RECORD: Darwin, C. R. 1885. [Extract from Memoir of Professor Henslow]. In E. Krause, Charles Darwin und sein Verhältnis zu Deutschland. Leipzig: E. Günther, pp. 14-15.

REVISION HISTORY: Transcribed and edited by John van Wyhe 5.2022. RN1

NOTE: See record in the Freeman Bibliographical Database, enter its Identifier here. Translation from Anon. 1882. Charles Darwin. Nature 26, no. 655 (18 May): 50. The Memoir is numbered F1 in the Freeman Bibliographical Database.


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Da er sich nunmehr entschieden hatte, nicht Arzt werden zu wollen, vertauschte er ein paar Jahre später (1828) die Universität Edinburg mit dem Christ-College zu Cambridge und zwar in der anfänglichen Absicht, Theologie zu studieren. Glücklicherweise fand er daselbst einen Lehrer, der es verstand, die in ihm schlummernde Neigung für das Studium der Natur zu wecken und ihn auf die richtigen Wege zu bringen. Es war dies der Professor Henslow, welcher gerade damals den Lehrstuhl der Mineralogie mit dem Lehrstuhl der Botanik vertauscht hatte. Darwin pflegte zu sagen, dass erst auf den gemeinschaftlichen Exkursionen mit diesem ausgezeichneten Lehrer seine Neigung zum Naturstudium wirklich begonnen habe, denn vorher habe von allen Naturdingen seine wahre Liebe doch nur den Füchsen und Rebhühnern gegolten. Auch der Lehrer scheint den Wert des Jünglings, der sich ihm mit aller Begeisterung der Jugend anschloss, sogleich erkannt zu haben und bald bildete sich ein enges Freundschaftsband zwischen Lehrer und Schüler, welches erst mit dem Tode des ersteren gelöst werden konnte. Darwin hörte niemals auf, seiner Dankbarkeit und Verehrung für Prof. Henslow immer erneuten Ausdruck zu geben, und wir wollen hier einen Brief Darwins, welchen Rev. L. Jenyns in seinem "Memoir of the late Prof. Henslow" mitgeteilt hat, wieder-

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geben, weil er ebensowohl zur Charakteristik Darwins selbst, wie des Mannes, der auf ihn den grössten Einfluss geübt, dient.

"Ich kam früh im Jahre 1828", schreibt Darwin "nach Cambridge und wurde durch einige meiner Gefährten im Insektensammeln bald mit Prof. Henslow bekannt, denn alle, die sich um irgend einen Zweig der Naturwissenschaft kümmerten, wurden von ihm in gleicher Weise aufgemuntert. Nichts konnte einfacher, herzlicher und bescheidener sein, als die Ermutigung, welche er allen jungen Naturforschern gewährte. Ich wurde bald intim mit ihm, denn er besass ein merkwürdiges Vermögen, das jugendliche Gemüt vollständig mit sich vertraut zu machen, obwohl wir alle von der Fülle seines Wissens in Ehrfurcht. gebannt waren. Ehe ich ihn sah, hörte ich einen jungen Mann seine Talente in die einfache Rede zusammenfassen: "er wisse alles." Wenn ich darüber nachdenke, wie unmittelbar wir uns in vollkommner Vertraulichkeit mit einem ältern, uns in jeder Richtung so unendlich überlegenen Manne fühlten, so denke ich, es war dies ebenso sehr der durchsichtigen Aufrichtigkeit seines Charakters, als seiner Herzensgüte zuzuschreiben, und vielleicht noch mehr einer höchlich merkwürdigen Abwesenheit von allem Selbstbewusstsein in ihm. Wir bemerkten sofort, dass er niemals an sein eignes mannigfaltiges Wissen oder klares Verständnis dachte, sondern einzig an den Gegenstand in der Hand. Ein andrer Zauber, welcher jeden einnehmen musste, bestand darin, dass sein Benehmen gegen eine vornehme Person genau das nämliche, wie gegen den jüngsten Studenten war: gegen alle dieselbe gewinnende Höflichkeit. Er konnte mit Interesse die geringste treffende Beobachtung in irgend einem Zweige der Naturwissenschaft entgegennehmen, und ein Fehlschluss, den man gemacht hatte, mochte noch so absurd sein, er legte ihn so klar und freundlich dar, dass man ihn in keiner Weise entmutigt verliess, sondern sich blos vornahm, das nächstemal sorgfältiger vorzugehen. Somit konnte kein Mann besser geeignet sein, das ganze Zutrauen der Anfänger zu gewinnen und sie in ihrem Streben zu ermutigen

"Während der Jahre, in denen ich so viel mit Professor Henslow in Verbindung stand, sah ich niemals seine Gemütsstimmung auch nur in Erregung. Er nahm niemals eine schlecht geartete Ansicht über irgend jemandes Charakter an, obwobl er sehr weit davon entfernt war, gegen die Schwächen der andern blind zu sein. Es machte mir stets den Eindruck, dass sein Gemüt nicht wohl durch irgend eine armselige Regung von Neid, Eitelkeit oder Eifersucht berührt werden könnte. Bei aller dieser Gleichmässigkeit der Stimmung und merkwürdigem Wohlwollen war indessen keine Charakterschwäche vorhanden. Ein Mensch müsste blind gewesen sein, um nicht wahrzunehmen, dass

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hinter diesem sanften Äussern ein kräftiger und entschiedener Wille stand. Wenn ein Prinzip ins Spiel kam, würde keine Macht der Erde ihn um eines Haares Breite zum Wanken gebracht haben.....

"In seinem Geiste schienen mir, soweit ich urteilen kann, genaues Beobachtungsvermögen, gesunder Sinn und vorsichtiges Urteil vorzuherrschen. Nichts schien ibm so viel Freude zu bereiten, als aus ganz kleinen Beobachtungen Schlüsse zu ziehen. Aber seine bewundrungswürdige Abhandlung über die Geologie von Anglesea zeigt seine Fähigkeit für ausgedehnte Beobachtungen und weite Gesichtspunkte. Indem ich mit Dankbarkeit und Ebrfurcht über seinen Charakter nachdenke, gewinnen seine moralischen Eigenschaften, wie es in den höchsten Charakteren stets der Fall sein sollte, über sein geistiges Vermögen den Vorrang."

Dieses Urteil des Schülers über seinen Lehrer zeigt uns, ohne des geringsten Kommentars zu bedürfen, einen wie grossen Einfluss das Beispiel des letzteren auf Denkweise und Gemüt des ersteren gewonnen hatte. Henslow unterstützte ihn nicht nur in seinen, mit Vorliebe der lebendigen Welt gewidmeten Studien, sondern er wies ihn auch mit Nachdruck auf die Betrachtung der Vergangenheit, auf das Studium der Geologie hin, welches ihm mangels einer lebendigen Anregung in Edinburg höchst langweilig erschienen war.


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Citation: John van Wyhe, ed. 2002-. The Complete Work of Charles Darwin Online. (http://darwin-online.org.uk/)

File last updated 25 September, 2022