlicb ist, er sich nicht nach dem Lichte hinbiegen konne , aber den Tbatsachen nach scheint Heliotropismus immer in modificirter Circumnutation zu bestehen. Jede Art von Bewegung in Bezng auf das Licht wird offenbar dadurch bedeutend erleichtert werden, dasz ein jeder Theil circum­ nutirt oder sich nacheinander in allen Ricbtungen biegt, so dasz eine bereits vorhandene Bewegnng nur in irgend einer Ricbtung vergroszert zu werden und in den andern Richtungen vermindert oder gehemmt zu werden braucht, damit er heliotropisch, apheliotropisch u. s. w., wie der Fall gerade liegen mag , werden kann. Im niichsten Capitel werden einige Beobacbtungen iiber die Empfindlichkeit der Pflanzen gegen Licht mitgetheilt werden, die Geschwindigkeit, mit welcber sie

sich nach ihm hinbiegen, und die Genauigkeit , mit welcher sie nach der Lichtquelle hinweisen u. s. w. Spater wird gezeigt werden und dies scheint uns ein Punkt von groszem Interesse zu sein -

 

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358 Modificirtc Circumnutation. Cap. 8.

dasz die Empfindlichkeit gegen das Licht zuweilen auf einen kleinen Theil der Pflanze beschrankt ist, und dasz dieser Theil, wenn er durch das Licht gereizt wird, einen Einflusz auf entfernt liegende Theile hin­ leitet und sie dadurch zum Biegen reizt.

Heli otropismus. - Wenn eine Pflanze, welche stark beliotropisch ist (und die Species weichen in dieser Beziehung •bedeutend ah), einem hellen seitlichen Lichte ausgesetzt wird, so biegt sie sich schnell nach ibm hin, und der vom Stamme dabei eingeschlagene Weg ist voll­ kommen oder nahezu gerade. Wenn aber das Licht bedeutend getriibt ist oder gelegentlich unterbrochen oder nur in einer unbedeutend schragen Richtung zugelassen wird , so wird der eingeschlagene Weg mehr oder weniger zickzackformig und, wie wir gesehen haben und noch weiter sehen werden, ist eine derartige Zickzackbewegung das Resultat der Verlangerung oder des Ausziehens der Ellipsen, Schleifen etc., welche die Pflanze beschrieben haben wiirde, wenn sie von oben •be­ leuchtet worden ware. Bei mehreren Gelegenheiten wurden wir von dieser Thatsache sehr frappirt, wahrend wir die Circumnutation in hohem Grade empfindlicher Samlinge beobachteten, welche unabsicht­ lich etwas schrag oder nur in aufeinanderfolgenden Zeitintervallen beleuchtet wurden.

So wurden beispielsweise zwe1 Junge Samlinge von Beta vitlgaris in die Mitte eines Zimmers mit Nordost-Fenstern gestellt und mit Ausnahme der Zeit jeder Beobachtung, welche nur eine oder zwei Minuten dauerte, bedeckt gehalten; das Resultat war aber, dasz ihre Hypocotyle sich nach der Seite hinbogen, von welcher gelegentlich etwas Licht eintrat, und zwar in Linien, welche nur unbedeutend zickzackformig waren. Obgleich

 

 

 

 

 

 

 

 

} ig". 168. Beta i•itlgaris: Circumnutntion des Hypocotyl , dadurch abgelenkt, da8Z das Licht un. bedeutend seitlich war, an einer horizontalen Glasplat.te von 8.30 a. m. bis 5.30 p. m. aufgezeichnet. Richtung des angeztindeten ,vachskerzchens, mit welchom '3r boleuchtct wurde, durch einc , deu ersten und den vorletztcn Punkt verbindende Lin\e dnrgHstellt. .Figur auf ein Drittel der Origina.1- gr0sze reducirt.

 

nicht eine einzige Ellipse auch nur annahernd gebildet wurde, so schlossen wir doch nach den zickzackformigen Linien, und wie es sich herausstellte ganz richtig, dasz ihre Hypocotyle circumnutirten; denn am folgenden

 

[page break] Cap. 8. Heliotropismus. 359

rage wurden diese namlichen Samlinge in ein vollstandig verdunkeltes Zimmer gestellt: wir beobachteten sie jedesmal mit Hilfe eines kleinen Wachsziinders, welcher beinahe direct iiber sie gehalten wurde, und ihre Bewegungen wnrden an einer horizontalen Glasscheibe dariiber aufgezeichnet. Und nun circumnutirten ihi-e Hypocotyle deutlich (Fig. 168 und Fig. 36, die friiher auf pag. 40 mitgetheilt wurde). Doch bewegten sie. sich eine kurze Strecke weit nach' der Seite hin, wo der W.achsziinder gehalten wnrde. Wenn wir diese Zeichnungen betrachten und annehmen,•dasz der Wachsziinder mehr auf eiuer Seite gehalten worden ware, und die noch immer circumnutirenden Hypocotyle sich innerhalb derselben Zeit viel mehr nach dem Lichte hingebogen hiitten, so wiirden offenbar lange Zick­ zacklinien das Resultat gewesen sein.

Ferner wurden zwei Siirnlinge von Solanum lycopersicum von oben

beleuchtet, aber zufiillig trat ein wenig mehr Licht auf einer Seite als auf der audern ein, und ihre Hypocotyle wurden unbedeutend nach der helleren Seite hin gebogen; sie bewegten sich in

einer zickzackformigen Linie und beschrieben in ihrern Wege zwei kleine Dreiecke, wie in Fig. 37 (pag. 41) zu sehen ist, und auch noch in einer nicht mitgetheilten .A.ufzeichnung. Die scheiden­ artigen Cotyledonen von Zea mays benahmen sich unter nahezn iihnlichen umstiinden in einer nahezu iihnlichen .A.rt und Weis•e, wie in unserern ersten Capitel beschrieben wurde (pag. 52). Denn sie beugten sich wiihrend des ganzen Tages nach einer . Seite, beschrieben indesz auf ihrem Wege einig11 deutliche Biegungen. Ehe wir wuszten, wie be­ deutend gewolmliche Circumnutation durch ein seitliches Licht rnodificirt wird, wurden einige Hafer siimlinge rnit verhiiltnismiiszig alten und daher nicht in hohem Grade sensitiven Cotyledonen vor ein Nordost-Fenster gestellt, gegen welches sie sich den ganzen Tag in einem stark zickzack­ artigen Verlaufe bogen. Am folgenden Tage fuhren sie fort, sich in derselben Richtung zu biegen (Fig. 169), aber bewegten sich viel weniger irn Zickzack. Der Himmel wurde indesz zwischen

12.40 und 2.35 p. m. mit auszerordentlich dunk- len Gewitterwolken iiberzogen, und es war inter­

 

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essant zu bemerken, wie deutlich die Cotyledonen wahrend dieses Intervalls circumnutirten.

Die vorstehenden Beobachtungen sind von einigem Werthe, da sie gernach t worden sind, als wir nicht anf Heliotropismus achteten, und sie

 

}'ig. 169. Avena aativa: Helio­

tropische Bewegung und Oircnm nutation eines scheidnnartlgen Cotyledons (von 1½ Zoll Hohe) an eiuer horizontalen Glasplatte Yon 8 a. m. bis 10.25 p. m.,

16. Oot., aufgezeichnet.

 

fiihrten uns darauf, an mehreren Arten von Siimlingen in der Weise Ver­ suche anzustellen, dasz wir sie einem schwachen seitlichen• Lichte aus­ setzten, so dasz wir die Abstufungen zwischen gewohnlicher Circumnutation und Heliotropismus beobachten konnten. Samlinge in Topfen wurden vor ein Nordost-Fenster und ungefiihr ein Yard davon entfernt gestellt; an

 

[page break] 360 Modificirte Circumnutation. Cap. 8.

 

jede Seite und tlber die Tllpfe warden schwarze Bretter gestellt; nach . hinten blieben die Topfe offen ffir das diffuse Licht des Zimmers, welches noch ein zweites Nordost- und ein Nordwest-Fenster hatte. Durch Auf-

hii.ngen von einem oder mehreren Vorhiingen vor

dem Fenster, wo die Samlinge standen, war es leicht das Licht abzuschwiichen, so dasz sehr wenig mehr auf diesei Seite eintrat als auf der entgegengesotzten, welche das diffuse Licht des Zimmers erhielt. Spat am Abend wnrden die Vorhiinge nach einander entfernt, und da die Pflanzen wahrend des Tages einem sehr trfiben Lichte ausgesetzt worden waren, fuhren sie fort

;;ich noch spitter am Abende nach dem Fenster hinzubiegen, als sonst eingetreten sein wfirde. Die meisten der Samlinge warden ausgewahlt, weil von ihnen bekannt war, dasz sie gegen Licht in hohem Grade empfindlich seien, und einige, weil sie nor wenig empfindlich waren, oder so geworden waren, als siu herangewachsen waren. Die Be­ wegungen wnrden in der gewi:ihnlichen Weise anf Piner horizontalen Glasplatte aufgezeichnet; ein Glasfaden mit kleinen Dreieckrhen von Papier war in einer aufrechten• Stellung an die Hypo­ cotyle angekittet worden. Sobald nur immer der Stamm oder Hypocotyl bedeutend nach dem Lichte hingebogen wurde, mnszte der letzte Theil seines Laufes an einer senkrechten Glasscheibe auf­ gezeichnet werden, die dem Fenster parallel und rechtwinklig zur horizontalen Glasdecke standen.

Apios graveolens. - Der Hypocotyl biegt sich in wenigen Stnnden rechtwinklig nach einem hellen seitlichen Lichte hin. Um zu er­ mitteln, wie geraJe der Weg sein wfirde, den er einschliige, wenn er ziemlich gut anf einer Seite beleuchtet wfirde, warden Samlinge zuerst vor ein Siidwest-Fenster an einem wolkigen und regnerischen Morgen gestellt, und die Bewegung zweier Hypocotyle wurde drei Stunden hindarch

 

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Fig. 170. .A.piott grm•eol ns: Hellotropische Bew gung des Hypo­ cotyls (0.45 Zoll hocb) nach einem miiszig hellen, seitlichen Lichte hin, an einer horizontalen Glas­ schelbe von 8.30 a. m. bis 11.30

a. m., am 18. Sept., aufgezei<'h­ Het. Figur auf ein l>rittel der

OriginalgrOszo red ucirt.

 

aufgezeichnet, wahrend welcher Zeit sie bedeu­ tend nach dem Lichte hingebogen wurden. Eine dieser Aufzeicbnungen wird hier (Fig. 170) mit­ getheilt, und man sieht, dasz der Lauf beinahe gerade ist. Aber die Lichtmenge war bei dieser Gelegenheit fiberfliissig, denn zwei Sii.mlinge wur­ den vor ein Nordost-Fenster gestellt, welches

 

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durch einen• gewohnlichen Leinen- und zwei Musselinvorhange beschfitzt war, und docb bewegten sich ibre Hypocotyle nach diesem verhaltnis­ maszig schwachen Lichte in nur unbedeutenden Zickzacklinien; aber nach

4 Uhr p. m., wie das Licht allmahlich schwand, wurden die Linien deutlich

 

[page break] .Cap. 8. Heliotropismus. 361

zickzackformig. UbArdies beschrieb einer dieser Sii.mlinge am Nachmittage eine Ellipse von betrachtlicher Gr.osze, deren langere A.xe nach dem Fenster hingerichtet war.

Wir beschlossen nun, . dasz das Licht hinreichend schwach ge­ macht warden miisse, und fiengen daher damit an, mehrere Samlinge dem Lichte vor einem Nordost-Fenster zu exponiren, welches durch einen Leinen-, drei Musselinvorhange und ein breites Handtuch geschiitzt war. Es drang aber so wenig Licht ein, dasz ein Bleistift keinen wahrnehm­ baren Schatten auf weiszen Carton warf, und die Hypocotyle bogen sich durchaus nicht nacb dem Fenster hin. Wahrend dieser Zeit von 8.15 bis

10.50 a. m. bewegten sicb die Hypocotyle im Zickzack oder circumnutirten

 

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}"'ig. 171. Apioa graveolens: Heliotropische Bewcgung und Circumnutation der Hypocotyle zweier Stimlinge nach einem schwachen seitlichen Lichte bin, an einer horizontalen Glaiplatte wiihrend des Tages aufgezeiobnet. Die unterbrocbene Linie zeigt ihren ni'ichtlichen rilckli:iufigen Weg. HOhe des Hypocotyls von A 0.5 und von B 0.55 Zoll. Figur auf die Hiilfte der Grosze des Originals

reducirt.

 

in der Nahe desselben Flecks, wie in A (.Fig. 171) zu sehen ist. Es wurde daher um 10.50 a. m. das Handtuch entfernt und durch zwei Musselinvorbange ersetzt, und nun trat das Licht durch ein gewobnliches leinenes Rouleau und vier Musselinvorhange. Wenn ein Bleistift aufrecht

 

[page break] 862 Modificirte Circumnutation. Cap. 8.

vor ein Stuck Carton dicht bei den Sii.mlingen gehalten wurde, so warf er vom Fenster ausgehend einen Schatten darauf, welcher nur so eben noch unterschieden werden konnte. Und doch genugte dieser sehr un­ bedeutende tiberschuss von Licht auf einer Seite, um die Hypocotyle sammtlicher Sii.mlinge unmittelbar zu veranlassen, sich in Zickzacklinien nach dem Fenster hinzubiegen. Der Verlauf eines derselben ist in A (Fig. 171) dargestellt: Nachdem er sich von 10.50 a. m. bis 12.48 p. m. nach dem Fenster hin bewegt hatte, bewegte er sich vom Fenster ab und kehrte dann in einer nahezu parallelen Linie wieder zurilck, d. h. er voll­ endete zwischen 12.48 und 2 Uhr p. m. eine enge Ellipse. Spat am Abend, als das Licht schwand, Mrte der Hypocotyl auf sich nach dem Fenster hinzubiegen und circumnutirte in geringem Masze rings um den nii.mlichen Fleck; wahrend der Nach't bewegte er sich betrachtlich ruck­ warts, d. h. er wurde mehr aufrecht, und zwar durch die Wirkung des Apogeotropismus. In B haben wir eine Zeichnung der Bewegungen des andern Sii.mlings von der Stunde an (10 p. m.), als das Handtuch ent­ fernt wurde, und sie ist in alien wesentlichen Beziehungen der vorher­ gehenden ahnlich. In diesen zwei Fallen konnte darilber kein Zweifel bestehen, dasz die gewohnliche circumnutirende Bewegung des Hypocotyls modificirt und heliotropisch gemacht worden war.

Brassica oleracea. - Der Hypocotyl des Kohls circumnutirt, wenn er nicht durch ein seitliches Licht gestort wird, in einer complicirten Art und Weise naliezu um denselb1m Fleck, und es wird eine frilher schon

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 172. Bra.. ica ol,rac,a: Gewohnllche clrcumnutlrende Beweg ng des Hypocotyls elner Siimllngspllaue.

 

mitgetheilte Figur hier reproducirt (Fig. 172). Wenn der Hypocotyl einem maszig starken, seitlichen Lichte ausgesetzt wird, so bewegt er sich schnell nach dieser Seite bin und bewegt sich in einer geraden oder nahezu ge­ raden Linie. Wenn aber das seitliche Licht sehr schwach ist, wird sein Verlauf ii.uszerst gewunden und besteht offenbar aus modificii-ter Circum­ nutation. Sii.mlinge wurden vor ein Nordost-Fenster gestellt, welches durch ein Leinenrouleau und Musselinvorhii.nge und durch ein Handtuch geschiitzt

 

[page break] Cap. 8. Heliotropismus. 363

wurde. Der Himmel war wolkig, und so oft dio Wolken ein. wenig heller wurden, wurde ein weiterer Musselinvorhang zeitweise aufgehangt. Das Licht vom Fenster her wurde in dieser Weise so stark geschwacht, dasz, nach dem Eindrucke des unbewatfneten Auges zu urtheilen, die Samlinge angenscheinlich mehr Licht vom Innern des Zimmers als vom Fenster her erhielten; dies war aber nicht wirklich so der Fall, wie es sich durch einen sehr sGhwach von einem Bleistifte auf Carton geworfenen Schatten zeigte. Nichts desto weniger

war dieser auszerst geringe Uberschusz von Licht auf einer Srite die Ursache davon, dasz die Hypocotyle, welche am Mor­ gen aufrecht standen, sich recht­ winklig nach dem Penster hin­ bogen, so dasz am Abend (nach

4.23 p. m.) ihr weiterer Verlauf auf einer senkrechten Glas­ scheibe parallel mit dem Fenstr r aufgezeichnet werden muszte. Es musz noch angegeben werden, dasz um 3.30 p. m., um welche Zeit der Himmel dunkler ge­ worden war, das Handtuch ent­ fernt und durch einen weiteren . Musselinvorhang ersetzt wurde, welcher seinerseits wieder um 4 p. m. entfernt wurde, wahrend die andern zwei aufgehangt ge­

 

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lassen wurden. In Fig. 173 ist

d r zwischen 8.9 a. m. und

7.10 p. m. von einem der i'n dieser Weise exponirt gewesenen Hypocotyle eingeschla­ gene Lauf dargestellt. Es ist zu beobachten, dasz wahrend der ersten 16 Minuten der Hypocotyl sich schrag von dem Lichte wegbewegte, und dies war ohne Zweifel Folge davon, dasz er damals in dieser Rich­ tnng circumnutirte. Ahnliche Falle wurden wiederholt be­ obacl1tet, und ein schwaches Licht rief selten oder niemals

irgend eine Wirkung hervor, bis

 

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Fig. 173. Bra1Jaica oleracea: Heliotropisc:he Bewegung nnd Cireumnutation eines Hypocotyls nach einem sehr schwachen seitlichen Lichte hin, wiihrend 11 Stunden, am Morgen an einer horizontalen und am Aboud an einer senkrechten Glnsscheibe aufgezeichnet. Figur hier auf ein Drittel der Originalgr0sze reducirt.

 

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eine oder ¾ Stunden Zeit vergangen waren. Nach 5.15 p. m., um welche Zeit das Licht dunkel geworden war, fieng der Hypocotyl an, um den nam­ lichen Fleck zu circumnutiren. Der Contrast zwischen den beiden Figuren (172 und 173) wfirde noch auffallender gewesen sein, wenn sie urspriinglich

 

[page break] 364 Modificirte Circumnutation. Cap. 8.

nach demselben lllaszstabe gezeichnet und gleichmaszig reducirt worden waren. Aber die in Fig. 172 dargestellten Bewegungen waren zuerst starker vergroszert und sind auf die Halfte des Maszstabes des Originals verkleinert, wahrend diejenigen in Fig. 173 zuerst weniger vergroszert

und bier auf -l/3 des Maszstabes reducirt worden sind. Eine zu der nam­

lichen Zeit wie die letzten vor der Bewegung eines zweiten Hypocotyls

angefertigte Zeichnung bot ein sehr analoges Ansehen dar; er bog sich aber nicht so bedeutend nach dem Lichte bin und circumnutirte verhalt­ nismaszig deutlicher.

Phalaris canariensis. - Die scheidenartigen Cotyledonen dieser monocotyledonen Pflanze wurden zum Versuche ausgewiihlt, weil sie gegen Licht sehr empfindlich sind und gut ci.rcumnutiren , wie friiher gezeigt

wurde (s. Fig. 49 p. 51). Obgleich wir iiber das Resultat nicht zweifel­ haft waren, wurden doch einige Sam­ linge zuerst vor ein Siidwest-Fenster

an einem miiszig hellen Morgen ge­

 

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stellt, und die Bewegung eines der­ selben wurde aufgezeichnet. Wie es so hii.ufig ist, bewegte er sich fiir die ersten 45 Minuten in einer zick­ zackformigen Linie, dann fiihlte er den vollen Eindruck des Lichts und bewegte sich wahrend der nachsten

2 Stunden 30 Minuten in einer bei­ nahe geraden Linie nach ihm hin. Die Zeichnung ist bier nicht mit­ getheilt worden, da sie beinahe iden­ tisch mit der von Apios unter ii.hn­ lichen Umstiinden war (Fig. 170). Um Mittag hatte er sich in vollem Masze gebogen; dann circumnutirte er ziem• lich um denselbeu Fleck und beschriel> zwei Ellipsen; um 5 p. m. hatte et• sich betrachtlich vom Lichte zuriick­ gezogen durch die Wirkung des Apo­ geotropismus. Nach einigen vorlau­ figen Versuchen zur Ermittelung des

 

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1',ig. 174. Phalaria canm•ie11sis: Heliotropische Bewegung und Circumnutation eines ziemlich n1ten Cotyledon nach etnem schwachcn seit­ lichen Lichte hin, auf einer horizontalen Glasplatte von 8.15 a. m., 16. Sept., bis 7.45

a. m., 17., aufgezetchnet. Figur bier auf ein Dri ttel der Originalgr0sze reducirt.

 

richtigen Grades von Dunkelheit wur­ den einige Siimlinge (16. September) vor ein Nordost-Fenster gestellt, und es wurde das Licht durch einen ge­ wohnlichen leinenen und drei Mus­ selinvorhiinge zugelassen. Ein dicht

 

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vor den 'fopf gehaltener Bleistift warf nun einen sehr schwachen Schatten auf weiszen Carton vom Fenster weggerichtet. Am Abend um 4.30 und wieder um 6 p. m. wurden einige der Vorhange entfernt. In Fig. 174 sehen wir den unter diesen Verhii.ltnissen von einem ziemlich alten und nicht sehr empfindlichen Cotyledon von 1.9 Zoll Rohe eingeschlagenen

 

[page break] Cap. 8. Heliotropismus. 365

Weg. Derselbe wurde stark gebogen, beugte sich aber niemals recht winklig nach dem Lichte zu. Von 11 a. m., wo der Himmel etwas trllb wurde, bis 6.30 p. m. war die Zickzackbewegung augenffillig und bestand offenbar aus ausgezogenen Ellipsen. Nach 6.30 p. m. und wahrend der Nacht zog er sich in einer krummen Linie vom Fenster zurO.ck. Ein anderer und jO.ngerer Samling bewegte sich wahrend derselben Zeit viel schneller und bis in eine viel groszere Entfemung in einer nur unbedeu­ tenden Zickzacklinie nach dem Lichte hin; um 11 a. m. war er beinahe rechtwinklig in dieser Richtung gebogen und circumnutirte nun um den­ selben Fleck.

Tropaeolum majus. - Einige sehr junge Samlinge, die nur zwei

Blatter trugen und daher noch nicht bis zum kletternden Alterszustande gekommen waren, wurden zuerst vor einem Nordost-Fenster ohne irgend einen Vorhang dem Versuche unterworfen. Die Epicotyle beugten sich so schnell nach d'em Lichte hin, dasz in wenig mehr als drei Stunden ihre Spitzen rechtwinklig nach ihm hinwiesen. Die anfgezeichneten Linien waren entweder nahezn gerade oder unbedeutend zickzackformig, und in diesem letzteren Falle sahen wir, dasz eine Spur von Circumnutation selbst unter dem Einfl.usse eines maszig hellen Lichtes beibehalten wurde. Es wurden, wahrend diese Epicotyle sich nach dem Fenster hinbogen, zwei­ mal alle fiinf oder sechs Minuten Punkte gemacht, um jede Spur einer seitlichen Bewegnng zu entdecken, es fand sich aber kaum eine solche vor, und die aus der Verbindung der Punkte gebildeten Linien• waren nahezu gerade oder nur sehr unbedeutend zickzackformig, wie in den an­ deren Theilen der Figuren. Nachdem die Epicotyle sich bis zum hochsten Grade nach dem Lichte hinirebogen batten, wurden Ellipsen von betracht­ licher Grosze in der gewohnlichen Weise beschrieben.

Nachdem wir gesehen batten, wie die Epicotyle sich nach einem maszig hellen Lichte hinbewegten, wnrden Samlinge nm 7.48 a. m. (7. September) vor ein Nordost-Fenster gestellt, welches mit einem Hand­ tuche und kurze Zeit spater mit einem gewohnlichen leinenen Vorhange bedeckt wurde. Aber die Epicotyle bewegten sich noch immer nach dem Fenster hin. Um 9.13 a. m. wurden zwei weitere Musselinvorhange auf­ gehangt, so dasz d._ie Samlinge sehr wenig mehr Licht von dem Fenster her erhielten, als von dem Innern des Zimmers. Der Himmel schwankte in der Helligkeit, und die Samlinge erhielten gelegentlich eine kurze Zeit lang weniger Licht vom Fenster her als von der entgegengesetzten Seite (wie durch das Werfen -eines Schattens ermittelt wurde), und dann wurde einer der Vorhange zeitweise entfernt. Am Abend wurden die Vorhange einer nach dem andern weggenommen. Der unter diesen Verhaltnissen von einem Epicotyl zuriickgelegte Weg ist in Fig. 175 dargestellt. Wah­ rend des ganzen Tages bis 6.45 p. m. beugte er sich deutlich nach dem Lichte hin, und die Spitze bewegte sich O..ber einen betrli.chtlichen Raum hin. Nach 6.45 p. m. bewegte er sich rO.ckwarts, oder vom Fenster weg, bis 10.45 p. m., wo der letzte Punkt gemacht wurde. Wir haben daher hier eine deutliche heliotropische Bewegung, welche mittelst sechs ver­ langerter Figuren ausgefo.hrt wnrde (welche, wenn alle paar Minuten Punkte gemacht worden waren, mehr oder weniger elliptisch geworden wli.ren); sie war1m nach dem Lichte bin gerichtet und die Spitze einer

 

[page break] 366 Modifi.cirte Circumnutation. Cap. 8.

jeden der aufeinanderfolgenden Ellipsen dem Fenster nii.her, als die vor­ hergehenden. Wenn nun das Licht nur ein wenig heller gewesen wii.re, wiirde sich der Epicotyl mehr nach dem Lichte hingebogen haben, wie

 

 

 

 

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:Fig. 175. Tropaeolum majua: Heliotropische Bewegung und Oircumnutation des Epicotyls eines jungen SiimHngs nnch einem schwachen seitlichen Lichte hin, auf ciner horizontalen Glasplatte von

7.48 a. m. bis 10.40 p. m. aufgezeichnet. Figur bier auf die Hiilfte der Orlgiualgr0sze reducirt.

 

wir aus den vorhergehenden Versuchen mit Sicherheit schlieszen konnen; es wiirde auch weniger seitliche Bewegung eingetreten sein und die Ellipse oder die anderen Figuren wiirden im stark ausgesprochenen Zickzack­ verlaufe ausgezogen worden sein, wobei sich wahrscheinlich ein oder zwei kleine Schleifen gebildet haben wiirden. Wenn das Licht viel heller ge­ wesen ware, wiirden wir nur eine unbedeutend zickzackfiirmige oder eine vollkommene gerade Linie gehabt haben; denn es wiirde dann viel mehr Bewegung in der Richtung des Lichtes und viel weniger von einer Seite zur anderen eingetreten sein.

SACHS gibt an, dasz die iilteren Internodien dioses Tropaeolum aphe­ liotropisch sind; wir stellten daher eine 11 ¾. Zoll hohe Pflanze in einen innen geschwii.rzten Kasten, welcher auf einer Srite vor einem Nordost­

Fenster ohne irgend einen Vorhang offen war. Ein Glasfaden wurde an das dritte Internodium vom Gipfel aus an einer Pflanze und an das vierte Internodium einer anderen befestigt. Diese Internodien waren entwnder nicht alt oder das Licht nicht hell genug, um Apheliotropismus zu ver­ anlassen, denn beide Pflanzen bogen sich langsam ansta tt vom Lichte weg wii.hrend vier Tagen nach ihm hin. Der wiihrend zweier Tage von dem ersterwii.hnten Internodium zuriickgolegte Weg ist in Fig. 176 mit­ getheilt, und wir sehen, dasz es entweder in einem geringon Grade circum­ nutirte oder in einer zickzackformigen Linie nach derri Lichte sich hin-• bewegte. Wir haben gemeint, dasz dieser Fall von schwaclwm Helio-

 

[page break] Cap. 8. Heliotropismus. 367

tropismu8 in einem der ii.lteren Internodien einer Pflanze, welche, 80 lange sie jung i8t, 80 au8zerst empflndlich gegen Licht ist, der Mittheilung werth 8ei.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Fig. 176- Tropaeolwn majm: Heliotrop!sche Bowegung und Circumnutation eine alten In­ ternodium nach einem seitlichen Lichte bin, auf einer horizontalen Glasplatto von 8 a, m., 2. Nov., bis 10.20 a. m., am 4., aufgezeiclurnt. Die unter­ brochenen Linien geben den niichtlichen Lnuf.

 

 

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Fig. 177. Oa88ia tora: Hellotropische Bewegung und Circumnutation oines Hypocotyls (von I½ Zoll H0he) an einer horizontalen Glasscheibe von 8 a. m. bis JO.JO p. m., 7. Oct., aufgezeich­ net. Auch seine Circumnutation tm Dunkeln von 7 a. m., 8. Oct., bis 7.45 a. m., 9. Oct.

 

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Cassia tora. - Die Cotyledonen dieser Pflanze sind auszerst em­ pflndlich gegen das Licht, wahrend die Epicotyle viel weniger empfindlich sind, als diejenigen der meisten anderen Samlinge, wie wir haufig mit Uberraschung beobachtet hatten. Es schien uns daher der Miihe werth zu sein, ihre Bewegungen aufzuzeichnen. Sie wurden vor einem Nordost­ Fenster, welches zuerst nur mit einem Musselinvorhange bedeckt war, vor welches aber, wie der Himmel heller wurde, ungefii.hr um 11 a. m., ein weiterer leinener Vorhang aufgehangt wurde, einem seitlichen Lichte aus­ gesetzt. Nach 4 p. m. wurde ein Vorhang und dann der andere entfernt. Die Samlinge wurden an jeder Seite und von oben bedeckt, waren aber fiir das diffuse Licht des Zimmers auf der hinteren Seite offen. Aufrecht-

 

[page break] 368 Modificirte Circumnutation. Cap. 8.

stehende Glasfii.den wurden an die Hypocotyle zweier Sii.mlinge, welche am Morgen senkrecht standen, befestigt. Die beistehende Figur (Fig. 177) zeigt den von einem derselben wahrend zweier Tage eingeschlagenen Weg; es ist aber ganz besonders zu beachten, dasz wiibrend des zweiten Tages die Samlinge im Dunkeln gehalten wurden; und dann circumnutirlen sie nabezu rings um denselben kleinen Fleck. Am ersten Tage (7. October) bewegte sich der Hypocotyl von 8 a. m. bis 12.23 p. m. in einer zick­ zackiormigen Linie nach dem Lichte hin, wendete sich dann abrupt nach links und beschrieb spater eine kleine Ellipse. Eine andere unregelmii.szige Ellipse wurde zwischen 3 p. m. und ungefii.hr 5.30 p. m. vollendet, wii.h­ rend sich der Hypocotyl noch immer nach dem Lichte hinbog. Der Hypocotyl war am Morgen gerade und aufrecbt, aber um 6 p. m. war seine obere Hii.lfte nach dem Lichte bin gebogen, so dasz die Sehne des Bogens, der hierdurch gebildet wurde, unter einem Winkel von 20 zur Senkrechten stand. Nach 6 p. m. wurde sein Weg umgekehrt durcb dir. Wirkung des Apogeotropismus, und er fuhr dann fort sich vom Fenster wii.hrend der Nacht wegzubiegen, wie es die punktirte Linie zeigt. Am nii.chsten Tage wurde er im Dunkeln gehalt1m (mit Ausnahme der kurzen Zeit, wo eine jede Beobachtung mit Hilfe eines WachszUnders angestellt wurde), und der von 7 a. m. am 8. bis 7.45 a. m. am 9. eingeschlagene Weg wird bier gleichfalls gezeigt. Die Verschiedenheit zwischen den zwei Theilen der Figur (177), namlich dem wii.hrend des Tages am 7. be­ schriebenen, WO der Samling einem ziemlich schwachen seitlichen Lichte aus­ gesetzt war, und dem am 8. in Dunkelheit zuriickgelegten ist auffallend. Der Unterschied besteht darin, dasz die wahrend des ersten Tages ge­ zogenen Linien in der Richtung des Lichtes aus gezogen worden sind. Die Bewegungen des anderen Sii.mlings, welcher unter den nii.mlichen Ver­ haltnissen aufgezeichnet wurde, waren sehr ii.hnlich.

Apheliotropismus. - Wir batten nur in zwei Fallen Erfolg, in denen wir Apheliotropismus beobachteten; denn diese sind etwas selten; und die Bewegungen sind meist so langsam, dasz es sehr miihsam ge­ wesen sein wflrde, sie aufzunebmen.

Bignonia capreolat4. - Kein Organ irgend einer Pflanze, so weit wir es gesehen haben, biegt sich vom Lichte so schnell weg, wie es die Ranken dieser Bignonia thun. Sie sind auch deshalb merkwflrdig, dasz sie viel weniger regelmaszig als die meisten anderen Ranken circum­ nutiren und hii.ufig stationar bleiben. Sie hii.ngen von Apheliotropismus ab, um mit den Stammen von Baumen in Beriibrung zu kommen 2 Der Stamm einer jungen Pflanze wurde an der Basis eines Paares feiner Ranken, welche beinahe senkrecht aufwii.rts vorsprangen, an einen Stock gebunden, und sie wurden dann vor ein Nordost-Fenster gestellt und auf alien iibrigen Seiten gegen das Licht gescbfltzt. Der erste Punkt wurde um 6.45 a. m. gemacht und um 7.35 a. m. empfanden beide Ranken den vollen Einflusz des Lichtes, denn sie bewegten sich bis 9.20 a. m. in einer geraden Linie von ihm weg, zu welcher letzteren Zeit sie eine Zeit lang circumnutirten, sich dabei noch immer, aber nur wenig, vom Lichte abbewegten (s. Fig. 178

 

2 Die Bewegungen und Lebensweise der kletternden Pflanzen. Ubersetzung

1875, p. 76.

 

[page break] Cap, 8. Apheliotropismus. 369

von der linksseitigen Ranke). Nach 3 p. m. bewegten sie sich wiedemm rapid in Zickzacklinien vom Lichte weg. In einer spaten Stunde am Abend batten sich beide soweit bewegt, dasz sie

in einer directen Linie vom Lichte wegwiesen. Wahrend der Na<;ht kehrten sie in einer nahezu entgegengesetztnn Richtung llin wenig zurfick. Am folgenden Morgen bewegten sie sich wiederum vom Lichte weg und convergirten, so dasz sie am Abende verschlungen waren, daboi U'VCh im­ mer vom Lichte wegweisend. Die Ranke rechter

•Hand bowegte sich, wahrend sie convergirte, viel bedeutender im Zickzack als die eine bier ab­ gebildete. Beide Zeichnungen wiesen nach, dasz die apheliotropische Bewegung eine modificirte Form von Circumnutation war.

Cyclamen persicum. - So lango diese Pflanze in Bluthe ist, stehen die Bluthenstengel aufrecht, aber ihr oberster Theil ist hakenformig, so dasz die Blfithe selbst abwarts hii.ngt. So­ bald die Samenkapseln zu schwellen anfangen, ver­ mehrt sich die Lange der Bluthenstengel bedeu­ tend, nnd sie krfimmen sich langsam abwarts, aber der kurze, obere hakenformige Theil streckt sich gerade. Schlieszlich erreichen die Samen­ kapseln den Boden, und wenn derselbe mit Moos

-oder abg-estorbenen Blattern bedeckt ist, graben sie sich ein. Wir haben ofters untertassenformige Depressionen in feuchtem Sande oder Sagespanen gesehen, welche von den Samenkapseln gebildet wurden; und eine -Kapsel (0.3 Zoll im Durch­ messer) grub sich ein Viertel Zoll ihrer Lange in Sagespanen ein 3 Wir werden spater Gelegen­

 

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heit haben, den Zweck zu betrachten, der durch liesen Process des Eingrabens erreicht wird. Die Bluthenstengel konnen die Richtung ihrer Krfim­ mung verii.ndern; denn wenn ein Topfmit Pflanzen, deren Bluthenstengel bereits abwarts gekrfimmt sind, horizontal gelegt wird, so biegen sich die­ selben langsam rechtwinklig auf ihrer friiheren

 

Fig. 178. Bignonia rapreolata : ApheliotropischeBewegung einer Ranke, an einer horizontalen Glasscheibe von 6.45 a. m.,

19. Juli, bis10 a. m., am 20., anfgezeichnet. Bewegungen iri der Originalaufteichnung wenig vergr0szert, hier aufzw i Drittel

der Originalgr0sze redncirt.

 

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Richtung nach dem Mittelpunkt der Erde hin. Wir schrieben daher zuerst die Bewegung dem Geotropismus zu; es wurde aber nun ein Topf, welcher horizontal gelegen hatte, und an welchem die SamenkapsPln sii.mmtlich nach dem Boden hinwiesen, umgekehrt und noch immer horizontal gehalten, so dasz die Samenkapseln nun direct aufwarts wiesen. Er wurde dann

 

3 Die Bliithenstiele mehrerer anderer Arten von Cyclamen dreheu sich z11

einer Spirale auf und nach der Angabe von Erasmus Darwin (Botanic Garden, Canto Ill, p. 126) dringen die Samenkapseln gewaltsam in den Boden ein; s. auch Grenier und Godron, Flore de France, T. 2, p. 459.

DAIIWIN, Bewegungvermiigen. (XIII.) 24

 

[page break] 370 Beziehungen zwischen Cap. 8.

in einen dunklen Schrank gestellt, aber die Samenkapselu wiesen nach vier Tagen und Nachten immer aufwarts. Es wurde nun zunachst der Topf in derselben Stellung in das Licht zuriick gehracbt, und nach zwei Tagen zeigte sich etwas Abwartsbiegung der Bliithenstengel, und am vierten Tage wiesen zwei von ihnen nach der Mitte der Erde hin, wie es die an­ dern nach einem weitern oder nach zwei Tagen thaten. Eine andere Pflanze in einem 'l'opfe, welcher immer aufrecht gestanden hatte, wurde

6 Tage lang in einem dunklen Schrank gelassen; sie trug drei Bliithen­ stengel, und nur einer wurde innerhalb dieser Zeit iiberhaupt abwarts ge­ kriimmt, uud das nur zweifelhaft. Es ist daher das Gewicht der Samen-. kapseln nicht die Ursaclui der Abwii.rtsbiegung. Dieser Topf wurde dann in das Licht zuriickgebracht, und nach drei Tagen wareu die Bliithen­ stengel betrachtlich abwarts gebogen. Wir werden hierdurch veranlaszt zu scblieszen, dasz die Abwartskriimmung eine E'olge des Apheliotropismus ist, obschon mehr Versuche hii.tten angestellt werden sollen.

Um die Natur dieser Bewegung zu beobaehten, wurde ein Bliithen­ steugel, der eine grosze Samenkapsel trug, die den Boden erreicht hatte und auf ihm ruhte, ein wenig- emporgel1oben und an einen Stock be­ festigt. Ein Glasfaden wurde quer anf die Samenkapseln befestigt und riin Zeichen darunter gemacht, und seine Bewegung wurde bedeutend ver­ gruszert auf einer horizontalen Glasscheibe 67 Stunden lang aufgezeichnet.

Die Pflanze war wii.hrend des Tages von obPn belenchtet. Eine Copie der

 

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}'ig. 179. Cyclamen peraicum: Apheliotropische Abwiirtsbewegung eines l:Hlithonstiels, be deutend (ung-efiihr 47mal ?) vcrgrifazert, n.n einer horizontulen Glasplatte von 1 p. m., 18.. Fehr., bis 8 a. m., 21., a.ufgczoichnet.

 

Zeichnung wird hier mitgetheilt (Fig. 179); und es laszt sich nicht daran zweifeln, dasz die absteigende Bewegung eine modificirte Circumnutation ist, aber in einem auszerst gering-en Masze. Die Beobachtung wurde an

eiuer andern Samr.nkapsel wiederholt, welche sich zum Theil in Sii.ge­ spane eingegraben hatte, und welche ¼. Zoll iiber die Oberfl.ache empor­

gehoben wurde; sie beschrieb in 24 Stunden drei siihr kleine Kreise. Ill

 

[page break] Cap. 8. Circumnutation und Heliotropismus. 371

 

Anbetracht der groszen Lange und Diinne der Bliithenstengel und der Leich­ tigkeit der Samenkapseln konnen wir schlieszen, dasz sie nicht im Stande sein wiirden untertassenartige Depressionen im Sande oder Sagespii.nen aus­ zuhohlen oder sich in Moos u. s. w. einzugraben, wenn sie nicht durch ihre bestandigen stoszenden oder circumnutirenden Bewegungen dabei unterstiitzt wiirden.

Be zi eh u n ge n z w i sc h e n Cir cum nu t at i o n u n d H e li o­ t r op ism us. - Wer nur immer die vorstehenden Zeichnnngen, welche die Bewegungen der Stamme verschiedener Pflanzen nach einem seit­ lichen oder mehr oder weniger gedampften Lichte hin darstellen, be­ trachten will, wird zu der Annahme genothigt sein, dasz gewohnliche Circumnutation und Heliotropismus allmahlich in einander tibergehen. Wenn eine Pflanze einem schwachen seitlichen Lichte ausgesetzt ist nnd wahrend des ganzen Tags fortf"ahrt, sich nach ihm hin zu biegen und spat am Abend zurtickzukehren, so ist die Bewegung ohne Frage eine solche des Heliotropismus. Nun circumnutirte bei Tropaeolum (Fig. 175) der Stamm oder der Epicotyl otfenbar wahrend des ganzen Tags , und doch fuhr er fort in derselben Zeit sich heliotropisch zu bewegen; diese letztere Bewegung wurde in der Weise ausgefiihrt, dasz die Spitze einer jeden der aufeinanderfolgenden verlangerten Figuren oder Ellipsen dem Lichte naher stande als die der vorausgehenden. Bei Cassia (Fig. 117) ist der Vergleich der Bewegung des Hypocotyls, wenn er einem schwachen seitlichen Lichte, und wenn er der Dunkel­ heit ausgesetzt ist, sehr instructiv, wie es auch ein Vergleich zwischen der gewohnlichen circumnutirenden Bewegung eines Kohlsamlings (Figg. 172, 173) oder eines solchen von Pltalaris (Figg. 49, 174) und deren heliotropischen Bewegungen nach einem von Vorhangen ge­ schiitzten Fenster hin ist. In diesen beiden Fallen und in vielen an­ dern war es interessant zu beachten , wie allmahlich die Stamme zu circumnutiren anfiengen in dem Masze, als am Abend das Licht ver­ schwand. Wir haben daher viele Arten von Obergangen von einer Bewegung nach dem Lichte hin, welche als eine sehr unbedeutend modificirte und noch immer aus Ellipsen oder Kreisen bestehende Cir­ cumnutation betrachtet werden musz, durch eine mehr oder weniger stark zickzackformige Bewegung mit gelegentlich gebildeten Schleifen oder Ellipsen bis zu einer nahezu geraden oder selbst vollkommen geraden heliotropischen Bewegung.

Wenn eine Pflanze einem seitlichen Lichte ausgesetzt wird, ob­ schon dies hell sein kann, so bewegt sie sich gewohnlich zuerst in

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[page break] 372 Beziehungen zwischen Cap. 8.

einer Zickzacklinie oder selbst direct vom Lichte weg, und dies ist obne Zweifel Folge davon, dasz sie zu der Zeit in einer entweder der Lichtquelle entgegengesetzten oder mehr oder weniger quer zu ihr stehenden Richtung circumnutirt. Sobald indessen die Richtung der circumnutirenden Bewegung nahezu mit der des eintretenden Lichtes zusammeufAllt, biegt sich die Pflanze in einem geraden Wege nach dem Lichte bin, wenn dies hell ist. Die Bewegung scheint mehr oder weniger rapid und geradlinig zu werden in Ubereinstimmung mit dem Grade der Helligkeit des Lichtes, und zwar zuerst dadurch, dasz die langeren Achsen der elliptischen Figuren , welche die Pflanze fortfAhrt so lange zu beschreiben als das Licht sehr triib bleibt, mehr oder weniger genau nach der Lichtquelle hingerichtet werden kOnnen , und dadurch, dasz jede der aufeinanderfolgenden Ellipsen dem Lichte immer mehr genahert wird, und zweitens, wenn das Licht nur etwas getriibt wird, durch die Beschleunigung und die Zunahme der Bewegung nach ihm bin und durch die Verzogerung oder die Unterbrechung derjenigen von ihm weg, wobei noch immer etwas seitliche Bewegung beibehalten wird, denn das Licht wird weniger eine Bewegung unter rechten Winkeln auf seine Richtung storen, als eine, die in seiner Richtung selbst erfolgt4 Das Resultat ist, dasz der Weg mehr oder weniger zickzackformig und in der Ge­ schwindigkeit ungleich gemacht wird. Endlich, wenn das Licht sehr hell ist, geht alle seitliche Bewegung verloren, und die ganze Energie der Pflanze wird darauf verwendet, die circumnutirende Bewegung gerad­ linig und rapid in einer Richtung allein zu machen , namlich nach dem Lichte bin.

Die gewohnliche Ansicht scheint die zu sein, dasz Heliotropismus eine vollstandig besondere Art von Bewegung ist, verschieden von Circumnutation. Und es kann geltend gemacht werden, dasz in den vorstehenden• Zeichnungen Heliotropismus nur in Combination oder als Zusatz zur Circumnutation zu sehen ist. Wenn dies aber der Fall ware, mtiszte angenommen werden, dasz ein belles seitliches Licht Circum­ nutation vollstandig aufhebt; denn eine dieser Weise exponirte

 

4 lo seinem Aufsatze "Uber orthotrope und plagiotrope Pflanzentheile" (Arbeit.

d. Botan. Instit. Wiirzburg, 2. Bd., 2. Heft, 1879) hat Sachs die Art und Weise erortert, in welcher der Geotropismus und Heliotropismus durch die Verschieden­ heiten in den Winkeln afficirt werden, unter welchen die Organe der Pflanze in Beziehung zur Richtung der auf sie wirkenden Kraft stehen.

 

[page break] Cap. 8. Circumnutation und Heliotropismus. 373

Pflanze bewegt sich in einer geraden Linie nach ihm bin, ohne irgend welche Ellipsen oder Kreise zu beschreiben. Wenn das Licht etwas getriibt wird, obschon es noch reichlich hinreicht, die Pflanze zu ver­ anlassen, sich nach ihm hinzubiegen, erhalten wir melll' oder weniger deutliche Belege fiir eine noch immer fortdauernde Circumnntation. Es musz ferner angenommen werden, dasz es nur ein seitliches Licht ist, welches. dies auszerordentliche Vermogen die Circumnutation auf­ zuhalten besitzt, denn wir wissen, dasz die verschiedenen Pflanzen, an denen die obigen Versuche ausgefiihrt wurden , und sammtliche iibrigen, welche von uns wllhrend ihres Wachsthums beobachtet wur­ den, fortfahren zu circumnutiren, wie hell auch das Licht sein mag, wenn es von oben kommt. Auch ist nicht zu vergessen, dasz im Leben einer jeden Pflanze Circumnutation dem Heliotropismus voraus­ geht, denn Hypocotyle, Epicotyle und Bliithenstengel circumnutiren, ehe sie den Boden durchbrechen und jemals den Einflusz des Lichtes empfunden haben.

Wir sind daher vollstandig berechtigt, wie es uns scheint, anzu­ nehmen, dasz, wenn nur immer Licht seitlich eintritt, es die Be­ wegung der Circumnutation ist, welche den Heliotropismus und Apheliotropismus veranlaszt oder in dieselben verwandelt wird. Nach dieser Ansicht branchen wir nicht gegen alle Analogie anzunehmen, dasz ein seitliches Licht Circumnutation g!!,nzlich aufhebt; es reizt die Pflanze nur dazu , ihre Bewegung fiir einige Zeit in einer wohl­ thatigen Weise zu modificiren. Das Vorhandensein jeder moglichen

.Abstufung zwischen einem geraden Wege nach einem seitlichen Lichte hin und einem aus einer Reihe von Schlingen oder Ellipsen bestehen­ der Wege wird vollkommen verstandlich. Endlich ist die Umwand­ lung der Circumnutation in Heliotropismus oder Apheliotropismus dern analog, was bei schlafenden Pflanzen statt hat, welche wahrend des Tags eine oder mehrere Ellipsen beschreiben, sich haufig in Zickzack­ linien bewegen, und kleine Schleifen bilden ; denn wenn sie am Abend anfangen einzuschlafen, wenden sie gleichfalls alle ihre Energie darauf ihren Lauf geradlinig und rapid zu machen. Was die Schlafbewegungen betrifft, so ist die erregende oder regulirende Ursache ein Unterschied in der Intensitat des Lichtes, welches von oben kommt, zu ver­ schiedenen Zeiten der vierundzwanzig Stunden , wahrend bei helio­ tropischen und apheliotropischen Bewegungen es eine Verschiedenheit der Intensitltt des Lichtes auf den zwei Seiten der Pflanze ist.

 

[page break] 374 Modificirte Circumnutation. Cap. 8.

Transversal-Heliotropismus (von FRANK5) oder Dia­ heliotropismus. - Die' Ursache, warum sich Blatter mehr oder weniger quer zum Lichte stellen, so dasz ihre oberen Flachen nach ihm hingerichtet sind, ist in letzter Zeit der Gegenstand vieler Controverse gewesen. Wir gehen bier nicht auf den Zweck der Bewegung ein, welcher ohne Zweifel der ist, dasz ihre oberen Flachen voll beleuchtet werden, sondern auf ie Mittel, durch welche diese Stellung erreicht wird. Es kann kaum ein besseres und einfacheres Beispiel von Diaheliotropismus angefiihrt werden, als das, welches viele Samlinge darbieten, deren Cotyledonen hol'izontal ausgebreitet sind. Wenn sie zuerst aus den Samenhullen hervorbrechen, sind sie miteinander in Beruhrung und sehen in verschiedenen Stellungen haufig senkrecht aufwarts; bald divergiren sie, und dies wird durch Epinastie bewirkt, welche, wie wir gesehen haben, eine modificirte Form von Circum­ nutation ist. Nachdem sie bis zu einer volligen Ausdehnung divergirt haben, behalten sie nahezu die namliche Stellung bei, obschon sie den ganzen Tag lang von oben glanzend beleuc?tet werden, wobei ihre unteren Flachen dicht am Boden und daher stark beschattet sind. Es findet daher ein bedeutender Contrast im Grade der Beleuchtung ihrer oberen und unteren Flachen• statt, und wenn sie heliotropisch waren, wurden sie sich schnell nach oben biegen. Es darf indessen nicht angenommen werden, dasz derartige Cotyledonen unbeweglich in einer horizontalen Stellung fixirt sind. Wenn Samlinge an einem Fenster dem Lichte ausgesetzt werden, biegen sich ihre Hypocotyle, welche in hohem Grade heliotropisch sind, schnell nach ihm bin, und die oberen Flachen ihrer Cotyledonen bleiben noch immer rechtwinklig zum Lichte ausgebreitet; wenn aber die Hypocotyle befestigt werden , so dasz sie sich nicht beugen konnen, verlindern die Cotyledonen selbst ihre Stellung. Wenn sie beide in eine Linie mit dem eintretenden Licht gestellt werden , so erhebt sich der eine , welcher am weitesten von ihm weg ist, und der dem Lichte nachste sinkt hliufig herab; wenn sie quer zum Lichte gestellt werden, drehen sie sich ein wenig seit­ lich, so dasz sie in jedem Falle versuchen ihre oberen Flachen recht­ winklig zum Lichte zu stellen. Dies ist notorisch auch mit den Blattern an Pfl.anzen der Fall, die an eine Wand genagelt sind oder an einem

 

5 ,,Die natiirliche wagerechte Richtung von Pflanzentheilen", 1870; s. auch einige interessante Aufsatze desselben Verfassers: .zur Frage iiber Transversal­ Geo- und Heliotropismus", Botan. Zeitung, 1873, p. 17 u. f.

 

[page break] Cap. 8. Diaheliotropismos. 375

Fenster wachsen. Ein mll.sziger Betrag .an Licht" reicht schon bin, derartige Bewegungen zu veranlassen ; alle , was nothig ist, ist, dasz das Licht die Pflanze stetig in schrager Richtung treffe. In Bezug auf die obige drehende Bewegung der Cotyledo1:1en hat FRANK viele und viel auffallendere Beispiele von Blattern an Zweigen gegeben, welche in verschiedenen Stellungen befestigt oder mit de oberen Seite nach unten gekehrt worden waren.

Bei unseren Beobachtungen iiber die Cotyledonen von Pflanzen­ samlingen waren wir haufig iiberrascht iiber ihr.e dauernde horizontale Stellung wahrend des Tags, und ehe wir FRANK'S Abhandlung gelesen batten, waren wir uberzeugt, dasz irgend • eine specielle Erklarung nothwendig sei. DE VRIES hat gezeigt 6, dasz die mehr oder weniger horizontale Stellung der Blatter in den rneisten Fallen von Epinastie, von ihrem eigenen Gewichte und von Apogeotropismus beeinfluszt wird. Nachdem ein junger Cotyledon oder ein junges Blatt hervor­ gebrochen ist, wird er, wie bereits bemerkt wurde, ii).•seine gehorige Stellung durch Epinastie gebracht, welche nach der Angabe von DE VRIES noch lange fortfahrt auf die Mittelrippen und Blattstiele zu wirken. Das Gewicht kann bei Cotyledonen kaum von Einflusz sein, einige wenige sofort zu erwahnende Falle ausgenommen, es musz aber bei groszen und dicken Bl!ittern von Einflusz sein. In Bezug auf Apogeotropismus behauptet DE VRIES, dasz er meistens ins Spiel kommt, und fur diese Thatsache werden wir sofort einige indirecte Beweise beibringen. Aber auszer diesen und andern constant vor­ handenen Kraften glauben wir, dasz in vielen Fallen, wir sagen nicht in allen , in Blattern und Cotyledonen eine iiberwiegende Neigung vorhanden ist, sich in Bezug auf das Licht mehr oder weniger quer zu stellen.

In den oben angedeuteten Fallen, wo Samlinge, deren Hypocotyle festgemacht waren, einem seitlichen Lichte ausgesetzt wurden, ist es unmoglich, dasz Epinastie, Gewicht und Apogeotropismus entweder in Gegenwirkung oder combinirt die Ursache der Erhebung des einen Cotyledon und der Senkung des andern sein kann, da die in Frage stehenden Krafte gleichmilszig auf beide wirken; und da Epinastie, Gewicht und Apogeotropismus sammtlich in einer senkrechten Ebene wirken, konnen sie nicht die Ursache der Drehung der Blattstiele sein,

 

6 Arbeit. d. Botan. Instituts Wiirzburg, 2. Heft, 1872, p. 223-277.

 

[page break] 376 Modifieirte Circumnutation. Cap. 8.

 

welcbe bei Samlingen unter den obigen Hedingungen der Beleuchtung vorkommt. Alle diese Bewegungen hlingen offenbar in irgend einer Weise von der Schrligheit des Licbtes ah, ko'nnen aber nicht helio­ tropisch genannt werden, da dies ein Biegen nacb dem Lichte bin einscblieszt, wabrend der dem Licht nachstliegende Cotyledon sich in einer entgegengesetzten Richtung oder abwarts biegt, und beide sich so nahe wie moglicb unter rechtem Winkel zum Lichte stellen. Die Bewegung verdient daher einen besonderen Namen. Da Cotyledonen und Blatter bestandig auf und ab oscilliren und docb den ganzen Tag lang ihre gehorige Stellung beibehalten, wobei ibre oberen Fliichen quer auf das Licht gerichtet sind, und wenn sie ans der Lage ge­ bracbt werden , diese Stellung wieder annehmen, so musz Diahelio­ tropismus als eine modificirte Form von Circumnutation angesehen werdrn. Dies war hliufig augenfalJig, wenn die Bewegungen von an einem Fenster stehenden Cotyledonen verfolgt wurden. Wir sehen etwas Analoges in dem Falle von schlafenden Blattern oder Cotyledonen, welche, nachdem sie wahrend des ganzen Tags aufwarts und abwiirts oscillirt haben, spat am Abend sich zu einer senkrechten Stellung er­ heben und am folgenden Morgen wiederum in ihre horizontale oder diaheliotropische Stellung herabsinken in directem Gegensatze zum Heliotropismus. Diese Riickkehr in ihre Tagesstellung, welche hilufig eine Winkelbewegung von 90° erfordert, ist der Bewegung von Blattern an aus ibrer Lage gebrachten Zweigen analog, welche ihre friiheren Stellungen wieder einnehmen. Es verdient Beachtung, dasz eine jede solche Kraft, wie Apogeotropismus, in den verschiedenen Stellungen derjenigen Blatter oder Cotyledonen, welche wii.hrend des Tags weit aufwlirts und abwarts oscilliren, mit verschiedenen Machtigkeitsgraden 7 wirken wird, und doch nehmen diese Blatter oder Cotyledonen ihre horizontale oder diaheliotropische Stellung wieder an.

Wir konnen daher schlieszen, dasz diaheliotropische Bewegungen nicht vollstandig durch die directe Wirkung des Lichtes, der Gra­ vitation, des Gewichtes, und zwar eben so wenig , wie die nyctitro­ pischen Bewegungen der Cotyledonen• und Bliitter erklart warden konnen. In dem letzteren Falle stellen sie sich so, dasz ihre oberen Flachen des Nachts so wenig als moglich in den offenen Raum aus-

 

7 s. die friihere Anmerkung in Bezug auf Sachs' Bemerkungen iiber diesen Gegenstand.

 

[page break] Cap. 8. Diaheliotropismus. 377

strahlen konnen, wobei die oberen FHl.chen der gegenstandigen Bllittchen haufig in Berfihrung kommen. Diese Bewegungen, welche zumeist auszerst complicirt sind, werden, wenn auch nicht dii;:ect verursacht, doch regulirt durch den Wechsel von Licht und Dunkelheit. Was den Diaheliotropismus betrifft, so stellen sich Cotyledonen und Blatter so, dasz ihre oberen Flachen dem Lichte ausgesetzt sind, und diese Bewegung _wird, wenn nicht direct verursacht, doch regulirt durch die

. Richtung, von welcher das -Licht ausgeht. In beiden Fallen besteht die Bewegung in e1ner durch eingeborene oder constitutionelle Ursachen modificirten Circumnutation , in derselben Weise, wie bei kletternden Pflanzen, deren Circumnutation in ihrer Amplitude vergrOsiert und kreisformig gemacht wird, oder ferner wie bei sehr jungen Cotyledonen und Blattern, welche in dieser Weise durch Epinastie in eine horizon­ tale Stellung gebracht werden.

Wir haben uns bis jetzt nur auf diejenigen Blatter und Cotyledonen bezogen, welche eine permanente horizontale Stellung annehmen; aber viele stehen mehr oder weniger schrag und einige wenige aufrecht. Die Ursache• dieser Verschiedenheiten der Stellung ist nicht bekannt; aber in Ubereinstimmung mit WIESNER's Ansichten, die spater mit­ getheilt werden, ist •es wahrscheinlich, dasz einige Blll.tter und Coty­ ledonen darunter leiden wiirden, wenn sie in einer rechtwinklig zum Lichte gerichteten Stellung vollstandig beleuchtet wfirden.

Wir haben im zweiten und vierten Capitel gesehen, dasz die­ jenigen Cotyledonen und Blatter, welche des Nachts ihre Stellungen nicht geniigend verandern, um schlafend genannt zu werden, sich ge­ wohnlich am Abend ein wenig erheben und am nachsten Morgen sich wiederum senken, so dasz sie wahrend der Nacht in einer etwas hoher

aufgerichteten Stellung stehen als wahrend der Mitte des Tags. Es ist unglaublich, dasz eine hebende Bewegung von 20° oder 30° oder selbst von 10° oder 20° fiir die Pflanze von irgend welchem Nutzen

sein kann, so dasz sie besonders hatte erlangt werden kOnnen. Sie musz das Resultat irgend einer periodischen Veranderung in den Be­ dingungen sein, denen sie ausgesetzt wird, und es laszt sich kaum daran zweifeln, dasz dies der tagliche Wechsel von Licht und Dunkel­ heit ist. DE VRIES gibt in dem vorhin erwil.hnten Aufsatze an, dasz die meisten Blattstiele und Mittelrippen apogeotropisch sind 8, und

8 Nach der Angabe von Frank (Die natttrl. wagerechte Richtung von Pflanzen tbeilen, 1870, p. 46) erheben sicb die Wurzelbliitter vieler im Dunkeln gebaltener

 

[page break] 378 Modificirte Circumnutation. Cap. 8.

Apogeotropismus wiirde die obige erhebende Bewegung erkl!iren, welche so vielen weit verschiedenen Pflanzen gemein ist, wenn wir annehmen, dasz sie wahrend der Mitte des Tage vom Diaheliotropismus iiber­ wunden wird, solange es fiir die Pflanze von Wichtigkeit ist, dasz ihre Cotyledonen und BH\tter dem Lichte vollstandig exponirt sind. Die genaue Stunde des Nachmittags, zu welcher sie sich unbedeutend auf warts zu biegen anfangen, und die A usdehnung der Bewegung wird von dem Grade ibrer Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft und von ihrem Vermogen , deren Wirkung wahrend der Mitte des Tages zu widerstehen , ebenso wie von der Amplitude ibrer gewohnlichen cir­ cumnutirenden Bewegungen abhangen ; und da diese Qualitaten in ver­ schiedenen Species bedeutend verschieden sind, so konnen wir erwarten, dasz die Stunde am Nachmittage, in welcber sie sich zu erheben be­ ginnen, in verschiedenen Species bedeutend abweicben wird, wie es auch der Fall ist. Es musz indessen noch irgend eine andere Ein­ wirkung auszer dem Apogeotropismus entweder direct oder indirect

bei dieser Aufwartsbewegung in's Spiel kommen. So wurde eine junge Bohne (Vicia faba), die in einem kleinen Topfe wuchs, vor einem Fenster in einen Clinostat gestellt, und des Nachts erboben sich die

Blatter ein wenig, obgleich die Wirkung des Apogeotropismus voll­ standig eliminirt war. Trotzdem erhoben sie sich des Nachts auch nicht annlibernd so bedeutend, als wenn sie dem Apogeotropismus ausgesetzt gewesen waren. 1st es nicbt moglich oder selbst wahr­ scheinlicb, dasz Blatter und Cotyledonen, welche sich am Abend durch die Wirkung des Apogeotropismus zahllose Generationen hindurch auf­ warts bewegt haben, eine Neigung zu dieser Bewegung vererbt haben konnten? Wir haben gesehen, dasz die Hypocotyle mebrerer Legu­ minosen-Pflanzen von einer weit entfernt zuriickliegenden Periode eine Neigung sich bogenf6rmig zu kriimmen geerbt haben, und wir wissen, dasz die Schlafbewegungnngen der Blatter bis zu einer gewissen

 

 

Pflanzen und werden selbst senkrecht; und dasselbe ist auch bei einigen Sprossen der Fall (s. Rau wenhoff, in: Archiv. Neerland. T. 12, p. 32). Diese Bewegnngen deuten Apogeotropismus an; wenn aber Organe lange im Dnnkeln gehalten worden sind, ist die Menge von Wasser und Mineralbestandtheilen, die sie enthalten, so bedeutend veriindert, und ihr regelmasziges Wachsthum ist so sehr gestort, dasz es vielleicht vorschnell ist, ans ihren unter solchen Umstiinden eintretenden Be­ wegungen auf das zu schlieszen, was unter normalen Bedingungen eintreten wil.rde (s. Godlewski, Botan. Zeitung, 14. Fehr. 1879).

 

[page break] Cap. 8. Para.heliotropismus. 379

Ausdehnung unabhangig von dem Wechsel von Licht und Dunkelheit vererbt werden.

Bei unseren Beobachtungen tlber die Circnmnutation derjenigen Cotyledonen und Blatter, welche des Nachts nicht..schlafen, haben wir kaum irgend einen deutlichen Fall angetroffen, wo sie sich am Abend ein wenig senkten und wieder am Morgen sich erhoben, d. h. von Bewegungen, die von den eben erorterten die umgekehrten sind. Wir zweifeln nicht daran, dasz derartige Falle vorkommen, insofern die Blatter vieler Pflanzen so schlafen, dasz sie senkrecht nach abwarts sinken. Wie die wenigen Falle, welche beobachtet wurden, zu erklaren

sind, musz zweifelhaft gelassen werden. Die jungen Bllitter von

Cannabis sativa sinken des Nachts zwischen 30° und 40° unter den

Horizont, und KRAUS schreibt dies der Epinastie in Verbindung mit der Absorption von Wasser zu. Sobald nur epinastisches Wachsthum kraftig ist, kann es den Diaheliotropismus am Abend O.berwinden, zu welcher Zeit es fiir die Pflanze von keiner Bedeutung s in wiirde, ihre Bllitter horizontal zu halten. Die Cotyledonen von Anoda Wrightii, einer Varietat von Gossypium, und mehrerer Species von lpomoea bleiben, wahrend sie noch sehr jung sind, am Abend horizontal; wenn sie ein wenig alter werden, kriimmen sie sich ein wenig abwarts, und, wenn sie grosz und schwer sind, senken sie sich so bedeutend, dasz sie unter unsere Definition von Schlaf fallen. Bei Anoda und bei einigen Species von lpomoea wurde nachgewiesen , dasz die Ab­ wartsbewegung nicht von dem Gewichte der Cotyledonen abhangt, aber nach der Thatsache, dasz die Bewegung so viel starker aus­ gesprochen ist, nachdem die Cotyledonen grosz und schwer geworden sind, konnen wir vermuthen, dasz ihr Gewicht ursprunglich eine ge­ wisse Rolle bei der Entscheidung spielte, dasz die Modification der circumnutirenden Bewegung in der Richtung nach abwarts erfolge.

Der sogenannte Tagesschlaf derBlatter oder Para­

he Ii o t r opism us. - Dies ist noch eine andere Classe von Bewegungen, die von der Wirkung des Lichts abhangen, welche in einer gewissen Ausdehnung die Annahme unterstiitzen, dasz die oben beschriebenen Bewegungen nur indirecte Folgen seiner Einwirkung sind. Wir be­ ziehen uns auf die Bewegungen von Blattern und Cotyledonen, welche, wenn sie maszig beleuchtet werden, diaheliotropisch sind, welche aber ihre Stellungen andern und ihre Rander dem Lichte aussetzen , wenn die Sonne hell auf sie scheint. Diese Bewegungen sind zuweilen

 

[page break] 380 Modificirte Circumnutation. Cap. 8.

Tagesschlaf genannt worden. Sie weichen aber in Bezug auf den Zweck, der zu erreichen war, ganzlich von denen ab-, die eigentlich nyctitropisch genawit werden, und in einigen Fallen ist die wllhrend des Tags eingenommene Stellung die umgekehrte von der wllhrend der Nacht eingenommenen.

Es ist schon lange bekanut 9, dasz, wenn die Sonne hell auf die Blattchen der Robinia scheint, diese sich erheben und ihre Rander dem Lichte darbieten, wahrend ihre Stellung des Nachts senkrecht nach ab­ warts ist. Wir haben die namliche Bewegung beobachtet, wenn die Sonne hell auf die Blattchen einer australischen Acacia schien. Diejenigen von Amphicarpaea monoica drehten ihre Rander der Sonne zu, und eine analoge Bewegung der kleinen, beinahe rudimentaren basalen Blattchen von Mi­ mosa albida war bei einer Gelegenheit so rapid, dasz sie durcb eine Lupe deutlich gesehen werden konnte. Die verlangerten, einblattrigen, ersten Blatter von Phaseolus Roxburghii standen um 7 a. m. 20 iiber dem Horizont, und ohne Zweifel sanken sie spater ein wenig niedriger. Nach­ dem sie ungefahr zwei Stunden Jang einer hellen Sonne ausgesetzt worden waren, standen sie um Mittag 56 iiber dem Horizont; sie wurden dann vor den Sonnenstrahlen geschiitzt, wurden aber gut von oben beleuchtet gelassen, und nach 30 Minuten waren sie 40 gesunken, denn sie standen nun nur noch 16 iiber dem Horizonte. Einige junge Pflanzen von Phaseolus Hernandesii waren demselben hellen Sounenlichte ausgesetzt gewesen, und ihre breiten, einblattrigen, ersten Blatter standen nun bei­ nahe oder vollkommen senkrecht aufwarts, wie es auch viele von den

•Blattchen an den dreiblattrigen, secundaren Blattchen thaten; aber einige von den Blattchen batten sich rund um ihre eigenen Axen selbst bis zu 90 gedreht, ohne sich zu erbeben, so dasz sie ihre Rander der Sonne darboten. Die Blattchen an einem und demselben Blatte benahmen sich zuweilen in diesen zwei verschiedenen Weisen, aber immer mit dem Resultate, dasz sie weniger intensiv beleuchtet wurden. Diese Pflanzen wurden dann gegen die Sonne geschiitzt, und es wurde nach anderthalb Stunden wieder nach ihnen gesehen; und nun hatten sammtliche Blatter und Blattchen ihre gewohnlichen subhorizontalen Stellungen wieder an­ genommen. Die kupferfarbigen Cotyledonen einiger Samlinge von Cassia mimosoides waren am Morgen horizontal, aber nachdem die Sonne auf sie geschienen hatte, hatte sich ein jeder derselben 45t12 iiber den Horizont erhoben. Die Bewegung in diesen verschiedenen }'allen darf nicht mit dem plotzlichen Schlieszen der Blattchen von Mimosa pudica verwechselt warden, welches zuweilen beobachtet werden kann, wenn eine an einem dunklen Orte gehaltene Pflanze plotzlich der Sonne ausgesetzt wird. Denn in diesem Falle scheint das Licht zu wirken, als wenn es eine Beriih­ rung ware.

Nach Professor WrnsNER's interessanten Bcobachtnngen ist es wahr­ scheinlich, dasz die obigen Bewegungen zu einem speciellen Zwecke

 

9 Pfeffer fiihrt die Namen und Jahreszahlen mehrerer alterer Schriftsteller­ an in seiner Schrift: .me periodischen Bewegungen" u. s. w. 1875, p.' 62.

 

[page break] Cap. 8. Paraheliotropismus. 381

 

erlangt worden sind. Das Chlorophyll in den Blattern wird hii.ufig durch ein zu intensives Licht beschii.digt und Professor WIESNER to glaubt, dasz es auf die verschiedenartigsten Weisen geschiitzt wird, so durch das Vor­ handensein von Haaren, von Farbstoffen u. s w. und unter andern Mitteln auch dadurch, dasz die Blatter ihre Rander der Sonne darbieten, so dasz die Blattscheibe dadurch viel weniger Licht erhii.lt. Er stellte mit den jungen Blattchen von Robinia Versuche an, fixirte dieselben in einer solchen Stellung, dasz sie einer intensiven Beleuchtung nicht entgehen konnten, wahrend anderen gestattet wurde sich schrag zu stellen, und im Verlaufe von zwei Tagen fiengen die ersteren an in Folge des Lichtes zu leiden.

In den oben mitgetheilten Fallen, bewegen sich die Blattchen ent­ weder aufwarts• oder drehen sich seitwarts so, dasz sie ihre Riinder in der Richtung des Sonnenlichtes stellen; aber COHN beobaGhtete vor !anger Zeit schon, dasz die Blattchen von Oxalis sich abwarts biegen, wenn sie der Sonne vollstandig exponirt werden. Wir waren Zeuge eines auffallen­ den Beispiels dieser Bewegung bei den sehr groszen Blattchen von

0. Ortegesii. Eine ii.hnliche Bewegung kann haufig an den Blattchen von

Averrhoa bilimbi (ein Glied der Familie der Oxalideen) beobachtet werden,

 

 

 

 

 

 

 

}'ig. 180. Are1•rhoa I.Jilimbi: Blatt und Bliittchcn deprimirt, nachdom es der Sonne ausgesetzt war; die Bliittchen sind aber zuw,1llen noch stiirker deprimirt als hier dargestellt ii:;t. Figur bedeutend verklei11ert.

 

und es wird hier ein Blatt dargestellt (Fig. 180), auf welches die Sonne geschienen hatte. Im letzten Capitel wurde eine Zeichnung (Fig. 134) mitgetheilt, welche die Oscillationen darstellt, durch welche ein Blattchen unter diesen Umstanden sich rapid senkte, und man kann sehen, dasz die Bewegung der, durch welche es seine niichtliche Stellung annimmt, iiuszerst ahnlich ist. In Bezug auf unseren vorliegenden Fall ist es eine interessante Thatsache, dasz, wie uns Professor BATALIN in einem vom Februar 1879 datirten Briefe mittheilt, die Blattchen von Oxalis acetosella tii.glich wii.hrend vieler Wochen der S(!nne ausgesetzt werden klinnen, und sie leiden nicht, wenn ihnen gestattet wird, sich herabzusenken. Wird dies aber verhindert, so verlieren sie ihre Far be und verwelken in zwei oder drei Tagen. Und doch ist die Dauer eines Blattes ungeffihr zwei Monate, wenn es nur diffusem Lichte ausgesetzt wird, und in diesem Falle sinken die Blii.ttchen wii.hrend des Tages niemals abwii.rts.

 

to "Die nattfrlichen Einrichtungen zum Schutze des Chlorophylls u. s. w., 1876. Pringshcim hat neuerdings unter dem Microscop die in einigen wenigen Mi­ nuten erfolgende Zerstorung des Chlorophylls durch die Wirkung concentrirten Lichtes von der Sonne bei Anwesenheit von Sanerstolf beobachtet; s. auch Stahl, iiber den Schutz des Chlorophylls gegen intensives Licht, in: Botan. Zeitung, 1880.

 

[page break] 382 Modiflcirte Circumnutation. Cap. 8.

Da gezeigt worden ist, dasz die Aufwartsbewegungen der Blattchen von Robinia und die Abw!irtsbewegungen derjenigen von Oxalis fur diese Pflanzen in hohem Grade wohlthatig sind, wenn sie hellem Sonnen­ schein ausgesetzt sind, so scheint es wahrscheinlich, dasz sie fur den speciellen Zweck, eine zu intensive Beleuchtung zu vermeiden, erlangt worden sind. Da es sehr muhsam gewesen ware, in allen den oben­ erwahnten Fallen eine passende Gelegenheit abzuwarten , und die Be­ wegung der Blatter aufzuzeichnen, wiihrend sie dem Sonnenschein vollstandig exponirt waren, hahen wir nicht ermittelt, oh Parahelio­ tropismus immer in einer modificirten Circumnutation besteht. Dies war aber bei A??errhoa sicher der Fall und wahrscheinlich auch bei den anderen Species, da ihre Blatter bestandig circumnutiren.

 

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Neuntes Oapitel,

Empfindlichkeit der Pflanzen gegen Licht; seine fortgeleiteten Wirkungen.

Nutzen des Heliotropismug, - Insectenfressende und kletternde Pflanzen nicht heliotropisch. - Ein und dasselbe Organ auf einer Altersstufe heliotropisch und auf einer andern nicht. - Anszerordentliche Empfindlichkeit einiger Pflanzen gegen das Licht. - Die Wirkungen des Lichts entsprechen nicht seiner Intensitat. - Wirkungen vorausgehender Beleuchtung. - Fiir die Wir­ kung des Lichts erforderliche Zeit. - Nachwirkungen des Lichts. - Apogeo­ tropismus wirkt sobald das Licht fehlt. - Genauigkeit, mit welcher Pflanzen sich nach dem Lichte biegen. - Dies hiingt von der Beleuchtung der einen

ganzen Seite des Theils ab. - Localisirte Empfindlichkeit gegen das Licht und seine fortgeleiteten Wirkungen. - Cotyledonen von Phalaris, Art sich zu biegen. - Resultate des Ausschlusses des Lichts von ihren Spitzen. - Unter die Oberfliiche des Bodens fortgeleitete Wirkungen. - Seitliche Beleuchtung der Spitze bestimmt die Richtung der Kriimmung der Basis. - Cotyledonen von Avena, die Kriimmung des basalen Theils, Folge der Beleuchtung des oberen Theils. - Ahnliche Resultate bei den Hypocotylen von Brassica und Beta. - Wiirzelchen von Sinapis apheliotropisch, Folge der Empfindlichkeit ihrer Spitzen. - Schluszbemerkungen und Zusammenfassung des Capitals. - Mittel, durch welche die Circumnutation in Heliotropismus und Apheliotropismus umgewandelt worden ist.

Niemand kann die Pfianzen an einem Abhange oder an den Rltndern eines dichten Waldes wachsen sehen und daran zweifeln, dasz sich die jungen Stltmme und Bllttter so stellen, dasz die Bllttter gut beleuchtet werden Mnnen. Sie werden dadurch in den Stand gesetzt, Kohlen­ saure zu zersetzen. Aber die scheidenartigen Cotyledonen einiger Gramineen, so beispielsweise diejenigen von Phalaris, sind nicht griin und enthalten sehr wenig Stltrke; aus dieser Thatsache Mnnen wir

schlieszen, dasz sie wenig oder keine Kohlensaure zersetzen. Nichts­ destoweniger sind sie auszerst heliotropisch ; und dies ist ihnen wahr­ scheinlich in einer anderen Weise von Nutzen , namlich als Fuhrer aus den im Boden eingegrabenen Samen durch Spalten im Boden oder

[page break] 384 Empfindlichkeit gegen Licht. Cap. 9.

durch dariiberliegende Pflanzenmassen in das Licht und die Luft. Diese Ansicht wird <lurch die Thatsache unterstiitzt, dasz bei Pha­ laris und Avena das erste echte Blatt, welches hellgriin ist und ohne Zweifel Kohlensaure zersetzt, kaum irgend eine Spur von Heliotropis­ mus darbietet. Die heliotropischen Bewegungen vieler anderen S!lm­ linge unterstiitzen dieselben wahrscheinlich in gleicher Weise beim Heraustreten aus der Erde; denn Apogeotropismus wiirde dieselben einfach blind aufw!lrts fiihren gegen jedes dariiberliegende Hindernis. Heliotropismus herrscht so weit verbreitet unter den boheren Pflanzen vor, dasz es nur auszerst wenige gibt, von denen sich irgend ein Theil, entweder der Stamm, Bliithenstengel, Blattstiel oder ein Blatt nicht nach einem seitlichen Lichte bin biegt. Drosera rotundi­

folia ist eine der wenigen Pflanzen , deren Blatter keine Spur von

Heliotropismus darbieten. Ebensowenig konnten wir eine solche bei Dionaea. bemerbn, obgleich die Pflanzen nicht so sorgfaltig beob­ achtet wurden. Sir J. HOOKER setzte die Eimer von Sarracenia einige Zeit Jang ein m seitlicheu Lichte aus, sie bogen sich aber nicht nach ihm bin t. Wir konnen die Ursache wohl einseben, warum diese in­ sectenfressenden Pflanzen nicht heliotropisch zu sein brauchen, da sie nicht hauptsachlich von Zersetzung der Kohlensaure leben; es ist fiir sie von viel groszerer Bedeutung, dasz die Blatter die zum Fangen von Insecten am besten geeignete Stellung einnehmen, als dasz sie dem Lichte voll ausgesetzt sind.

Ranken, welcbe aus modificirten Blattern oder anderen Organen bestehen, und die Stamme von windenden Pflanzen sind, wie MOHL schon vor langer Zeit bemerkt hat, selten heliotropisch; und bier konnen wir wiedl!'rum den Grund verstehen, warum dies so ist; denn wenn sie sich nach einem seitlichen Lichte bin bewegten, wiirden sie von ihren Stiitzen weggezogen worden sein. Manche Ranken sind aber apheliotropisch, so z. B. diejenigen von Bignonia capreolata und von Smilax aspera; und die St!lmme einiger Pflanzen, welche mit­ telst Wurzelchen klettern, wie die des Epheu und von Tecoma radi­ cans sind gleichfalls apheliotropisch und auf diese Weise finden sie einen Anhalt. Auf der andern Seite sind die Blatter der meisten

 

1 Nach der Angabe von F. Kurtz {Verhandl. des Botan. Vereins d. Prov. Brandenburg, 20. Bd., 1878) sind die Blatter oder Eimer von Darlingtonia califor­ nica stark apheliotropiseh. Wir konnten an einer Pflanze, welche wir kurze Zeit besaszen, diese Bewegung nieht entdeeken.

 

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Kletterpflanzen heliotropisch ; bei denen von Mutisia elematis konnten wir aber kein Zeichen irgend einer derartigen Bewegung entdecken.

Da Heliotropismus in so weiter Verbreitung vorherrscht und da windende Pflanzen durch die ganze Reihe der Gefltszpflanzen verbreitet sind, scbien uns das anscheinende Fehlen irgend einer Neigung in ihren St!lmmen sich nach dem Lichte bin zu biegen, eine so merk­ wfirdige Thatsache .zu sein, dasz sie weitere Untersuchung verdiente; denn sie legt die Ansicht nahe , dasz Heliotropismus leicht eliminirt werden kann. Wenn windende Pflanzen einem seitlichen Lichte aus­ gesetzt werden, so fahren ihre St!lmme fort, um einen und denselben Fleck zu revolviren oder zu circumnutiren, ohne irgend eine sichtbare Ablenkung nach dem Lichte bin; wir glaubten aber eine Spur von Heliotropismus dadurch entdecken zu konnen, dasz wir die mittlere Geschwindigkeit, mit welcher sich die St!lmme w!lhrend ihrer auf­ einanderfolgenden revolutiven Bewegungen nach dem Lichte bin be­ wegten, mit der verglichen, mit welche'r sie sich in denselben Revo­ lutionen von ibm weg bewegten 2 Drei junge Pflanzen (von ungefiihr einem Fusz Rohe) von Ipomoea coerulea und vier von L purpurea, in besonderen Topfen wachsend, wurden an einem hellen Tage vor ein Nordost-Fenster in einem im Ubrigen verdunkelten Zimmer mit den Spitzen ihrer revolvirenden Stamme nach dem Fenster hinsehend ge­ stellt. Wenn die Spitze einer jeden Pflanze direct vom Fenster weg­ wies und wenn sie wiederum nach ihm. hinwies, wurde die Zeit an­ gemerkt. Dies wurde von 6.45 a. m. bis ein wenig nach 2 p. m. am•

17. Juni fortgesetzt. Nach einigen wenigen Beobachtungen schlossen wir, dasz wir mit Sicherheit die Zeit schatzen konnten, welche zu jedem Halbkreise nothig war, und zwar innerhalb einer Fehlergrenze von hochstens 5 Minuten. Obgleich die Schnelligkeit der Bewegung in verschiedenen Theilen der n!lmlichen revolutiven Bewegung bedeu­ tend schwankte, so wurden doch 22 Halbkreise nach dem Lichte bin, ein jeder im Mittel in 73.95 Minuten vollendet, und 22 Halbkreise von dem Lichte weg, ein jeder in 73,5 Minuten. Man kann daher sagen, dasz

 

1 Ungllicklicherweise sind iiber diesen Gegenstand in den wBewegungen uud Lebensweise der kletternden Pflanzen", Ubers. 1876, p. 22, 26, 33 und 41, einige unrichtige Angaben mitgetheilt worden. Es wurden aus einer ungeniigenden An­ zahl von Beobachtungen Folgerungen gezogen; denn wir wuszten damals noch nicht, mit welch' ungleicher Geschwindigkeit die Stamme und Ranken von Kletter­ pflanzen sich in verschiedenen Theilen einer und derselben Revolution bewegen.

DARWIN, llewegungsvermiigen. (XU!.) 25

 

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sich die Spitzen der Stamme nach dem Lichte bin und von dem Lichte weg mit genau derselben mittleren Geschwindigkeit bewegten, obschon wahrscheinlich die Genauigkeit des Resultats zum Theil zufallig war. Am Abend wurden die Stamme nicht im Mindesten nach dem Fenster bin abgelenkt. Nichtsdestoweniger scheint doch eine Spur von Helio­ tropismus zu existiren, denn bei 6 unter den 7 Pflanzen erforderte der erste Halbkreis vom Lichte weg, welcher am .frfihen Morgen be­ schrieben wurde, n'achdem die Pflanzen wahrend der Nacht der Dunkel­ heit ausgesetzt gewesen und dadurch wahrscheinlich empfindlicher ge­ worden waren, etwas mehr Zeit und der erste Halbkreis nach dem Lichte bin betrachtlich weniger Zeit als die mittlere Dauer. So war bei allen 7 Pflanzen zusammen genommen die mittlere Zeit des ersten Halbkreises am Morgen vom Lichte weg 76.8 Minuten anstatt 73.5 Minuten, welch' letzteres das Mittel aus allen Halbkreisen vom Lichte weg wabrend des Tages ist; und die mittlere Dauer des ersten Halb­ kreises nacb dem Lichte bin betrug nur 63.l anstatt 73.95 Minuten, welch' letztere Zahl das Mittel aus allen Halbkreisen wahrend des Tages nach dem Lichte bin ist.

Ahnliche Beobachtungen wurden bei Wistaria s-inensis gemacht; das Mittel ans 9 Halbkreisen vom Lichte weg war 117 Minuten und von 7 Halbkreisen nach dem Lichte bin 122 Minuten und es fiber­ steigt dieser Unterschied nicht die wahrscheinliche Fehlergrenze. Wah­

rend der drei Tage•, an denen die Pflanzen dem Lichte ausgesetzt

wurden, wurde der Sprosz durchaus nicht nach dem Fenster bin ge­ bogen, vor welchem r stand. In diesem Falle erforderte der erste Halbkreis vom Lichte weg am zeitigen Morgen eines jeden Tages etwas we n i g er Zeit zu seiner Vollendung als der erste Halbkreis nach dem Lichte bin; und dies Resultat scheint, wenn es nicht zu­ fil.llig war, darauf bin zu deuten, dasz die Sprossen eine Spur einer ursprfinglichen apheliotropischen Neigung beibehalten. Bei Lonicera brachypoda weichen die Halbkreise nach dem Lichte bin und von ihm weg in Bezug auf die erforderte Zeit betrlichtlich von einander ab; denn 5 Halbkreise vom Lichte weg erforderten im Mittel 202.4 Mi­ nuten und 4 Halbkreise nach dem Lichte bin 229.5 Minuten; der Sprosz bewegte sich aber sehr unregelmaszig, und unter diesen Um­ stiinden waren die angestellten Beobachtungen viel zu wenige.

Es ist merkwiirdig, dasz ein und derselbe Theil an der namlichen Pflanze durch das Licht in verschiedenen Altersstufen und , wie es

 

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scheint, auch in verschiedenen Jahreszeiten auf eine sehr verschiedene Weise afficirt werden kann. Die hypocotyledonen Stamme von Ipo­ moea coeritlea und pitrpurea sind auszerst heliotropisch, wahrend die Stamme alterer Pflanzen von nur ungefllhr einem Fusz Hohe, wie wir soeben gesehen baben, gegen das Licht beinabe ganzlich unempfind­ lich sind. SACHS gibt an (und wir haben dieselbe Thatsache beob­ achtet), dasz die Hypocotyle des Epheus (Hedera helix) unbedeutend heliotropisch sind, wahrend die Stamme von Pflanzen, welche einige wenige Zoll hoch gewachsen sind, so stark apheliotropisch werden, dasz sie sich unter rechtem Winkel vom Lichte abbiegen. Trotzdem wur­ den einige junge Pflanzen, welche sich zeitig im Sommer in dieser Weise benommen batten, Anfangs September wieder deutlich heliotropisch; die zickzackformigen Bewegungen ihrer Stamme wurden, wie sie sich langsam nach einem Nordost-Fenster bin kriimmten, 10 Tage lang auf­ gezeichnet. Die Stamme sehr junger Pflanzen von Tropaeolum majus sind in hohem Grade heliotropisch, wahrend diejenigen alterer Pflanzen nach der Angabe von SACHS unbedeutend apheliotropisch sind. In alien diesen Fallen dient der Heliotropismus der sehr jungen Stamme dazu, die Cotyledonen oder, wenn die Cotyledonen unterirdisch sind, die ersten echten Blatter dem Lichte voll auszusetzen; und der Ver­ lust dieses Vermogens bei den alteren Stammen oder ihr Apheliotropisch­ werden steht mit ihrer Gewohnheit zu klettern im Zusammenhang.

Die meisten Pflanzensamlinge sind stark heliotropisch, und es ist ohne Zweifel in ihrem Kampfe urn's Dasein fur sie von groszem Vor­ theil, ihre Cotyledonen dem Lichte so schnell und so vollstandig wie moglich auszusetzen zum Zwecke Kohlenstoff zu erhalten. Es ist im ersten Capital gezeigt worden, dasz die groszere Zahl der Samlinge bedeutend und schnell circumnutirt, und da Heliotropismus in einer modificirten Circumnutation besteht, so werden wir versucht, die hohe

Entwickelung diese•r beiden Vermogen als in innigem Zusammenhange

stehend zn betrachten. Ob es irgend welche Pflanzen gibt, welche langsam und in einer geringen Ausdehnung circumnutiren und doch in hohem Masze heliotropisch sind , wissen wir nicht; es gibt aber mehrere, und diese Thatsache hat nichts Uberraschendes, welche be­ deutend circumnutiren und doch durchaus nicht oder nur unbedeutend heliotropisch sind. Von derartigen Fallen bietet Drosera rotundi­

folia ein ausgezeichnetes Beispiel dar. Die Auslaufer der Erdbeere

circumnutiren beinahe ebenso wie die Stil.mme von Kletterpflanzen und

25*

 

[page break] 388 Empfindlichkeit gegen Licht. Cap. 9.

sie werden von einem mliszigen Lichte durchaus gar nicht afficirt; als sie aber sp!l.t im Sommer einem etwas helleren Lichte ausgesetzt wurden, waren sie unbedeutend heliotropisch; im Sonnenlichte sind sie nach der Angabe von DE VRIES apheliotropisch. Kletternde Pflanzen circumnutiren viel ausgedehnter als irgend welche andere Pflanzen und doch sind sie durchaus nicht heliotropisch.

Obgleich die StAmme der meisten PflanzensAmlinge in hohem Grade heliotropisch sind, so sind doch einige wenige nur unbedeutend beliotropisch, ohne dasz wir im Stande waren, eine Ursache hiervon anzugeben. Dies ist mit dem Hypocotyl von Cassia tora der Fall, und dieselbe Thatsacbe tiberraschte uns noch bei einigen anderen Sam­ lingen , so z. B. bei denen von Reseda odorata. Was den Grad der Empfindlichkeit der empfindlicheren Arten betrifft, so wurde im letzten Capitel gezeigt, dasz die Samlingc mehrerer Species, wenn sie vor ein mit mehreren Vorbangen geschtitztes Nordost-Fenster gestellt und von hinten her dem diffusen Licht des Zimmers ausgesetzt werden, sich mit nicht irrender Sicherheit nach dem Fenster bin bewegen, obgleich es unmoglich entschieden werden konnte, ausgenommen durch den auf ein Stuck weiszen Cartons geworfenen Schatten eines Bleistifts, von welcber Seite her mehr Licht eintrat, so dasz der -Oberschusz auf der einen Seite iluszerst gering gewesen sein musz.

Ein Topf mit Siimlingen von Phalaris canariensis, welche im Dunkeln gezogen worden waren, wurden in ein vollstitndig verdunkeltes Zimmer zwolf Fusz von einer sehr kleinen Lampe entfernt gestellt. Nach 3 Stunden waren die Cotyledonen in einer zweifelhaften Weise nach dem Lichte gekrtimmt, und nach 7 Stunden 40 M.inuten von der ersten Zeit des Ausgesetztseins an gerechnet waren sie alle deutlich, wenngleich unbedeutend nach der Lampe bin gekrtimmt. Es war nun in dieser Entfernung von 12 Fusz das Licht so trfihe , dasz wir die Siimlinge selbst nicht sehen, noch die groszen romischen Zahlen auf dem weiszen Zifferblatt einer Uhr ablesen, noch eine Bleistiftlinie auf Papier erkennen, und nur eben eine mit Tusche gezogene Linie unter­ scheiden konnten. Es ist eine noch tiberraschendere Thatsache, dasz von einem aufrecht gehaltenen Bleistift auf einen weiszen Carton kein sichtbarer Schatten geworfen wurde; es wirkte daher auf die Samlinge ein Unterschied in der Beleuchtung ihrer beiden Seiten, welchen das menschliche Auge nicht unterscheiden konnte. Bei einer andem Ge­ legenheit wirkte selbst ein noch geringerer Grad von Licht, denn einige

 

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Samlinge von Phalaris wurden in einer Entfernung von 20 Fusz un­ bedeutend nach der namlichen Lampe bin gekriimmt; in dieser Ent­ fernung konnten wir einen kreisfnrmigen, mit Tusche auf weiszes Papier gemachten Fleck von 2.29 mm (0.09 Zoll) Durchmesser nicht sehen, obgleich wir einen Fleck von 3.56 mm (0.14 Zoll) Durchmesser noch eben sehen konnten ; und doch erscheint ein Fleck der ersten Grosze im Lichte geseben grosz3

Wir versucl1ten nun zunl!.cbst, ein wie kleiner Lichtstrahl wirken wiirde, da dies von Bedeutung fiir den Umstand ist, dasz" das Licht als Fuhrer fiir die Samlinge dient, wahrend sie durch zerkliifteten oder zerdriickten Boden hervortreten. Ein Topf mit Samlingen von Phalaris wurde mit einem Zinngefasz bedeckt, welches an einer Seite ein kreis­

fnrmige•s Loch von 1.23 mm Durchmesser hatte (d. h. etwas weniger

als ..J1r Zoll); die Biichse wurde vor eine Paraffin-Lam11e und bei einer andern Gelegenheit vor ein Fenster gestellt, und beide male wurden die Siimlinge offenbar nach einigen wenigen Stunden nach dem kleinen Loche bin gebogen.

Es wurde nun ein noch entscheidenderer Versuch angestellt; kleine Rohren von sehr diinnem Glas, welche an ihrem oberen Ende geschlossen und mit schwarzem Lack iiberzogen waren, wurden iiber die Cotyledonen von Phalaris (die im Dunkeln gekeimt batten), gestiilpt und paszten gerade iiber sie. Auf der einen Seite, durch welche allein das Licht eintreten konnte, waren schmale Streifen des Lacks vorher abgekratzt worden; ihre Dimensionen waren nachher unter dem Microscop ge­ messen worden. Als Controle wurden Versuche mit abnlichen nicht gefirniszten und durchsicbtigen Rohren angestellt und es ergab sich, dasz sie die Cotyledonen uicht hinderten , sich nach dem Lichte bin zu biegen. Zwei Cotyledonen wurden vor ein Siidwest-Fenster gestellt, von denen der eine durch einen Spalt im Lackiiberzuge von nur 0.004 Zoll (0.1 mm) in der Breite und 0.016 Zoll (0.4 mm) in der Lange, der andere durch einen Spalt von 0.008 Zoll in der Breite und 0.06 Zoll in der Ll!.nge beleuchtet wurde. Nachdem die Samlinge 7 Stunden 40 Minuten exponirt gewesen waren, wurden sie untersucht und es zeigte sich, dasz sie deutlich nach dem Lichte bin gebogen waren. Es wurden zu derselben Zeit ahnliche Versuche mit einigen anderen Coty-

8 Strasburger sagt (Wirkung des Lichte auf Schwiirmsporen, 1878, p. 52), dasz die Sporen von Haematococcus sich nach einem Lichte hin bewegten, welches nur eben geniigte, mittelgroszen Druck zu lesen.

 

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ledonen angestellt, ausgenommen, dasz die kleinen Spalten nicht nach dem Himmel, sondern so gerichtet waren, dasz sie nur das diffuse Licht

vom Zimmer her empfiengen; und diese Cotyledonen wurden durchaus gar nicht gebeugt. Sieben andere Cotyledonen wurden durch schmale, aber vergleichsweise lange abgekratzte Streifen im Lackuberzuge be­ leuchtet, namlich von zwischen 0.01 und 0.026 Zoll Breite und 0.15 bis 0.3 Zoll Lange; und diese wurden alle nach der Seite bin gebogen, von welch r her das Licht durch die Spalten eintrat, mochten diese nun nach dem Himmel hin oder nach einer 8eite des Zimmers gerichtet sein. Dasz Licht, welches durch eine Offnung von nur 0.004 Zoll Breite und 0.016 Zoll Lange durchtrat, eine Krummung veranlassen konne, scbien uns eine iiberrascbende Thatsache zu sein.

Ebe wir wuszten, wie iiuszerst empfindlicb die Cotyledonen von Phalaris gegen Licht sind, bemiibten wir uns, ihre Circumnutation im Dunkeln mittelst eines kleinen Wachsziinders zu verfolgen, welches eine oder zwei Minuten Jang bei jeder Beobachtung in nahezu der namlichen Stellung ein wenig nach der linken Seite vor der senkrechten Glasscheibe gebalten wurde, auf welcher die Aufzeicbnung bewirkt wurde. In dieser Weise wurden die Samlinge siebzehnmal im Verlaufe des Tages in Zwischenrii.umen von einer halben bis zu drei Viertel­ stunden beobachtet; und spat am Abend waren wir iiberrascht, als wir fanden, dasz sammtliche 29 Cotyledonen bedeutend gekriimmt waren und nach der senkrechten Glasscheibe hinwiesen, ein wenig nach links, wo der Wachsziinder gehalten worden war. Die Zeichnung wies nacb, dasz sie sicb in Zickzacklinien bewegt batten. Dasz sie einem scbwachen Lichte eine sebr kurze Zeit lang in den oben angegebenen Zwischen­ raumen ausgesetzt waren, reichte daher bin , gut ausgesprochenen Heliotropismus zu veranlassen. Ein analoger Fall wurde an den Hypo­ cotylen von Solanum lycopersicum beobachtet. Wir schrieben dies Resultat anfangs den in jedem Falle eintretenden Nachwirkungen des Lichtes zu; seitdem wir aber WIESNER's Beobachtungen 4 gelesen haben, auf welche wir im letzten Capitel uns beziehen werden, konnen wir

nicht daran zweifeln, dasz ein intermittirendes Licht wirksamer ist als ein continuirliches, da Pfl.anzen fo Bezug auf seine Starke fur jeden Contrast besonders empfindlich sind.

 

+ Sitzungsberichte der k. k. Acad. d. Wissensch. Wien, math.-nat. Cl. Januar

1880, p. 12.

 

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Die Cotyledonen von Phalaris biegen sich viel langsamer nach einem sehr triiben Lichte als nach einem hellen bin. So waren sie in den Versuchen, wo Samlinge in einem dunklen Zimmer in einer Ent­ fernung von 12 Fusz von einer sehr kleinen Lampe gestellt waren, nach 3 Stunden eben merkbar und in etwas zweifelhafter Art, sicher aber nach. 4 Stunden nach ihm bin gekriimmt. Nach 8 Stunden

40 Minuten waren die Sehnen der von ibnen gebildeten Bogen unter einem mittleren Winkel von nur 16° von der Senkrechten abgelenkt.

Ware das Licht bell gewesen, so wiirden sie in einer Zeit von zwischen

1 und 2 Stunden viel bedeutender gekriimmt worden sein. Es wurden mehrere Versucbe mit Samlingen angestellt , welcbe in verschiedenen Entfernungen von einer kleinen Lampe in einem dun]µen Zimmer auf­ gestellt wurden; wir wollen aber nur einen Versuch anfiibren. Es wurden sechs Topfe in Entfernungen von 2, 4, 8, 12, 16 und 20 Fusz von der Lampe gestellt, vor welcher sie 4 Stunden lang gelassen wurden. Da

. das Licht in geometrischem Verhaltnis abnimmt, erbielten die Samlinge im zweiten Topf i/4, diejenigen im dritten Topf -b,, diejenigen im vierten -lr., diejenigen im fiinften i, und diejenigen im sechsten Topfe 1h des Lichts, welches die Samlinge im ersten oder nachsten Topfe

erhielten. Es ware daher zu erwarten gewesen, dasz in dem Grade ihrer heliotropiscl1en Krfimmung ein ungeheurer Unterschied bei den einzelnen Topfen auftreten wiirde ; und es bestand aucb eine scharf ausgesprochene Verscbiedenheit zwischen denen, welche am nachsten und welche am weitesten von der Lampe standen, der Unterschied zwischen je zweien der aufeinanderfolgenden Paare von Topfen war aber auszerst gering. Um jede Voreingenommenheit zu vermeiden, frugen wir drei Personen, welche Nichts von dem Versuche wuszten, und lieszen die Topfe je nacb dem Grade der Kriimmung der Cotyledonen in eine Reihe bringen. Die erste Person brachte sie in die richtige Reihenfolge, war aber in Bezug auf die Topfe aus 12 und 16 Fusz Entfernung lange im• Zweifel; und doch erhielten diese Licht im Ver­ haltnis von 36 zu 64. Die zweite Person ordnete sie gleicbfalls richtig an, war aber in Bezug auf die Topfe aus 8 und 12 Fµsz Entfernung im Zweifel, welche Licht im Verhaltnis von 16 zu 36 erhielten. Die dritte Person bracbte sie in eine falsche Reihe und zweifelte in Bezug auf vier Topfe. Dies Zeugnis beweist, wie wenig die Kriimmung der Samlinge in den aufeinanderfolgenden Topfen verschieden war, im Vergleich zu dem groszen Unterschiede in der Lichtst!!.rke, welche sie

 

[page break] 392 Empfindlichkeit gegen Licht. Cap. 9'.

erhielten ; es ist auch noch zu bemerken, dasz kein Excesz von uber­ fliissigem Lichte vorhanden war, denn die Cotyledonen wurden selbst in dem nachsten Topfe nur wenig und langsam gekriimmt. Dicht am

6. Topf, in der Entfernung von 20 Fusz von der Lampe, gestattete uns das Licht, einen mit Tusche auf weiszes Papier gemachten Fleck von

3.56 mm (0.14 Zoll) Durchmesser eben noch zu erkennen, aber nicht mehr einen solchen von 2.29 mm (0.09 Zoll) Durcbmesser.

Der Grad der Kriimmung der Cotyledonen von Phalaris innerhall> ein!)r gegebenen Zeit hangt nicht blosz von der Menge seitlichen Lichts ab, welche sie in dieser Zeit erhalten, sondern von der, welche sie vorher schon von oben und von allen Seiten erhalten haben. Es sind analoge Thatsachen in Bezug auf die nyctitropischen und periodischen Bewegungen der Pfl.anzen mitgetheilt worden. Von zwei Topfen mit Samlingen von Phalaris, welche im Dunkeln gekeimt batten, wurde einer noch immer im Dunkeln gehalten und der andere wurde (am

26. Sept.) wl!.hrend eines bewolkten Tages und des folgenden hellen Morgens dem Lichte im Gewacbshause ausgesetzt. An 'diesem Morgen (27.) um 10.30 a. m. wurden beide Topfe in eine innen geschwarzte und •an der Vorderseite offene Kiste vor ein Nordost-Fenster gestellt, welches mit einem leinenen und einem musselinen Vorhange und einem breiten Handtucb geschiitzt war, so dasz nur wenig Licht zugelassen wurde, obschon der Himmel hell war. So oft nach den Topfen gesehen wurde, wurde dies so• schnell wie moglich ausgefuhrt, und die Coty­ ledonen wurden dann quer in Bezug auf das Licht gehalten, so dasz dadurch ihre Kriimmung weder vermehrt noch vermindert worden sein konnte. Nach 50 Minuten waren die Samlinge, welche vorher im Dunkeln gehalten worden waren, vielleicht, und nach 70 Minuten ganz sicher wenn schon sehr unbedeutend nach dem Fenster bin gekriimmt. Nach 85 Minuten waren einige von den Samlingen, welche vorher beleuchtet worden waren, vielleicht ein wenig afficirt und nach 100 Mi­ nuten waren einige von den jungeren sicher ein wenig nach dem Lichte bin gekriimmt. Um diese Zeit _(d. h. nach 100 Minuten) bestand ein deutlicher Unterschied in der Kriimmung der Samlinge in den beiden Topfen. Nach 2 Stunden 12 Minnten wurden die Sehnen der Bogen von vier der am stilrksten gekriimmten Sl!.mlinge in jedem Topf ge­ messen, and der mittlere Winkel, welchen dieselben mit der Senkrechten

bildete, betrug bei denjenigen, welche vorher im Dunkeln gehalten worden waren, 19°, und bei denjenigen, welche vorher beleuchtet worden

 

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waren, 7 °. Auch verminderte sich dieser Unterscbied wAbrend zweier weiterer Stunden nicbt. Um die Bewegung zu unterbrecben, wurden die Si1mlinge in beiden Topfen zwei Stunden lang in vollkommene Dunkelbeit gebracht, damit der Apogeotropismus auf sie wirken kOnne; diejenigen in dem einen Topfe, welcbe wenig gekrftmmt waren, wurden in dieser Zeit beinabe vollkommen aufrecbt, wi1brend die st!l.rker gekrnmmten

.in dem anderen Topfe nocb immer deutlicb gekrftmmt blieben.

Zwei Tage darauf wurde der Versucb wiederbolt, mit der einzigen Verschiedenheit, dasz durch das Fenster selbst nocb weniger Licht

zugelassen wurde, da es mit einem leinenen und einem musselinen

Vorhang und zwei breiten Handtuchern bedeckt wurde; 1iberdies war der Himmel etwas weniger hell. Das Resultat war dasselbe wie friiber, ansgenommen dasz Alles etwas langsamer eintrat. Die Sll.mlinge, welcbe vorber im Dunkeln gebalten worden waren, waren nacb 54 Minuten nicht im Mindesten gekrtimmt, waren es aber nach 70 Minuten. Die, jenigen, welcbe vorher beleucbtet •gewesen warent waren durcbaus gar nicbt afficirt, bis 130 Minuten vergangen waren, und auch dann nur nnbedeutend. Nach 145 Minuten waren einige von den Samlingen in diesem letzten Topfe sicber nacb dem Lichte bin gekrtimmt; auch bestand nun ein deutlicher Unterschied zwischen den zwei TOpfen. Nach 3 Stunden 45 Minuten wurden die Sehnen der Bogen von 3 Si\mlingen

in jedem Topfe gemessen, und der mittlere Winkel, den sie mit der Senkrechten bildeten, betrug 16° bei denjenigen in dem Topfe, welcher

vorher im Dunkeln gebalten, und nur 5° bei denjenigen in dem Topfe, welcber vorher beleuchtet worden war.

Die Kriimmung der Cotyledonen von Phalaris nach einem seit­ lichen Lichte bin wird daher sicher von dem Grade, bis zu welchem sie vorh r beleucbtet gewesen waren, beeinfluszt. Wir warden sofort sehen, dasz der Einflusz des Lichts auf ibre Biegung noch eine kurze Zeit fortdauert, nachdem das Licht beseitigt worden ist. Diese Tbat­ sachen, ebenso die, dasz die Krftmmung nicht in einem nahezu gleicben Verhll.ltnis zu der Licbtmenge, welche sie erhalten, zunimmt oder ab­ nimmt, wie in den Versuchen mit den Pflanzen vor der Lampe nach­ gewiesen wurde, weisen sitmmtlicb darauf bin, dasz das Licht auf die Cotyledonen wie ein Reiz wirkt, in ungefahr derselben Art und Weise, wie auf das Nervensystem der Thiere, und nicht in einer directen Art und Weise auf die Zellen oder Zellenwandungen, welcbe durch ibre Zusammenziehung oder Ausdebnung die Krftmmung verursacben.

 

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Es ist bereits gelegentlich gezeigt worden, wie langsam sicb die Cotyledonen von Phalaris nach einem sehr triiben Lichte bin beugen; als sie aber vor eine belle Paraffin-Lampe gestellt wurden, waren ihre Spitzen in 2 Stunden 20 Minuten sammtlich rechtwinklig nach ihr bin gebogen. Die Hypocotyle von Solanum lycopersicum batten sich am Morgen unter rechtem Winkel nach einem Nordost-Fenster hingebogen. Um 1 p. m. (21. Oct.) wurde der Topf herumgedreht, so dasz die_ Samlinge nun von dem Lichte weg wiesen; aber um 5 p. m. batten sie ihre Kriimmung urugekebrt und sie wiesen nun wiederum nach dem

Lichte bin. Sie batten sich hienach in 4 Stunden durch 180° bewegt,

nachdem sie• vorher am Morgen schon ungefahr 90° durchmessen batten. Die Umkehr der ersten Halfte der Kriimmung wird aber durch Apogeotropismus unterstiitzt worden sein. A.hnliche Falle wurden noch bei anderen Samlingen beobachtet, so beispielsweise bei denen von Sinapis alba.

Wir versuchten zu ermitteln, in wie kurzer Zeit das Licht auf die Cotyledonen von Phalaris wirkte; dies war aber wegen der Schnelligkeit ihrer circumnutirenden Bewegung schwierig; iiberdies sind sie in ihrer Empfindlichkeit je nach ihrem Alter sehr verschieden; nichtsdestoweniger sind einige von unseren Beobachtungen der Mit­ theilung werth. Es wurden Topfe mit Samlingen unter ein Microscop gebracht, welches mit einem Ocular-Micrometer versehen war, an

welchem jeder Theilstrich gleich 5h Zoll (0.051 mm) war; sie wurden

zuerst mit Licht von einer Paraffin-Lampe beleuchtet, welches durch eine Losung von doppeltchromsaurem Kali trat und daber keinen Heliotropismus veranlaszte. Es konnte in dieser Weise die Richtung, in welcher die Cotyledonen circumnutirten, unabhangig von irgend einer vom Licht ausgehenden Wirkung beobachtet werden; auch konnte man sie, durch Herumdrehen der Topfe, veranlassen, quer auf die Linie zu circumnutiren, in welcher das Licht sie treffen wiirde, so bald die Losung entfernt wurde. Die Thatsache, dasz die Richtung der circum­ nutirenden Bewegung in jedem Augenblicke sich !indern und daher die Pflanze sich entweder nach der Lampe bin oder von ihr weg biegen konnte, unabhangig von der Wirkung des Lichts, brachte ein Element der Unsicherheit in die Resultate. Nachdem die Losung entfernt worden war, fi.engen fiinf Sii.mlinge, welche quer auf die Richtung des Lichtes circumnutirten, nach 6, 4, 7i/2, 6 und 9 Minuten an, sich nach dem Lichte bin zu bewegen. In einem dieser Falle kreuzte die Spitze des

 

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Cotyledon in 3 Minuten fiinfTheilstriche des Micrometers (d. h. rh Zoll oder 0.254 mm) nach dem Lichte bin. Von zwei Samlingen, welche sich zu der Zeit, als die Losung entfernt wurde, direct vom Lichte weg bewegten, fieng der eine in 13 Minuten, der andere in 15 Minuten an, sich nach dem Lichte hin zu bewegen. Dieser letzte Samling wurde noch !linger als eine Stunde beobachtet, und er fubr fort, sicb uacb dem Lichte bin zu bewegen; einmal durchkreuzte er in 2 Minuten

30 Secunden 5 Abtheilungen des Micrometers (0.254 mm). In allen diesen Fallen war die Bewegung nach dem Lichte bin in ihrer Ge­ schwindigkeit auszerst ungleichmaszig, und die Cotyledonen blieben haufig einige Minuten lang beinahe stationar und zwei von ihnen be­ wegten sich ein wenig riickwarts. Ein anderer Samling, welcher quer zur Richtung des Lichts circumnutirte, bewegte sich in 4 Minuten, nachdem die Losung entfernt war, nach dem Lichte bin; dann blieb er

10 Minuten lang beinabe stationar; dann kreuzte er 5 Abtheilungen des Micrometers in 6 Minuten_ und dann 8 Abtheilungen in 11 Minuten. Diese ungleiche Schnelligkeit der Bewegung, von Pausen unterbrochen und anfangs mit gelegentlichen Riickwartsbewegungen, stimmt mit unserer Schluszfolgerung gut iiberein, dasz Heliotropismus in modificirter Circumnutation besteht.

Um zu beobachten, wie lange die Nachwirkungen des Licbts dauerten, wurde ein Topf mit Samlingen von Phalaris, welche im Dunkeln gekeimt batten, um 10.40 a. m. vor ein Nordost-Fenster gestellt, wahrend sie auf allen iibrigen Seiten gegen das Licht geschiitzt waren; die Bewegung eines Cotyledon wurde dann auf einer horizontalen Glasscheibe aufgezeichnet. Er circumnutirte wahrend der ersten 24 Mi­ nuten ungefiihr um einen und den namlichen Fleck und bewegte sich wahrend der nllchsten 1 Stunde 33 Minuten rapid nach dem Lichte bin. Das Licht wurde nun (d. h. nach 1 Stunde 57 Minuten) voll-_ standig ausgeschlossen; der Cotyledon fubr aber gewisz fiir Hinger als 15 M.inuten, wabrscheinlich ungefiihr 27 Minuten lang sich in derselben Richtung zu biegen fort. Der bier ausgedr1ickte Zweifel riihrte daher, dasz es doch nothwendig war nicht zu haufig nach dem Samling zu seben und ihn dabei, wenn auch nur fiir Augenblicke, dem Lichte aus­ zusetzen. Dieser selbe Samling wurde nun bis um 2.18 p. m. im Dunkeln gehalten, in welcher Zeit er durch Apogeotropismus seine ur­ spriingliche aufrechte Stellung wieder erlangt hatte, als er nun wieder­ um dem Lichte eines bewolkten Himmels ausgesetzt wurde. Um 3 p. m.

 

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hatte er sich eine sebr kurze Strecke lang nach dem Lichte hin be­ wegt, aber wll.hrend der nl\chsten 45 Minuten bewegte er sich schnell nach ihm bin. Nachdem er hiermit 1 Stunde 27 Minuten lang einem ziemlicb trtiben Lichte ausgesetzt worden war, wurde das Licht wieder­ um vollstandig abgescblossen, der Cotyledon fuhr aber wie vorher

14 Minuten lang (innerbalb einer sebr kleinen Feblergrenze) in der­ selben Richtung sich zu biegen fort. Er wurde dann in's Dunkle ge­ bracbt, und nun bewegte er sich zurftck, so dasz er nach 1 Stunde 7 Minuten dicht an dem Punkte stand, von welchem er um 2.18 p. m. ausgegangen war. Diese Beobachtungen weisen nach, dasz , nachdem die Cotyledonen von Phalaris einem seitlichen Lichte ausgesetzt ge­ wesen sind, sie sich eine Zeit lang, zwischen einer Viertel- und einer halben Stunde, in derselben Richtung zu biegen fortfabren.

In den zwei oben angefuhrten Experimenten bewegten sich die

Cotyledonen kurze Zeit, nacbdem sie der Dunkelbeit ausgesetzt worden waren, riickwarts oder vom Fenster weg, und wahrend wir die Circum­ nutation verschiedener Arten von Samlingen, die einem seitlichen Lichte ausgesetzt wurden, aufzeichneten, beobachteten wir wiederholt, dasz sie sich spat am Abend, wie das Licht abnahm, von ibm weg bewegten. Diese Thatsache ist in einigen der im letzten Capitel mit­ getheilten Zeichnungen zu erkennen. Wir wiinschten daher zu erfahren, ob dies ganzlich Folge des Apogeotropismus sei, oder ob ein Organ , nachdem es sich nach dem Lichte hin gebogen batte, aus irgend einer andern Ursache sich, so bald das Licht verschwindet, von ibm weg zu biegen strebt. Dern entsprechend wurden zwei Topfe mit Samlingen von Phalaris und ein Topf• mit Brassica-Samlingen 8 Stunden lang dem Lichte einer Paraffin-Lampe ausgesetzt, in welcher Zeit die Cotyledonen der ersteren und die Hypocotyle der letzteren

_recbtwinklig nach dem Lichte hin gebogen wurden. Die Topfe wurden nun schnell horizontal gelegt, so dasz die oberen Theile der Cotyle­ donen und der Hypocotyle von 9 Samlingen senkrecht aufwll.rts vor­ sprangen, wie durch ein Bleiloth erwiesen wurde. In dieser Stellung konnte Apogeotropismus nicht auf sie einwirken, und wenn sie irgend eine Neigung besaszen , sich zu strecken oder sich im Gegensatz zu ihrer fruheren heliotropischen Krftmmung zu biegen , so wiirde dies zum Ausdruck kommen, denn es wurde zuerst der Apogeotropismus sehr unbedeutend entgegenwirken. Sie wurden 4 Stunden lang im Dunkeln gehalten, wl\hrend welcher Zeit zweimal nach ihnen gesehen

 

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wurde; es konnte ab_er keine gleichformige Biegung im Gegensatz zu ihrer frO.beren beliotropiscben Kriimmung entdeckt werden. Wir haben gesagt "gleichformige" Biegung, weil sie in dieser neuen Stellung circumnutirten und nach 2 Stunden in verscbiedenen Richtungen (zwischen 4° und 11 °) von der Senkrechten ab geneigt waren. lbre Ricbtungen anderten sich auch nach zwei weiteren Stunden und wieder­ um am folgenden Morgen. Wir kOnnen daher schlieszen , dasz das Zuriickbiegen von Pflanzen vom Lichte weg, wenn dies trO.be wird oder im Verli}schen ist, ganzlich eine Folge des Apogeotropismus ist 5 Bei unseren verschiedenen Experimenten waren wir hi!.ufig von

der Genauigkeit iiberrascht, mit welcher Samlinge nach einem Lichte hinwiesen, auch wenn dies von geringer Grosze war. Um dies zu be­ weisen, wurden viele Samlinge von Phalaris, welche im Dunkeln in einem sehr schmalen mehrere Fusz langen Kasten gekeimt batten, in einem verdunkelten Zimmer in die Nil.he und vor eine Lampe mit einem kleinen cylindrischen Docht gestellt. Die Cotyledonen an den beiden Enden und in dem mittleren Theile des K;astens wiirden sich daher in sehr verschiedenen Richtungen zu biegen haben, um nach dem Lichte hinzuweisen. Nachdem sie rechtwinklig gebogen waren, wurde von zwei Personen ein langer weiszer Faden dicht O.ber und parallel zuerst zu dem einen und dann zu einem andern Cotyledon ausgestreckt ge­ halten; und beinahe in jedem einzelnen Falle ergab sich, dasz der Faden factisch den Docht der kleinen nun ausgeloschten Lampe durch­ schnitt. Die Abweichung von der genauen Richtung iiberschritt, so viel wir beurtheilen konnten , niemals einen Grad oder zwei. Diese lluszerste Genauigkeit scheint auf den ersten Blick iiberraschend , ist es aber factisch nicht; denn an einem aufrechten cylindriscben Stamme wird , welches auch seine Stellung in Bezug auf das Licht sein mag, genau die Halfte des Umfangs beleuchtet und die andere Halfte im Schatten sein; und da der Unterschied in der Beleuchtung der beiden Seiten die den Heliotropismus anregende Ursache ist, wird sich natiir­ lich ein Cylinder mit groszer Genauigkeit nach dem Lichte bin biegen. Die Cotyledonen von Phalaris sind indessen nicht cylindrisch, sondern auf dem Durchschnitt oval, und die lil.ngere Axe verhielt sich zur

Aus einem Citat bei Wiesner (,,Die undulirende Nutation der Internodien"

p. 7) geht hervor, dasz H. Mfiller von Thurgau gefunden hat, dasz ein Stamm, welcher sich heliotropisch biegt, sich zu der nii.mlichen Zeit durch Apogeotropismus bestrebt, sich in eine senkrechte Stellung zu erheben.

 

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kiirzeren (bei dem einen, welcher gemessen wurde) wie 100 zu 70. Trotzdem konnte kein Unterschied in der Genauigkeit ihrer Biegung entdeckt werden, mochten sie nun so stehen , dasz ihre breiten, oder dasz ihre schmalen Seiten nach dem Lichte hingekehrt waren, oder in irgend einer dazwischen liegenden Stellung; dasselbe war aucb bei den Cotyledonen von Avena sativa der Fall, welche gleichfalls im Durch­ schnitt oval sind. Ein wenig Uberlegung ergibt nun, dasz, in welcher Stellung die Cotyledonen auch stehen mi>gen, es eine Linie der stlirksten Beleuchtung , genau dem Lichte gegeniiber, geben wird und dasz auf jeder Seite dieser Linie ein gleicher Betrag an Licht empfangen wer­ den wird; wenn aber das Oval schrlig in Bezug auf das Licht steht, wird dies auf der einen Seite der Mittellinie iiber eine gri>szere Ober­ fl.ache zerstreut werden als auf der andern. Wir ki>nnen daher schlieszen, dasz dieselbe Menge Lichts , rnag es iiber eine groszere Oberfl.ll.che zerstreut oder auf einer kleineren Flliche concentrirt sein, genau die­ selbe Wirkung hervorbringt; denn die Cotyledonen in den langen schmalen Kasten standen in allen mi>glichen Arten von Stellungen in Bezug auf das Licht und doch wiesen sie sammtlich richtig nach ihm bin.

Dass die Biegung der Cotyledonen nach dem Lichte bin davon abbl\ngt, dasz die ganze eine Seite beleuchtet oder dasz die ganze entgegengesetzte Seite verdunkelt ist, und nicht davon, dasz eine schmale Langszone in der Richtung des Lichts afficirt wird, wurde auch durch die Wirkungen nachgewiesen, welche das langsweise Bemalen einer Seite von fiinf Cotyledonen von Phalaris mit Tusche hervorrief. Dieselben wurden dann auf einen Tisch in der Nahe eines nach Siid­ west gelegenen Fensters gestellt und die bemalte Seite wurde entweder nach rechts oder nach links bin gericbtet. Das Resultat war, dass sie, anstatt sicb in einer directen Linie nach dem Fenster bin zu biegen, vom Fenster weg und nach der nicht bernalten Seite abgelenkt wurden, und zwar unter den folgenden Winkeln: 35°, 83°, 31°, 43° und 39°. Es musz bemerkt werden, dasz es kaum moglich war, ganz genau eine HUfte zu bemalen oder sammtliche Cotyledonen, welche im Durchschnitt oval sind, in vi>llig der namlichen Stellung in Bezug auf das Licht aufzustellen; und dies diirfte die Verschiedenheiten in den Winkeln erklaren. Es wurden auch fiinf Cotyledonen von Avena in derselben Weise, aber mit groszerer Sorgfalt bemalt; sie wurden von der Linie des Fensters seitwarts nach der nicht bemalten Seite bin in

 

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den folgenden Winkeln abgelenkt: 44°, 44°, 55°, 51° und 57°. Diese Abbiegung der Cotyledonen vom Fenster ist verstllndlich, denn die ganze nicht bemalte Seite musz etwas Licht erhalten haben, wahrend die entgegengesetzte bemalte keines erhielt; es wird aber eine schmale Zone auf der nicht bemalten Seite direct vor dem Fenster das meiste Licht und sllmmtliche hinteren Partien (halb oval im Durchschnitt) in verschiedenen Graden immer• weniger und weniger Licht erhalten haben; und wir konnen folgern, dasz der Ablenkungswinkel die Resultante der Wirkung des Lichts auf die ganze nicht bemalte Seite ist.

Es hii.tte vorausgeschickt warden sollen, dasz Tusche die Pfl.anzen nicht beschadigt, wenigstens nicht innerhalb mehrerer Stunden; es konnte dieselbe ihnen auch nur dadurch schaden, dasz sie die Respi­ ration unterbrach. Um zu ermitteln, ob in dieser Weise eine Schii.­ digung schnell herbeigefiihrt wiirde, wurden die oberen Halften von

8 Cotyledonen von Avena dick mit durchsichtiger Masse uberzogen,

4 mit Gummi und 4 mit Gelatine ; sie wurden am Morgen an ein Fenster gestellt , und am Abend waren sie in normaler Weise nach dem Lichte bin gebogen, obgleich die Oberzfige nun aus trockenen Krusten von Gummi und Gelatine bestanden. Oberdies , wenn die Samlinge, welche langsweise mit Tusche bemalt waren , auf der be­ malten Seite beschadigt worden waren, wiirde die entgegengesetzte Seite fortgefahren haben zu wachsen und sie wfirden in Folge dessen nach der gemalten Seite bin gebogen worden sein, wahrend die Kriim­ mung, wie wir gesehen haben, in der entgegengesetzten Richtung oder nach der nicht bemalten Seite, welche dem Lichte ausgesetzt war, eintrat. Wir beobachteten auch die Wirkungen einer longitudinalen Verletzung der einen Seite der Cotyledonen von Avena und Phalaris; denn ehe wir erfahren batten, in wie hohem Grade ein Fettiiberzug ihnen schadlich sei, bemalten wir mehrere an der einen Seite hinab mit einer Mischung von 01 und Lampenrusz, worauf sie an einem Fenster dem Lichte ausgesetzt wurden; andere llhnlich behandelte wurden spater dem Ver­ suche im Dunkeln unterworfen. Diese Cotyledonen wurden bald deut­ lich nach der geschwarzten Seite bin gebogen, offenbar in Folge davon, dasz der Fettuberzug auf dieser Seite ihr Wachsthum unterbrochen hatte, wllhrend auf der entgegengesetzten Seite das Wachsthum fort­ schritt. Es verdie_nt aber Beachtung, dasz die Kriimmung von der durch das Licht verursachten verschieden ist, welche schlieszlich in

 

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der Nahe des Bodens plotzlich wird. Diese Sll.mlinge starben sp!lter nicht ab, waren aber bedeutend verletzt und wuchsen schlecht.

Locallslrte Empflndllchkelt gegen das Licht und seine fortgelelteten Wlrkungen.

Phalaris canariensis. - Wll.hrend wir die Genauigkeit beobach­ teten, mit welcher die Cotyledonen dieser Pflanze nach dem Lichte einer kleinen Lampe bin gebogen wurden , drangte sich uns der Ge­ danke auf, dasz der oberste Theil die Richtung der Kriimmung des unteren Theils bestimme. Wenn die Cotyledonen einem seitlichen Lichte ausgesetzt werden, biegt sich der obere Theil zuerst, und spll.ter erstreckt sich die Biegung allmahlich abwlirts nach der Basis und, wie wir sofort sehen werden, selbst noch ein wenig unter den Boden. Dies gilt auch fiir Cotyledonen von einer Rohe von weniger als 0.1 Zoll (wir beobachteten einen, welcher sich so bewegte, der nur 0.03 Zoll hoch war) bis zu ungefahr 0.5 Zoll; wenn sie aber bis zu einer Rohe von nahezu einem Zoll herangewachsen sind, hort der basale Theil, in einer Langenausdehnung von 0.15 bis 0.2 Zoll iiber der Erde, sich zu biegen auf. Da bei jungen Cotyledonen der untere Theil sich zu biegen fortfahrt, nachdem der obere Theil nach einem seitlichen Lichte bin ordentlich gekrf1mmt ist, so wiirde schlieszlich die Spitze nach der Erde hinweisen anstatt nach dem Lichte, wenn der obere Theil nicht die Rfohtung seiner Kriimmung umkehrte und sich gerade streckte, sobald die obere convexe Flil.che der niedergebogenen Partie mehr Licht empfangt als die untere concave Flll.che. Die schlieszlich von jungen und aufrecht stehenden Cotyledonen, welche einem schrag von oben durch ein Fenster eintretenden Lichte ausgesetzt waren, angenommene

 

 

 

Fig. 181. Phalaria canarienaia: Cotyledonen, nachdem ste in einem, an einer Seite offenen Kasten vor einem Siidwest-.1,'enster wahrend 8 Stunden dem Lirhte ausgosetzt gewesen sind. Die Krtimmung nach dem Lichte bin 1st genau gezelchnet. Die kurzen horizontalen Llnien geben das Niveau der Erde an.

 

Stellung ist in der beistehenden Figur (Fig. 181) dargestellt; und bier kann man sehen, dasz der ganze obere Theil beinahe ganz gerade ge­ worden ist. Als die Cotyledonen dem Lichte einer hellen Lampe aus­ gesetzt wurden, welche in derselben Rohe wie sie selbst stand, wurde der obere Theil, welcher zuerst bedeutend nach dem Lichte bin ge­ kriimmt war, gerade und streng parallel zu der Erde in den Topfen ;

 

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der basale Theil war nun rechtwinklig gebogen. Diese ganze betrl1cht­ liche GrOsze der Kriimmung, zusammen mit der darauffolgenden Ge­ radestreckung des oberen Theils , wurde haufig in einigen wenigen Stunden ansgefiihrt;

 

Nachdem sich der oberste Theil ein wenig nach dem Lichte hin ge­ krilmmt hat, musz das Gewicht des ilberhangenden Stilckes dahin streben, die Kriimmung des unteren Theils zu verniehren; aber eine irgend der­ artige Wirkung wurde in verschiedenen Weisen als vollig unbedeutend nachgewiesen. Wenn kleine (spiiter noch zu beschreibende) Kappen •von Stanniol auf die Spitzen der Cotyledonen gebracht wurden, so wnrde, ob­ gleich dies ihr Gewicht betrll.chtlich vermehrt haben musz, die Geschwin­

-digkeit oder die Grosze der Biegung hierdurch nicht vergroszert. Der beste Beweis wurde aber dadurch erlangt, dasz Topfe mit Samlingen von Phalaris vor eine Lampe in einer solchen Stellung aufgestellt wurden, dasz die Cotyledonen horizontal ausgebreitet waren und rechtwinklig zur Richtung des Lichtes vorsprangen. Im Verlaufe von 5i/2 Stunden waren sie nach dem Lichte hingerichtet und ihre Basen rechtwinklig gebogen; und diese abrupte Krilmmung konnte nicht im mindesten durch das Ge­ wicht des obereu Theils unterstiitzt worden sein, welches unter rechtem Winkel auf die Ebene der Kriimmung wirkte.

Es wi.d noch gezeigt werden, dasz, als die oberen Halften der Coty­ ledonen von Phala1•is und Avena in kleine Rohrchen von Stanniol oder von gesch warztem Glase eingeschlossen wurden, wo der obere Theil mechanisch verhindert wurde, sich zu biegen, sich der untere und nicht ein­ geschlossene Theil nicht bog, wenn er einem seitlichen Lichte ausgesetzt wurde; es kam uns dabei der Gedanke, dasz diese Thatsache nicht sowohl ine Folge des Ausschlusses des Lichts vom oberen Theil sei, als vielmehr Folge irgend einer Nothigung zum Biegen, welche allmahlich sich in den Cotyledonen abwarts bewegte, so dasz, wenn nicht der obere Theil zuerst gebogen wiirde, der untere Theil sich nicht biegen konnte, so viel er ge­ reizt werden mochte. Fur unsern Zweck war es nothwendig, zu ermitteln, b diese Idee richtig ware, und es erwies sich dieselbe als falsch; denn die unteren Halften mehrerer Cotyledonen wurden nach dem Lichte bin gebogen, obgleich ihre oberen Halften in kleine (nicht geschwarzte) Glas­ rohrchen eingeschlossen wurden, welche, soviel wir beurtheilen konnten, ihr Biegen verhinderten. Da nichtsdestoweniger der Theil innerhalb der Rohrchen sich moglicherweise sehr wenig biegen konnte, so wurden dilnne starre Stabchen oder platte Splitter dilnnen Glases mit Schellack an die Seite des oberen Theils von 15 Cotyledonen angekittet, und in sechs Fallen wurden sie auszerdem noch mit Faden angebunden. Sie wurden auf diese Weise gezwungen, vollkommen gArade zu bleiben. Das Resultat war, dasz die untere Halfte von ihnen allen nach dem Lichte hin gebogen wurden, aber meistens in keinem so bedeutenden Grade wie der ent­ sprechende Theil de'r freigelassenen Samlinge in den namlichen Topfen; und dies kann vielleicht durch einen unbedeutenden Grad von Bescha­ digung erklart warden, die dadurch verursacht wurde, dasz ein betracht­ licher Flachentheil mit Schellack beschmiert worden war. Es mag noch

DARWIN, Bewegungsvermogen. (XIII.) 26

 

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hinzugefftgt werden, dasz, wenn der Apogeotropismus auf die Cotyledonen von Phalaris und Avena einwirkt, es der obere Theil ist, weloher zoerst. anfangt, sich zu biegen ;. und wenn dieser Theil in der oben beschriebenen Weise starr gemacht wird, wird die Aufwartskrftmmung des basalen TheiJ.s. nicht verhindert.

Um unsere Annahme zu pro.fen, dasz der obere Theil der Cotyledonen von Phalaris, wenn sie einem seitlichen Lichte ausgesetzt werden, die Biegung des unteren Theils regulirt, . wurden viele Versuche angestellt;. aus verschiedenen, einer speciellen Aufzahlung nicht weiter werthen Ur­ sachen erwiesen sich ab.er die meisten unserer ersten Bemtihungen als nutzlos. An sieben Cotyledonen wurden die Spitzen in einer zwischen

und 0.16 Zoll variirenden Lange abgeschnitten, und diese blieben, wenn sie den ganzen Tag lang einem seitlichen Lichte ausgesetzt wurden, aufrecht. Bei einem andern Satze von 7 Cotyledonen wurden die Spitzen nur in einer Lange von ungeiahr 0.05 Zoll (1.27 mm) abgeschnitten, und diese wurden nach einem seitlichen Lichte hingebogen, aber nicht annahernd so bedeutend wie die vielen andern Samlinge in den namlichen Tllpfen. Dieser letzte Fall zeigt, dasz das Abschneiden der Spitzen an und ftir sich die Pflanzen nicht so ernstlich beschiidigt, dasz der Helio­ tropismus verhindert wilrde; zur Zeit glaubten wir aber, dasz eine solche Schiidigung eintreten wilrde, wenn ein langeres Stuck abgeschnitten wftrde, wie in der ersten Reihe von Versuchen. Es wurden daher keine weiteren Versuche dieser Art gemacht, was wir jetzt bedauern; denn -wir fanden spater, dasz, als die Spitzen dreier Cotyledonen in einer Lange von 0.2 ZoU und von vier andern in Langen von 0.14, 0.12, 0.1 und 0.07 abgeschnit­ ten und sie horizontal ausgestreckt wurden, die Amputation nicht im mindesten ihre Aufwartsbiegung durch Apogeotropismus, gleich der bei nicht verstilmmelten Exemplaren, stllrte. Es ist daher auszerst unwahr­ scheinlich, dasz dill Amputation der Spitzen in Langen von 0.1 bis 0.14 Zoll in Folge der dadurch verursachten Beschiidigung den unteril Theil verhin­ dert haben kllnnte, sich nach dem Lichte bin zu biegen.

Wir stellen nun zunachst Versuche dartiber an, welche Wirkungen das Bedecken des oberen Theils der Cotyledonen von Phalaris mit kleinen, ftir das Licht undurchganglicben Kappen auszern wiirde; der ganze untere Theil blieb dabei dem Lichte an einem Siidwest-Fenster oder vor einer bellen Paraffin-Lampe ausgesetzt. Einige von diesen Kappen wurden von auszerst dtinnem Stanniol gemacbt und innen geschwarzt; diese batten den Nachtheil, dasz sie gelegentlich, wenn schon selten, zu schwer waren, besonders wenn sie zweimal gefaltet waren. Die basalen Rander konnten bis zur dichten Bertihrung mit den Cotyledonen angedrtickt werden, ob­ schon dies Sorgfalt erforderte, um einCl Verletzung derselben zu vermeiden. Nicbtsdestoweniger konnte irgend eine auf diese Weise verursachte Ver­ letzung durch Entfernung der Kappen nachgewieseu werden und durch­ den Versuch, ob dann die Cotyledonen fiir Licht empfindlich seien. Andere• Kappen wurden aus Rllhren von dftnnstem Glase gef rtigt, welche, wenn sie geschwarzt waren , ganz gut dienten, aber mit dem einen groszen Nachtheile, dasz die unteren Enden nicht geschlossen werden konnten. Es wurden aber Rllhren gebraucht, welche beinahe ganz dicht auf die Cotyledonen paszten, und schwarzes Papier wurde rings um einen jeden

 

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a.uf die Erde gelegt, um die Reflexion des Lichts von der Erde aufwa.rts zu beseitigen. Derartige Rohren waren in einer Beziehung viel besser a.ls Kappen von Stanniol, da es ml}glich war, zu derselben Zeit einigl Coty­ ledonen mit durchsichtigen und andere mit undurcbsiclitigen Rl}hrea zu bedecken, und auf diese Weise konnten wir unsere Versuche controliren. Man musz im Auge behalten, dasz junge Cotyledonen zu den Versuchen ausgewii.hlt wurden und dasz diese, wenn sie nicht gesMrt warden, nach dem Boden abwii.rts dem Lichte zu gebogen warden.

Wir wollen mit den Glasrohren beginnen. Die Spitzen von neun Cotyledonen, die in der Rohe etwas verschieden waren, wurden fiir etwas weniger a.ls die Hii.lfte ihrer Lange in nicht gefii.rbten oder durchsichtigen Rl}hren eingeschlossen ; und diese wurden dann an einem hellen Tage

8 Stunden lang an einem Siidwest-Fenster dem Lichte ausgesetzt. Sie wurden sii.mmtlich stark nach dem Lichte hin gekriimmt, nnd zwar in dmn­ selben Grade wie die vielen andern freigelassenen Sii.mlinge in den nim­ lichen Topfen , so dasz also die Glasrohren sicher es nichi verhinderten, dasz sich die Cotyledonen nach dem Lichte hin bogen. Neunzehn andere Cotyledonen wurden zu derselben Zeit ii.hnlich in Rohren eiDgeschlossen, welche dick mit Tusche bestrichen waren. An fiinf von ihnen zog sich zu unserer -Oberraschung der Tuschiiberzug, nachdem er dem Sonnenlicht ausgesetzt war, zusammen und es bildeten sich sehr schmale Risse, dU4!cb welche ein wenig Licht eintrat; diese fiinf Fii.'lle wurden verworfen. Von

den iibrig bleibooden 14 Cotyledonen, deren untere Hiilften vollstii.ndig die ganze Zeit hindurch dem Lichte ausgesetzt waren, blieben 7 vollkom­ men gerade und aufrecht ; 1 war betrachtiich nach dem Lichte llin ge­ bogen und 6 waren unbedeutend gebogen, aber der e:xponit,t gewesene basale Theil war bei den meisten von ihnen beinahe oder vollkomlMll gerade. Es ist moglich , dasz etw:as Licht vom Boden aufwii.rts z.uriiok­ geworfen und in die Basen dieaer 7 Rohren eingedrungen sein konnte, da die Sonne hell schien, obschon Stiicke geschwii.rzten Pa.piers anf den .Boden rings um sie herum gelegt worden waren. Nichtsdestoweniger boten diM,

7 Cotyledonen, welche unbedeutend gebogen waren, zusammen mit den

7 aufrechten einen ii.uszerst merkwiirdigen Contrast zu den vielen and.ern Sii.mlingen in den nii.mlichen Topfen dar, mit welchen nic'b.ts gemacht w,or­ den war. Die geschwarzten Rohren wurden dann von 10 dieser Sii.mlinge entfemt und es wurden dieselben nun 8 Stunden la.mg dem Lichte vor einer Lampe ausgesetzt: von ihnen wwden bedeutend und 1 mii.szig nach dem Lichte hin gebeugt; und dies bewies, dasz das vorherige Fehlen irgend welcher Kriimmung in dem basalen Theile oder das Auftreten &.ines nur unbedeutenden Grades von' Kriimmung desselben eine Folge des schlusses des Lichtes vom oberen Theile war.

Ahnliche Beobachtungen wurden an 12 jiingeren Cotyledonen gema.cht, deren obere Hii.lften. in mit schwarzem Firnisz iiberzogene Glasrohren em­ geschlossen wurden und deren untere Hii.lften dem hellen Sonnenscheme voll a.usgesetzt wurden. Bei diesen jiingeren Samlingen scheint sich die sensi­ tive Zone eher noch etwas weiter hinab zu erstrecken, wie bei einigen andem Gelegenheiten beobachtet wurde, denn zwei wurden fast ebenso bedeutend nach dem Lichte hin gebogen, wie die freien Sii.mlinge, imd die iibrigen zehn waren unbedeutend gekriimmt, obgleich d_er ha.sale Theil

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von mehreren unter ihnen, welcher unter normalen Verhaltnissen starker gekrilmmt wird, als irgend ein anderer Theil, kaum irgend eine Spur von Krilmmung darbot. Diese 12 Sii.mlinge zusammen genommen wichen im Grade ihrer Krilmmung bedeutend von allen den vielen andern Sii.mlingen in den nii.mlichen Topfen ab.

Bessere Beweise filr die Wirksamkeit der geschwii.rzten Rohren boten beilaufig einige andere spitter mitzutheilende Versuche dar, in denen die oberen Halften von 14 Cotyledonen in Rohren eingeschlossen wurden, an denen ein ii.uszerst schmaler Streifen des schwarzen Lack:ilberzugs ab­ gekratzt worden war. Diese aufgehellten Streifen wurden nicht nach dem Fenster, sondern schrii.g nach einer Seite des Zimmers hin gerichtet, so dasz nur eine sehr geringe Menge Licht auf die oberen Halften der Coty­ ledonen wirken konnte. Diese 14 Samlinge blieben acht Stunden lang, wii.hrend welcher sie an einom nebligen Tage an einem Sildwest-Fenster dem Lichte ausgesetzt waren, vollkommen gerade, wii.hrend alle die vielen andern freigelassenen Sii.mlinge in den nii.mlichen Topfen bedeutend nach dem Lichte hin gekrilmmt wurden.

Wir wollen uns nun zu den Versuchen mit aus sehr dilnnem Stanniol angefertigten Kappen wenden. Dieselben wurden zu verschiedenen Zeiten auf die Spitzen von 24 Cotyledonen gebracht und sie reichten anf eine Lange von zwischen 0.15 und 0.2 Zoll hinab. Die Sii.mlinge wurden einem seitlichen Lichte in Perioden, welche zwischen 6 Stunden 30 Minuten und 7 Stunden 45 Minuten variirten, ausgesetzt, eine Dauer, welche hin­ reichend war, alle die ander Sii.mlinge in den namlichen Topfen zu ver­ anlassen, sich beinahe rechtwinklig nach dem Lichte hin zu biegen. Sie waren in der Hohe verschieden, von nur 0.04 bis zu 1.15 Zoll, die groszere Zahl war aber ungefahr 0.75 Zoll hoch. Von den 24 Cotyledonen, deren Spitzen in dieser Weise geschiltzt waren, wurden 3 bedeutend gebogen, aber nicht in der Richtnng des Lichts, und da sie sich wii.hrend der fol­ genden Nacht nicht durch Apogeotropismus gerade streckten, waren ent­ weder die Kappen zu schwer, oder die Pflanzen selbst waren schwii.chlich; diese drei Fii.lle konnen daher ausgeschlossen werden. Es bleiben nun 21 Cotyledonen zu betrachten; von diesen blieben 17 die ganze Zeit voll­ kommen aufrecht; die andern 4 wurden unbedeutend nach dem Lichte hin geneigt, aber nicht in einem Grade, der mit dem vergleichbar gewesen wii.re , den die vielen freien Samlinge in den namlichen Topfen darboten. Da die Glasrohren, wenn sie nicht geschwarzt .sind, es nicht verhindern, dasz die Cotyledonen stark gebogen werden, so kann nicht angenommen werden, dasz die Kapp1m von sehr diinnem tanniol dies thii.ten, ausgenom­ men durch den Ausschlusz des Lichts. Um nachzuweisen, dasz die Pflanzen nicht verletzt worden waren, wurden die Kappen von 6 der aufrechten Samlinge entfernt, und diese wurden nun vor einer Paraffin-Lampe wii.h­ rend einer gleich langen Zeit wie vorher dem Lichte ansgesetzt, und jetzt wurden sie alle bedeutend nach dem Lichte hin gekrilmmt.

Da hiermit bewiesen war, dasz Kappen von zwischen 0.15 nnd

Zoll Tiefe in hohem Grade wirksam sind, es zu verhindern, dasz die Cotyledonen sich nach dem Lichte hin biegen, wurden 8 andere Cotyle­ donen mit Kappen von nur zwischen 0.06 und 0.12 Zoll Tiefe geschiltzt. Von diesen blieben 2 senkrecht, einer wurde betriichtlich und filnf

 

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unbedeutend nach dem Lichte gekriimmt, aber weit weniger so, als die freien Samlinge in den niimlichen Topfen.

Ein anderer Versnch wurde noch in einer verschiedenen Art angestellt, nii.mlich so, dasz der obere Theil, aber nicht die factiscl1e Spitze von acht mii.szig jungen Sii.mlingen von wenig iiber einen Zoll Hohe, mit Streifen von Stanniol von nngeiahr 0.2 Zoll Breite nmbunden wurde. Die Spitzen nnd die basalen Theile wurden auf diese Weise wahrend 8 Stunden einem seitlichen Lichte vollstandig exponirt gelassen, wahrend eine obere inter­ mediii.re Zone geschiitzt war. Bei vier von diesen Samlingen waren die Spitzen in einflr Lange von 0.05 Zoll ausgesetzt und bei zwei von ihnen wurde dieser Theil nach dem Lichte bin gekriimmt, aber der ganze untere Theil blieb vollstandig aufrecht; wahrend die anderen zwei Samlinge in ihrer ganzen Lange nnbedeutend nach dem Lichte hin gekriimmt wurden. Die Spitzen der vier anderen Samlingen wurde auf eine Lange von 0.04 Zoll dem Lichte exponirt, und von diesen blieb einer beinahe aufrecht, wahrend die andern drei betrachtlich nach dem Lichte hin gekriimmt wurden. Die vielen freigelassenen Siimlinge in den namlichen Topfen waren sammtlich bedeutend nach dem Lichte bin gekriimmt.

Aus diesen verschiedenen Versuchsreihen , mit Einschlusz derer mit den Glasrohren nnd derjenigen, wo die Spitzen abgeschnitten wurden, konnen wir schlieszen, dasz der Ausschlusz des Lichts von dem oberen Theile der Cotyledonen von Phalaris den unteren Theil, anch wenn derselbe vollstandig einem seitlichen Lichte ausgesetzt ist, verhindert sich zu kriimmen. Die Spitze hat, obgleich sie selbst empfindlich ist und sich nach dem Lichte hin kriimmt, nur eine nnbedeutende Kraft, den unteren Theil zum Biegen zu veranlassen. Auch hat der Abschlusz des Lichts von der Spitze in einer Langenansdehnung V?n 0.1 Zoll keinen starken Einflusz anf die Kriimmung des nnteren Theils. Andererseits verhindert es der Abschlusz des Lichts von der Spitze in einer Langenausdehnung von zwischen 0.15 und 0.2 Zoll oder von der ganzen oberen Halfte deutlich, dasz der untere und vollstandig beleuchtete Theil in der Art und Weise (s. Fig. 181) sich kriimmt, welche ausnahmslos eintritt, wenn ein freigelassener Cotyledon einem seitlichen Lichte ausgesetzt wird. Bei sehr jungen Samlingen scheint sich die empfi.ndliche Zone etwas weiter hinab zn erstrecken, im Verhii.ltnis zu ihrer Hohe, als bei alteren Siimlingen. Wir miissen daher folgern; dasz, wenn Sii.mlinge einem seitlichen Lichte frei ausgesetzt 'l!!ind, ein gewisser Einflusz vom oberen Theil nach dem unteren hingeleitet wird, welcher die Ursache ist, dasz sich der letztere biegt.

Diese Folgerung wird noch durch das unterstiitzt, was man in kleinem

Maszstabe, besonders bei jungen Cotyledonen, ohne kiinstlichen Abschlusz des Lichts eintreten sehen kann; denn sie biegen sich unter der Erde, wohin kein Licht eindringen kann. Samen von Phalaris wurden mit einer Schicht sehr feinen Sandes, welcher aus auszerst minutiosen, von einem Uberzuge von Eisenoxyd bedeckten Kieselkomchen bestand, von einem Viertel Zoll Dicke bedeckt. Eine Schicht von diesem Sande, in demselben Grade befeuchtet wie diejenige ilber den Samen, wurde anf -einer Glasplatte ausgebreitet; als die Schicht eine Dicke von 0.05 Zoll hatte (sorgfli.ltig gemessen), konnte man kein Licht von einem bellen Himmel sie durchdringen sehen, wenn man sie nicht durch ein langes geschwii.rztes Rohr betrachtete;

 

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dann liesz sich wohl eine Spur von Licht entdecken, aber wahrscheinlich viel zu wenig um irgend eine Pflanze afficiren zn kl>nnen. Eine Schicht von 0.1 Zoll Dicke war filr das Licht vollstAndig undurchgiingig, nach dem Versuch mit dem geschwiirzten Rohr zu urtheilen. Es durfte der Erwahnung werth sein, dasz die Schicht, auch wenn sie getrocknet war, gleichfalls fiir das Licht undurchgiingig war. Dieser Sand gab, S-O lange er feucht gehalten wurde, sehr geringem Drucke nach und in diesem Zu­ stande zog er sich auch nicht im geringsten zusammen und erhielt keine Spalten. In einem ersten Versuche wurden Cotyledonen, welche bis zu einer miiszigen H<ihe herangewachsen waren, 8 Stunden lang dem Lichte vor einer Paraffin-Lampe ausgesetzt, nnd sie wurden bedeutend gebogen. An ihren Basen bildeten sich auf der beschatteten Seite, dem Lichte ent- • gegengesetzt, gut bestimmte, halbmondf1irmige offene Furchen, welche (unter dem Microscop mit einem Micrometer gemessen) eine Breite von 0.02 bis

0.03 Zoll batten, und diese waren offenbar durch die Biegung der ein­ gegrabenen Basen der Cotyledonen nach dem Lichte bin gebildet worden. Auf der Seite des Lichts waren die Cotyledonen in dichter Beriihrung mit dem Sande, welcher sehr wenig aufgehiuft war. Durch Entfernung des Sandes auf oiner Seite der Cotyledonen in der Richtung des Lichts mit einem scharfen Messer fand sich, dasz die gebogene Partie und die offenen Furchen sich bis zu einer Tiefe von ungefiihr 0.1 Zoll, bis wohin kein Licht dringen konnte, erstreckten. Die Sehnon der kurzen eingegrabenen Bogen bildeten in vier Fallen Winkel von 11 13 15 und 18 mit der Senkrechten. Am folgenden Morgen batten sich diese kurzen gebogenen Partien durch Apogootropismus gerade gestreckt.

In dem niichsten Versuche wurden viel jiingere Cotyledonen iihnlich behandelt, aber einem verhiiltnismiiszig schwach1m seitlichen Lichte aus­ gesetzt. Nach einigen Stunden war an einem gebogenen Cotyledon von

Zoll H!lhe an der beschatteten Seite eine offene Furche von 0.04 Zoll Breite; ein anderer Cotyledon von nur 0.13 Zoll H!lhe hatte eine Furche von 0.02 Zoll Breite hinterlassen. Aber den merkwilrdigsten Fall bot ein Cotyledon dar, welcher eben ilber die Erde hervorgetreten war und

nur 0.03 Zoll in der H<ihe masz; und es fand sich, dasz er in der Richtung I,

des Lichts bis zu einer Tiefe von 0.2 Zoll unter der Oberflache gebogen war. Nach dem, was wir von der Undurchgdngigkeit dieses Sandes fur Licht wissen, musz der obere beleuchtete Theil in diesen verschiedenen Fallen die Kriimmung der unteren eingegrabenen Partien bestimmt haben. Man konnte hier aber eine scheinbare Veranlassung zu zweifeln vermuthen: da die Cotyledonen in bestiindiger Circumnutation sind, bestreben sie sich eine minuti/ise Furche oder Spalte rings um ihre Basis zu bilden, welche von allen Seiten ein wenig. Licht zulassen wilrde; dies wilrde aber nicht eintreten, wenn sie von der Seite beleuchtet warden, denn wir wissen, dasz sie sich schnell nach einem seitlichen Lichte hin biegen und sie drileken dann so fest gegen den Sand auf der belenchteten Seite, dasz sie ihn furchen, und dies wiirde das Licht auf dieser Seite wirksam abschlieszen. Irgend ein auf der entgegengesetzten und beschatteten Seite, wo eine o:tl'ell9 Furche gebildet ist, eintretendes Licht, wurde dahin streben, der Kriimmung nach der Lampe oder nach irgend einer anderen Lichtquelle bin entgegen­ zuwirken. Es mag noch hinzugefiigt warden, dasz die Anwendung feinen

 

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feuchten Sandes, welcher dem Drucke leicht nachgibt, in den obigen Ver­ suchen unumganglich war; denn in gewohnlicher nicht besonders feucht gehaltener Erde erzogene Sii.mlinge, welche 9 Stunden 30 Minuten lang

-einem starken seitlichen Lichte ausgesetzt waren, bildeten keine offene Furche an ihren Basen auf der beschatteten Seite und waren unter der

-Oberflache nicht gebogen.

Vielleicht der allerauffallendste Beweis fiir die Einwirkung des oberen

.auf den unteren Theil der Cotyledonen von Phalaris, wenn dieselbe von

,der Seite beleuchtet worden, wurde in . den Versuchen erhalten, wo die

{ vorhin erwiihnten) Glasrohren angewandt wurden, an welchen schmale Streifen auf einer Seite abgekratzt waren, durch welche das Licht ein­ gelassen wurde. Die Breite dieser Streifen oder Spalten variirte zwischen

und 0.02 Zoll (0.25 und 0.51 mm). Es wurde die obere Hii.lfte von

-Cotyledonen in solche Rohren gesteckt und sie dann an einem Siidwest­ Fenster in eine solche Stellung gebracht, dasz die fein gekratzten Streifen nicht direct nach d.em Fenster gerichtet waren, sondern schrag nach einer Seite. Die Sii.mlinge wurden 8 Stunden dem Lichte ausgesetzt gelassen, und vor dem Ablauf dieser Zeit waren die vielen freigelassenen Sii.mlinge in den nii.mlichen Topfen bedeutend nach dem Fenster hingebogen. Unter

,diesen Umstii.nden waren die unteren Halften der Cotyledonen, deren Gipfel in den Rohren eingeschlossen waren, dem Lichte des Himmels vollig aus­ gesetzt, wahrend ihre oberen Hii.lften ausschlieszlieh oder hauptsachlich diffuses Licht vom Zimmer her erhielten und dies anch nur durch einen sehr schmalen Spalt auf einer Seite. Wenn nun die Kriimmung des unteren Theils durch die Beleuchtung dieses Theils bestimmt worden ware, so wiirden zuversicbtlicb sii.mmtliche Cotyledonen nach dem Fenster hin ge­ kriimmt worden sein; dies war aber bei weitem nicht der Fall. Es wurden Rohren der eben beschriebenen Art bei mehreren Gelegenheiten iiber die

-0beren Halften von 27 Cotyledonen gethan; 14 von ihnen blieben die ganze Zeit hindurch senkrecht, so dasz nicbt geniigendes diffuses Licht durch die schmalen Spalten eindrang, um irgend eine Wirkung hervor­ zubringen; sie benabmen sich in derselben Weise, als wenn ihre oberen Halften in vollstii.ndig gescbwarzte Rohren eingeschlossen gewesen wii.ren. Die unteren Hii.lften der 13 anderen Cotyledonen wurden nicht direct in der Richtung des Fensters gebogen, sondern schrag zu ihm; eine wies in einen Winkel von nur 18°, aber die iibrigen 12 unter Winkeln, die zwischen 45° und 62° schwankten, von der Richtung des Fensters. Beim Beginn unserer Versuche waren Nadeln in der Richtung auf die Erde ge­ legt worden, in welcher die Spalten im Lackiiberzuge wiesen, und nur in dieser Richtung drang eine kleine Lichtmenge ein. Beim Schlusse unserer Experimente wiesen 7 von den gebogenen Cotyledonen genau in der Rich­ tung der Nadeln, und 6 in einer Richtung, welche zwischen der des Fensters und der Nadeln mitten inne lag. Diese mittlere Stellung ist verstandlich; denn irgend welches Licht vom Himmel, welches schrag durcb die Spalten drang, wiirde bei weitem wirksamer sein als das diffuse Licht, welcbes direct durch sie eintrat. Nachdem die Cotyledonen 8 Stun­ den dem Lichte ausgesetzt gewesen waren, war der Contrast im auezeren Ansehe11 zwischen diesen 13 Cotyledonen und den vielen andern Sa,mlingen in den Diholichen Topfen, welche sammtlich (ausgenommen die oben

 

[page break] 408 Fortgeleitete Wirkung des Lichts. Cap. 9'.

erwiihnten 14 senkrecht gebliebenen) bedeutend in gcradeu nnd parallelen Linien nach dem Fenster hin gebogen waren, ii.nszerst merkwfirdig. Es­ ist daher sicher, dasz ein wenig schwaches Licht, welches die oberen Hiilfttin der Cotyledonen von Phalaris trifft, viel wirksamer ist, die Rich­ tung der Krfimmung der unteren Hiilfteu zu br.stimmen, als die voile Be­ leuchtung der letzteren wiihrend der ganzen Zeit, in welcher sie dem Licllte ausgesetzt sind.

Zur Bestatigung der obigcn Resnltate ist es vielleicht der Mfihe werth, die Resultatc mitzutbeilen, welche das Auftragen einer dicken Schicht von Tusche auf eine Seite des oberen Theils dreier Cotyledonen von Phalaris in einer Lange von 0.2 Zoll von der Spitze aus bewirkte. Die­ selben wurden so gcstellt, dasz die nicht bemalte Flii.che nicht nach dem Fenster bin, sondern ein weuig _ nach einer Seite gerichtet war; und sie­ wurden siimmtlich nach der nicht bemalten Seite hin und von der Rich­ tnng des Fenstcrs weg gekriimmt, and zwar unter Winkeln, welche bis zu

31 35 und 83 betrugen. Die Krfimmung in dieser Richtnng erstreckte­ sich bis zn ihrer Basis hinab, obgleich der ganze untere Theil dem Lichte vom Fenster her vollstandig ausgesetzt war.

Obgleich endlich daran nicht gezweifelt werden kann, dasz die Be­ leuchtung des oberen 'fheils der Cotyledonen von Phalaris das Vermllgen und die Art und Weise, sich im unteren '.l'heile zu biegen bedeutend afficirt, so scheinen einige Beobachtungen es doch wahrscheinlich zu machen, dasz die gleicbzeitige Reizung des untcren Theils durch das Licht dessen gut ausgesprochene Kriimmuug bedeutend begfinstigt, oder zu einer solchen beinahe nothwendig ist; unsere Versuche waren aber nicht beweisend in Folge der Schwierigkeit das Licht von den unteren Hii.lften abzuhalten ohne mechanisch ihre Krftmmung zu verhindern.

Avena sat iv a. - Die Cotyledonen dieser Pflanze werden schnell nach einem seitlichen Lichte hin gebogen, genau so wie diejenigen von Phalari.. . Es wurden Versuch\) angestellt, welche den vorstehend erwii.hn­ ten ahnlich waren, und wir wollen die Resultate so kurz wie moglich mit­ theilen. Sie sind etwas weniger entscheidend als die an Phalaris an­ gestellten; dies kann moglicherweise dadurch erklart werden, dasz die­ empfindliche Zone bei einer so lange cultivirten und so variablen Species wie dem gemeinen Hafer in ihrer Liingenausdehnung variirt. Es wurden Cotyledonen zum Versuche ausgewahlt, welche ein wenig unter drei Viertel Zoll hoch waren; bei sechs von ihnen wurden die Spitzen durch Kappen von Stanniol, von 0.25 Zoll Tiefe, und zwei von ihnen von 0.8 Zoll Tiefe­ gegen das Licht geschiitzt. Von diesen 8 Cotyledonen blieben fi1nf auf­ recht als sie 8 Stunden lang dem Licht ausgesetzt wurden, obgleich ihr unterer Theil die ganze Zeit hindurch dem Lichte vollstandig ausgesetzt. war; zwei wurden sehr unbedeuteud nnd einer betriichtlich nach ihm hin gebogen, Kappen von nur 0.2 oder 0.22 Zoll Tiefe wnrden i1ber 4 an­ dere Cotyledonen gethan, und nun blieb nur ciner aufrecht, einer wurde unbedeutend und zwei andere betrii.chtlich nach dem Lichte hin gebogen. In diesem Falle und den folgenden wnrden die siimmtlichen frei gelassenen Samlinge in den niimlichen Topfen bedeutend nach dem Lichte hingebogen.

Unsere nii.chsten Versuche wurden mit kurzen Stfickchen dfinner nnd ziemlich durchscheinender Federspulen angestellt; denn GlasrOhren von

 

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genugendem Durchmesser, um uber die Cotyledonen zu gehen, wurden zu schwer gewesen sein. Erstens wurden die Spitzen von 13 Cotyledonen in nicht bemalte Spulen eingeschlossen, und von diesen wui"den 11 bedeutend und 2 unbedeutend nach dem Lichte hin gebogen, so dasz der blosze Act des Einschlieszens es nicht verhinderte, dasz der untere Theil gebogen wurde. Zweitens wurden die Spitzen von 11 Cotyledonfln in 0.3 Zoll lange Spulenstuckchen eingeschlossen, welche so angestrichen waren, dasz sie fur Licht undurchgangig waren; von diesen wurden 7 durcl1aus gar nicht nach dem Lichte hin geneigt, aber 3 wurden unbedeutend und mehr oder weniger quer in Bezug auf die Richtung des Lichts gebogen, und diese batten vielleicht ganz und gar ausgeschlossen werden konnen,. nur einer wurde unbedeutend nach dem Lichte hin gebogen. Angestrichene Spulenstuckchen von 0.25 Zoll Lange wurden uber die Spitzen von 4 an­ deren Cotyledonen gethan; von diesen blieb nur ein einziger aufrecht, ein zweiter wurde unbedeutend geliogen und die zwei andern wurden so be­ deutend nach dem Lichte hin gebogen, wie die freigelassenen Samlinge in den namlichen TOpfen. In Anbetracht des Umstandes,• dasz die Kappen eine Lange von 0.25 Zoll hatten, sind diese zwei letzteren Falle un­ erklarlicb.

Endlich wurden die Spitzen von. 8 Cotyledonen mit biegsamen und in hohem Grade durchsichtigen Goldschlagerhautchen bedeckt, und sie wurden sammtlich so stark gegen das Licht gebogen wie die freigelassenen Samlinge. Die Spitzen von 9 anderen Cotyledonen wurden in ahnlicher Weise mit Goldschlagerhautchen bedeckt, welches bis zu einer 'l.'iefe von zwischen

0.25 und 0.3 Zoll so angestrichen war, dasz es fur das Licht undurch­ gangig war; von diesen blieben 5 aufrecht und 4 wurden gut nach dem Lichte hin gebogen, beinahe oder vollstandig so gut wie die freigelassenen Samlinge. Diese letzteren vier Falle bieten ebenso wie die zwei im letzten Absatze erwahnten eine auffallende Ausnahme von der Regel dar, dasz die Beleuchtung des oberen Theils die Krummung des unteren Theils be­ stimmt. Nichtsdestoweniger blieben 5 von diesen 8 Cotyledonen aufrecht, obschon ihre unteren Halften die ganze Zeit hindurch vollstandig beleuchtet wurden; es ware beinahe ein Wunder ftlnf freigelassene Samlinge zu finden, welche, nachdem sie melirere Stunden einem seitlichen Lichte ausgesetzt gewesen waren, aufrecht standen.

Die Cotyledonen von .Avena !assen gleich denen von Phalaris, wenn sie in weichem, feuchtem, feinem Sande wachsen, eine offene halbmond­ formige Furche auf der beschatteten Seite zuriick, nachdem sie sich gegen ein seitliches Licht hingebogen haben; sie werden auch unter der Ober­ flache bis zu einer Tiefe hinab gebogen, bis zu welcher, wie wir wissen, das Licht nicht eindringen kann. Die Sehnen der Bogen der eingegrabenen Theile bildeten in zwei Fallen Winkel von 20 und 21 mit der Senk­ rechten. Die offenen Furchen auf der beschatteten Seite waren in vier Fallen 0.008, 0.016, 0.024 und 0.024 Zoll breit.

Brassica olera•cea (Gewl:lhnlicber Rothkohl). - Ea wird hier ge­ zeigt werden, dasz die obere Halfte des Hypocotyls des Kohls, wenn er durch ein seitliches Licht beleuchtet wird, die Krilmmung der unteren Halfte bestimmt. Es ist nothwendig, die Versuche an jungen Siimlingen von ungeiahr einem halben Zoll oder noch etwas weniger Hohe anzustellen,

 

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denn wenn sie bis zu einem Zoll und darftber gewachsen sind, hort der basale Theil auf sich zu biegen. Wir machten zuerst die Versuche so, dasz wir die Hypocotyle mit Tusche farbten oder ihre Spitzen in ver­ schiedener Langenausdehnung abschnitten; es ist aber nicht der M.ilhe werth, diese Versuche mitzutheilen, obschon sie, soweit man sich auf sie verlassen kann, die folgenden bestatigen. Diese wurden so angestellt, dasz Goldschlagerhii.utchen einmal rund um die obere Halfte junger Hypo­ cotyle gefaltet und dick mit Tusche oder mit dem schwarzen Olgemisch bestrichen wurde. Als ein Controlversuch wurde dasselbe durchscheinende Hautchen, aber unbemalt gelassen, rund um die obere Halfte von

12 Hypocotylen gefaltet; diese wurden siimmtlich bedeutend nach dem

Lichte hin gekriimmt, mit Ausnahme eines, welches nur maszig ge­ kriimmt wurde. An zwanzig andern jungen Hypocotylen wurde das Hautchen rund um ihre obere Halfte bestrichen, wahrend die untere Halfte vollig unbedeckt gelassen wurde. ,Diase Samlinge wurden dann, meistens auf eine Zeit von zwischen 7 und 8 Stunden in einem innen ge­ schwarzten und vorne otfenen Kasten entweder vor einem Stldwest-Fenster oder einer Paraffin-Lampe dem Lichte ausgesetzt. Diese Zeit, wahrend welcher sie dem Lichte ausgesetzt wurden, war reichlich geniigend, wie sich in dem stark ausgesprochenen Heliotropismus der sammtlichen frei­ gelassenen Siimlinge in den namlichen Topfen zeigte; nichtsdestoweniger wurden einige dem Lichte fiir viel langere Zeit ausgesetzt gelassen. Von den 20 so behandelten Hypocotylen blieben 14 vollkommen aufrecht und

6 wurden unbedeutend nach dem Lichte hin gebogen; aber 2 von diesen letzteren Fallen waren nicht wirklich Ausnahmen; denn als das Hautchen entfernt wurde, fand sich, dasz der Farbiiberzug unvollkommen und von vielen kleinen durchscheinenden Stellen auf der Seite durchbohrt war, von welcher her das Licht eintrat. Uberdies erstreckte sich in zwei anderen Fallen das bestrichene Hautchen nicht vollig halbwegs am Hypocotyl hinab. Im Ganzen bestand ein wunderbarer Contrast in den verschie­ denen Topfen zwischen diesen 20 Hypocotylen und den vielen anderen frei­ gelassenen Samlingen, welche siimmtlich in der Richtung des Lichts be­ deutend nach ihren Basen zu niedergebeugt waren; einige waren beinahe ganz auf den Boden niedergestreckt.

Der erfolgreichste Versuch an irgend einem Tage (in den obigen

Resultaten eingeschlossen) ist der Beschreibung im Einzelnen werth. Es wurden 6 junge Samlinge ausgewahlt, deren Hypocotyle nahezu 0.45 Zoll an Hohe maszen, mit Ausnahme eines, welcher 0.6 Zoll hoch war, von der Basis ihrer Blattstiele bis auf die Erde gemessen. lhre oberen Halften, so genau als mit bloszem Auge ausgefiihrt warden konnten, wurden einmal rund um mit Goldschliigerhiiutchen umhiillt und dies wurde dick mit Tusche bemalt. Dieselben wurden in einem iibrigens verdunkelten Zimmer vor einer hellen Paraffin - Lampe, welche in einer Hohe mit den zwei die Sii.mlinge enthaltenden Topfen stand, dem Lichte ausgesetzt. Zuerst wurde nach Verlauf von 5 Stunden 10 Minuten nach ihnen gesehen; fiinf von den ge­ gen das Licht geschtltzten Hypocotylen wurden vollkommen aufrecht gefunden, der sechste war sehr unbedeutend nach dem Lichte hin geneigt; wahrend alle die vielen frei gelassenen Siimlinge in . den namlichen zwei Topfen be­ deutend nach dem Lichte hin gebogen waren. Nachdem sie fortdauernd

 

[page break] Cap. 9. Fortgeleitete Wirkung des Licht.a. 411

20 Stunden 35 Minuten dem Lichte ausgesetzt gewesen waren, wurden sie wiederum untersucht, und nun war der Contrast zwischen den beiden Sii.tzen wunderbar grosz, denn an den freigelassenen Sii.mlingen waren die Hypo­

-eotyle beinahe horizontal in der Richtung des Lichts ausgestreckt und abwii.rts nach dem Boden gebogen, wii.hrend diejenigen, deren obere Hii.lften durch das bestrichene Hii.utchen gegen das Licht geschiltzt, deren untere Hii.lfte aber vollstii.ndig dem Licht ausgesetzt war, noch immer vollstii.ndig

.aufrecht waren, mit Ausnahme des einen, welcher die nii.mliche unbedeu­ tende Neigung nach dem Lichte bin beibehalten hatte, welche er schon vorher zeigte. Es ergab sich, dasz dieser letzte•samling verhiiltnismaszig

;gchlecht bemalt worden war; denn auf der nach dem Lichte hinsehenden Seite war die rothe Farbe der Hypocotyle durch die Farbschicht hindurch

:zu unterscheiden.

Wir stellten dann Versuche mit neun ii.lteren Samlingen an, deren Hypocotyle in der :Hohe zwischen 1 und 1.6 Zoll schwankten. Das Gold­

;gcblii.gerhii.utchen rings um ihre oberen Theile wurde bis zu einer Tiefe von nur 0.3 Zoll, d. h. weniger als ein Drittel bis zu einem Viertel oder Fiinftel ibrer Totalhohe mit dem schwarzen Olgemisch bestrichen. Sie wurden 7 Stunden 15 Minuten lang dem Lichte ausgesetzt; und das Resultat ergab, dasz die sensitive Zone, welche die Kriimmung des unteren Theils bestimmt, nicht in der ganzen Ausdehnung gegen die Wirkung des Lichts geschiitzt war; denn sie wurden alle 9 nach ihm hingebogen,

4 von ihnen sehr unbedeutend, 3 miiszig und 2 beinahe so bedeutend wie die nicht geschiitzten Sii.mlinge. Nichtsdestoweniger wichen die sii.mmt­ lichen 9 zusammengenommen in dem Grade ihrer Kriimmung deutlich von den vielen frei gelassenen Sii.mlingen ab, ebenso wie von einigen, welche in nicht bemaltes Hautchen eingeschlagen waren und welche in den nii.m­ lichen zwei Tilpfen wuchsen.

Es wurden Samen mit einer ungefii.hr einen Viertel Zoll hohen Schicht des bei Phalaris beschriebenen feinen Sandes bedeckt; und als die Hypocotyle bis zu einer Hohe von zwischen 0.4 und 0.55 Zoll herangewachsen waren, wurden sie 9 Stunden lang dem Lichte vor einer Paraffin-Lampe aus­ gesetzt, nachdem zuerst ihre Basen dicht mit dem feuchten Sande umgeben worden waren. Sie wurden sii.mmtlich nach dem Boden hin gebogen , so dasz ihre oberen Theile der Oberflache des Bodens nahe oder beinahe parallel mit ihr lagen. Auf der Seite des Lichts waren ihre Basen mit dem Sande, welcher hier ein wenig aufgehauft war, in dichter Beriihrung; auf der entgegengesetzten Seite fanden sich otfene, halbmondformige Risse

-0der Furchen, etwas ilber 0.01 Zoll weit; sie waren aber nicht so scharf

und regelmaszig wie die von Phalaris und Avena gemachten, konnten daher auch nicht so leicht unter dem Microscope gemessen werden. Es ergab sich, als der Sand auf der einen Seite entfernt wurde, dasz die Hypocotyle unter der Oberflii.che bis zu einer Tiefe von, in drei Fallen, mindestens

Zoll, in einem vierten von 0.11 und in einem filnften von 0.15 Zoll gekrilmmt waren. Die Sehnen der Bogen der kurzen, eingegrabenen, ge­ bogenen Partien bildeten Winkel von 11 bis 15 mit der Senkrechten. Nach dem, was wir in Bezug auf die Undurchdringlichkeit dieses Sandes fur das L.icht gesehen haben, erstreckte sich die Krummung der Hypo­ ootyle sicherlich bis zu einer Tiefe, bis zu welcher kein Licht eindringen

 

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konnte; die . Krilmmung musz daher durch einen Einflosz verursacht worden sein, welcher von dem oberen beleuchteten Theil fortgeleitet wor­ den war.

Die unteren Halften filnf junger Hypocotyle wurden mit nicht ge­ farbten Goldschlagerhautchen umgeben, und nachdem sie 8 Stunden Jang vor einer Paraffin-Lampe dem Lichte ausgesetzt worden waren, waren sie sammtlich so stark nach dem Lichte hin gebogen wie die freigelassenen Samlinge. Die unteren Halften von 10 andern jungen Hypocotylen wur­ den ahnlich mit Golds hlagerhautchen umgeben, dieses aber dick mit 'l'usche bestrichen; ihre oberen und nicht beschiltzten Halften wurden ordentlich nach dem Lichte gekrilmmt, aber ihre unteren und gegen das Licht geschiltzten Halften blieben in allen Fallen mit .Ausnahme eines senkrecht, und an diesem war die Farbschicht unvollkommen. Dies Re­ sultat scheint zu beweisen, dasz der vom oberen Theile ans ilbergeleitete Einflnsz nicht hinreicht, die Biegung des unteren Theils zn verursachen, wenn er nicht in der namlichen Zeit beleuchtet wird; es bleibt aber, wie in dem Falle bei Phalaris, der Zweifel ilbrig, ob nicht das mit einer ver­ hiiltnismaszig dicken Schicht trockener Tusche bedeckte Goldschlii.ger­ hautchen mechanisch die Kriimmung verhinderte.

Beta vulgaris. - Einige wenige analoge Experimente wurden an dieser Pflanze angestellt, welche fur diesen Zweck nicht sehr gut an­ gepaszt ist, da der basale Theil des Hypocotyls, nachdem er bis zu einer HOhe von ilber einom halben Zoll gewachsen ist, sich nicht bedeutend biegt, wenn er einem seitlichen Lichte ausgesetzt wird. Vier Hypocotyle wurden dicht unter den Blattstielen mit Streifen dilnnen Stanniols von

Zoll Breite umgeben und sie blieben den ganzen Tag vor einer Paraffin­ Lampe aufrecht; zwei andere wurden mit Streifen von 0.15 Zoll Breite umgeben und einer von diesen blieb aufrecht, wahrend der andere gebogen wurde; der Verband war in zwei anderen Fallen nur 0.1 Zoll breit, und diese beiden Hypocotyle wurden nach dem Lichte bin gebogen, obschon der eine nur unbedeutend. Die frei gelassenen Samlinge in den namlichen Topfen wurden sammtlich ziemlich ordentlich nach dem Lichte bin gebogen und wurden wahrend der folgenden Nacht nahezu aufrecht. Die 'l'!ipfe wurden nun herumgedreht und an ein Fenster gestellt, so dasz die entgegengesetzten Seiten der Sii.mlinge dem Lichte ausgesetzt wurden, nach welchem hin im Verlauf von 7 Stunden die sammtlichen nicht gegen das Licht geschiltzten Hypocotyle gebogen wurden. Sieben unter den

8 Hypocotylen , welche Verbli.nde von Stanniol trugen , blieben aufrecht,

einer aber, welcher einen Verband von nur 0.1 Zoll Breite trug, wurde nach dem Lichte hin gekrilmmt. Bei einer anderen Gelegenheit wurden die oberen Halften von 7 Hypocotylen mit bemalten Goldschlagerhautchen umgeben; von diesen blieben 4 aufrecht und 8 wurden ein wenig nach dem Lichte gekriimmt; in derselben Zeit wurden 4 andere Sii.mlinge, welche mit nicht bemalten Goldschlagerbautchen umgeben waren, ebenso wie die freigelassenen in den namlichen TOpfen ,, sii.mmtlich gegen die Lampe hin gebogen, vor welcher sie 22 Stunden lang dem Lichte aus­ gesetzt waren.

Wilrzelchen von Sinapis alba. - Die Wilrzelchen e101ger Pflanzen sind, so weit eine Krilmmung in Betracht kommt, gegen die Ein-

 

[page break] Cap. 9. Fortgeleitete Wirkung des Lichts. 413

wirkung des Lichts indifferent, wahrend andere sich nach ihm hin, andere von ibm weg biegen 6 Ob diese Bewegungen fO.r die Pflanze von irgend welchem Nutzen sind, ist sehr zweifelhaft, wenigstens was die unterirdischen Wurzeln betrift't; sie sind wahrscheinlich das Resultat davon, dasz die Wilrzelchen fo.r Berilhrung, fo.r Feuchtigkeit und die Gravitation, und als Folge hiervon auch fiir andere Reizmittel empfindlich sind , welche im Naturzustande niemals von ihnen begegnet werden. Wenn die Wilrzelchen von Sinapis alba in Wasser eingetaucbt und einem seitlichen Lichte aus­ gesetzt werden, biegen sie sich von ihm ab oder sind apheliotropisch. Sie

. werden in einer Langenausdehnung von ungefahr 4.mm von den Spitzen aus gebogen. Um zu ermitteln, ob diese Bewegung allgemein eintritt, wurden 41 Wilrzelchen , welche in feuchten Sagespiihnen gekeimt hatten, in Wasser getaucht und einem seitlichen Lichte ausgesetzt, und sie wur­ den sammtlich, mit zwei zweifelbaften Ausnahmen, vom Lichte abgekriimmt. Zu derselben Zeit wurden die Spitzen von 54 anderen Wtirzelchen, welche in ahnlicher Weise dem Lichte ausgesetzt wurden, oben mit Hollenstein bertihrt. Sie wurden in einer Lange von zwischen 0,05 und 0.07 mm geschwiirzt und wahrscheinlich getodtet; es ist aber zu bemerken, dasz dies, wenn iiberhaupt, doch das Wachsthmn des oberen Theils nicht wesentlich hemmte , denn mehrere, welche gemessen wurden, nabmen im Verlaufe von nur 8-9 Stunden um 5-7 mm an Lange zu. Von den

54 cauterisirten Wiirzelchen war ein Fall zweifelhaft, 25 krO.mmten sich

in der normalen Art und Weise vom Lichte ab und 28, oder mebr als die Halfte, war-en nicht im mindesten apheliotropisch. In den Resultaten der Versuche , welche gegen das Ende Aprils und in der Mitte des Sep­ tember angestellt wurden, bestand eine betrachtliche Verschiedenheit, welche wir nicht erkliiren konnen. Fiinfzehn Wiirzelchen (ein Theil der oben er­ wahnten 54) wurde zu der frO.heren Zeit cauterisirt und dem Sonnenschein ausgesetzt; hiervon waren 12 nicht apheliotropisch, 2 waren noch aphelio­ tropisch und eines war zweifelhaft. Im September wurden 39 cauterisirte Wiirzelchen einem Lichte von Norden ausgesetzt und •dabei in einer ge­ Mrigen Temperatur gehalten; und nun fuhren 23 fort, in der normalen Art apheliotropisch zu sein und nur 16 schlugen in Bezug auf ihr Ab­ biegen vom Lichte fehl. Betrachtet man die Resultate beider Perioden in Verbindung, so laszt sich daran nicht zweifeln, dasz die Zerstorung der Spitze in einer Langenausdehnung von weiliger als einem Millimeter in mehr als der Hiilfte der Falle ihr Vermogen, sich von dem Lichte ab­ zu biegen, zerstorte. Es ist wahrscheinlich, dasz, wenn die Spitzen in der Lange eines ganzen Millimeters cauterisirt worden wiiren, alle Zeichen von Apheliotropismus verschwunden sein wiirden. Man konnte vermuthen, dasz, obgleich die Anwendung des .Atzmittels das Wachstbum nicht auf­ bebt, doch genug davon absorbirt sein diirfte, um das Bewegungsvermogen in dem oberen Theile zu zerstoren; diese Vermuthung musz aber verworfen werden, denn wir haben gesehen und werden ferner noch weiter sehen, dasz das Cauterisiren einer Seite der Spitze verschiedener Arten von Wilr­ zelchen factisch Bewegung anregt. Die Folgerung scheint unvermeidlich zu sein, dasz Empfindlichkeit fur das Licht in der Spitze des Wilrzelchens

 

6 Sachs, Pflanzenphysiologie, Franz. Ubers. 1868, p. 44.

 

[page break] 414 Sehluezbemerkungen und Cap. 9.

von Sinapis alba ihren Sitz hat, und dasz, wenn die Spitze in dieser Weise gereizt wird, sie einen gewissen Einflusz dem oberen Theile 1lber­ liefert, welcher dadurch veranlaszt wird, sich zu biegen. Der Fall ist in dieser Beziehung demjenigen bei den Wflrzelchen mehrerer Pftanzen parallel, deren Spitzen ftlr Berflhrung und andere Reizmittel und, wie im emen Capitel gezeigt werden wird, auch ftlr Gravitation empfindlich sind.

 

Schluszbemerkungen und Zusammenfassung des Capltels.

Wir wissen nicht, ob es eine allgemeine fiir Pflanzensamlinge gtiltige Regel• ist, dasz die Beleuchtung des oberen Theils die Krum­ mung des unteren Theils bestimmt. Da dies aber bei den vier von une untersuchten Species eintrat, welche zu so verschiedenen Familie wie den Gramineen, Cruciferen und Chenopodiaceen geMrten, so ist es wahrscheinlich von gewohnlichem Vorkommen. Es kann kaum an­ ders als fiir die Samlinge von Nutzen sein, indem es sie darin unter­ stfitzt von dem vergrabenen Samenkorn den kiirzesten Weg zum Lichte zu finden, beinahe nach demselben Grundsatze, nach welchem die Augen der meisten von den niederen kriechenden Thieren an den vorderen Enden ihrer Korper angebracht sind. Es ist auszerst zweifelhaft, ob

bei vollstandig entwickelten Pflanzen die Beleuchtung eines Theils je­ mals die Kriimmung eines andern Theils beein uszt. Die Spitzen

5 junger Pflanzen von Asparagus officinalis (welche in der Hohe zwischen 1.1 und 2.7 Zoll schwankten und aus mehreren kurzen In­ ternodien bestanden) wurden mit Kappen von Stanniol von 0.3 bis

0.35 Zoll Tiefe bedeckt; und die unteren nicht bedeckten Theile wur­

den ebenso stark nach einem seitlichen Lichte bin gekriimmt, wie die­ freigelassenen S!mlinge in den n!mlichen Topfen. Bei anderen Sam­ lingen derselben Pflanze wurden die Spitzen mit Tusche bemalt, und das Resultat war das gleiche negative. Es wurden Stucke geschwarzten Papiers an die Bander und iiber die Scheiben einiger Bliitter an jungen Pflanzen von Tropaeolum majus und Ranunculus ficaria mit Gummi befestigt; dieselben wurden dann in einem Kasten an ein Fenster ge­ stellt, und die Stiele der gegen das Licht geschiitzten Bl!i.tter wurden nach dem Lichte bin ebenso bedeutend gekriimmt wie diejenigen der nicht beschiitzten Bl!tter,

Die vorstehend erwi1hnten Fi1lle von Pflanzensi1mlingen sind aus­ ftihrlich beschrieben worden, nicht blosz weil die Fortleitung irgend einer vom Licht ausgehenden Wirkung eine neue physiologische That­ sache ist, sondern auch weil wir glauben, dasz sie dazu veranlaszt, die-

 

[page break] Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels. 415

gelllufigen Ansicbten ilber beliotropische Beweguugen etwas zu modi­ ficiren. Bis vor Kurzem noch wurde angenommen, dasz derartige Be­ wegungen einfach das Resultat eines vermehrten Wachsthums auf der beschatteten Seite seien. Gegenwartig wird gewohnlich angenommen 7, dasz vermindertes Licht die Turgescenz der Zellen oder die Ausdehn­ barkeit der Zellwandungen oder beides zusammen auf der beschatteten Seit&• erboht und dasz diesem dann vermehrtes Wachsthum folgt. PFEFFER bat aber gezeigt, dasz die Verschiedenheit in der Turgescenz auf den zwei Seiten eines Polsters , - d. h. eines Aggregats kleiner Zellen, welche in einem friihen Alter zu wachsen aufgebort haben, - dnrch eine Verschiedenbeit in dem Betrage an Licht angeregt wird, welchen die beiden Seiten erhalten ; und dasz in dieser Weise Beweg­ ung verursacht wird, ohne dasz jener ein vermehrtes Wachsthum auf der sMrker turgescirenden Seite folgt8 Alle Beobachter nehmen, wie es den Anschein hat, an, dasz das Licht direct auf.den Theil wirkt, welcher sich biegt; wir haben aber bei den oben beschriebenen Sllm­ lingen gesehen, dasz dies nicht der Fall ist. lhre unteren Hlllften wurden Stunden lang hell beleuchtet und bogen sich doch nicht im mindesten nach dem Lichte bin, ohschon dies derjenige Theil ist, welcher sich unter gewohnlichen Umstanden am meisten biegt. Es ist eine noch auffallendere Thatsacbe, dasz die schwache Beleuchtung eines scbmalen Streifens auf einer Seite des oberen Theils der Coty­ ledonen von Phalaris die Richtung der Kriimmung der unteren Hltlfte bestimmte, so dasz sich dieser Theil nicht nach dem bellen Lichte bin bog, durch welches er vollstllndig beleuchtet worden war, sondern schrllg nach einer Seite bin, von welcber nur wenig Licht eintrat. Diese Resultate scbeinen das Vorhandensein' irgend einer Substanz im oberen Theile vorauszusetzen, welche vom Lichte beeinfluszt wird, und

, Emil Godlewski hat (Botan. Zeitung, 1879, No. 6-9) eine ausgezeieh­ nete Darstellung (p. 120) des gegenwll.rtigen Standes der Frage gegeben; s. aueh Vines in: Arbeit. Botan. Institut Wiirzburg, 1878, 2. Bd., p. 114-147. Hugo de Vries hat vor Kurzem einen noeh wiehtigeren Artikel Uber diesen Gegenstand verOO"entlieht; in: Botan. Zeitung, 19. Dee. und 26. Dee. 18J9.

8 Die periodisehen Bewegungen der Blattorgane, 1875, p. 7 , 68, 128 etc; Auch Frank hat (Die natllrliehe wagereehte Riehtung von Pflanzentheilen, 1870,

p. 58) die bedeutungsvolle Rolle betont, welche die Polster der Blittchen zusammen­ gesetzter Blatter dabei spielen, die Blittehen in eine im Bezug auf das Licht ge­ horige Stellung zu bringen. Dies gilt aueh besonders fllr die Blatter kletternder Pflanzen, welche in alle moglichen Arten von Stellungen gebracht worden, fllr die Einwirkung des Lichts schlecht angepaszt.

 

[page break] 416 Schluszbemerkungen und Cap. 9.

welche ihre Einwirkungen auf den unteren Theil iiberleitet. Es ist gezeigt worden, dasz diese Fortleitung von der Biegung des oberen empfindlichen Theils unabhl!.ngig ist. Wir haben einen analogen Fall von Fortleitung bei Drosera; denn wenn bier eine Driise gereizt wird, biegt sich der basale und nicht der obere oder der dazwischenliegende Theil des Tentakels. Das biegsame und empfindliche Filament von Dionaea leitet gleichfalls einen Reiz weiter ohne sich selbst zu biegen, wie es auch der Stamm der Mimosa thut.

Das Licht iibt einen mltchtigen Einflusz auf die meisten P:flanzen­ gewebe aus, und es lltszt sich nicht daran zweifeln, dasz es meistens dahin neigt, ihr Wachsthum zu unterbrecben. Wenn aber die beiden Seiten einer Pflanze in einem unbedeutend verschiedenen Grade be­ leuchtet werden, so folgt nicht nothwendig hieraus, dasz die Biegung nach der starker beleuchteten Seite bin durch Verltnderungen in den Geweben von derselben Natur verursacht werden wie diejenigen, welche zu vermehrtem Wachsthum im Dunkeln fuhren. Wir wissen wenig­ stens, dasz sich ein Theil vom Lichte weg biegen kann und dasz trotz­ dem sein Wachsthum nicht durch das Licht begiinstigt zu warden brauchte. Dies ist bei den Wurzelchen von Sinapis alba der Fall, welche deutlich apheliotropisch sind; nichtsdestoweniger wachsen sie im Dunkeln schneller als im Lichte 9 Dasselbe ist nach der Angabe von WIESNER to bei vielen in der Luft wachsenden Wurzeln der Fall; doch gibt es andere entgegengesetzte Falle. Es scheint daher, dasz das Licht das Wachsthum apheliotropischer Theile nicht in einer gleichmaszigen Weise bestimmt.

Wir mfissen uns daran erinnern, dasz das Vermogen sich nach

dem Lichte bin zu biegen• fiir die meisten Pflanzen in hohem Grade wohlthatig ist. Es liegt daher keine Unwahrscheinlichkeit darin, dasz dies Vermogen speciell erlangt worden ist. In manchen Beziehungen scheint das Licht in nahezu derselben Art und Weise auf P:flanzen zu wirken, wie es bei Thieren mittelst des Nervensystems wirkt u. Bei

9 Francis Darwin, liber das Wachsthum negativ heliotropischer Wurzeln, in: Arbeit. Botan. Institut Wiirzburg, 2. Bd. 3. Heft, 1880, p. 521.

10 Sitzungsber. Kais. Acad. der Wissensch. Wien, Math.-phys. Cl., 1. Abth., 81. Bd., p. 12.

11 Sachs hat einige merkwUrdige Angaben in demselben Sinne in Bezug

auf die verschiedenen Reize gemacht, welche Bewegung bei Pflanzen erregen;

s. seinen Aufsatz ,,Uber orthotrope und plagiotrope Pflanzentheile", in: Arbeit. Botan. Jnstit. Wlirzburg, 1879., 2. Bd., p. 282.

 

[page break] Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels. 417

Samlingen wird, wie wir so eben gesehen baben, die Wirkung von einem Tbeile auf einen anderen fortgeleitet. Ein Thier kann durch eine sehr geringe Menge Licht gereizt werden, sich zu bewegen; und es ist gezeigt worden, dasz eine Verschiedenheit in der Beleuchtung der zwei Seiten der Cotyledonen von Phalaris, welcbe von dem mensci1- Iicben Auge nicht wahrgenommen werden konnte, doch genflgte sie zum Biegen zu veranlassen. Es ist •aucb gezeigt worden, dasz zwischen dem Betrag an Licht, welcher auf eine Pflanze wirkt, und dem Grade ihrer Kriimmung kein strenger Parallelismus besteht; in der That war es kaum moglich, irgend einen Unterschied in der Kriimmung einiger Samlinge von Phalaris wahrzunehmen, als dieselben einem Lichte ausgesetzt wurden, welches, obschon scbwacb, docb sehr viel heller war als das, welchem andere ausgesetzt waren. Nachdem die Netzhaut von einem hellen Lichte gereizt worden ist, fuhlt sie die Wirkung eine Zeit Jang; und Phalaris fubr nocb nahezu eine balbe Stunde lang fort sicb nacb der Seite bin zu biegen, welche beleucbtet worden war. Die Netzbaut kann ein schwaches Licht nicht wabr­ nehmen, nachdem sie einem hellen ausgesetzt gewesen ist; und Pflan­ zen, welche den Tag und den Morgen vorher im Tageslicht gehalten worden waren, bewegten sich nach einem triiben seitlichen Lichte bin nicbt so bald wie andere, welcbe in vollstiindiger Dunkelheit gehalten worden waren.

Selbst wenn das Licht in einer solchen Weise auf die wachsenden

Theile von Pflanzen einwirkt, dasz es in ibnen immer eine Neigung, sicb nach der starker beleucbteten Seite bin zu biegen, anregt - eine Vermuthung, welcber durcb die vorstebend erwahnten Versucbe an Samlingen und durcb alle apheliotropischen Organe widersprocben wird, - so ist docb diese Neigung bei verscbiedenen Species bedeu­ tend verscbieden und ist aucb bei den• Individuen einer und derselben Species variabel, wie beinabe in jedem Topfe mit Sltmlingen einer• lange cultivirten Pflanze gesehen werden kann 12 Hiermit ist daher eine

 

12 Strasburger hat in seinem interessanten Werke (.Wirkung des Lichts .. auf Schwiirmsporen", 1878) nachgewiesen, dasz die Bewegung der Schwiirmsporen verschiedener niedrig organisirter Pflanzeu nach einem seitlichen Lichte hin durch ihren Entwickelungszustand, durch die Temperatur, welcher sie ausgesetzt werden,

<lurch den Grad der Beleuchtung, unter welchem sie gezogen worden sind, und noch durch andere unbekannte Ursachen beeinfluszt wird; so dasz die Schwiirm­ sporcn einer und derselben Species sich quer iiber das Gesichtsfeld des Microscops entweder nach dem Lichte hin oder von ihm weg bewegen konnen. Uberdies

DARWill, Bewegungsvermogen, (XIII.) 27

 

[page break] 418 Schluszbemerkungen und Cap. 9.

Grundlage fur die Modification dieser Neigung in beinahe jeder wohl­ thll.tigen Ausdehnung gegeben. Dasz sie modificirt worden ist, sehen wir in vielen Fll.llen: so ist es fiir insectenfressende Pflanzen von groszerer Bedeutung, ihre Bl!\tter in die beste Stellung zum Fangen von Insecten zu bringen als ihre Blatter nach dem Lichte zu drehen, und sie besitzen auch kein derartiges Vermogen. Wenn sich der Stamm von windenden Pflanzen nach dem Lichte biegen miiszte, wiirden sie haufig von ihren Stutzen weggezogen werden ; und wie wir geseben haben, biegen sie sicb nicht in dieser Weise. Da die Stamme der meisten anderen Pflanzen heliotropisch sind, so konnen wir dariiber beinahe sicher sein, dasz windende Pflanzen, welche •durcb die ganze Reihe der Gefaszpflanzen verbreitet sind, ein Vermogen verloren haben, welches ihre nicht windenden Vorfahren besaszen. Uberdies ist bei lpomoea, und wahrscheinlich bei allen ubrigen windeuden Pflanzen, der Stamm der jungen Pflanze, ehe er zu winden anfaugt, in bobem Grade beliotropisch, offenbar zu dem Zwecke, die Cotyledonen oder die ersten echten Blatter vollstandig dem Lichte auszusetzen. Beim Epheu sind die Stamme von Samlingen maszig heliotropisch, wahrend die der namlichen Pflanzen, wenn sie ein wenig alter geworden sind, aphelio­ tropisch sind. Manche Ranken, welche aus modificirten Blattern be­ stehen, - Organe, welche in allen gewohnlichen Fllllen diahel io­ tropisch sind, - sind apheliotropiscb gemacht worden, und ibre Spitzen kriechen in jeden dunklen Spalt ein.

Selbst was die gewohnlichen beliotropiscben Bewegungen betri:fft, so ist es kaum glaublicb, dasz sie das directe Resultat der Wirkung des Lichtes sind ohne irgend eine specielle Anpassung. Wir konnen das, was wir meinen, durch die hygroskopischen Bewegungen der Pflanzen erlautern: wenn die Gewebe auf einer Seite eines Organs rapide Verdunstung gestatten, werden sie schnell eintrocknen und sicb zusammenziehen und dadurch verursachen, dasz sich der Theil nach dieser Seite bin biegt. Die wunderbar complicirten Bewegungen der Pollinien von Orchis pyramidalis, durch welche sie den Russel eines

erscheinen manche Individuen gegen das Licht indifferent zu sein, und solche von verschiedenen Species benehmen sich sehr verschieden. Je heller das Licht ist, desto gerader ist ihr Weg. Sie zeigen auch eine kurze Zeit hindurch die Nach­ wirkungen des Lichts. In allen diesen Beziehungen sind sie den hoheren Pflanzen il.hnlich; s. auch St ah I, _-uber den Einflusz des Lichts auf die Bewegungs­

Erscheinungen der Schwarmsporen", in: Verhandl. d. phys.-med. Gesellschaft, Wurz.

burg, 12. Bd. 1878.

 

[page break] Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels. 419

Schmetterlings umfassen und spliter ihre Stellung zu dem Zweck andern, die Pollenmassen auf das doppelte Stigma abzulegen, - oder ferner auch die drehenden Bewegungen, durch welche sich gewisse Samen in den Boden eingraben 18, - sie sind eine Folge der Art und Weise, in welcher der in Frage stehende Theil trocknet; und doch wird Niemand vermuthen, dasz diese Hesultate ohne specielle Anpas­ sung erlangt worden sind. In lihnlicher Weise werden wir zu der Annahme einer Anpassung gefuhrt, wenn wir den, Chlorophyll ent­ haltenden Hypocotyl eines Samlings sich nach dem Lichte biegen sehen; denn obgleich er hiernach weniger Licht erhalt, weil er nun von seinen eigenen Cotyledonen beschattet wird, so bringt er doch diese, - die bedeutungsvolleren Organe, - in die beste Stellung um vollstiindig beleuchtet zu werden. Man kann daher sagen, dasz sich der Rypo­ cotyl zum Besten der Cotyledonen, oder vielmehr zum Besten der ganzen Pflanze, selbst opferte. Wenn er aber daran verbindert wird, sich zu biegen, wie es zuweilen bei Siimlingen vorkommen musz, welche in einer dicht verwickelten Masse Vegetation aufgehen, so biegen sich die Cotyledonen selbst so, dasz sie nach dem Lichte hinsehen, der am weitesten davon gelegene erhebt sich und der dem Lichte nllchste senkt sich abwiirts oder beide drehen sich seitwlirts 14 Wir konnen auch annebmen, dasz die lluszerste Emp:findlichkeit des oberen Theils der scheidenartigen Cotyledonen der Gramineen gegen das Licht und deren Vermogen, die Wirkungen desselben auf den unteren Theil uber­ zuleiten, specielle Anordnungen sind, damit sie den kiirzesten Weg zum Lichte finden: Bei Pflanzen, welche an einem Abhange oder vom Winde niedergeworfen wachsen, ist die Art und Weise, in welcher die Bliitter sich bewegen und selbst um ihre eigenen Achsen rotiren, so dasz ihre oberen Flll.chen wieder nach dem Lichte bin gerichtet wer­ den, eine auffallende Erscheinung. Derartige Thatsachen wer en noch auffallender, wenn wir uns daran erinnern, dasz ein zu intensives Licht das Chlorophyll schiidigt und dasz die BID.ttchen mehrerer Leg,uni­ nosen, wenn sie in dieser Weise exponirt werden, sich aufwD.rts biegen und ihre RD.nder der Sonne darbieten und dadurch der Verletzung

 

18 Francis Darwin, On the Hygroscopic Mechanism etc. in: Transact. Linn. Soc. 2. Ser. Vol. 1, Bot. p. 149, 1876.

t? Wiesner hat in Bezug auf Blatter Bemerknngen in nahezu demselben Sinne gemacht: "Die undulirende Nutation der Internodien", p. 6. (Aus den Sitzungsber. der Kais. Acad. d. Wiss. Wieu, 77. Bd., 1878.f

2i *

 

[page break] 420 Schluszbemerkungen urnl Cap. 9.

entgehen. Andererseits biegen sich die Bla.ttchen von Averrhoa und

O.wlis abwarts, wenn sie in a.hnlicher Weise exponirt werden.

Es wurde in dem letzten Capitel nachgewiesen, dasz Heliotropis­ mus eine modificirte Form von Circumnutation ist; und da jeder wachsende Theil einer jeden Pflanze mehr oder weniger circumnutirt, so konnen wir einsehen woher es kommt, dasz das Vermogen sich nach dem Lichte binzubiegen, von einer solchen Menge von Pflanzen durch das ganze Pflanzenreich hindurch erlangt worden ist. Die Art und Weise, in welcher eine circumnutirende Bewegung, - d. b. eine solche, welche aus einer Reihe von unregelmaszigen Ellipsen oder Schlingen besteht, - allmahlicb in eine geradlinige Bewegung nach dem• Lichte bin umgewandelt wird, ist bereits erklart worden. Erstens haben• wir eine Reihenfolge von Ellipsen mit nach dem Lichte bin ge­ richteten langeren Achsen, von denen eine jede der Lichtquelle immer nil.her und naher beschrieben wird; dann werden die Schlingen in eine stark ausgesprocbene Zickzacklinie ausgezogen, wahrend bier und da noch eine kleine Schlinge gebildet wirrl. In der namlicben Zeit, wo die Bewegung nach dem Lichte bin in Ausdehnung vergroszert und beschleunigt wird, wird die in der entgegengesetzten Richtung ver­ mindert und verlangsamt, und znletzt ganz aufgehoben. Die Zick­ zackbewegnng nach beiden Seiten bin wird gleichfalls allmahlich ver­ ringert, so dasz endlich die Bewegung geradlinig wird. Es findet hier­ nach unter dem Reize eines ziemlich hellen LiJhtes kein nutzloser Aufwand von Kraft statt.

Da bei Pflanzen ein jeder Charakter mehr oder weniger variabel ist, so scheint in der Annahme keine grosze Schwierigkeit zu liegen, dasz ihre circumnutirenden Bewegungen durch die Erhaltung variirender Individuen in jeder wohltbatigen Weise vergroszert oder modificirt worden sind. Die Vererbung gewohnheitsgemli.szer Bewegungen ist fur diesen Process der Auswahl oder des Uberlebens der Passenden eine nothwendige begleitende Erscheinung; und wir haben gesehen, dasz wir zu der Annahme guten Grund batten, dasz gewohnheits­ gemasze Bewegungen von Pflanzen vererbt werden. Bei windenden Arten sind die circumnutirenden Bewegungen in ihrer Amplitude ver­ groszert und mehr kreisformig gemacht worden; der Reiz ist bier ein innerer oder eingeborener. Bei schlafenden Pflanzen sind die Beweg­ ungen in ihrer Amplitude vergroszert und haufig in der Richtung ver­ andert worden; und bier ist der Reiz der Wechsel von Licht und

 

[page break] Cap. 9. Zusamme1ifassung des Capitels. 421

Dunkelheit, indessen durch Vererbung unterstiitzt. Beim Heliotropis­ mus ist der Reiz die ungleiche Beleuchtung der beiden Seiten der Pflanze, und dies bestimmt, wie in den vQrausgehenden Fallen, die Modification der circumnutirenden Bewegung in einer solchen Weise, dasz sich das Organ nach dem Lichte bin biegt. Eine Pflanze, welche

<lurch die erwahnten Mittel heliotropisch gemacht worden ist, diirfte, nach den bereits mitgetheilten F!Hlen zu urtheilen, diese Neigung leicht verlieren, sobald dieselbe nutzlos oder schadlich wird. Eine Species, welche aufgehort hat heliotropisch zu sein, kann auch durch die Erhaltung derjenigen Individum, welche (obgleich die Ursache

<lieser und der meisten anderen Variationen unbekannt ist) in einer Richtung zu circumnutiren streben, die der, von welcher das Licht ausgebt, mehr oder weniger entgegengesetzt ist, apheliotropisch ge­ macht werden. In einer gleichen Weise kann eine Pflanze auch dia­ lleliotropisch gemacht werden.

 

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Zehntes Capital.

Modifl.cirte Circumnutation: Durch Gravitation angeregte Bewegungen.

Beobachtungsmittel. - Apogeotropismus. - Oytisus. - Verbena. - Beta. - Allmahliche Umwandlung der Circumnutationsbewegung in Apogeotropismus bei Rubus, Lilium, Phalaris, Avena und Brassica. - Apogeotropismus durch Heliotropismus verlangsamt, - durch Hillfe von Gelenken oder Polstem aus­ geflihrt. - Bewegungen der Bliithenstengel von Oxalis. - Allgemeine Be­ merkungen iiber Apogeotropismus. - Geotropismus. -' Bewegungen der Wiir­ zelchen. - Eingraben von Samenkapseln. - Nutzen des Vorgangs. - Tri­ folium subterraneum. - .Arachis. - .Amphicarpaea. - Diageotropismus. - Schlusz.

Unsere Absicht im vorliegenden Capitel ist zu zeigen, dasz Geo­ tropismus , Apogeotropismus und Diageotropismus modi:ficirte Formen von Circumnutation sind. A.uszerst feine Glasfiiden, welche zwei minutiose Papierdreiecke trugen, wurden an die Gipfel junger Stil.mme, hil.u:fig an die Hypocotyle von Samlingen, an Bliithenstengel, Wiirzel­ chen etc. befestigt, und die Bewegungen dieser Theile wurden dann in der bereits beschriebenen Art und Weise an senkrecbten und hori­ zontalen Glasscheiben aufgezeichnet. Es musz daran erinnert werden, dasz , wenn die Stil.mme oder andere Theile in Bezug auf die Glas­ scheiben mehr oder weniger schril.g werden, die aufgezeichneten Figuren an den letzteren nothwendigerweise mehr und mehr vergrOszert werden. Die Pflanzen wurden gegen das Licht geschiitzt, ausgenommen so lange, als eine jede Beobachtung gemacht wurde, und dann liesz man das Licht, welches immer ein schwaches war, nur so eintreten, dasz es so wenig wie mOglich mit der in Fortgang befindlichen Bewegung interferirte; wir konnten auch keinerlei Beweise fur eine hieraus sich ergebende Storung entdecken.

Bei der Beobachtung der Abstufungen zwischen Circumnutation und Heliotropismus batten wir den groszen Vortheil, im Stande zu

 

[page break] Cap. 10. .Apogeotropismus. 428

sein, das Licht zu vermindern; aber bei Geotropismus waren analoge

Experimente naturlich unmoglich. Wir konnten indessen die Beweg- ungen von Stammen beobachten, die zuerst nur ein. wenig aus der

Senkrechten herausgestellt wurden, in welchem Falle Geotropismus mit auch nicht annlthernd so starker Kraft wirkte, als wenn die Stamme horizontal und rechtwinklig zur Kraft lagen. Auch wurden Pflanzen ausgewahlt, welche nur schwach geotropisch oder apogeo­ tropisch waren oder so geworden waren , weil sie ziemlich alt waren. Ein anderer Plan war noch der, die Stamme erst so zu legen, dasz sie 80° oder 40° unter den Horizont wiesen, und dann hatte der Apo­ geotropismus eine bedeutende Arbeit zu leisten, ehe der Stamm wieder aufrecht gebracbt wurde, und in diesem Falle war haufig gewohnliche Circumnutation nicht ganzlich ausgeschlossen. Noch ein anderer Plan war der, am A:bend Pflanzen zu beobachten, welche wahrend des Tags beliotropisch gekriimmt waren , denn ihre Stamme wurden unter dem allmahlich verschwindenden Lichte sehr langsam <lurch die Wirkung des Apogeotropismus wieder aufrecht, und in diesem J!'alle wurde zu­ weilen modi:ficirte Circumnutation deutlich entfaltet.

Apogeotropism us. - Zur Beobachtung wurden Pflanzen fast durch Zufall ausgewii.hlt, ausgenommen, dasz sie aus sehr verschiedenen Familien genommen wurden. Wenn der Stamm einer Pflanze, welche selbst nur mii.szig sensitiv fur Apogeotropismus ist, horizontal gelegt wird, so biegt sich der obere, wachsende Theil schnell aufwii.rts, so dasz er senk­ recht wird, und die durch die Vereinigung der hintereinander auf die Glasscheiben gemachten Punkte gebildete Linie ist meist beinaho gerade. So wurde beispielsweise ein junger Cytisus fragrans von 12 Zoll Hohe so gestellt, dasz der Stamm 10 unter dem Horizont vorsprang, und seine Bewegung wurde wii.hrend 72 Stunden aufgezeichnet. Zuerst bog er sich sel1r wenig abwii.rts (Fig. 182), ohne Zweifel in Folge des Gewichtes des Stammes, da dies bei den meisten der anderen beobachteten Pflanzen ein­ trat, obschon die kurzen, nach abwiirts gerichteten Linien, da die Stamme natfulich circumnutirten, haufig schriig waren. Nach drei Viertelstunden fieng der Stamm an sich aufwiirts zu kriimmen, wii.hrend der ersten zwei Stunden schnell, aber wiihrend des Nachmittags und der Nacht und am folgenden 'fage viel langsamer. Wiihrend der zweiten Nacht sank er ein wenig und circumnutirte wii.hrend des folgenden Tags; er bewegte sich aber auch eine kurze Strecke nach rechts, was dadurch verursacht wurde, dasz ein wenig Licht zufiillig auf dieser Seite Elinlasz gefunden hatte. Der Stamm war nun 60 iiber den Horizont aufgerichtet und hatte sich daher um 70 erhoben. Hii.tte man ihm Zeit gelassen, so wiirdo er wahr­ scheinlich aufrecht geworden sein und wO.rde ohne Zweifel fortgefahren haben zu circumnutiren. Der einzige merkwiirdige Zug in der Figur, die bier mitgetheilt wird, ist die Geradheit des eingehaltenen Weges.

 

[page break] 424 Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

 

Inde sen bewegte sich der Stamm in keiner gleichmaszigen Geschwindigkeit aufwiirts, sondern stand zuweilen beinahe oder ganz still. Derartige

Perioden stelleu wahrscheinlich Yersuche zum Circumnutiren im directen Gegensatze zum Apo­ geotropismus dar.

Der krautartigo Stamm einer Verbena melin­ dres (?), welcher horizontal gelegt war, erhob sich in 7 Stundeu so bedeutrnd, dasz er nicht Hinger mehr an der senkrechten Glasscheibe, welche vor der Pflanze stand, beobachtet werden konnte.

Die lauge Linie, welche die Aufzeichnung er­

 

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Fig. 18 . Cyti311s fra11rans: Apo­ geotropi:tchollt,wegung des St.:i.m­ mos von 10° llnte1• bis 60° iiber dem Horlzont, an einer senk rochten Glasschelbe von 8.30 a. m., 12. Mar<, bis 10.30 p. m., am 18., aufgoz.oichnet. Die dara.nf folgendo drcumnutirenile B1 wegnng 1st •gleichfalls bis 6.45

a. m., am 15., dargestellt. Die Bewegung wiihrend der Narht t!lt wio gewOhnlich durch eine punktirte Llnie dargestollt. Die Bewegung 1st nlcht bedolltend vergrOszert, die Zeichnung nuf zwt1l Drittel des Originnls re-

d1tcirt.

 

 

gab, war beinahe absolut gerade. Nach den

7 Stunden fuhr er noch immer fort sich zu er­ heben, circumnutirte aber nun unbedeutend. Am folgenden Tage stand er aufrecht und circumnu­ tirte regelmaszig, wie es in Fig. 82, die im vierten Capitel mitgetheilt wurde, zu sehen ist. Die Stii.mme mehrnrer anderer Pflanzen, welche im l10hen Grade empfindlich gegen Apogeotropis­ mus waren, erhu ben sich in beinahe geraden Linien und fiengen dann an circumnutiren. Ein zum Theil etiolirter und etwas alter Hypocotyl

eines Kohlsamlings (von 2 ¾ Zoll Hohe) war so

empfindlich, dasz, als er unter einem Winkel von

nur 23 von der Senkrechten gestellt wurde, er in 33 Mi.nnten senkrecht wurde. Da der Apogeo­ tropismns in der eben erwahnten, unbedeutend geneigten Stellung nicht kraftig auf ihn gewirkt haben konnte, erwarteten wir, dasz er circum­ nutirt oder sich wenigstens in einer zickzack­ formigen Weise bewegt haben wiirde. Dem ent­ sprechend wurden alle drei Minuten Punkte gemacht; als aber diese verbunden wurden, war die Linie beinahe gerade. Nachdem dieser Hypo­ cotyl aufrecht geworden war, bewegte er sich noch immer eine balbe Stunde lang in derselben allgemeinen Richtung, aber zickzackformig. Wah­ rend der darauffolg1;1nden neun Stunden circum­ nut.irte er regelmaszig und beschrieb drei grosze Ellipsen. In diesem Falle ilberwaod der Apo­ geotropismus, obgleich er in einem sehr un­ giinstigcm Winkel wirkte, vollstandig die circum­ nutirende Bewegung.

Die Hypocotyle von Beta vulgaris sind im

 

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hohen Grade empfindlich gegen Apogeotropismus. Einer wurde so gastellt, dasz er 19 unter dem Horizont vorsprang; er senkte si<:h zuerst sebr wenig (s. Fig. 183), ohne Zweifel in Folge seines Gewichtes; da er aber circumnutirte, war die Linie schrii.g. Wiihrend der nii.chsten 3 Stunden 8 Minuten erhob er sich in einer nahezu geraden Linie, wobei er durcll

 

[page break] Cap. 10. Apogeotropismus. 425

 

eioen Winkel voo 109° sich bewegte, uod stand dann aufrecht (um 12.8

p. m.). Er fuhr 55 Minuten lang fort sich in derselben allgemeinen Rich­ tung Ober die Senkrechte hinaus zu bewegen,

aber in einem zickzackartigen Verlaufe. Er kehrte auch in einer Zickzacklinie zartick und circumnutirte dann regelmaszig, wobei

er wahrend des iibrigen Tages drei grosze Ellipsen beschrieb. Es ist zu bemerken, dasz die Ellipsen in dieser Figur in ihrer Grosze ubertrieben sind, im Verhli.ltnis zur Lange der geraden Linie aufwarts, in Folge der Stellung der senkrechten und der horizon­ talen Glasscheiben. Ein anderer und etwas alter Hypocotyl wurde so gestellt, dasz er nur 31 von der Senkrechten abstand, in welcher Stellung der Apogeotropismus mit geringer Kraft auf ihn wirkte, und in Folge

<lessen war sein Verlauf unbedeutend zick­

zackformig.

Die scheidenartigen Cotyledonen von Phalaris canariensis sind fiir A pogeotropis­ mus liuszerst empfindlich. Einer wurde so gestellt , dasz er 40 unter den Horizont vorsprang. Obgleich er ziemlich alt und schon 1.3 Zoll hoch war, warde er doch in 4 Stunden 30 Minuten, nachdem er ei11en Winkel von 130 in einer nahezu geraden Linie durchlaufen hatte, senkrecht. Er fieng dann plotzlich in der gewohnlichen Weise zu circnmnutiren an. Die Cotyledonen dieser Pflanze sind, nachdem das erste Blatt an- gefangen hat hervorzutreten, nur unbedeu- tend apogeotropisch, obgleich sie noch immer fortfahren zn circumnutiren. Ein Cotyledon auf dieser Stufe der Entwickelung wurde

horizontal gestellt und wurde selbst nach .11°,o"a,111.88'!'

 

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18 Stunden nicht aafrecht. Auch war seine Bewogung unbedeatend zickzackformig. Ferner

braucbte ein verhiiltnismaszig alter Hypo­ cotyl von Cassia tora (von 1t/4 Zoll Hohe)

 

Fig. 183. Beta vulgari,: Apogeo­ tropische Bewegung des Hypocotyls von 19 unter dem Borizont lu eiue aenkreehte Stellung mit darauf fol gooder Clrcumnutation, an ciner scnk­ rechten und einer horizontalen Gla ­

 

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28 Standen , um aufrecht zu werden , und

sein Verlauf war deutlich zickzackfurmig, wlih­ rend jO.ngere Hypocotyle sich viel schneller und io einer nahezu geraden Linie bewegten.

 

achelbe von 8.28 a. m., 28. Sept., bis

8.40 a. m., am 29., aufgezoichnet. Dle Abblldung auf ein Drlttel des Ori-

ginals reducirt.

 

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Wenn ein horizontal gelegter Stamm oder ein anderes Organ sich in einer zickzackfurmigen Linie erhebt, so konnen wir a.us den vielen, in unseren frtlheren Capiteln mitgetheilten Fallen schlieszeu , dasz wir- eine modificirte Form von Circumnutation vor uns haben; wenu aber die Be­ wegong geradlinig ist, liaben wir keine Beweise fo.r Circumnuiation, und

 

[page break] 426 Modificirte Circumnute.tion. Cap. 10.

Jedermann konnte behaupten, dasz diese letztere Bewegung durch eine von einer gii.nzlich verschiedenen Art ersetzt worden sei. Diese Ansicht

scheint um so wahrscheinlicher, wenn (wie es zu­

weilen bei den Hypocotylen von Brassica un,l Beta, den Stii.mmen von Cucurbita und den Coty­ ledonen von Phalaris eintrat,) der in Rede stehende

Theil, nachdem er sich in einem geradlinigen Verlaufe aufwii.rts gebogen hatte, pHltzlich zu circumnutiren anfieng, und zwar in der vollen Ausdehnung und in der gewohnlichen Weise. Ein ziemlich gutes Beispiel einer plotzlichen lnderung dieser Art - d. h. von einer nahezu geradlinigeu

.Aufwii.rtsbewegung in eine Circumnutationsbeweg­ ung - ist in Fig. 183 dargestellt; es wurden aber noch auffallendere Beispiele gelegentlich bei Beta, Brassica und Phalaris beobachtet.

Wir wollen nun einige wenige Pii.lle be­ schreiben, in denen man sehen kann, wie all­ mii.hlich Circumnutation in Apogeotropismus um­ geii.ndert wird, und zwar unter Umstii.nden, die in jedem einzelnen Falle speciell angefiihrt wurden. Rubus Idaeus (Bastardform). - Eine junge , in einem Topfe wachsende Pflanze von

11 Zoll Hohe wurde horizontal gelegt, und die

! Aufwii.rtsbowegung wurde nahezn wii.hrend 70 Stun­ den beobachtet; obgleich aber die Pflanze krii.ftig

I wuchs, war sie doch nicht im hohen Grade em• pfindlich gegen Apogeotropismus, oder sie war

' nicht fii.hig sich schnell zu bewegen; denn wii.h­

f • rend der eben angegebenen Zeit orhob sie sich nur

67 Wir konnen in der Zeichnung (Fig. 184) sehen , dasz sie sich wii.hrend des ersten Tages von zwolf Stunden in einer nahezu geraden Linie erhob. Als sie horizontal gestellt wurde, circumnutirte sie offenbar, denn sie erhob sich zuerst ein wenig trotz des Gewichtes des Stammes und senkte sich danu abwarts, so dasz sie nicht friiher ihren dauernd aufwii.rts gerichteten Weg antrat, als bis 1 Stunde 25 Minuten verflossen waren. Am zweiten Tage, in welcher Zeit sie

 

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Fig. 184, Rubu, ida,u,(Hybrid): Apogeotroplsche Bewegung des Stammes, an eincr senkrechten

Glasplatte wiihrend S Tage und 3 Nachte, VOD 10.40 a. m., 18.

Marz, bis 8 a. m., 21. Marz, auf­

gezeichnet. Die Flgur auf die Hiilfte de Originals reduclrt.

 

betrii.chtlich gestiegen war, und als der Apogeo­

tropismus mit etwas weniger Kraft auf sie wirkte, war ihre Bewegung wahrend 151/2 Stunden deutlich zickzackformig, und die Geschwindigkeit

der Aufwii.rtsbewegung war nicht gleichmii.szig. Wllhrend des dritten Tages, gleichfalls von

 

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15 ½ Stunden, als Apogeotropismus mit noch weniger Kraft auf sie wirkte,

circumnutirte der Stamm deutlicb; denn er •bewegte sich wllhrend dieses Tages dreimal aufwii.rts und dreimal abwii.rts, viermal zur Linken und

 

[page break] Cap. 10. A pogeotropisruus. 427

viermal zur Rechten. Der eingehaltene Weg war aber so complicirt, dasz er kaum auf der Glasplatte verfolgt werden konnte. Wir konnen indessen sehen, dasz die aufeinander folgend gobildtiten,

unregelmaszigen Ellipsen immer hoher und hoher

 

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stiegen. Apogeotropismus fuhr auch noch am vierten Morgen zu wirken fort, da der Stamm noch immer sich erhob, obgleich er nun blosz noch 23 von der Senkrechten abstand. In dieser Zeichnung lassen sich die verschiedenen Stufen verfolgen, durch welche eine beinahe geradlinige, aufwartsgerichtete, apogeotropische Bewegung zuerst zickzackformig wird und sich dann in eine circumnutirende Bewegung veran­ dert, wobei die meisten der aufeinanderfolgend gebildeten unregelmaszigen Ellipsen aufwarts ge­ richtet sind.

Lilittm auratum. - Eine 23 Zoll hohe Pflanze wurde horizontal gestellt, und der obere Theil des Stammes erhob sich in 46 Standen um 58 in der in der beistehenden Zeichnung gezeigten Art und Weise (Fig. 185). Wir sehen hier, dasz wahrend des ganzen zweiten Tages von 15t/2 Standen der Stamm deutlich circum- nutirte, wii.hrend er sicb dnrth Apogeotropismus aufwarts bog. Er hatte noch immer betrachtlich sich zu erheben, denn als der letzte Punkt in der Figur gemacht wurde, stand er noch 32 von einer aufrechten Stellung ab.

Phalaris canariensis. - Ein Coty­ ledon dieser Pflanze ( von 1.3 Zoll Hohe) ist be­ reits beschrieben worden. Er erhob sich in 4 Stun­ den 30 Minuten von 40 unter dem Horizont in eine senkrechte Stellung, so dasz er durch einen Winkel von 130° in einer nahezu geraden Linie sich bewegte und dann plotzlich zu circumnu­ tiren anfieng. in anderer etwas alter Cotyledoll von der namlichen Hobe (von welchem aber noch kein echtes Blatt hervorgetreten war) stand in ii.hn­ licher Weise 40 unter dem Horizont. Wahrend

Fig. 185. Lilium a"ratum: Apo­ geotroplsche Bewegung des Stam­ mes, an elner 1enkrechten Glas platte durch zwel Tage und zwel Niichte, von 10.40 a. m., 18. Miirz, bis 8 a. m., 20. Miirz, aufgezeich­ net. Die }'igur auf die Hiilfte des .Maszstabs des Originals r&- duclrt.

 

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der ersten vier Standen erhob er sich in einer nahezu geraden Linie (Fig. 186), so dasz er um 1.10 p. m. hoch aufgerichtet war, und nun wirkte der Apogeotropismus mit viel geringerer Kraft auf ihn als fruher, und er begann sich nun im Zickzack zu bewegen. Um 4.15

p. m. (d. h. in sieben Stunden vom Anfang an) stand er senkrecht und fuhr spitter fort, in der gewo nlichen Weise um einen und den­ selben Fleck zu circumnutiren. Wir haben daher bier eine allmahliche Veranderung aus einer gerade aufgerichteten geotropischon Bewegung in Circumnutation anstatt eines plOtzlichen Wechsels, wie in dem fruhe­ ren Falle.

 

[page break] 428 .Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

 

Avena sativa. - Die scheidenartigen CotyJ..donen sind, so lange sie jung sind, stark apogeotropisch, und einigP, welche 45 unter den

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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-O ok,., .J

Fig. 186. Phalaria canar,'enaia: Apogeotropische

Bewegung des Cotyledon, an einer senkrechten und einer horizontalen Glasplatto von 9.10 a. m.,

19. Sept., bis 9 a. m. , am 20., aufgezeirhnet.

Abbildung bier auf eln Fiinftel dor Original grOsze reducirt.

 

 

 

.Fig. 187. Brauica olnacea: Apogeotropische Uewegung des Hypocotyls, an ei11er senkrechten Glassclleibe von 9.20 a. m., tun 12. Sept., bi:;

8.30 a. m., am 13., nufgezcichnet. Der obere Theil der Figur ist stiirker vergrOszert, al$ der untero Theil. ,veun der gauze zuriickgel1.'gte "'tg verfolgt worden wiire, wiirde die gerade aufrechte Linio vlel Hinger gewesen sein. Flgur hier auf ein Drittel der OriginalgrOsze rcdu.cirt.

 

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Horizont gestellt wurden, erhoben sich in 7 oder 8 Stunden um 90° in beinahe absolut geraden Linien. Ein etwas alter Cotyledon, von welchem das erste echte Blatt hervorzubrechen begann, wiihrend die folgenden Be­ obacbtungen angestellt wurden, war 10 11 unter den Horizont gestellt, und er erhob sich nur 59 in 24 Stunden. Er benahm sich ziemlich ver­ schieden von irgend einer andern von uns beobachteten Pflanze, denn

 

[page break] Cap. 10. Apogeotropismus. 429

wahrend der ersten 4½ Stunden erhob er sich in einer nicht weit von einer Geraden ontfernten Linie; wahrend der nachsten 6½ Stunden cir­ cumuutirte er, d. h. er senkte sich und erhob sich wieder in einer stark ausgesprochenen Zickzacklinie; dann nahm er seine Aufwartsbewegung in einer maszig geraden Linie wieder an und wilrde, wenn ihm Zeit gelassen worden ware, ohne Zweifol aufrecht geworden sein. In diesem Falle ilber­ wand nach den ersten 41/2 Stunden gewohnliche Circumnutation beinahe

vollstandig eine Zeit Jang den Apogeotropismus.

B1•assica o leracea. - Die Hypocotyle mehrerer junger Samlings­ pflanzen, welche horizontal gelegt worden waren, erhoben sich im Verlaufe von sechs oder sieben Stunden in einer nahezu geraden Linie aufwarts. Ein

Samling, welcher im Dunkeln bis zu einer Hohe von 21/4 Zoll gewachsen und daher etwas alter und nicht bedeutend empfindlich war, wurde so gestellt, dasz der Hypocotyl zwischen 30 und 40 unter den Horizont

vorsprang. Der obere Theil allein wurde aufwarts gekrilmmt und erhob sich wahrend der ersten 3 Stunden 10 Minuten in einer nahezu geraden Linie (Fig. 187); es war nicht moglich die Aufwartsbeweguug an der verticalen Glasscheibe wahrend der ersten 1 Stunde 10 Minuten auf­ zuzeichnen, so dasz die nahezu gerade Linie in der Zeichnung vie] !anger gewesen sein sollte. Wiihrend der nachsten 11 Stunden circumnutirte der Hypocotyl, wobei er unregelmiiszige Figuren beschrieb, von denen eine jede ein wenig iiber die friiher gebildete sich erhob. Wiihrend der Nacht und des folgenden frilhen Morgens fuhr er fort sich in einem zickzack­ artigen Laufe zu bewegen, so dasz Apogeotropismus noch immer wirksam war. Beim Schlusse unserer Beobachtungen nach 23 Stunden (in der Zeicbnung durch den obersten Punkt dargestellt), war der Hypocotyl noch immer 32 von der SenkFechten entfernt. Es lasst sich nur wenig daran zweifeln, dasz er schlieszlich durch Beschreibung einer weiteren Anzahl

 

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von unregelmiiszigen Ellipsen•, worden ware.

 

eine immer ilber der anderen, aufrecht ge­

 

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Apogeotropismus durch Heliotropismus verlangsamt. - Wenn sich der Stamm irgend einer Pflanze wahrend des Tages nach einem seitlichen Lichte hinbiegt, wirkt der Apogeotropismus der Be­ wegung entgegen; aber in dem Masze, als das Licht am Abend allmahlich verschwindet, erlangt die letztere Kraft langsam die Oberhand und zieht den Stamm in eine senkrechte Stellung zurilck. Wir haben daher hier eine gute Gelegenheit zu beobachten, wie der Apogeotropismus wirkt, wenn er durch eine entgegengesetzte Kraft beinahe aufgewogen wird. So bewegte sich beispielsweise die Plumula von Tropaeolum majus (s. die frilhere Fig. 175) n.ich dem schwachen Abendlichte in einer unbedeutend zickzackformigen Linie bis 6.45 p. m.; sie kehrte dann in ihrem Wege bis 10.40 p. m. um, wii.hrend welcher Zeit sie sich im Zickzack bewegte uud eine Ellipse von betriichtlicher Grijsze beschrieb. Der Hypocotyl von Brassica oleracea (s. die friihere Fig. 173) bewegte sich in einer geraden Linie nach dtim Lichte hin bis 5.15 p. m. und dann vom Lichte ab, wahrend er in seinem Riickwii.rtslaufe eine winklige Biegung machte und dann auf eine kurze Strecke nach der frilheren Lichtquelle hin zurilck­ kehrte; es wurde nach 7.10 p. m. keine weitere Beobachtung gemacht; aber wii.hrend der Nacht gewann er seine senkrechte Stellung wieder.

 

[page break] 430 Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

 

Ein Hypocotyl von Cassia to,-a bewegte sich am Abend in einer etwas zickzackartigen Linie nach dem verschwindenden Lichte hin bis 6 p. m. und war nun 20 von der Senkrechten abgebogen. . Dann kehrte er in seinem Laufe um und beschrieb vor 10.30 p. m. vier grosze, nahezn rechtwinklige Biegungen und vollendete beinahe eine Ellipse. Mehrere andere analoge Fil.lie wurden gelegentlich beobachtet, und bei ihnen allein konnte man sagen, dasz die apogeotropische Bewegung in modificirter Circumnutation bestand.

Apogeotropische Bewegungen mit Hiilfe von Gelenken oder Polstern ausgefilhrt. - Es ist sehr wohl bekannt, dasz Be­ wegungen dieser Art bei den Gramineen vorkommen und mittelst der ver­ dickten Basen ihrer scheidenartigen Blatter bewirkt werden; der Stamm ist innerhalb dieses Theils diinner als anderswo 1 Nach der Analogie mit allen andern Polstern sollten derartige Gelenke eine lange Zeit hindurch fort­ fahren zu circumnutiren, nachdem die anstoszenden Theile aufgeMrt haben zu wachsen. Wir wilnschten daher zu ermitteln, ob dies bei den Gra­ mineen der Fall sei; denn wenn dies sich so verhalt, so wtirde die Auf­ wii.rtskriimmung ihrer Stamme , • wenn sie horizontal ausgestreckt werden oder niedergelegt wachsen, in Ubereinstimmung mit unserer Ansicht er­ klitrt werden konnen, nitmlich dasz Apogeotropismus ein Resultat modificirter Circumnutation ist. Nachdem sich diese Gelenke aufwii.rts gekrummt haben, werden sie in dieser neuen Stellung durch vermehrtes Wachsthum ihrer unteren Seiten entlang fixirt.

Lolium perenne. - Ein junger Stamm von sieben Zoll Hohe,

welcher aus drei Internodien bestand, und aus welchem der Bliithenkopf noch nicht hervorgebrochen war, wurde zur Beobachtung ausgewithlt. Ein langer und sehr diinner Glasfaden wurde •horizontal an den Stamm angekittet, dicht tiber dem zweiten Gelenk, _3 Zoll oberhalb der Erde. Es wurde spitter ermitte:rt, dasz dieses Gelenk sich in einem activen Zustand befand, da seine untere Seite bedeutend durch die Wirkung des Apogeo­ tropismus anschwoll (in der von DE VRIES beschriebenen Art und Weise), nachdem der Halm 24 Stunden lang in einer horizontalen Stellung be­ festigt gewesen war. Der Topf wurde so gestellt , dasz das Ende des Glasfadons unter eiuem Zweizollobjectiv eines Microscopes mit einem Ocularmicrometer stand, an welchem jede Abtheilung -rdro Zoll gleich war. Das Ende des Glasfadens wurde withrend sechs Stunden wiederholt be­ obachtet, und man sab, dasz er in bestandiger Bewegung war; er durch­

kreuzte flinf Abtheilungen des Micrometers fs-h Zoll) in zwei Stunden.

Gelegentlich bewegte er sich in Sprilngen vorwarts, von denen einige

-nhn; Zoll weit waren, und dann schritt er langsam ein wenig zurlick, um spitter wiederum vorwarts zu schnellen. Diese Oscillationen waren genau denjenigen gleich, welche bei Brassica und Dionaea beschrieben worden sind; sie kamen aber nur gelegentlich vor. Wir konnen daher schlieszen, dasz dieses mitszig alte Gelonk bestii.ndig in einem geringen Masze circum­ nutirte.

 

1 Diese Bildungseigenthiimlichkeit ist vor Kurzem in einem interessanten Ar­ tikel von De Vries beschrieben worden: "Uber die Aufrichtung des gelagerten Getreides" in: "Landwirthschaftl. Jahrbiicher" 1880, p. 473.

 

[page break] Cap. 10. Apogeotropismus. 431

 

.Alopecu1•us p1•atensis. - Eine junge Pflanze von 11 Zoll HOhe mit vorgetretenem Blil!henkopfe, aber mit noch nicht entfalteten Blilthchen, wurde mit einem Glasfaden dicht ilber dem zweiten Gelenk in einer Hohe von nur 2 Zoll oberhalb der Erde versehen. Das basale Internodium von 2 Zoll Lange wurde an einen Stab gekittet, um jede Moglichkeit seiner Circumnutation zu verhilten. Die Spitze des Glasfadens, welche ungefii.hr

50 ilber den Horizont vorsprang, wurde wii.hrend 24 Stunden in der­ selben Weise wie in dem vorhergehenden Falle oft beobachtet. Sobald danach gesehen wurde, war sie immer in Bewegung, uud sie durchkreuzte 30 Abtheilungen des Micrometers (-h- Zoll) in 3½ Stunden; aber zuweilen bewegte sie sich mit einer geringeren Geschwindigkeit; denn einmal durch­ kreuzte sie fiinf Abtheilungen in anderthalb Stunden. Der Topf hatte gelegentlich bewegt werden miissen, da das Ende des Fadens 1iber das Gesichtsfeld hinausgieng; soweit wir aber beurtheilen konnten, hielt er wiihrend der Tageszeit einen halbkreisformigen Lauf ein, und er bewegte sich sicher in zwei verschiedenen Richtungen, welche rechtwinklig auf­ einander standen. Zuweilen oscillirte er in derselben Art und Weise, wie bei der letzten Species, wobei einige der sprungweisen Bewegungen vorwii.rts so bedeutend waren, wie u'rrri Zoll. • Wir konnen daher schlieszen, dasz die Gelenke in dieser und der letzten Grasart lange zu circumnutiren fortfahren, so dasz diese Bewegung bereit sein wurde, .in eine apogeotropische Bewegung umgewandelt zu werden, sobald nur der Stamm in eine geneigte oder horizontale Stellung gebracht wird.

Bewegungen der Bluthenstiele von Oxalis carnosa durch Apogeotropismus und andere Krii.fte. - Die Bewegungen des Hauptbluthenstengels und der drei oder vier Nebenstiele, welche jeder Hauptstengel dieser Pflanze trii.gt, sind ii.uszerst complicirt und werden

<lurch mehrere verschiedene Ursachen bestimmt. Wii.hrend die Bliithen ausgebreitet sind, circumnutiren beide Arten von .Stielen um den nam­ lichen Fleck, wie wir im vierten Capitel (Fig. 91) gesehen haben. Aber bald nachdem die Bliithen angefangen haben zu verwelken, biegen sich die Nebenblilthenstiele abwii.rts, und dies ist Folge von Epinastie; denn bei zwei Gelegenheiten, wo TOpfe horizontal gelegt wurden, nahmen die Nebenstiele die nii.mliche Stellung in Bezug auf den Hauptbluthen­ stengel ein, wie der Fall gewesen sein wilrde, wenn sie aufrecht ge­ blieben wii.ren, d. h. ein jeder von ihnen bildete mit jenem einen Winkel von ungefii.hr 40 Wenn Geotropismns oder Apheliotropismus (denn die Pflanze war von oben beleuchtet) auf sie gewirkt haben wilrde, so wurden sie sich nach dem Mittelpunkte der Erde hin gerfohtet haben. Ein Hanptblilthenstengel wnrde in einer aufrechten Stellung an einen Stab befestigt, und einer der aufrechten Nebenstiele, den man circnmnutiren geseben hatte, wii.hrend die Bliithe ausgebreitet war, fuhr mindestens 24 Stunden lang, nachdem sie verwelkt war, zu circumnutiren fort. Dann fieng er an sich abwiirts zu biegen und nach 36 Stunden wies er ein wenig unter den Horizont. Nun wurde eine neue Aufzeichnung begonnen (A. Fig. 188), und wir verfolgten die Bewegungen des Nebenstiels, welcher von 7.20 p. m., am 19., bis 9 a. m., am 22., in einer zickzackfonnigPn Lin_ie sich abwarts bewegte. Nun wies er beinahe senkrecht abwiirts, und es muszte der Glasfaden entfernt und quor 1iber die Basis der jungen

 

[page break] 432 Modiflcirte Circumnutation. Cap. 10.

 

Samenkapsel befestigt werden. Wir erwarteten, dasz der Nebenstiel in seiner neuen Stellung bewegungslos gewesen sein.wiirde. Er fuhr aber fort langsam von einer Seite zur andern zu schwingen wie ein Pendel,

 

 

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Fig. 188. 0:talia ca-rnoaa:•Bewegungen des Blilthenstiels, an einer senkrechten Glasplntte aufge1.eich• net: A Epinastiscbe Bewegung nach abwiirts; B Circumnutation, wiihren<l des senkrechten Herab hiingens; C darau.ffolgende Bewcgung nach aufwlirts durch Co1nbination von Apogeotrop!smus und Hyponastie.

 

d. h. in einer Ebene, welche zu• der, in welcher er .sich abwarts bewegt hatte, rechtwinklig stand. Diese circumnutirende Bewegung wurde von

9 a. m., am 22., bis 9 a. m., am 24., beobachtet, wie in B in der Zeichnung dargestellt ist. Wir waren nicht im Staude diesen besonderen Nebenstiel langer zu beobachten. Er wurde aber sicher fortgefahren haben zu circumnutiren, bis die Kapsel nahezu reif war (was nur eine kurze Zeit erfordert), und dann wiirde er sich aufwarts bewegt haben.•

 

[page break] Cap. 10. Apogeotropismus. 433

Die Aufwartsbewegung (C. Fig. 188) wird zum Theil dadurch be wirkt, dasz der gauze Nebenstiel in der namlichen Weise sich erhebt, wie er vorher durch Epinastie gesunken war, - namlich an dem Gelenke,--­ wo er mit dem Hauptstiele verbunden ist. Da diese Aufwartsbewegung bei Pflanzen eintrat, welche im Dunkeln gebalten wurden, und in welcher Stellung auch immer der Hauptstengel befestigt wurde, so konnte sie nicht durch Heliotropismus oder Apogeotropismus verursacht worden sein, sondern durch Hyponastie. Auszer dieser Bewegung an dem Gelenke findet sich noch eine andere von sehr verschiedener Art; denn der Neben­ stiel wird in dem mittleren Theile aufwarts gebogen. Wenn der Nebenstiel zu dieser Zeit zufallig bedeutend abwarts geneigt ist, ist die Aufwarts­ kriimmung so grosz, dasz das Ganze einen Haken bildet. Das obere, die Kapsel tragende Ende stellt sich hierdnrch immer aufrecht, und da dies im Dunkeln eintritt und in was fiir einer Stellung auch immer der Haupt­ bliithenstengel festgemacht worden sein mag, kann die Aufwartskrii mung nicht eine Folge von Heliotropismus oder Hyponastie, sondern von Apogeo­ tropismus sein.

Um diese Aufwartsbewegung zu vorfolgen, wurde ein Glasfaden an

einen eine nahezu reife Kapsel tragenden Nebenbliithenstiel befestigt, welcher anfieng sich durch die zwei eben beschriebenen Mittel aufwarts zu biegen. Sein Lauf wurde 23 Stunden hindurch verfolgt (s. C. Fig. 188), in welcher Zeit er beinahe aufrecht geworden war. Man sieht, dasz der zuriickgelegte Weg stark zickzackformig ist, dabei mit einigen kleinen Schlingen. Wir konnen daher schlieszen , dasz die Bewegung in modi­ ficirter Circumnutation besteht.

Die verschiedenen Species von 0xalis haben wahrscheinlich in der folgen­ den Art und Weise davon einen Vortheil, dasz ilue Nebenbliithenstiele sich zuerst abwarts und dann aufwarts biegen. Man weisz von ihnen, dasz sie ihre Samen durch das Bersten der Kapsel ausstreuen, deren Wandungen so auszerst diinn sind gleich Silberpapier, dasz sie leicht vom Regen durchdrungen werden konnen. Sobald aber die Kronblatter verwelken, erheben sich die Kelchblatter und schlieszen die jungen Kapseln ein, indem sie ein vollkommenes Dach' iiber dieselben bilden, sobald der Neben­ bliithenstiel sich abwarts gebogen hat. Durch ihre spatere Aufwarts­ bewegung steht die Kapsel, wenn sie reif ist, in einer bedeutenderen Rohe fiber der Erde, und zwar um die 'doppelte Lange des Neben­ bliithenstiels, als sie stand, als sie noch nach unten hieng, und wird dadurch in den Stand gesetzt ihre Samen auf eine groszere Entfernung zu zer­ streuen. Die Kelchblatter, welche das Ovarium einschlieszen, wahrend es jung ist, bieten noch eine weitere Anpassung dar darin, dasz sie sich, wenn die Samen reif sind, weit ausbreiten, so dasz sie dem Ausstreuen der Samenkiirner nicht hinderlich sind. Bei 0xalis acetosella sullen die Kapseln, wie man sagt, sich zuweilen unter losen Blattern oder im Moos auf der Erde eingraben. Dies kann aber bei denen von 0. carnosa nicht eintreten, da der holzige Stamm zu hoch ist.

0xalis acetosella. - Die Bliithenstiele sind in ihrer Mitte mit einem Gelenk versehen, so dasz der untere Theil dem Haupsblfithenstengel ent­

spricht und der obere Theil einem der Nebenbliithenstiele von 0. carnosa.

Der obere Theil biegt sich abwarts, nachdem die Bliithe angefangen hat

DARWitl", Bewegungnermogen. (XIII.) 28

 

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434 Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

zu verwelken, und der ganze Bliithenstengel bildet dann einen Haken. Dasz diese Biegung ]'olge von Epinastie ist, konnen wir nach dem Bei­ spiel von 0. carnosa schlieszen. Wenn die Samenkapsel reif ist, streckt sich der obere Theil gerade und wird aufgerichtet, und das ist Folge von Hyponastie oder Apogeotropismus oder von beiden combinirt, und nicht von Heliotropismus; denn sie tritt auch im Dunkeln ein. Der kurze hakenformige Theil des Bliithenstengels einer cleistogamen Bliithe, welche eine nahezu reife Samenkapsel trug, wurde wahrend dreier Tage im Dun­ keln beobachtet. Die Spitze der Samenkapsel wies zuerst senkrecht ab­ warts, aber im Verlaufe von drei Tagen erhob sie sich 90 so dasz sie nun horizontal vorsprang. Die Bewegung wahrend der zwei letzteren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 189. Oxali1 acetoaella: Der von dem oberen Thell eines Bliithenstengels eingeschlagene Weg, wiihrend er sich erhob, von 11 a. m., I. Juni, bis 9 a. m., am 3,, aufgezelchnet. Figur bier auf die Hiilfte des Originals reducirt.

 

Tage ist in Fig. 189 dargestellt, und man kann sehen, wie bedeutend der Bliithenstengel, wahrend er sich erhob, circumnutirte. Die Linien der Hauptbewegung standen unter rechten Winkeln zur Ebene des urspriinglich hakenformigen Theils. Die Aufzeichnung wurde nicht }anger fortgesetzt; aber nach zwei weiteren Tagen war der Bliithenstiel mit seiner Kapsel gerade geworden und stand aufrecht.

 

Scblusz bemerkungen iiber Apogeotropi smus. - Wenn Apogeotropismus auf irgend' welcbe Weise geschwiicht wird, so wirkt er, wie in den verscbiedenen, vorstehend erwiihnten Fil.Hen gezeigt ist, dadurch, dasz er die stets vorhandene circumnutirende Bewegung in einer der Schwerkraft entgegengesetzten Richtung vermehrt, und dasz er die in der Richtung der Schwerkraft ebenso wie die nach beiden Seiten hingerichtete Bewegung vermindert. Die Aufwiirtsbewegung wird bierdurch ungleich in ihrer Geschwindigkeit und wird zuweilen durch stationilre Perioden unterbrochen. • Wenn uberbaupt noch un­ regelmaszige Ellipsen oder Schlingen gebildet werden, sind ihre li!.n­ geren Acbsen beinahe immer in der Linie der Schwerkraft gerichtet in eiDer analogen Art, wie es bei heliotropischen Bewegungen in Bezug

 

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Cap. 10. Apogeotropismus. 435

auf das Licht eintritt. In dem Masze, als Apogeotropismus mehr und mehr energisch wirkt, horen Ellipsen und Schlingen auf gebildet ,zu werden, und die Bewegung wird zuerst stark und dann immer weniger und weniger zickzackformig und endlicb geradlinig. Aus dieser Ab­ stufung in der Natur der Bewegung und besonders aus dem Umstande, dasz alle wachsenden Theile, auf welche allein (ausgenommen wenn Polster vorbanden sind) Apogeotropisn;i;us wirkt, bestandig circum­ nutiren, konnen wir schlieszen, dasz selbst ein geradliniger Weg blosz eine auszerst modifi.cirte Form von Circumnutation ist. Es ist merk­ wiirdig, dasz ein Stamm oder ein anderes Organ, welches fiir Apo­ geotropismus in bohem Grade empfi.ndlich ist und welcbes sich rapid in einer geraden Linie aufwarts gebogen bat, bau:fig bis uber die Senk­ recbte hinaus gefiibrt wird, als ware es durcb das Tragheitsmoment. Es biegt sicb dann ein wenig zuriick bis auf einen Punkt, um welcben es schlieszlich circumnutirt. Zwei Beispiele biervon wurden an den Hypocotylen von Beta vulgaris beobachtet, von denen eines in Fig. 183 dargestellt ist, und zwei andere Falle bei den Hypocotylen von Bras­ sica. Die mit dem Tragheitsmoment vergleicbbare Bewegung ist wahr­ scbeinlich das Resultat der angehauften Wirkungen des Apogeotropis­ mus. Um zu beobacbten, wie lange derartige Nachwirkungen dauern, wurde ein Topf mit Samlingen von Beta im Dunkeln auf seine Seite gelegt, und in 3 Stunden 15 Minuten waren die Hypocotyle hocb auf­ gerichtet. Der Topf wurde nocb immer im Dunkeln dann aufrecbt gestellt, und die Bewegungen der zwei Hypocotyle wurden verfolgt; einer fuhr fort sicb in seiner friiheren Ricbtung, die nun zum Apo­ geotropismus im Gegensatz stand , zu bewegen, und zwar ungefabr 37 Minuten lang, vielleicht auch 48 Minuten; aber nacb 61 Minuten bewegte er sich in einer entgegengesetzten Ricbtung; der andere Hypocotyl fuhr fort sich in seiner friiheren Richtung mindestens 37 Mi­ nuten lang, nachdem er aufrechtgestellt worden war, zu bewegen.

Auf verscbiedene Species und auf verscbiedene Theile einer und

derselben Species wirkt Apogeotropismus in sehr verschiedenen Graden. Junge Samlinge, von denen die meisten schnell und im weiten Um­ fange circumnutiren, biegen sich aufwarts und werden senkrecbt in viel weniger Zeit, als es irgend welcbe 11.ltere, von uns beobachtete Pflanzen tbun; ob dies aber Folge ihrer groszeren Emp:findlichkeit gegen Apogeotropismus oder einfach eine Folge ihrer groszeren Bieg­ samkeit ist, wissen wir nicht. Ein Hypocotyl von Beta durchmasz

28*

 

[page break] 436 Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

einen Winkel von 109° in 3 Stunden 8 Minuten und ein Cotyledon von Phalaris einen Winkel von 130° in 4 Stunden 30 Minuten. Auf

der anderen Seite erhob sich der Stamm einer krautartigen Verbena

90 ° in ungefl\hr 24 Stunden, der von Rubus 67 ° in 70 Stunden, der

von Cytisl's 70° in 72 Stunden, der einer jungen americanischen Eiche nur •37° in 72 Stunden. Der Stamm eines jungen Cyperus alterni­ folius erhob sich nur 11° in .96 Stunden, und dabei war die Biegung

auf eine Stelle nahe seiner Basis beschrankt. Obgleich die scheiden­ artigen Cotyledonen von Phalaris so 11.uszerst empfindlich fiir Apo­ geotropismus sind, bieten die ersten echten Bllltter, welche aus ihnen hervorbrechen, nur eine Spur dieser Wirkung dar. Zwei Wedel eines Farns, Nephrodium molle, welche beide jung waren, und an deren einem die Spitze noch nach innen gerollt war, wurden 46 Stunden lang in einer horizontalen Stellung gehalten, und wahrend dieser Zeit erhoben sie sich so wenig, dasz• es zweifelhaft war, ob irgend eine echte, apogeotropische Bewegung vorbanden war.

Der merkwiirdigste, uns bekannte Fall von einer Verschiedenheit in der Empfindlichkeit fur Schwerkraft und in Folge dessen der Be­ wegung in verschiedenen Theilen eines und desselben Organs ist der, welchen die Stiele der Cotyledonen von Ipomoea leptophylla darbieten. Der basale Theil ist auf eine kurze Strecke, wo er mit dem nicht entwickelten Hypocotyl und dem Wiirzelchen verbunden ist, stark geo­ tropisch, wahrend der ganze obere Theil stark apogeotropisch ist. Aber auf einen Theil in der Nahe der Scheiben der Cotyledonen wirkt nach einiger Zeit Epinastie ein und kriimmt denselben abwarts zu dem Zwecke, in der Form eines Bogens aus der Ercle herv'orzubrechen ; er streckt sich•spater gerade, und dann wirkt wieder Apogeotropismus auf ihn ein.

Ein horizontal gelegter Zweig von Oucurbita ovif era bewegte sich sieben Stunden lang aufw!trts in einer geraden Linie, bis er 40° iiber

dem Horizonte stand; dann fieng er an zu circumnutiren, als ob er in Folge seiner niedergestreckten Natur keine Neigung Mtte irgend wie hoher zu steigen. Ein anderer, aufrechter Zweig wurde dicht an der Basis einer Ranke an einen Stock befestigt, und dann wurde der Topf im Dunkeln horizontal gelegt. In dieser Stellung circumnutirte die Ranke und beschrieb mehrere grosze Ellipsen wahrend 14 Stunden, wie sie gleichfalls am folgenden Tage that; aber wahrend dieser ganzen Zeit wurde sie nicht im mindesten durch Apogeotropismus afficirt.

 

[page break] Cap. 10. Apogeotropismus. 437

Als andererseits Zweige einer anderen Cucurbitacee, Echinocystis lobata, im Dunkeln so befestigt wurden, dasz die Ranken unter den Rorizont herabhiengen, fiengen diese sofort an sich aufwll.rts zu biegen, und wabrend sie sich so bewegten, horten sie auf in irgend einer deut­ lichen Weise zu circumnutiren; sobald sie aber horizontal geworden waren,• fiengen sie wiederum an augeniallig zu revolviren 2 Die Ranken von Passifiora gracilis sind gleichfalls apogeotropisch. Zwei Zweige wurd.en so niedergebunden, dasz ihre Ranken viele Grade unter den Rorizont wiesen. Eine wurde 8 Stunden lang beobachtet, wahrend welcber Zeit sie sich erhob und dabei zwei Kreise, einen uber dem anderen, beschrieb. Die andere Ranke erhob sich in einer maszig ge­

ra4en Linie wahrend der ersten vier Stunden, beschrieb indessen eine kleine Schlinge in ihrer Bewegung; dann stand sie ungeflibr 45° uber

dem Rorizont, wo sie wilhrend der ubrigen acbt Beobacbtungsstunden circumnutirte.

Ein Theil oder Organ, welches, so lange es jung ist, auszerst empfindlich fur Apogeotropismus ist, hort dies zu sein auf, sobald es alt wird, und es ist merkwurdig, da es die Unabhangigkeit dieser Empfindlichkeit und der circumnutirenden Bewegung zeigt, dasz die letztere zuweilen noch eine Zeit lang fortfahrt, nachdem das Vermogen sich von dem Mittelpunkte der Erde abzubiegen ganzlich verloren ge­ gangen ist. So krummte sich ein Orangesamling, welcher nur drei junge Blatter trug und einen ziemlich steifen Stamm hatte, wahrend 24 Stunden nicht im mindesten, solange er l}orizontal ausgestreckt war, doch circumnutirte er diese ganze Zeit uber einen kleinen Raum. Der Rypocotyl eines jungen S11.mlings von Cassia tora in ahnlicher Stellung wurde in 12 Stunden senkrecht, der eines ll.lteren Samlings

von 11/4 Zoll Rohe wurde dies in 28 Stunden, und der eines anderen

nocb Uteren von 1 ½ Zoll Rohe blieb wiihrend zweier Tage horizontal, circumnutirte aber wahrend dieser ganzen Zeit deutlich.

Wenn die Cotyledonen von Phalaris oder Avena horizontal ge­ legt werden, biegt sich der oberste Theil zuerst aufwll.rts und dann der untere Theil; in Folge dessen ist, nacbdem der untere Theil stark aufwll.rts gekriimmt worden ist, der obere Theil gezwtmgen sich riick­ wllrts in einer entgegengesetzten Bewegung zu krummen, um sich

 

1 Wegen der Einzelnheiten s. Die Bewegungen und Lebensweise der Kletter­

pflanzen", Ubersetzung, 1876, p. 101. .

 

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438 Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

gerade zu strecken und senkrecht zu stehen, und dieser spatere Streck­ ungsprocess ist gleichfalls Folge von Apogeotropismus. Die oberen

.Theile von acht jungen Cotyledonen von Phalaris wurden dadurch steif gemacht, dasz sie an diinne Glasstlibe gekittet wurden, so dasz dieser Theil sich nicht im mindesten biegen konnte, nichts desto weniger hinderte dies den basalen Theil nicht sich aufwlirts zu krummen. Ein Stamm oder ein anderes Organ, welches sich durch Apogeotropis­ mus aufwarts biegt, auszert eine betrachtliche Kraft; sein eigenes Gewicht, welches naturlich gehoben werden musz, ist in beinahe jedem einzelnen Falle hinreichend , den betreffenden Theil zuerst zu veran­ lassen sich ein wenig abwlirts zu biegen, die Abwlirtsbewegung wurde aber haufig durch die gleichzeitige, circumnutirende Bewegung schl'itg gemacht. Die Cotyledonen von Avena waren, horizontal gelegt, auszer­ dem, dasz sie ihr eigenes Gewicht erhoben, im Stande den weichen Sand iiber sich zu durchfurchen, so dasz sie kleine halbmondformige offene Ramne an den unteren Seiten ihrer Basen hinterlieszen; und dies ist ein merkwfirdiger Beweis fiir die ausgeiibte Kraft.

Da die Spitzen der Cotyledonen von Phalaris und Avena sich durch die Wirkung des Apogeotropismus vor dem basalen Theile auf­ warts biegen , und da diese selben Spitzen, wenn sie durch ein seit­ liches Licht gereizt werden, einen bestimmten Einflusz auf den unteren Theil hinleiten, der diesen veranlaszt sich zu biegen, so glaubten wir, dasz diese selbe Regel auch fiir den Apugeotropismus gelten wurde. In Folge dessen wurden die Spitzen von sieben Cotyledonen von Pha­ laris abgeschnitten, und zwar in drei Fallen, in einer Lange von 0,2 Zoll und in den vier anderen Fallen in einer Llinge von 0,14, 0,12, 0,1 und 0,07 Zoll. Nachdem aber diese Cotyledonen horizontal aus­ gestreckt wurden, bogen sie s ch ebenso wirkungsvoll aufwlirts, wie die nicht verstiimmelten Exemplare in denselben Topfen, woraus her­ vorgieng, dasz die Empfindlichkeit fur die Schwerkraft nicht auf ihre Spitzen beschrankt ist.

Geotroplsmus.

Diese Bewegung ist das direct Umgekehrte vom Apogeotropismus. Viele Organe biegen sich durch Epinastie oder Apheliotropismus oder durch ihr eigenes Gewicht abwarts ; wir haben aber nur sehr wenig Falle einer Abwartsbewegung an iiberirdischen Organen gefunden, welche Folge von Geotropismus sind. Wir werden indessen in den

 

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Cap. 10. Geotropismus. 439

folgenden Abschnitten ein gutes Beispiel anfiihren von Trif olium sub­ terraneum und wahrscheinlich von Arachis hypogaea.

Auf der anderen Seite werden alle Wurzeln, welche den Boden durchbohren (mit Einschlusz der modificirten wurzelartigen Blattstiele von Megarrltiza und Ipomoea leptophylla) in ihrer Abwll.rtsbewegung durch Geotropismus geleitet, und ebe so werden es auch viele Luft­ wurzeln, wllhrend andere, wie die des Epheu, in Bezug auf seine Wirk­ ung indifferent erscheinen. In unserem ersten Capitel wurden die Be­ wegungen der Wurzelchen mehrerer Sllmlinge besprochen. Wir kllnnen dort sehen (Fig. 1), wie ein Wiirzelchen des Kohls, welches senkrecht au(warts wies, so dasz Geotropismus nur sehr wenig auf solches wirken konnte, circumnutirte, und wie ein anderes (Fig. 2), welches zuerst in eine geneigte Stellung gebracht worden war, sich in einer Zickzack­ linie abwarts bog, wobei es zuweilen eine Zeit lang stationlir blieb. Zwei andere Wiirzelchen des Kohls bewegten sich in beinahe gerad­ linigem Verlauf abwllrts. Ein aufrecht gestelltes Wiirzelchen der Bohne (Fig. 20) machte eine grosze Schwingung und bewegte sich im Zickzack; aber in dem Masze als es abwarts sank und starker vom Geotropismus beeinfluszt wurde, bewegte es sich in einem beinahe ge­ raden Verlaufe.• Ein aufwllrts gerichtetes Wurzelchen von Cucurbita (Fig. 26) bewegte sich zuerst auch im Zickzack und beschrieb kleine Schlingen; dann bewegte es sich in einer geraden Linie. Nahezu das­ selbe Resultat wurde bei den Wiirzelchen von Zea mays beobachtet. Aber der beste Beleg fiir den intimen Zusammenhang zwischen Cir­ cumnutation und Geotropismus wurde von den Wiirzelchen von Pha­ seolus, Vicia und Quercus und in einem geringeren Masze von denen von Zea und Aesculus dargeboten (s. Figg. 18, 19, 21, 41 und 52); denn als diese gezwungen wnrden an hochaufgerichteten Flachen be­ rnszten Glases zu wachsen und hinabzugleiten, hinterlieszen sie deut­ liche serpentine Spuren.

 

Das Eingraben von Sa'menkapseln: Tdfolium subterra­ neum. - Die Bliithenkopfe dieser Pflanze sind dadurch merkwiirdig, dasz sie nur drei oder vier vollkommene Bliithen hervorbringen, welche nach auszen gestellt sind. Alle die andern, vielen Bliithen abortiren und werden in starre Spitzen modificirt mit einem Gefaszbilndel, welches in ihrem Centrum hinauflauft. Nach einiger Zeit entwickeln sich fiinf lange, elastische, klauenartige Vorspriinge, welche die Einschnitte des Kelches reprasentiren, an ihren Gipfeln. Sobald die vollkommenen Bliithen ver­ welken, biegen sie sich abwarts, angenommen, dasz der Bliithenstengel

 

[page break] 440 Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

aufrecht stehe, und dann umgeben sie ganz dicht dessen oberen Theil. Diose Bewegung ist Folge von Epinastie , wie es auch bei den Bliithen von T. repens der Fall ist. Die unvollkomrnenen centralen Blilthchen befolgen schlieszlich eines nach dem anderen denselben Weg. Wii.hrend die vollkornmenen Bliithen in dieser Weise sich abwii.rts kriimmen, biegt sich der ganze Bliithenstengel abwii.rts und nimmt bedeutend an Lange zu, bis der Blilthenkopf die Erde erreicht. VAUCHER sagt 3, dasz, wenn die Pflanze so gestellt wird, dasz die Kopfe die Erde nicht bald erreichen konnon, die Bliithenstengel bis zu der auszerordentlichen Lange von 6-9 Zoll heranwachsen. In was fiir eine Stellung auch Zweige gebracht werden mogen, der obere Theil des Bliithenstengels biegt sich zuerst senk­ recht aufwiirts durch Heliotropismus; sobald aber die Blilthen anfangen zu verwelken, fiingt die Abwartskrilmmung des ganzen Blilthenstengels an. Da diese letztere Bewegung in vollkommener Dunkelheit eintritt und bei Blilthenstengeln, welche von aufrecht und von nach unten hangen­ den Zweigen entspringen, kann sie nicht Folge von Apheliotropismus oder von Epinastie sein, sondern musz dem Geotropisrnu•s zngeschrieben werden. Neunzehn aufrechte BHithenkopfe, welche von Zweigen in allen Arten von Stellnngen entsprangen, und zwar an Pflanzen, welche in einem warrnen Gewii.chshause wuchsen, wnrden mit Faden bezeichnet, und nach 24 Stunden waren sechs von ihnen senkrecht herabhiingend; diese batten sich daher in dieser Zeit durcb 180 bewegt. Zehn waren subhorizontal ausgestreckt, und diese batten sich ungefahr durcb 90 bewegt. Drei sehr junge Bliithenstengel batten sicb bis jetzt nur wenig abwii.rts bewegt, aber nach weiteren 24 Stunden waren sie bedeutend geneigt.

Zu der Zeit, wenn die BliithenMpfe die Erde erreichen, sind die jiingeren, unvollkommenen Blilthen in der Mitte noch immer dicht zu­ sammengedritngt und bilden eine kegelformige Hervorragung, wii.hrend die vollkommenen und unvollkornmenen Bliithen an der Auszenseite nach oben gewendet sind und die Blilthenstengel dicht umgeben. Sie warden auf diese Weise angepaszt, so wenig Widerstand, als der Fall zulli.szt, beim Durchbohren des Bodens darzubieten, obschon der Durchmesser des Bliithen­ kopfes noch immer betrii.chtlicb ist. Die Mittel, durcb welche dieses Durch­ brechen bewirkt wird, werden sofort beschrieben warden. Die BHithen­ kopfe sind im Stande, sicb in gewohnlicher Gartenerde zu vergraben und leicht in Sand oder in fein gesiebte, ziernlich dicbt gepackte Schlacken. Die Tiefe, bis zu welcher sie eindringen, von der Oberflache bis zur Basis

des Kopfes gemessen, betrug zwiscben t/,. und i/2 Zoll, aber in einem

Falle eber noch iiber 0.6 Zoll. Bei einer Pflanze, die im Hause gehalten

wurde, grub sich ein Kopf in sechs Stunden zum Theil in Sand ein; nach drei Tagen waren nur die Spitzen der zurilckgebogenen Kelche sichtbar, und nach eechs Tagen war das Ganze verschwunden. Aber bei Pflanzen, welche im Freien wachsen, glauben wir nach gelegentlichen Beobachtungen, dasz sie sich in einer viel kilrzeren Zeit eingraben.

Nachdem sich die K5pfe eingegraben haben, nehrnen die centralen, abortiven Bliltben betrii.cbtlich an Lange und Starre zu und warden ge­ bleicht. Sie krilrnmen sich allmii.hlich eine nach der andern aufwii.rts oder

 

1 Hist. Phys. des Plantes d'Europe T. 2. 1841, p. 106,

 

[page break] . Cap. 10. Geotropismus. 441

nach dem Blilthenstengel hin in der Weise, wie es zuerst die vollkom­ menen Bltlthen thaten. Wenn sie sich in dieser Weise bewegen, fiihren die langen Klauen an ihren Spitzen etwas Erde mit sich. Es bildet daher ein Bltlthenkopf, welcher eine hinreichend lange Zeit eingegraben gewesen ist, eine ziemlich grosze Kugel, die aus den abortiven Bltlthen, eine von der andern durch Erde getrennt, besteht, und welche die kleineren Schoten (d3:s Product der vollkommenen Bliithen), welche dicht rings um den oberen Theil des Bltlthenstiels herumliegen, umgibt. Die Kelche der vollkommenen und unvollkommenen Bliithen sind mit einfachen und viel­ zelligen Haaren bekleidet, welche das Vermogen der Absorption besitzen. Denn als sie in eine schwache Losung von kohlensaurem Ammoniak (zwei Gran auf eine Unze Wasser) gelegt wurden, wurde ihr protoplasmatischer lnhalt sofort aggregirt und entfaltete spater die gewohnlichen langsamen Bewegungen. DieserKlee wachst 'meist in trockenem Boden; ob aber das Absorptionsvermogcn cler Haare an den eingegrabenen Bltlthenkopfen fiir sie von irgend welcher Bedeutung ist, wissen wir nicht. Nur einige wenige von den Blttthenkopfen , welche wegen ihrer Stellung nicht im Stande sind, die Erde zu erreichen und sich einzugraben, ergaben Samen, wahrend die eingegrabenen, soweit wir beobachtet haben, niemals fehl­ schlagen und immer so viel produciren als vollkommene Bliithen vorhanden gewesen waren.

Wir wollen nun die Bewegungen des Bliithenstengels, wahrend er sich nach der Erde hinkrtlmmt, betrachten. Wir haben in Capitel IV,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fig. 190, Trifolium ,ubt,rran,um: Abwiirtsbewegung des Bliithenstengels von 190 unter dem Hori sont bla &U elner belnahe senkrecht herabhiingenden Stellung, von 11 a. m., 22. Juli, bi znm Morgen dea 25. aufgezelchuet. Giaafaden quer Uber den Bliithenstengel betestlgt, an der Basis des Bliithen kopfes.

 

[page break] 442 Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

 

Fig. 92, p. 191, gesehen, dasz ein aufrechter junger Bliithenkopf augen­ fii.llig circumnutirte, und dasz die Bewegung fortdauerte, nachdem der Bliithenstengel angefangen hatte, sich abwii.rts zu biegen. Derselbe Bliithenstengel wurde beobachtet , als er unter einem Winkel von 19 iiber dem Horizont aufgerichtet war, und er circumnutirte wii.hrend zweier Tage. Ein anderer, welchei: bereits 36 unter den Horizont gekrflmmt war, wurde von 11 Uhr a. m. am 22. Juli bis zum 27. beobachtet, in welch' letzterer Zeit er senkrecht hinabhii.ngend geworden war. Seine Be­ wegung wii.hrend der ersten zw!ilf Stunden ist in Fig. 190 dargestellt, ebenso wie seine Stellung an den drei. folgenden Morgen bis zum 25., wo er nahezu senkrecht war. Wii.hrend des ersten Tages circumnutirte der Bliithenstengel deutlich, denn er bewegte sich viermal nieder- und viermal aufwarts, und an jedem spii.teren Tage dauerte, als er abwarts sank, die­ selbe Bewegung fort, wurde aber nur• gelegentlich . beobachtet und war weniger stark aµsgesprochen. Es musz noch angegeben werdon, dasz diese Bliithenstengel unter einem doppelten Oberlichte .im Hause beobachtet wurden, und dasz sie sich meist sehr viel langsamer abwarts bewegten, als diejenigen an im Freien oder im Gewiichshause wachsenden Pflanzen.

Die Bewegung eines andern, senkrecht herabhangenden Bliithen­ stengels, <lessen Bliithenkopf ½ Zoll flber der Erde stand, wurde verfolgt und ebenso wieder, als er zuerst die Erde beriihrte; in beiden Fallen

wurden alle vier oder fiinf Stunden . unregelmii.szige Ellipsen beschrieben. Ein Bliithenstengel an einer Pflanze, welche in das Haus gebracht worden war, bewegte sich in einem einzigen Tage von einer aufrechten in eine senkrecht herabhiingende Stellung; und hier war die Bewegung wii.hrend der ersten zwolf Stunden nahezu gerade, aber doch mit einigen wenigen gut ausgesprochenen Zickzacken, welche die wesentliche Natur der Be­ wegung verriethen. Endlich wurde die Circumnutation eines Bliithen­ stengels wii.hrend 51 Stunden verfolgt, wii.hrend er sich schrii.g in einen kleinen Haufen Sandes eingrub. Nachdem er sich bis zu einer solchen Tiefe eingegraben hatte, dasz nur noch die Spitzen der Kelchblii.tter sicht­ bar waren, wurde die beistehende Figur (Fig. 191) 25 Stunden Jang

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Fig. 191. Trifolium aubterraneum: Circumnu­ tlrende Bewegung des Bliithenstengels, wiihrend s!ch der Blilthenkopf In Sand eingrub, die riick gebogenen Spitzen des Kelchs waren noch sichl bar; von 8 a. m., 26. Juli, bis 9 a. m., am 27., aufgezeichnot. Glasfaden quer auf dem Bliithen- 1tengel in der Niihe des Bliithenkopfes befestigt.

 

 

 

 

]<'ig. 192. Tr(folium aubt.,.,-aneum: Bewegnng desselben Bliithenstengels, als der Bliithenkopf vollstandlg Im Sande elngegraben war; von 8 a. m. bis 7.16 p. m., am 29. Juli, aufgezeichnet.

 

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aufgezeichnet. Als der Bliithenkopf vollstandig unter dem Sande ver­ schwunden war, wurde eine andere Zeichnung wii.hrend 11 Stunden

45 Minuten gemacht (Fig. 1•92), und hier sehen wir wieder, dasz der Bliithenstiel circumnutirte.

 

[page break] Cap. 10. Geotropismus. 443

Wer nur immer einen sich eingrabenden Bllithenkopf beobachten will, wird tiberzeugt sein, dasz die stoszende Bewegung, welche eine Folge der fortdauernden Circumnutation des Bliithenstengels ist, eine bedeutungsvolle Rolle in diesem Akte spielt. Bedenkt man, dasz die Bliithenkopfe senk­ recht sind , dasz die Bliithenstengel lang, dllnn und biegsam sind, und dasz sie von biegsamen Zweigen entspringen, so ist es unglaublich, dasz ein so stumpfer Gegenstand, wie einer von diesen Bltithenkopfen, die Erde mittelst der Kraft des Wachsthums des Bllithenstengels durchbohren konne, wenn er nicht dnrch die stoszweise Bewegung unterstiitzt wilrde. Nachdem ein Blilthenkopf die Erde bis zu einer geringen Tiefe durch­ bohrt hat, kommt noch eine andere und wirksame Kraft ins Spiel: die centralen, starren, abortiven Bliithen, von denen eine jede in flinf langen Klauen endet, kriimmen sich aufwarts nach dem Stiele zu, und indem sie dies thun, konnen sie nicht anders als den Kopf in eine groszere Tiefe hinabziehen, wobei diese Thii.tigkeit durch die circumnutirende Bewegung unterstiitzt wird, welche noch fortdauert, nachdem der Bliithenkopf sich vollstandig eingegraben hat. Die abortiven Bliithen wirken hiernach etwas ahnlich, wie die Hande des Maulwurfs, welche die Erde zurlick und den Korper vorwarts zwangen.

Es ist bekannt, dasz die Samenkapseln verschiedener sehr getrennt im System stehender Pflanzen sich entweder in die Erde eingraben oder von unvollkommenen unter der Erdoberflache entwickelten Bliithen hervor­ gebracht werden. Auszer dem vorliegenden Falle werden zwei andere, scharf ausgesprochene Beispiele sofort mitgetheilt werden. Wahrscheinlich - ist der eine hauptsachliche Vortheil, der hierdurch erlangt wird, der Schutz der Samen vor Thieren, welche von ihnen leben. Was das T. subterraneum betrifft, so werden die Samen nicht nur verborgen dadurch, dasz sie ein­ gegraben werden, sondern sie warden gleichfails noch dadurch beschiitzt, dasz sie dicht von starren , abortiven Bliithen umgeben sind. Wir k5unen um so zuversichtlicher folgern, dasz hier der Schutz bezweckt wird, weil die Samen mehrerer Species in der namlichen Gattung auf andere Weise geschiitzt werden 4, namlich durch die Anschwellung und das Verschlieszen des Kelches oder durch das Bestehenbleiben und Nieder­ biegen des Hauptkronenblattes u. s. w. Aber das merkwiirdigste Beispiel ist das von T. globosum, bei welchem die oberen Bltithen steril sind, wie bei T. subterraneum, hier aber zu langen Haarpinseln entwickelt warden, welche die samentragenden Blilthen einhtillen und schtitzen. Auszerdem dlirften in allen diesen Fallen die Kapseln mit ihren Samen, wie Mr.

T. TrusELTON DYER bemerkt hat5, dadurch noch einen Vortheil erlangen,

dasz sie etwas feucht gehalten werden, und der Vortheil einer derartigen Feuchtigkeit wirft vielleicht einiges Licht auf das Vorhandensein der ab­ sorbirenden Haare an den eingegrabenen Bliithenk5pfen von T. subterraneum. Nach der Angabe von Mr. BENTHAM, welche Mr. DYER citirt, bringt die niedergestreckte Haltung von Helianthemum prostratum ,,die Kapseln in

,,Beriihrung mit der Oberflii.che des Bodens, halt ihre Reife auf und be­ "glinstigt hierdurch das Heranwachsen der Samen zu einer bedeuten-

 

4 Vaucher, Hist. phys. des Plantes d'Europe 'f. 2, p. 110.

& s. seinen interessanten Aufsatz in: Nature, 4. April 1878, p. 446.

 

[page break] 444 Modificirte Circumnutation. Cap. 10.

,,deren Groszo". Die Kapseln von Cyclamen und Oxalis acetosella werden nur gelegentlich eingegraben und dies nur unter abgestorbene Blatter oder Moos. Wenn es ein Vortheil fiir eine Pflanze ist, dasz ihre Kapseln feucht und kiihl gehalten werden dadurch, dasz sie auf Iler Erde liegen, so haben wir in diesen letzteren Fallen den ersten Schritt, von welchem her das Vermogen, den Boden zu durchbohren, mit Hilfe der immer vor­ handenen Bewegung der Circumnutation spater wohl erlangt worden sein konnte.

Arachis hypogaea. - Die Bliithen, welcho sich eingraben, ent­ springen von steifen Zweigen wenige Zolle iiher dPr Erde und stehen auf­ recht. Nachdem sie abgefallen sind, wachst der Gynopbor, d. b. der 'fheil,

, welcher das Ovarium tragt, zu einer groszen Lange heran, selbst bis zu 3 oder 4 Zoll und biegt sich senkrecht abwarts. Er ist einem Bliithenstengel sehr ahnlich, hat aber eine glatto und scharfe Spitze, welche die Ei'chen enthalt und anfangs nicht im mindesten vergroszert ist. Nachdem die Spitze den Boden erreicht hat, durchbohrt sie ihn, und zwar in einem von uns beobachteten Falle bis zu einer Tiefe von 1 Zoll und in einem andern bis zu 0.7 Zoll. Sie wird dann zu einer groszen Samenkapsel entwickelt. Bliithen, welche zu boch an der Pflanzo stehen, als dasz der Gynophor den Boden erreichen konnte , soilen 6, wie man sagt, niemals Samenkapseln produciren.

Die Bewegung eines jungen Gynophors von etwas unter 1 Zoll Lange und senkrecht herabhangend, wurde 46 Stunden lang mittelst eines quer, ein wenig iiber der Spitze befestigten • Glasfadens (mit Leitpunkten) verfolgt. Er circumnutirte deutlich (Fig. 193), wahrend er an Lange zu­ nahm und abwarts wucbs. Er wurde dann aufgerichtet, so dasz er beinahe horizontal ausgestreckt war, und das Endstuck kriimmte sich abwarts, wahrend 12 Stunden einen nahezu geraden Weg einschlagend, aber mit einem Versuche zu circumnutiren, wie es Fig. 194 darstellt. Nach 24 Stun­ den war er beinahP senkrecht geworden. Ob die anregende Ursache der Abwartsbewegung Geotropismus oder Apheliotropismus ist, wurde nicht er­ mittelt; wahrscheinlich ist es aber nicbt Apheliotropismus, da alle Gyno­ phoren gerade abwarts nach der Erde wuchsen , wihrend das Licht im Warmhause von einer Seite her ebenso gut wie von oben eintrat. Ein anderer und alterer Gynophor, dessen Spitze nahezu die Erde erreicht hatte, wurde wahrend dreier Tage in derselben Weise, wie der ersterwihnte kurze, beobacbtet, untl es ergab sich, dasz er immmer circumnutirte. Wihrend der ersten 34 Stunden beschrieb er eine Figur, welche vier Ellipsen darstellte. Endlich wurde ein langer Gynophor, dessen Spitze sich bis zur Tiefe von ungefahr 1/ 2 Zoll eingegraben batte, heraufgezogen

und horizontal ausgestreckt : er begann sich sehr schwill in einer Zickzack­

linie abwarts zu krftmmen; aber am folgenden Tage war die terminale, gebleichte Partie ein wenig verschrumpft. Da die Gynophoren starr sind und von starren Zweigen entspringen, und da sie in scharfe, glatte Spitzen enden, so ist es wabrscheinlich, dasz sie die Erde durch die blosze Kraft des Wachsthums durchdringen konnen. Aber dieser Procesz musz durch die circumnutirende Bawegung unterstfttzt werden, denn feiner, feucht

 

6 Gardener's Chronicle, 1857, p. 566.

 

[page break] Cap. 10. Geotropismus. 445

gehaltener Sand wurde dicht rund um die Spitze eines Gynophors, welcher den Boden erreicht hatte, zusammengedriickt, und nach einigen wenigen

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Fig. 193. Arachi hypogaea: Circumnutation eines senkrecht herabhtingenden jungen Gyno­ phors, an einer aenkrechten Olasplatte von 10

m., SI. Juli, bis 8 a. m., 2. August, auf-

gezeichnet.

 

Fig. 194. Arachi hypogaea: Abwiirtsbewegung des niimlichen jungen Gynophor.s, nachdem er horizontal ausgestreckt war; an einer senkrech­ ten Glasscheibe von 8.S0 a. m. bis 8.30 p. m., am 2. August aufgezeichnet.

 

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Stunden war er von einem schmalen, offenen Spalt umgeben. Nach drei

Wochen wurde dieser Gynophor entbloszt, und es fand sich, dasz die Spitze einer Tiefe von etwas iiber ½ Zoll sich in eine kleine, weisze , ovale Samenkapsel entwickelt hatte.

Amphicarpaea monoica. - Diese Pflanze bringt lange, diinne Sprossen, welche sich rund um eine Stiitze winden und natiirlich circum­ nuth;en, hervor. Zeitig im Sommer werden kiirzere Sprossen von den unteren Theilen der Pflanze entwickelt, welche senkrecht abwarts wachsen und sich in den Boden einbohren. Einer von diesen, in einer minutiosen Knospe endend, wurde beobachtet, und er grub sich bis zu einer Tiefe von 0.2 Zoll in 24 Stunden in Sand ein. Er wurde in die Hohe ge­ zogen und in einer geneigten Stellung von ungefahr 25 unter dem Horizont fixirt, wobei er schwach von oben beleuchtet wurde. In dieser

 

[page break] 446 Modiflcirte Circumnutation. Cap. 10.

Stellung beschrieb er in 24 Stunden zwei senkrechte Ellipsen; aber am folgenden Tage, als er in das Haus gebracht war, circumnutirte er nur sehr wenig rings um denselben Fleck. Es wurde noch beobachtet, dasz andere Zweige sich iri die Ertle bohrten, und spa.tar fand sich, dasz sie wie Wurzeln unter der Oberflache in einer Langenausdehnung von nahezu zwei Zoll hinliefen und dabei dick geworden waren. Einer von diesen war, nachdem er in der Weise ausgelaufen war, in die Luft hervorgetreten. Wie weit Circumnutation diese zarten Zweige darin unterstiitzt in die Erde einzudringen, wissen wir nicht; aber die rfickgebogenen Haare, mit denen sie bekleidet sind, werden sie in der Arbeit unterstiitzen. Diese Pflanzen bringen Samenkapseln in der Luft und unter der Erde hervor, welche im Aussehen bedeutend von einander abweichen. AsA GRAY sagt 7, dasz es die unvollkommenen Bliithen auf den kriechenden Zweigen in der Nii.he der Basis der Pflanze sind, welche die unterirdischen Samenkapseln produciren; es miissen sicli daher diese Bliithen gleich denen von Arachis eingraben. - Man kann aber vermuthen, dasz die Zweige, von denen wir gesehen haben, dasz sie die Ercle durchbohren, gleichfalls unterirdische Bliithen und Samenkapseln hervorbringen.

 

Dlageotropismus.

Auszer dem Geotropismus und Apogeotropismus ist noch, nach der Angabe von FRANK, eine verwandte Form von Bewegung vorhanden, namlich "Transversal-Geotropismus" oder "Diageotropismus", wie wir ihn nennen konnen, damit er mit unseren anderen Ausdriicken in Uber­ einstimmung kommt. Unter dem Einflusse der Gravitation werden gewisse Theile angeregt, sich mehr oder weniger quer auf die Linie ihrer Einwirkung zu stellen 8 Wir haben iiber diesen Gegenstand keine Beobachtungen angestellt und wollen bier nur bemerken, dasz die Stellung der secundaren Wiirzelchen verschiedener Pflanzen,. welche sich horizontal ausstrecken oder ein wenig abwll.rts geneigt sind, wahr­ scheinlich von FRANK fur eine Folge des Transversal- Geotropismus angesehen werden wiirde. Wie im ersten Capitel gezeigt worden ist, dasz die secundaren Wiirzelchen von Cucurbita serpentine Spuren auf einer beruszten Glasplatte hinterlassen, so circumnutiren sie deutlich, und es laszt sich kaum daran zweifeln, dasz dies auch fiir andere secundare Wiirzelchen gilt. Es scheint daher im hohen Grade wahr­ scheinlich zu sein , dasz sie sich mittelst modificirter Circumnutation in ihre diageotropische Stellung bringen.

 

1 Manual of the Botany of the Northern United States, 1856, p. 106.

s Elfving hat vor Kurzem (Arbeiten des Botan. Instit. Wiirzburg, 2. Bd., 1880, p. 489) ein ausgezeichnetes Beispiel solcher Bewegungen an den Rhizomen gewisser Pflanzen beschrieben.

 

[page break] Cap. 10. Diageotropismus. 447

Endlich konnen wir schlieszen, dasz die drei Arten von Bewegung, welche wir nun beschrieben haben und welche durch die Schwerkraft angeregt werden, in modificirter Circumnutation estehen. Verschie­ dene Theile oder Organe an einer und derselben Pflanze und derselbe Theil an verschiedenen Species werden hierdurch angeregt, sich in sehr verschiedenen Weisen zu bewegen. Wir sehen keinen Grund ein, warum die Anziehung der Schwerkraft den Zustand der Turgescenz und des darauffolgenden Wachsthums eines Theiles auf der oberen Seite und eines anderen Theiles auf der unt ren Seite direct modi­ ficiren sollte. Wir werden daher zu dem Schlusse gefuhrt, dasz so­ wohl geotropische als apogeotropische und diageotropische Bewegungen, deren Zweck wir im Allgemeinen einsehen konnen, durch Modification der immer vorhandenen • Bewegung der Circumnutation zum Vortheil der Pflanze erlangt worden sind. Dies setzt indessen voraus, dasz die Schwerkraft irgend eine Wirkung auf junge Gewebe ausiibt, hinreichend, der Pflanze als Fuhrer zu dienen.

 

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Elfte Oapitel.

Localisirte Empflndlichkeit gegen die Schwerkl'aft nod ihre fortgeleiteten Wirknngen.

Allgemeine Betrachtungen. - Vicia faba: Wirkungen der Amputation der Spitzeu der Wiirzelchen. - Regeneration der Spitzen. - Wirkung des geotropischen Einfiusses, wenn die Spitzen kurze Zeit demselben ausgesetzt sind, und deren spiitereren Amputation. - Wirkungen einer schriigen Amputation ihrer Spitzen.

- Wirkungen der Atzung der Spitzen. -- Wirkungen eines Fettiiberzuges auf die Spitzen. - Pisum sativum: Spitzen der Wiirzelcben quer und auf ihren oberen und unteren Seiten cauterisirt. - Phaseolus: Cauterisation und Fett­ iiberzug der Spitzen. - Gossypium. - Cucurbita: Spitzen que} und auf ihren oberen und unteren Seiten cauterisirt. - Zea: Spitzen cauterisirt. - Schlusz­ bemerkungen und Zusammenfassung des Capitels. - Vortheil der in den Spitzen der Wiirzelchen localisirten Empfindlichkeit filr Geotropismus.

CIESIELSKI gibt ant, dasz, wenn die Wurzeln von Pisum, Lens und Vicia horizontal ausgestreckt und die Spitzen abgeschnitten werden, Geo­ tropismus nicht aufsie einwirkt. Aber einige Tage spater, wenn eine neue Wurzelkappe und ein Vegetationspunkt gebildet worden sind, biegen sie sich senkrecht abwarts. Er gibt ferner an, dasz, wenn die Spitzen ab­ geschnitten werden, nachdem die Wurzeln eine kurze Zeit lang hori­ zontal ausgestreckt gelassen worden sind, aber ehe sie angefangen haben sich abwarts zu biegen, sie in irgend welche Stellung gebracht werden konnen und sie biegen sich doch, als wenn Geotropismus noch immer auf sie wirkte; und dies zeigt, dasz irgend ein Einflusz bereits von der Spitze, ehe sie amputirt wurde, auf den sich biegenden Theil iiber­ geleitet worden war. SACHS wiederholte diese Experimente; er schnitt ein Stiickchen von zwischen 0.05 und 1 mm Lange (von der Spitze des Vegetationspunktes an gemessen) von den Spitzen der Wiirzelchen der Bohne (Vicia faba) ab und legte sie horizontal oder senkrecht in

 

1 Abwartskriimmung der Wurzel. Inaug.-Dissert. Breslau, 1871, p. 29.

 

[page break] Cap. 11. Fortgeleitete Wirkungen: Vicia. 449

feuchte Luft, Erde und Wasser mit dem Resultate, dasz sie in allen Arten von Richtungen gekriimmt wurden 9 Er zweifelte daher an CIESIELSKr's Folgerungen. Da wir aber bei verschiedenen Pflanzen gesehen haben, dasz die Spitze des Wurzelchens gegen Beriihrung und andere Reizmittel empfindlich ist, und dasz sie einen gewissen Einflusz auf den oberen wachsenden Theil hinleitet, welcher diesen zu biegen verursacht, schien uns in CrnsrELSKr's Angabe keine a priori - Un­ wahrscheinlichkeit zu liegen. Wir beschlossen daher seine Versuche zu wied rholen und noch andere an verschiedenen Species nach ver­ schiedenen Methoden anzustellen.

Yi cia f aba. - Wiirzelchen dieser Pflanze wurden horizontal ent­ weder iiber Wasser oder mit ihren unteren Oberflachen dasselbe so eben beriihrend ausgestreckt. Ihre Spitzen waren vorher in einer so genauen queren Richtung, als nur ausgefiihrt werden konnte, in verschiedenen Langen abgeschnitten worden, welche von der Spitze der Wurzelkappe ge­ messen wurden, und welche in jedem einzelnen Falla speciell werden an­ gefiihrt werden. Licht wurde immer ausgeschlossen. Wir batten vorher Hunderte von nicht verstiimmelten Wiirzelchen unter denselben Umstanden versucht und gefunden, dasz jedes einzelne, welches gesund war, in weniger als 12 Stunden deutlich geotropisch wurde. Bei vier Wiirzelchen, an denen die Spitzen in einer Lange von 1.5 mm abgeschnitten worden waren, wur den neue Wurzelkappen und neue Vegetationspunkte nach einem Verlaufe von 3 Tagen 20 Stunden wiedergebildet, und als diese horizontal gelegt wurden, wirkte Geotropismus anf sie ein. Bei einigen anderen Gelegen­ heiten trat diese Regeneration der Spitzen und die wiedererlangte Empfind­ lichkeit innerhalb einer etwas kiirzeren Zeit ein. Man musz daher Wiirzel­ chen, deren Spitzen amputirt waren, von 12-48 Stunden nach der Operation beobachten. .

Vier Wiirzelchen wurden horizontal ausgestreckt, so dasz ihre unteren

Flii.chen das Wasser beriihrten und ihre Spitzen wurden in einer Lange von nur 0.5 mm abgeschnitten: nach 23 Stunden waren drei von ihnen noch immer horizontal; nach 47 Stunden war eins von den dreien deutlich geotropisch; und nach 70 Stunden zeigten die anderen zwei eine Spur

dieser Wirkung. Das vierte Wilrzelchen war nach 23 Stunden senkrecht

geotropisch; aber durch einen Zufall war, wie sich ergab, allein die Wurzel­ kappe und nicht der V11getationspunkt mit amputirt worden, sodasz dieser Fall keine wirkliche Ausnahme bildete und hii.tte ausgescblossen werden kllnnen.

Fiinf Wiirzelchen wurden wie die letzteren horizontal ausgestreckt, ihre Spitzen wurden in einer Lange von 1 mm abgeschnitten; nach 22-23 Stunden waren vier von ihnen noch immer horizontal und eins war unbedeutend geotropisch; nach 48 Stunden war das letztere senkrecht geworden; auch ein zweites war etwas geotropisch; zwei blieben an­ nii.hernd horizontal; nnd das letzte oder fiinfte war in einer unordentlichen

 

1 Arbeit. Botan. Instit. in Wl\rzburg, S. Heft, 1878, p. 482.

DAB.WIN, Bewegungsvermogen. (XIII.) 29

 

[page break] 450 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. 11.

Weise gewachsen, denn es war unter einem Winkel von 65 ° iiber den Horizont aufgerichtet.

Vierzehn Wiirzelchen wurden in einer geringen Rohe iiber dem Wasser horizontal ausgestreckt und ihre Spitzen in einer Lange von

1.5 mm abgeschnitten. Nach 12 Stunden wurden sie sammtlich hori­ zontal, wahrend fiinf Control- oder Musterexemplare in demselben Glase siimmtlich bedeutend abwarts gebogen waren. Nach 24 Stunden blieben mehrere von den amputirten Wiirzelchen noch horizontal, einige zeigten aber eine Spur von Geotropismus, und eins war deutlich geotropisch, denn es war in einem Winkel von 40 unter den Horizont geneigt.

Sieben horizontal ausgestreckte Wiirzelchen, von denen die Spitzen in

der ungewohnlichen Lange von 2 mm abgeschnitten worden waren, wur­ den ungliicklicherweise nicht eher wieder angesehen, als bis 35 Stunden verflossen waren; drei waren noch immer horizontal, aber vier waren zu unserer Uberraschung mehr oder weniger deutlich geotropisch.

Die Wiirzelchen in den vorstehenden Fallen wurden gemessen, ehe­ ihre Spitzen amputirt wurden, und im Verlaufe von 24 Stunden hatten sie sammtlich bedeutend an Lange zugenommen; die Messungen sind aber nicht der Mittheilung werth. Von groszerer Bedeutung ist, dasz. SACHS gefunden hat, dasz die Wachsthumsg€1schwindigkeit der verschiedenen Theile der Wiirzelchen mit amputirten Spitzen dieselbe war wie bei nicht verstiimmelten. Im Ganzen wurde an 29 Wiirzelchen die Operation in der oben beschriebenen Weise ausgefiihrt, und von diesen zeigten nur einige wenige irgend welche geotropische Kriimmung innerhalb 24 Stunden wahrend Wiirzelchen mit nicht verstiimmelten Spitzen in weniger als der Halfte dieser Zeit, wie bereits angefiihrt wurde, immer bedeut1md abwarts gekriimmt wurden. Der Theil des Wiirzelchens, welcher sich am meisten biegt, liegt in der Entfernung von 3-6 mm von der Spitze, und da der sich biegende Theil nach der Operation zu wachsen fortfahrt, scheint kein Grund vorhanden zu sein, warum er nicht von Geotropismus hil.tte be­ einfluszt warden sollen, wenn• nicht seine Kriimmung von irgend einem von der Spitze her iiberlieferten Reize abhieng; und wir haben klare Be­ weise einer solchen 'Oberlieferung in CIESIELSK1's Experimenten, welche wir­ wiederholten und in der folgenden Art und Weise ausdehnten.

Bohnen wurden in zerreiblichen Torf mit dem Hilum nach abwarts. P.ingebracht, und nachdem ihre Wiirzelchen bis zu einer Lange von

½-1 Zoll senkrecht abwarts gewachsen waren, wurden 16 ausgewahlt welche vollkommen gerade waren, und diese wurden auf dem Torfe horizontal hingelegt und von einer diinnen Schicht desselben bedeckt. Sie wurden for eine mittlere Zeit von 1 Stunde 37 Min. so gelassen. Dann wurden die Spitzen quer in einer Lange von 1.5 mm abgeschnitten, uud unmittelbar darauf wurden sie senkrecht in den Torf eingelegt. In dieser Stellung wird der Geotropismus nicht dal1instreben, irgend welche­ Kriimmung hervorzurufen, wenn aber irgend ein Einflusz bereits von der Spi ze aus auf den Theil, welcher sich am meisten biegt, hin geleitet worden ware, so konnten wir erwarten, dasz dieser Theil in der Richtung sich kriimmen wiirde, in welcher Geotropismus vorher eingewirkt hat; denn es musz beachtet .werden, dasz diese Wiirzelchen, nun ihrer Emp:6.ndlichkeit. beraubt, nicht durch Geotropismus daran verhindert werden, in irgend

 

[page break] Cap. 11. Fortgeleitete Wirkungen: Vicia. 451

welcher Richtung sich zu kriimmen. Das Resultat war, dasz von den sechzehn senkrecht eingelegten Wii.rzelchen vier wii.hrend mehrerer Tage abwarts zu wachsen fortfuhren, wahrend zw1llf mehr oder weniger seitlich gebogen wurden. Bei zweien von diesen zw1llf war eine Spur von Kriim­ mung in 3 Stunden 30 Min. wahrnehmbar, von der Zeit an gezahlt, als sie zuerst horizontal gelegt worden waren; und sii.mmtliche zw1llf waren in 6 Stunden deutlich gekrummt und in 9 Stunden noch deutlicher. Bei jedem einzelnen von ihnen war die Krummung nach der Seite hin gerichtet, welche, wii.hrend die Wiirzelchen horizontal geblieben waren, nach unten gerichtet war. Die Kriimmung erstreckte sich auf eine Lange von 5 bis, in einem Falle, 8 mm von dem abgeschnittenen Ende. Von den zw1llf gebogenen Wiirzelchen wurden fiinf dauernd in einen rechten Winkel ge­ bogen; die anderen sieben waren zuerst viel weniger gebogen und ihre Kriimmung nahm meist nach 24 Stunden ab, verschwand aber nicht gii.nzlich. Diese Abnahme der Kriimmung wird naturlich dann eintreten, wenn der Umstand, dasz sie nur 1 Stunde 37 Minuten dem Geotropismus ausgesetzt waren, dazu diente, die Turgescenz der Zellen, aber nicht ihr spateres Wachsthum bis zur vollen Ausdelmung zu .modificiren. Die fiinf

, Wiirzelchen, welche rechtwinklig gebogen waren, wurden in dieser Richtung fixirt, und sie fuhren von 4-6 Tage hindurch horizontal im Torfe zu wachsen fort bis zu einer Lii.ng8 von ungefiihr 1 Zoll. In dieser Zeit hatten sich neuo Spitzen gebildet, und es ist zu bemerken, dasz diese

Regeneration im Torfe langsamer eintrat als im Wasser, vielleicht in

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

d

Fig. 195. Vicia jaha: Wiirzelchen bei A nach der Amputation der Spitze rechtwlnklig gebogen in Folge des friiheren Elnflusses des Geotropismus, L Seite der Bohne, welche anf dem Torre lag, wiihrend Geotroplsmus auf das Wiirzelchen wirkte. A Punkt der Hauptkriimmung des Wiirzelchens, als es senkrecht abwarts stand, B Punkt der Hauptkriimmung nacb der Regeneration der Spltze,

, ra1s Geotropismus wiederum einwirkte. O regenerlrte Spitze.

Folge davon, dasz hii.ufig nach den Wiirzelchen gesehen wurde und sie dadurch gestlirt wurden. Nachdem die Spitzen regenerirt waren, war Geotropismus wieder im Stande auf sie zu wirken, so dasz sie nun senk­ recht abwarts gekriimmt wurden. Eine geuaue Zeichnung (Fig. 195) wird hier von einem von diesen fiinf Wiirzelchen mitgetheilt, auf die halbe natiirliche Grlisze reducirt.

Wir versuchten zunii.chst, ob, wenn man die Wiirzelchen eine kurze Zeit dem Geotropismus aussetzt, dies geniigen wiirde, eine Nachwirkung

29*

 

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452 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. 11.

hervorzubringen. Sieben W0rzelchen wurden 1 Stunde lang horizontal ausgestreckt, anstatt 1 Stunde 37 Min. lang, wie in dem frilheren Ver­ suche, und nachdem ihre Spitzen (1.5 mm lang) amputirt worden waren, wurden sie senkrecht in feuchten Torf gestellt. Von diesen wurden drei nicht im mindesten afficirt und fuhren Tage lang fort gerade abwiirts zu wachsen. Vier zeigten nach 8 Stunden 30 Min. blosz eine Spur von KrOmmnng in der Richtung, in welcher sie vom Geotropismus beeinfluszt worden waren, und in dieser Beziehung wichen sie bedeutend von denen ab, welche 1 Stunde 37 Min. Jang ausgesetzt worden waren. Denn viele von den letzteren waren in 6 Stunden deutlich gekrO.mmt. Die KrO.mmung eines dieser vier WO.rzelchen verschwand nach 24 Stunden beinahe ganz. Bei dem zweiten nahm die KrO.mmung wa.hrend zweier Tage zu und nahm dann ab. Das dritte Wiirzelchen wurde permanent gebogen, so dasz sein terminal er Theil einen Winkel von ungefahr 45 mit seiner ursprO.nglich senkrechten Richtung bildete. Das vierte Wiirzelchen wurde horizontal. Diese zwei letzteren Wiirzelchen fuhren wa.hrend zweier weiteren Tage fort im Torf in denselben Richtungen zu wachsen, d. h. unter einem Winkel von 45 unter dem Horizont und horizontal. Am vierten Morgen waren neue Spitzen gebildet worden, und nun war der Geotropismus wieder im Stande auf sie zu wirken, und sie wurden nun senkrecht niedergebogen, genau wie in dem Falle von den fiinf WO.rzelchen, die im letzten Ab­ satze bescbrieben wurden, und wie es hier in der vorstehenden Figur (Fig. 195) mitgetheilt ist.

Endlich wurden fiinf andere Wiirzelchen in a.hnlicher Weise behandelt, wurden aber nur 45 Minuten lang dem Geotropismus ausgesetzt. Nach

8 Stunden 30 Min. war nur eins in einer zweifelhaften Weise afficirt; nach 24 Stunden waren zwei eben merkbar nach der Seite hingekrilmmt, auf welcher der Geotropismus gewirkt hatte; nach 48 Stunden war an dem zuerst erwa.hnten ein KrO.mmungsradius von 60 mm vorbanden. Dasz diese Kriimmung eine Folge der Einwirkung des Geotropismus wa.hrend der horizontalen Stellung des WO.rzelchens war, zeigte sich nach vier Tagen, als eine neue Spitze wieder gebildet worden war. Denn nun wuchs es senkrecht abwa.rts. Wir lernen aus diesem Fall, dasz, wenn die Spitzen amputirt werden, nachdem die Spitzen nur 45 Minuten der Wirkung des Geotropismus ausgesetzt gewesen waren, zwar ein un­ bedeutender Einflusz zuweilen auf das benachbarte Stiick des Wurzelchens O.berliefert wird, dasz dies aber selten hinreicht, und dann auch nnr langsam, selbst eine maszig gut ausgesprochene Krilmmung herbeizufo.hren. In den fro.her gegebenen Experimenten an 29 horizontal ausgestreckten Wiirzelchen, an denen die Spitzen amputirt waren, wuchs nur ein einziges in irgend einer ausgesprochenen Weise unregelma.szig. Und dies wnrde unter einem Winkel von 65 aufwarts gebogen. In CIEBIELSKI's Ver­ snchen konnten die Wilrzelchen nicht sehr nnregelma.szig gewachsen sein; denn wenn sie es gethan hatten, wO.rde er nicht haben znversichtlich von der Obliteration jeder geotropischen Einwirkung sprechen konnen. Es ist daher merkwiirdig, dasz SACHS, welcher an vielen Wilrzelchen Versuche an­

stellte, deren Spitzen ampntirt waren, auszerst nnordentliches Wachsthnm als das gewohnliche Resnltat fand. Da horizontal ausgestreckte Wilrzel• chen mit amputirten Spitzen znweilen unbedeutend von Geotropismns inner-

 

[page break] Cap. 11. Fortgeleitete Wirkungen: Vicia. 453

halb einer kurzen Zeit beeinfluszt werden, derselbe auch hil.u:fig nach einem oder zwei Tagen deutlich auf sie wirkt, glaubten wir, dasz dieser Einflusz milglicherweise unregelmasziges Wachsthum verhindem kl!nnte, obschon er nicht im Stapde ware, unmittelbar eine Krtimmung zu ver­ anlassen. Es wurden daher 13 Wtirzelchen, an sechs von denen die Spitzen in einer Lii.ngenausdehnung von 1.5 mm und an den anderen sieben in einer Lii.ngenausdehnung von nur 0.5 mm quer amputirt worden waren, .senkrecht in feuchter Luft aufgehlingt, in welcher Stellung sie von Geotropismus nicht beeinfluszt werden wiirden. Sie boten aber keine grosze Unregelmiiszigkeit des Wachsthums dar, solange sie wahrend 4-6 Tagen beobachtet wurden. Wir glaubten dann zuniichst, dasz wenn man bei dem queren Abschneiden der Spitzen nicht Sorgfalt angewendet habe, eine Seite des Stumpfes stiir]rer als die andere gereizt werden milchte, entweder schon anfangs oder spiiter wiihrend der Regeneration der Spitze, und dasz dies die Ursache davon sein kilnnte, dasz das Wtirzelchen nach einer Seite sich biegt. Auch ist im dritten Capitel ge­ zeigt worden, dasz, wenn ein diinnes Scheibchen von einer Seite der Spitze des Wiirzelchens abgeschnitten wird, dies die Ursache wird, dasz sich das Wtirzelchen von der operirten Seite wegbiegt. Dem entsprechend lieszen wir 30 Wiirzelchen, an denen die Spitzen in einer Langen­ ausdehnung von 1.5 mm amputirt waren, • senkrecht abwiirts im Wasser wachsen. An zwanzig von ihnen wurden die Spitzen unter einem Winkel von 20 mit einer quer auf ihrer Liingenachse stehenden Linie amputirt, und derartige Stiimpfe erschienen nur mii.szig schriig. An den librigen zehn Wiirzelchen wurde die Spitze unter einem Winkel von ungefiihr 45 amputirt. Unter diesen Umstii.nden wurden nicht weniger als 19 unter den 30 im Verlaufe von zwei oder drei Tagen bedeutend verdreht. Elf andere Wiirzelchen wurden ii.hnlich behandelt, ausgenommen dasz nur 1 mm (in diesen, wie in• allen iibrigen Fallen mit Einschlusz der Wurzel­ kappe) amputirt wurde; und von diesen wuchs nur eins bedeutend und zwei andere unbedeutend gewunden, so dasz dieser Grad von schrii.ger Amputation nicht hinreichend war. Unter den obigen 30 Wiirzelchen zeigte nur eins oder zwei in den ersten 24 Stunden irgend welche Ver­ drehung, aber dieselbe wurde in den 19 Fallen am zweiten Tage deutlich und am Ende des dritten Tages noch augenfii.Jliger, in welcher Zeit neue Spitzen theilweise oder vollstii.ndig regenerirt worden waren. Wenn daher eine neue Spitze auf einem schrii.gen Stumpf wieder gebildet wird, so wird sie wahrscheinlich auf einer Seite zeitiger als auf der andern ent­ wickelt, und dies reizt in irgend einer Weise den benachbarten Theil sich nach einer Seite zu biegen. Es Arscheint daher wahrscheinlich, dasz SACHS unabsichtlich die Wiirzelchen, an denen er seine Versuche anstellt, nicht in einer streng queren Richtung amputirt hat.

Diese. Erklii.rung des gelegentlich unregelmiiszigen Wachsthums von

Wtirzelchen mit amputirten Spitzen wird durch die Resultate der Cauteri­ sation ihrer Spitzen unterstiitzt; denn hiiufig wurde ein liingeres Stiick auf einer Seite als auf der andern unvermeidlich verletzt oder getodtet. Es ist zu bemerken, dasz in den folgenden Versuchen die Spitzen zuerst mit Lilschpapier getrocknet und dann leicht mit einem trockenen Stift von Hilllenstein gerieben wurden. Wenige Beriihrungen mit dem .A.tzstifte

 

[page break] 454 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. 11.

 

reichen hin, die Wurzelkappe und einige der oberen Schichten von Zellen des Vegetationspunktes zu todten. Es wurden siebenundzwanzig Wiirzel­ chen, einige jung und sehr kurz, andere von masziger Lange senkrecht uber Wasser aufgehangt, nachdem sie in der geschilderten Weise geatzt worden waren. Von diesen traten einige sofort in das Wasser ein und andere am zweiten Tage. Die namliche Anzahl nicht geatzter Wfirzelchen von demselben Alter wurde als Controlexemplare beobachtet. Nach einem Verlaufe von drei oder vier Tagen war der Contrast in der Auszeren Er­ scheinung zwischen den cauterisirten und den Controlexemplaren wunder bar grosz. Die zur Controle dienenden Wiirzelchen waren gerade ab­ warts gewachsen, mit Ausnahme der normalen Kriimmung, welche wir Sacb s' Kriimmung genannt haben. Von den 27 cauterisirten Wiirzelchen waren 15 auszerst gewunden geworden, 6 von ihnen waren aufwiirts ge­ wachsen und bildeten Haken, so dasz ihre Spitzen zuweilen mit der Bohne dariiber in Beriihrung kamen; fiinf wuchsen rechtwinklig nach einer Seite aus, und nur einige wenige von den iibrigen zwolf waren vollkommen gerade, und einige von diesen wurden gegen das Ende unserer Beobach­ tnngen hin an ihren iiuszersten unteren Enden hakenfilrmig. Wiirzelchen, welche horizontal ausgestreckt wurden, anstatt senkrecht, und deren Spitzen cauterisirt wurden, wuchsen gleichfalls zuweilen in einer ver­ drehten Weise, aber nicht so haufig, soweit wir es beurtheilen konnten, wie die senkrecht aufgebiingten; denn es trat nur an 5 unter 19 in dieser Weise behandelten Wiirzelchen ein.

Anstatt die Spitzen abzuschneiden, wie in der ersten Reihe von Versuchen, versuchten wir nun zunachst die Wirkungen einer Berlihrung mit dem .Atzmittel in der eben geschilderten Art und Weise an horizontal ausgestreckten Wiirzelchen. Es miissen aber erst noch einige vorlaufige Bemerkungen gemacht werden. Es kann eingehalten werden, dasz das

.Atzmittel die Wiirzelchen verletzen und sie daran hindern kOnne sich zu biegen; aber im dritten Capitel sind hinreichende Beweise dafiir bei­ gebracht worden, dasz eine Beriihrung der Spitzen senkrecht aufgehangter Wiirzelchen mit dem Atzmittel an einer Seite ihre Biegung nicht auf­ halt; im Gegentheil, es verursacht es, dasz sie sich von der beriihrten Seite wegbiegen. Wir versuchten es auch, sowohl die obere als die untere Seite der Spitzen einiger Wiirzelchen der Bohne zu beriihren, welche horizontal in feuchter, zerreiblicher Erde ausgestreckt waren. Die Spitzen von dreien wurden mit dem Atzmittel auf ihren oberen Seiten beriihrt, und dies wiirde ihre geotropische Biegung unterstiitzen; die Spitzen von dreien wurden an ihrer unteren Seite beriihrt, was dahinfiihren wiirde, der Abwartsbiegung entgegenzuwirken; und drei wurden als Control­ exemplare gelassen. Nach Verlauf von 24 Stunden wurde ein llll• betheiligter Beobachter gebeten, unter den neun Wiirzelchen diejenigen zwei auszusuchen , welche am meisten, und diejenigen zwei, welche am wenigsten gebogen waren. Als letztere wiihlte er zwei von denjenigen aus, welche an ihren unteren Seiten beriibrt worden waren, und als die am meisten gebogenen zwei von denjenigen, welcbe an .der oberen Seite geatzt worden waren. Es werden spater noch analoge und noch auffallen­ dere Versuche an Pisum sativum und Cucurbita ovifera mitgetheilt werden. Wir kilnnen daher getrost folgern,. dasz die blosze Anwendung eines

 

[page break] <Jap. 11. Fortgeleitete Wirkungen: Vicia. 455

.A.tzmittels auf die Spitze der Wiirzelchen sie nicht daran hindert, sich zu biegen.

In den folgenden Experimenten wurden die Spitzen junger, horizontal

ausgestreckter Wiirzelchen mit einem Stifte eines trockenen Atzmittels nur ben beriihrt, und derselbe wurde quer gehalten, so dasz die Spitze ganz rings herum so symmetrisch als moglich cauterisirt werden mochte. Die Wiirzelchen wurden dann in einem geschlossenen Gefasz fiber Wasser auf­ gehangt, welches verhaltnismaszig kiihl gehalten warde, namlich 12.7 bis

15 C. Dies warde deshalb gethan, weil wir gefanden batten, dasz die Spitzen anter einer niederen Temperatur empfindlicher gegen Beriihrang waren als unter einer hohen Temperatur, und wir glaubten, dasz dieselbe Regel auf Geotropismus anzawenden sei. In einem aasnahmsweisen Ver­ suche warden neun Wiirzelchen (welche eher zu alt waren, denn sie waren bis zu einer Lange von 3-5 cm ausgewachsen) horizontal in feuchte, zerreibliche Erde ausgestreckt , nachdem ihre Spitzen cauterisirt worden waren, und wurden in einer zu hohen Temperatur gehalten, nii.mlich bei

20 C. Das Resultat war in Folge hiervon nicht so auffallend wie in den folgenden Fallen; denn obgleich, als nach Verlauf von 9 Stunden

40 Minuten sechs von ihnen untersucht wurden, diese keinerlei geotropische Biegung darboten, so waren doch nach Verl:mf von 24 Stunden, als sammtliche neun untersucht wurden, nur zwei horizontal geblieben, zwei boten einA Spur von Geotropismus dar und fiinf waren unbedeutend oder maszig geotropisch, doch dem Grade nach durchaus nicht mit den Control­ exemplaren za vergteichen. An sieben von diesen cauterisirten Wiirzelchen waren in einer Entfernung von 10 mm von der Spitze, welche Lange den ganzen wachsenden Theil umfaszt, Zeichen gemacht worden ; und nach Verlauf der 24 Stunden hatte dieser Theil eine mittlere Lange von 37 mm, so dasz er um mehr als 3½ mal seiner ursprilnglichen Lange gewacbsen war; es musz aber daran erinnert werden, dasz diese Bohnen einer ver­ hiiltnismaszig hohen Temperatur ausgesetzt waren.

Neunzehn junge Wilrzelchen mit cauterisirten Spitzen wurden zu ver­ schiedenen Zeiten horizontal iiber Wasser ausgestreckt. In jedem einzelnen Versuche wurde eine gleiche Anzahl von Controlexemplaren beobachtet. In dem ersten Versuche wurden die Spitzen von drei Wiirzelcben leicht mit dem Atzmittel secbs oder sieben Secunden lang beriihrt, was eine langere Application war als gewohnlich. Nach Verlauf von 23 Stunden

30 Minuten (12.7 bis 13.3° C. Temperatur) waren diese drei Wilrzelchen A, B, C (Fig. 196) noch immer horizontal, wahrend die drei Control­ exemplare innerhalb 8 Stunden unbedeutend geotropisch und in 23 Stan­ den 30 Minuten stark geotropisch goworden waren (D, E, F). An alien sechs Wilrzelchen war in einer Entfernung von 10 mm von ihren Spitzen, als sie zaerst horizontal gestellt worden waren, ein Zeichen gemacht wor­ den. Nach Verlauf der 23 Stunden 30 Minuten war dieser terminale, ursprilnglich 10 mm lange Theil an den cauterisirten Exemplaren bis zu einer mittleren Lange von 15. 7 mm gewachsen, wie in den Abbildungen durch die nicht unterbrochenen, queren Linien dargestellt wird. Die punktirte Linie liegt 10 mm von der Spitze. Es waren daher die Control­ exemplare oder die nicht cauterisirten Wilrzelchen factisch weniger ge­ wachsen, als die cauterisirten; dies war aber ohne Zweifel zufallig. Denn

 

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456 Empfindlicbkeit gegen die Schwertraft.

 

Cap. 11.

 

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Wiirzelchen von verschiedenem Alter wachsen mit versdiedenen Ge­ schwindigkeiten, nnd das Wachsthnm ver chiedener Individnen wird gleich­ falls dnrch nnb!!kaunte Ursachen afficirt. Der Znstand der Spitzen dieser

D E

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A B C

Fig. 196. Vieia Jal,a: Zustand der Wiirzelcben, welche 23 Stunden 30 liinuten horiEontal aus­ g !treckt gewesen waren: A, B, C Spitzen mit dem Xtz,;tift berilhrt; D, E1 F Spitz.en nicht ge;itz,t. Dje Liing., der '\\•ilrz.elchen auf den halben llaszsrnb redudrt; die Bobnt"'n selbst wurden aber durch einen Zufall nicht in dem n.;imlichen Grade reducirt.

 

drei Wiirzelchen, welche eine verbiiltnismaszig langere Zeit hindurch, als gewohnlich, cauterisirt worden waren, war der folgende: Auf die geschwarzte Spitze oder den Theil, welcher factisch mit dem Atzmittel beriihrt worden war, folgte eine gelbliche Zone, wahrscheinlich in Folge der Absorption eines Theiles des .Atzmittels; bei A rnaszen beide Zonen zusammen 1.1 mm in der Lange und 1.4 m im Durchmesser an der Basis der gelblichen Zone ; bei B betrug die Lange von beiden nur 0.7 mm nnd der Dnrch­ messer 0. 7 mm; bei C betrug die Lange 0.8 mm und der Dnrchmesser

1.2 mm.

Drei andere Wiirzelchen, deren Spitzen wahrend 2 otler 3 Secnnden mit dem .Atzmittel beriihrt worden waren, blieben (bei einer Temperatur von 14.4 bis 15 C.) 23 Stunden Jang horizontal; die Controlwiirzelchen waren nattirlich innerhalb dieser Zeit geotropisch geworden. Der terminale wachsende Theil von 10 mm Lange der cauterisirten Wiirzelchen hatte in dieser Zeit bis zn einer mittleren Lange von 24.5 mm zugenommen und der der Controlexemplare bis zu einer mittleren Lange von 26 mm. Ein Durchschnitt eines der canterisirten Spitzchen zeigte, dasz der ge­ schwarzte Theil 0.5 mm Jang war, wovon sich 0.2 mm in den Vegetations­ punkt hinein erstreckten; nnd eine schwach11 Misfarbung liesz sich bis zu einer Lange von 1.6 mm von der Spitze der Wurzelkappe nach­ weisen.

Bei einem andern Satz von sechs Wiirzelchen (bei einer Temperatur von 12.7 bis 13.8° C.) waren die drei Controlexemplare in 81/2 Standen deutlich geotropisch ; nnd nach 24 Stnnden hatte die mittlere Lange ihres terminalen Theils von 10 mm bis 21 mm zugenommen. Als das A.tzmittel auf die drei cauterisirten Exemplare angewendet wurde, wnrde es wahrend 5 Secnnden vollstandig bewegnngslos gehalten, und das Re­

sultat war, dasz die schwarzen Flecke auszerst minutios waren. Es wnrde

 

[page break] Cap. 11. Fortgeleit.ete Wirkungen: Vicia. 457

daher das ltzmittel nach 8i/2 Stunden wiederum applicirt, wahrend wel­ cher Zeit keine geotropische Wirkung eingetreten war. Als die Exemplare nach einem weiteren Verlaufe von 15t/2 Stunden wieder untersueht wurden, war eines horizontal, und die zwei anderen zeigten zu unserer U"berrasehung eine Spur von Geotropismus, welcher bei einem derselben bald darauf stark ausgesprochen war; aber in diesem letztAren dieser drei W1irzelchen war die misfarbige Spitze nur 2/3 mm lang. Der wachsende Theil dieser

drei Wurzelchen nahm in 24 Stunden von 10 mm bis zn einer mittleren

Lange von 16.5 mm zn.

Es wiirde iiberfliissig sein, im Einzelnen das Benehmen der zehn ftbrigen cauterisirten Wiirzelchen zn bescbreiben. Die entsprechenden Control­ exemplare wurden alle in 8 Stunden geotropisch. Von den cauterisirten wurde nach sechs nach 8 Stunden gesehen, und nur eines zeigte eine Spur von Geotropismus. Nach vieren wurde zuerst nach 14 Stunden ge­ sehen, und von diesen war eines allein unbedAutend geotropisch. Nach Verlauf von 23-24 Stunden waren 5 unter 10 noch immer horizontal, 4 unbedeutend und 1 entschieden geotropiseh. Nach Verlauf von 48 Stun­ den waren einige von ihnen stark geotropisch. Die cauterisirten Wftrzel­ chen nahmen bedeutend an Lange zu. Die Messungen sind aber nicht der Mittheilung werth.

Da fiinf von den letzt erwii.hnten cauterisirten Wiirzelcben im Ver­ laufe von 24 Stunden etwas geotropisch geworden waren, so wurde (zn­ sammen mit dreien, welche noch immer horizontal waren) ihre Stellung nmgekehrt, so dasz ihre Spitzen nur ein wenig aufwarts• gebogen waren, und sie wurden wiederum mit dem ltzmittel beriihrt. Nach 24 Stundeu zeigten sie noch keine Spur von Geotropismus, wahrend die acht ent­ sprechenden Controlexemplare, welche gleichfalls umgekehrt worden waren, in welcher Lage dann die Spitzen mehrerer nach dem Zenith hinwiesen, ii.mmtlich geotropisch wurden; einige waren in den 24 Stunden durch einen Winkel von 180 gegangen, andere durch einen Winkel von un­ gefahr 135 und noch andere durch einen Winkel von 90°. Die acht Wftrzelchen, welche zweimal cauterisirt worden waren, wurden noch einen weiteren Tag beobachtet (d. h. 48 Stunden lang, nachdem sie umgekAhrt worden waren), und sie zeigten noch immer kein Anzeichen von Geo­ tropismus. Nichts desto weniger fuhren sie rapid zu wachsen fort; vier wurden 24 Stunden, nachdem sie amgekehrt worden waren, gemessen, und sie batten in dieser Zeit zwischen 8 und 11 mm an Lange zugenommen; die anderen vier wurden 48 Stnnden, nachdem sie umgekehrt worden waren, gemessen, und diese batten um 20, 18, 23 und 28 mm zu­ genommen.

Wenn- wir dazu kommen, in Bezug auf die Wirkungen der Cauteri•

sation der Spitze dieser Wiirzelchen eine Schluszfolgerung zn ziehen, so mftssen wir erstens im Auge behalten, dasz horizontal ausgestreckte Controlwftrzelchen immer vom Geotropismus beeinfluszt wurden, und in

8 oder 9 Stunden etwas abwarts gebogen wnrden; zweitens, dasz der hauptsii.chliche Sitz der Krummung in einer Entfernung von 3-6 mm von der Spitze liegt; drittens, dasz die Spitze durch das Atzmittel selten in einer groszeren Lii.ngenausdehnnng als 1 mm entfarbt wurde; viertens, dasz die groszere Anzahl der cauterisirten Wiirzclchen, obschon sie wahrend

 

[page break] 458 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. 11. (

der ganzen Zeit dem vollen Einflusz des Geotropismus ausgesetzt wurden, '

doch 24 Stunden lang und einige sogar zweimal so lange horizontal

blieben, und dasz diejenigen, welche gekriimmt wurden, dies nur in einem unbedeutenden Grade wurden; fiinftens, dasz die cauterisirten Wiirzelchen beinahe, und zuweilen vollstii.ndig so gut zu wachsen fortfuhren, wie die

nicht verletzten, nnd zwar dem Theile entlang, welcher sich am meisten biegt, nnd endlich, dasz eine Beriihrnng der Spitze mit dem Atzmittel, wenn sie anf einer Seite eintritt, weit davon entfernt eine Kriimmung zu

verhindern, sie factisch herbeifiihrt. Halt man sich diese sii.mmtlichen Thatsachen vor Augen, so miissen wir schlieszen, dasz unter normalen Bedingungen die geotropische Kriimmung der Wurzeln eine Folge eines Einflusses ist, welcher von der Spitze auf den benachbarten Theil iiber­ geleitet wird, wo die Biegung stattfindet, und dasz, wenn die Spitze der Wurzel cauterisirt wird, sie nicht im Stande ist den znr Hervorhringung einer geotropischen Kriimmung nothwendigen Reiz entstehen zn !assen.

Da wir beobachtet hatten, da8z ein l!'ettiiberzug einigen Pflanzen in hobem Grade scbii.dlicb ist, so entschlossen wir uns seine Wirkungen auf Wiirzelchen zu versucben. Als die Cotyledonen von Phalaris und Avena mit Fett der einen Seite entlang bedeckt wurden, WIJ.rde das Wachsthum dieser Seite vollkommen unterbrochen oder bedeutend aufgehalten, und da die entgegengesetzte Seite fortfubr zu wachsen, wurden die in dieser Weise behandelten Cotyledonen nach der mit Fett iiberzogenen Seite hin­ gebogen. Diese selbe Substanz todtete auch schnell die zarten Hypocotyle und jungen Blatter gewisser Pflanzen. Der Fettiiberzug, welchen wir an­ wendeten, war so hergestellt, dasz wir Lampenrusz und Olivenol bis zu einer solchen Consistenz mischten, dasz sie in einer dicken Schicht auf­ getragen werden konnten. Die Spitzen von fiinf Wiirzelcben der Bohne wurden mit dieser Mischung in einer Langenausdehnung von 3 mm• ilber­ zogen und zu unserer Uberraschung nahm dieser Theil in 23 Stunden bis zu 7.1 mm an Lange zu; die dicke Scbicht von Fett war dabei in einer merkwiirdigen Weise ausgezogen worden. Sie konnte daher, wenn iiber­ haupt, das Wachsthum des terminalen Theils des Wiirzelchens nicht be­ deutend gehemmt haben. Was den Geotropismus betrifft, so wurden die Spitzen von sieben horizontal ausgestreckten Wiirzelchen in einer Langen­ ausdehnung von 2 mm mit Fett iiberzogen und nach Verlauf von 24 Stun­ den konnte kein dentlicher Unterschied zwischen ihrer Abwartskriimmung nnd derjenigen einer gleichen Anzahl von Controlexemplaren wahrgenommen werden. Die Spitzen von 33 anderen Wiirzelchen wurden bei verschie­ denen Gelegenheiten in einer Langenausdehnung von 3 mm iiberzogen; und diese wurden mit den Controlexemplaren nach 8 Stunden, 24 Stunden und 48 Stunden verglicben. Bei einer Gelegenheit bestand nach 24 Stun­ den eine sehr geringe Verschiedenheit in der Kriimmung zwischen den eingeolten und den Controlexemplaren, aber meistens war der Unterschied unverkennbar: diejenigen mit eingeolten Spitzen waren betrachtlich weniger abwarts gekrilmmt. Der ganze wachsende Theil (mit Einschlusz der ein­ geolten Spitzen) von sechs unter diesen Wiirzelchen wurde gemessen, und es fand sich, dasz er in 23 Stunden von 10 mm bis zu einer mittleren Lange von 17. 7 mm zugenommen hatte, wihrend der entsprecbende Theil der Controlexemplare bis zu 20.8 mm zugenommen hatte. Hieraus geht

 

[page break] Cap. 11. Fortgeleitete Wirkungen: Pisum. 459

hervor, dasz, obgleich die Spitze selbst, wenn sie eingeolt ist, zu wach­ sen fortfilhrt, doch das Wachsthum des ganzen Wiirzelchens etwas gehemmt wird, und dasz die geotropische Kriimmung des oberen Theiles, welcher vom Fett frei war, in den meisten Fallen betrachtlich vermin­ dert war.

Pisum sativum. - An fiinf horizontal iiber Wasser ausgestreckten Wfirzelchen wurden die Spitzen leicht zwei- oder dreimal mit trockenem Atzmittel beriihrt. Diese Spitzen wurden in zwei Fallen gemessen, und es ergab sich, dasz sie in einer Lange von nur einem halben Millimeter geschwiirzt waren. Fiinf andere Wiirzelchen wurden als Controlexemplare gelassen. Der Theil, welcher durch Geotropismus am meisten gebogen wird, liegt in einer Entfernung von mehreren Millimetern von der Spitze. Nach 24 Stunden und wieder nacb 32 Stunden vom Anfang an waren vier von den cauterisirten Wiirzelchen noch immer horizontal, aber eins war deutlich geotropisch, indem es 45 unter den Horizont geneigt war. Die fiinf Controlexemplare waren nach 7 Stunden 20 Min. etwas geotropisch, und nach 24 Stunden waren sie sammtlich stark geotropisch; sio waren unter den folgenden Winkeln unter den Horizont geneigt: 59 60 65

57 und 43 Di!! Lange der Wiirzelchen wurde in keinem dieser Siitze gemessen, es war aber offenbar, dasz die cauterisirten Wiirzelchen be­ deutend gewachsen waren.

Der folgende Fall beweist, dasz di!! Wirkung des Atzmittels an sich selbst die Kriimmung des Wiirzelchens nicht verhindert. Zehn Wiirzelchen wurden horizontal auf und unter einer Schicht feuchter, zerreiblicher Torferde ausgestreckt, und ehe sie ausgestreckt wurden, wurden ihre Spitzen mit trockenem Atzmittel auf der oberen Seite beriihrt. Zehn andere, iihnlich gestl'llte Wiirzelchen wurden auf der unteren Seite beriihrt, nnd dies wiirde dahin streben sie von der cauterisirten Seite weg biegen zu lassen und daher, wie sie nun lagen, aufwarts oder im Gegensatz zu Geotropismus. Endlich wurdl'n zehn nicht cauterisirte Wiirzelchen als Controlexemplare horizontal ausgestreckt. Nach 24 Stunden waren die letzteren sammtlich geotropisch, und die zohn, an welchen die Spitzen auf der oberen Seite cauterisirt worden waren, waren gleichfalls geo­ tropisch, und wir glauben, dasz sie noch vor den Controlexemplaren ah­ warts gekriimmt wurden. Die zehn , welche auf der unteren Seite cauterisirt worden waren, boten ein sehr verschiedenes Ansehen dar: Nr. 1 war indessen senkrecht geotropisch; dies war aber keine wirkliche Ausnahme, denn bei einer Untersuchung unter dem Microscop zeigte sich keine Spur eines gefii.rbten Fleckens an der Spitze, und es war offenbar, dasz es durch ein Vorsehen nicht mit dem Atzmittel beriihrt worden war. Nr. 2 war deutlich geotropisch, indem es ungefii.hr 45 unter den Horizont geneigt war. Nr. 3 war unbedeutend nnd Nr. 4 eben nur merkbar geotropisch; Nr. 5 und 6 waren richtig geotropisch, und die vier iibrigen waren aufwii.rts gebogen im Gegensatz zum Geotropismus. In diesen vier Fallen betrug der Radius der Aufwartsbewegung (nach Sachs' Cyclometer)

5 mm, 10 mm, 30 mm und 70 mm. Diese Kriimmung war lange vor Ablauf der 24 Stunden deutlich, namlich nach 8 Stunden 45 Min. von der Zeit an, wo die unteren Seiten der Spitzen mit dem Atzmittel be­ riihrt worden waren.

 

[page break] 460 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. 11.

Pkaseolus multiflorus. - Acht zur Controle dienende Wiirzel­ chen wurden horizontal ausgestreckt, und zwar einige in feuchtem, zcr­ reiblichem Torfe und andere in feuchter Luft. Sie wurden alle (Temperatur

20 bis 21 C.) in 8 Stunden 30 Min. deutlich geotropisch, denn sie stan­ den nun unter einem mittleren Winkel von 63 unter dem Horizont. Es wird hier ein verhaltnismaszig langeres Stiick des Wiirzelchens durch Geotropismus abwarts gebogen, als bei Vicia faba, d. h. etwas mehr als

6 mm von der Spitze der Wurzelkappe aus gemessen. Neun andere Wilrzelchen wurden in ahnlicher Weise ausgestreckt, drei in feuchtem Torfe und sechs in feuchter Luft, und es wurde nun 4 oder 5 Secunden lang quer auf ihre Spitzen trockener Atzstift gehalten. Spater wurden drei ihrer Spitzen untersucht: beim ersten war eine Lange von 0.68 mm entfarbt, und hiervon war das basalo Stuck von 0.136 mm gelb, der Spitzentheil schwarz; bci Nr. 2 war die Entfiirbung 0.65 mm in der Langenausdehnung, und davon war das basale Stuck von 0.04 mm gelb; bei Nr. 3 war das entfarbte Stuck 0.6 mm lang, und hiervon der basale Theil von 0.13 mm gelb. Es war daher weniger als 1 mm durch das Atzmittel afficirt; dies geniigte aber geotropische Wirkung beinahe ganzlich zu verhindern; denn nach 24 Stunden war nur eines von den neun cauterisirten Wurzelchen in unbedeutendem Grade geotropisch, indem es nun 10 unter den Horizont geneigt war; die acht anderen blieben horizontal, obschon eines unbedeutend seitwarts gekrummt war.

Der terminale Theil (von 10 mm in der Lange) der sechs cauteri­ sirten Wiirzelchen in der feuchten Luft war in den 24 Stunden mehr als doppelt so lang geworden; denn dieser Theil war nun im Mittel 20.7 mm lang. Die Langenzunahrne innerhalb der namlichen Zeit war an den Controlexemplaren bedeutender, denn der terminale :l.'heil war im Mittel von 10 mm bis 26.6 mm gewachsen. Da aber die cauterisirten Wilr:zel­ chen ihre Lange in den 24 Stunden mehr als . verdoppelt batten, so ist es o:ffenbar, dasz sie durch das Atzmittel nicht ernstlich verletzt worden waren. Wir wollen hier noch hinzufiigen, dasz beim ersten Anstellen der Versuche iiber die Wirkungen der Beriihrung mit Atzmitteln auf einer Seite zuerst zu viel angewendet wurde, und die ganze Spitze ( wir glauben aber nicht mehr als 1 mm lang) von sechs horizontal aus­ gestreckten Wiirzelchen wurde getodtet; und diese fuhren 2 oder 3 Tage lang fort, horizontal auszuwachsen.

Es wurden viele Versuehe in der Weise angestellt, dasz die Spit:zen horizontal ausgestreckter Wiirzelchen mit dem friiher beschriebenen dicken

<Jluberzug bedeckt wurden. Die geotropische Krummung von 12 Wurzel­ chen, welche in einer Langenausdehnung von 2 mm in dieser Weise iiber­ zogen _wurden, wurde wahrend der ersten 8 oder 9 Stunden aufgehalten, war aber nach 24 Stunden uahezu so liedeutend wie die der Controlexemplare. Die Spitzen von neun Wilrzelchen wurden in einer Lange von 3 mm uber­ zogen, und nach 7 Stunden 10 Min. standen diese in einem mittleren Winkel von 30 unter dem Horizont, wahrend die Controlexemplare in einem mittleren Winkel von 54 standen. Nach 24 Stunden wichen die zwei Satze nur unbedeutend in dem Grade ihrer Krilmmung von einander ab. Indessen bestand in einigen anderen Versuchen ein ziemlich gut aus­ gesprochener Unterschied nach 24 Stunden zwischen den Wilrzelchen mit.

 

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eingeolten Spitzen und den Controlexemplaren. Der terminale Theil von acht Controlexemplaren nahm in 24 Stunden in der Lange von 10 mm bis zu einer mittleren Lange von 24.3 mm zu, wilhrend die mittlere Lii.ngenzunahme der Wiirzelchen mit .eingelllten Spitzen 20.7 mm betrug. Der Olllberzug hemmte daher in unbedeutendem Grade das Wachsthum des terminalen Theils, es war aber dieser Theil nicht bedeutend verletzt; denn mehrere Wiirzelchen, deren Spitzen in einer Lii.ngenausdehnung von

2 mm eingelllt waren, fuhren wilhrend 7 Tagen zu wachsen fort und waren dann nur ein wenig kiirzer als die Controlexemplare. Das An­ sehen, welches diese Wtirzelchen nach diesen sieben Tagen darboten, war sehr merkwiirdig, denn der schwarze Fettiiberzug war in die feinsten Lii.ngsstreifen ausgezogen worden mit Flecken und netzformigen Stellen, welche ihre Oberflii.che in einer Lilngenausdehnung von 26-44 mm oder von 1-1.7 Zoll bedeckten. Wir konnen daher schlieszen, dasz Fett auf die Spitzen der Wiirzelchen dieses Phaseolus aufgetragen die geotropische Kriimmung des Theils , welcher sich am meisten biegen miiszte, et was aufhii.lt und verringert.

Gossypium herbaceum. - Die Wiirzelchen dieser Pflanze biegen sich durch Einwirkung des Geotropismus in einer Lange von ungefii.hr 6 mm. An fiinf, in feuchter Luft horjzontal gestellten Wiirzelchen wurde die Spitze mit dem Atzmittel beriihrt, und die Entfii.rbung erstreckte sich

auf eine Lange von 2/s bis 1 mm. Sie zeigten nach 7 Stunden 45 Min.

und dann wiederum nach 23 Stunden nicht eine Spur von Geotropismus; nnd doch hatte die terminale Partie von 9 mm Lange im Mittel bis zu

15.9 mm zugenommen. Secbs zur Controle dienende Wiirzelchen waren nach 7 Stunden 45 Min. sii.mmtlich deutlich geotropisch, zwei von ihnen hiengen senkrecht herab und nach 23 Stunden waren sie alle senkrecht oder nahezu so.

Cucurbita ovifera. - Eine grosze Anzahl von Versuchen ergab sich als beinahe unniitz, und zwar ans den folgenden Ursachen: Erstens sind die Spitzen von Wiirzelchen, welche schon etwas alt geworden sind, nur in schwachem Grade geotropisch, wenn sie in feuchter Luft gehalten werden; auch batten wir in unseren Versuchen keinen rechten Erfolg, bis die keimenden Samen in Torf gebracht und unter einer verhaltnismii.szig hohen Temperatur gehalten wurden. Zweitens wurden die Hypocotyle der Samen, welche an die Deckel der Glasgeiasze mit Stecknadeln befestigt wurden, allmii.hlich bogenformig gekriimmt, und da die Cotyledonen flxirt waren, afficirte die Bewegung des Hypocotyls die Stellung des Wiirzelchens und verursachte Verwirrung. Drittens ist die Spitze des Wiirzelchens so. fein, dasz es schwierig ist, nicht entweder zu viel -oder zu wenig zu cauterisiren. Im Allgemeinen brachten wir es doch dahin, diese letztere Schwierigkeit zu liberwinden, wie die folgenden Experimente zeigen, welche mitgetheilt werden um zu beweisen, dasz eine Berlihrung mit einem Atzmittel auf einer Seite der Spitze den oberen Theil des Wllrzel chens nieht sich zu biegen verhindert. Zehn Wurzelehen wurden hori­ zontal unter und auf feuchten, zerreiblichen rorf gelegt, und ihre Spitzen wurden mit dem Atzmittel auf der oberen Seite beriihrt. Nach 8 Stunden waren sie sammtlich deutlieh geotropiseh, drei von ihnen reehtwinklig; nach 19 Stunden waren sie sii.mmtlieh stark geotropiseh, die meisten von

 

[page break] 462 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. 11.

 

ihnen wiesen senkrecht abwii.rts. An Z£hn anderen, ii.hnlich gestellten Wilrzelchen wurde die Spitze mit dem Atzmittel auf der unteren Seite berilhrt; nach 8 Stunden waren drei unbcdeutend geotropisch, aber nicht annii.hernd so viel, wie die geringste geotropische Krilmmung der vorher­ gehenden Exemplare war; vier bliehen horizontal, und drei wurden im Gegensatz zum Geotropismus aufwilrts gekrilmmt. Nach 19 Stunden waren die drei, welche unbedeutend geotropisch gewesen waren, nun stark geotropisch geworden. Von den vier horizontalen Wiirzelchen zeigte eines allein eine Spur von Geotropismus; von den drei aufwii.rts gekriimmten Wilrzelchen behielt eins diese Kriimmung bei und die anderen zwei waren horizontal geworden.

Die Wiirzelchen dieser Pflanze gedeihen, wie bereits bemerkt wurde, in fenchter Luft nicht gut, aber das Resultat eines Versur.hes mag noch kurz mitgetheilt werden. Neun junge Wiirzelchen von einer Lange von zwischen 0.3 und 0.5 Zoll, deren Spitzen cauterisirt und in einer Lii.ngen­

ausdehnung, die niemals 1/2 mm iiberstieg, geschwii.rzt waren, wurden zusammen mit acht Controlexemplaren horizontal in feuchter Luft aus­ gestreckt. Nach Verlauf von nur 4 Stunden 10 Min. waren die sii.mmt­

lichen Controlwiirzelchen unbedeutend geotropisch, wii.hrend nicht eines der cauterisirten Exemplare eine Spur dieser Wirkung zeigte. Nach 8 Stunden 35 Min. bestand die uii.mliche Verschiedenheit. zwischen den zwei Sii.tzen, aber eher noch etwas starker ausgesprochen. In dieser Zeit waren beide Sii.tze bedeutend an Lange gewachsen. Indessen wurden die Control­ exemplare niemals vie! mehr abwii.rts gekriimmt, und nach 24 Stunden bestand kein groszer Unterschied zwischen den zwei Sii.tzen in dem Grade ihrer Krummung.

Acht junge Wiirzelchen von nahezu gleicher Lange (im Mittel 0.36 Zoll) wurden unter und auf Torferde gelegt und einer Temperatur von 23.8 bis

24.4 C. ausgesetzt. Ihre Spitzen waren quer mit dem Atzmittel beriihrt, und fiinf von ihnen waren in einer Lii.ngenausdehnung von ungefii.hr

0.5 mm geschwii.rzt worden, wii.hrend die anderen drei nur eben sichtbar entfii.rbt waren. In demselben Kasten fanden sich 15 Controlwilrzelchen, meistens ungefii.hr 0.36 Zoll lang, aber einige etwas lii.nger und alter und daher weniger empfindlich. Nach 5 Stunden waren die 15 Control­ wiirzelchen sii.mmtlich mehr oder weniger geotropisch: nach 9 Stunden waren acht von ihnen unter den Horizont unter verschiedenen Winkeln zwischen 45° und 90 hinabgebogen, die iibrigen sieben waren nur un­ bedeutend geotropisch: nach 25 Stunden waren sie sii.mmtlich rechtwinklig geotropisch. Der Zustand der acht cauterisirten Wiirzelchen nach Verlauf derselben Zeiten war der folgende: nach 5 Stunden war nur eines allein unbedeutend geotropisch, und dies war eines, dessen Spitze nur sehr wenig entfiirbt war; nach 9 Stunden war das eine, oben erwahnte rechtwinklig geotropisch, und zwei andere waren es in geringem Grade, und diese waren diejenigen drei, welche durch das ltzmittel kaum afficirt waren; die andem filnf waren noch immer genau horizontal. Nach 24 Stunden 40 Min. waren die drei mit nur unbedeutend entfii.rbten Spitzen rechtwinklig ab­ wii.rts gebogen; die anderen fiinf waren nicht im mindesten affl.cirt; aber mehrere von ihnen waren ziemlich gewunden gewachsen, obgleich noch immer in einer horizontalen Ebene. Die acht cauterisirten Wilrzelchen,

 

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welche zuerst eine mittlere Lange von 0.36 Zoll batten, waren nach neun Stunden bis zu einer mittleren Lange von 0. 79 Zoll gewachsen and nach 24 Sturiden 40 Min. bis zu der auszerordentlichen mittleren Lange von 2 Zoll. Es bestand kein deutlicher Unterschied in der Lange zwischen den fiinf got cauterisirten Wiirzelchen, welche horizontal blieben, und den dreien mit unbedeutend cauterisirten Spitzen, welche abrupt abwarts gebogen wurden. Einige wenige der Controlwiirzelchen warden nach 25 Stunden gemessen und sie waren im Mittel nur ein wenig !anger als die caute­ risirten, namlicb 2.19 Zoll. Wir sehen hieraus, dasz ein Todten der auszersten Spitze des Wiirzelchens dieser Pflanze in einer Langenausdehnung von ungefahr 0.5 mm, obschon es die geotropische Biegung des oberen Theils anfhalt, doch kaum das Wachsthum des ganzen Wiirzelchens stort. In demselben Kasten mit den 15 Controlexemplaren, deren rapide geotropische Kriimmung und deren Wachsthom soeben beschrieben warden, fc\nden sich noch sechs Wiirzelchen von ungefii.hr 0.6 Zoll Lange hori­ zontal ansgestreckt, an denen die Spitzen in einer queren Richtung fiir eine Lange von kaum 1 mm abgeschnitten worden waren. Diese Wiirzel­ chen wuden nach 9 Standen and dann wiederum nach 24 Stunden 40 Min. untersucht, und sie waren alle horizontal geblieben. Sie waren nicht an­

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nahernd so gewnnden geworden, wie die oben beschriebenen, welche caute­

risirt worden waren. Die Wiirzelchen, deren Spitzen abgeschnitten worden waren, waren in den 24 Stunden 40 Min. nach dem bloszen Auge zu urtheilen so ,viel gewachsen wie die cauterisirten Exemplare.

ze:a mays. - Die Spitzen mehrerer, horizontal in feuchter Luft aus­ gestreckter Wiirzelchen wurden mit Loschpapier getrocknet und dann im ersten Versuche zwei oder drei Secundfln lang mit trockenem A.tzmittel beriihrt; dies war aber eine zu lange Beriihrung, denn die Spitzen warden in einer Langenausdehnung von etwas iiber 1 mm geschwarzt. Sie zeigten nach Verlauf von 9 Stunden kein Anzeichen von Geotropismus und wurden dann weggeworfen. In einem zweiten Versuche wurden die Spitzen von drei Wurzelchen eine kiirzere Zeit lang berilhrt und waren in einer Langenausdehnung von 0.5-0.75 mm geschwarzt; sie blieben. alle vier Stunden lang horizontal, aber nach 8 Stunden 30 Min. war eines von ihnen, an welchem die geschwarzte Spitze nor 0.5 mm lang war, zu 21 unter den Horizont geneigt. Sechs Controlwilrzelchen wurden sammtlich unbedentend geotropisch in 4 Standen und nach 8 Stunden 30 Min. stark geotropisch, wobei der Hauptsitz der Kriimmung meist zwischen 6 oder

7 mm von der Spitze lag. An den cauterisirten Exemplaren nahm der terminale wachsende Theil von 10 mm Lange wahrend der 8 Stunden 30 Min. bis zu einer mittleren Lange von 13 mm zn und an den Control­ exemplaren bis zu 14.3 mm.

In einem dritten Versuche wurden die Spitzen von fiinf Wilrzelchen (einer Temperatur von 21 bis 21.6 C. ausgesetzt) mit dem ltzmittel nur einmal nnd sehr nnbedeutend beriihrt; sie wurden spater unter dem Microscop nntersucht, und der Theil, welcher ftberhanpt•etwas entfarbt war, masz im Mittel 0.76 mm in der Lange. Nach 4 Stunden 10 Min. war keines gebogen, nach 5 Stnnden 45 Min. nnd wiedernm nach 23 Stun­ den 30 Min. waren sie noch immer horizontal, ansgenommen eines, welches nun 20 unter den Horizont geneigt war. Der terminale Theil von

 

[page break] 464 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. 11.

10 mm Lange hatte wahrend der 23 Stunden 30 Min. bedeutend an Lange zugenommen, namlich im Mittel bis zu 26 mm. Vier Controlwllrzelchen wurden nach den 4 Stunden 10 Min. nnbedeutend geotropisch und nach den 5 Stunden 45 Min. warcn sie deutlich geotropisch. Ihre mittlere Lange hatte nach den 23 Stunden 30 Min. von 10 mm bis• 31 mm zu­ genommen. Eine unbedeutende Cauterisation der Spitze hemmt daher nn­ bedeutend das Wachsthum des ganzen Wlirzelchens und halt offenbar die Biegung jenes Theiles auf; welcher sich unter dem Einfl.usz des Geotro­ pismus am meisten biegen sollte, und welcher noch immer fortiahrt an Lange zuzunehmen.

Schluszbemerkungen. - Es sind nun zahlreiche Belege dafiir mitgetheilt worden, dasz bei verschiedenen Pfl.anzen die Spitze des Wiirzelchens allein fiir Geotropismus empfindlich ist, und dasz, wenn sie in dieser Weise gereizt wird, sie es verursacht, dasz die be­ nachbarten Theile sich biegen. Die genaue Lange des empfindlichen Theils scheint etwas variabel zu sein und zum Theil von dem Alter des Wurzelchens abzuMngen; aber meistens geniigte die Zerstorung von einer Langenausdehnung von weniger als 1 bis 1.5 mm. (unge­ fahr Zoll) bei den verschiedenen beobachteten Species, es zu ver­ hindern, dasz sich irgend ein Theil des Wiirzelchens innerhalb 24 Stunden oder selbst in einer noch H!.ngeren Periode biege. Die Thatsache, dasz die Spitze allein empfindlich ist, ist eine so merk­ wiirdige, dasz wir hier eine kurze Zusammenfassung der vorausgehenden Versuche geben wollen. An 29 hori;wntal ausgestreckten Wurzelchen von Vicia faba wurden die Spitzen abgeschnitten, und mit einigen. wenigen Ausnahmen wurden sie in 22 oder 23 Stunden nicht geo­ tropisch, wahrend nicht verstiimmelte Wiirzelchen sich in acht oder neun Stunden immer abwarts bogen. Es ist im Auge zu behalten, dasz der blosze Akt des Abschneidens der Spitze eines horizontal aus­ gestreckten Wiirzelchens die benachbarten Theile nicht am Biegen hin­ dert, wenn die Spitze vorher ein oder zwei Stunden lang der Ein­ wirkung des Geotropismus ausgesetzt gewesen war. Die Spitze wird nach der Amputation zuweilen in drei Tagen vollstandig regenerirt, und es ist moglich , dasz sie im Stande sein Mnnte , einen Anstosz den benachbarten Theilen zu iiberliefern, ehe sie vollsti!.ndig regenerirt ist. Die Spitzen von sechs Wiirzelchen von Cucurbita ovifera wurden gleich denen von Vicia faba amputirt, und diese Wiirzelchen zeigten in 24 Stunden kein Anzeichen von Geotropismus , wahrend die Con­

trolexemplare in fii.nf Stunden unbedeutend, und in neun Stunden stark

afficirt waren.

 

[page break] Cap. 11. Fortgeleitete Wirkungen: Schluszbemerkungen. 465

• Bei zu sechs Gattungen geMrigen Pflanzen wurden die Spitzen der Wurzelchen quer mit dem trockenen ltzmittel beriihrt, und die hierdurch verursachte Verletzung erstreckte sich selten in eine groszere L!ingenausde nung als 1 mm und zuweilen bis in eine geringere Ent­ fernung, wie nach der selbst blassesten Entfarbung beurtheilt wurde. Wir glaubten , dasz dies eine bessere Methode, den Vegetationspunkt zu zerstoren sein diirfte , als ihn abzuschneiden; denn wir wuszten aus vielen friiheren Experimenten und aus einigen in dem vorliegenden Capitel mitgetheilten , dasz eine Beriihrung mit dem ltzmittel auf einer Seite der Spitze, weit entfernt davon die Biegung des benach­ barten Theils zu verhindern, ihn veranlaszte sich zu biegen. In slimmt­ lichen folgenden Fallen wurden Wiirzelchen mit nicht cauterisirten Spitzen in derselben Zeit und unter ahnlichen Umstanden beobachtet, und sie wurden in beinahe jedem einzelnen Falle in der Halfte oder einem Drittel der Zeit deutlich abwarts gebogen, wahrend welcher die cauterisirten Exemplare beobachtet wurden. Bei Vicia faba wurden

19 Wurzelchen cauterisirt; zwolf blieben wahrend 23-24 Stunden horizontal, sechs wurden unbedeutend und eines stark geotropisch. Acht von diesen Wiirzelchen wurden spater umgekehrt und wiederum mit dem ltzmittel beriihrt, und keines von ihnen wurde in 24 Stunden geotropisch, wahrend die umgedrehten Controlexemplare innerhalb dieser Zeit stark abwarts gebogen wurden. Bei Pisum sativwn wurden an funf Wtirzelchen die Spitzen mit dem Atzmittel beriihrt, und nacb

32 Stunden waren vier noch immer horizontal. Die Controlexemplare waren in 7 Stunden 20 Minuten unbedeutend, und in 24 Stunden stark

. geotropisch. Die Spitzen von neun anderen Wiirzelchen dieser Pflanze wurden nur auf ibrer unteren Seite berfihrt und sechs von ihnen blieben 24 Stunden lang horizontal oder wurden im Gegensatz zum

, Geotropismus nach oben gewandt. Zwei waren unbedeutend und eines

.deutlich geotropisch. Bei Phaseolus multifiorus wurden 15 Wfirzelchen cauterisirt, und acht blieben 24 Stunden lang horizontal, wahrend sli.mmtliche Controlexemplare in 8 Stunden 30 Minuten deutlich geo­ tropisch waren. Von 5 cauterisirten Wurzelchen von Gossypium her­ baceum blieben vier 23 Stunden lang horizontal, und eines wurde un­ bedeutend geotropisch; secbs Controlwfirzelchen waren in 7 Stunden

45 Minuten deutlich geotropisch. Fiinf Wfirzelchen von Oucurbita ovifera blieben in. Torfe.rde 25 Stunden horizontal, und neun blieben in feuchter Luft wii.hrend 8½ Stunden horizontal, wahrend die

DARWIN, Bewegungsvermogen. (XUI.) 30

 

[page break] 466 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. ll.

Controlwiirzelchen in 4 Stunden 10 Minuten unbedeutend geotropiscb wurden. Die Spitzen von 10 Wfirzelchen dieser Pflanze wurden auf ihren unteren Seiten berilhrt nnd sechs von ihnen waren nach 19 Stunden horizontal geblieben oder nach oben gewendet ; eines waf unbedeutend und drei stark geotropisch.

Endlich wurden die Spitzen von mehreren Wfirzelchen von Vicia

faba und Phaseolus multifiorus dick in einer La.ngenausdehnung von 3 mm mit Fett fiberzogen. Diese Substanz, welche den meisten Pflanzen im hohen Grade schll.dlich ist, tMtete die Spitzen nicht, anch hemmte sie nicht ihr Wachsthum , sondern verringerte nur unbedeutend die Geschwindigkeit des Wachsthums des ganzen Wfirzelchens; sie hielt aber meistens die geotropische Abbiegung des oberen Theils ein wenig auf. Die verschiedenen vorstehend erwll.hnten Falla wfirden nichts aus­ sagen, wenn die Spitze selbst der Theil wll.re, welcher am meisten gebogen wird; wir wissen aber, dasz es ein von der Spitze um einige Millimeter entfernter Theil ist, welcher am schnellsten wl1chst, und welcher unter dem Einflusz von Geotropismns sich am meisten biegt. Wir haben keinen Grund zn vennuthen, dasz dieser Theil durch das Absterben oder eine Verletzung der Spitze beschli.digt wird, und sicher ist es, dasz, nachdem die Spitze zerstort worden ist, dieser Theil mit einer solchen Geschwindigkeit zu wachsen fortf'Ahrt, dasz seine Lll.nge hAufig in einem Tage verdoppelt wird. Wir haben auch gesehen, dasz die Zerstorung der Spitze die Kriimmnng des benachbarten Theils nicht hindert, wenn dieser Theil bereits etwas Einflusz von der Spitze her erhalten hatte. Da bei horizontal ausgestreckten Wfirzelchen, an denen die Spitzen abgeschnitten oder zerstort worden waren, der Theil, welcber sich am meisten biegen sollte, viele Stunden • oder Tage lang bewegungslos blieb, obgleich er rechtwinklig dem vollen Einflusse des Geotropismus ausgesetzt war, so miissen wir schlieszen, dasz die Spitze allein fur diese Kraft emp:findlich ist und irgend einen Einflusz oder Reiz auf die benachbarten Theile iiberliefert und sie veranlaszt sich zu biegen. Wir haben directe Belege fur eine solche Leitung; denn

wenn ein Wiirzelchen horizontal .1 Stunde oder 1 ½ Stunden aus­

gestreckt gelassen wurde, in welcber Zeit der vorausgesetzte Einflusz eine kurze Strecke weit von der Spitze sich bewegt haben wird, und die Spitze dann abgeschnitten wurde, so wurde das Wiirzelcben spater gebogen, obschon es senkrecht gestellt wurde. Die terminalen Theile mehrerer in dieser Weise behandelten Wfmelchen fuhren nach einiger

 

[page break] Cap. 11. Fortgeleitete Wirlrnngen : Schluszbemerkungen. 467

Zeit in der Richtung ihrer neuerlangten Kriimmung zu wachsen fort ; denn da sie nun der Spitze beraubt waren, wirkte der Geotropismus nicht limger mehr auf sie ein. Aber nach drei oder vier Tagen, wahrend sich neue Vegetationspunkte gebildet batten, wurden die Wiirielchen wiederum vom Geotropismus beeinfluszt, und nun kriimmten sich dieselben senkrecbt abwarts. Um irgend etwas der geschilderten Art im Thierreiche zu sehen, miiszten wir annehmen, dasz ein Thier, wll.hrend es niedergelegen hatte, sich vornahm in irgend einer beson­ deren Richtung sicb zu erheben, und dasz, nachdem sein Kopf ab­ geschnitten worden ist, ein Reiz den Nerven entlang, welcher zu den betreffenden Muskeln geht, sehr langsam sich fortsetzte, so dasz nach mehreren Stunden das kopflose Thier in der vorher bestimmten Richt­ ung aufstiinde.

Da gefunden worden ist, dasz die Spitze des Wiirzelchens in Gliedern so verschiedener Familien, wie den Leguminosen, Malvaceen, Cucurbitaceen und Gramineen, der Theil ist, welcher fiir Geotropismus empfindlich ist, so konnen wir schlieszen, dasz dieser Character der Wurzeln den meisten Pflanzens!tmlingen gemeinsam zukommt. Wll.h­ rend eine Wurzel den Boden durchbohrt, musz die Spitze voraus­ schreiten, und wir kOnnen den Vortheil davon, dasz sie fiir Geotropis­ mus empfindlich ist, sehen, da sie den Verlauf der ganzen Wurzel zu bestimmen hat; sobald nur immer die Spitze durch irgend ein unter der Erde gelegenes Hindernis abgelenkt wird, wird es auch ein Vor­ theil sein, dasz eine betrachtliche Lange der Wurzel im Stande sei sich zu biegen, besonders noch, da die Spitze selbst langsam wachst und sich nur wenig biegt, damit die gehorige Abwartsrichtung bald wieder erlangt werde. Auf den ersten Blick scheint es aber unwesent­ lich zu sein, ob dies dadurch ausgefiihrt wird , dasz der ganze wach­ sende Theil fiir Geotropismus empfindlich ist, oder dasz ein Einflusz ausschlieszlich von der Spitze ans iiberliefert werde. Wir miissen in­ dessen daran erinnern, dasz es die Spitze ist, welche fiir Beriihrung mit harteniGegenstanden empfindlich ist und es verursacht, dasz das Wiirzelchen sich von ihnen wegbiegt, und dies damit den Richtungen des geringsten Widerstandes im Boden entlang fiihrt. Es ist ferner auch die Spitze, welche wenigstens in einigen Fallen fiir Feuchtigkeit empfindlich ist und das Wiirzelchen veranlaszt sich nach ihrer Quelle hinzubiegen. Diese beiden Arten von Empfindlichkeit iiberwinden eine Zeit lang die Empfindlichkeit fiir Geotropismus , welcher indessen

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[page break] 468 Empfindlichkeit gegen die Schwerkraft. Cap. 11.

schlieszlich vorherrscht. Es mussen daher die drei Arlen von Empfind­ lichkeit hl!.ufig in Antagonismus kommen. Zuerst herrscht die eine vor und dann eine andere, und es wurde ein Vortheil, vielleicht sogar eine Nothwendigkeit fur das Abwligen und Ausgleichen dieser drei Arten von Empfindlichkeit sein, dasz sie sammtlich in denselben Gruppen von Zellen localisirt sind, welcbe den benachbarten Thei]en

des Wtirzelcbens den Befehl zu iibermitteln haben•, dasz sich dasselbe

nach der Quelle des Reizes bin oder von ihr weg zu biegen babe.

Endlich hat die Thatsache, dasz die Spitze allein fur die Wirk­ ung der Schwerkraft empfindlich ist, eine bedeutungsvolle Tragweite in Bezug auf die Theorie des Geotropismus. Die Botaniker scheinen allgemein die Biegung eines Wurzelchens nach dem Mittelpunkt der Erde hin als das directe Resultat der Gravitation zu betrachten, von der man glaubt, dasz sie das Wachsthum der oberen und unteren Flacben in einer solchen Weise modificirt, dasz eine Krummung in der gehorigen Richtung veranlaszt werde. Wir wissen aber jetzt, dasz es allein die Spitze ist, welche beeinfluszt wird, und dasz dieser Theil einen Einflusz auf die l:ienachbarten 'l'heile uberleitet und es ver­ ursacht, dasz diese sich abwarts kriimmen. Die Schwerkraft scbeint in keiner directeren Weise auf ein Wurzelchen einzuwirken, als sie auf irgend ein niedrig organisirtes Thier wirkt, welches sich fortbewegt, wenn es irgend ein Gewicbt oder einen Druck fuhlt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Zwolftes Oapitel,

Znsammenfassnng nnd Schlnszbemerknngen.

Natur der circumnutirenden Bewegung. - Geschichte eines keimenden Samenkoms.

Das Wiirzelchen tritt zuerst hervor und circumnutirt. - Seine Spitze in hohem Grade empfindlich. - Hervorbrechen des Hypocotyls und des Epicotyls aus der Erde unter der Form eines Bogens. - Seine Circumnutation und die der Cotyledonen. - Der Siimling treibt einen blatttragenden Stamm. - Die Circumnutation siimmtlicher Theile oder Organe. - Modificirte Circumnutation.

Epinastie und Hyponastie. - Bewegungen kletternder Pflanzen. - Nycti­ tropische Bewegungen. - Durch Licht und Gravitation angeregte Bewegungen.

Localisirte Empfindlichkeit. - .Ahnlichkeit zwischen den Bewegungen der Pflanzen und Thiere. - • Die Spitze des WUrzelchens wirkt wie ein Gehii;n.

Es diirfte ftlr den Leser von Nutzen sein, wenn wir kurz die Hauptschluszfolgerungen zusammenfassen, welche, so weit wir es be­ urtheilen konnen, durch die in diesem Bande gemachten Beobachtungen ziemlich gut sichergestellt sind. Siimmtliche Theile oder Organe an jeder Pflanze sind , so lange sie zu wachsen fortfahren, und einige Theile, welche mit Polstern versehen sind , auch nachdem sie zu wachsen aufgehort haben, in bestii.ndiger circumnutirender Bewegung. Diese Bewegung beginnt selbst ehe der junge Samling durch die Erde durchgebrochen ist. Die Natur der Bewegung und ihre Ursachen sind, so weit dies ermittelt wurde , kurz in der Einleitung beschrieben worden. Warum jeder Theil einer Pflanze, so lange er wllchst, und in einigen Flillen, nachdem das Wachsthum aufgehort hat, mit stlirker turgescirenden Zellen und mit Zellw ndungen, die erst auf einer Seite und dann auf einer anderen ausdehnbarer sind, versehen ist, wodurch eben Circumnutation veranlaszt wird , ist unbekannt. Es m0chte scheinen, als ob die Ver!inderungen in den Zellen Ruheperioden ver­ langten.

 

[page break] 470 Zusammenfassung und Cap. 12.

In em1gen Fallen, so bei den Hypocotylen von Brassica, den Bln.ttern von Dionaea und den Gelenken der Gramineen, sieht man, dasz die circumnutirende Bewegung, wenn sie unter dem Microscop betrachtet wird ,. aus unz1!.hlig kleinen Oscillationen besteht. Der der Beobachtung unterliegende Theil springt plotzlich in einer Unge von

bis 0.001 Zoll vorwarts und zieht sich dann auf einen Theil dieser Strecke langsam zurtick, nach einigen wenigen Secunden schnellt er wiederum vorwarts, aber nur mit vielen Intermissionen. Die zuriick­ ziehende Bewegung ist allem Anscheine nach Folge der Elasticitat der widerstebenden Gewebe. Wie weit diese oscillirende Bewegung all­ gemein ist, wissen wir nicht, da nicht viele circumnutirende Pflanzen von uns unter dem Microscop beobachtet wurden; aber bei Drosera konnte mit einem zweizolligen Objectiv, welches wir benutzten, keine derartige Bewegung entdeckt werden. Die Erscheinung ist eine merk­ wtirdige. Der ganze Hypocotyl eines Kohlsamlings oder das ganze Blatt einer Dionaea konnte nicht vorwn.rts schnellen, wenn nicht eine sehr grosze Zahl von Zellen auf einer Seite gleichzeitig afficirt wiirde.

Haben wir nun anzunehmen, dasz diese Zellen stetig auf einer Seite immer mebr und mehr turgesciren, bis der Theil plotzlich nachgibt und sich biegt und das veranlaszt, was man ein _microscopisch minutioses Erdbeben in der Pflanze nennen konnte, oder werden die Zellen auf einer Seite plotzlich in einer intermittirenden Art und Weise turges­ cent, wobei eine jede hierdurch veranlaszte Vorwn.rtsbewegung in der Elasticitat der Gewebe einen Widerstand findet?

Circumnutation ist von oberster Bedeutung in dem Leben jeder Pflanze; denn <lurch eine Modification derselben sind viele, in hohem Grade wohlthatige und nothwendige Bewegungen erlangt worden. Wenn das Licht eine Seite einer Pflanze trifft, oder das Licht mit Dunkelbeit wechselt, oder wenn die Schwerkraft auf einen aus der Lage gebrachten Theil wirkt, wird die Pflanze in irgend einer un­ bekannten Weise beflihigt, die immer variirende Turgescenz der Zellen auf einer Seite zu erhohen, so dasz die gewohnliche circumnutirende Bewegung modificirt wird und der Theil sich nothwendig nach der er­ regenden Ursache bin oder von ihr wegbiegt; oder er kann auch eine neue Stellung annehmen, wie in dem sogenannten Schlaf der Pflanzen. Der Einflusz, welcher die Circumnutation modificirt, kann von einem Theil auf einen andern tiberliefert werden. Eingeborene oder constitutionelle Veranderungen, die von irgend welcher auszeren Einwirkui'Jg unab-

 

[page break] Cap. 12. Schlusz bemerkungen. 471

hlingig sind , modificiren Mufig die circumnutirenden Bewegungen zu besonderen Perioden des Lebens der Pflanze. Da Circumnutation ganz allgemein vorhanden ist, so konnen wir einsehen, woher es kommt, dasz Bewegungen einer und derselben Art in den verschiedensten Gliedern der Pflanzenreihe entwickelt worden sind. Es darf aber nicht angenommen werden, dasz alle Bewegungen von Pflanzen aus modi­

:ficirter Circumnutation entstehen; denn, wie wir sofort sehen werden, haben wir Gnmd zu der Annahme, dasz dies nicht der Fall ist.

 

Nachdem wir diese wenigen vorlliufigen Bemerkungen gem cht baben, wollen wir in unserer Vorstellung einmal einen keimenden Samen nehmen und den Antheil betrachten, welchen die verschiedenen Bewegungen in der Lebensgeschichte der Pflanze nehmen. Die erste Verlinderung ist das Vortreiben des Wiirzelchens, welches sofort be­ ginnt zu circumnutiren. Diese Bewegung wird unmittelbar durch die Anziehung der Schwerkraft modificirt und wird geotropisch gemacht. Das Wiirzelchen biegt sich daher, angenommen der Same liege auf.

<ier Oberflache, schnell abwlirts, dabei einen mehr oder weniger spiralen Weg beschreibend, wie an den beruszten Glasplatten zu sehen ist. Die Empfindlichkeit fur die Schwerkraft hat in der Spitze ihren Sitz, und es ist die Spitze, welche irgend einen Einflusz auf die benach­ barten Theile hinleitet und sie dadurch veranlaszt, sich zu biegen. Sobald die Spitze, die von der Wurzelkappe beschiitzt ist, den Boden erreicht, durchdringt sie die Oberflache, wenn dieselbe weich oder zer­ reiblich ist, und der Act des Eindringens wird allem Anscheine nach durch die stoszweise oder circumnutirende Bewegung des ganzen Endes des Wiirzelchens unterstutzt. Wenn die Oberflache dicht ist und nicht leicht durchbohrt werden kann, dann wird der Same, selbst wenn er nicht schwer ist, durch das fortdauernde Wachsthum und die Ver­ langerung des Wurzelchens aus der Lage gebracht oder in die Rohe gehoben. Im Naturzustande aber werden Samen haufig mit Erde oder anderer Substanz bedeckt oder fallen in Spalten u. s. w., und hierdurch wird ein Widerstandspunkt geboten, und die Spitze kann leichter den Boden durchbohren. Aber selbst bei Samen , welche locker auf der Oberflache liegen, findet sich noch eine andere Hilfe : von dem oberen Theile des Wiirzelchens wird- eine Menge auszerst feiner Haare aus­ gesandt, und diese heften sich fest an Steine und andere Gegenstande an, welche auf der Oberflllche liegen, und konnen dies sogar bei Glas

 

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thun; hierdurch wird der obere Theil niedergehalten, wahrend die Spitze gegen den Boden driickt und sich in ihn einbohrt. Die Anheftung der Wurzelhaare wird durch die Verfliissigung der auszeren Oberfl.11.che der Cellulosen-WA.nde und durch das darauffolgende Hartwerden der verfl.i1ssigten Substanz bewirkt. Dieser merkwiirdige Process findet wahrscheinlich nicht sowohl zu dem Zwecke der Anheftung der Wiir­ elchen an oberfl.achlich gelegene Gegenstil.nde statt, sondern damit die •Haare in die dichteste Beriihrung mit den Theilchen im Boden gebracht werden, durch welche Mittel sie die•Schicht des sie umgeben­ den Wassers, zusammen mit irgend welcher darin aufgelosten Substanz absorbiren konnen.

Nachdem die Spitze den Boden bis zu einer geringen Tiefe dnrch­ bohrt hat, hA.lt die zunebmende Dicke des Wiirzelchens in Verbindung mit den Wurzelhaaren dasselbe fest an seiner Stelle, und nun treibt die durch das Lil.ngenwachstbum des Wiirzelcbens ausgeiibte Kraft die Spitze tiefer in den Grund. Diese Kraft, verbunden mit der dem

.queren Wachsthum folgenden gibt dem Wiirzelchen die Kraft eines Keils: selbst eine wachsende Wurzel von masziger Grosze, wie die eines Bohnensil.mlings , kann ein Gewicht von einigen Pfund aus der Lage bringen. Es ist nicht wahrscheinlich, dasz die Spitze, wenn sie in compacter Erde eingegraben ist , factisch circumnutiren und hier­ durch ihre Abwii.rtsbewegung unterstiitzen kann , aber die circum­ nutirende Bewegung wird die Spitze darin erleichtern, in irgend eine seitliche oder scbrage Spalte in der Erde oder in eine von einem Regenwurme oder einer Larve gemachten Hohle einzudringen, und sicher ist, dasz Wurzeln hii.ufig in den alten Hoblen von Wiirmem laufen. Bei dem Versuche zum Circumnutiren wird indessen die Spitze bestandig auf allen Seiten gegen die Erde driicken, uud dies kann kaum anders als von der bochsten Bedeutung fiir die Pflanze sein; denn wir haben gesehen, dasz, wenn kleine Stiickchen cartonartigen Papiers und sehr diinnen Papiers auf entgegengesetzten Seiten der Spitze angekittet wurden, der ganze wachsende Theil des Wiirzelchens gereizt wurde, sich von der Seite, welcbe den Carton oder die wider­ stehendere Substanz trug, weg und nach der das diinne Papier•tragen­ den Seite hinzubiegen. Wir konnen daher beiuahe sicher sein , dasz, wenn die Spitze einem Stein oder irgend einem andern Hindernis im Boden begegnet oder selbst nur Erde, welche auf einer Seite compacter ist als auf der andern , die Wurzel sich, soweit sie kann, von dem

 

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Hindernis-0der der widerstehenderen Erde wegbiegen und damit mit nie irrender Geschicklichkeit eine Richtung des mindesten Widerstandes einschlagen wird.

Die Spitze ist gegen ll\nger anhaltende Bertthrung mit einem Gegenstande empfindlicher als gegen Gravitation, wenn dieselbe schrl\g auf das Wiirzelchen wirkt und zuweilen sogar, wenn sie in der giinstigsten Richtung unter rechtem Winkel auf das Wiirzelchen einwirkt. Die Spitze wurde durch ein angeheftetes TrOpfchen von Schellack gereizt,

welches weniger als ¥h Gran (0.33 mg) wog; es ist daher empfind­ licber als die zarteste Ranke, namlich als die von Passifiora gracilis,

auf welche ein Stiickchen Draht, welches -;-0 Gran wog, kaum ein­ wirkte. Aber dieser Grad von Empfindlichkeit ist nichts im Vergleicbe mit derjenigen der Driisen von Drosera. Denn diese werden durc Stiickchen gereizt , die nur nho Gran wogen. Die Empfindlichkeit der Spitze kann nicht dadurcb erklart werden, dasz sie von einer diinneren Schicht von Geweben bedeckt wird, als die anderen Tbeile ; denn sie wird durcb die verMltnismil.szig dicke Wurzelkappe geschfitzt. Es ist merkwfirdig, dasz, obgleich das Wfirzelchen sich wegbiegt, wenn eine Seite der Spitze unbedeutend mit einem ltzmittel beriihrt wird, doch, wenn die Seite starker cauterisirt wird, die Verletzung zu grosz ist und das VermOgen, irgend einen Einflusz auf die benach­ barten Theile iiberzuleiten , welcher diese zu biegen veranlaszt, ver­ loren gebt. Es ist bekannt, dasz andere analoge Falle vorkommen.

Nacbdem ein Wurzelchen durcb irgend ein Hindernis abgebogen worden ist, gibt der Geotropismus der Spitze wiederum die Ricbtung, senkrecht abwiirts zu wachsen; Geotropismus ist aber eine schwache Kraft, und bier kommt, wie SACHS gezeigt hat, eine and re inter­ essante adaptive Bewegung ins Spiel; denn Wiirzelchen sind in einer Entfernung von einigen wenigen Millimetern von der Spitze gegen langer anhaltende Berfihrung in einer solchen Weise empfindlich, dasz sie sich nach dem beriihrenden Gegeiistande bin, anstatt von ihm weg bewegen, wie es eintritt, wenn ein Gegenstand eine Seite der Spitze berilhrt. Uberdies ist die hierdurcb veranlaszte Bewegung abrupt, und nur der gedriickte Theil allein biegt sich. Selbst geringer Druck reicht bin, wie ein Stiickchen auf eine Seite gekitteten Cartons. Es wird daher ein Wiirzelchen, welches iiber den Rand irgend eines Hindernisses im Boden biniibertritt, durcb die Wirkung des Geo­ tropismus gegen denselben driicken, und dieser Druck wird die Ursache,

 

[page break] 474 Zusammenfassung und Cap. 12.

dasz das Wiirzelcben sucbt, sich plOtzlich iiber den Rand zu biegen. Es wird hierdurch so schnell wie nur mOglicb seinen normalen Weg abwllrts wieder erlangen.

Wurzelchen sind auch gegen Luft, welche auf einer Seite mebr Feuchtigkeit, als auf der andern enthlllt, empfindlich und biegen sich nach der Feucbtigkeitsquelle bin. Es ist daher wahrscbeinlich, dasz sie in gleicher Weise auch fur die Feuchtigkeit im Boden empfind lich sind. In mehreren Fllllen wurde es ermittelt, dasz diese Empfind lichkeit in der Spitze ibren Sitz hat, welche einen Einflusz auf den benacbbarten oberen Theil iiberleitet und diesen dadurch veranlaszt, sich im Gegensatz zum Geotropismus nach dem feuchten Gegenstande bin zu bewegen. Wir kOnnen daher schlieszen, dasz Wurzeln von ibrem Wege abwarts nach irgend welcber Feuchtigkeitsquelle im Boden bin abgelenkt werden.

Ferner sind die meisten oder alle Wiirzelchen unbedeutend fiir Licht empfindlich und biegen sich daber nach der Angabe von WIESNER meist ein wenig von lihm weg. Oh dies fiir sie von irgend welchem Nutzen sein diirfte ist sehr zweifelhaft, aber bei Samen, welche auf der Oberflache keimen, wird es den Geotropismus unbedeutend darin unterstiitzen, dasz er die Wiirzelchen nach dem Boden bin richtet i, Wir ermittelten in einem Falle, dasz eine derartige Empfindlichkeit in der Spitze ihren Sitz hat und die benachbarten Theile sich vom Lichte wegzubiegen verursacht. Die von WIESNER beobachteten, in der Luft wachsenden Wurzeln waren sammtlicb apheliotropisch, und dies ist ohne Zweifel darin von Nutzen, dasz sie dieselben mit Baumst!l.mmen oder Oberflachen von Steinen in Beriihrung bringt, wie es ihre Ge­ wohnheit ist.

Wir sehen bieraus, dasz bei Samlingspflanzen die Spitze des Wiirzelchens mit verschiedenen Arten von Empfindlichkeit ausgeriistet ist, und dasz die Spitze den benachbarten wachsenden •Theileri die Richtung gibt, sich nach der erregenden Ursache bin oder von ibr weg zu biegen, je nach den Bediirfnissen der Pflanze. Die Seiten des W:iirzelcbens sind auch gegen Beriihrung empfindlich, aber in einer sehr verscbiedenen Art und Weise. Gravitation ist, obschon sie eine

1 Dr. Karl Richter, welcher diesem Gegenstande specielle Aufmerksamkeit gewidmet hat (Sitzungsber. d. kais. Acad. d. Wis,., Wien, 1879, 80. Bd., 1. Abth.,

p. 24), gibt an, dasz Apheliotropismus die Wiirzelchen beim Eindringen in den Boden nicht unterstiitzt.

 

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weniger wirksame Ursache der Bewegnng ist als die anderen oben speciell angeftihrten Reize, immer vorhanden, BO dasz sie 8Chlie8zlich vorherrscbt und da8 Abwa.rtswachsen der Wurzel bestimmt.

Das primare Wiirzelchen 8endet secundare aus, welche snbhori­ zontal vorspringen, und es wurde in einem Falle beobachtet, da8z die8e circumnutiren. Auch ihre Spitzen 8ind gegen Beriihrung empfindlich, und sie werden hierdnrch angeregt, sich von irgend einem bertihrenden Gegenstande wegzubiegen, so dasz sie in diesen Beziehungen, 80 weit sie beobachtet wurden, den priml\ren Wiirzelchen ahnlich sind. Warden sie aus der Lage gebracht, 80 nehmen sie, wie SACHS gezeigt hat, ihre urspriinglich snbhorizontale Stellung wieder ein, und dies ist allem Anschein nach Folge von Diageotropismus. Die secundaren Wiirzel­ chen senden tertiare aus, aber diese werden bei der Bohne nicht von der Gravitation beeinfluszt, und in Folge dessen springen sie in allen Richtungen vor. Hiernach ist die allgemeine Anordnung der drei Ordnungen von Wurzeln ausgezeichnet dazu angepaszt, den ganzen Boden nach Nahrung zu durchsnchen. •

. SACHS hat gezeigt, dasz, wenn die Spitze des primaren Wiirzel­ chens abgeschnitten wird (und die Spitze wird gelegentlich im Naturznstande bei Samlingen abgenagt werden), eines der secundaren Wiirzelchen senkrecht abwarts wachst in einer Weise, welches dem Aufwartswachsen eines Seitensprossen nach der Amputation des leiten­ den Sprossen analog ist. Wir baben bei den Wurzelchen der Bohne gesehen, dasz, wenn die primaren Wiirzelchen einfach zusammen­ gedruckt werdeu, anstatt abgeschnitten zu werden, so dasz ein Uber­ schusz von Saft in die secundaren Wiirzelchen geleitet wird, ihr natiirlicher Zustand gestort wird und sie abwarts wachsen. Andere, analoge Thatsachen sind mitgetheilt worden. Da alles, was die Con­ stitution stort, geneigt ist zum Riickschlag zu fiihren, d. h. zur Wieder­ annahme eines friiheren Characters, so erscheint es wahrscheinlich, dasz, wenn secundare Wiirzelchen abwarts oder Seitensprossen aufwarts wachsen, sie zu der ursprunglichen Weise des Wachsthums zuruck­ schlagen, welche den Wurzelchen und Sprossen eigenthiimlich ist.

Nach dem Vortreiben des Wiii.-zelchens durchbricht bei dicotyle­ donen Samen der Hypocotyl die Samenhiillen; wenn aber die Cotyledonen unterirdisch sind, so ist es der Epicotyl, welcher zuerst vorbricht. Diese Organe sind znerst ausnahmslos bogenformig gekriimmt, so dasz der. obere Theil zuriick und parallel mit dem unteren gebogen ist; sie

 

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behalten diese Form, bis sie ilber den Boden sich erhoben haben. lndessen sind es in einigen Fllllen die Stiele der Cotyledonen oder der ersten echten Blll.tter, welche eben so wohl die Samenhilllen als den Boden durchbohren, noch ehe _irgend ein Theil des Stammes vor­ treibt, und dann sind beinahe ausnahmslos die Blattstiele bogenformig gekrilmmt. Wir haben nur eine einzige Ausnahme gefunden, und das auch nur eine theilweise, nllmlich bei den Blattstielen der zwei ersten BlAtter von Acanthus candelabrum. Bei Delphinium nudicaule sind die Stiele der zwei Cotyledonen vollstllndig zusammengeflossen_ und durchbrechen den Boden als ein Bogen; spitter sind• die Stiele der nach einander sich entwickelnden ersten Bllltter bogenformig ge­ kriimmt und sie werden hierdurch• befahigt durch die Basis der zu­ sammenflieszenden Stiele der Cotyledonen durcbzubrechen. Bei Me­ garrhiza ist es die Plumula, welche bogenformig durch die aus dem Zusammenfl.ieszen der Cotyledonenstiele gebildete Rohre durch­ bricbt. Bei reifen Pfl.anzen sind die Bliithenstengel und die Blll.tter einiger weniger Species und die Rachis mehrerer Fame, wie sie ein­ zeln aus dem Boden hervortreten, gleichfalls bogenformig gekrilmmt. Die Thatsache, dasz so viele verschiedene Organe bei Pfl.anzen vieler Arten durch den Boden unter der Jt'orm eines Bogens durch­ brechen, zeigt, dasz dies in irgend welcher Weise fiir sie von hoher Bedeutung sein musz. Nach der Angabe von lIABERLANDT wird die zarte wacbsende Spitze hierdurch vor Abreiben geschiltzt, und dies ist wahrscheinlich die ricbtige Erklarung. Da aber beide Schenkel

des Bogens wachsen, so wird ibr Vermogen, durch den Boden z11

zu brechen, so lange bedeutend vergroszert werden, als die Spitze innerhalb der Samenhilllen bleibt und einen Unterstiltzungspunkt hat. Bei monoctoyledonen Pflanzen ist die Plumula oder der Cotyledon selten bogenformig gekrilmmt, wie wir gesehen haben; dies ist aber bei dem blatt!l.hnlichen Cotyledon der Zwiebel der Fall, und bier wird der Scheitel des Bogens durch eine specielle Protuberanz noch verstarkt. Bei den Gramineen wird der Scheitel des geraden, scheidenartigen Cotyledons zu einer harten, scharfen Leiste entwickelt, welche o:tfen­ bar dazu dient, durch die Erde durchzubrechen. Bei Dicotyledonen scheint es Mufig, als wenn die bogenformige Kriimmung des Epi­ cotyls oder Hypocotyls einfach das Resultat der Art und Weise wll.re, in welcber die Theile innerhalb des Samens zusammengepackt sind; es ist aber zweifelbaft, ob dies in allen Fallen die ganze Wahrheit

 

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ist, und sicherlich war es in manchen Fallen nicht so, in welchen wir sahen, dasz die bogenformige Krfimmung begann, nacbdem die Theile gD.nzlich aus den Samenh1illen hervorgetreten waren. Da die Kriimmung eintritt, in welcher Stellung auch nur immer die Samen gelegt wurden, so ist es ohne Zweifel Folge eines zeitweilig vermehrten Wachsthums von der Beschaffenheit der Epinastie oder Hyponastie der einen Seite des betreffenden Theils entlang.

Da diese Gewohnheit des Hypocotyls sich bogenformig zu kr1immen ganz universell zu sein scheint, so ist sie wahrscheinlich sehr alten Ursprungs. Es ist daher nicht iiberraschend, dasz sie vererbt wird, wenigstens in einer gewissen Ausdehnung, und zwar von Pflanzen, welche unterirdische Cotyledonen haben, bei denen der Hypocotyl nur unbedeutend entwickelt wird und niemals iiber den Boden vortritt, und bei denen die Kriimmung natiirlich gegenwartig vollig nutzlos ist. Diese Neigung erklart, wie wir gesehen haben, die Kriimmung des Hypocotyls (und die darauffolgende Bewegung des Wiirzelchens), welche zuerst von SACHS beobachtet wurde, und auf welche wir uns unter dem Namen von Sachs' Kriimmungc1,1tufig bezogen haben.

Die verschiedenen, vorstehend erwahnten, bogenformig gekriimmten Organe circumnutiren bestandig oder bemiihen sich zu circumnutiren, selbst ehe sie durch den Boden durchbrechen. Sobald irgend ein Theil des Bogens aus den Samenhiillen vortritt, wird er von Apogeotropismus beeinfluszt, und beide Schenkel biegen sich so schnell, als die um­ gebende Ertle es gestattet, aufwarts, bis der Boge'1 senkrecht steht. Durch fortdauerndes Wachsthum bricht er dann gewaltsam durch den Boden; da er aber bestandig dahinstrebt, zu circumnutiren, so wird dies sein Hervorbrechen in irgend einem unbedeutenden Grade unterstiitzen, denn wir wissen, dasz ein circumnutirender Hypocotyl feuchten Sand auf allen Seiten fortdriicken kann. Sobald der schwachste Lichtstrahl einen Samling erreicht, wird Heliotropismus ihn durch einen jedcn Spalt im Boden oder <lurch eine verwickelte Masse daruberliegender Vegetation hindurchfiihren, denn Apogeotropismus an sich fuhrt den•Samling nur blind nach oben. Es ist daher wahrscheinlich, dasz die Empfindlichkeit fiir Licht in der Spitze der ,Gotyledonen der Gramineen und in dem oberen Theile der Hypocotyle mindestens einiger Pflanzen ihren Sitz hat. In dem Masze, als der Bogen aufwarts wachst, werden die Coty­ ledonen aus dem Boden gezogen. Die Samenhtillen werden entweder eingegraben zurtickgelassen oder noch eine Zeit lang, immer die Coty-

 

[page break] 478 Zusammenfassung und Cap. 12.

ledonen einscblieszend, erhalten. Dieselben werden spitter einfach durch das Anscbwellen der Cotyledonen abgeworfen. Bei den meisten Cucurbitaceen ist' aber eine merkwiirdige, specielle Einricbtung zum Bersten der Samenbiillen vorbanden, so lange sie noch nnter der Erde sich befinden, nll.mlicb ein Zapfen an der Basis des Hypocotyls, welcher recbtwinklig vorspringt und die untere Hil.lfte der Samenbiillen nieder­ Mlt, wahrend das Wachsthum des •gekriimmten Tbeils des Hypocotyls die obere Hl!.lfte emporhebt und sie hierdurch in zwei Theile spaltet. Eine etwas analoge Bildung kommt bei Mimosa pudica und einigen anderen Pflanzen vor. Ebe die Cotyledonen vollstll.ndig ausgebreitet sind nnd divergirt haben, streckt sich meist der Hypocotyl d urch ver­ mehrtes Wachsthum der concaven Seite entlang, bierbei den Process umkebrend, welcher die bogenformige Kriimmung verursacht. Schliesz­ lich bleibt nicbt eine Spur der friiheren Kriimmung iibrig, ausgenommen bei den blattartigen Cotyledonen der Zwiebel.

Die Cotyledonen konnen nun die Function von Blil.ttern annehmen und Kohlensaure zersetzen; sie geben nun aucb anderen Theilen der Pflanze die Nahrungsstoffe ab, welche sie bll.ufig enthalten. Wenn sie einen groszen Vorrath von Nahrung enthalten, bleiben sie meist unter der Erde begraben in Folge der geringen Entwickelung des Hypocotyls, und hierdurch haben sie eine groszere Wahrscheinlichkeit, der Zer­ storung durch Tbiere zu eutgehen. Aus unbekannten Ursachen wird Nahrungsstoff zuweilen im Hypocotyl oder-im Wiirzelchen aufgespeichert, und dann wird einer der Cotyledonen oder beide rudimentar, wofiir mehrere Beispiele angeftihrt worden sind. Es ist wabrscheinlich, dasz die auszerordentliche Art und Weise zu keimen bei Megarrhiza cali­

f ornica, lpomoea leptophylla und pandurata und von Q•uercus virens

mit dem Vergrabensein der knollenartigen Wurzel 'im Zusammenhange steht, welche in einem frfihen Alter mit Nahrungsstoff gefiillt ist; denn bei diesen Pflanz n sind es die Stiele der Cotyledonen, welche zuerst aus dem Samen vortreten , und sie sind dann nur mit einem minutiosen Wiirzelchen und einem solchen Hypocotyl wie mit Spitzen besetzt. Diese Blattstiele biegen sich geotropisch wie eine Wurzel abwll.rts und durcbbohren den Boden, so dasz die ecbte Wurzel, welche spater bedeutend vergroszert wird, in einer geringen Tiefe unter der Oberflil.che eingegraben wird. Abstufungen in den Bildungen sind immer interessant, und A$A GRAY tbeilt uns mit, dasz bei Ipomoea Jalappa, welche haufig grosze Knollen bildet, der Hypocotyl doch noch von

 

[page break] Cap. 12. Schluszbemerkungen. 479

betrll.chtlicher Lange ist, und die Stiele der Cotyledonen nur maszig verlangert sind. Aber auszer dem durch das Verbergen des Nl!.br­ stoffes, welcber in den Knollen angehil.uft wird, erlangten Vortheile wird mindestens bei Megarrhiza die Plumula auch gegen die Froste des Winters dadurch bescbi1tzt, dasz sie eingegraben ist.

Wie voi- kurzem DE VRIES beschrieben bat, zieht bei vielen dico­ tyledonen Samlingen die Zusammenziehung des Parenchyms des oberen Theils des Wilrzelchens den Hypocotyl abwarts in die Erde, zuweilen (wie angegeben wird) selbst bis die Cotyledonen eingegraben sind. Bei einigen Species zieht sich der Hypocotyl selbst in einer ll.bnlichen Weise zusammen. Es wird angenommen, dasz dieser Process des Ein­ grabens dazu dient, die Samlinge gegen die Winterfroste zu schiitzen.

Unser Samling, dessen Entwickelung wir im Geiste verfolgen,' ist nun als Samling reif, denn sein Hypocotyl ist gerade und seine Coty­ ledonen sind vollstandig ausgebreitet. In diesem Zustande fahren der obere Theil des Hypocotyls und die Cotyledonen noch einige Zeit lang fort zu circumnutiren, meistens im Verhl!.ltnis zu der Grosze der Theile in weiter Ausdebnung und in rapider Gescbwindigkeit. Samlinge er­ langen aber durch dieses Bewegungsvermogen nur dann einen Vortheil, wenn es modificirt wird, und zwar besonders durch die Einwirkung des Lichtes und der Gravitation; denn sie werden hierdurch befil.higt rapider und in einer gr5szeren Ausdebnung sich zu bewegen , als es die meisten reifen Pflanzen tbun k5nnen. Samlinge sind einem schweren Kampfe urns Leben ausgesetzt , und es erscheint fur sie von hoher Bedeutung, dasz sie sich so schnell und so vollstandig wie m5glich an ihre Bedingungen anpassen konnen. Daher kommt es auch, dasz sie so ll.uszert empfindlich gegen Licht und Gravitation sind. Die Cotyledonen einiger wenigen Species sind fur eine Berftbrung empfind­ licb. Es ist wabrscheinlich, dasz dies nur ein indirectes Resultat der vorstehend erwll.bnten Arten von Empfindlichkeit ist; denn wir haben keinen Grund zu der Annahme, dasz sie daraus, dasz sie sich bei Be­ rilhrung bewegen, einen Vortheil erhalten.

Unser Samling treibt nur einen Stamm, welcher Blatter und baufig Zweige tragt , welche sammtlich , so lange sie jung sind, bestll.ndig circumnutiren. Wenn wir z. B. einen groszen Baum einer Acazie betrachten, so k5nnen wir sicher sein, dasz jeder einzelne der zahllosen wachsenden Sprossen bestandig kleine Ellipsen beschreibt, wie es aucb jeder Blattstiel, Nebenstiel und jedes Blattchen thut.

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Die letzteren bewegen sich eben so wie gewohnlicbe Blil.tter meistens in nahezu derselben senkrechten Ebene auf und nieder, so dasz sie sehr schmale Ellipsen bescbreiben. Die Blattstengel circumnutiren gleichfalls bestandig. Wenn wir unter den Boden sehen kOnnten, und wenn unsere Augen die Kraft eines Microscopes batten, so wilrden wir sehen, dasz die Spitze eines jeden Wurzelchens versucht kleine Ellipsen oder Kreise scl1wingend zu beschreiben, soweit es •der Druck der umgebenden Erde gestattet. Dieser erstaunliche Betrag an Be­ wegung ist in Thatigkeit gewesen Jahr fiir Jahr seit der Zeit, als der Baum in der Form eines Samlings zuerst aus dem Boden her­ vorbrach.

Stamme werden zuweilen in lange Auslanfer oder Stolonen ent­ wickelt. Diese circumnutiren in einer augenfalligen Weise und werden dadurch darin unterstiitzt, zwischen umgebenden Hindernissen oder iiber solche hinwegzutreten. Ob aber die circumnutirende Bewegung fiir diesen speziellen Zweck vergroszert worden ist, ist zweifelhaft.

Wir haben nun die Circumnutation in einer modificirten Form als die Quelle mehrerer groszer Classen von Bewegung zu betrachten. Die Modification kann durch eingeborene Ursachen oder durch auszere Einwirkungen bestimmt werden. Unter die erste Categorie fallen Falle, wo wir Blatter sehen, welcbe, wenn sie zuerst entfaltet werden, in einer senkrechten Stellung stehen und sich• allmablicb abwarts biegen, wenn sie alter warden. Wir sehen Bliithenstengel sicb nieder­ biegen, nacbdem die Bliltbe verwelkt ist, und andere sicb erbeben; oder ferner Stamme, welcbe sich mit ihren Spitzen zuerst so nieder­ biegen, dasz sie bakenformig sind, sicb spater gerade strecken nnd viele andere derartige Jt'alle. Diese Veranderungen der Stellung, welcbe Folgen von Epinastie oder Hyponastie sind, treten zu bestimmten l'erioden des Lebens der Pflanze ein und sind von irgend einer auszeren Einwirknng unabbangig. Sie werden nicbt durch eine bestandige Auf­

_warts- oder Abwartsbewegung bewirkt, sondern durcb eine Reihe kleiner Ellipsen oder durch Zickzacklinien, d. b. durch eine circum­ nutirende Bewegung, welche in irgend einer Richtung vorberrschend ist.

Ferner circumnutiren Kletterpflanzen, so lange sie jung sind, in der gewohnlichen Art und Weise; sobald aber der Stamm bis zu einer gewissen Hohe berangewachsen ist, welche Hohe fiir verschiedene Species verscbieden ist, verlangert er sich rapid, und nun wird die

. Amplitude der circumnutirenden Bewegung ungebeuer vergroszert,

 

[page break] Cap. 12. Schluazbemerkungen. 481'

oft'enbar um den Stamm darin zu begiinstigen eine Untersttitzung zu ergreifen. Der Stamm circumnutirt auch etwas gleichmllsziger nach allen Seiten bin , als bei den nicht kletternden Pfl.anzen. Dies ist augenftllig bei denjenigen Ranken der Fall, welche aus modificirten Blil.ttern bestehen, da diese weite Kreise beschreiben, wll.hrend nioht veril.nderte Blil.tter gewohnlich nahezu in derselben senkrechten Ebene oircumnutiren. Wenn Bliithenstengel in Ranken umgewandelt werden; ist ihre circumnutirende Bewegung in gleicher Weise bedeutend ver­ grOszert.

Wir komnien nun zu unserer zweiten Gruppe von circumnutirenden Bewegungen, nltmlich den durch ituszere Einwirkungen modificirten. Der sogenaimte Schlaf oder die nyctitropischen Bewegungen von Blattern werden durch den taglichen Wechsel von Licht und Dunkel­ heit bestimmt. Es ist nicht die Dunkelheit, welche sie anregt sich iu bewegen, sondern die Verschiedenheit in der Menge von Licht, welche sie wil.hrend des Tages und der Nacht erhalten; denn bei mehreren Species schlafen die Blatter, wenn sie w!Lhrend des Tages nicht hell beleuchtet worden sind, wahrend der Nacht nicht. Indessen erben sie eine Neigung sich zu den gehorigen Zeiten zu bewegen unabhangig von irgend welchem Wechsel in der Lichtmenge. Die Bewegungen sind in einigen Fallen auszerordentlich complicirt, aber in dem diesem Gegenstande gewidmeten Capitel ist eine ausflibrliche Zusammenfassung gegeben worden , so dasz wir bier nur wenig iiber

<liesen Gegenstand sagen wollen. Bla.tter und Cotyledonen nehmen ihre nachtliche Stellung auf zweierlei Weise an, durch Vermittlung von Polstern und oh;e eine solche Hilfe. In dem ersteren Falle dauert die Bewegnng so lange fort, als das Blatt oder der Cotyledon in voller Gesundheit bleibt, withrend sie im letzteren Falla nur so lange fortdauert, als der Theil im Wacbsen begriffen ist. Cotyledonen scheinen in einer verhitltnismltszig groszeren Anzahl von Species zu schlafen als Blatter. Bei manchen Species schlafen die Blittter nnd nicht die Cotyledonen, bei anderen die Coty edonen und nicht die Bl!ltter, oder es konnen auch beide schlafen und doch wltbrend der Nacht sebr verschiedene Stellnngen annebmen.

Obgleich die nyctitropiscben Bewegungen von Blattern und Coty­ ledonen wunderbar verscbiedenartig sind und zuweilen in den Species einer und derselben Gattung bedeutend von einander abweicben, so wird doch die Blattscheibe immer in eine solche Lage des Nachts

DARWIN, Bewegungsvermogen. (XIII.) 31

 

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gebracht, dasz ihre Oberfla.che so wenig wie moglich der vollen Strahlung ansgesetzt ist. Wir konnen nicht daran zweifeln, dasz dies der dnrch diese Bewegnngen erreichte Zweck ist; und es ist nachgewiesen worden, dasz Blatter, welche einem klaren Himmel ausgesetzt wurden, wllhrend ihre Scbeiben horizontal zu bleiben gezwungen wurden, viel mehr von der Ka.lte litten als andere, denen gestattet wurde ihre geMrige senk­ rechte Stellung anzunebmen. Ober diesen Gegenstand sind einige merkwiirdige Flllle mitgetheilt worden, welche zeigten, dasz horizontal ausgestreckte Bllltter des Nachts mehr litten, wenn die Luft, welche durch Strahlung nicht abgekiihlt wird, verbindert wurde frei unter ibren unteren Fli!.chen zu circuliren ; und dies war aucb der Fall, wenn den Blattem gestattet wurde an Zweigen zu schlafen, welche bewegungslos gemacbt worden waren. In einigen Species erheben sich die Blattstiele bedeutend des Nacbts, und die Fiedem schlieszen sich zusammen. Hierdurch wird die ganze Pflanze compacter gemacht, und eine viel kleinere Oberflllche wird der Strablung ausgesetzt.

Dasz die verschiedenen nyctitropiscben Bewegnngen der Blatter ein Resultat modificirter Circumnutation sind, ist, wie wir meinen, deutlich nacbgewiesen worden. In den einfachsten Fallen beschreibt ein Blatt wl!.brend der 24 Stunden eine einzige grosze Ellipse ; und die Bewegung ist so angeordnet, daez die Blattscheibe wahrend der Nacht eenkrecht stebt und am folgenden Morgen ihre friihere Stellung wieder annimmt. Der dabei eingeschlagene Weg weicht von gewohn­ licher Circumnutation nur in seiner groszeren Amplitude und darin ab , daez er spilt am Abend und zeitig am folgenden Morgen eine groezere Schnelligkeit hat. Wenn nicht angenommen wird, dasz diese Bewegung eine Circumnutationsbewegung ist, so circumnutiren solche Bll1tter gar nicht, und dies wiirde eine monstrose Anomalie sein. In anderen Fllllen beschreiben Bli!.tter und Cotyledonen mehrere senkrechte Ellipsen wl!.hrend der 24 Stunden, und am Abend wird eine von diesen in ibrer Amplitude bedeutend vergroszert, bis die Blattscheibe entweder aufwllrts oder abwllrts senkrecht steht. In dieser Stellung f'i!.hrt sie bis zum folgenden Morgen zu circumnutiren fort, wo sie ihre friihere Stellung.wieder annimmt. Dieee Bewegungen werden, wenn ein Polster vorhanden ist, hil.ufig durch die Rotation dee Blattes oder Bln.ttchens complicirt, und eine derartige Rotation kommt in einem geringen Maszstabe auch wll.hrend der gewohnlichen Circumnutation vor. Man eollte bier die vielen, die Bewegungen echlafender und nicht schlafen-

 

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der BlAtter und Cotyledonen darstellenden Zeichnungen vergleichen, und man wird sehen , dasz sie wesentlich gleich sind. Gewohnliche Circumnutation wird in eine nyctitropische Bewegung umgewandelt, erstens durcb eine Vermehrung in ihrer Amplitude , aber nicht in einem so bedeutenden Grade, wie bei kletternden Pflanzen, und zweitens dadurch, dasz sie in Beziehung zu dem Wechsel von Tag und Nacht periodisch gemacht wird. Es findet sich aber auch hliufig eine deut­ liche Spur von Periodicitli.t in den circumnutirenden Bewegungen nicht schlafender Blli.tter und Cotyledonen. Die Thatsache, dasz nyctitropische Bewegungen bei Species vorkommen, welche in vielen Familien durch die ganze Reihe . der Gefli.szpflanzen vertheilt sind, ist verstandlich, wenn sie das Resultat einer Modification der universell vorhandenen Bewegung der Circumnutation sind, im andern Falle ist die Thatsache unerklli.rbar.

Im siebenten Capitel haben wir den Fall einer Porliet•ia mit­ getheilt, deren Blli.ttchen den ganzen Tag wie im Schlafe geschlossen blieben, wenn die Pflanzen trocken gehalten wurden, augenscheinlich zu dem Zwecke, die Verdunstung zu verhindern. Etwas von derselben Art kommt auch bei gewissen Gramineen vor. Am Schlusse dieses nli.mlichen Capitals wurden einige wenige Beobachtungen iiber das hinzugefiigt, was man die Embryologie der Blatter nennen konnte. Die an jungen Sprossen an eingeschnittenen Pflanzen von Melilotus taurica entwickelten Blli.tter schliefen gleich denen von Trif olium, wllhrend die Blatter an den 11.lteren Zweigen an den nll.mlichen Pflanzen in einer sehr verschiedenen , der Gattung eigenthiimlichen Art und Weise schliefen; und nach den angefiihrten Grunden werden wir ver­ sucht, diesen Fall als einen Riickschlag auf eine friihere nyctitropische Gewohnheit zu betrachten. So ferner lli.szt uns bei Desmodium gyr.ans die Abwesenheit kleiner seitlicher Blll.ttchen an sehr jungen Pflanzen vermuthen, dasz der unmittelbare Urerzeuger dieser Art keine seit­ lichen Blll.ttchen besasz, und dasz ihr Auftreten in einem beinahe rudi­ mentll.ren Zustande in einem etwas vorgeschritteneren Alter das Resultat eines Riickschlags auf einen dreiblll.ttrigen Vorfahren ist. Wie sich dies auch verhalten mag, die rapiden circumnutirenden oder kreisenden Bewegungen der kleinen seitlichen Blattchen scheinen eine nachste Folge davon zu sein, dasz das Polster oder das Bewegungsorgan nicht annAhernd so bedeutend reducirt ist, wie die Blattscheibe, wAhrend der darauffolgenden Modificationen, welche die Species durchlaufen hat.

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[page break] 484 ZusammenfasS11Dg und Cap. 12.

Wir kommen nun zu der in hohem Grade wichtigen Classe von Bewegungen, welche eine Folge der Wirkung eines seitlichen Lichtes sind. Wenn Stllmme, Blll.tter oder andere Organe so gestellt werden, dasz eine Seite belier beleuchtet wird , als die andere, so biegen sie sich nach dem Lichte bin. Diese heliotropische Bewegung ist oft'enbar das Resultat einer Modification der gewohnlichen Circumnutation, und es konnte jede Abstufung zwischen diesen beiden Bewegungen verfolgt werden. Wenn das Licht schwach war, und nur sehr wenig auf einer Seite belier als auf der andern , so bestand die Bewegung aus einer Reihenfolge von Ellipsen, welche nach dem Lichte bin gerichtet waren, und von denen eine jede der Lichtquelle sich mehr nll.herte als die vorausgehende. Wenn der Unterschied im Lichte auf den zwei Seiten etwas groszer war, so wurden die Ellipsen in eine stark ausgesprochene Zickzacklinie ausgezogen, und wenn er viel groszer war, so wurde die Bewegung geradlinig. Wir haben zu der Annahme Grt.nd, dasz Ver­ llnderungen in der Turgescenz der Zellen die nll.chste Ursache der Be­ wegung der Circumnutation sind, und es scheint , als wenn bei einer Pflanze, welche auf den beiden Seiten ungleich beleuchtet wird, die sich fortwll.hrend verandernde Turgescenz der einen Seite entlang ver­ mehrt und den anderen Seiten entlang geschwll.cht oder vollstandig auf­ gehalten wurde. Vermebrter Turgescenz folgt gewobnlich ein vermehrtes Wachsthum, so dasz eine Pfl.anze, welche sich wahrend des Tages nach dem Lichte bin bewegt hat, in dieser Stellung fixirt wurde, wenn nicht wll.hrend der Nacht Apogeotropismus auf sie einwirkte. Aber mit Polstem versehene Tbeile biegen sich , wie PFEFFER gezeigt hat, nach dem Lichte bin, und bier kommt Wachsthum in keiner Weise mehr ins Spiel als bei den gewobnlichen circumnutirenden Bewegungen der Polster.

•Heliotropismus findet sich weit verbreitet durch das Pfl.anzenreich;

sobald aber nur immer in Folge verll.nderter Lebensgewohnbeiten irgend einer Pfl.anze derartige Bewegungen schadlich oder nutzlos werden, wird die Neigung_dazu leicht beseitigt, wie wir bei kletternden und Insecten­ fressenden Pfl.anzen sehen.

Apheliotropische Bewegungen sind in einem gut ausgesprocbenen Grade vergleichsweise selten, ausgenommen bei Luftwurzeln. In den beiden von uns untersuchten Fll.llen bestand die Bewegung sicher in modificirter Circumnutation.

Die Stellung, welche Blll.tter und Cotyledonen wllhrend des Tags

einnehmen, namlich mehr oder weniger quer zu der Richtung des

 

[page break] Cap. 12. Schluezbemerkuugeu. 485

Lichtes, ist nach der Angabe von FRANK Folge von dem, was wir Dia­ heliotropismus nennen. Da alle Blatter und Cotyledonen bestandig circumnutiren, so liiszt sich kaum daran zweifeln, dasz Diaheliotropis­ mus ein Resultat modificirter Circumnutation ist. Nach der Thatsache, dasz Bllltter und Cotyledonen sich haufig am Abend ein wenig er­ heben, scheint es, als wenn Diaheliotropismus wahrend der Mitte des Tages eine weit verbreitete Neigung zum Apogeotropismus zu iiber­ winden hatte.

Endlich ist bekannt, dasz die BHl.ttchen und Cotyledonen einiger Pflanzen durch zu viel Licht beschMigt werden; und wenn die Sonne hell auf sie scheint, bewegen sie sich aufwitrts oder abwarts oder drehen sich seitlich, dasz sie ihre Rander nach dem Lichte hinkehren und hierdurch der Schadigung entgehen. Diese paraheliotropischen Bewegungen bestehen sicher in einem Falle in modificirter Circum­ nutation , und dasselbe ist wahrscheinlich in allen Fallen der Jt'all, denn die Bl!ltter aller der beschriebenen Species circumnutiren in einer augenfll.lligen Weise. Diese Bewegung ist bis jetzt nur bei mit Polstern versehenen Blattchen beobachtet worden, bei welchen der vermehrten Turgescenz auf den gegeniiberliegenden Seiten kein Wachsthum folgt, und wir konnen einsehen, warum das der Fall sein musz, da die Be­ wegung nur fiir einen zeitweiligen Zweck erforderlich ist. Es wiirde offenbar fur die Pflanze unvortheilhaft sein, durch Wachsthum in ihrer geneigten Stellung fixirt zu werden ; denn sie haben, so bald wie mog­ lich, nachdem die Sonne aufgehort hat zu h.ell auf sie zu scbeinen, ihre friihere horizontale Stellung einzunehmen.

Die A.nszerste Empfindlichkeit gewisser Samlinge fii:r das Licht, wie es in unserem neunten Capitel nachgewiesen wurde, ist in hohem Grade merkwiirdig. Die Cotyledonen von Phalaris wurden nach einer entfernten Lampe bin gekriimmt, welche so wenig Licht ausgab, dasz ein senkrecht dicht beiden Pflanzen gehaltener.Bleistift keinen Schatten warf, welchen das Auge auf einem weiszen Cartonstiick hatte bemerken konnen. Diese Cotyledonen wurden daher durch eine Verschiedenheit in der Lichtmenge auf den beiden Seiten afficirt, welche das Auge nicht unterscheiden konnte. Der Grad ihrer Kriimmung innethalb einer gegebenen Zeit nach einem seitlichen Lichte bin entspricht durch­ aus nicht streng der Lichtmenge, welche sie erhielten. Dabei war das Licht zu keiner Zeit im Excess vorhanden. Sie fuhren beinahe eine halbe Stunde lang fort, sich nach einem seitlichen Lichte bin

 

[page break] 486 Zuaammenfaesung und Cap. 12.

zu biegen , nachdem dasselbe ausgelOscht war. Sie biegen sich mit wunderbarer Genauigkeit nach ihm bin , und dies bllngt von der Be­ leuchtung einer ganzen Seite oder von der Verdunkelung der ganzen entgegengesetzten Seite ab. Die Verscbiedenbeit in der Lichtmenge, welche Pflanzen zu irgend einer Zeit im Vergleich zu dem erbalten, was sie kurz vorber erhalten haben, scheint in alien Fll.llen die bauptsll.cblicbe erregende Ursache dieser Bewegungen zu sein, welche durch das Licht beeinfluszt werden. So biegen sich Sllmlinge, die aus dem Dunkeln nach einem scbwacben, seitlichen Lichte gebracht werden, zeitiger als andere, welcbe vorber dem Tageslicht ausgesetzt gewesen waren. Wir haben mehrere analoge Flllle bei den nyctitropischen Bewegungen der Blatter gesehen. Ein auffallendes Beispiel wurde an den periodischen Be­ wegungen der Cotyledonen einer Cassia beobachtet ; am Morgen wurde ein Topf in einen dunklen Theil eines Zimmers gebracht, und slimmt­ licbe Cotyledonen erhoben sich geschlossen; ein anderer Topf stand im Sonnenlichte, und die Cotyledonen blieben natilrlich ausgebreitet; beide TOpfe wurden nun dicht zusammen in die Mitte des Zimmers gestellt, und die Cotyledonen , welche der Sonne ausgesetzt gewesen waren, fiengen sofort an, sich zu schlieszen, wllhrend die anderen sicb Offneten, so dasz die Cotyledonen in den beiden Topfen sich, wllhrend sie dem­ selben Grade von Licht ausgesetzt gewesen waren, in genau entgegen­ gesetzten Richtungen bewegten.

Wir haben gefunden, dasz, wenn S11.mlinge, die an einem dunklen Orte gehalten waren , seitlich durch einen kleinen Wachszilnder nur wlihrend zweier oder dreier Minuten in Zwischenrilumen von ungefll.hr drei Viertelstunden beleucbtet wurden, sie slimmtlich nach dem Punkte hingebeugt wurden, wo der Wachszilnder gehalten worden war. Wir waren 1lber diese Thatsache sehr 1lberrascht, und bis wir WIESNER's Beobachtungen gelesen batten, schrieben wir sie den Nachwirkungen des Lichts zu ;• er hat aber gezeigt, dasz derselbe Grad von Krtimmung bei einer Pflanze im Verlaufe einer Stunde durch mehrere unter­ brochene Beleuchtungen, welche zusammen 20 Minuten dauern kOnnen, veranlaszt werden kann, wie durch eine fortdauernde Beleuchtung von 60 Minuten. Wir glauben, dasz dieser Fall, ebenso wie unsere eigenen, dadurch erklllrt werden kann, dasz die Reizung durcb das Licht nicht sowohl eine Folge seiner factischen Menge als der Verschiedenheit in der Menge von der frtlher empfangenen ist; und in unserem Falle traten mehrere wiederholte Anderungen von vollstAndiger Dunkelheit

 

[page break] Cap. 12. Schluszbemerkungen. 487

zum Lichte ein. In diesen und in mehreren von den oben speciell an­ gefiihrten Beziehungen scheint das Licht auf die Gewebe der Pflanze bei­ nahe in derselben Weise zu wirken, wie auf das Nervensystem der Tbiere. Es :findet sich noch eine vial auffallendere Analogie derselben Art darin, dasz die Emp:findlichkeit fiir Licht in den Spitzen der Cotyle­ donen von Phal,aris und Avena und in dem oberen Theile der Hypo­

.cotyle von Brassica und Beta localisirt ist, und darin, dasz die Fort­ leitung eines Einflusses von diesen oberen zu den unteren Theilen die letzteren veranlaszt sich . nach dem Lichte hinzubiegen. Dieser Ein­ flusz -wird auch unter der Erde bis zu einer Tiefe bin fortgeleitet, w:o kein Licht hindringen kann. Es folgt aus dieser Localisation, dasz die unteren Theile der Cotyledonen von Phalaris etc., welche normal stii.rker nach einem seitlichen Lichte hingebogen werden, als die oberen Theile, wii.hrend vieler Stunden hell beleuchtet sein kfinnen und doch nicht im mindesten sich biegen werden, wenn alles Licht von der Spitze ausgeschlossen ist. Es ist ein interessanter Versuch, Kappen iiber die Spitzen der Cotyledonen von Phalaris zu stecken und sehr wenig Licht

<lurch minutiose Off'nungen auf einer Seite der Kappen eintreten zu lassen; denn der untere Theil der Cotyledonen wird sich dann nach dieser Seite und nicht nach der Seite hin biegen, welche wl1hrend der ganzen Zeit bell beleuchtet worden ist. Was die Wiirzelchen von Sinapis alba betriff't, so hat auch hier die Empfindlichkeit filr Licht in der Spitze ihren Sitz, welche, wenn sie seitlich beleuchtet wird, den benachbarten Theil der Wurzel veranlaszt, sich apheliotropisch zu biegen.

Die Gravitation regt Pflanzen an sich von der Mitte der Erde weg oder nach ihr bin zu biegen oder sich in eine quere Stellung in Bezug auf dieselbe zu stellen. Obgleich es unmoglich ist, in irgend welcher directen Weise die Anziehung der Schwerkraft zu modi:ficiren, so konnte doch ihr Einflusz indirect auf verschiedene Arten und Weisen, die im zehnten Capital beschrieben wurden, modificirt werden; und unter solchen Umstii.nden ergab die nl1mliche Art von Beweisen, wie die im Capitel iiber Heliotropismus mitgetheilte , in der deut­ lichsten Weise, dasz die apogeotropischen und geotropischen und wahr­ scheinlich auch diageotropischen Bewegungen sl1mmtlich modificirte Forman von Circumnutation sind.

Verschiedene Theile einer und derselben Pflanze und verschiedene Species werden durch die Gravitation in sehr verschiedenen Graden und Weisen beeinfluszt. Einige Pflanzen und Organe bieten kaum eine

 

[page break] 488 Z11118Dl111enfa881lDg und Cap. 12.

Spur ihrer Einwirkung dar. Junge Sll.mlinge, welche, wie wir wissen, • rapid circumnutiren, sind auszerordentlich empfindlich, und wir haben

<len Hypocotyl von Beta sich in 3 Stunden 8 Minuten durcb einen Winkel von 190° aufw!!.rts biegen sehen. Die Nachwirkungen des Apogeotropismus dauern iiber eine balbe Stunde lang, und horizontal gelegte Hypocotyle warden zuweilen zeitweise bis iiber eine senkrecht aufrecbte Stellung hinausgeftihrt. Die aus Geotropismus, Apogeotro­ pismus und Diageotropismus hergeleiteten Vortbeile sind meist so o:lfen­ bar, dasz sie nicht speciell aufgefiihrt zu warden brauchen. Bei den Bl1lthenstengeln von Oxalis ist Epinastie die Ursache, dasz sie sich abwartsbiegen, so dasz die reifenden Samenkapseln von dem Kelche gegen den Regen geschiitzt werden. Spl\ter warden sie durch Apo­ geotropismus in Verbindung mit Hyponastie aufw!!.rts bewegt und da­ durch in den Stand gesetzt ihre Samenkorner iiber einen weiteren Raum zu verstreuen. Die Kapseln und Bliithenkopfe einiger Pfl.anzen werden durch Geotropismus niederwll.rts gebogen, und sie graben sich dann in die Erde ein . zum Schutze uncl zur langsamen Reifuug der Samen. Dieser Process des Eingrabens wird durch die stoszweise, in Folge der Circumnutation eintretende Bewegung bedeutend erleichtert.

Bei den Wiirzelchen mehrerer und wahrscheinlich aller Pfl.anzen­

s!!.mlinge ist die Empfindlicbkeit fiir Gravitation auf die Spitze. be­ schrll.nkt, welche einen Einflusz auf den benachbarten oberen Theil iiberleitet und diesen veranlaszt, sicb nach dem Mittelpunkte der Erde zu biegen. Dasz eine Fortleitung dieser Art vorhanden ist, wurde in einer interessanten Weise bewiesen, als horizontal ausgestreckte Wiirzel­ chen der Bohne der Einwirkung der Schwerkraft eine oder anderthalb Stunden ausgesetzt und ihre Spitzen dann amputirt wurden. lnnerhalb dieser Zeit wurde keine Spur von Kriimmung dargeboten, und die Wiirzelchen wurden nun senkrecht abwl\rts weisend gestellt; es war aber bereits ein Einfl.usz von der Spitze auf den benachbarten Theil fortgeleitet worden, denn bald darauf bog sich derselbe nach einer Seite und zwar in derselben Weise wie es eingetreten sein wiirde, wenn das Wiirzelchen horizontal geblieben wll.re und noch immer vom Geotro­ pismus beeinfl.uszt wiirde. In dieser Weise behandelte Wfirzelchen fuhren zwei oder drei Tage lang horizontal auszuwachsen fort, bis eine neue Spitze wiedergebildet worden war, und auf diese wirkte dann der Geotropismus wieder ein, und das Wiirzelchen wnrde nun senkrecht abwll.rts gekriimmt.

 

[page break] Cap. 12. Schluszbemerkungen. 489

Es ist nun nachgewiesen worden, dasz die folgenden bedeutungs­ vollen Classen von Bewegung s!mmtlich aus modificirter Circum­ nutation hervorgehen, welche allgegenwl1rtig ist, so lange das Wachs­ thum dauert, und nachdem das Wachsthum aufgeMrt hat, sobald nur Polster vorhanden sind. Diese Classen von Bewegung bestehen in den­ jenigen, welche Folge von Epinastie und Hyponastie sind, - den den Kletterpflanzen eigenen, welche gewohnlich revolutive Nutation ge­ nannt werden, - den nyctitropischen oder Schlafbewegungen der Blatter und Cotyledonen, - und den zwei ungeheuer groszen Classen von Bewegung die durch Licht und Gravitation angeregt werden. Wenn wir von modificirter Circumnutation sprechen, so meinen wir, dasz Licht, oder der Wechsel von Licht und Dunkelheit, Gravitation, geringer Druck oder andere Reizmittel und gewisse eingeborene oder con­ stitutionelle Zustande der Pflanzen nicht direct die Bewegong ver­ ursachen; sie ftihren blosz zu einer zeitweiligen Vergroszerung oder Verminderung derjenigen spontanen Verl\nderung in der Turgescenz der Zellen, welche bestandig vorkommt. In welcher Weise Licht, Gravitation u. s. w. auf die Zellen wirkt, ist nicht bekannt, und wir wollen bier nur bemerken, dasz, wenn irgend ein Reiz die Zellen in einer derartigen Weise afficirt, dasz irgend eine unbedeutende Neigung in dem afficirten Theile hervorgerufen wird, sich in einer wohlthl1tigen Weise zu biegen, diese Neigung leicht durch die Erhaltung der empfind­ licheren Individuen vergroszert werden kann. WAre aber eine der­ artige Biegung schlldlich , so wiirde die Neigung beseitigt werden, wenn sie nicht iiberwaltigend stark wAre. Denn wir wissen, wie ge­ wohnlich alle Charactere in allen Organismen variiren. Wir konnen auch keinen Grund sehen, daran zu zweifeln, dasz nach der voll­ stltndigen Beseitigung einer Neigung, sich in irgend einer Richtung unter einem gewissen Reize zu biegen, das Vermogen sich i einer direct entgegengesetzten Richtung zu biegen allmahlich durch natur­ liche Auswahl erlangt werden kann 2

_Obgleich so viele Bewegungen durch modificirte Circumnutation entstanden sind, so gibt es doch noch andere, welcbe einen vollig 1m­ abMngigen Ursprung gehabt zu haben scheinen; sie bilden aber keine so groszen und bedeutungsvollen Classen. Wenn ein Blatt einer

1 s. Frank's Bemerkungen in dessen: ,,Die Wagerechte Richtung von Pfianzentheilen" (1870, p. 90, 91 etc.) Uber natiirliche Zuchtwahl in •Verbindung mit Geotropismus, Heliotropismus u. s. w.

 

[page break] 490 Zusammenfasaung und Cap. 12.

Mimosa bertibrt wird, so nimmt es plotzlich dieselbe Stellung an, als wenn es schliefe; BRO'CKE hat aber gezeigt, dasz diese Bewegung das Resultat eines verschiedenen Turgescenzzustandes in den Zellen ist, verschieden von dem, welcher wll.hrend des Schlafes vorkommt ; und da Scblafbewegungen sicherlich Folge. einer modificirten Circum­ nutation sind, so konnen die in Folge einer Bertihrung eintretenden dies kaum sein. Der Rticken eines Blattes von Drosera rotundif olia wurde an die Spitze eines in den Boden getriebenen Stabes so angekittet, dasz es sich nicht im mindesten bewegen konnte und ein Tentakel wurde wabrend vieler Stunden unter dem Microscop beobachtet. Er zeigte aber keine circumnutirenden Bewegungen. Nachdem er aber momentan mit einem Sttickchen roben Fleisches beriibrt worden war, fieng sein basaler Theil sich in 23 Secunden zu krfimmen an. Diese Kriimmungsbewegung konnte daher nicbt ein Resultat einer modificirten Circumnutation sein. Wenn aber ein kleiner Gegenstand, wie ein Stiickcben Borate auf eine Seite der Spitze eines Wiirzelchens gelegt wurde, von der wir wissen, dasz sie best!l.ndig circumnutirt, war die hierdurch veranlaszte Kriimmung der durch Geotropismus verursachten so abnlicb, dasz wir kaum daran zweifeln konnen, dasz sie Folge einer modificirten Circumnutation ist. Eine Bliithe einer Mahonia wurde an einen Stab gekittet und die Staubf'Aden boten kein Zeichen von Circumnutation unter dem Microscop dar; wenn sie aber leicht beriihrt wurden, so bewegten sie sich docb plotzlich nach dem Pistiµ.e bin. Endlich scheint das Aufrollen des Endes einer Ranke, wenn sie be­ rtihrt wird, unabbangig von ibrer revolutiven oder circumnutirenden Bewegung zu sein. Dies zeigt sich am besten dadurcb, dasz der Theil, welcher fiir Beriihrung der empfindlichste ist, viel weniger circumnutirt, als die unteren Theile, oder allem Anscheine nach gar nicht8

Obgleich wir in diesen Fll.llen keinen Grund zu der Annahme baben, dasz die Bewegung von modificirter Circumnutation abhangt, wie bei den verschiedenen in diesem Banda beschriebenen Classen von Bewegungen, so diirfte doch der Unterscbied zwiscben den beiden Si\tzen von FIi.Hen nicht so grosz sein, wie er auf den ersten Blick scheint. In der einen Gruppe verursacht ein Reizmittel eine Ver­ mehrung oder Verminderung in dem Turgescenzzustande der Zellen,

 

s Wegen der Belege hierfllr s. die .Bewegungen und Lebensweise der klettern­ den Pfl.anzen", Ubersetzung, 1876, p. 188, 184.

 

[page break] Cap. 12. SchlllBzbemerknngen. 491

welche bereits in einem Zustande der VerD.nderung sind , wAhrend in der anderen Gruppe das Reizmittel erst eine 11.hnliche VerD.ndenmg in ihrem Turgescenzzustande anregt. Warum eine Beriihrung, leichter Druck oder irgend ein anderes Reizmittel, wie ElectricitD.t, WD.rme oder die Absorption thierischer Substanz die Turgescenz der Zellen in einer solchen Weise modifi.ciren sollte , dasz eine Bewegung ver­ ursacht wird, wissen wir nicht. Aber eine Berilhrung wirkt so hAufig und auf so sehr verschiedene Pflanzen in dieser Weise, dasz die Neig­ ung hierzu eine sehr allgemeine zu sein scheint; und wenn sie wohl­ tht.tig ist, kann sie auch bis zu jeder Ausdehnung vergrOszert werden. In anderen Fallen ruft eine Beriihrung eine sehr verschiedene Wirkung hervor, so bei Nitella, bei welcher man seben kann, dasz das Proto­ plasma von den Zellwandungen zurilcktritt; bei Lactuca, bei welcher eine milchige Fliissigkeit ausschwitzt, und bei Hanken gewisser Vita­

<ieen, Cucurbitaceen und Bignoniaceen, bei denen geringer Druck einen ielligen Auswuchs verursacht.

Endlich ist es unmOglich von der Ahnlichkeit zwischen den vor­ stehend erw!l.hnten Bewegungen von Pflanzen und vielen unbewuszt von den niederen Thieren ausgefiihrten Handlungen nicht iiberrascht zu sein 4 Bei Pflanzen genilgt ein erstaunlich geringer Reiz, und selbst bei verwandten Pfl.anzen kann die eine in hohem Grade fur den leichtesten anhaltenden Druck empfindlich sein und eine andere in hohem Grade emp:findlich fiir eine leichte, augenblickliche Beriihrung. Die Gewohn­ heit sich zu gewissen Perioden zu bewegen wird sowohl von Pflanzen als von Thieren vererbt, und mehrere andere Ahnlichkeitspunkte sind speciell angefiihrt worden. Die auffallendste Ahnlichkeit aber ist die Localisation ihrer Empfindlichkeit und die Fortleitung eines Einflusses von dem gereizten Theile auf einen anderen, welcher sicb in Folge hiervon bewegt. Doch besitzen natilrlich Pflanzen weder Nerven noch ein centrales Nervensystem, und wir konnen hieraus schlieszen, dasz bei Thieren derartige Bildungen nur zur vollkommeneren Fortleitung der Eindriicke und zur vollstD.ndigeren Mittheilung zwischen den ver­ schiedenen Theilen dienen.

Wir glauben, dasz es bei P:flanzen keine wunderbarere Bildung

 

4 Sachs bemerkt beinahe in demselben Sinne: .dasz sich die lebende Pflanzen­ nbstanz derart innerlich differenzirt, dasz einzelne Theile mit speciflscher Energie a11Bgerlistet sind , ahnlich wie die verschiedenen Sinnesorgane der Thiere" (Arbeit. Botan. Institut W\lrzburg, 2. Bd. 1879, p. 282).

 

[page break] 492 Zusammenfassung und Schluszbemerkungen. Cap. 12.

gibt, soweit die Functionen derselben in Betracht kommen, als die Spitze des Wtirzelchens. Wenn die Spitze unbedeutend gedriickt, gebogen oder geschnitten wird, so leitet sie einen Einflusz auf den oberen, benacbbarten Theil 1iber und verursacht, dasz sich derselbe von der affi.cirten Seite wegbiegt; und was noch 1iberrasche der ist, die Spitze kann zwischen einem unbedeutend bl!.rteren und weicheren Gegenstande unterscheiden, von denen sie gleichzeitig auf entgegen­ gesetzten Seiten gedriickt wird. Wenn indessen das Wurzelchen von einem ilhnlichen Gegenstande ein wenig oberhalb der Spitze gedriickt wird, leitet der gedriickte Theil keinen Einflusz auf entfernt liegendere Theile, sondern biegt sich abrupt nach dem Gegenstande bin. Wenn die Spitze wahrnimmt, dasz die Luft auf der einen Seite feuchter ist als auf der anderen, so leitet sie gleichfalls einen Einflusz • auf den oberen benachbarten Theil, welcher sich nun nach der Quelle der Feuchtigkeit -hinbiegt. Wenn die Spitze durch Licht gereizt wird (obschon dies in Bezug auf Wfirzelchen nur in einem einzigen Falle ermittelt wurde), so biegt sich der benachbarte Theil von dem Lichte ab; wird sie aber durch Gravitation gereizt, so biegt sfoh derselbe Theil nach dem Mittelpunkt der Schwerkraft bin. In beinahe jedem Falle konnen wir deutlich den Endzweck oder den Vortheil der ver­ schiedenen Bewegungen wahrnehmen. Zwei oder vielleicbt mehrere der erregenden Ursachen wirken hl!.ufig gleichzeitig auf die Spitze, und eine 1iberwilltigt die andere, ohne Zweifel in Lfbereinstimmung mit ibrer Bedeutung fiir das Leben der Pflanze. Der von dem Wiir­ zelchen beim Durchdringen des Bodens eingeschlagene Weg musz von der Spitze bestimmt werden; sie hat daher derartige verschiedene Arten von Empfindlichkeit erlangt. Es ist kaum eine Lfbertreibung; wenn man sagt, dasz die in dieser Weise ausger1istete Spitze des Wiirzelchens, welche das Vermogen die Bewegungen der benachbarten Theile zu leiten hat, gleich dem• Gehirn eines der niederen Thiere wirkt; das Gehirn sitzt innerhalb des vorderen Endes des Kopfes, erhillt Eindriicke von den Sinnesorganen und Jeitet die verschiedenen Bewegungen.

 

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B e g i s t e r.

I Aetzmittel, s. Cauterisation.

. Albizzia lophantha, nyctitropische Be-

.Abiu communis, Wirkung des TOdtens wegungen der BlAttchen, 826, der

oder Verletzens des leitendenSprossen, Fiedern, 342.

160. . . Allamanda Schottii, Circumnutation der

pectinata, Wir ung des Todtens oder jungen Bliitter, 209-210. . Verletze!1 des le1t nden Spr?ssen, 160; Allium cepa, conischer Vorsprnng am von ecidium elatin m af c1 t, 161. gebogenen Cotyledon, 48; Circum-

.Abr ia umbellata, ihr e1nz ger ent- nutation der basalen Hiilfte des ge- wickelter Coty edon, 64; rud1menti1rer bogenen Cotyledon, 49; Art und Weise Cotyledon, 79, Berstung der Samen- den Boden zu durchbrechen, 72; Ge- hUl)en, 88. . .. radestreckung, 84.

.Abutilo Darwinii, Schlaf der Bliitter _ porrum, Bewegungen der Blllthen- und mcht der Cotyledonen, 268; niicht- stengel l91 • liche Bewegungen der Bliitter, 276. ' • .

.Acacia Farnesiana, Zustand der Pflanze Alopecuru_s pratensis1 Gelenke vom Apo-

im Wachen und im Schlafen 825• geotrop1smus afficirt, 431.

Aussehen bei Nacht,336; nyctitr pisch Aloysia citriodora, Circumnutation des Bewegungen der Fiedern1 342• die Ach- Stammes, 179.

sen der Ellipsen, 344. ' Amaranthus, Schlaf der Bliitter, 830.

lophanta, Character des ersten Blat- - caudatus, nichtliche Bewegung der tes, 353. Cotyledonen, 261.

retinoides, Circumnutation des jungen Amorpha fruticosa, Schlaf der Blllttchen, Phyllodium, 199. 301.

.Acanthosicyos horrida, nachtliche Be- Ampelopsis tricuspidata, hypouastische wegung des Cotyledon, 259. Bewegung der hakenformigen Spitzen,

Acanthus candelabrum1 Ungleicbheit der 230.

ersten heiuen Blatter 1 65; Blattstiele Amphicarpaea monoica, Circumuutation nicht gebogen, 476. und nyctitropische Bewegungen der

latifolius, VariabilitAt der ersteuBliit- Blatter, 311; Wirkung des Sonnen- ter, 65. _ scheins auf die Blatter, 380; geotropi-

mollis, Simling, Art und Weise die sche Bewegungen, 445.

Erde zu durchbrechen, 65, 66; Circum- Anoda Wr-ightii, Schlaf der Cotyledonen, nutation eines jungen Blattes, 211, 257, 266; der B111tter, 276; Abwiirts-

227. bewegung der Cotyledonen, 879.

 

 

 

 

 

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Fi . IUt). [Ji'onaf'<t 11111.T ;,1i 'a: Cir('t1t1111ntation eines juug•n u111l irh nusbl'oitendrn Hlattis, im Dunkf'ln nn eiuor horil.nurnlon Glasplntte ,•om Mittng dP-' 2-L f'pt. bi:i 10. a. m. am 2:,, anf­

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spinosus, 65; Bewegung der Blatter, Apheliotropismus oder negativer

211. Heliotropismus, 4, 357, 868.

.Adenanthera pavonia, nyctitropische Be- Apios tuberosa, senkrechtes Sinken der

wegungen der Bliittchen, 318. Bliittch.en bei Nacht, 313.

Aecidium elatinum, Wirkung auf die Apium graveolens, Schlaf der Cotyledo- Seitenzweige der Silbertanne, 161. nen, 259; heliotropische Bewegungen

Aesculus hippocastanum, Bewegungen des Hypocotyls, 360-362.

des Wllrzelchens, 23; Empfindlichkeit - petroselinum, Schlafder Cotyledonen, der Spitze des Wtirzelchens, 147-149. 259.

 

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494

Apo g. Bewegungen. Register. Brassica.

 

Apogeotropische Bewegnngen durch Cotyledonen, 261; heliotropische Be- Gelenke oder Polster bewirkt, 480. wegungen derselben, 858; fortgeleitete Apogeotropismua, 4, 428; durch WirkungdesLicbtsaufdenHypocotyl, Heliotropismus verlangsamt, 429; 412; apogeotropische Bewegung des

Schluszbemerkungen Ober -, 484. Hypocotyls, 424

.Arachis hypogaea, Circumnutation des Bewegungen, periodische, der Coty- Gynophors, 191; Wirkung der Strah- ledonen, durch das Licht gestOrt, 108; lung auf die BlAtter, 245, 252; Schlaf- durch das Licht angeregte -, 856. bewegung der BIAtter, SOS; Schnellig- BeziehungenzwischenCircumnutation keit der Bewegnng, 844; Circumnutation und Heliotropismus, 871.

senkrecht herabhil.ngender junger Gy- Bignonia capreolata, apheliotropische nophoren, 444; AbwArtsbewegnng der- Bewegung der Ranken, 368, 884.

selben, 444. BUtter, Circumnutation, 192-221; bei

.Asparagus officinalis, Circumnutation Dicotyledonen, 192-218; bei Mono- der Plumula, 49, 50; Wirkung seit- cotyledonen, 218-217; Nyctitropismus, lichen Lichts, 414. 287; ihre Temperatur durch ihre Stel-

.Asplenium trichomanes, Bewegung der lung des Nachts afficirt, 250; nycti- fructificirenden Wedel, 217. tropische oder Schlafbewegungen, 270, Astragalus uliginosus, Bewegung der 834; PeriodicitAt ihrer Bewegungen Blattchen, 302. vererbt, 346; Embryologie, 3M; so-

.Avena sativa, Bewegung der Cotyledonen, genannter Tagesschlaf, 379.

53, 54; Empfindlichkeit der Spitze des B1a t t s t i e l e, ihre Erhebnng des Nachts Wttrzelchens far feuchte Luft, 157; far die Pflanzen wohlthAtig, 342. heliotropische Bewegung und Circum- Bl Qt hen , ihr Schlieazen durch Tem- nutation des Cotyledon, 359, 360; Em- peratur bestimmt, 237.

pfindlichkeit des Cotyledon ff1r seit- Bl ft thens teng el,Circumnutation,189

liches Licht, 408; die jungen scheiden- -192.

artigen Cotyledonen stark apogeotro- BogenfOrmige KrQmmung ver- ' pisch , 428 ; Bewegung Alterer Coty- schiedener Organe, ihre Bedeutung fur ledonen, 428, 429. PflanzensAmlinge, 72 ; Hervorbrechen

.Averrhoa bilimbi, schlafendes Blatt, 281; der Hypocotyle und Epicotyle in einer Winkelbewegung beim Einschlafen der -, 74, 475. • BlAtter, 281-284; BlAttchen hellerem Bouche, iiber Melaleuca ericaefolia, Sonnenschein ausgesetzt, 881. 326.

.Azalea indica, Circumnutation des Stam- Brassica napus, Circumnutation der Blft- mes, 178. thenstengel, 191.

- oleracea, Circumnutation des Sam­

 

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B.

De Bary, ilber die Wirkung des Aeci­ dium auf die Silbertanne, 161.

Bat alin, Prof., Circumnutation beim Kohl, 195; Bewegungen der BlAtter, 240; Schlaf der Blatter bei Sida napaea, 272; dber Polygonum aviculare, 380; tlber die Wirkung des Sonnenscheins auf die BIAttchen von Oxalis acetosella, 381.

Bauhinia, Schlaf der Cotyledonen, 262; uyctitropische Bewegungen, 341; Aus­ sehen junger BlAtter des Nachts, 842. Begieszen, Wirkung desselben auf

PorZieriis hygrometrica, 286, 287.

Deleuchtung, Wirkung der, aufBlit­ ter 389.

Beobachtungsmethoden, 5.

Beta vulgaris, Circumnutation des Hypo­ cotyls von Samlingen, 42; Bewegungen der Cotyledonen, 42, 43; Wirkung des Lichte, 104; nichtliche Bewegung der

 

lings, 8; des Wdrzelchens, 8; geotro­ pische Bewegung des Wftrzelchens, 9; Bewegung des vergrabenen und ge­ krilmmten Hypocotyls, 10, 11, 12; vereinigte Circumnutation des Hypo­ cotyls und der Cotyledonen, 13, 14, 15; des Hypocotyls im Dunkeln, 14; eines Cotyledonen bei fest gemachtem Hypo­ cotyl, 15; Schnelligkeit der Bewegung, 15; von den Hypocotylen , wenn sie aufrecht stehen, beschriebene Ellipsen, 89; Bewegungen der Cotyledonen, 96, des Stammes, 173, der BlAtter des Nachts, 195, 196; Schlaf der Cotyledo­ nen , 256; Circumnutation des Hypo­ cotyls eines SAmlings, 362; heliotropi­ sche Bewegung und Circumnutation der Hypocotyle, 368; Wirkung eines seitlichen Lichts auf die Hypocotyle, 409-412; apogeotropische Bewegung

der Hypocotyle, 429.

- oleracea-rapa (schwedische Rnbe), Be­ wegungen der Blatter, 195.

 

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Brongniart. Resister. Citrus. 495

 

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Brongniart, A., flber den Schlaf von

Strephium floribundum, SSS.

Bruce, Dr., ilber den Schlaf der Blltter bei AtJerrhoa, 280.

BryophyUum (vel Oalanchae) calycinum,

Bewegung der Blatter, 201.

c.

Oaesalpinia, Schlafbewegung der Blatter,

814.

Camellia japonica, Circumnutation eines Blattes, 196, 197.

Candolle, A. de, flber Trapa natans, 79 , Anm.; tlber die Empfindlichkeit der Cotyledonen, 107.

Canna W arscewiczii, Circumnutation der Plumula, 47, 48; eines Blattes, 213,

214.

Cannabis satitJa, Bewegungen der Blat­ ter , 211; nlichtliche Bewegungen der Cotyledonen, 261; Herabsinken der jungen Blatter des Nachts, 879.

Cassia , nyctitropische Bewegung der Blatter, 814.

- Barclayana, nachtlicheBewegung der Blatter, 317; unbedeutende Bewegung der Blattchen, 842.

- calliantha, nicht beschidigt durch Exponirtsein des Nachts, 2451 Anm.; nyctitropische Bewegung der Bllt­ ter, 816; Circumnutation der Bla.tter, 817.

- corymbosa, Cotyledonen ftlr Berilh­ rung empfindlich, 106; nyctitropische Bewegung der Blatter, 315.

'{f,oribunda, Nutzen der Schlafbe,veg­ ungen, 245; Wirkung der Strahlung auf die Blatter des Nachts, 250; Cir­ cumnutation und nyctitropische Be­ wegung eines terminalen Blittchens, 317; Bewegungen junger und alterer Blatter, 841.

fforida, Cotyledonen fflr Berllhrung emp:6.ndlich, 106; Schlaf der Cotyledo­ nen, 262.

glauca, Cotyledonen ftlr Berllhrung empfindlich, 106; Schlaf der Cotyledo­ nen, 262.

laevigata, Wirkung der Str11hlung auf Bla.tter, 245, Anm.

mimosoides, Bewegung der Cotyledo­ nen, 97; Emp:6.ndlichkeit derselben, 106; ihr Schlaf, 262; nyctitropische Bewegung der Blatter, 316; Wirkung hellen Sonnenscheins auf die Cotyle­ donen, 380.

neg7,ecta, Bewegungen, 98; Wirkung des Lichts , 104; Empfindlichkeit der Cotyledonen, 106.

 

 

Cassia ,wdosa, Nichtempfindlichkeit der Cotyledonen, 106; sie erheben sich des Nachts nicht, 262.

pubescens, Cotyledonen nicht em­ pfindlich, 106; nicht beschidigt durch Exponirtsein des Nachts, 249; Schlaf der Cotyledonen , 262 ; nyctitropische Bewegung der Blltter, 816; c1rcum­ nutirende Bewegung der Blltter, 817; nyctitropische Bewegung der Blatt­ stiel!i 341; Durchmesser de Pftanze des achts, 842.

sp. (?), Bewegung der Cotyledonen,

97.

- tora, Circumnutation der Cotyledonen und Hypocotyle, 27, 28, 91,262; Wir­

kung des Lichts, 104, 105; Emp:6.nd­ lichkeit gegen Beriihrung, 105; helio­ tropischeBewegungund Circumnutation des Hypocotyls 867; Hypocotyl des Samlings unbedeutend heliotropisch, 388; apogeotropische Bewegung eines alten Hypocotyls, 425; Bewegung des Hypocotyls eines jungen Sll.mlings, 487.

Cauterisation (mit H<illenstein), Wirkung der - auf das Wflrzelchen der Bohne, 128, 133, 454, auf das der gemeinen Erbse, lll9, 459.

Oentrosema, 811.

Ceratophyllum demersum, Bewegungen des Stammes, 180.

Oereus Landbeckii, seine rudimentll.ren

Cotyledonen, 80.

speciosissimus, Circumnutation des Stammes, 176, 177.

Cerinthe major, Circumnutation des Hy­

pocotyls, 39, der Cotyledonen, 40; von den Hypocotylen, wenn sie aufrecht stehen, beschriebene Ellipsen, 89; Wirkung der Dunkelheit, 104.

Chatin, Mr., tlber Pinus Nordmanni,

331. •

Ohenopodium album, Blll.tter schlafen, nicht die Cotyledonen, 268, 272.

Chlorophyll durch helles Licht ver­ letzt, 881.

Ci e s i e l s k i, flber die Emp:6.ndlichkeit der Spitze der Wfirzelchen, 4, 128,

448.

Circumnutation, Bedeutung erklll.rt, 1 ; modi:6.cirte -, 222-286; Beziehung zwiscben - und Heliotropismus, 871; von Mchster Bedeutung fur alle Pftan­ zen, 470.

Oissus discolor, Circumnutation eines

Blattes, 198.

Citrus aurantium, Circumnutation des Epicotyls, 22; ungleiche Cotyledonen, 78.

 

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496 Clia nth us. Register. Desmodium.

 

 

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Clianthus Dampieri, nichtliohe Bewegung

der Blatter, 253.

Olivia, 215.

Cobaea scandens, Circumnutation, 228. C o h n, ilber das von Lathraea squa- maria abgesonderte Wasser, 71, Anm. ; ilber die Bewegung der Blattchen von

Oxalis, 381.

Colocasia antiquorum, Schlaf der Blat­ ter, 332.

Colutea rborea, nll.chtliche Bewegung

der Blattchen, 302.

Coniferae, Circumnutation, 181.

Coronilla rosea, schlafende Blittchen,

302.

Corylus avellana, Circumnutation eines jungen, vom Epicotyl aufsteigenden Sprossen, 45, 46 ; bogenformiger Epi­

cotyl, 64.

Cotyledon umbilicus, Circumnutation der Stolonen, 187, 188.

Cotyledonen, rudimentll.r, 78-81;

Circumnutation, 91-94; nacl..ttliche Bewegungen, 92-94; Polster oder Gelenke, 94-103; durch das Licht gestorte periodische Bewegungen, 103; Empfindlichkeitgegen Beriihrung, 105; nyctitropische Bewegungen, 239, 253; Liste der Cotyledonen, welche sich des Nachts erheben oder senken, 255; Schloszbemerkungen ilber ihre Schlaf­ bewegungen, 265.

Crambe mm•itima, Circumnutation der

Bliitter, 193, 194.

Orinum capense, Gestalt der Blatter, 214;

Circumnutation, 214, 215.

Crotolaria (sp.?), Scblaf der Blatter, 289.

Cryptogamen, Circumnutation bei,

217-219.

Cucumis dudaim, Bewegong der Cotyle­ donen, 35; Schlaf derselben, 258.

Cucurbita aurantia, Bewegong des Hy­ pocotyls, 33; Cotyledonen des Nacbts senkrecht, 258.

- ovifern , geotropische Bewegung des Wiirzelchens, 30, 31; Circomnutation des bogenformigen Hypocotyls, 32, des geraden und senkrechten Hypocotyls, 32; Bewegungen der Cotyledonen; 33,

96, 10-1; Stellung des Wiirzelchens, 74; Durchbrechen der Samenhtlllen, 85; Circumnutation des Hypocotyls, wenn er aufrecht steht, 89, 90; F;m­ pfindlichkeit der Spitze des Wiirzel­ chens, 145, 146; Cotyledonen des Nachts senkrecht, 258; von Apogeotro­ pismus nlcht afficirt, 436; Spitzen der Wtirzelchen quer cauterisirt, 4.61.

Cycas pectinata, Circumnutation eines jungen Blattcs, wahrend es aus dem

 

Boden hervortritt, 47; erstes Blatt bogig gekrfimmt, 64, 65; Circumnuta­ tion der terminalen Blll.ttchen, 213.

Cyclamen persicum, Bewegung der Coty­ ledonen, 37; unentwickelte Cotyledo­ nen, 64, -79; Circumnutation des Bld­

thenstiels, 191, der Blll.tter, 208, 209; apheliotropische Abwll.rtsbewegung eines Blttthenstiels, 369-371; Ein­ graben der Samenkapseln, 369.

Cyperus alternifolius,Circumnutation des Stammes, 187; Bewegung des Stammes, 486.

Cytisus fragrans, Circumnutation des Hypocotyls, 30; Scblaf der Blatter, 293, 338; apogeotropische Bewegung

des Stammes, 423-424.

D.

Dahlia, Circumnutation junger Blatter,

207-208.

Dalea alopecuroides,Blll.ttchen des Nachts

niedergedrttckt, 802.

Darlingtonia californica, ihre Blll.tter oder Eimer apbeliotropisch, 384, Anm. Darwin, Charles, Uber Maurandia semper{lorens, 191, ilber die schwedi­ sche Rttbe, 195 , Anm. ; Bewegungen der Kletterpflanzen , 225 , 229 ; die heliotropiscbe Bewegung der Ranken von Bignonia capreolata, 368; revolu­ tive Bewegung der Kletterpflanzen, 885; ilber das Aufrollen einer Ranke,

490.

-, Erasmus, iiber die Bliithenstiele der Cyclamens, •369.

-, Francis, iiber das Wiirzelchen von Sinapisalba, 416; iiber hygroscopische Samen, 419, Anm.

Datura stramonium, nlichtliche Bewegung

der Cotyledonen, 254.

Delphinium nudicaule , Art und Weise den Boden zu durchbrechen, 66; zu­ sammenflieszende Stiele der beiden Cotyledonen, 476.

Delpino, iiber die Cotyledonen von Chaerophyllum und Corydalis, 80, Anm. Desnwdium gyrans, Bewegung der Bllitt­ chen, 217, Anm. ; Stellung der Bliitter des Nachts , 241; Blatter schlafen, nicht die Cotyledonen, 268; Circum­ nutation und nyctitropische Bewegung der Blatter, 304-307 ; Bewegung der seitlicben Blli.ttchen , 807; Schnellen der Blll.ttchen, 308; nyctitropische Be­ wegung der Blattstiele, 841; Dorch­ messer einer Pflanze des Nachts, 342; seitliche Bewegung der Blll.tter, 844; Zickzackbewegung der Spitze eines

 

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Desmodium. Register. Ge o t r opi s m u s. 497

 

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Blattes, 345; Gestalt der seitlichen Blattcben, 859.

Desmodium vespertilionis, 310, Anm.

Deutzia gracilis, Circumnutation des Stammes, I75.

D i a g e o t r o p i s mu s, 4, oder Trans­ versal-Geotropismus, 446.

Diaheliotropismus, 4, oder Trans­ versalheliotropismus, von Frank, 357, 874; von Epinastie beeinfluszt, 874, von Gewicht und Apogeotropismus, 875. Dianthus caryophyllus, 196; Circum­ nutation eines jungen Blattes, 196,227.

Dicotyledon en, Circumnutation weit verbreitet bei, 56.

Dionaea, oscillirende Bewegungen der Blatter, 220, 229.

- muscipula, Circumnutation eines jun­ gen sich aushreitenden Blattes, 203, 204; Schlieszen der Lappen und Cir­ cumnutation eines vollil! erwachsenen Blattes, 204; Oscillationen, 205-207. Drosera capensis, Gestalt der erst ge­

bildeten Blatter, 353.

- rotundifolia, Bewegung eines jungen Blattes, 201, 202, der Tentakeln, 202; Empfindlichkeit der Tentakeln, 220; Gestalt der Blatter, 353; Blatter nicht heliotropisch, 384 ; Blatter circumnuti­ ren bedeutend , 887; Empfindlichkeit der Tentakeln, 490.

Duch art re, ilber Tephrosia caribaea, 802; iiher die nyctitropische Bewegung von Cassia, 314.

Dunkelheit, Wirkung auf die Be­ wegung der Blatter, 346.

Duval-Jouve, Uber die Bewegung von Bryophyllum calycinum, 201, der schmalen Blatter der Gramineen, 352.

 

 

diagcutropische Bewegung der Rhizome mancher Pflanzen, 446.

Elymus arenarius, Blatter wahrend des Tages •geschlossen, !l52.

Embryo logie der Blatter, 852. Engel mann, Dr., Uber Quercus virens,

70.

E p he u, seine. Stiimme apheliotropisch, 384, s. nuch Hedera.

Epic otyl oder Plumula, 4; Art und Weise den Boden zu durchbrechen, 68; Circumnutation im gekriimmten Zu­ stand, 81; tritt in der Form eines Bogens aus der Erde, 475.

Epinastie, 5, 226.

Erd bee re, s. Fragaria.

Erythrina caff'ra, Schlaf der Blatter, 812.

corallodenilro11, Bewegung des ter- minalen Blattchens, 313.

crista-galli, Wirkung der Temperatur auf den Schlaf der Blatter, 271; Cir­ cumnutation und nyctitropische Be­ wegung der terminalen Blattchen, 312.

Eucalyptus resinifera, Circumnutation der Blatter, 207.

Euphorl1ia .iacquineaeflora, nyctitropi sche llewegung drr Blatter, 330.

F.

FettUberzug, Wirkung auf Wiirzel­ chen und ihre Spitzen, 155, 158,458. Flahault, W., iiber das Bersten der

Samenhiillen, 85-87, 88.

Fragaria vesca, Circumnutation der Sto­ lonen, 182-186, <lurch masziges Licht nicht afficirt, 387-388.

Fran k, D. A. B., die Ausdriicke He­ liotropismus und Geotropismus, 4,

 

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Dyer, Mr. Thiselton, iiber die Blatter

 

Anmi. Wiirzelchen von Geotropismus

 

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von Crotolaria, 289; ii her Cassia flo­ ribunda, 814, Anm.; iiber die absorbi­ renden Haare an den vergrabenen Bliithenkopfen von Trifolium subterra­ neum, 443.

E.

Echeveria stolonifera, Circumnutation eines Blattes, 200.

Echinocactus viridescens, seine rudimen­ taren Cotyledonen, 80.

Echinocystis lobata , Bewegungen der Ranken, 225; Apogeotropismus der- selben, 487.

Eiche, americanische, Circumnutation des jungen Stammes, 48, 44, s. auchI Queretts.

Elfving, F., iiber die Rhizome von

 

beeinnuszt, 57, Anm.; iiber die Sto­ lonen von Fragaria, 183; periodische und nyctitropische Bewegungen der Blatter, 240; iiber die Wurzclb!atter im Dunkeln gehaltener Pflanzen, 877; iiber Polster, 415; iiber natiirliche Auswahl in Zusammenhang mit Geotro­ pismus, Heliotropismus etc., 489; iiber Transversalheliotropismus, 374.

:Fuchsia, Circumnutation des Stammes, 175.

G.

Gattungen, welche schlafende Pflan- zen enthalten, 278.

Gazania i•ingens, Circumnutation dee

Stammes, 177.

Geotropismus, 4; Wirkung aufdas

 

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Sparganittm ramosum, 162; iiber die I primare Wiirzelchen, 168; das Um-

DARWIN, Bewegungsverrnogen. (XIU.) 82

 

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498 Geranium. Regi11ter. Insect e'n fr. Pfl_a nz en.

 

gekehrte von Apogeotropismus, 438; I deutung des Bogeos filr keimende Wirkung auf die Spitze der Wiirzel-1 Pflanzen, 72; in der Luft und unter cben, 464, 466. der Ertle wachsende Cotyledonen, 92,

Geranium cinerettm, 259. Anm.; der bogenformige Hypocotyl,

- Endressii, 259. : 476.

ibericum, nachtliche Bewegung der Haemato:-cylon cam11echianum, nachtliche Cotyledonen, 254. Bewe ting der Blatter, 314.

Richardsonii, 259. Hedern helix, Circumnutation des Stam-

rotundifolium, nachtliche Bewegung mes, 177, s. auch Epheu.

dcr Cotyledonen, 259, 265, 266. Hedysarum cornnarium, nachtliche Be-

subcaulescens, 259. wegung der Blatter, 308.

Ge s chic h t e eines keimenden Samens, Helianthemum prostratum, geotropische

471. Bewegung der Bliithenkopfe, 443.

Githago se_qetum, Circumnutation des Helianthns annuus, Circumnutation des Hypocotyls, 16, 90; Eingraben des Hypocotyls, 36; Bogenkriimmung des- Hypocotyls, 91; Samlinge schwach selben, 75; nli.chtliche Bewegung der beleuchtet. 104, 108; Schlaf der Coty- Cotyledonen, 259.

ledonen, 257, der Blatter, 274. Heliotropismus, 4, 358; Nutzen, Glaucium littenm, Circumnutation junger 380; eine modificirte Form der Circum- Blatter, 193. nutation, 420;• Beziehungen zwischen

Gleditschia, Schlaf der Blatter, :314. ihm und Circumnutation, 371.

Glycine hispida, senkrechtes Sinken der Helleboru.s niger, Art und Weise durch Blll.ttchen, 312. • den Boden zu brechen, 71.

Glycyrrhiza, Blattchen des Nachts nie- Hensen, Prof.,iiber WurzelninWurm- dergedriickt, 302. hohlen, 64.

G od I e w ski , Emil, iiber die Turgescenz Hens I ow, 0-., iiber die Cotyledonen von

der Zellen, 415. Phalari- canariensis, 51.

Gossypium (var. Nanking-Baumwolle), Ho fmeis te r, W., Uber die merkwiirdi- Circumnutation des Hypocotyls, 17; gen Bewegungen der Spirogym, 2, Bewegung der Cotyledonen, 18; Schlaf 219; Circumnutation beim Kohl, 216; der Blatter, 276. Bewegungen der Blatter von Pistic,

arboreum (?), Schlaf der Cotyledonen, 8tratiotes, 216, der Cotyledonen des

258. Nachts,253, der Blumenkronenbllitter,

brasiliense, nachtliche Bewegung der 352.

Blatter, 276; Schlaf der Cotyledonen, Hooker, SirJ., iiber die Wirkung des

258. Lichts auf die Eimer von Sarracenia,

- herbaceum, Empfindlichkeit der Spitze 384.

des Wilrzelchens, 143; Schlaf der Hypocotyl, 4; Art und Weise, den Cotyledonen, 258; Wiirzelchen quer Boden zu durchbrechen, 63; tritt in cauterisirt, 461. der Form eines Bogens vor, 475.

- maritimum, nlichtliche Bewegung der Hypo cot y I e u nd Epic ot yI e, Cir-

Blatter, 276. cumnutation und andere Bewegungen, Gravitation, durch - erregte Be- wenn sie bogenfonnig gekrfimmt sind, wegungen, 487. 81; Kraft sich gerade zu strecken, 84; Gray, Asa, iiber Delphinium nudicaule, Bersten der Samenhttllen, 85-88; 66; Uber Megarrhiza californica, 67; Illustration, 88; Circumnutation, wenn iiber die Bewegungen an fructificiren- sie aufrecht sind, 89, im Dunkeln, 90.

<len Wedeln von .Asplenium tricho- Hypo n as tie, 5, 226.

manes, 217; ilher die .Amphicarpaea

 

[page break]

monoicc,, 446; iiber Ipomoea jalappa,

478.

Gr e s s n er, Dr. H., iiber die Cotyledo­ nen von Cyclamen persicum, 37, 64; Ober den Hypocotyl desselben, 79.

Gymnospermen, Schlaf, 331.

 

H.

Ha be rl and t, Dr., tiber dieProtuberanz

am Hypocotyl voo .Allium, 48; die Be-

 

I.

Iberis umbellata, Bewegung des Stam­ mes, 173.

Imatophyllum, vel Olivia (sp. ?), Be­ wegung der Blatter, 215.

Indigof era tinctoria, Blattchen des Nachts

niedergedrilckt, 302.

I n sect enfr essen d e und Kletter­ pftanzen nicht heliotropisch, 384; Einflusz des Lichts auf sie, 418.

 

[page break]

lpomoea. Register. Lupinus. 499

 

[page break]

 

Ipomoea bona nox, Bogenkrilmmung des Hypocotyls, 75; Nachtstellung der Cotyledonen, 260, 266.

- coccinea, Stellung der Cotyledonen

des Nachts, 261, 266.

- coei-ulea vel Pharbitis nil, Circum­ nutation der Slimlinge, 38; Beweguog der Cotyledonen, 38-39, 91; nacht­ liche Bewegung der Cotyledooen, 260; Schlaf der Bllitter, 328; Empfiodlich­ keit fiir Licht, 385; die hypocotyledo­ nen Stlimme heliotropisch, 387.

- leptophylla, Art und Weise den Boden zu durchbrechen, 69, 70; bogenformige Kriimmung der Stiele der Cotyledonen, 75; Verschiedeoheit der Empfindlich­ keit fiir Gravitation in verschiedeuen Theilen, 436; auszerordentliche Kei­ mungsweise, 478.

- pandurata, Art und Weise zu keimen, 70, 478.

- purpurea (vel l'harbitis hispida), nlichtliche Bewegun der Cotyledonen, 260, 266; Schlaf der Blatter , 328 ; Empfindlichkeit fiir Licht, 385; die hypocotyledonen Stamme heliotropisch, 387.

Iris pseudo-acorns, Circumnutation der Bllitter, 214.

I r m is ch, iiber die Cotyledonen von

Ranunculu.s ficaria, 80.

 

K.

Keim ender Same n' Geschichte eines solchen, 471.

Kerner, iiber das Niederbiegen der

 

 

Lagenaria vulgaris, Circumnutation der 8amlinge, 34; der Coiyledonen, 34; Cotyledonen des Nachts senkrecht, 258. Lathraea squan1aria, Art und Weise den Boden zu durchbrechen, 71; Menge des abgesonderten Wassers, 71, Anm. Ellipsen beschrieben, 90. '

Leguminosae, Schlaf der Cotyledonen 262; Species, welche schlafeu, 289. '

Le J\laout uud Decaisne, 55.

Lepidium sativu111, Schlaf der Cotyledo­ neu, 2i')7.

Licht, durch dasselbe angeregte Be­ wegungen, 356, 484; Einflusz auf die meisten Pflanzengewebe, 416; wirkt auf Pflanzen wie auf das Nerveusystem vou Thiereu, 416.

Lilium aumtu111, Circumnutation des Stammes, 181; apogeotropische Be­ wegung des 8tammes, 427.

Li II ne, "Somnus Plantarum", 237; iiber schlafeude Pflanzen , 273• Uber die Blatter von Sida _abutilon; 276; iiber Oenothera mollissima, 326.

Linum Berendieri, nachtliche Bewegung der Cotyledonen, 254.

- usitatissimum, Circumnutatiou des Stammes, 173.

Loliiim perenne, Gelenke von Apogeotro­ pismus afficirt, 430.

Lonicera brachypoda, Hakenbildung der Spitze, 229, 230; Empfindlichkeit fiir

das Licht, 386.

Loomis, Mr., iiber die Bewegungen an

den fructificirendenW edeln von .Asple- nium trichomanes, 217.

Lotus aristata, Wirkung der Strahlung

 

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I h t 35

 

auf die Blatter, 248.

 

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B fitena iele, 2. - creticus, Blatter im wachen und schla-

 

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K is s en, s. Polster.

Klammer n, holzerne, durch welche fenden Zustand,e

 

301; Blattchen mit

 

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das Wtirzelchen einer Bohne wachsen Polstern versehen, 301.

gelassen wurde, 62_ - Gebelii, nachtliche Bewegung der

 

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K I etterpflanzen, Circumnutation, 223; Bewegungen, 480, nicht heliotro--

 

Cotyledonen, 263.

• b B

Jaco aeus, ewegungen der Cotyledo-

 

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. I n E' tl d L

pisc , a8 ; m usz es ichts auf,

 

418

 

nen, 28, 91; Polster, 96; Bewegungen

des Nachts, 97, 102, 104; Entwickelung

 

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Klinostat, ein von Sachs erfundenes

Instrument, um Geotropismus zu elimi- der Polster, 103; Schlaf der Cotyledo-

. 76 nen, 262, 266; nyctitropische Bewegung

K !n;, C rl, uber die unterirdischen der Blatter, 3oo.

 

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Sprossen T •t•

iiber Can:ibis

 

- major, Schlaf der BIMter, 300

2 265 peregrinus, Bewegung der Blattchen,

 

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iiber dm.

 

Bewegungen 'der B'llitter', 271'.

 

30•1

 

. .

 

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Krummun g des w firzelchens 165. Lunularia. vulgans, C1rcumnutat1on der

 

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"" .

ogen,vrmige -

 

B ,,.. . Laubthe1le, 218.

8 ogen,ormig. J Lupinus, Schlaf, 289; Stellung der Blat-

ter beim Schlaf, 289, 290, 291; ver­

 

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L. schiedenartige Bewegung der Blatter und Bllittchen, 336.

Lactuca scariola, Schlaf der Cotyledo- - albifrons, Schlaf der Blatter, 290, 292•

nen, 259. Circumnutation der Blatter, 293. '

32*

 

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500 Lupin us. Register. Monocotyled o nen.

 

 

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Lupinus Hartwegii, Schlaf der Blatter,

290. .

- luteus, Circumnutation der Cotyledo­ nen, 30, 92, 104; Wirkung der Dunkel­

heit, 104; Schlaf der Blatter, 290.

- Menziesii, Schlaf der Blatter, 292.

- mutabilis, Schlaf der Blatter, 292.

- nanus, Sch\af der Blatter, 292.

- pilosris, Schlaf der Blatter, 290. .

- polyphyllus, Schlaf der Blatter, 292,

- pubescens, Schlaf der Blatter am Tage und in der Nacht, 291; Stellung der Blattstiele des Nachts, 291, ihre Be­ wegungen, 342.

- speciosus, Circnmnutation der Blatter, 200, Schlaf derselben. 292.

Lynch, Mr. R., iiber Pachira aquatica, 79, Anm.; Schlafbewegungen von Aver­ l'hoa, 280.

M.

Mahonia, Empfindlichkeit der Staub­ faden, 490.

Maranta arnndinacea, nyctitropische Be­ wegung der Blatter, 331, 332; schlafen nach starker Erschiitterung nicht, 272. Marsilea quadrifoliata, Wirkung der Strahlung des Nachts, 248; Circum­ nutation und nyctitropische Bewegung der Bliittchen, 334, 335; Schnelligkeit

der Bewegung, 344.

Martins, ilber Strahlung des Nachts, 2411 Anm.

Masters, Dr. Maxwell, iiber die leiten­ den Sprossen der Coniferen, 181.

Maurandia semperflorens, Circumnuta­ tion des Bliithenstiels, 191.

Medicago maculata, niLchtliche Stellung der Blatter, 293.

- marina, Blatter im wachen und schlafenden Zustande, 293, 294.

Meehan, Mr., Uber die Wirkung eines Aecidium auf Port•ulaca oleracea, 162. Megarrhiza californica, Art und Weise den Boden zu durchbrechen, 67; Kei­ mung von Asa Gray beschrieben, 68; eigenthfimliche Art der Keimung, 68,

476, 478.

Melaleuca ericaefolia, Schlaf der Bl!Ltter, 326.

Melilotus, Schlaf der Blatter, 294.

- alba, Schlaf der Blatter, 295.

- coerulea, Schlaf der Blatter, 295.

- dentata, Wirkung der Strahlung des Nachts, 251.

- elegans, Schlaf der Blatter, 295.

- gracilis, Schlaf der Bliitter, 295.

- infesta, Schlaf der Bl!Ltter, 295.

- italica, Bl!Ltter des Nachts exponirt, 247; Schlaf der Bliitter, 295.

 

Melilotu macrorrhiza, BlatterdesNachts exponirt, 248; Schlaf der Blatter, 295.

messanensis, Schlaf der Bl!Ltter an jungen und erwachscnen Pflanzen, 296,

354. .

officillalis, Wirkung des Exponirtseins des Nachts auf die Blatter, 246, 251; nachtliche Bewegung der Bliitter, 294,

!95; Circumnutation der Blatter, 296; Bewegung der Blattstiele, 341.

parviffora, Schlaf der Blatter, 295.

petitpierreana, Blatter des Nachts ex- ponirt, 247,252; Schlaf der Blatter, 295.

secundiflora, Schlaf der Blatter, 295.

suaveolens, Blatter des Nachts ex- ponirt, 247; Schlaf der Bliitter, 295.

sulcata, Schlaf der Blatter, 295.

taurica, Blatter des Nachts exponirt, 247; Schlaf der Blatter, 295, 353.

Method en der Beobachtung, 5.

Mimosa albida, Cotyledonen des Nachts senkrecht, 97 ; gegen Beriihrung nicht empfindlich, 107; Schlaf der Cotyledo­ nen, 262; rudimentare Blattchen, 310; nyctitropische Bewegungen der Blatter, 323; Circumnutation des Hauptstiels eines jungen Blattes. 324; Torsion oder Rotation der Blatter und Blatt­ chen, 340; erstes echtes Blatt, 354; Wirkung hellen Sonnenscheins auf die basalen Blattchen, 380.

marginata, nyctitropische Bewegun­

gen der Blattchen, 324.

-_pudica, Bewegung der Cotyledonen, 29; Bersten der Samenhii\len, 87, 88; Circumnutation der Cotyledonen, 91; Polster derse\ben, 94, 96; Cotyledonen des Nachts senkrecht, 97, kaum gegen Beriihrung empfindlich, 107; Wirkung des Exponirtseins des Nachts, 249; nachtliche Bewegung der Bli!.tter, 253; Schlaf der Cotyledonen, 262; Circum­ nutation und nyctitropische Bewegung des Hauptblattstiels, 318 - 323, - der Blattchen, 321; Circumnutation und nyctitropische Bewegung der Fiedern, 342; Zahl der in einer gegebenen Zeit beschriebenen Ellipsen, 345; Wirkung hellen Sonnenscheins auf die Blattchen, 380.

"sensitiva", 323, Anm.

Mirabilis jalappa und longi{lora, nacht­ liohe Bewegungen der Cotyledonen,261; nyctitropische Bewegung der Blil.tter, 384.

Moh I, H. von, Heliotropismus bei Ran­

ken, Stammen und windenden Pflan­ zeu, 384.

Mono cot y1edo n en, Circumnutation derBlatter, 213; Schlafder BliLttcr, 331.

 

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M_ono tro pa. Register. Oxa lis. 501

 

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Monotropa hypopitys, Art und Weise

den Boden zu durchbrechen, 71. Morr en, ilber die Bewegungen der

Staubfaden vonSparmannia und Cereus,

192..

Millier, Fritz, ilber Cassia tora, 21; ilber die Circumnutation von Linum usitatissimum, 173; Bewegungen der Blilthenstengel von Alisma, 191.

Mutisia clematis, Bewegung der Blatter,

208; Blatter nicht heliotropisch, 385.

N.

Natiirlicbe Zuchtwahl im Zusam­ menhang mit Geotropismus, Helio­ tropismus u. s. w. 489.

Nephrodium molle, Cil'cunmutation eines sehr jungen Wedels, 54; eines alteren Wedels, 217; unbedeutende Bewegung der Wedel, 436.

Neptunia oleracea, Empfincllichkeit ftlr Berllhrung, ll8; nyctitropische Be­ wegung der Blattchen, 318, der Fiedero, 343.

Nicotiana glauca uod tabacum, Schlaf der Blatter, 328; Circumnutation der Blatter, 328. •

Nobbe, Uber das Bersten der Samen­ hilllen bei einem Siimling von Martynia, 87.

Nolana prostrata, l3ewegung der Si!.m­ linge im Dunkeln, 40; Circumnutation des Samlings, 90.

Nyctitropische Bewegung der Blat­ ter, 481.

Ny c tit r op ism ns oder Schlaf der Blatter, 237, 238; im Zusammenhang init der Strahlung, 240, 242; durch ihn erreichter Zweck, 351, 482.

0.

Oenothera mollissima, Schlaf der Blatter, 326.

Opuntia basilaris, vereinigte Circum-

nutation des Hypocotyls und der Coty- ledonen , 35; Verdickung des Hypo- cotyls, 80; Circumnutation des Hwo- cotyls, wenn er aufrecht ist., 90; Ein- graben desselben, 91.

0 range,Sii.mlings-, Circumnutation, 437.

Orchis pyramidalis, complicirte Beweg- ung der Pollinien, 418.

Oxalis acetosella, Circumnutation des

 

 

beim Schlaf gefaltet, 276; Circum­ nutation eines schlafenden Blattchens, 277; Schnelligkeit der Circumnutation der Blattchen, 344; Wirkung des Son­ nenscheins auf die Blattchen, 381; Circumnutation des Blilthenstengels, 433; Samenkapseln nur gelegentlich eingegraben, 444.

Oxalis articulata, niichtliche Bewegungen der Cotyledonen, 99, 2ti2.

.bupleurifolia, Circumnutation des blattartigen Blattstiels, 279; nycti­ tropische Bewegung des terminalen Bliittcbens, 280.

carnosa, Circumnutation des Blilthen­ stengels, 189; Wirkung des Exponirt­ seins des Nachts, 244, 252; epinasti­ sche Bewegungen des Blilthenstengels, 43l ; Beweguugen des BlUtbenstengels Folge von Apogeotropismus und ande­ ren Kraften, 431-433.

corniculata (var. cuprea), Bewegungen der Cotyledonen, 21; Erheben der Co­ tyledonen, 97; rudimentiire Polster der Cotyledonen, 99, Zellen dieser Polster, 100; Entwickelung des Polsters, 103; Wirkung schwachen Licbts, 104; Ver­ sucbe an Blattern des Nachts, 245; niichtlicbe Bewegung der Cotyledonen, 266.

floribunda, Polster der Cotyledonen, 95; nachtlichc Bewegung, 99, 262. fi"<tyrans, Schlaf der Blatter. 277.

Ortegesii, Circumnutation der Blilthen­ stengel, 190; Scblaf der groszen Blat­ ter, 278; Durchmesser der Pflanze des Nachts , 342; grosze Blattchen von hellem Sonnenschein afficirt, 381.

Plumierii, Schlaf der Blatter, 279.

purpiirea, nii.chtliches Exponirtsein der Blii.ttchen, 249.

rosea, Circumnutation der Cotyledo­ nen, 18-20, 91; Polster, 95; Bewegung

der Cotyledonen des Nachts, 98, 99,

262; Wirkung schwachen Lichts, 104; nicht empfindliche Cotyledonen, 107.

sensitiva (Biophytum), Schnelligkeit der Bewegung der Cotyledonen wahrend des Tages, 21; Polster, 94; Bewegung

der Cotyledonen, 91, 107, 108; Coty-

ledonen des Nachts seukrecht, 97, 99; Circumnutation des Blilthenstengels, 190; nacbtliche Bewegung der Coty- ledonen, 262, 265; Scblaf der Blatter,

279.

 

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Bliltbenstengels, 190; Wirkung des - tropaeoloides, Bewegung der Coty- der Strahlung Ansgesetztseins des ledonen des Nachts, 90, 100.

Nacbts, 243,244,251; Circumnutation Valdiviana,vereinigteCircumnutation

und nyctitropische Bewegung in er- der Cotyledonen und des Hypocotyls, wachsenen Blattern, 277; Bliittchen 20; Cotyledonen erheben sich des

 

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502 Pachira. Register. Polster.

 

 

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Nachts senkrecht, 95. 96, 98, 99; nicht empfindliche Cotyledonen, 107; nacht­ liche Bewegung der Cotyledonen, 262, 265, 268; Schlaf der Blatter und Co­ tyledonen verschieden, 268; Bewegun­ gen der Blatter, 278.

P.

Pachira aquatica, ungleiche Cotyledonen,

79, Anm.

Pancratium littornle, Bewegung -der Blatter, 215.

Parah eliot ropismus oder Tages­ schlaf der Blatter, 357.

Passiflora gracilis, Circumnutation und nyctitropische Bewegnng der Blatter, 326, 327; apogeotropische Bewegung der Ran ken, 437; Empfindlichkeit der Ranken, 473.

Pelargonium zonale, Circumnutation des Stammes, 173; - und Abwartsbeweg­ ung eines jungen Blattes, 197, 227.

Petunia violacea, Abwllrtsbewegnng und Circumnutation sehr junger Blatter, 110, 111, 227.

Pfeffer, Prof., iiber die Tnrgescenz der Zellen, 2; iiber Polster an Blat­ tern, 94, 98; Schlafhewegungen der

Blatter, 237, 239, 240; nachtliche Hebungsbewegung der Blatter von Malva, 276; Bewegungen der Blatt­ chen von Desmodium gyrans, 307 ; iiber Phyllanthus Nfruri, 331; Einflusz eines Polsters auf Blatter, 338; perio­ dische Bewegungen schlafender Blat­ ter, 346,347; Bewegungen der Kronen­ blatter, 352; Wirkung hellen Sonnen­ scheins auf die Blattcheu von Robinia, 380; Wirkung des Lichts auf mit Polstern versehene Theile, 415.

Pf 1an z en , Circumnutation erwachse­ ner -, 172-184; Empfindlichkeit gegen Licht, 383; hygroscopische Be­ wegungen, 418.

Phalaris canariensis, Bewegungen alter Samlinge, 51; Circnmnutation der Co­ tyledonen, 51, 52, 90; heliotropische Bewegung und Circumnutation des Co­ tyledon nach einem schwachen scit­ lichen Lichte , 365; Empfindlichkeit des Cotyledon fiir Licht, 388; Wirkung des Abschlusses des Lichts von den Spitzen der Cotyledonen, 389; Art und Weise, sich nach dem Lichte zu biegen, 390; Wirkungen des Bemalens mit Tusche, 398; fortgeleitete Wirkungen des Lichts, 400 ; seitliche Beleuchtung der Spitze, 401; apogeotropische Be­ wegung der scheidenartigen Cotyledo­ aen, 425; Aenderung der Bewegung

 

aus einer gerade aufwlirts gerichteten apogeotropischen Bewegung in Circum­ nutation, 427; apogeotropische Be­ wegung der Cotyledonen, 428, Fig.

Pharbitis hispida, s. Ipomoea purpurea.

nil, s. I1iomoea coerulea.

Phaseolris Hernandesii, 77; nachtliche Bewegung der Blatter und Blattchen, 313.

caracalla, 77; nachtliche Bewegnng der Bllitter, 313; Wirknng hellen Sonnenscheins auf die Blattchen, 380.

multiflorus, Bewegung der Wiirzel­ chen, 23, eines jungen Wiirzelchens, 59, des Hypocotyls, 76, 77; Empfind­ lichkeit der Spitze des Wiirzelchens, 139-142; gegen feuchte Luft, 155; Cauterisation und Einfettung, der Spi­ tzen, 460; nachtliche Bewegung der Blatter, 313.

Roxburghii, nyctitropische Bewegung des ersten einbllittrigen Blattes, 338; Wirkung hellen Sonnenscheins auf die ersten Bllitter, 380.

vulgaris, 77; Schlaf der Blatter, 271; senkrechtes Sinken der Bllitter des Nachts, 313.

Phyllanthus Niruri, Schlaf der Blatt­ chen, 331.

P•ilocereus Houlletii, rudimentlire Coty- ledonen, 80.

Pimelia linoides, Schlaf der Bllitter, 330.

spectabilis, Schlaf der Bllitter, 330.

Piniis austriaca, Circnmnutation der Bllitter, 213.

Nordmanniana, nyctitropische Be­ wegung der Blatter, 331.

pinaster, Circumnutation des Hypo­ cotyls, 46, - der Cotyledomm, 92; Bewegung zweier gegenilberstehender Cotyledonen, 46; Circumnutation eines jungen Blattes, 212, 213; epinastische Abwartsbewegnng eines jungen Blattes, 228.

Pi tia stratiotes, Bewegnng der Blatter,

216.

Pisum sativum, Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens, 132, 135; Spitze der Wilrzelchen quer cauterisirt, 459.

P Ii ni us, iiber die Schlafbewegungen der Pfl.anzen, 237.

Plumbago capensis, Circumnutation des Stammes, 178.

PoincianaGilliesii,Schlaf derBlatter, 314. Po1s t e r oder Gelenke: von Cotyledonen, 94-103.; Einflusz der - anf die Be­ wegungen der Cotyledonen, 267; Wir­ kung auf nyctitropische Bewegungen,

337.

 

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Polygonum. Register. Selaginella. 503

 

Polygonum aviculare, Blatter des Nachts I Schlaf der Pflanzen, 271; Blatter von senkrecht, 330. : Medicago maculata, 293; iiber Wista

convolvulus, Sinken der Blatter des 'I ria sinensis, 302.

Nachts, 271. Rubus idaeus (Bastard), Circumnutation

Pontederia (sp. ?) , Circumnutation der : des Stam mes, 175; apogeotropische Blatter, 216. [ Bewegnng des Stammes, 426.

Porlieria hygrometrica, Circumnutation R ilcks eh lag, Folge von Verstiimme­ und nyctitropische Bewegungen des lung, 162, von andern Storungen, 475. Blattstiels, 285--287; Wirkung des Ruiz und Pavon, iiber Po1•lieria hy- Bewasserns, 286, 287; Blattchen am grometrica, 286.

 

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Tage geschlossen, 3u2.

Portulaca oleracea, Wirkung des Aeci­ dium auf, 162.

Primula sinen8is, vereinigte Circum­

nutation des Hypocotyls und der Coty­ ledonen, 36, 37.

Pringslreim, iiber die Schadigung des

Chlorophylls, li81 Anm.

Prosopis, nyctitropische Bewegung der Blattchen, 318.

Psoralea acaulis, nachtliche Bewegung

der Blattchen, 301.

Pteris aquilina, Rachis von, 72.

Q.

Quercus (americanische sp.), Circumnuta­ tion des jungen Stammes, 43-44.

robur, Bewegung der Wiirzelchen, 44, 45; Empfindlichkeit der Spitze des

Wiirzelchens, 149-151.

virens, Art cler Keimung, 70, 478.

R.

Ramey, iiber die Bewegungen der Co­ tyledonen von Mimosa pudica und Clianthus Dampieri des Nachts, 253. Ranunculus ficaria, Art und Weise den Boden zu durchbrechen, 71, 74; ein­ ziger Cotyledon•, 80; Wirkung seit­

lichen Lichts, 414.

Raphanus sativus, Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens, 146; Schlaf der Cotyledonen, 256.

Rattan, Mr., iiber die Keimung der Samen von Megarrhiza californica, 68.

Reseda odorata, Hypocotyl des Samlings unbedeutend heliotropisch, 388.

Rhipsalis cassytha, rudimentare Coty­ ledonen, 80.

Richter, Wiirzelchen nicht apheliotro­ pisch, 474.

Ricinus borboniensis, Circumnutation des bogenformigen Hypocotyls, 43.

Robinia, Wirkung hellen Sonnenscheins auf ihre Blatter, 380.

pseudo-acacia, Blattchen des Nachts senkrecht, 302.

Ro die r, Mr., iiber die Bewegungen von

Ceratophyllum deinersum, 180.

Royer, Ch., iiber die Schlafbewegungen der Pflanzen, 238, Anm.; iiber den

 

s.

Sachs, iiber revolutive Nutation, l; innige Beziehung zwischen Turgescenz und Wachsthum, 2, Anm.; Cotyledonen der Zwiebel, 48; Anpassung der Wur­ zelhaare, 57; Bewegung des Wilrzel­ chens, 57, 60; Bewegung an den Hypo­ cotylen der Bohne etc., 75; Empfind­ lichkeit der Wilrzelchen, 110, 123, 169; Empfindlichkeit des primaren Wiirzel­ chens der Bohne, 1311 132, der ge­

meinen Erbse, 133; Wirkung feuchter

Luft, 154 ;- Wirkung des Tcldtens oder Verletzens des primaren Wiirzelchens, 159, 160; Circumnutation der Bliithen­

stengel, 191; Epinastie, 227; orthotrope und• plagiotrope Pflanzentheile, 232; Bewegungen cler Blattchen von Tri­ folium incarnatum, 298; Wirkung des Lichts auf die Modification der perio­ dischen Bewegungen der Blatter, 356; iiber Geotropismus und Heliotropismus, 372, Anm.; iiber Tropaeolum majus, 387; die Hypocotyle des Epheus un­ bedeutend heliotropisch, seine Stamme stark apbeliotropisch, 387; Heliotropis­ mus der Wiirzelchen, 413; Versuche an Spitzen der Wiirzelchen der Bohne, 448, 449; Kriimmung des Hypocotyls, 477; Aehnlichkeit zwischen Pflanzen und Thieren, 491.

.Sachs' Kriimmung", 76. Samenhiillen, Bersten dl)r, 84-87. Same nkapsel n, Eingraben, 439.

Sam Ii n g e, Circumnutirende Bewegun- gen der, 8.

Sarracenia purpurea, Circumnutationder jungen Eimer, 193.

Saxifraga sarmentosa, Circumnutation eines geneigten Stolon, 186, 187.

Schlaf der Pflanzen, 237.

Schrankia aculeata, nyctitropische Be­ wegnng der Fiedern, 325, 343.

uncinata, nyctitropische Bewegung der Blattchen, 324.

Securigera coronilla, nachtliche Bewegun­

gen der Blattchen, 300.

Selaginella Krausii (?), Circumnutation einer jungen Pflanze, 54, 218.

 

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504 Sida. Register. Trifolium.

 

 

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Sida napaea, Blatter des Nachts nieder­ gedrtlckt, 272; kein Polster, 272.

retusa, senkrechtes Erheben der Blat­ ter, 272.

rhombifolia, Cotyledonen schlafen nicht, 268; Schlaf der Blatter, 268; senkrechtes Erheben der Blatter, 272; kein Polster, 272; Circumnutation und nyctitropische Bewegungen des Blatts einer jungen Pflanze, 272; nyctitropi­ sche Bewegungen der Blatter, 338.

Siegesbeckia orientalis, Schlaf der Blat­ ter, 272, 327.

Sinapis alba, Hypocotyl biegt sich nach dem Lichte, 394; fortgeleitete Wirkung des Licbts auf Wfirzelcben, 412-414, 487; Wacbsthum der Wiirzelchen im Dunkeln, 416.

- nigra, Schlaf der Cotyledonen, 256.

Smilax aspera, Ranken apheliotropiscb, 384.

Smithia Pfundii, Cotyledonen nicht em­ pfindlich, 107; hyponastische Bewegung der gekriimmten Spitze des Stammes, 232, 233; Cotyledonen schlafen des Nachts nicht, 262; senkrechte Be­ wegung der Blatter, 303.

- sensitiva, Empfindlichkeit der Coty­ ledonen gegen Beriihrung, 106; Schlaf der Cotyledonen, 262.

Solanum dulcamara , circumnutirende Stamme, 224.

- lycopersicum, Bewegung des Hypo­ cotyls, 40, der Cotyledonen, 40, 92; Wirkung der Dunkelheit, I04; Er­ heben der Cotyledonen des Nachts, 261; heliotropische Bewegungen des Hypocotyls, 359; Wirkung intermitti­ renden Lichts, 390; rapider Heliotro­ pismus, 394.

-- palinacanthum, Circumnutation des

bogenformigen Hypocotyls, 41, 83, der Cotyledonen, 41; vom Hypocotyl, wenn er aufrecht ist, bescbriebene Ellipsen, 90; nachtliche Bewegungen der Coty­ ledonen, 261.

Sophora chrysophylla, Bliittchen erheben sich des Nacbts, 314.

Sparganium ramosum, Rhizomevon, 162.

Sphaerophysa salsola, Erheben der Blatt­ chen, 302.

Spirogyra princeps, Bewegungen, 219, Anm.

Stachelbeere, Wirkung der Strah­

lung, 241.

S tll mm e, Circumnutation, 172-182. Sta h1, D., iiber die Wirkung von Aeci­

dium auf Sprossen, 162; iiber den Ein­ flusz des Lichts auf Schwarmsporen, 418, Anm.

 

Stapelia sarpedon, Circumnutation des Hypocotyls, 37, 38; minutiose Coty­

ledonen, 80.

Stellaria media, nachtliche Bewegung der Blatter, 253.

Sto I on en oder Auslaufer, Circumnuta­ tion, 182-189, 480.

Strahlung des Nachts, Wirknng auf Blatter, 240-243.

Strasburger, fiber die Wirkung des Lichts auf Sporen von Haematococcus, 389, Anm.; Einflusz des Lichts auf Schwarmsporen, 417, Anm.

St,•ephium floribundum, Circumnutation und nyctitropische Bewegung der Blat­ ter, 332-333.

Stylidium, Circumnutation des• Gynoste­ miums, 192.

T.

Tagesschlaf der Blatter, 357.

Tamarindus indica, nyctitropische Be­ wegung der Blattchen, 318.

Tecoma radicans, Stamme apheliotro- pisch, 384.

Tephrosia caribaea, 302. Ter mi no log i e, 4.

Thalia dealbata, Schlaf der Blatter, 331; seitliche Bewegung der Blatter, 344. Trag heitsmoment, gehaufte Wir­ kung des Apogeotropismus ihm ahnlich,

435.

Transversal-Heliotropismus (von Frank) oder Dia.heliotropismus, 374. Trapa natans, ungleiche Cotyledonen,

79, Anm.

Trichosanthes anguina, Wirkung des Zapfens a.uf da.s Wtlrzelchen, 87 ; nachtliche Bewegung der Cotyledonen, 259.

Trifolium, Stellung der terminalen Blatt­

chen des Nachts, 239; Form des ersten Blattes, 353.

globosum, Haare die Samen tragenden Bliitben schtitzend, 443.

glomeratum, Bewegung der Cotyledo­ nen, 263.

incarnatum, Bewegung der Cotyledo­ nen, 263.

pannonicum, Gestalt des ersten echten

Blattes, 353.

p1•atense, Blatter des Nachts exponirt, 249.

repens, Circumnutation des Bliithen­

stengels, 190; Circumnutation und epinastische Bewegungen des Bltithen­ stengels, 233- 236 ; nyctitropische Be­ wegung der Blatter, 297; Circumnuta­ tion und nyctitropische Bewegungen

 

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Trifoliu m. Register. Wilson. 505

 

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des terminalen Bliittcbens, 300; Scblaf­ bewegungen, 297; beschreibt in 24 Stunden eine Ellipse, 344.

Trifolium 1•esupinatum, keine Polster an

den Cotyledonen, 98; Circumnutation des Stammes, 174; Wirkung des Ex­ ponirtseins des Nachts, 250; Cotyledo­ nen erbeben sich nicht des Nachts, 98, 263; Circumnutation und nycti­ tropische Bewegungen der terminalen Bliittchen, 299, 300; Zahl der in 2.4 Stunden beschriebenen Ellipsen, 344.

strictum, Bewegungen der Cotyledo­ nen cles Nachts, 97, 98; niichtliche und Tagesbewegungen der Cotyledonen, 263-265, 266; Bewegung des links­

seitigen Cotyledon, 269.

subterraneum, Bewegung der Bltlthen-

. kopfe, 59, der Cotyledonen des Nacbts, 97, 98, 263; Circumnutation des Blii­

thenstengels, 190, 191; Circumnutation und nyctitropische Bewegungen der Blatter, 298, 209; Zahl der Ellipsen

in 24 Stunden, 344; Eingraben seiner

Bltlthenkopfe, 439; Abwiirtsbewegung des Bltlthenstengels, 440; circumnuti­ rende Bewegung desselben, 441.

Trigonella cretica, Schlaf der Blatter, 293.

Triticum repens, unterirdische Sprossen werden apogeotropisch, 162.

• vulgare, Empfindlichkeit der Spitze der Wiirzelchen fiir feuchte Luft, 157. Tropaeolwm majus (?), Empfindlichkeit der Spitze des Wtlrzelchens gegen Be­ riihrung, 142; Circumnutation des Stammes, 174; Einflusz der Beleuch­ tung auf nyctitropische Bewegungen, 287-289; beliotropiscbe Bewegung und Circumnutation des Epicotyls eines jungen Sii.mlings, 365, 366, - eines alten Internodinms nach einem seit­ lichen Lichte, 367; Stamme sebr junger Pflanzen bedeutend, alter Pflanzen un­ bedeutend apheliotropisch, 387; Wir­

kung seitlichen Lichts, 414.

minus (?), Circumnutation des ver­ grabenen und hogenformigen Epicotyls, 21, 22.

u.

Ulex, oder Ginster, erst gebildetes Blatt, 353.

Uraria lagopus, senkrecbtes Sinken der Blattchen bei Nacht, 311.

V.

Va uc her, iiber das Eingraben der Bltltbenkopfe von Trifolium subterra­ neum, 440; Uber den Schutz der Sa­ men, 443.

 

 

Verbena _tnelindres (?), Circumnutation des Stam mes, 179; apogeotropische Bewegung des Stammes, 424.

Vere rbung bei Pflanzen, 347,477,481, 491.

Vicia faba, Circumnutation des Wtlrzel­

chens, 24, 25, des Epicotyls, 25, 26; Krtlmmung des Hypocoty ls, 77; Em­ pfindlichkeit der Spitze des Wtlrzel­ chens, 112-129, fiirfeuchteLuft, 156; Empfindlichkeit der Spitze der secun­ daren Wtlrzelchen, 131-132, des pri­ miiren Wtlrzelchens oberhalb der

Spitze, 132-135; verschiedene Ver­ suche, 114-119; Zusammenfassung derResultate, 122-129; Einflusz eines Reizmittels auf die Spitze des Wiirzel­ chens verglicben mit dem des Geotro­ pismus, 129-131; Circumnutation der Blatter, 198, 199; Circumnutation des terminalen Blattchens, 199; Wirkung des Apogeotropismus, 378; Wirkung der Amputation der Spitze der Wi1rzel­ chen, 448; Regeneration der Spitzen, 451; kurzes Aussetzen dem Einflusz des Geotropismus, 451; Wirkungen der schriigen Amputation der Spitze, 453, des Cauterisirens der Spitze, 454, des Fetttlberzugs der Spitzen, 458.

Vines, Mr., tlber Wachsthum der Zel­ len, 2.

Vries, De,iiber Turgescenz, 2; tlber Epinastie und Hyponastie, 5, 226, 227; Stolonen apheliotropisch, 90; nycti­ tropische Bewegung der Blatter, 240; die Stellung der Blatter von Epinastie, ihrem eigenen Gewicht und Apogeotro­ pismus beeinfluszt, 375; Apogeotropis­ mus an Blattstielen und Mittelrippen, 377; die Stolonen der Erdheere, 388; die Gelenke u. Polster der Gramineen, 430; der Schutz der Hypocotyle im Winter, 479.

w.

We 11s , Abhandlung tlber den Thau,

241, Anm.

Wiesner, Prof., tlber die Circumnuta­ tion des Hypocotyls, 82; tlber die ha­ kenformige Spitze kletternder Stamme, 230; Beohachtungeu tlber die Wirkung hellen Sonnenscheins auf das Chloro­ phyll in den Blattern, 381; Wirkungen eines intermittirenden Lichts, S90; iiber Luftwurzeln, 416; tlber specielle Anpassungen, 419.

Wigandia, Bewegung der Blatter, 210.

W i II i amson, Prof., tlber die Blatter von Dl"osera capensis, 353.

32**

 

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506 Winkler. Register. Zukal.

 

 

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W i1son, Mr. A.S., iiber die Bewegungen der Blatter der schwedischen Rube, 195, 254.

Wink1er, ttber den Schutz der Sam­ linge, 91.

Wistaria sinensis, Blattchen bei Nacht niedergedriickt, 802; Circumnutation bei seitlichem Lichte, 886.

Wttrzelchen, Art und Weise, in welcher sie den Boden durchbohren, 56-68; Circumnutation, 56; Versuche mit gespaltenen Holzstiickchen, 61, ' mit holzernen Klammern, 62; Em- pfindlichkeit der Spitze gegen Be- rtthrung und andere Reizmittel, 109;

- von Vicia faba, 112-129; ver- schiedene Versuche, 114--119: Zu- sammeufassung der Resultate. 122- 129: Einflusz eines Reizmittels ver•- glichen mit Geotropismus, 129-131•; Empfindlichkeit der Spitze gcgen feuchte Luft, 156; mit eingefetteten Spitzen, 158; Wirkung des Todtens oder Verletzens des primaren Wiirzel- chens, l!i9-163; Kriimmung, 165; von

 

Feuchtigkeit afficirt, 170; Spitze allein fiir Geotropismus empfindlich, 464; Vortreiben und Circumnutation im keimenden Samen, 471; Spitze sehr empfindlich, 478; 8pitze wirkt wie das Gehirn eines der niederen Thiere, 492.

Wiirzelchen, secundare, Empfind-. lichkeit der Spitze bei der Bohne, 181; werden senkrecht geotropisch, 159- 168.

z.

Zea mays, Circumnutation der Cotyledo- nen, 52; geotropische Bewegung der Wiirzelchen, 58; Empfindlichkeit der Spitze des Wiirzelchens gegen Be- riihrung, 151-158; secundareWiirzel- chen, 158; heliotropische Bewegungen des Samlings, 52, 859; Spitze der

Wurzelchen cauterisirt, 463.

Zelle n, Messungstabelle der - im Polster von Oxalis corniculata, 101 ; Veranderungen in den, 470.

Zuk a I, iiber die Bewegungen von

Spirulina, 219, Anm.

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Citation: John van Wyhe, ed. 2002-. The Complete Work of Charles Darwin Online. (http://darwin-online.org.uk/)

File last updated 24 October, 2023